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T. I~IECHEt~T : Intrakranielle infekti6se Erkrankungen 147 C. Hauptvortrag 4. T. RI~CH~lCT-Freiburg i. Br. : Klinik und operative Therapie der intrakraniellen infekti(isen Erkrankungen (Mit 9 Textabbildungen) Auf jedem KongreB wird darauf hingewiesen, dab die intrakraniellen Infektionen ihr Gesicht weitgehend gewandelt haben, seitdem ffir die 13ehandlung antibiotisehe Mittel znr Verffignng stehen und seitdem wit gelernt haben, gef/~hrlich fiberschieBende vegetative Reaktionen mittels einer dosierten Unterkfihlung abzufangen. Wenn auch zugegeben wird, dab trotz dieser Mittel eine chirurgische Intervention notwendig ist, so wird doch die Situation bei der intrakraniellen Infektion unter dem Ein- druck des Fortschritts meist optimistisch benrteilt. Der tIirnabsceB scheint an Aktualitgt verloren zu haben. Die klinisehe Wirkliehkeit zeigt abet doeh, dab ein HirnabseeB und im weiteren Sinne eine intrakranielle Infektion aueh heute noeh ein ernstes Leiden darstellt. NOnT~Cl~OFT gibt in seiner Zusammenstellung an, dab die Mortalit/it, die vor der Ein- ffihrung der Antibiotiea 70 ~ betrug, noeh immer durchsehnittlieh 25 ~ betr/igt. CHIASS~I~I gibt 36,2~ an, WEBn~ 34o/0, in unserem Material betrug sie 27,1~ . Dieses nfichterne Zahlenmaterial lgBt in /irztlieher Itinsieht einige Fragen auftauehen, mit denen ieh mieh im folgenden Referat auseinandersetzen m6ehte: Welches sind die Ursaehen daffir, dab ein Teil der Patienten die Er- krankung trotz unserer ~rztliehen Bemiihungen nieht fiberstanden hat? Sie werden verstehen, dab bier oft mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Uns interessieren hier vor allem die ung/instigen Gegebenheiten, die wir dureh unsere operative Therapie ~ndern k6nnen. Dies leitet zu dem zweiten Fragenkomplex fiber: Inwieweit bedarf unser operatives Vorgehen einer l~evision, naehdem sieh die allgemeinen Bedingungen dureh die Anwendung der Antibiotica ge~ndert haben? ])as Ausgangsmaterial ffir meine Untersuchungen bilden 74 IIirn- abseesse und 48 infizierte Liquorrhoen, die an der Klinik beobachtet und operiert wurden. Die folgenden statistisehen Answertungen dieses Krankengutes wurden auf Grund yon Naehuntersuehungen und Kata- mnesen gemaeht (l~5sN~u, WI~M~T), wobei 15 Patienten wegen un- vollst/~ndiger kliniseher Unterlagen in die Aufstellung nieht aufgenommen wurden. Die Liquorrhoen sind in das l~eferat einbezogen worden, weil sie zumindesten eine potentielle Infektion bedeuten, die meisten unserer Patienten hatten fiberdies sehon eine oder mehrere Meningitiden dureh-

Klinik und operative Therapie der intrakraniellen infektiösen Erkrankungen

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T. I~IECHEt~T : Intrakranielle infekti6se Erkrankungen 147

C. Hauptvortrag

4. T. RI~CH~lCT-Freiburg i. Br. : Klinik und operative Therapie der intrakraniellen infekti(isen Erkrankungen (Mit 9 Textabbildungen)

Auf jedem KongreB wird darauf hingewiesen, dab die intrakraniellen Infektionen ihr Gesicht weitgehend gewandelt haben, seitdem ffir die 13ehandlung antibiotisehe Mittel znr Verffignng stehen und seitdem wit gelernt haben, gef/~hrlich fiberschieBende vegetative Reaktionen mittels einer dosierten Unterkfihlung abzufangen. Wenn auch zugegeben wird, dab trotz dieser Mittel eine chirurgische Intervention notwendig ist, so wird doch die Situation bei der intrakraniellen Infektion unter dem Ein- druck des Fortschritts meist optimistisch benrteilt. Der tIirnabsceB scheint an Aktualitgt verloren zu haben. Die klinisehe Wirkliehkeit zeigt abet doeh, dab ein HirnabseeB und im weiteren Sinne eine intrakranielle Infektion aueh heute noeh ein ernstes Leiden darstellt. NOnT~Cl~OFT gibt in seiner Zusammenstellung an, dab die Mortalit/it, die vor der Ein- ffihrung der Antibiotiea 70 ~ betrug, noeh immer durchsehnittlieh 25 ~ betr/igt. CHIASS~I~I gibt 36,2~ an, WEBn~ 34o/0, in unserem Material betrug sie 27,1~ . Dieses nfichterne Zahlenmaterial lgBt in /irztlieher Itinsieht einige Fragen auftauehen, mit denen ieh mieh im folgenden Referat auseinandersetzen m6ehte:

Welches sind die Ursaehen daffir, dab ein Teil der Patienten die Er- krankung trotz unserer ~rztliehen Bemiihungen nieht fiberstanden hat?

Sie werden verstehen, dab bier oft mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Uns interessieren hier vor allem die ung/instigen Gegebenheiten, die wir dureh unsere operative Therapie ~ndern k6nnen. Dies leitet zu dem zweiten Fragenkomplex fiber: Inwieweit bedarf unser operatives Vorgehen einer l~evision, naehdem sieh die allgemeinen Bedingungen dureh die Anwendung der Antibiotica ge~ndert haben?

])as Ausgangsmaterial ffir meine Untersuchungen bilden 74 IIirn- abseesse und 48 infizierte Liquorrhoen, die an der Klinik beobachtet und operiert wurden. Die folgenden statistisehen Answertungen dieses Krankengutes wurden auf Grund yon Naehuntersuehungen und Kata- mnesen gemaeht (l~5sN~u, WI~M~T), wobei 15 Patienten wegen un- vollst/~ndiger kliniseher Unterlagen in die Aufstellung nieht aufgenommen wurden.

Die Liquorrhoen sind in das l~eferat einbezogen worden, weil sie zumindesten eine potentielle Infektion bedeuten, die meisten unserer Patienten hat ten fiberdies sehon eine oder mehrere Meningitiden dureh-

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gemacht. Es kommt hinzu, da$ die Krankheitsbilder mit der erschrecken- den Zunahme der frontobasalen SchKdelbrfiche schon rein zahlenm~13ig eine groBe Rolle spielen./qicht berficksichtigt haben wit in der folgenden l~bersicht den traumatischen Frfihabsce$ und die zahlreichen Meningi- tiden und infizierten Thrombophlebitiden.

Wie beim I-Iirntumor operative Therapie und Prognose weitgehend yon der Art der vorliegenden Geschwulst abh~ngig sind, so sind diese Unterschiede beim AbsceB ebenfalls, wenn auch in eingeschr~nktem Sinne, durch seine Pathogenese gegeben. In diesem Kreise interessieren

Tabelle 1. ~tiologie der Hirnabscesse nach verschiedenen Statistiken (nach W~BEa und eigene F~lle)

rhinogen + meta- krypto- Autor Anzahl vomKopfinfi statisch genetisch

fortgeleitet

5 = 90/0 LE BEAU, Paris 55 P~NNYBACKER, 110

Oxford ]~ASIAI~I U.

BEDUSOIII, 61 Mailand

WEB~, Ziirich 73 Eigene Fglle 64*

traumatisch otogea

17:31~ 9=16,5~ 10= 90/0 46=420/0

19=31~ 7=12~

8=11~ 9=12~ 32:50~ 8:12,5~

* einschliei~lich subduraler Empyeme.

2= 3,5% 18=16~

8=13~

12:17~ 5= 80/0

22=40~ 36=330/0

14=23~

29 =400/0 11:17~

13=21%

15=20~ 8=12,5~

besonders die von den NebenhShlen und vom 0hr ausgehenden Abscesse. In unserem Material machten sie 20,50/0 der umschriebenen intra- kraniellen Eiteransammlungen aus. Ein /~hnliehcr Verteilungsmodus finder sieh in der Zusammenstellung yon WEBER mit 29 ~ und FASIA~r u. BEDVSCItI mit 25~ Uber die genauen Relationen gibt die folgende Tab. 1 Auskunft.

Gelegentlich gibt uns das l~Sntgenbild einen besonders eindrucks- vollen ttinweis fiber den Entstehungsmeehanismus des Abscesses, wie in dem vorliegenden Bfld, das unmit telbar vor der Totalexstirpation des Abscesses gemacht wurde. }Iier ist an dem Stiel die Fortleitung yon den infizierten NebenhShlen besonders deutlich (Abb. 1).

Von den metastatischen Abseessen wird im al]gemeinen angenommen, daI~ sie multipel auftreten. In unserem Material war bei zwei yon elf metastatischen Abscessen eine 1Vfultiplizits feststellbar. Dabei finder die Verteilung, wenn wit eJne yon W~BEI~ aufgeste]lte Sammelstatist ik und unscre eigenen F/~lle heranziehen, ziemlieh gleiehm~l~ig fiber das Gro$- hirn statt .

W~hrend des Krieges bfldete der traumatische Spatabscel~, wie er naeh offenen tt irnverletzungen entst~nd, einen I Iauptgegenstand der

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Operative Therapie der intrakraniellen infektiSsen Erkrankungen 149

Abb.1. kbsceBd~rstellung kurz vor der Totalexstirp~tion dutch direkte Punk~ioa und Kontrast- mittelfiillung

Abb.2. Infizierter Stecksplitter i1~ Bereich beider Occipitallappen mit zentraler Erblindung and Durehbruch des Abscesses in d~s Ventrikelsystem

chirurgischen Intervention. In der Praxis geben die Basis ffir die Ent- stehung eines SpS~tabscesses die naeh der Verletzung zur~ckgelassenen

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intrakraniellen Knochen- oder Metallsplitter. Wir sind immer wieder erstaunt fiber die jahrelangen Latenzzeiten, die bis zum Manifestwerden eines yon diesen Fremdk6rpern ausgehenden Abscesses beobachtet werden. Cerebrale Allgemeinerscheinungen, episodische Liquorver/inde- rungen gemahnen daran, dab jeder groge intrakranielle FremdkSrper als potentieller AbsceBherd angesehen werden muG. Dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie h/iufig bei der ersten, meist unter schwierigen Verh/iltnissen durchgeffihrten Wundversorgung diese Fremdk6rper zu- rfickgelassen wurden, die dann noch nach Jahren zu einem Sp/itabsceB ffihrten.

Bei kleineren Splittern kSnnen beginnende Abscesse allein durch ihren Sitz sehwere funktionelle Ausf/ille hervorrufen (Abb.2). Bei dem Pa- tienten (Sch., J.) ging die Infektion yon einem Splitter im Bereich beider Fissurae calcarina aus, und es kam dabei zu schweren zentralen Seh- st6rungen. Nach der Operation erfolgte eine Restitution, der Patient ist jetzt fiber 20 Jahre nach dem Eingriff recidivfrei und beruflich t/itig.

Nicht bei jedem intrakraniellen Fremdk6rper besteht eine absolute Indikation zur operativen Entfernung. Bei einem unserer Kranken (P., S.) waren beide Stirnhirne mit Stecksplittern durchsiebt. 3 Jahre nach abgeheilter I-Iautwunde entwickelte sich 1946 ein Absce8 ira linken Stirnhirn mit Aphasie, rasch einsetzender BewuBtlosigkeit und meningi- tischen Erscheinungen. Die unter dramatischen Umst/inden in einem ausw/irtigen Krankenhaus vorgenommene Operation ergab einen groBen Absce8 ira Stirnhirn, der sich unter Resektion des Stirnhirns mitsamt den Splittern total entfernen ]leG. Ich konnte reich damals nicht ent- schlieBen, auch im Bereich des rechten Stirnhirns wegen der dort sitzen- den Splitter zu operieren; es w/ire in diesem Falle zu beffirchten gewesen, dab neben schweren Werkzeugst6rungen, vor allem einer Aphasie, psychisch das Bild einer doppelseitigen Stirnhirnresektion entstanden w/ire. Der Patient ist seit der Operation in einer verantwortungsvollen Stellung in der Industrie t/itig, ohne dab es im Bereich der restlichen Splitter im rechten Stirnhirn bisher zu einer AbsceSbildung gekommen ist. Ffir die Indikationsstellung ergibt sich daraus, dab in F/illen, in denen delet/ire psychische und neurologische Ausfallserscheinungen bei einer radikalen Operation zu beffirchten sind, die Berechtigung besteht, abzuwarten. Eine Voraussetzung ist, dab der Patient regelm/igig fiber- waeht wird.

Pathogenetisch anders gelagert sincl die intrakraniellen Infektionen, die in Friedenszeiten zur ]~eobachtung komrnen. Das I-lauptkontigent bilden hier jene umschriebenen Eiteransammlungen, die oft noeh nach jahrelanger Latenz nach frontobasalen Frakturen zu entstehen pflegen. Wir beobachten diese F/ille ja in zunehmendem IVfaGe naeh Verkehrs- unf/illen. Auf die ]~esonclerheiten cler Diagnose und Therapie dieser

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Gruppe gehe ieh noeh sp/~ter ein. Von den Friedensverletzungen sind vor allem auch die t raumatisehen Perforationen der Orbita mit an- sehlieBender Abseegbildung zu erw/~hnen. Der Verletzungsmeehanismus entsprieht hier h~ufig hinsieht]ieh der Riehtung und Lokalisation einer Methode, wie sie f/ir die transorbitale Ventrikelpunktion angegeben

A b b . 3 . Sp/~tver~inderungen nach }IirnabsceB. Xontrastmittel im Bereich der ehemaligen AbsceP~h6hle, d~e n~i~ dem Seitenventrikel in breiter Verbindung steht. ]gncephMographie

wurde. So ist h/iufiger, als dies gew6hnlich angenommen wird, das Vorderhorn des Seitenventrikels direkt er6ffnet, und es besteht dabei immer die M6gliehkeit, dag die Infektion sieh sehr raseh in die basalen Zisternen oder zusgtzlieh direkt in das Ventrikelsystem ausbreitee. Bei einem unserer Patienten lieB sieh sowohl bei der Eneephalographie wie aueh der naehfolgenden Abseel3operation dieser Befund naehweisen. Gelegentlieh kSnnen abet aueh fiberrasehend groBe FremdkSrper allein in der Orbi~a Platz finden, ohne dab der Bulbus zerstSrt wird oder eine sehwere Verletzung des I-Iirns stattfindet.

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Wegen der N~he des Sehnerves bedeutet bei den transorbitalen Ver- letzungen eine rapide Visusverschlechterung nicht immer eine direkte Optieusverletzung. Dieses konnten wir bei einer Patientin beobachten, bei der eine Perforationsverletzung der Orbita mit einem Griffel nach einem Erziehungsversuch des Lehrers vorlag. Nach Entfernung des Ab- scesses im Chiasmabereieh kehrte der Visus wenigstens teflweise zurfiek. Ein nach 13 Jahren nach der Operation angefer$igtes Eneephalogramm zeigt die Sp~tver~nderungen nach einem solchen AbsceB (Abb.3). Die ehemalige AbsceBhShle, an deren untere Seite das damals eingebrachte Kontrastmittel noch sichtbar ist, steht mit dem Vorderhorn des I-Ierd- ventrikels in breiter Verbindung.

tt~ufig muB auch mit der MSg]ichkeit gerechnet werden, dab die Patientin sich fiber das AusmaB oder fiber die Tatsaehe der intra-

kraniellen Verletzung nieht bewuBt sind.

Bei einer unserer l)atienten, die mit 15 Jahren zur Operation kam, ergab die l:~Sntgeniibersichtsaufnahme eine l~hnadel, die intrakraniell genau im Bereich des oecipitalen Falxabschnittes lag, wo sie sieh aueh bei der Operation land. Wie erst sp~ter die Exploration der Grol]mutter ergab, kann diese Nadel unbemerkt nur yon einem Kinderm~dehen, das wohl an einer schizophrenen Psyehose litt, dureh die noeh offenen Sch~de]n~hte eingeffihrt worden sein.

Eine weitere Form der operativ zu behandelnden intrakraniellen

Eiterungen bilden die epi- und subduralen Empyeme. Sie haben die Eigenschaft, dab sie zu einer flgchenfSrmigen Ausbreitung neigen. CmASSEgI~I bezeichnet sie deswegen als ,,eine der gef~hrlichsten Lokali- sationen" der intrakraniellen Infektionen. Gelegentlich tritt das sub- durale bzw. epidurale Empyem kombiniert mit einem intracerebralen AbsceB auf. Wir haben 11 Empyeme beobaehtet und operiert; die Mortalitgt betrug 18~ Bemerkenswert ist, dab das Empyem nicht nur direkt traumatiseh oder fortgeleitet entsteht, sondern dab es auch auf metastatischem Wege sich bilden kann. In unserem Krankengut konnten wir dreimal eine solche Entwicklung beobachten.

Von Wiehtigkeit in diesem Kreise erscheinen jene Krankheitsf~lle, bei denen es trotz oder als Komplikation nach einer Operation im Bereich der NebenhShlen zur Entwiek]ung eines Empyems oder eines Abscesses gekommen war. Unter unseren Beobachtungen konnten wir neunmal eine solche Entwicklung bei Patienten sehen, die aus verschiedenen K]iniken kamen. Diese Tatsaehe zeigt, dab auch nach einer faeh- gereehten Sanierung der NebenhShlen in gemeinsamer Beobachtung durch den Otologen und Neuroehirurgen eine solche Entwicklung frfih- zeitig abgefangen werden muB. An eine derartige Komplikation muB auch gedacht werden, wenn Geschosse oder sonstige FremdkSrper aus den NebenhShlen entfernt werden oder wenn Unter der irrtfimlichen Diagnose eines Nasenpolypen eine nasale Encephalocele operativ an- gegangen wird.

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Operative Therapie der ingrakraniellen infektiSsen Erkrankungen 153

Eine besondere Situation ergibt sieh in der tIypophysenchirurgie in F/~llen, in denen naeh einer transphenoidalen Operation einer I-Iypo- physengesehwulst t in transfrontaler Eingriff angesehlossen werden muB. Bei einem unserer Patienten mit tIirnabseeB war eine transphenoidale Radiumeinlage wegen eines t typophysentumors in einer auswgrtigen Klinik vorgenommen worden. Da der Visus sehr raseh verfiel und sieh aueh auf g6ntgenstrahlen nieht besserte, mul3ten wir 4 Jahre naeh

Abb.4. Versehlul3 einer Yerbindttng zwischen tt:eilbeinhOhle und intrakrartiellem Raum naeh einer transphenoidalen Operation eines tIypophysentumors mittels Faseie und Stahlstiften

diesem Eingriff eine transfrontale Operation durchfiihren und entfernten einen sehr grogen suprasell~ren Tumor. Danach t ra t ein fast vollst~ndiger Riickgang der Symptome auf, und die Berufsf~higkeit wurde wieder- erlangt.

3 Jahre naeh dem letzten Eingriff t ra t eine ganz akute Versehleehte- rung des Zustandsbildes mit BewuBtlosigkeit und starkem I-Iirndruek ein, und es kam raseh zum Exitus. Die Sektion des Patienten dutch das Pathologisehe Inst i tut der Universit~t Freiburg ergab einen grogen Abseef] im Bereieh des Stirnhirns mit Meningitis und Ventrikelinfektion. Die AbseeBh6hle hatte eine breite ,,o]/ene Verbindung zur KeilbeinhShle, ale Injel~tionsherd /and sich eine eitrige Rhinitis".

Bei der transbueealen offenen ttypophysenoperation, die wir mit I-Iilfe unseres Zielapparates f/Jr stereotaktisehe I-Iirnoperationen dnreh- ffihren, ergibt sieh die gleiehe Situation, wenn wegen eines suprasells l~eeidivs eine Naehoperation auf transfrontalem Wege n6tig wird. Unter dem Eindruek des demonstrierten Sektionsbefundes versehliel3e ieh in

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dicsen F~llen mittels einer intradurMen Fascienplastik die Verbindung zwisehen KeilbeinhShle und Seh~delinnerem mit Stahlstiften (Abb.4). Auf die genaue Technik gehe ieh sp/~ter bei der Bespreehung der in- fiziergen Liquorrhoen ein.

Das klinisehe Bild des I!irnabseesses wird geprggt durch die intra- kranielle Druckerh6hung, verbunden mi t weehselnden Lokalerseheinun- gen und die Auswirkungen der 6rtliehen und allgemeinen Infektion. Bei diesen vieldeutigen Faktoren ist es verst/~ndlieh, dab es kaum m6glieh sein wird, einen einheitliehen klinisehen Verlauf der ttirnabseesse zu zeiehnen. Zur speziellen Lokalisation werden die operativ-diagnostisehen Methoden iibertragen, auf die ieh noeh eingehe. I m akuten Beginn stehen die Symptome der allgemeinen intrakraniellen Infektion und die tt irndruekerseheinungen meist so im Vordergrund, dab auch sehwere neurologisehe Ausfallserscheinungen versehleiert werden kSnnen. Eine Stauungspapille fund sieh in den F~llen yon WEBE~ im akuten Stadium in 27~ beim ehronisehen AbseeB fund er sic in 65~ In unseren F/~llen betrugen die entspreehendenWerte 53~ und 75~ Einseitige Stauungs- papillen kamen bei ehronisehen F/~llen in 90/o, bei akuten in 21~ zur Beobaehtung. I m akuten Stadium ist aueh meist der Liquor vergndert, bei unseren Fgllen fanden sieh in 60 ~ pathologisehe Zell- oder EiweiB- werte.

Be t AbseeB im ehronisehen Stadium bietet hinsiehtlieh einer exakten Lokalisation die gleiehen Probleme wie ein t I i rntumor. Wird ein ehirur- gisehes Eingreifen n6tig, so sind meist zus/~tzliehe operativ-diagnostisehe tI i lfsmaBnahmen erforderlieh. Die einfaehe I~6ntgenleeraufnahme kann Itinweise fiir die Lagebesgimmung des Abscesses geben, wenn sieh hier Ver- kalkungen, intrakranielle Knochensplit ter oder Fremdk6rper finden oder werm auf der ap.-Aufnahme die Glandula pinnalis naeh einer Seite ver- sehoben ist. Als zus/~tziiehe tt i lfsmethoden haben uns das Elektren- eephalogramm, ferner die Gamma-Eneephalographie mi t Wismut und die Eehoeneephalographie weitergehoffen. In den meisten F/~llen wird sieh jedoeh - - abgesehen yon einigen otogenen Abseessen - - eine Luft- fiillung der t I i rnkammern oder eine Angiographie notwendig erweisen. Die letztere Methode hat den groBen Vorteil, dug sie keine zusatzliehe tIirndrueksteigerung hervorruft und daher besser vertragen wird. Die Luftfiillung, die bei offensiehtlich erh6htem I-[irndruek direkt ventrikular vorgenommen werden mug, gibt nut Anhaltspunkte ffir die Lokalisation, aber vermit tel t keine Artdiagnose. In seltenen Fgllen kann eine Kommu- nikation des Abscesses mit dem Ventrikelsystem zur Darstellung kommen. Das Angiogramm kann besonders in der phlebographischen Phase neben der reinen Lokalisation auch gewisse JcIinweise ffir die Artdiagnose geben, wie ieh 1944 zeigen konnte. Die Befunde sind yon tIEEP, SCHIEFEg U. a. best/~tigt worden. Es finden sieh im friihen Phlebogramm, entspreehend

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Operative Therapie der intrakraniellen infekti6sen Erkrankungen 155

der ge~nderten Durchblutungsverh~ltnisse, gelegentlich Anf~rbungen der AbsceBkapsel und ihrer Umgebung, ~hnlieh wie bei einem blutreichen Tumor. Wichtig erscheint mir such eine Erweiterung der das AbsceB- gebiet versorgenden Arterien. Diese Merkmale sind aber so unregelmgl3ig

Abb.5, Typischer temporaler Abscel] mit bogenfOrmiger Verdr~ingung der Sylviischen Gef~Bgruppo nach oben

und wenig ~ngesprochen, da~ zu einer Artdisgnose das Angiogramm allein nicht genfigt (Abb. 5).

Einen guten ~berblick ffir das operative Vorgehen gibt die direkte Ffillung des Abscesses mit einem positiven Kontrastmittel oder mit Luft. Hierbei wird eine vorherige Lok~lisation und Punktion des Abscesses vorausgesetzt. Schwierigkeiten kSnnen in bczug auf die Lokalisation bei multiplen Absccssen entstehen, da sich Verschiebungen der Gef~l~e oder Ventrikcl teilweise im RSntgenbfld aufheben kSnnen.

Zahlreiche Fragen ergebcn sich bezfiglich des bakteriologischen Be- fundes, bcsonders im Hinblick auf die Anwendung der Antibiotica. T~b.2 gibt einen ~bcrblick fiber die h~ufigsten bakteriologischen Be- funde. Die Anwcndnng der einzelnen Mittel wird sich zweckmg[3ig nach dem Ausfall der Empfind]ichkeitsprobe der spezicllen Erreger richten.

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156 T. RIECttEI~T :

ZweekmKgig wird aber die Behandlung schon vorher mit einem Anti- bioticum mit einem m6glichst breiten Spektrum abgeleitet werden. Be- zfiglich der Bakteriologie ist zu berficksiehtigen, dab h/~ufig wegen der

vorher eingeleiteten Che- Tabe~e 2. Bakteriologische BeJunde

WEBER Eigenes Krankengut

Staphylococcus haemolyticus Streptococcus haemolyticus Coli Enteroeoccen Proteus Grampos. u. -negative St~b-

chert Friedlgnder- Gruppe Ak~inomyceten Nicht nachweisbar

7 2 1

3

2

23* 1 3 7 2

6 2 4

12

* In einem Fall Staphylococcus albus; in zwei F~llen Staphylococcus pyogenes, sonst (20 • ) aurus.

motherapie ein EtTeger- nachweis im Abseegeiter nieht mehr m6glich ist.

Die operative Therapie des ttirnabscesses verfolgt zwei Ziele :

1. Die Beherrsehung des durch I t i rn6dem und AbseeBinhalt erh6hten intrakraniellen Druckes, und

2. die Beks der Infektion.

I-Iier erhebt sieh sofort die Frage, inwieweit die operativen Behandlungs-

methoden sieh seit der Einfiihrung der Antibiotica in ihrer Indikation, Art und Ausdehnung gewandelt haben. Dag diese Frage bereehtigt ist, sollen die folgenden Ausffihrungen zeigen.

Ffir die ehirurgisehe Behandlung der Abscesse stehen im wesentliehen drei Methoden zur Verffigung:

1. Die einmalige oder wiederholte Punktion mit Instillation eines Antibiotieums,

2. die versehiedenen Formen der offenen Drainage-Behandiung, 3. die Totalexstirpation. Ffir jede dieser Methoden sind groBe Statistiken ins Feld geffihrt

worden. Sic sind leider nieht beweisend, well das Ausgangsmaterial zu verschieden und irrefiihrend ist, besonders da bei den desolaten Fallen haufig nur noeh eine Punktion gemacht wurde. Eine Ubersicht fiber die verschiedenen Operationsverfahren gibt die fo]gende Tab. 3.

Bei einem chronischen AbseeB mit derber Kapsel ist auch heute noch die Totalexstirpation die beste Methode, um ein Reeidiv zu verhindern. Das frfiher so geffirehtete EinreiBen der AbseeBkapsel mit einer folgen- den Infektion der Meningen hat heute an Bedeutung verloren. Anderer- seits hat es sich gezeigt, dab die Punktion unter lokaler und allgemeiner Anwendung yon Antibiotica gereehtfertigt ist, wenn der AbsceB sub- cortical in einer wichtigen Itirnregion liegt. W ~ u. NOO~D~Bos ver- t reten die Meinung, dab yon der Punktion mit Einlegen eines Drains mit kleinem Durehmesser, auf Grund ihrer Erfahrungen bei 65 Kranken,

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Operative Therapie der intrakraniellen infektiSsen Erkrankungen

Tabelle 3. Operationsart und Mortalitiit bei CmAss~INI und CtIIAPETTA_ und eigenen Fallen ( )

157

knzah] T Nor~alit~t ~

Punktion 12 (11) 8 (7) 66,6 (63,6) DrMnage 8 (13) 3 (5) 37,5 (38,4) Totalexstirpation 13 (24) 1 (1) 7,6 (4,1)

Gesamt 33 (48) 12 (13) 36,2 (27,1)

viel ht~ufiger Gebrauch gemacht werden sollte. Durch das kleine Drain wird der AbsceB mi t einem positiven RSntgenkontrastmit tel (Steripaque) dargestellt und Antibiotica eingeffihrt. Dieser mehr konservative Stand- pnnkt wird auch neuerdings yon anderen Autoren geteilt (CLARXF~, LANG~AID U. WI~Au Die J~ra des Penicillins hat also hier in der opera- riven Behandlung zu einem weniger radikalen Vorgehen geffihrt. Eine einheitliche Meinung besteht allerdings darfiber, dab die Kleinhirn- abscesse totalexstirpiert werden sollen. Andererseits ermSglichen die Antibiotica ein radikalcres Vorgehen, besonders beim Absceg in] akuten Stadium. Gerade zu diesem Zeitpunkt ist die ~/[ortalit~t besonders hoch. In diesem Zustand, in dem eine feste Abgrenzung noeh nicht mSg]ich ist, ]t~Bt sich meist nur werdg Eiter durch die Punktion entfernen. Die Kranken sterben bei mange]nder Entlastung am Hirndruek und an der Infcktion. t~essert sich in diesen Fallen auf die Punktion und ]okale Injekt ion yon Antibioticis der Zustand nicht nnd he]lt sieh die BewuBt- seins]age nicht auf, so lassen sich nach dem Vorgehen yon LE BEAU, PENNYBACXER, KRAYENB~)tIL U. WEBER dadurch Bessernngen erzielen, dab das ganze infizierte und nekrotische Gewebe yon einer groBen Trepanation aus entfernt wird.

Ffir unser Vorgehen hat sich auf Grund der eben gesagten Gesichts- punkte die folgende operative Therapie bew/ihrt: Beim lokalisierten chronisehen Absceg bfldet die Totalexstirpation mit den genannten Einsehrankungen die Methode der Wahl. Liegt ein akuter Absceg vor, werden wit uns ebenfalls mit Hilfe der Arteriographie und /~hnlieher Verfahren ein Bfld v o n d e r Lokalisation und Ausdehnung des Abscesses machen und versuchen, den AbsceB durch eine hochdosierte Antibiotiea- behandlung zur Ausheilung zu bringen oder eine feste Kapselbildung anzuregen. Spricht das Zustandsbild ffir eine schwerste Sch/~digung durch einen dekompensierten Hirndruck, der anch auf Entw~sserung nicht zurfiekgeht, so wird gleichzeitig der Knochen in grogem Umfange fiber dem AbsceB entfernt. Tr i t t nach diesem Eingriff keine deutliehe t~es- serung ein, so haben wit in Ausnahmef~llen den AbsceB entspreehend dem vorher geschilderten Verfahren entfernt, wenn bei der AbsceB- pnnktion nur ungentigend Eiter gewonnen werden konnte. Oberster

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158 T. RIECHERT:

Grundsatz b M b t es immer, naeh MSgliehkeit den akuten Abseeg in einen ehronisehen iiberzuleiten, weil hier sowohl eine Punktionsbehand- lung als aueh eine Exstirpat ion wegen der Kapselbildung sieh am leiehtesten durehfiihren l~Bt. Bei der Indikationsstellung zur Operation miissen differential-diagnostiseh die prim/~ren blanden odor infizierten Thrombosen yon eerebralen Venen oder Sinus beriieksiehtigt werden,

Abb.6. Fremdk6rpereatfernung bei angelegtem ZielgerKt und entspreehender Trepanation. Zielnadel zum Fremdk6rper vorgedrungen

die wir in letzter Zeit immer h~ufiger beobachten. Sie kSnnen in ihrer Symptomatologie einen AbseeB imitieren und wegen der begleitenden loka]en ttirnschwellung zu einer Verdr~ngung im Luftbild odor Angio- gramm fiihren. Hier wfirde eine Operation eine Versehlechterung des Zustandes verursaehen.

Zum Sehlug meiner Ausffihrungen seien noch zwei Krankheitsbilder genannt, die zu intrakranie]len Infektionen f/ihren: Die tiefsitzenden Fremdk6rper und die Liquorrhoen. Ieh erw/~hne diese Krankheitsbilder auch, well in der Therapie in letzter Zeit hier Fortsehrit te erzielt worden

sind. I m Mlgemeinen bietet die Entfernung eines intraeerebralen Fremd-

k6rpers, yon dem eine Infektion ausgeht, mit I-Iilfe des Sehirmbild- verstgrkers keine Sehwierigkeiten. Diese treten ein, wenn der Fremd- k6rper klein oder wenig kontrastreieh ist und tief subeortieal ira Bereieh

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Operative Therapie der ingrakraniellen infekti6sen Erkrankungen 159

funktionell wichtiger Hirnteile liegt. In diesen F~llen verbietet sieh eine umfangreiehe Resektion des dariiberliegenden I-Iirns und ein Suehen naeh dem Fremdk6rper.

So konnten wit einen Patienten beobaehten, bei dem als Infektions- quelle ein FremdkSrper in unmittelbarer N/ihe des 3. Ventrikels lag. Er hatte a.ehtmal zu einer sehweren Pneumokokken-Meningitis gefiihrt.

Abb. 7. l~6ntgenbild eines mit Erfolg entferntel~ Splitters im Bereich der Vierhfigelgegend. Aufnahme w~hrend der Operation Init angelegtem Zielger~t. (Pfeil zeigt au f Fremdk6rper)

In diesen F/~llen ist es mSglieh, die Fremdk6rper mit Hilfe meines mit WoI~F u . MUNDINGEt~ zusammen konstruierten Zielapparates, mit dem wir jetzt bisher 2293 stereotaktisehe tIirnoperationen gemacht haben, zu entfernen. I-Iierbei ist eine umfangreiche Resektioi1 des darfiber- ]iegenden Hirngewebes nicht notwendig. Der Sp]itter kann exakt mit einer Abweichung yon • 0,5 mm ]okalisiert und bei einer einmaligen Punktion gefunden und entfernt werden. Wir haben bisher naeh diesem Verfahren, fiber das ich erstmals im Jahre 1959 beriehtet habe, sieben F~lle, die/~hnlich wie der gesehilderte lagen, mit Erfolg operiert (Abb. 6 und 7). I)iese Operationsmethode kommt auch in den F~Lllen in Frage, in denen der zur Infektion ffihrende FremdkSrper wegen seiner geringen Kontrastdichte bei der intraoperativen Ourehleuchtung nieht auf- findbar ist.

Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.- t lci lk. , Bd. 183 (KongreBberich~ 1964) 11

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160 T. P~i]~cg~R'r:

Die Liquorrhoen sollen hier beziiglich ihrer operativen Behandlung ebenfalls besprochen werden, well sie praktisch immer zu einer intra- kraniellen Infektion ffihren. Dabei mSchte ich auf die Ktinik und die verschiedenen operativen Methoden wegen der Kiirze der Zeit nicht mehr eingehen, sondern Ihnen nut kurz ein Verfahren demonstrieren, das ich ffir Fglle entwickelt habe, bei denen eine Abdeckung des Defektes im

Abb. 8. Stiftfixation der Fascie, seitliche Aufnahme

Bereich der Sohgdelbasis mit F~soie auf extra- oder intraduralem trans- frontalem Wege indiziert ist. Die Nahtbefestigung der Fascie macht bier wegen der ZerreiBliohkeit der Dura innerhalb der vorderen Sohgdelgrube, spezidl der Lamina cribrosa, und wegen des engen Zugangsweges immer groBe Sehwierigkdten. Fiir diese Falte habe ich ein Instrumentarium entwiokelt, mit dessen I-Iilfe die Fasde mit diinnen Stahlstiften im Bereioh der Schgdelbasis fixiert wird. MJt tIilfe dieses Verfahrens wird der Knoohendefekt exak~ verschlossen. Technisch gestalte~ sich das operative Vorgehen folgendermal~en: Nachdem der I)efekt im Berdoh der Schgdelbasis lokalisiert ist, wird je naoh seiner Lage ein ein- oder doppelseitiger Dandylappen (Visierschnitt) gebildet, unter Umstgnden kann auch ein Zugangsweg mit besonders gfins~igem kosmetischem Effel~ gewghlt werden, wie ioh ihn fiir die Entfernung groBer Stirn- hShlenosteome 1943 angegeben habe (ttals-Nasen- und Ohrenarzt I, Bd. 33, It. 5). Bei liegender lumbaler I)auerdrainage wird unter Urn- stgnden nach zusgtzlicher Gabe yon hirndrucksenkenden Mitteln (Sorbit, Itarnstoff) die I)ura geSffnet. B d mal~iger Kopfhgngelage lgBt sioh der Knochendefekt nun fibersichtlioh darstellen. Um ihn zuverlgssiger decken

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Operative Therapie der intrakraniellen infekti6sen Erkrankungen 161

zu kSnnen, kann untar Umst~nden die weir vorspringende Crista galli reseziert werden, falls er in dar Mittellinie liegt. Der Defekt wird jetzt mit einer vorher entnommenen Faseie odar mit ainem Galea-Periost- streifan gedeekt, wobei das vorher erw~thnte Ins t rumentar ium verwendet wird ~. Die Fascie wird dabei in ganzar Ausdehnung an der Seh~delbasis ausgebreitet und mit den Stahlstiften am Knoehen fixiert. Hierzu warden die Stifte, die verschie- dane L~nge haben, mit einer Spezialklemme ge- fagt und mit einem leieh- tan t Iammersehlag in den Knoehan getrieben. Auf diese Weise ist eine exakte Fixation der Faseie aueh bei engem Zugangsweg mSglieh, ohne dab im Bereieh der zerreil31iehen Dura N/thte gesetzt werden miissan. Natiirlich ]gBt sieh die Fascie auch extradural auf dem beschriebenen Wege fixieren. I s t es we- g e n d e r engen Raum- verhaltnissa nieht m6g- lich, die Fascia auszu- breiten, so wird das Vor- gehen sehr er]aiehtart, wenn diese nur an einer Stelle mit einem Stiff fixiert wird und nach Ab- sehieben des tIirns oder Abb. 9. Stiftfixation der Fascie, ap.-Aufnahme

der Dura die Fixation nun mittels weiterer Stifte sehrittweise vorgenommen wird. Die Abb. 8 und 9 veranschanliehen die Lage dar Stffte und Ausdehnung des iiber- deckten Defektes im R6ntgenbfld.

Von den Spatkomplikat ionen der intrakraniellen Eiterungen m6chte ich nur zwei herausnehmen: Die Epilepsia und den Hydrocephalus.

Alle Autoren weisen auf die Gefahr der Epilepsie hin, die sowohl im akuten wie chronisehen Stadium auftritt . Die ttgufigkeit betrggt bai Wv~B~R 46o/0, bei NOItTtICI~OFT 470/0, in unserem Material 41 ~ Es sollte

1 tterste]ler F. L. Fischer, Fabrik fiir Xrankenhausbedarf, Freiburg i. Br.

11"

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mSglich sein, diese Komplikat ion durch eine verbesserte Technik bei der Exstirpat ion der Abscesse geringer zu halten.

Die zweite Komplikat ion ist der Hydrocephalus, wobei nieht der sogenannte otitische Hydrocephalus gemeint ist, auf den in dem Referat yon ZOLCK nAher eingegangen ist, sondern die hochgradige Erweiterung der I-Iirnkammcrn oder der peripheren HirnbasisrAume mit allen ihren Folgeerscheinungen. Die Komplikat ion t r i t t vor ahem in Folge einer VerSdung der LiquorresorptionsrAume oder einer entziindlichen direkten Verlegung der Liquorabflul~wege ein. Bisher war es sehr unbefriedigend, dieses Krankheitsbild, wie es besonders bei SAuglingen und Kindern naeh intrakraniellen Infektionen auftritt , zu beeinflussen. Neuerdings besteht hier die MSglichkeit, durch den sogenannten atrio-ventrikulAren Shunt wirksame I-Iilfc zu bringen.

Mittels tines Ventils nach S P I T Z - H O L ~ oder PUDE~Z und eines Verbindungssystems aus Silicon wird eine direkte Drainage vom er- weiterten Seitenventrikel zum rechten t Ierzohr geschaffen und zur Ein- heilung gebracht. Der Ventilmechanismus gestat tet einen freien Abflul~ des Ventrikelliquors - - sobald der Druck hier eine best immte HShe er- reicht hat - - dureh die Drainage in den venSsen Kreisl~uf. Durch das Ventil wird eine Umkehr der StrSmungsrichtung verhindcrt, so dal~ kein Blur aus dem l=ferzen in das System eindringen und hier zu Throm- bosen ffihren kann. Der Eingriff hat den Vortefl, dab er auch yon SAug- lingen und Kranken mit einem grol~en Hydrocephalus und sehlechtem Allgemeinzustand gut vertragen wird. Die Besserung erfolgt in unmittel- barem Anschlul] an die Operation. Wir haben den Eingriff bisher in 175 FAllen mit einer OperationsmortalitAt yon 0,80/0 bei SAuglingen (insgesamt 125 Operationen) durchgeffihrt.

Zum Schlul~ meiner Ausfiihrungen bin ich Ihnen noch die Antwort schuldig, auf welehe Faktoren die noeh immerhin hohe Sterblichkeit der tIirnabscesse zuriickgeffihrt werden mul~. Die Durehsicht unseres Mate- rials zeigt, dal~ daran verschiedene Griinde beteiligt sind. In 570/o der FAlle waren eine zu spate Einliefernng, Ventrikeleinbrueh und zu lange bestehender t t i rndruck der Grund ffir einen ungliickliehen Ausgang. In 29 ~ mfissen multiple Abseesse mit I-Iirninfarkten und einer unbeherrsch- baren Infektion als Todesursaehe angenommen werden. In 14~ war die Grundkrankheit schuld daran. Wenn wit die 57 ~ der zu spat erfolgten Klinikeinweisung nochmals zur Diskussion stellen, so ist zu erwarten, dal~ sich die MortalitAt nahezu um die tIAlfte senken lieBe, wenn es gelingt, die Erkrankung frfiher zu erkennen und die Patienten in Be- handlung zu bekommen. Ich glaube, dal~ eine intensive Zusammenarbei t zwischen Otologen und Neurochirurgen dazu beitragen wiirde.

In diesem Sinne mSchte ich Ihnen auch daffir danken, dal~ ich die Ehre hatte, bier ein Refer~t zu halten.

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D. Vortrag zum Hauptvortrag

5. P. BEICKE~t~-Freiburg i. Br. : Die oto-rhinologische Indikation z u r

Operation bei endokraniellen Erkrankungen (Mit 7 Text~bbildungen)

Iqach diesen instruktiven und aufschlu•reichen Ausffihrungen yon I{errn RI]~OHERT mSchte ich jetzt vor allem darauf hinweisen, dal3 sich das Material des Otologen, soweit es die endokraniellen Komplikationen betrifft, naturgemiii3 und besonders in einem Punkt doeh erheblich yon dem des Neurochirurgen unterscheidet. Wir haben es hauptsi~ch]ich mi t Komplikat ionen zu tun, die infolge einer Entzfindung im Bereiche unseres Fachgebietes auftreten. Die entscheidende Aufgabe bestand seit jeher darin, zun~chst den Quellherd auszuschalten, nnd yon hier aus Meningitiden, Empyeme, ~berleitungsabscesse und Thrombosen an- zugehen. Inwieweit bier eine abweichende I~Ialtung yon diesen seither anerkannten t)rinzipien eriaubt oder zweckmi~i3ig ist, muB noch dis- kutier t werden.

Zweffellos hat die Einffihrung und systematische Anwendung der Sulfonamide und Antibiotica den Ablauf der bakteriell bedingten Krank- heitsbilder gei~ndert und damit, unter gewissem Vorbehalt, auch die Indikation zur Operation endokranieller Komplikat ionen beeinflul3t. Das gilt vor allem fiir den Zeitpunkt, aber auch ffir die Art und das AusmaB des Eingriffs.

Der Rfickgang der Komplikat ionen seit Einfiihrung der Sulfonamide und Antibiotica ist durch viele Statistiken belegt. Er beruht in erster Linie auf der Verminderung der Ursachen. Was den l%fickgang der Fall- morta]i tgt anbelangt, so ist dieser bei der Meningitis eklatant, beim I{irnabscel~ noch deutlich, bei der septischen Thrombophlebitis, soweit wir sie fiberhaupt noch sehen, nicht so sicher (Tab. 1 und 2). Der noch