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Diakapituläre Kiefergelenkfrakturen werden derzeit nach allgemein aner- kannten Richtlinien mit einem konser- vativ funktionellen Therapiekonzept be- handelt. Obwohl von einem nicht uner- heblichen Anteil von Frakturen des Ca- put mandibulae ausgegangen werden muss, sind Nachuntersuchungsergeb- nisse erwachsener Patienten für diesen Frakturtyp in der Literatur unterreprä- sentiert und nur für kleine Kollektive dargestellt [1, 9, 13, 25]. Die Mehrzahl der Patienten zeigte dabei trotz starker De- formierungen des Kondylus befriedi- gende Resultate bei den klinischen Pa- rametern. Jedoch sind es gerade die Frakturen mit Beteiligung der Gelenk- walze, die z. T. als prognostisch ungün- stig bewertet werden [14]. Vereinzelt wurden über schwerwiegende Kompli- kationen wie operationsbedürftige Ok- klusionsstörungen, Osteonekrosen, An- kylosen und Wachstumshemmungen des Unterkiefers berichtet [20, 21, 24, 29]. Anhand anatomischer Studien be- schrieb Rasse [17] die Variabilität der Bruchverläufe durch die Gelenkwalze und deren Einfluss auf die verbleibende Vertikalhöhe des Unterkieferastes. Neff et al. [14] haben in Anlehnung dieser Er- gebnisse eine Klassifikation für diakapi- tuläre Kiefergelenkfrakturen vorgestellt. Sie unterscheiden einen Frakturtyp A, mit Dislokation medialer Gelenkwal- zenanteile unter Erhalt der Vertikaldi- mension des Unterkiefers,vom Fraktur- typ B, der unter Einbeziehung des late- ralen Kondyluspols mit einer Höhen- minderung des Unterkieferastes einher geht. Für ein operativ behandeltes Pa- tientenkollektiv wiesen die Autoren die Abhängigkeit der klinischen, radiologi- schen und funktionsdiagnostischen Er- gebnisse vom Frakturverlauf durch die Gelenkwalze nach. Der Frakturtyp B zeigte dabei eine schlechtere Prognose gegenüber dem Frakturtyp A. Eine kon- servativ funktionell behandelte Ver- gleichsgruppe fehlte in dieser Studie. Mit den bestehenden klinischen Untersuchungsmethoden gelingt die Objektivierung und Differenzierung der funktionellen Störungen des frakturier- ten Gelenkköpfchens nur unzureichend, da eine Einschränkung der Unterkiefer- bewegung auf der Frakturseite durch das kontralaterale Kiefergelenk kom- pensiert werden kann. Unterschiedliche Mund Kiefer GesichtsChir 4 · 2002 241 Mund Kiefer GesichtsChir 2002 · 6 : 241–248 DOI 10.1007/s10006-002-0396-1 Originalien M. Hlawitschka · U. Eckelt Klinik und Poliklinik für Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus“ der Technischen Universität Dresden Klinische, radiologische und axiographische Untersuchung nach konservativ funktioneller Behandlung diakapitulärer Kiefergelenkfrakturen Online publiziert: 27 April 2002 © Springer-Verlag 2002 Dr. Matthias Hlawitschka Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus“ der Technischen Universität Dresden, Fetscherstrasse 74, 01307 Dresden, E-mail: [email protected] Zusammenfassung Ziel: Die Studie evaluiert den Einfluss unter- schiedlicher diakapitulärer Frakturverläufe des Kiefergelenks auf die Prognose nach konservativ funktioneller Therapie. Material und Methoden: 40 Patienten mit 50 diakapitulären Kiefergelenkfrakturen wurden nach konservativ funktioneller The- rapie klinisch mit dem Helkimo-Index - radiologisch und axiographisch - nachunter- sucht. Das Follow-up betrug 0,5–5 Jahre. Drei diakapituläre Kiefergelenkfrakturtypen wurden unterschieden:Typ A = Frakturen mit Abstützung,Typ B = Frakturen mit Ver- lust der Vertikalhöhe des Unterkieferastes, Typ M = Mehrfragmentfrakturen. Ergebnisse: 33% aller Patienten wiesen mäßige und schwere Dysfunktionen auf. 16-mal wurden Okklusionsstörungen regis- triert. Die Frakturtypen B und M zeigten eine mittlere radiologische Höhenminderung des Unterkieferastes bis zu 13% gegenüber der Gegenseite. Auch im Hinblick auf Deformie- rungen des Kiefergelenkköpfchens zeigten diese beiden Frakturtypen die auffälligsten pathologischen Befunde. Die Axiographie wies irreguläre Bewegungsbahnen und eine deutliche Limitierung der Kondylusbewe- gung bei Mehrfragmentfrakturen bis zu 74% gegenüber der nichtfrakturierten Seite auf. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse sprechen für eine schwere Schädigung des skelettal- diskoligamentären Komplexes des Kieferge- lenks nach diakapitulärer Kiefergelenkfrak- tur. Die schlechten funktionsdiagnostischen und radiologischen Ergebnisse der Fraktur- typen B und M zeigen die Grenzen der kon- servativ funktionellen Behandlung, wobei für den Frakturtyp B zur Verbesserung der Resultate eine chirurgische Therapie zu dis- kutieren ist. Schlüsselwörter Diakapituläre Kiefergelenkfraktur · Konser- vativ funktionelle Frakturbehandlung · Axiographie

Klinische, radiologische und axiographische Untersuchung nach konservativ funktioneller Behandlung diakapitulärer Kiefergelenkfrakturen

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Diakapituläre Kiefergelenkfrakturenwerden derzeit nach allgemein aner-kannten Richtlinien mit einem konser-vativ funktionellen Therapiekonzept be-handelt. Obwohl von einem nicht uner-heblichen Anteil von Frakturen des Ca-put mandibulae ausgegangen werdenmuss, sind Nachuntersuchungsergeb-nisse erwachsener Patienten für diesenFrakturtyp in der Literatur unterreprä-sentiert und nur für kleine Kollektivedargestellt [1, 9, 13, 25]. Die Mehrzahl derPatienten zeigte dabei trotz starker De-formierungen des Kondylus befriedi-gende Resultate bei den klinischen Pa-rametern. Jedoch sind es gerade dieFrakturen mit Beteiligung der Gelenk-walze, die z. T. als prognostisch ungün-stig bewertet werden [14]. Vereinzeltwurden über schwerwiegende Kompli-kationen wie operationsbedürftige Ok-klusionsstörungen, Osteonekrosen, An-kylosen und Wachstumshemmungendes Unterkiefers berichtet [20,21,24,29].

Anhand anatomischer Studien be-schrieb Rasse [17] die Variabilität derBruchverläufe durch die Gelenkwalzeund deren Einfluss auf die verbleibende

Vertikalhöhe des Unterkieferastes. Neffet al. [14] haben in Anlehnung dieser Er-gebnisse eine Klassifikation für diakapi-tuläre Kiefergelenkfrakturen vorgestellt.Sie unterscheiden einen Frakturtyp A,mit Dislokation medialer Gelenkwal-zenanteile unter Erhalt der Vertikaldi-mension des Unterkiefers, vom Fraktur-typ B, der unter Einbeziehung des late-ralen Kondyluspols mit einer Höhen-minderung des Unterkieferastes einhergeht. Für ein operativ behandeltes Pa-tientenkollektiv wiesen die Autoren dieAbhängigkeit der klinischen, radiologi-schen und funktionsdiagnostischen Er-gebnisse vom Frakturverlauf durch dieGelenkwalze nach. Der Frakturtyp Bzeigte dabei eine schlechtere Prognosegegenüber dem Frakturtyp A. Eine kon-servativ funktionell behandelte Ver-gleichsgruppe fehlte in dieser Studie.

Mit den bestehenden klinischenUntersuchungsmethoden gelingt dieObjektivierung und Differenzierung derfunktionellen Störungen des frakturier-ten Gelenkköpfchens nur unzureichend,da eine Einschränkung der Unterkiefer-bewegung auf der Frakturseite durchdas kontralaterale Kiefergelenk kom-pensiert werden kann. Unterschiedliche

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Mund Kiefer GesichtsChir 2002 · 6 : 241–248DOI 10.1007/s10006-002-0396-1 Originalien

M. Hlawitschka · U. EckeltKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus“ der Technischen Universität Dresden

Klinische, radiologische undaxiographische Untersuchungnach konservativ funktionellerBehandlung diakapitulärer Kiefergelenkfrakturen

Online publiziert: 27 April 2002© Springer-Verlag 2002

Dr. Matthias HlawitschkaKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus“der Technischen Universität Dresden,Fetscherstrasse 74, 01307 Dresden,E-mail: [email protected]

Zusammenfassung

Ziel: Die Studie evaluiert den Einfluss unter-schiedlicher diakapitulärer Frakturverläufedes Kiefergelenks auf die Prognose nachkonservativ funktioneller Therapie.Material und Methoden: 40 Patienten mit50 diakapitulären Kiefergelenkfrakturenwurden nach konservativ funktioneller The-rapie klinisch mit dem Helkimo-Index - radiologisch und axiographisch - nachunter-sucht. Das Follow-up betrug 0,5–5 Jahre.Drei diakapituläre Kiefergelenkfrakturtypenwurden unterschieden:Typ A = Frakturenmit Abstützung,Typ B = Frakturen mit Ver-lust der Vertikalhöhe des Unterkieferastes,Typ M = Mehrfragmentfrakturen.Ergebnisse: 33% aller Patienten wiesen mäßige und schwere Dysfunktionen auf.16-mal wurden Okklusionsstörungen regis-triert. Die Frakturtypen B und M zeigten einemittlere radiologische Höhenminderung desUnterkieferastes bis zu 13% gegenüber derGegenseite. Auch im Hinblick auf Deformie-rungen des Kiefergelenkköpfchens zeigtendiese beiden Frakturtypen die auffälligstenpathologischen Befunde. Die Axiographiewies irreguläre Bewegungsbahnen und einedeutliche Limitierung der Kondylusbewe-gung bei Mehrfragmentfrakturen bis zu 74%gegenüber der nichtfrakturierten Seite auf.Schlussfolgerung: Die Ergebnisse sprechenfür eine schwere Schädigung des skelettal-diskoligamentären Komplexes des Kieferge-lenks nach diakapitulärer Kiefergelenkfrak-tur. Die schlechten funktionsdiagnostischenund radiologischen Ergebnisse der Fraktur-typen B und M zeigen die Grenzen der kon-servativ funktionellen Behandlung, wobeifür den Frakturtyp B zur Verbesserung der

Resultate eine chirurgische Therapie zu dis-kutieren ist.

Schlüsselwörter

Diakapituläre Kiefergelenkfraktur · Konser-vativ funktionelle Frakturbehandlung · Axiographie

metrische Distanzen des Unterkieferserschweren außerdem eine objektive Be-wertung der Grenzbewegungsparame-ter, die an den Schneidezähnen ermitteltwurden [26, 27]. Durch die Entwicklungelektronischer Registriersysteme zurAufzeichnung der Kondylenbahn beiderKiefergelenke konnte die Funktionsdi-agnostik des erkrankten Kiefergelenksauch nach Kiefergelenkfortsatzfraktu-ren wesentlich verbessert werden [5, 6,11, 14, 17, 28].

Ziel dieser Studie soll es sein, nebender klinischen und radiologischenUntersuchung konservativ funktionellbehandelter Patienten mit diakapitulä-ren Kiefergelenkfrakturen mit Hilfe derAxiographie die funktionellen Ergeb-nisse differenziert darzustellen und denklinisch erhobenen Befunden gegen-überzustellen. Zusätzlich soll der Ein-fluss des Frakturverlaufes durch dasKiefergelenkköpfchen auf seine Wertig-keit als Prognosefaktor untersucht wer-den.

Patienten und Methode

Patientengut

Im Untersuchungszeitraum 1/1985–12/1998 wurden in der Dresdner Klinik bei213 Patienten,die älter als 12 Jahre waren,insgesamt 266 diakapituläre Kieferge-lenkfrakturen diagnostiziert.

40 dieser Patienten (33 männlich,7 weiblich, Durchschnittsalter 27,9 Jah-re, Streubreite 13–80 Jahre) kamen derschriftlichen Aufforderung einer Kon-trolluntersuchung nach (19%). Insge-samt wies dieses Patientenkollektiv 50dislozierte diakapituläre Kiefergelenk-frakturen auf. Sie wurden nach durch-schnittlich 23 Monaten (Streubreite 6–60 Monate) klinisch, radiologisch undfunktionsdiagnostisch durch einen Un-tersucher evaluiert. Die Ursachen fürdiese Frakturen waren in 17 Fällen Stür-ze, davon 6 aus großer Höhe, in 12 FällenFahrradunfälle, in 9 Fällen Verkehrsun-fälle neben anderen Ätiologien wie Roh-heitsdelikte und ein Pferdehufschlag.

Die Frakturtypisierung erfolgte an-hand konventioneller Röntgenaufnah-men in 2 Ebenen, einem Orthopanto-mogramm und einer p.a. Aufnahmenach Clementschitsch [3] sowie einercoronalen Computertomographie (CT).Nach der Klassifikation von Neff et al.[14] wurden 9 diakapituläre Kieferge-

lenkfrakturen vom Typ A mit Verlust dermedialen Gelenkwalzenanteile unter Er-halt der Vertikaldimension (Abb. 1a)und 34 diakapituläre Frakturverläufemit Einbeziehung des lateralen Kondy-lus und Höhenminderung des Unterkie-ferastes (Typ B) diagnostiziert (Abb. 1b).Aus der klinischen Beobachtung resul-tierend, dass es besonders nach Mehr-fragmentfrakturen, die ebenfalls mit ei-ner Höhenminderung des Ramus man-dibulae einher gehen, zu schlechtenfunktionellen Ergebnisse kommt, wur-de eine weitere Gruppe, Typ M, mit 7 diakapitulären Frakturen gebildet (Abb. 1c).

Begleitfrakturen des Unterkiefers-korpus wurden funktionsstabil osteo-synthetisch versorgt, um eine frühfunk-tionelle Behandlung der Kapitulum-frakturen zu ermöglichen. Zehn sub-kondyläre Gelenkfortsatzfrakturen wur-den mittels Zugschraubenosteosynthe-se nach Eckelt [4] operativ versorgt (Ta-belle 1).

Die konservativ funktionelle Thera-pie beinhaltete zunächst eine 10-tägigemandibulomaxilläre Immobilisation inder ursprünglichen Okklusion. Daranschloss sich eine 6- bis 8-wöchigeÜbungsbehandlung an.Der Patient wur-de zur Einnahme weicher Kost angehal-ten. Bei den Kontrolluntersuchungenwurde insbesondere auf eine gerade,ausreichende Mundöffnung geachtet.Anderenfalls erfolgten manuelle Dehn-übungen, die mit Holzspateln unter-stützt wurden. In 10 Fällen, wo eine Seit-abweichung des Unterkiefers beobach-tet worden ist, wurde ein funktionskie-ferorthopädischer Aktivator nach An-dresen-Häupl eingesetzt und dieser fürdurchschnittlich 8 Wochen vom Patien-ten getragen.

Nachuntersuchung

Die klinische Untersuchung beinhaltetedie Inspektion und Palpation der Auri-kularregion, die Palpation der Kaumus-kulatur sowie die Befragung der Patien-ten nach Schmerzen und Kaufunktions-störungen. Okklusionsstörungen, Seiten-abweichungen des Unterkiefers beiMundöffnung >2 mm sowie Unterkiefer-beweglichkeitseinschränkung bei Mund-öffnung, Pro- und Laterotrusion wurdenregistriert (Messzirkel). Durch Auskulta-tion wurden Geräuschphänomene derKiefergelenke erfasst. Zusammengefasst

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Originalien

M. Hlawitschka · U. Eckelt

Clinical, radiological and axiographical evaluation following close treatment in case of intracapsular mandibular fractures

Abstract

Purpose: The different lines of intracapsularfractures of the mandibular condyle werestudied and their influence on the prognosisfollowing close treatment was evaluated.Methods: In 40 patients with 50 intracapsu-lar fractures of the mandibular condyle thefollowing evaluation was carried out afterclose treatment: clinical, radiological and axiographical follow-up.The examinationswere performed between 0,5–5 years fol-lowing treatment.Three types of intracapsu-lar fractures were distinguished.Type A =fractures through the medial condylar pole,type B = fractures through the lateral condy-lar pole with loss of vertical height of man-dibular ramus, type M = multiple fragments,comminuted fractures.Results: Moderate to serious dysfunctionwas observed in 33% of the cases. Radiologi-cal examination of fracture types B and M revealed a reduction in the height of themandibular ramus by up to 13% as com-pared to the contralateral side. Also with re-gard to deformation of the condylar headthese two fracture types resulted in the mostprominent pathological findings. Axiographyrevealed irregular excursions and a clear lim-itation of condylar movement in comminut-ed fractures by up to 74% as compared tothe non-fractured side.Conclusion: The findings emphasize theseverity of lesions to the osseo-disko-liga-mentous complex of the TMJ caused by in-tracapsular fractures of the mandibularcondyle.The poor functional and radiologicalresults encountered in the fracture types Band M demonstrated the limits of conserva-tive functional treatment.With regard tofracture type B it may be discussed whethersurgical therapy would improve the results.

Keywords

Intracapsular mandibular fractures · Closetreatment · Axiography

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wurden diese klinischen Parameter imDysfunktionsindex nach Helkimo [10].Als Kontrollgruppen dienten die vonReinhardt et al. [19], Rahn u. Frank [16]und von Travera et al. [27] untersuchtengesunden Vergleichskollektive.

Als Kontrollröntgenaufnahmen wur-den ein Orthopantomogramm (OPG),eine p.a. Aufnahme nach Clement-schitsch [3] und eine Submentovertex-aufnahme (SMV) angefertigt. In denAbb. 2a und b werden die vermessenenStrecken dargestellt. Deutliche klinischeoder radiomorphologische Auffälligkei-ten wurden durch ein zusätzliches Com-putertomogramm verifiziert.

Um eine differenzierte Beurteilungder klinischen Unterkieferbewegungs-einschränkung und der Höhenreduk-tion des Unterkieferastes in Abhängig-keit vom diakapitulären Frakturtyp zuermöglichen, wurden hierfür nur die 30 Patienten mit unilateralen diakapitu-lären Kiefergelenkfrakturen herangezo-gen.

Axiographie

Die Kondylenbahnaufzeichnung erfolg-te scharnierachsenbezogen elektronischmit dem CADIAX-System (ComputerAided Axis-Recording) der Firma Gam-

ma-Dental© [22]. Die Unterkieferposi-tion in der Schlussbissstellung war Aus-gangspunkt für die Bewegungsregistrie-rung, die Aufzeichnung erfolgte unterEinsatz eines paraokklusalen Löffels.DieBetrachtung der Gelenkbahncharakte-ristik beinhaltete unphysiologische Kon-dylenbahnen mit irregulärer Form(Schlaufen, inverse Kurven) und die Be-wertung der Translations- und Rota-tionskomponenten über die Bestim-mung der Translationsstrecke smax unddes Gammawinkels bei maximaler pas-siver Mundöffnung. Eine Öffnungs-bahnlänge unter 10 mm und Protru-sionsbahnlänge unter 6,5 mm wurde alsHypomobilität, eine Öffnungsbahn grö-ßer 14 mm als Hypermobilität gewertet[2]. Die achsiographischen Befunde derdiakapitulär frakturierten Kiefergelen-ke wurden nur den nichtfrakturiertenGegenseiten gegenübergestellt.

Statistik

Die Mittelwertbestimmung wurde mitdem Programm Exel, Office 97 der Fir-ma Microsoft© durchgeführt.

Ergebnisse

Radiologische Befunde

Die Auswertung der radiologischenKontrollen ergab für die Gruppen B undM der diakapitulären Kiefergelenkfrak-turen eine deutliche Verminderung der

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Abb. 1a–c � Coronale CTs mit Darstellung diakapitulärer Kiefergelenkfrakturen (Pfeil) mit begleiten-den subkondylären Gelenkfortsatzfrakturen der Gegenseite. a Typ A: Diakapituläre Kiefergelenkfrak-tur links mit Frakturverlauf durch den medialen Kondyluspol, Abstützung des Kondylus ohne Höhen-verlust des Unterkieferastes. b Typ B: Diakapitulärer Frakturverlauf durch den lateralen Kondyluspol,keine Abstützung des Kondylus, Höhenverlust des Unterkieferastes. c Typ M: Diakapituläre Mehrfrag-mentfraktur, keine Abstützung des Kondylus, Verlust der Vertikalhöhe des Unterkieferastes

Tabelle 1Klassifikation der Frakturen des Kiefergelenkfortsatzes nach Spiessl u. Schroll[23] und Verteilung der Frakturtypen sowie deren Behandlungsform

Anzahl BehandlungPatienten n = 40Nichtfrakturierte Kiefergelenke n = 18Kiefergelenkfrakturen n = 62

Konservativ Operativ

Typ I Fraktur ohne Dislokation 5 2 3Typ II Tiefe Fraktur mit Dislokation 5 – 5Typ III Hohe Fraktur mit Dislokation – – –Typ IV Tiefe Fraktur mit Luxation 1 – 1Typ V Hohe Fraktur mit Luxation 1 – 1Typ VI Diakapituläre Fraktur 50 50 –Typ VI A Abgestützt, nicht verkürzt 9 9 –Typ VI B Nicht abgestützt, verkürzt 34 34 –Typ VI M Mehrfragmentfraktur, verkürzt 7 7 –

Höhe des Konylus bis zu 30% im Ver-gleich zur Gruppe A mit 11% gegenüberder Nichtfrakturseite. Die Vertikalhöhedes Ramus mandibulae war dadurch be-sonders bei Mehrfragmentfrakturen umdurchschnittlich 13% gemindert, demfolgten Frakturen der Typen B und Amit 8 bzw. 5% (Abb. 3).

Beim Frakturtyp B war das kleineBruchfragment am häufigsten in ante-rior-inferiorer Fehlstellung zur Fossa ar-ticularis, beim Frakturtyp M in luxier-ter Stellung außerhalb der Gelenkgrubeverheilt. Auch im Hinblick auf Defor-mierungen des Kiefergelenkköpfchenzeigten Frakturen der Gruppen B und Mdie auffälligsten pathologischen Befun-de.Als charakteristische Kondylenform-veränderung wurde ein sog. Bifiduskon-dylus nach Frakturen mit Beteiligung

des lateralen Kondylenpols (FrakturtypB) beobachtet (Abb. 4a). In der Folgevon Mehrfragmentfrakturen des Kon-dylus (Frakturtyp M) wurden hingegenfreie intraartikuläre Knochenanteile(Abb. 4b) und Pseudarthrosen regis-triert (Tabelle 2).

Klinische Resultate

Der Anteil subjektiv geäußerter Be-schwerden nach diakapitulären Kiefer-gelenkfrakturen war gering. Der Dys-funktionsindex nach Helkimo ergab diein Tabelle 3 dargestellten Werte.

Der Anteil mäßiger und schwererDysfunktionen war mit 33% insgesamthöher als in einer gesunden Vergleichs-population [19]. In 67% wurden Seiten-abweichungen bei Mundöffnung >2 mm

registriert. Okklussionsstörungen inForm von singulärem Antagonismus,Nonokklusion, Distalverschiebungenund Frühkontakten wurden 11-mal ge-funden. In 3 Fällen wurden die okklusa-len Interferenzen bereits durch eine Ein-schleiftherapie bzw. in 2 Fällen durch dieNeuanfertigung des prothetischen Zahn-ersatzes beseitigt.

Die Befunde der an den Schneide-kanten der Frontzähne erfassten Unter-kiefergrenzbewegung der Patienten mitunilateralen diakapitulären Kieferge-lenkfrakturen sind in Abb. 5 dargestellt.Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit vomdiakapitulären Frakturtyp. Gegenüberden Mittelwerten gesunder Vergleichs-kollektive [16, 27] ist die Mundöffnungnicht bzw. nur für den Frakturtyp M ge-ringfügig eingeschränkt. Dagegen wur-den deutliche Einschränkungen bei derPro- und Mediotrusionsbewegung desUnterkiefers beobachtet.

Axiographische Befunde

Die axiographisch erhobenen Bewe-gungsbahnen des frakturierten Kondy-lus nach konservativ funktioneller The-rapie zeigten alle gegenüber der Nicht-frakturseite bzw. der in der Literatur an-gegebenen Vergleichswerte [7] mäßigebis schwere Limitationen in allen Bewe-gungsrichtungen und unphysiologischeKondylenbahnen.

Der Verlust des Bewegungsumfangsder Kondylenbahnen resultierte über-wiegend aus einer Reduktion der Trans-lationsbewegung des Kondylus zu Guns-ten einer rotationsähnlichen Bewegungdes Gelenkköpfchen. Dies wurde in ei-ner Verringerung des Quotienten ausmaximaler Wegstrecke s (Translation)zum Gammawinkel (Rotation) ersicht-lich. Die typische nach anterior konka-ve Form der Kondylenbahn, wie bei ge-

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Originalien

Abb. 2 � a Vermessungsstrecken inder p.a. Schädelaufnahme nach Cle-mentschitsch [3]: 1 Mittelachse desUnterkiefers, 2 Interkondylarachse,3 Länge der Mandibula, 4 Basis desUnterkiefers. b Vermessungsstre-cken im Orthopantomogramm:1 Inzisurahorizontale, 2a,b Kiefer-winkeltangenten, 3 Kieferwinkel-horizontale, 4 Inzisuravertikale,5 Kondylenvertikale (Unterkiefer-astlänge), 6 Kondylenhorizontale

Abb. 3 � Höhenreduktion des Unterkieferastes bzw. der Mandibulalänge nach unilateraler diakapi-tulärer Kiefergelenkfraktur, Typ A (n = 6), Typ B (n = 21) , Typ M (n = 3) gegenüber der nichtfrakturier-ten bzw. der anatomisch korrekt reponierten subkondylär frakturierten Gegenseite

sunden Kiefergelenken, lässt sich für al-le diakapitulären Kiefergelenkfrakturennur noch in 20% der Fälle nachweisen.

Bei der Aufschlüsselung nach derHäufigkeit von Limitationen innerhalbder einzelnen Frakturgruppen zeigtenMehrfragmentfrakturen (Typ M) wiede-rum die schlechtesten Ergebnisse. Siewiesen den Limitationsgrad III [14] mit

einer Bewegungseinschränkung um50–75% im Vergleich zur Gegenseite füralle Kondylenbahnen auf. Es folgten dieFrakturen mit Beteiligung des latera-len Kondyluspols (Typ B) und die ab-gestützten diakapitulären Frakturen(Typ A). Diese zeigten einen Limita-tionsgrad II (Bewegungseinschränkung um 25–50%) für die Öffnungsbahn und

einen Limitationsgrad I (Bewegungs-einschränkung um 0–25%) für die Me-dio- und Protrusionsbahn (Tabelle 4,Abb. 6).

Am häufigsten wurden irreguläreKondylenbahnen bei Mehrfragment-frakturen des Kondylus registriert.

Diskussion

Im Verlauf der letzten 15 Jahre ist einestetige Zunahme von Frakturen desUnterkiefergelenkfortsatzes und insbe-sondere des Anteils diakapitulärer Frak-turen zu verzeichnen gewesen. Das kanneinerseits auf eine Zunahme der indivi-duellen Mobilität, zum anderen auf dieleistungsstärkere bildgebende Diagnos-tik, insbesondere der Computertomo-graphie (CT), zurück geführt werden.Die hohe diagnostische Aussagekraftder CT kann die Verdachtsdiagnose ei-ner Fraktur des Caput mandibulae si-chern und die adäquate Behandlungeinleiten. Vor einer möglichen operati-ven Behandlung kann die Fraktur hin-sichtlich Dislokations- und Luxations-grad, Frakturverlauf, Fragmentanzahlexakt klassifiziert werden.

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Abb. 4a,b � Coronale CTs mit Darstellung von Folgezuständen (6 Monate) nach diakapitulärer Kiefer-gelenkfraktur. a Beidseitige Ausbildung eines Bifiduskondylus nach diakapitulären Kiefergelenk-frakturen vom Typ B, b freie intraartikuläre Knochenfragmente nach diakapitulärer Kiefergelenk-fraktur vom Typ M

Tabelle 2Radiomorphologische Beschreibung des diakapitulär frakturierten Kondylus (n = 50) und seiner Beziehung zur Fossa articularis

Radiologische Graduierung Diakapituläre Diakapituläre DiakapituläreKriterien Kiefergelenkfraktur Kiefergelenkfraktur Kiefergelenkfraktur

Typ A (n = 9) Typ B (n = 34) Typ M (n = 7)

Stellung des Kondylus zur Fossa articularis Normal 6 13 –

Anterior 2 1 1Inferior 1 5 –Anterioinferior – 10 1Posterioinferior – 1 –Luxiert – 4 5

Kondylusform Regulär 7 15 2Abgeflacht – 8 2Plan – 5 –Eingesenkt 2 6 3

Resorptionsgrad Keiner 5 8 1Geringer 3 7 3Deutlicher 1 14 3Starker – 5 –Vollständig – – –

Knochenveränderungen Keine 4 16 2Exophyten 2 4 –Bifiduskondylus 3 11 1Freier Knochen – 2 2Kombinationen – 1 2

Die konservativ funktionelle Thera-pie bildet heute nach wie vor die Stan-dardbehandlung der diakapitulären Un-terkieferfrakturen.Aus Sicht herkömm-licher klinischer Bewertungsmaßstäbekönnen allerdings nur für den Fraktur-

typ A gute funktionelle Ergebnisse nachkonservativ funktioneller Therapie be-stätigt werden. Bei der kritischen Be-trachtung der funktionsdiagnostischenErgebnisse mittels Axiographie zeigtsich, dass erhebliche Einschränkungen

der Kiefergelenkfunktion in Kauf ge-nommen werden. Auch der Dysfunk-tionsindex nach Helkimo zeigte in 1/3der Fälle mäßige bis schwere Fehlfunk-tionen des Kiefergelenkes. Eine röntge-nologische und funktionelle Restitutioad integrum nach konservativ funktio-neller Therapie konnte für Erwachsenemit diakapitulären Kiefergelenkfraktu-ren in dieser Studie nicht beobachtetwerden. Insbesondere gilt dies für un-physiologische Gelenkbahnen sowie denlimitierten Bewegungsumfang des frak-turierten Kondylus. Diese Beobachtun-gen wurden auch bei Patienten mit Ge-lenkfortsatzbasis- und Gelenkhalsfrak-turen nach konservativ funktionellerTherapie beschrieben [6, 11, 25, 28]. Dassdie Limitationen der Kondylenbahnbe-wegungen klinisch in den meisten Fäl-len nicht manifest werden, ist den be-grenzten Anpassungsvorgängen imfrakturierten Kiefergelenk und derKompensationsleistung des kontralate-ralen Gelenks zuzuschreiben [27]. So

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Originalien

Tabelle 3Klinischer Dysfunktionsindex nach Helkimo [10] – Schweregrad der Dysfunktionen und Okklusionsstörungen bei Patientenmit diakapitulären Kiefergelenkfrakturen

Dysfunktionsindex (Di)Dysfunktion

Patienten Symptomfrei Leichte Mäßige Schwere OkklusionsstörungenD 0 D I D II D III

Gesamt n = 40 4 23 10 3 11Einseitige diakapituläre Fraktur n = 30 3 17 7 3 8Doppelseitige diakapituläre Frakturen n = 10 1 6 3 – 3

Gesunde Vergleichsgruppe Reinhardt et al. [19] n = 100 27 48 22 3 –

Tabelle 4Achsiographische Befunde bei Patienten mit diakapitulären Kiefergelenkfrakturen

Achsiographische Kriterien Graduierung Nichtfrakturierte Diakapituläre Diakapituläre Diakapituläre Gegenseite Kiefergelenkfraktur Kiefergelenkfraktur Kiefergelenkfraktur (n = 18) Typ A (n = 9) Typ B (n = 34) Typ M (n = 7)

Rotationswinkel (Gamma) In Grad 31,8 30,1 29,9 22,9Translationsstrecke (s) In mm 11,5 7,9 8,6 3,2Horizontaler Kondylenbahnwinkel In Grad 33,4 26,7 15,2 17,1Benett-Winkel In Grad 8,9 14,7 15,3 15,3Änderung der Kondylenbahnlimitation Öffnungsexkursion 0% –36% –31% –74%

Mediotrusion 0% –12% –26% –58%Protrusion 0% –13% –21% –65%

Kondylenbahnform Unauffällig 11 2 8 –Irregulär 2 5 14 7

Hinweise auf eine Diskusverlagerung 5 2 12 –

Abb. 5 � Klinisch anden Schneidezähnengemessene Unterkie-fergrenzbewegungenbei Patienten mit uni-lateralen diakapitulä-ren Kiefergelenkfrak-turen (n = 30)

wird besonders die Mundöffnungsbe-wegung durch eine Zunahme rotativerBewegungsabläufe bei teilweise völligemVerlust der Translation der Kondylenkompensiert. Diese Drehbewegung istaufgrund schwerster Gelenkkopfdefor-mationen und der Verlagerung derScharnierachse nach kaudal irregulärund unkoordiniert [26].

Die axiographischen Befunde zeig-ten deutliche Hinweise,dass mit der Dis-lokation des Kondylus auch eine Verla-gerung des Discus articularis aufgetre-ten ist. Neff et al. [14] sprechen in diesemZusammenhang von einer „diskokondy-lären Einheit“. Sicher nachzuweisen sindDiskusverlagerungen allerdings nur mitHilfe der Magnetresonanztomographie(MRT). In magnetresonanztomographi-schen Studien wurden Diskusluxationennach konservativ funktioneller Therapiediakapitulärer Kiefergelenkfrakturen in75–100% beobachtet [15]. Therapeutischkann mit der konservativ funktionellenBehandlung darauf kein Einfluss ge-nommen werden.

Durch die Einführung elektroni-scher Registriersysteme konnten diefunktionsdiagnostischen Untersuchun-gen des Kiefergelenks wesentlich verbes-sert und die komplexen Funktionsabläu-fe reproduzierbar dargestellt werden. DieRegistrierung der Unterkieferbewegungüber die Scharnierachse, wie im verwen-

deten System, bietet den Vorteil wenigerProjektionsfehler, einer einfachen Hand-habung und der analogen dreidimensio-nalen vergrößerten zeitabhängigen Dar-stellung der registrierten Bewegungs-bahnen. Es konnten damit auch Rück-schlüsse auf Störungen des diskoliga-mentären Apparates der kontralateralenKiefergelenkseite in dieser Studie gezo-gen werden. Die Befunde der Gegenseitelassen auf eine primäre stumpfe Gewalt-einwirkung mit Schädigung der Weich-teile (Kapsel, Bänder, Diskus, Knorpel-überzug des Kondylus) oder eine sekun-där kompensatorische Beeinflussungdurch das frakturierte Kiefergelenkschließen. Das Fehlen prätraumatischerBefunde erschwert allerdings die objek-tive Beurteilung. Ein hoher Anteil disko-ligamentärer Desintegrität nach Kiefer-gelenkfrakturen auf der nichtfrakturier-ten Kiefergelenkseite konnte in magnet-resonanztomographischen Studien undarthroskopischen Untersuchungen nach-gewiesen werden [1, 8].

Die Auswertung der Ergebnisse be-stätigt die Vermutung, dass die Progno-se nach Fraktur des Caput mandibulaemit der konservativ funktioneller The-rapie von der Art der Fraktur und demdiakapitulären Frakturverlauf mitbe-stimmt wird. Die schlechtesten klini-schen, radiologischen und funktionsdi-agnostischen Resultate zeigten Mehr-

fragmentfrakturen (Typ M) gefolgt vonFrakturen mit Verlust der Vertikalhöhedes Unterkieferastes (Typ B). Von eini-gen Autoren wird daher für hohe Luxa-tionsfrakturen und diakapituläre Frak-turen vom Typ B die operative Therapiediskutiert. Es wurden für diese Fraktur-typen gute röntgenologische und funk-tionelle Ergebnisse nach operativer The-rapie publiziert, die für ein akzeptablesBehandlungskonzept sprechen [14, 15, 17,18]. Möglicherweise ist bei operativerTherapie für diese Frakturtypen einebessere Prognose zu erwarten, was inprospektiven Langzeituntersuchungennachzuweisen sein wird.

Schlussfolgerung

Für Erwachsene mit diakapitulären Kie-fergelenkfrakturen bei Erhalt der verti-kalen Dimension durch Abstützung undFührung des lateralen Kondylusanteils(Typ A) ist die konservativ funktionelleTherapie aufgrund akzeptabler röntge-nologischer und funktioneller Ergeb-nisse gerechtfertigt. Die schlechtenfunktionsdiagnostischen und radiologi-schen Ergebnisse der diakapitulärenFrakturtypen B und M zeigen die Gren-zen der konservativ funktionellen Be-handlung. Für den Frakturtyp B ist zurVerbesserung der Resultate eine chirur-gische Therapie zu diskutieren. Diaka-pituläre Mehrfragmentfrakturen, die ei-nen prognostisch ungünstigsten Verlaufnach konservativ funktioneller Therapiezeigten, sollten in der von Neff et al. [14]vorgeschlagenen Klassifizierung der dia-kapitulären Kiefergelenkfrakturen be-sondere Berücksichtigung finden.

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