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kompakt September 2015

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Die IG BCE hat starke Wurzeln – sie heißen soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Das ist so seit 125 Jahren.

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Page 1: kompakt September 2015

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

Nr. 09 I SEPTEMBER 2015 www.igbce.de

Unsere Kraft für Deine Zukunft

Sozialer Fortschritt braucht starke Wurzeln.

125 Jahre IG BCE

01_44_titel_Jubilaeum_09.indd 1 12.08.2015 15:56:58

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3kompakt | September 2015 |

>UNTER UNS

CHRISTIAN HÜLSMEIER Chefredakteur

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E ine Mischung aus Stolz und Respekt begleitet die Aufgabe, in dieser Jubiläums-

Ausgabe von kompakt das Editorial schreiben zu dürfen. Es eröffnet ein

Heft, das ganz der großartigen Geschichte unserer Gewerkschaft gewidmet ist

und das viel erzählt von den beeindruckenden Frauen und Männern, die seit 125 Jah-

ren mit ihrem Mut zum gesellschaftlichen Engagement, mit ihrem Einsatz für soziale

Gerechtigkeit und immer wieder in großer Solidarität die Welt tatsächlich zum Besse-

ren verändert haben. Schrittweise und natürlich nicht frei von Rückschlägen, aber mit

dem unbändigen Willen über Generationen hinweg, sich niemals einfach abzufinden:

mit Rechtlosigkeit am Arbeitsplatz, mit Missachtung und Ausbeutung in der Arbeits-

welt, mit unwürdigen und ungerechten Verhältnissen in der Gesellschaft insgesamt.

IN DIESER TRADITION ZU STEHEN und die Geschichte all dieser hervorragen-

den Persönlichkeiten fortzuschreiben, das ist uns heute Ehre wie Aufgabe. Und wenn

man manchmal vielleicht zweifelt, ob es denn gelingen mag, weitere Stationen des

sozialen Fortschritts zu erreichen, dann hilft es sich zu erinnern: an unsere Anfänge,

an die schmalen Wurzeln, aus denen sich die

gewerkschaftliche

Kraft entwickeln

konnte. Diesem

Gedanken ist auch

das Titelbild dieses

Sonderhefts ge-

schuldet. Es wird im

Innenteil aufgegrif-

fen und dokumen-

tiert das organisato-

rische Wachstum, von

den Ansätzen gewerk-

schaftlicher Selbsthilfe

bis zu unserer heutigen

starken IG BCE.

ÜBER DAS JUBILÄUM und wie wir es gemeinsam feiern, darüber werden wir na-

türlich auch im Oktober ausführlich berichten. Es bleibt, wie immer, viel zu tun. Aber

mit großer Freude, mit großem Stolz und im Wissen, dass im Zweifel für jede Frau und

jeden Mann in unserer Organisation gilt: Wir stehen hinter Dir.

Eine Geschichte großartiger Leute

[email protected]

sozialen Fortschritts zu erreichen, dann hilft es sich zu erinnern: an unsere Anfänge,

an die schmalen Wurzeln, aus denen sich die

schuldet. Es wird im

-

fen und dokumen-

tiert das organisato-

rische Wachstum, von

den Ansätzen gewerk-

schaftlicher Selbsthilfe

bis zu unserer heutigen

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energiekompakt

Nr. 09 I SEPTEMBER 2015 www.igbce.de

Unsere Kraft für

Deine ZukunftSozialer Fortschritt

braucht starke Wurzeln.

125 Jahre IG BCE

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IMMER IM HEFT

03 Unter uns06 Aktuelles40 Rätsel41 Glück & Glosse/Impressum

Titelbild: Armstrong Studios/GettyImages

Tapetenarbeiter1919

Heimarbeiter1913

Landarbeiter1908

FabrikarbeiterGummiarbeiterChemiearbeiterPapierarbeiter

KeramikarbeiterLandarbeiter

Nahrungsmittelarbeiter1890

GlasarbeiterGlasmacherPorzelliner

1926

Ziegler1925

Fabrik- und Handarbeiter

1869

Christliche Fabrik- und Transportarbeiter

1900

Bergleute1890

1889

Christliche Bergleute

1894

Weißgerber1872 Gerber

1872

Hand-schuhmacher

1869 Schuh-macher1782

Seiler1872

Porte-feuiller1901

Tape-zierer1920 Gewerkverein

Lederarbeiter

ChristlicheSchuh- und

Lederarbeiter1900

ZERSCHLAGUNG DER GEWERK SCHAFTEN 2. MAI 1933

1948 / 1946 Harburg 1948 / 1946 Herne 1949 Kornwestheim

1991 Erste gesamtdeutsche Gewerkschaftskongresse

1992 Kooperationsabkommen

1990 Deutsche Einheit

1997 IndustriegewerkschaftBergbau, Chemie, Energie

BergbauChemie

Energie

Erdöl und Erdgas

GlasKautschuk

Keramik

Kunststoffe und nicht metallische Werkstoffe

LederPapier

Umwelt

Ver- und Entsorgungsbetriebe

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Tarifrecht und -gestaltung

Globalisierung

Wirtschaftspolitik

Arbeits- und Sozialrecht

Gute Arbeit

Industriepolitik

Energiewende

Nachhaltigkeit

InnovationForschungTechnologie

Mitbestimmung

Bildungspolitik

Junge Generation

Gleichstellung

Arbeitsmarktpolitik

Tarifpolitik

Sozialpolitik

Wasser

Demografischer Wandel

Migration/Integration

Europapolitik

Frauen

Arbeitspolitik

18 Im Wortlaut Aufstieg dank Kohle 21

Glas

12 Es gibt noch Herausforderungen, die angepackt werden müssen

Jahrtausendwende Zeitenwende? 34

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11 StandpunktMichael Vassiliadis über den Blick zurück in die Zukunft.

TITEL12 Unsere Kraft für Deine Zukunft

Die IG BCE hat starke Wurzeln – sie heißen soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Das ist so seit 125 Jahren.

THEMEN16 Demokratie in den Betrieben Durch das Betriebsrätegesetz wird der Unternehmer- willkür ein Ende gemacht.

18 »Gemeinsam für gute digitale Arbeit«Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schreibt für kompakt über die Zukunft der Arbeit.

21 Ohne Kohle kein WirtschaftswunderSteinkohle sicherte in der Nachkriegszeit zu mehr als 50 Prozent die deutsche Stromversorgung. Die Geschichte einer Branche mit langer Tradition.

TENDENZEN30 Leidenschaft und Augenmaß

Tarifpolitik ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf.

34 Gewerkschaftsgeschichte 1990–2015Die Zeit nach der Jahrtausendwende wird geprägt durch den immer stärker werdenden Neoliberalismus.

TIPPS37 Wo sich Menschen begegnen

Die Orte, an denen die Organisationen zu Hause sind.

38 Zehn Vorurteile über GewerkschaftenEine Meinung über Gewerkschaften hat eigentlich jeder.

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> INHALT SEPTEMBER 2015

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Anerkennung und Respekt für 125 Jahre ehrliche Arbeit im Sinne der Menschen, die unsere Branche ausmachen.

Herzlichen Glückwunsch Der Sozialpartner

Bundesarbeitgeberverband Chemie

Der beste Beweis,dass Leistung nichts mit dem Alter zu tun hat:

125 JAHRE IG BCE

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6 | kompakt | September 2015

40 Stunden sind genug!12 STUNDEN ARBEIT AM TAG und mehr als 70 Stunden in der Woche waren 1890 Realität, 1910 immer noch 55 Stunden. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität in Zeiten des Wirtschaftswunders wurde auch durch Rationalisierungsmaßnahmen erreicht, die ihrerseits 1953 eine Senkung der durchschnittlichen tariflichen Wochen- arbeitszeit auf 48 Stunden möglich mach-ten. Eine Hauptforderung des DGB-Aktions-programms von 1955 war folgerichtig die Fünf-Tage-Woche mit achtstündigem Arbeitstag bei vollem Lohn- und Gehaltsaus-gleich: Der Samstag sollte den Familien gehören. Im Bergbau wurde dies 1959 erreicht, die anderen Branchen folgten nach.

BILD DES MONATS

DER VOLKSAUFSTAND am 17. Juni 1953 ist die erste euro- päische Massenerhebung gegen die kommunistische Diktatur. Eine Million Menschen demonstrieren in der DDR für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, Demokratie, Freiheit, die deutsche Einheit. Der Westberliner DGB-Vorsitzende

Ernst Scharnowski ruft die »Ostberliner Kolleginnen und Kollegen« zur Solidarität mit den streikenden Bauarbeitern auf. Die Kundgebungen an mehr als 700 Orten werden von sowjetischen Panzern und Truppen aufgelöst. Mehr als 50 Menschen werden getötet, Hunderte schwer verletzt.

AUFREGER DES MONATS

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»Wir können uns nicht alle gegenseitig die Autos waschen oder Pommes frites verkaufen. Basis und Voraussetzung des gesellschaftlichen Wohlstands ist die industrielle Produktion.«

HUBERTUS SCHMOLDT, der erste Vorsitzende der 1997 neu gegründeten IG BCE.

kompakt | September 2015 |

>AKTUELLES

Tischlein deck dichSCHNITZEL STATT KARTOFFELN: Für ein Kilogramm Schweinefleisch musste ein Industriearbeiter im Jahr 1969 nur noch ein Drittel so lange (85 Minuten) arbeiten wie noch 1907 (knapp vier Stunden). Der wirtschaftliche Aufschwung und die solide Tarifpolitik der Gewerkschaften ermöglichen den Deutschen endlich wieder einen gewissen Wohlstand. Auch andere Grundnahrungsmittel sind in Wirtschaftswun-der-Zeiten schneller bezahlt als noch zu Beginn des 19. Jahr-hunderts. Für ein Kilogramm Mehl mussten Industriearbeiter 1907 ganze 63 Minuten ran, rund 60 Jahre danach reichten

elf Minuten Arbeits-zeit aus (minus 83 Prozent). Ähnlich die Entwicklungen bei Butter, Kartoffeln und der Miete. Über diese Grundbedürfnisse hi-naus erstritt die dama-lige IG Chemie-Pa-pier-Keramik weitere Erfolge: Das 13. Mo-natsgehalt, zusätz- liches Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen sind heute nicht nur in der Che-mie eine Selbstver-ständlichkeit.

147 352VOLLBESCHÄFTIGUNG IN DEUTSCHLAND: 1965 registriert das damalige Arbeitsamt mit 147 352 Arbeitslosen den nied-rigsten Stand aller Zeiten (Quote: 0,7 Prozent). Gleichzeitig melden die Betriebe, dass 648 999 Stellen unbesetzt bleiben. Um die Lücke zu schließen, setzt die Regierung nicht mehr nur auf italienische Gastarbeiter. Inzwischen existieren Anwerbe-abkommen mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko und Portugal. 1965 entsteht eine weitere Vereinba- rung mit Tunesien. Alles in allem erhöht sich die Zahl der Migranten zwischen 1961 und 1967 von 686 000 auf 1,8 Mil-lionen. Fest steht: Ohne die Unterstützung der Gastarbeiter wäre das deutsche Wirtschaftswunder so nicht möglich gewesen.

ZAHL DES MONATS

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Die Lohntüte: Da ist mehr drin!

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VERFOLGUNG UND NEUBEGINN>

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»Schafft die Einheit!«

JOSEF SIMONüberlebt das Konzentrationslager Dachau – nicht aber die Spätfolgen der Schikane während der Haft. Er stirbt auf dem Gründungstreffen der Gewerkschaft Leder 1949.

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Der 30. Januar 1933 ist unverges-sen. Es ist der Tag, der die dun-kelste Phase deutscher Geschichte

einläutet, der Tag, an dem Reichsprä- sident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt. Vergeblich hat-ten die Gewerkschaften gewarnt. In Be-rufs- und politische Richtungsgewerk-schaften zersplittert, bleiben sie unfähig zur Gegenwehr. Nur einen Tag nach dem zum »Tag der nationalen Arbeit« umgedeuteten 1. Mai werden ihre Häuser besetzt, ihr Vermögen beschlagnahmt, führende Funktionäre »in Schutzhaft« genommen.

VIELE GEWERKSCHAFTER machen sich als Gewerbetreibende selbstständig. Albin Karl, der langjährige Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbandes, reist als Vertreter für eine Seifenfabrik durchs Land und pflegt Kontakte zu Gleich- gesinnten – trotz Haft und KZ. Josef Simon, der frühere Vorsitzende des Zen-tralverbandes der Schuhmacher überlebt Dachau. Doch die täglichen Schikanen der Haft schädigen seine Gesundheit

dauerhaft. Er stirbt auf dem Gründungs-treffen der Gewerkschaft Leder am 1. April 1949. Fritz Husemann, Vorsitzen-der des Verbandes der Bergbauindustrie-arbeiter, wird bereits im März 1933 inhaf-tiert. Nach seiner Entlassung hält er Kontakt zu anderen Gewerkschaftern. Im März 1935 wird er verhaftet und in das KZ Esterwegen verschleppt. Dort erschießen ihn Wachmannschaften im selben Jahr »auf der Flucht«. Insgesamt werden mehr als 150 000 Gewerkschafter von den Nazis verfolgt, gefoltert und ermordet.

DER WIEDERAUFBAU der Gewerkschaf-ten nach 1945 erfolgt unter widrigsten Umständen. Als im bitterkalten Winter 1946 die IG Chemie in der britischen Zone gegründet wird, bekommen die De-legierten ihr Essen nur gegen Marken. Ge-schlafen wird zu siebt in ungeheizten Räu-men. »Wir steckten bis zum Bauchnabel im Dreck«, erinnerte sich der späte-re IG Chemie-Papier-Keramik-Vor-sitzende Wilhelm Gefeller. Gefel-ler weiß aber auch: »Wir hatten etwas geschaffen.«

1949 SCHLIESSLICH, am 12. Ok-tober, gründen die Delegierten von 16 Gewerkschaften in München

den Deutschen Gewerkschaftsbund. Hinter ihnen liegen bittere Erfahrungen. Viele hatten den Untergang der Weima-rer Republik miterlebt, die Schwächung und Ohnmacht der zersplitterten Ge-werkschaften.

»SCHAFFT DIE EINHEIT« – diesen Satz, des von den Nationalsozialisten in ei-nem Berliner Gefängnis hingerichteten hessischen Innenministers und Gewerk-schafters Wilhelm Leuschner, betrachten sie als Auftrag, die Einheitsgewerkschaft zu verwirklichen: unabhängig und offen für alle. Sie hat sich bewährt, bis heute. Und auch für die Zukunft bleibt die Maßgabe: Gemeinsam stark sein – auch über Ländergrenzen hinweg.

Norbert Glaser

Der Eingang zum KZ Esterwegen, in dem Fritz Husemann ermordet wurde.

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10 | kompakt | September 2015

> INTERVIEW>

Der Fabrikarbeiterverband wurde 1890, vor 20 Jahren, gegründet. Der Abschluss von Tarifverträgen genießt in Ihrer Gewerkschaft Priorität. Sind Sie vorangekommen?

In der chemischen Industrie ist es gegen große Widerstän-de gelungen, bis jetzt 119 Tarifverträge für 127 Betriebe abzuschließen. Sie gelten für etwa 10 000 Arbeiter. Ein guter Anfang ist also gemacht, aber auch nicht mehr. Die meisten Tarifverträge regeln das Arbeitsverhältnis für den Werkplatz. In der nächsten Etappe geht es darum, einen Tarif für alle gleichartigen Betriebe eines Ortes, für einen Bezirk und zuletzt für das ganze Reich zu schaffen.

Sie sprechen von »großen Widerständen«. Was meinen Sie?

Nun, wegen der Bismarck’schen Sozialistengesetze haben viele von uns im Gefängnis gesessen. Ich hatte Glück und musste nicht brummen. Allerdings wurde ich wegen meiner gewerkschaftspolitischen Tätigkeit mehrfach entlassen. Flugblattverteilen war auch nicht immer einfach, da haben sie schon mal die Hunde auf uns losge-lassen. Aber wir hielten trotzdem fest zusammen. Unser Erkennungszeichen war ein großes rotes Taschentuch, das wir aus der Hosentasche heraushängen ließen.

Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt in Deutschland, Sie sind aber auch jenseits der Grenzen aktiv.

Ganz richtig, wir kämpfen für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – für diese Ideen gelten keine Staatsgrenzen. Vor ein paar Jahren, 1907, haben wir uns in Stuttgart mit Vertretern unserer Brudergewerkschaften aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Österreich getroffen und begonnen, die Fabrikarbeiter-Internationale aufzubauen. 1910 fand die zweite internationale Konferenz in Kopen-hagen statt. Mittlerweile haben sich Verbände aus acht Ländern mit über 300 000 Mitgliedern zusammenge-schlossen. Der Briefwechsel ist sehr rege, wir tauschen uns ständig aus und wissen gut über die Lage in den jeweils anderen Ländern Bescheid.

Der langjährige Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbands über die Gründungszeit seiner Gewerkschaft.

Fragen an August Brey3 Die Blumenarbeiter

kommen zu uns!KUNSTBLUMEN-, BLÄTTER- UND FEDERINDUSTRIE erlebten von 1890 bis 1900 ihre Blütezeit. Sie beschäftig-ten zeitweise mehr als 20 000 Menschen, größtenteils Frauen, auch in Heimarbeit. 300 Mitglieder zählte der 1895 im zweiten Versuch in Dresden gegründete Fach-verein. Da die Bildung weiterer Zahlstellen schwierig war, wollte man sich einer größeren Organisation anschlie-ßen. Die Handels- und Transportarbeiter verweigerten aber eine eigene Sektion. Der 1901 mit Emma Ihrer etab-lierte Verband der »Blumen-, Blätter-, Palmen- und Putz-federarbeiter« war erfolgreicher. Zum 1. Januar 1914 schlossen sich die dann 1500 Mitglieder dem Fabrik- arbeiterverband an. Der Rest ist Geschichte.

* Dieses Interview hat natürlich nie stattgefunden.kompakt hat die Antworten des Hessen August Brey (1864–1937) allerdings nicht frei erfunden, sie basieren auf dessen Reden, Verbandsprotokollen und anderen historischen Dokumenten. (md)

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11kompakt | September 2015 |

MICHAEL VASSILIADIS Vorsitzender der IG [email protected]

>STANDPUNKT

Foto: Bayer AG Corporate History & Archives

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Es gibt Momente im Leben einer Organisation, in denen es wichtig und schön ist, auf die eigene Geschichte, auf die eigenen Wurzel zu blicken, um sich daran zu erinnern, was man alles schon erreicht hat.

EINEN SOLCHEN MOMENT feiert die IG BCE in diesem Jahr. Die Wurzeln der IG BCE, die es in der heutigen Form seit der Fusion der IG Chemie-Papier-Keramik, der IG Berg-bau und Energie und der Gewerkschaft Leder im Jahr 1997 gibt, reichen 125 Jahre zu-rück. Damals, als sich die ersten Arbeiter zusammentaten, um gemeinsam für mehr Rechte zu kämpfen, hat mit Sicherheit niemand geahnt, welchen fundamentalen Wandel die Gewerkschaften in unserem Land erreichen werden.

DAMALS WIE HEUTE treibt uns die gleiche Überzeugung: Wir wollen, dass die Menschen, die die Mehrheit dieser Gesellschaft bilden, zu ihrem Recht kommen. Sie sollen fair behandelt und gut bezahlt werden, sie sollen soziale Gerechtigkeit erfahren, sie sollen gesund arbeiten und nach ihrem Arbeitsleben gesund in den Ruhestand gehen können. Wir haben viel erreicht – bezahlter Urlaub, Mutterschutz, Mitbestim-mung, Fünf-Tage-Woche, Kündigungsschutz, Tarifverträge, Mindestlohn und so weiter und so fort –, und noch viele Aufgaben liegen vor uns. Auch wenn viele Ziele oftmals unerreichbar schienen, gaben wir niemals klein bei, sondern kämpften weiter. Tag für Tag. Und wenn ich »wir« sage, meine ich: uns alle.

WIR ALLE SIND die IG BCE und der DGB. Wir alle tragen gemeinsam die Verantwortung für die Zukunft. Diese im gewerkschaftlichen Sinne zu gestalten – das ist unsere Aufgabe.

Der Blick zurück in die Zukunft

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Tapetenarbeiter1919

Heimarbeiter1913

Landarbeiter1908

FabrikarbeiterGummiarbeiterChemiearbeiterPapierarbeiter

KeramikarbeiterLandarbeiter

Nahrungsmittelarbeiter1890

GlasarbeiterGlasmacherPorzelliner

1926

Ziegler1925

Fabrik- und Handarbeiter

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Christliche Fabrik- und Transportarbeiter

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Bergleute1890

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Christliche Bergleute

1894

Weißgerber1872 Gerber

1872

Hand-schuhmacher

1869 Schuh-macher1782

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Porte-feuiller1901

Tape-zierer1920 Gewerkverein

Lederarbeiter

ChristlicheSchuh- und

Lederarbeiter1900

ZERSCHLAGUNG DER GEWERK SCHAFTEN 2. MAI 1933

1948 / 1946 Harburg 1948 / 1946 Herne 1949 Kornwestheim

1991 Erste gesamtdeutsche Gewerkschaftskongresse

1992 Kooperationsabkommen

1990 Deutsche Einheit

1997 IndustriegewerkschaftBergbau, Chemie, Energie

BergbauChemie

Energie

Erdöl und Erdgas

GlasKautschuk

Keramik

Kunststoffe und nicht metallische Werkstoffe

LederPapier

Umwelt

Ver- und Entsorgungsbetriebe

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Tarifrecht und -gestaltung

Globalisierung

Wirtschaftspolitik

Arbeits- und Sozialrecht

Gute Arbeit

Industriepolitik

Energiewende

Nachhaltigkeit

InnovationForschungTechnologie

Mitbestimmung

Bildungspolitik

Junge Generation

Gleichstellung

Arbeitsmarktpolitik

Tarifpolitik

Sozialpolitik

Wasser

Demografischer Wandel

Migration/Integration

Europapolitik

Frauen

Arbeitspolitik

> TITEL

Unsere Kraft für Deine Zukunft

Ein starker Baum braucht starke Wurzeln. Sie geben ihm die Standfestigkeit und die Kraft, um den Stürmen standzuhalten. Jetzt und in der Zukunft. Auch die IG BCE hat solche starken Wurzeln – sie heißen soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Das ist so seit 125 Jahren.

Aus diesen starken Wurzeln er-wachsen Kraft und Stärke für künftige Herausforderungen.

Kraft und Stärke für unsere Branchen und unsere Mitglieder. Darauf verlassen sich die Menschen. Zu Recht. Unsere Kraft für Deine Zukunft.

Soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit – drei Werte, die zusammenge-hören. Das eine ist nicht ohne das ande-re zu erreichen. Das wussten schon die Arbeiter, die sich zu Beginn der Indus-trialisierung in den Vorläuferorganisa- tionen zusammenschlossen. Ihnen war klar, in einem unsicheren Umfeld muss man sich fest verankern.

Damals wie heute lautete die Bot-schaft: WIR STEHEN HINTER EUCH!

Darauf gründet die heutige IG BCE. Dank ihrer tiefen Wurzeln hat sie manch heftigem Gegenwind getrotzt, auch schwierige Zeiten überstanden. Die Ge-werkschaft ist gewachsen und hat sich immer weiterentwickelt, nie nur den Status quo verwaltet, sondern erfolg-reich an der Zukunft gearbeitet. Für sozi-alen Fortschritt. Und den erreicht man nur mit eigener Stärke.

Als Ergebnis ist die IG BCE heute res-pektiert, als eine im Wortsinn gestalten-de Kraft – in Betrieben, Gesellschaft und Politik.

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Tapetenarbeiter1919

Heimarbeiter1913

Landarbeiter1908

FabrikarbeiterGummiarbeiterChemiearbeiterPapierarbeiter

KeramikarbeiterLandarbeiter

Nahrungsmittelarbeiter1890

GlasarbeiterGlasmacherPorzelliner

1926

Ziegler1925

Fabrik- und Handarbeiter

1869

Christliche Fabrik- und Transportarbeiter

1900

Bergleute1890

1889

Christliche Bergleute

1894

Weißgerber1872 Gerber

1872

Hand-schuhmacher

1869 Schuh-macher1782

Seiler1872

Porte-feuiller1901

Tape-zierer1920 Gewerkverein

Lederarbeiter

ChristlicheSchuh- und

Lederarbeiter1900

ZERSCHLAGUNG DER GEWERK SCHAFTEN 2. MAI 1933

1948 / 1946 Harburg 1948 / 1946 Herne 1949 Kornwestheim

1991 Erste gesamtdeutsche Gewerkschaftskongresse

1992 Kooperationsabkommen

1990 Deutsche Einheit

1997 IndustriegewerkschaftBergbau, Chemie, Energie

BergbauChemie

Energie

Erdöl und Erdgas

GlasKautschuk

Keramik

Kunststoffe und nicht metallische Werkstoffe

LederPapier

Umwelt

Ver- und Entsorgungsbetriebe

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Tarifrecht und -gestaltung

Globalisierung

Wirtschaftspolitik

Arbeits- und Sozialrecht

Gute Arbeit

Industriepolitik

Energiewende

Nachhaltigkeit

InnovationForschungTechnologie

Mitbestimmung

Bildungspolitik

Junge Generation

Gleichstellung

Arbeitsmarktpolitik

Tarifpolitik

Sozialpolitik

Wasser

Demografischer Wandel

Migration/Integration

Europapolitik

Frauen

Arbeitspolitik

Illustration: Stefan Hoch

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> TITEL

660 000 MITGLIEDER wissen, dass es den Beschäftigten dort, wo es Gewerk-schaften gibt, deutlich besser geht, als dort, wo sie nicht sind. Ohne Gewerk-schaften gibt es kaum eine Chance, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich an Wachstum und Wohlstand teilhaben, dass der Fortschritt nicht al-lein technisch definiert und an Aktien-kursen gemessen wird, sondern an Ver-besserungen in der Lebenslage der hart arbeitenden Menschen.

Trotz aller durchgesetzten Erfolge in Tarifpolitik, Altersvorsorge und/oder am Arbeitsplatz ist die Geschichte des sozia-len Fortschritts natürlich nicht an sein historisches Ende gelangt. Ganz im Ge-genteil, bekräftigt Michael Vassiliadis: »Gerade im Jubiläumsjahr feiern wir nicht nur die Erfolge der Vergangenheit. Weil wir erfolgreich bleiben wollen, grei-fen wir weiter die Probleme der Gegen-wart auf und denken gleichzeitig in die Zukunft.« Gemeinsam, sagt der Vorsit-zende der IG BCE, habe man viel er-reicht, »aber wir sind längst nicht fertig, soziale Gerechtigkeit muss immer wie-der neu erstritten werden«.

AUCH AUS DIESEM GRUND macht die IG BCE in ihrem Jubiläumsjahr Gerech-tigkeit und Teilhabe wieder zu einem großen Thema. »Hol’ Dir ein Stück vom Kuchen!«, so sind beispielsweise die Ak-tionen in 125 Betrieben überschrieben, mit denen die IG BCE zeigt: Wo es an Gerechtigkeit mangelt, da trifft es alle und jedem. Aber was sind die größten Handlungsfelder, die sich nach 125 Jah-ren gewerkschaftlicher Arbeit aktuell stellen, oder anders formuliert: »Was ist das richtige Rezept für mehr Gerechtig-keit in unserem Land?«

Die ersten 5000 Antworten auf diese Frage sind jetzt ausgezählt, und aus den Ergebnissen ergibt sich ein klarer Trend. 94,2 Prozent der Beschäftigten fordern »Arbeit darf nicht kaputt machen!«. Und das aus gutem Grund. Viele Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer – immer-hin 77,5 Prozent – fühlen sich am Ar-

beitsplatz »ausgepresst wie eine Zitrone«. Immer schneller, immer mehr – das geht nicht. Der Mensch ist keine Maschine. »Die Arbeitgeber müssen wissen«, sagt Michael Vassiliadis, »dass die Grenzen der Rationalisierung und Arbeitsver-dichtung in vielen Fällen erreicht und oftmals schon überschritten sind. Sie müssen umsteuern, vom Verbrauch zum Erhalt der Arbeitskraft – das ist der Kern unserer Forderung nach ›Guter Arbeit‹.«Klare Botschaft mit 88,7 Prozent auf Platz zwei: Die Politik muss für mehr Ge-rechtigkeit im Steuersystem sorgen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern greift der Staat zu, andere werden ge-

schont, so der Eindruck der Befragten. Dazu passt auch die Forderung, die Be-schäftigten nicht immer wieder einseitig zu belasten – ob es nun um die Rettung von Banken, Europa, von Staatsfinanzen oder des Klimas geht.

VON GLEICHRANGIGER BEDEUTUNG sind für die Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer Tarifverträge, Betriebsräte und Gewerkschaften (87,9 Prozent) – und die Sorge, dass diese Säulen der so-zialen Marktwirtschaft an Tragfähigkeit verlieren könnten. Es passt einfach nicht zu unserem Modell einer sozial ver-pflichteten Wirtschafts- und Gesell-

Es gibt noch Herausforderungen, die angepackt werden müssen

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

VOR ORT Betriebsräte und IG BCE sichern die Weiterführung von Continental Packaging Industries.

TENDENZEN Power to Gas, Batterien, Pumpspeicher: Welche Großenergiespeicher taugen für die Energiewende?

TIPPS Ich bin dann mal weg: Wann darf ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zum Arzt gehen?

Nr. 12 I DEZEMBER 2013 www.igbce.de

Unser Erfolg. Unser Lohn.Die IG BCE fordert 5,5 Prozent mehr in der Chemie-Tarifrunde.

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besserungen in der Lebenslage der hart

Trotz aller durchgesetzten Erfolge in Tarifpolitik, Altersvorsorge und/oder am

-len Fortschritts natürlich nicht an sein

-genteil, bekräftigt Michael Vassiliadis: »Gerade im Jubiläumsjahr feiern wir nicht nur die Erfolge der Vergangenheit.

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wart auf und denken gleichzeitig in die --

reicht, »aber wir sind längst nicht fertig, -

macht die -

tigkeit und Teilhabe wieder zu einem großen Thema. »Hol’ Dir ein Stück vom

-tionen in 125 Betrieben überschrieben,

rfolg. Unser Lohn.Die IG BCE fordert 5,5 Prozent mehr in der Chemie-Tarifrunde.

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energiekompakt

VOR ORT Nur das Kerngeschäft zählt – ICL will Standort Ludwigshafen mit 550 Arbeitsplätzen verkaufen

TENDENZEN WM-Experten: Auf der Website der IG BCE Spielergebnisse richtig tippen und gewinnen

TIPPS Ein Albtraum für viele: Der Chef ordnet die Versetzung an einen anderen Standort an

Nr. 06 I JUNI 2014 www.igbce.de

Gerecht

geht andersBei jeder Tariferhöhung

mehr Steuern und Abgaben:

Arbeitnehmer brauchen Entlastung.

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rfolg. Unser Lohn.Die IG BCE fordert 5,5 Prozent mehr in der Chemie-Tarifrunde.

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

VOR ORT Erfolg für Betriebsräte: Trelleborg Automotive kehrt in den Arbeitgeberverband zurück

TENDENZEN Der Chemie-Tarifabschluss von Hannover: 3,7 Prozent mehr für unsere Arbeit!

TIPPS Für die ganze Familie: Der Auto Club Europa kümmert sich nicht nur um Fahrzeuge

Nr. 03 I MÄRZ 2014 www.igbce.de

Volle Kraft voraus! Betriebsräte sorgen für Gute Arbeit und schützen bei Konflikten. Dafür brauchen sie ein starkes Mandat.

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15kompakt | September 2015 |

schaftsordnung, wenn manche Arbeitge-ber Tarifverträge verweigern und die Mitbestimmung unterlaufen, da sind sich die Beschäftigten weitgehend einig (85,1 Prozent). So ist nicht überra-schend, dass die Befragten Leiharbeit und Werkverträge sehr kritisch sehen. Vier von fünf Befragten sehen die Ge-fahr, dass solche Beschäftigungsformen gute Jobs verdrängen (81,4 Prozent).

INSGESAMT SIND MEHR als zwei Drit-tel der Befragten davon überzeugt, dass die Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren ungerechter geworden ist. Da wirken offenbar die Jahre nach, in

Es gibt noch Herausforderungen, die angepackt werden müssen

denen weltweit nichts mehr zu zählen schien als ultrahohe Renditen und ex-plodierende Aktienkurse – koste es, was es wolle – bis hin zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise.

Sicher, in jüngster Zeit haben die Ge-werkschaften mit Mindestlohn oder der Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjah-ren politische Korrekturen durchgesetzt. Aber der Handlungsbedarf ist weiter groß,

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kompakt

VOR ORT Erfolg für Betriebsräte: Trelleborg Automotive kehrt in den Arbeitgeberverband zurück

TENDENZEN Der Chemie-Tarifabschluss von Hannover: 3,7 Prozent mehr für unsere Arbeit!

TIPPS Für die ganze Familie: Der Auto Club Europa kümmert sich nicht nur um Fahrzeuge

Nr. 03 I MÄRZ 2014 www.igbce.de

Volle Kraft voraus! Betriebsräte sorgen für Gute Arbeit und schützen bei Konflikten. Dafür brauchen sie ein starkes Mandat.

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Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

Erfolg für Betriebsräte: Trelleborg Automotive kehrt in den Arbeitgeberverband zurück

Der Chemie-Tarifabschluss von Hannover: 3,7 Prozent mehr für unsere Arbeit!

Für die ganze Familie: Der Auto Club Europa kümmert sich nicht nur um Fahrzeuge

Nr. 03 I MÄRZ 2014 www.igbce.de

olle Kraft voraus!

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

VOR ORT »Das ist eine coole Sache!« – IG-BCE-Weiterbildungsberater unterstützen im Betrieb

TENDENZEN Kampf um Mitbestimmung – das Betriebsverfassungsgesetz feiert 60. Geburtstag

TIPPS Sind Sie schwanger? Welche Fragen beim Bewerbungsgespräch tabu sind

Nr. 10 I OKTOBER 2012 www.igbce.de

Bis zum letzten TropfenDer Druck im Job wird immer stärker. Viele Beschäftigte fühlen sich überfordert.

ERGEBNISSE DER BEFRAGUNGUNTER IG-BCE-MITGLIEDERN

Was ist das richtige Rezept für mehr Gerechtigkeit in unserem Land?

Die Politik muss für Steuergerechtigkeit sorgen

Werkverträge und Leiharbeit dürfen keine Jobs verdrängen

Betriebsräte sollen Mitbestimmungsrechte bei Leiharbeit und Werkverträgen

bekommen

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind am Arbeitsplatz zu stark belastet

Die Beschäftigten wollen gute und faire Arbeitsbedingungen

Mitbestimmung ist Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft

Tarifverträge, Mitbestimmung und Gewerkschaft sind unverzichtbar

für unsere Gesellschaft

Die Themen, die unseren Mitgliedern wichtig sind, werden von der IG BCE permanent bearbeitet, wie die Titel unseres Mitgliedermagazin eindrucksvoll belegen.

ob es um gute und nicht überfordernde Arbeitsbedingungen mit Tarifvertrag, Mit-bestimmung und Gewerkschaft geht oder um eine gerechte Steuerpolitik. »Dafür werden wir in Zukunft genauso streiten wie schon in den vergangenen 125 Jah-ren«, erklärt der IG-BCE-Vorsitzende. »Ge-meinsam und solidarisch, weil wir aus Erfahrung wissen: Das ist die Grundlage unserer Erfolge.« Rudi Heim

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DURCH DAS BETRIEBSRÄTEGESETZ wird der Unternehmer-willkür ein Ende gemacht. Dieser Satz aus dem Jahr 1920 in der Bergarbeiter-Zeitung gilt bis heute. Denn 95 Jahre später ist das Recht auf Mitbestimmung nicht mehr wegzudenken.

Überall da, wo es Betriebsräte gibt, geht es den Beschäftigten besser. Egal, ob Arbeitszeit, Urlaub oder

Kündigung – ohne den Betriebsrat läuft nichts. Mitbestimmt wird dabei auf zwei Ebenen: als Betriebsrat im Betrieb und im Aufsichtsrat der Unternehmen.

Der Weg vom ersten Betriebsrätegesetz 1920 in der Weimarer Republik bis heute war steinig und schwer. Nach nur 13 Jahren wird mit der Machtübernah-me der Nazis 1933 auch die Demokratie im Betrieb zerstört. 1945 liegt Deutsch-land in Trümmern, in zahlreichen Be-trieben gründen sich Betriebsräte und organisieren Arbeit und Leben. Vorerst ohne gesetzliche Grundlage.

Der erste harte Kampf zwischen Arbeit und Kapital entzündet sich Anfang der 50er-Jahre an der Montanmitbestim-mung. »Wir fordern die Mitbestimmung, weil wir überzeugt sind, dass nur so machtpolitische Interessen einzelner Gruppierungen in Staat und Wirtschaft

ausgeschaltet werden können«, begrün-det etwa August Schmidt, erster Vorsit-zender der IG Bergbau, die Auseinander-setzung. Für den DGB-Vorsitzenden Hans Böckler war die Mitbestimmung gar ein »heiliges Recht«. Am 1. Mai 1950 rief der die Gewerkschaften auf, »hi-nauszugreifen in den Himmel und her-abzuholen jene Rechte, die droben hängen, unveräußerlich und unzer-brechlich wie Sterne selbst«.

Die Arbeitgeber laufen Sturm gegen die Forderungen der Gewerkschaften. Am Ende steht ein Kompromiss: In Un-ternehmen des Bergbaus und der Stahl- und Eisenindustrie werden die Auf-sichtsräte jeweils zur Hälfte mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertre-tern besetzt. Für alle anderen Branchen gilt im Aufsichtsrat: zwei Drittel Arbeit-geber, ein Drittel Arbeitnehmer.

Als Willy Brandt 1969 Bundeskanzler wurde, galt für ihn das Motto »Mehr Demokratie wagen« auch für die Wirt-

schaft. Das Ergebnis: das novellierte Betriebsverfassungsgesetz 1972. Es er-weitert die bisherigen Rechte der sozia-len und personellen Mitbestimmung von Betriebsräten insgesamt. Das Mitbe-stimmungsgesetz 1976 (Aufsichtsräte in Unternehmen mit mehr als 2000 Be-schäftigten werden paritätisch besetzt) und eine weitere Novellierung des Be-triebsverfassungsgesetzes 2001 (verbes-serte Beschäftigungssicherung, Erleich-terung der Wahl von Betriebsräten) machen die Mitbestimmung zu einer Erfolgsgeschichte. Denn bei aller Kritik, dass die vollständige Gleichberechti-gung von Arbeit und Kapital nicht er-reicht war, in der Praxis erweisen sich die Regelungen als gut geeignet, den Be-schäftigten nicht nur Schutz zu bieten, sondern auch aktiv die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern.

Doch neue Formen der Arbeit erfor-dern auch Veränderungen. Bei Leihar-beit und Werkverträgen etwa brauchen Betriebsräte mehr Rechte. Und auch der Schutz der Arbeitnehmervertreter muss in den Fokus rücken. Denn immer häu-figer werden Betriebsräte bedroht, einge-schüchtert oder gekündigt. Um das zu verhindern, fordert die IG BCE in ihrer »Offensive Mitbestimmung« schärfere Gesetze und härtere Strafen.

Ohne Betriebsräte und Mitbestim-mung im Betrieb hätten wir heute sicher-lich noch ein System von Herr und Knecht. Doch Arbeitnehmer sind nicht recht- und schutzlos. Sie sind kein Frei-wild. Dafür sorgen die Betriebsräte, da-für sorgen die Gewerkschaften. Dafür sorgt die Mitbestimmung. Sarah Heidel

Demokratie in den Betrieben

THEMA MITBESTIMMUNG

Foto: Kay Zimmermann

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125 Jahre IGBCE.Wir gratulieren und sind stolz auf unsere Sozialpartnerschaft.

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Page 18: kompakt September 2015

> IM WORTLAUT: SIGMAR GABRIEL

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel wurde 1959 in Goslar am Harz geboren und trat bereits als Schüler mit 18 Jahren in die SPD ein. Von 1999 bis 2003 führte er das Land Niedersachsen als Ministerpräsident, seit 2005 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2009 gehörte er der Bundesregierung als Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit an.

2009 wählten ihn die Delegierten des Bundesparteitags in Dresden mit 94,2 Prozent zum Bundesvorsitzenden der SPD. Seit den Wahlen 2013 ist er Vize-Kanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Sigmar Gabriel ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Die digitale Revolution ist dabei, unsere Arbeits-welt grundlegend und mit enormen Tempo zu verändern: Schon heute können wir in vielen Branchen und Betrieben erleben, wie sich Arbeitsin-halte, Produktionsabläufe und Arbeitszeitmodelle teilweise rasant wandeln. Industrie-Arbeitsplätze werden komplexer und damit anspruchsvoller;

Qualifikation und Fachwissen immer wichtiger. In einer digi-talen sozialen Marktwirtschaft muss es darum gehen, die Chancen der neuen Technologien zu nutzen – für höhere Pro-duktivität, mehr Beschäftigung und bessere Arbeitsbedingun-gen. Mehr Flexibilität und gesündere Arbeitsbedingungen können dazu beitragen, Arbeit familienfreundlicher und altersgerechter zu gestalten.

Gleichzeitig müssen die Risiken der Digitalisierung beherrsch-bar bleiben: Eine Entwertung und ersatzlose Verdrängung von Arbeit muss genauso verhindert werden, wie die völlige Auf-lösung der Grenzen von Arbeit und Privatleben zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Viele Beschäftigte be-fürchten, dass sie bei dem Tempo des technologischen Wan-dels nicht mitkommen können. Sie haben Sorge, dass die Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitnehmerrechte und Löhne durch die Digitalisierung unter Druck geraten könnten.

Gemeinsam müssen wir deshalb diese konkreten Herausforde-rungen anpacken:

Wir brauchen einen neuen FLEXIBILITÄTSKOMPROMISS, der die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an den verschiedenen Lebensphasen orientiert, unter einen Hut bringt und die gefundenen Lösungen sozial absichert.

Wir brauchen GUTE TARIFVERTRÄGE als Voraussetzung für Flexibilität und Sicherheit. Gerade vor dem Hintergrund zu-nehmend digitalisierter Arbeit ist wichtig, dass die Tarifbin-dung gestärkt wird, insbesondere auch in neuen Branchen.

Wir brauchen eine fortentwickelte MITBESTIMMUNG, weil die Digitalisierung die Verlagerung von Arbeitsvolumina und Standorten ermöglicht (Out- und Crowdsourcing, Near- und Offshoring) und gleichzeitig neue Formen des Arbeitnehmers (Crowd/Clickworker) entstehen.

Wir brauchen ein RECHT AUF NICHT-ERREICHBARKEIT, festgelegt im Arbeitsschutzgesetz, damit sich die Grenzen

zwischen Arbeit und Privatem nicht völlig auflösen. Ein neuer Arbeitszeitbegriff muss geregelte und verhandelte Flexibilität zusammendenken und klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit ziehen.

Wir brauchen einen gestärkten ARBEITS- UND GESUND-HEITSSCHUTZ. Die Digitalisierung führt vielfach dazu, dass körperlichen Belastungen im Beruf reduziert werden können. Umgekehrt entstehen durch Arbeitsverdichtung sowie die er-höhte Verfügbarkeit und Mobilität auch neue psychische Be-lastungen, für die der Arbeits- und Gesundheitsschutz weiter-entwickelt werden muss.

Wir brauchen einen individuellen RECHTSANSPRUCH AUF WEITERBILDUNG, der durch Tarifverträge und Betriebsver-einbarungen sowie staatliche Fördermöglichkeiten ausgestal-tet wird, als zentralen Bestandteil einer Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung.

Wir brauchen einen besseren ARBEITNEHMERDATEN-SCHUTZ, weil durch die neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung sehr viel mehr persönliche Daten des einzel-nen Mitarbeiters erfasst und gespeichert werden können als bisher. Wir setzen uns daher für ein eigenständiges Arbeitneh-merdatenschutzgesetz ein, das Übersicht über die geltenden Regelungen schafft und Regelungslücken beseitigt.

Hier liegen die Herausforderungen für Politik, Sozialpartner-schaft, Tarifverträge und Mitbestimmung, um die Teilhabe an Arbeit, gerechte Entlohnung, soziale Absicherung und den Schutz vor Überforderung in der Arbeit auch im digitalen Zeit-alter zu gewährleisten.

Gute digitale Arbeit kann nur dann erreicht werden, wenn ge-setzliche Rahmenbedingungen, tarifvertragliche Regelungen und betriebliche Ausgestaltung ineinandergreifen. Politik, Ge-werkschaften sowie Arbeitgeber und ihre Personalverantwort-lichen sind gemeinsam gefordert, neue Initiativen und Lösun-gen für die nächsten Jahrzehnte zu entwickeln.

Alle Beteiligten müssen dafür arbeiten, den digita-len Wandel mit Sicherheit zu verbinden, damit aus dem technologischen Fortschritt auch ein gesell-schaftlicher Fortschritt wird.

Sigmar Gabriel «

Gemeinsam für gute digitale Arbeit«

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Liebe IG BCE, wir hätten ja gerne 125 Geburtstagskerzen für euch angezündet – aber offenes Feuer ist auf unseren Werks-geländen verboten.Daher sagen wir mit dieser Anzeige 125-mal Danke für 125 Jahre hartnäckige, aber faire Sozialpartnerschaft.

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VOR ORT

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Aufstieg dank Kohle

DIE STEINKOHLE war Garant des

Wirtschaftswunders. Zugleich hat der

Bergbau einen enormen Strukturwandel

verkraften müssen. Die IG BCE hat ihn

sozialverträglich gestaltet.

Kein Zweifel: Dass die deutsche Wirtschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so schnell wieder auf die Beine kam, war vor allem der Steinkohle zu

verdanken. »Sie war alternativlos einer der Eckpfeiler des wirtschaftlichen Aufschwungs der Bundesrepublik Deutschland«, formuliert es heute der Regionalverband Ruhr. In den 50er-Jahren erlebte der heimische Energie-

träger, der bereits um das Jahr 1300 im Revier abgebaut wurde, dann seinen Höhepunkt: 1957 fördern mehr als 600 000 Bergleute 150 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes. Steinkohle sichert in der Nachkriegszeit zu mehr als 50 Prozent die deutsche Stromversorgung. Das Revier steuert zwölf Prozent zur westdeutschen Wirtschafts- leistung bei.

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Page 22: kompakt September 2015

> VOR ORT SCHWARZES GOLD

D ie Teufen der ein- zelnen Schächte wer-den immer tiefer. Die

Kumpel schuften, was das Zeug hält – jedoch immer mit erheblicher betrieblicher Mit-bestimmung. Denn das von den Gewerkschaften IG Berg-bau (IGBE) und der IG Me-tall hart erkämpfte Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 gewährleistet nicht nur, dass die Aufsichtsräte glei-chermaßen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern

besetzt sind; ebenso kann der Arbeitsdirektor nicht ge-gen die Stimmen der Mehr-heit der Arbeitnehmervertre-ter bestellt oder abberufen werden.

DER EINFLUSS der Gewerk-schaften sorgt für soziale Er-folge: Von 1959 an wurde die Fünf-Tage-Woche als Erstes in der Steinkohlenbranche Realität. Beschäftigte anderer Wirtschaftszweige mussten darauf noch lange warten:

Erst Ende der 60er war die 40-Stunden-Woche die Stan-dardarbeitszeit in den Tarif-verträgen.

ENDE DER 50ER verliert die Branche an Fahrt – und der lange Kampf um einen Struk-turwandel ohne Massenar-beitslosigkeit beginnt.

Importkohle und Öl laufen dem heimischen Energieträ-ger, dessen Förderung aus tiefen Gesteinsschichten ver-gleichsweise teuer ist, den

Rang ab. Die IGBE titelt 1958 in ihrer Mitgliederzeitung: »Sozialstand der Bergarbeiter empfindlich bedroht« und wendet sich in einem offe-nen Brief an Bundeskanzler Adenauer. Ein Jahr später trommelt die Gewerkschaft rund 60 000 Menschen zum »Marsch auf Bonn« zusam-men, weil Zehntausende Ar-beitsplätze auf dem Spiel stehen. Die Beharrlichkeit zeigt Wirkung: Der Bund un-terstützt die Kumpel mit

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Ohne Kohle kein Wirtschaftswunder

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Page 23: kompakt September 2015

». . . die Solidarität Hunderttausender mit den Bergleuten hat die Katastrophe verhindert.«

Der damalige IGBE-Vorsitzende Hans Berger

Wartegeldern, Lohnzuschüs-sen, Abfindungen. »Niemand litt unter unzumutbaren so-zialen Härten«, erkennt weni-ge Jahre später Die Zeit den Erfolg der Gewerkschaft an.

Um den Steinkohlenberg-bau langfristig zu sichern,

entsteht in den 60er-Jahren auf Drängen der IG Bergbau die Ruhrkohle AG.

Wenige Jahrzehnte später will die Politik erneut die Bergbauindustrie beschnei-

den. Die Absicht der Regie-rung Kohl, die zugesagten Beihilfen frühzeitig zu kap-pen, weckt Unmut und Wut. Vor den Bonner Parteizent-ralen von CDU und FDP ket-ten sich Kohle-Beschäftigte an.

HÖHEPUNKT: 220 000 Men-schen bilden am 14. Februar 1997 eine rund 100 Kilome-ter lange Menschenkette, das »Band der Solidarität« – es er-streckt sich von Lünen bis

Neukirchen-Vluyn. Eine Be-eindruckende Demonstra- tion, die noch heute bei den Beteiligten Gänsehaut aus-löst.

DER DRUCK WIRKT: Zwar sinken die Hilfen für die Steinkohle, doch dies ge-schieht über einen längeren Zeitraum und sozialverträg-lich – also ohne Entlassun-gen. Der damalige IGBE- Chef Hans Berger ist erleichtet: »Die Kahlschlag-pläne für den Steinkohlen-bergbau sind vom Tisch, der drohende Absturz schon im nächsten Jahr ist verhindert worden.«

Gleichzeitig wird klar: Obwohl der deutsche Stein-kohlenbergbau zunächst bis 2005, dann bis 2012 finan-ziell gesichert ist und er als sicherster der Welt gilt, wol-len sich immer mehr Kräfte von der heimischen Energie-quelle verabschieden. Nach harten Verhandlungen zwi-schen der Politik, RAG und IG BCE bleibt 2007 schließ-lich keine andere Wahl: Schrittweiser Ausstieg bis 2018 – aber wiederum mit der Zusicherung an die noch rund 20 000 Beschäftigten im Steinkohlenbergbau, dass der Personalabbau wiederum ohne betriebsbedingte Kün-digungen erfolgt.

DIE VEREINBARUNG er- fordert von den Bergleuten zwar eine hohe Bereitschaft zur Flexibilität – saarländische Bergmänner müssen beispiels-weise vorübergehend gen Nor-den ziehen. Im Gegenzug blei-ben sie, so lange es geht, in Arbeit.

Auch ein letztes Störfeuer 2010 aus Brüssel kann daran nichts ändern: Die EU-Kom-mission stellte den deutschen Kohle-Pakt infrage und pro-

voziert mit einer Forderung nach Stilllegung aller deut-schen Bergwerke bis 2014 Bergleute und Gewerkschaft.

Die IG BCE protestiert bei der Bundesregierung und ruft ihre Mitglieder zum Kohle-Aktionstag in Brüssel. Der IG-BCE-Vorsitzende Mi-chael Vassiliadis betont, dass man sich den »schmerzhaf-ten Kompromiss« von 2007 »nicht kaputt machen« lässt. Mit Erfolg: Die Pläne der Eu-rokraten verschwinden in der Schublade, das Jahr 2018 bleibt unangetastet.

UND AUCH NACH 2018 können die Bergleute auf die Hilfe ihre Gewerkschaft zäh-len. Im August haben die IG BCE, der Gesamtverband Steinkohle und die RAG AG den Unterstützungsverein »Wir stehen hinter Dir« gegründet.

Der Verein richtet sich an aktive und ehemalige Berg-leute aus dem Steinkohlen-bergbau und deren Witwen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden oder ohne Unterstützung in eine solche geraten können. Vorausset-zung ist die Mitgliedschaft in der IG BCE.

ES IST BEMERKENSWERT, welchen enormen Struktur-wandel die Bergleute seit der Nachkriegszeit schultern mussten. Von einst 600 000 sind heute rund 10 000 Be-schäftigte übrig. Dass es da- bei weder zu sozialen Ver- werfungen und noch zu Massenarbeitslosigkeit kam, ist vor allem der Solida- rität und der Gemeinschaft der Bergleute und ihrer Ge-werkschaft zu verdanken. Denn Fakt ist: der langjäh- rige Grundsatz »Niemand fällt ins Bergfreie« – er gilt bis heute. Axel Stefan Sonntag

1 | GEMEINSAM STARKSolidarität und Zusammen-halt haben bei den Berg-leuten Tradition – egal, ob jung oder alt.

2 | MENSCHENKETTE200 000 Menschen bilden 1997 das »Band der Solidarität«.

3 | ZECHEN-GLÜCK1973 stand der Förderturm der Zeche Zollverein in Essen für sicheren Wohlstand.31

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Solidarität und Verantwortung – Eigen- schaften, die den Bergbau und seine Menschen seit Generationen prägen.

Die gelebte Sozialpartnerschaft zwischen der RAG Aktiengesellschaft und der Industrie- gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie ist Ausdruck dafür. Nur dadurch war es möglich,

den Strukturwandel in den Revieren bis heute sozialverträglich zu gestalten. So wird es auch in Zukunft sein. Darauf können sich die Menschen in den Bergbauregionen ver-lassen.Die RAG gratuliert der Industriegewerk- schaft Bergbau, Chemie, Energie zu ihrer stolzen 125-jährigen Geschichte.

125 Jahre IG BCE Glück auf zu diesem Jubiläum

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Machtvolle Demonstration unter Beteiligung der IG BCE für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit im Januar 2015 in Hannover.

Rechtsextremistisches Gedan-kengut ist in Zeiten der »Flüchtlingsdebatten« in un-serer Gesellschaft allgegen-wärtig. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in sei-nem Verfassungsschutzbe-richt für 2014 konstatiert, dass die Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime stark ange-stiegen sind.

»Gewerkschaften haben nichts gemein mit Pegida oder Hagida oder wie sie sich immer nennen. Wir stehen an der Seite von Charlie Hebdo. Wir stehen an der Seite von allen, die wegen ihrer Über-zeugung, ihres Glaubens, ih-rer Herkunft oder aus wel-chen Gründen auch immer diskriminiert, verfolgt und angegriffen werden, von wem

Die IG BCE steht für Toleranz und gegen rechtsHANNOVER | Aktionen von der »Gelben Hand« bis zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik – für eine bunte Gesellschaft

auch immer«, bezog IG-BCE-Vorsitzender Michael Vassi- liadis während einer Kund-gebung eindeutig Stellung. Nach dem Terror-Anschlag auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo waren in Han-nover 17 000 Menschen zu einer Demonstration gegen Rassismus und Ausgrenzung auf die Straße gegangen.

Die IG BCE hat eine lange antirassistische Tradition, die trotz der Zerschlagung der Gewerkschaften durch das NS-Regime zu keiner Zeit an Stärke eingebüßt hat. Heute ist die IG BCE in zahlreichen Bündnissen gegen rechts vertreten und bezieht deut-lich in ihren Gremien Stel-lung zu rechtsextremistischen Positionen.

UNSERE MITGLIEDER tra-gen in den Betrieben und in der Gesellschaft maßgeblich dazu bei, diese Standpunkte mit Leben zu füllen. Sie enga-gieren sich während der »In-ternationalen Wochen« und gestalten Aktionen rund um das Thema »Toleranz und De-mokratie«. Der Interkulturelle Rat ist Initiator der jährlich im März stattfindenden »In-ternationalen Wochen«.

DER 1. MAI ist der wichtigste Termin in der Arbeiterbewe-gung und wird von den Gre-mien unserer Organisation gestaltet. Der Tag der Arbeit ist nicht nur für Gewerkschaf-ter ein mahnendes Beispiel dafür, dass Faschismus nie wieder Einzug in unsere Ge-sellschaft halten darf.

DIE INTERKULTURELLEN Wochen sind ein weiterer Ter-min, der von den Beteiligten

mit vielen Ideen begleitet wird. Diese finden jedes Jahr Ende September statt. Feder-führend sind hier die Kirchen, die im Laufe der Jahre viele Mitstreiter aus Gewerkschaft, Politik und Vereinen gewon-nen haben.

EINE WICHTIGE TAGUNG im Jahresverlauf der IG BCE ist die »Recklinghäuser Tagung«. Sie ist die größte migrations-politische Tagung innerhalb des DGB, welche alljährlich im Dezember stattfindet. An dieser Veranstaltung nehmen mehr als 400 Delegierte ihrer Landesbezirke teil. Hier wer-

Die gelbe HandDGB | Das Logo mit der gelben Hand und dem Spruch »Touche pas à mon pote« wurde zuerst von der französischen Organi-sation »SOS Racisme« verwendet. Bekannt wurde es, als es 1986 während der Beisetzung des ermor-deten schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme gezeigt wurde. Im selben Jahr gründete die DGB-Jugend und und das Jugendmagazin »ran« den Verein »Mach meinen Kumpel nicht an!«. Er ist heute eine der ältesten antirassistischen Initia-tiven. Die IG BCE förderte die Inititiative verstärkt, da in ihrem Bereich der Anteil ausländischer Arbeit- nehmer vergleichsweise hoch ist.

den unsere politischen Posi-tionen zu Fragen der Migration und Integration manifestiert.

Neben diesen Themen wer-den in den Betrieben, Arbeits-kreisen, Parteien und Verei-nen viele weitere Aktionen begleitet. So ist unsere Orga-nisation zu einem wichtigen Ansprechpartner zum Thema »Antirassismus« geworden. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdis-kussion ein starkes Zeichen.

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Aktuelle Informationen: 0511 7631-229

Das IG-BCE-Landesbezirksjugendforum Nordost holte 2015 mit sei-nem Projekt »Wir kreativ gegen Nazis« den ersten Preis im bundes-weiten Wettbewerb »Die gelbe Hand« des Vereins »Mach meinen Kumpel nicht an!«. Ein deutliches Zeichen gegen rechts.

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> VOR ORT AKTUELLES

Der Fabrikarbeiterverband war ein Vorreiter im Kampf

um Frauenrechte: Nur zwei Jahre nach seiner Gründung er-gänzte der IG-BCE-Vorläufer seinen Namen und nannte sich »Verband der Fabrik-, Land- und gewerblichen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutsch-lands«, um auch for-mal zu zeigen: Wir ste-hen für die Rechte der Frauen. Berufstätige Frauen hatten damals keinerlei Arbeitszeitbe-grenzung und beka-men nur 50 bis 65 Pro-zent des Lohnes ihrer Kollegen.

1927 gründete der Verband als eine der ersten deutschen Gewerkschaften ein Frauense-kretariat. In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit war es schwer, das Recht der Frauen auf Arbeit zu sichern, für Solidarität und bessere Löhne zu kämpfen. Und nach 1945 musste die ge-werkschaftliche Frauenarbeit neu aufgebaut werden. In den

Gleicher Lohn für gleiche ArbeitFRAUENRECHTE | Von der verbotenen politischen Arbeit bis zur Charta der Gleichstellung.

50er-, 60er-Jahren ging es unter dem Motto »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« vor allem um die Aufhebung der Leichtlohn-gruppen. In der Papierbranche wurde bis 1968 eine stufen-weise Anhebung auf den Tarif-lohn für Hilfsarbeiter erreicht, an der die Hauptabteilung

Frauen einen wich- tigen Anteil hatte.

Der Kampf geht wei-ter: Zwar gibt es heute gleichen Lohn für glei-che Arbeit, aber noch verdienen Frauen 22 Prozent weniger als Männer. Die Ursachen

lassen sich nicht per Tarifver-trag ändern: Frauen nehmen öfter familienbedingte Auszei-ten, arbeiten mehr in Teilzeit und seltener in Führungsposi-tionen. Der IG-BCE-Frauentag hat die »Charta für Gleich- stellung« verabschiedet, um die beruflichen Entwicklungschan-cen für Frauen zu verbessern. 23 Betriebe haben bereits un-terzeichnet. Karen Roske

Es war eine der größten Demonstrationen in der

Bundesrepublik Deutschland: Über 350 000 Menschen ka-men am 15. Juni 1996 nach Bonn, um gegen Sozialabbau zu kämpfen.

Rund 100 000 davon gehör-ten zur IG Chemie-Papier-Ke-ramik, der IG Bergbau und Energie sowie der Gewerk-schaft Leder. Sie protestierten gegen ein Sparpaket, das die Bundestagsmehrheit von Uni-on und FDP gerade zur Verab-

350 000 gegen den SozialabbauBONN | Union und FDP greifen 1996 Lohnfortzahlung und Kündigungsschutz an.

schiedung erarbeitet hatte und das vorsah: Die Lohn-fortzahlung im Krankheitsfall sollte gekürzt werden und der Kündigungsschutz erst in Be-trieben ab zehn Beschäftigten gelten.

»Ganz offenkundig soll da-mit der Boden bereitet wer-den für einen Systemwechsel: Marktwirtschaft pur statt so-zialer Marktwirtschaft und Abbau statt Modernisierung der sozialen Sicherungssyste-me«, mahnten die Vorsitzen-

den der drei IG-BCE-Vor- gängergewerkschaften. »Das können und werden die Ge-werkschaften nicht mitma-chen.«

Sie mobilisierten am 8. Sep-tember nochmals zu Demons-trationen in sechs Städten. Der IG Chemie-Papier-Keramik ge-lang es dann als erster Gewerk-schaft, auch in Tarifverhand-lungen mit den Arbeitge- bern die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu sichern.

Karen Roske

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EU-Betriebsräte

ÜBER GRENZEN | 2004 haben sich die Regierungs-chefs der EU auf Statuten für eine Europäische Aktienge-sellschaft (SE) geeinigt – um-gangssprachlich: »Europa-AG«. Unternehmen können damit EU-weit als rechtliche Einheit mit nationalen Nieder-lassungen auftreten. Die Mitbestimmung der Arbeit-nehmer muss dennoch inner- betrieblich ausgehandelt werden. Mittlerweile gibt es eine Reihe Europa-AGs.

ZÄHES RINGEN | Die Entwicklung begann 1970 mit einem Vorschlag der Kommis-sion der Europäischen Wirt- schaftsgemeinschaft (EWG). Die grenzüberschreitenden Arbeitnehmerrechte zu klären, war aber ein zähes Ringen. Erst mit dem Maas- trichter Sozialprotokoll 1992 nahm die Diskussion Schwung auf: Die EU-Kommission förderte die freiwillige Einrichtung Europäischer Betriebsräte (EBR) und die deutschen Chemie- Sozialpartner einigten sich auf eine Rahmenvereinbarung. 1994 verabschiedete die EU schließlich ihre erste EBR-Richtlinie.

SIEBEN MILLIONEN | In- zwischen gibt es rund 1000 EBR-Vereinbarungen, etwa 600 davon im Organisations-bereich der »industriALL European Trade Union«. Dieser Dachverband euro-päischer Industriegewerk-schaften wurde 2012 in Brüssel gegründet und Michael Vassiliadis zum Vorsitzenden gewählt. Er vertritt sieben Millionen Beschäftigte aus 230 Gewerkschaften.

Obwohl ihr Porträt 1989 auf einer Sonderbriefmarke erschien, ist Emma Ihrer heute fast vergessen. 1857 in Schlesien geboren, gründete sie in den 1880er-Jahren in Berlin den »Frauen-Hilfsver-ein für Handarbeiterinnen« und den »Verein zur Wahrung der Interessen der Arbeite-rinnen« – obwohl in Preußen die politische Betätigung für Frauen verboten war. 1889 verhinderte sie mit Clara Zetkin beim Internationalen Sozialistenkongress in Paris einen Antrag gegen die Frauenerwerbstätigkeit und erreichte, dass Frauen in den Gewerkschaften gleichbe-rechtigt wurden. 1890 wurde sie als erste Frau in die Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch-lands gewählt. Sie gab Zeit- schriften heraus, gründete weitere feministische Ver- eine und kam wiederholt in Konflikt mit der Polizei. 1911 starb Ihrer.

EMMA IHRER

Emma Ihrer.

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125 Jahre IG BCE – und der Einsatz geht weiter

Auch mit 125 Jahren setzt sich die IG BCE mit voller Kraft für die Sicherung und Stärkung

des Industriestandorts Deutschland ein. Wir gratulieren der IG BCE und allen Mitgliedern

zum Jubiläum und sagen danke für das unermüdliche Engagement.

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> VOR ORT BADEN-WÜRTTEMBERG

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Das IG-BCE-Jubiläum ist für uns in Baden-Württemberg Anlass, zurückzu-blicken. Die Gewerkschaft Leder (GL), die 1997 in der IG BCE aufging, hatte im Südwesten einige beachtliche in-dustrielle Schwerpunkte. Werner Dick, der von 1985 bis 1997 die GL führte, über ehemalige Gewerkschaftserfolge und heutige Aufgaben.

Wofür seid ihr damals auf die Straße gegangen, wofür sollten es die Menschen heute tun?Es ging um Dinge, von denen heute viele nicht mehr wissen, wie sehr wir um die-se kämpfen mussten – beispielsweise sechs Wochen Urlaub, den freien Sams-tag oder die 40-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Hier konnten wir als Gewerkschaft Leder einen echten Durchbruch feiern. Doch starke Ge-werkschaften brauchen wir heute wie damals. Zumal es inzwischen mehr denn je darum geht, Arbeitsplätze zu sichern – auch durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.

Du hast 1965 bei der Gewerkschaft Leder als Werbesekretär angefan-gen. Wie hast du neue Mitglieder geworben?Das persönliche Gespräch war für mich immer das Wichtigste. Das ist die beste Gelegenheit Argumente für eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft deutlich zu machen. Es ging damals wie heute vor allem um höhere Einkom-men. Heute steht auch die tarifliche

Altersvorsorge im Fokus. Eines aber ist klar: Erfolge können wir nur in einer starken Gemeinschaft erringen.

Du hast viele Jahre lang Tarif-verhandlungen geführt. Was rätst du neuen Tarifkommissions- mitgliedern?Grundlage für eine erfolgreiche Tarif- politik ist eine motivierte Mitgliedschaft. In den Tarifverhandlungen sind Achtung und Respekt auf beiden Seiten wichtig. In der Sache selbst braucht es einen notwendigen Realismus. Tarifergebnisse bedeuten leider oft, Kompromisse zu machen. Diese sollte man allerdings nicht zum Ziel erheben.

Für dich war die Aufgabe als Vorsitzender eine »Mischung aus Realismus und Visionen«. Wie hast du diesen Spagat geschafft?Als Gewerkschaft kommt es darauf an, sich Ziele zu setzen – wissen, wofür man streitet. Auch das natürlich mit einem gewissen Realismus in der Sache. Manchmal scheitern gute Ta- rifergebnisse daran, weil man das denkbar Erreichte nicht akzeptieren will.

Den Weg von der Gewerkschaft Leder zur IG BCE beschreibst du nicht als Fusion, sondern als vierjährige Kooperation mit dem Ziel der Fusion. Weshalb habt ihr euch so viel Zeit gelassen?Die Kooperation hat dazu geführt, dass die drei Gewerkschaften Schritt für Schritt zusammenwachsen konnten. Wir hatten ausreichend Zeit, um orga-nisatorische, politische und personelle Fragen vor der Fusion zu entscheiden. So gelang uns ein erfolgreicher Über-gang.

Hast du ein Lebensmotto?Ich habe mich an einer Weisheit von Hans Matthöfer orientiert: »Man soll, um seine Ziele durchzusetzen, die Geg-ner so gering wie möglich halten. Nicht, um Auseinandersetzungen auszuwei-chen, sondern um den Rücken mög-lichst freizuhalten zur Lösung der zu-künftigen Probleme.«

Deine Frau hat dich all die Jahre, wie du selbst sagst, uneinge-schränkt unterstützt. Was bekommt sie nun zurück?Wir achten jetzt sehr bewusst darauf, vieles gemeinsam zu tun. Und wenn wir Zuhause sind, helfe ich in Haus und Garten, wo ich kann.

Worauf achtet Werner Dick, wenn er Schuhe kauft?Dass es sich um ein deutsches Fabrikat handelt.

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Das ehemalige Salamander-Werk in Kornwestheim. In der Spitze stan-den hier rund 10 000 Menschen in Lohn und Brot. In der Werkskantine wurde 1949 die Gewerkschaft Leder gegründet.

»Wir waren und sind nur als Gemeinschaft stark«

1965 kam Werner Dick zur Gewerkschaft Leder. Im selben Jahr setzte die Organisation die 40-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich (Poster: damalige DGB-Kampagne) durch.

Mehr über Werner Dick: baden-wuerttemberg.igbce.de

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Im Dialog mit der LandesregierungSTUTTGART | Arbeitnehmervertreter sprechen mit der Sozialministerin und dem Staatssekretär für Wirtschaft

Landesbezirksleitung, Bezirks-leitungen und Betriebsräte verstärken ihren Gedanken-austausch mit der Landes- regierung. Im Sommer führten die Arbeitnehmervertreter Ge-spräche sowohl mit Peter Hofelich, Staatssekretär im Finanz- und Wirtschaftsminis-terium, im Juni als auch mit Arbeits- und Sozialministerin Katrin Altpeter im Juli. Dabei sprach die Gewerkschaftsdele-gation jeweils die für sie der-zeit dringlichen Herausforde-rungen an.

»Große Einigkeit besteht da-rin, den Südwesten zum Mus-terland für Gute Arbeit zu ent-wickeln und ebenso, die unsägliche Arbeitgeber-Forde-rung nach dem angeblich nicht mehr zeitgemäßen Acht-

Stunden-Tag klar zurückzu-weisen«, betonte Landesbe-zirksleiterin Catharina Clay zwei zentrale Ergebnisse.

Staatssekretär Hofelich ging auf die von den IG-BCE-Ver-tretern angesprochenen The-men Energie, Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte ein – und machte die Positionen seines Ministeriums dazu klar: »Baden-Württemberg steht für Gute Arbeit, Baden-Württem-berg braucht starke Gewerk-schaften und starke Betriebs-räte.« Er konkretisierte: »Das zum 1. Juli in Kraft getretene Bildungszeitgesetz, die Siche-rung des Fachkräftenach-wuchses mittels regionalen Fachkräfteallianzen und die verbesserte Unterrichtsversor-gung an unseren beruflichen

Ministerin Katrin Alpeter unterzeichnet die »Charta der Gleichstellung« der IG BCE (links). Im Gespräch mit dem Arbeits- und Sozialministeri-um stehen die Themen Gesundheitsförderung im Betrieb, Beschäftigung und Fachkräftenachwuchs auf der Agenda (rechts).

Schulen wie auch die Entfris-tungen vieler Stellen an Hoch-schulen oder in Landesbetrie-ben verdeutlichen, wo wir als Wirtschaftsministerium Prio-ritäten setzen.«

Beim zweiten Treffen mit Ministerin Altpeter themati-sierten die Arbeitnehmer- vertreter die Aspekte Gute Arbeit, Qualität von Beschäf-tigung und Fachkräftenach-wuchs. Hier verwies das Regierungsmitglied auf das erfolgreiche Programm der assistierten Ausbildung, bei dem Betriebe eine finanzielle Unterstützung bei der Ausbil-dung förderungsbedürftiger junger Menschen erhalten. »Doch nicht alle klein- und mittelständischen Unterneh-men wissen davon«, schlug

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Irmtraud Schneele-Schult-heiss, Betriebsratsvorsitzende BASF Pigment, eine Verbesse-rungsmöglichkeit vor.

Kein Verständnis zeigte die Ministerin für die Negativdis-kussion um den Mindestlohn. »Die Debatte um Arbeitszeit in Verbindung mit dem Mindest-lohn zeigt, wie in den vergan-genen Jahren Menschen ausge-nutzt wurden.« Auf das von Unternehmern geäußerte An-sinnen, den Acht-Stunden-Tag im Arbeitszeitgesetz abzu-schaffen, reagierte sie eindeu-tig: »Das Arbeitszeitgesetz ist ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Ich bin nicht bereit, darüber zu reden.«

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Im Wirtschaftsminis-terium betonten Arbeitnehmervertreter die Wichtigkeit der Industriepolitik im Land (ganz links). Für Gute Arbeit im Südwesten: Staatssekretär Peter Hofelich und Landes-bezirksleiterin Catharina Clay (rechts).

Ausführlicher Bericht: baden-wuerttemberg.igbce.de

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> VOR ORT BAYERN

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Tarifabschluss KunststoffMÜNCHEN | Nach ungewöhnlich schwierigen Verhandlun-gen wurde in der dritten Runde für die bayerische Kunst-stoff verarbeitende Industrie ein Kompromiss gefunden – auch dank der 400 Beschäftigten aus Mittelfranken, die kurz vor der letzten Tarifverhandlung mit Demonstrations-zug und Kundgebung ein besseres Angebot der Arbeitgeber forderten (Foto): Die Löhne und Gehälter steigen ab 1. Sep-tember um 2,7 Prozent, die Ausbildungsvergütungen über-proportional um 40 Euro. Der Demografiefonds wird in Stufen kräftig und langfristig angehoben: Die Arbeitgeber zahlen für das Jahr 2016 550 Euro, für 2017 650 Euro und ab 2018 750 Euro pro Tarifbeschäftigten in den Fonds ein. Damit werden die Spielräume für betriebliche Lösungen deutlich erweitert.

Synlab: Irritationen bei TarifpokerWEIDEN | Nach der Übernahme des Labordienstleisters Syn-lab durch den Finanzinvestor Cinven will die IG BCE die Arbeitsbedingungen durch einheitliche Tarifverträge regeln. Für Irritationen sorgen aber nach wie vor Versuche der Syn-lab-Geschäftsführung, an der IG BCE vorbei Tarifvereinba-rungen mit örtlichen Betriebsräten zu schließen. Sollte Syn-lab nicht eindeutig bis Mitte August erklären, von weiteren Verhandlungsversuchen mit den Betriebsräten abzusehen, sind Maßnahmen wie Warnstreiks und Protestaktionen ge-plant. Betroffen in Bayern sind die Synlab-MVZ-Standorte Weiden, Augsburg und Nürnberg. Nächstes Sondierungs- gespräch oder gegebenenfalls Verhandlungstermin ist am 16. September. Jetzt sind die Synlab-Beschäftigten gefordert, die IG BCE durch ihre Mitgliedschaft zu stärken.

Werberhitparade12 Aufnahmen: Roland Berninger (ICO, Obernburg); 10 Auf-nahmen: Markus Söllner (Oechsler, Ansbach); 9 Aufnahmen: Josef Rummel (Kelheim-Fibres, Kelheim); 7 Aufnahmen: Ro-bert Zeitlmayr (AlzChem, Trostberg); 6 Aufnahmen: Norbert Lechermann (SMP, Neustadt), Angelika Neppl (SMP Neu-stadt), Stefan Repp (Klingenberg Dekokeramik); 5 Aufnah-men: Otto Braun (Michelin Reifenwerke, Hallstadt), Stefan Schmidt (SMP, Neustadt), Wolfgang Semler (SMP, Neu-stadt).

Ausbildung dank IG BCEBURGKIRCHEN | Neuer Azubi-Jahrgang beginnt

Als der heute 22-jährige Felix Kühstetter aus Alzgern im September 2010 mit seiner Ausbildung zum Werkfeuer-wehrmann begann, war er ge-meinsam mit einem Kollegen der Erste in Bayern: Weil bis dahin der Zugang zu diesem Beruf nur nach einer anderen dualen Ausbildung und an-schließender Weiterqualifi-zierung möglich war. Seit dem 1. August 2015 ist er mit Unterstützung der IG BCE nun fest etabliert – samt Be-rufsschule in Freising.

Felix Kühstetter musste für den Blockunterricht während seiner Ausbildung immer wie-der wochenweise bis nach Rüsselsheim fahren. Seinen neunmonatigen Grundlehr-gang machte er sogar am Frankfurter Flughafen. Die Wahl seines Ausbildungsbe-rufs, in dem er sich auch noch zum Rettungssanitäter qualifi-ziert hat, hat er trotzdem nicht einen Moment bereut. »Eigent-lich wollte ich nie etwas ande-res machen«, sagt Kühstetter.

Seit 2013 arbeitet er als fest angestellter Werkfeuermann in dem Unternehmen, das ihm die Gelegenheit für die-sen ungewöhnlichen Weg ge-geben hat: die Firma Infra-Serv Gendorf in Burgkirchen.

Gemeinsam mit seinen 45 Kollegen hat er ordentlich zu tun: mit bis zu zehn Einsätzen pro Schicht, manchmal auch gefährliche in Schutzkleidung, wenn zum Beispiel der Austritt von Chlor niedergeschlagen werden muss, und mit bis zu 20 Einsatzberichten. Neben der Etablierung des neuen Ausbildungsberufs ist die IG BCE bei den Werkfeuer-wehren in der chemischen In-dustrie auch an tariflichen Themen dran. So sollen etwa die 24-Stunden-Dienste als Schichtarbeit anerkannt und auch Sonntags- und Nachtar-beit vergütet werden.

Eine erste Verhandlungs-runde hat Ende Juni bereits stattgefunden, im Oktober folgt die nächste.

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Bayerischer Pionier in der Ausbildung zum Werkfeuerwehrmann: Felix Kühstetter mit Betriebsrat und Kollege Wolfgang Walter.

STARTSCHUSS

Am 1. September starten 1530 Jugendliche in den Branchen der IG BCE in eine duale Ausbildung oder ein duales Studium in Bayern. Die IG BCE unterstützt dabei und informiert beispielwiese gemeinsam mit Jugendvertre-tern und Betriebsräten auf den traditionellen Neuanfänger-partys. Die Termine gibt es bei den Bezirken.

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»Ein Landesbezirk ist auf dem Weg«BAD GÖGGING | Gemeinsame Bezirksdelegiertenkonferenzen läuten die Aktivitäten im Jubiläumsjahr ein

Bevor am 19. September in Essen gefeiert wird, haben die bayerischen IG-BCE-Bezirke die Jubiläumsaktivitäten mit gemeinsamen Konferenzen eingeläutet. Nachwahlen der Bezirksvorstände, Gewerk-schaftsgeschichte, aktuelle Herausforderungen und poli-tische Themen prägten die Konferenzen im Juni mit rund 400 Teilnehmenden.

Nach den Nachwahlen ging es in den gemeinsamen Teil der Veranstaltung. Schon ge-wusst, dass die Vorläufer- Organisation der IG BCE, der Fabrikarbeiterverband, 1918 bereits 255 194 Mitglieder hat-te und 1922 schon 733 012? Oder dass ein Lehrling in der

chemischen Industrie 1950 umgerechnet 24 Euro monat-lich bekam? Mit Fragen forder-te die Jugend die »Alten« zum Nachdenken über 125 Jahre Gewerkschaftsgeschichte auf. IG-BCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis spannte in seinem Referat den Bogen vom Beginn der Gewerkschaftsbewegung bis zum Kampf um das Ta-rifeinheitsgesetz. Er betonte, dass die von Gewerkschaften und Betriebsräten ausgestalte-te soziale Marktwirtschaft für die Zukunft verteidigt werden müsse. Auch Industrie- und Energiepolitik seien Themen für die IG BCE, da es um die Rahmenbedingungen gehe, Gute Arbeit zu ermöglichen.

Ausgezeichnet: Kamillus Frank (Zweiter von links) und Manfred

Höfler (Zweiter von rechts). Bayerns DGB-Chef Matthias

Jena und IG-BCE-Landesbezirks-leiter Seppel Kraus gratulieren.

Fragerunden: »Jung« testet »Alt«. Kaffeeplausch mit

Ilse Aigner und Michael Vassiliadis. Schwungvolles

Konferenzende mit Frisbees. (Fotos im Uhrzeigersinn)

Und was macht die erfolg-reiche Arbeit der IG BCE in Bayern aus, die auch dank der wachsenden Kunststoffindus-trie Mitgliederzuwachs hat? Ob die Gestaltung der The-menfelder Gute Arbeit, Ener-giepolitik, Metropolregion, regionale Strukturpolitik, Change-Management, Mitbe-stimmung oder Tarif: Ein fil-mischer Bericht zeigte anhand von Statements gewerkschaft-lich und betrieblich engagier-ter Männer und Frauen die Herausforderungen sowie Un-terschiede der Bezirke, aber auch die Gemeinsamkeiten im Landesbezirk auf. Für ihr besonderes gewerkschaft-liches Engagement wurden

Betriebsräte ausgezeichnet: Ka-millus Frank und Manfred Höfler erhielten die Hans-Böckler-Medaille des DGB, Sebastian Barnickel die Ver-dienstmedaille der IG BCE.

Auf einen Kaffee an der Tisch-Garnitur trafen sich Mi-chael Vassiliadis und Wirt-schaftsministerin Ilse Aigner, mit der die IG BCE anschlie-ßend in den Betrieben Beschäf-tigte nach ihrem Rezept für mehr soziale Gerechtigkeit be-fragte. Bei dem Gespräch zur Zukunft der Industrie, zu Ener-giepolitik und Gute Arbeit wur-de deutlich, dass man für die Menschen oft das gleiche Ziel vor Augen hat, der Weg dahin aber noch besser gestaltet wer-den kann. Was die IG BCE für ihre Mitglieder in den Betrie-ben und in der Politik errei-chen konnte, war auch auf Fris-bees zu lesen: unter anderem »Tarifverträge«, »Kündigungs-schutz«, »höhere Löhne«, »län-gerer Urlaub«.

»Bei uns arbeiten junge, karrierebewusste Frauen, die noch eine Familie planen. Das IG-BCE- Projekt >Gute Arbeit< gibt uns Anregungen und Tipps.« Diana Ochsenkühn, Adidas

»Die Kostenfrage ist für alle energieinten-siven Unternehmen wesentlich. Deshalb waren wir auch im Rah-men des Energie- dialogs politisch aktiv.« Manfred Köppl, Wacker

»Mit Unterstützung der IG BCE konnten wir bei der Insolvenz von Rosenthal über 900 Ar- beitsplätze retten. Seit-dem sehen wir positiv in die Zukunft.« Marianne Wopperer, Rosenthal

»Den Niedergang der Glasindustrie konnt die Gewerkschaft zwar nicht aufhalten, aber ihr ge- lang es, die schlimmsten Spitzen abzumildern.« H.-J. Miedler, Zwiesel Kristallglas

»Wir haben bundesweite Aktionen gemacht, um unser Unternehmen im Arbeitgeberverband zu halten.« Christian Korte, UPM

»Mit Öffnungsklauseln im Flächentarifvertrag gibt es Handlungsspielräume für Betriebsräte, um Arbeits-plätze zu sichern.« Pia Beister, Mainsite

»Gewerkschaft und akademische Angestellte passen wunderbar zu-sammen. Wir klären dabei auf.« Yvonne Moch, Clariant Produkte

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> VOR ORT HESSEN-THÜRINGEN

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Gleiche ChancenKASSEL | »Gerechtigkeit – Gleiche Chancen für Männer und Frauen« nennt sich die Kampagne, die der Bezirks- frauenausschuss Kassel gestartet hat. Sie verlangt, die Fol-gen von Teilzeitarbeit (Karriereknick, Altersarmut, . . .) zu minimieren, Betroffene vor Überlastungen zu schützen und genügend Zeit für die Familie zu lassen sowie Vor -

urteile abzubauen, die das Vorankommen im Job erschweren. Die Gewerkschafterinnen wollen diese Themen mit der Kampagne stärker in die Diskus-sion bringen.

Multikulti gewinntUNTERZENT | Nach Fußball auf hohem Ni-veau siegte in diesem Jahr der FC Morgana, eine bunte Mannschaft bestehend aus Migranten und deutschen Jugend-lichen, beim interkultu-rellen Fußballturnier der IG-BCE-Ortsgruppe Unterzent. Das Turnier fand bereits zum dritten Mal statt. Erstmals nahm daran eine Mannschaft von jugendlichen Flüchtlingen teil. Ihre Trikots hatte eine örtliche Gebäudereinigungsfirma gestiftet. Logistisch unterstützt vom Fußballverein Türk Breuberg spielten 16 Mannschaften um den begehrten Wanderpokal.

Gute Arbeit als ZielERFURT | In der Zu-sammenarbeit mit Un-ternehmen sollte die erste Frage immer die nach dem Betriebsrat sowie dem Tarifvertrag sein. Darüber bestand bei der Diskussionsrun-de der IG BCE Thürin-

gen aus Anlass des 125. Geburtstags der IG BCE breiter Kon-sens. Ansonsten ging es in der Debatte mit Peter Hausmann vom Hauptvorstand der IG BCE und Volker Weber, IG-BCE-Landesbezirksleiter Hessen-Thüringen, mit Arbeitgeberver-tretern zeitweise recht hitzig zu. Zu der Veranstaltung unter dem Motto »Hol dir dein Stück vom Kuchen!« hatten sich mehr als 100 Besucher eingefunden.

Freie GewerkschaftenBERLIN | 25 Jahre Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion

Mit einer Gedenkstunde in der Landesvertretung erinnerte das Land Hessen an den Abschluss der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 in der damaligen DDR. Theo Waigel, zu der Zeit Fi-nanzminister, betonte, dass ein langfristiger Transformations-prozess bei offenen Grenzen nicht möglich gewesen sei. Die Kosten der Wiedervereinigung bezeichnete er als die beste Investition in die Freiheit von 17 Millionen Menschen.

IG-BCE-Landesbezirksleiter Volker Weber erinnerte sich: »Auf das Zusammenbrechen der Wirtschaftsorganisation der DDR mussten wir mög-lichst schnell mit dem Aufbau freier Gewerkschaften und funktionierender Tarif-strukturen reagieren. Es galt, die schwierige Situation der Beschäftigten im Gefolge der wirtschaftlichen Umwälzung und zusammenbrechender In-dustriestrukturen zügig zu ver-bessern.«

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»Ein leichterer Handelsaus-tausch brächte Vorteile bei Zulassungsverfahren und For-schungskooperationen für Hessens Pharmabranche. Ein Wirtschaftsabkommen darf aber etablierte Regelungen und Standards, die der Sicher-heit der Konsumenten und Beschäftigten dienen, nicht gefährden.« Darauf wies Lan-desbezirksleiter Volker Weber bei einer hochkarätigen Ge-sprächsrunde der Amerikani-schen Handelskammer zum transatlantischen Freihandels-abkommen (TTIP) hin.

Weber wertet die neuen Kooperations- und Kommu-

nikationsmöglichkeiten als Chance, gemeinsame Werte zu stärken und ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Auch die Vertreter der Phar-ma unternehmen auf dem Podium waren sich einig in der positiven Rolle eines Frei-handelsabkommens.

IG-BCE-Landesbezirksleiter Volker Weber (rechts neben Ex-Minister Theo Waigel) spricht über seine Erfahrungen mit der Wiedervereinigung.

Thema: TTIPBAD HOMBURG | Chemie- und Pharmabranche im Gespräch

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Volker Weber im Gespräch mit Manfred Köhler von der FAZ.

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Der Hesse August Brey prägt die GewerkschaftWIESBADEN | In 125 Jahren gemeinsamer Arbeit haben die IG BCE und ihre Mitglieder viel erreicht

Die deutsche Wirtschaft ge-deiht prächtig nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Befeuert von den französi-schen Reparationszahlungen entstehen neue Firmen und ganz neue Industriezweige. Bergbau und Energiegewin-nung florieren, chemische Fabri ken produzieren künst- liche Farben und neue Arzneien, Kalisalze werden Grundlage für Kunstdünger. Bei den Werktätigen kommt davon jedoch wenig an. Der Lohn ist trotz zwölf Stunden Schuftens am Tag in der Regel so gering, dass die Kinder mithelfen müssen. Sozial- demokratie und Gewerkschaf-ten ächzen bis 1890 unter Bismarcks Sozialistengesetz.

DIE UNTERDRÜCKUNG von Staatsseite kann nicht verhin-dern, dass die SPD bei der Reichstagswahl 1890 erst-mals stärkste Partei wird. Im selben Jahr entsteht in Han-nover die Vorläuferorganisa-tion der IG BCE und der aus Gelnhausen bei Frankfurt stammende August Brey wird ihr Vorsitzender. Er übt das Amt bis 1931 aus. In Frank-furt bildet sich zeitgleich der »Verein zur Wahrung der Interessen der nichtgewerb-lichen Arbeiter«, 1891 folgt ein Gewerkschaftsbüro. Die

sich rasch entwickelnde Gewerkschaftsbewegung will vor allem die ökonomische Lage ihrer Mitglieder verbes-sern. Streiks, Arbeitskämpfe, Kaufboykotte sind ihre Ins-trumente.

BISMARCK HATTE 1883 eine Krankenversicherung und 1884 eine Unfallver-sicherung eingeführt, um der wachsenden Sozialdemokra-tie den Wind aus den Segeln zu nehmen. 1889 folgte eine Invaliditäts- und Altersver- sicherung. Den lange gefor-derten Achtstundentag aber bringt erst die November- revolution von 1918 – die De-gussa in Frankfurt hatte ihn bereits 1884 eingeführt. Die Novemberrevolution bringt auch erstmals ein gesetzliches Mitbestbestimmungsgremi-um in die Unternehmen: den Betriebsrat.

DEN WIEDERAUFBAU der Gewerkschaften nach den Jahren der braunen Diktatur und den Aufbau des Sozial-staates hat Alfred Keim erlebt und mitgestaltet. 1945 arbei-tete der heute 84-Jährige als Spenglerlehrling »bei der De-gussa« in Wolfgang bei Ha-nau. Er erinnert sich noch gut an die Betriebsversammlung, auf der drei Kollegen – Ver-

folgte des Naziregimes – für die Bildung starker Gewerk-schaften plädierten. »Wir sind damals mit der ganzen Trup-pe eingetreten«, sagt Keim. Gerade wurde der frühere Vertrauensmann, Betriebsrat, Gewerkschaftsdelegierte für 70 Jahre Mitgliedschaft in der IG BCE geehrt. Er ist stolz darauf, diesen Staat mitauf-gebaut zu haben. »ZUG UM ZUG ging es nach der Währungsreform auf-wärts«, erzählt Keim. »Wir ha-ben damals ja für ’nen Appel und ’nen Ei gearbeitet. In den Tarifverhandlungen ging es vor allem um höhere Ein-kommen. So konnten wir den Lebensstandard ständig nach oben schrauben.« Daneben rückte das Thema kürzere Ar-beitszeit zunehmend ins Zen-trum. Der Chemiestreik von 1971 war für Keim ein Schlüs-selerlebnis. »Es ging einmal mehr um höheren Lohn. Bis dahin hatten wir die Verbes-

serungen auf dem Weg von Verhandlungen erreicht. Aber diesmal blieb die Unterneh-mensseite hart. Dabei hatte sie zuvor noch kräftige Divi-denden an die Aktionäre aus-geschüttet. Da war das Maß voll.« Mit drei weiteren Kolle-gen in der Streikleitung orga-nisierte Keim den Streik in Wolfgang: »Wir haben da-mals eine neue Taktik aus-probiert, mit kurzfristig ange-setzten Aktionen wie Kurz-, Sitz- und Bummelstreiks. Bei uns haben 700 Kollegen ein-fach ihre Frühstückspause auf zwei Stunden ausgedehnt.«

»NICHTS IST garantiert«, be-tont Keims. »Bereits in den 1980er-Jahren mussten wir Errungenschaften verteidigen, die wir uns mühsam erkämpft hatten.« Und er sagt auch: »Den abhängig Beschäftigten geht es heute viel besser als früher, aber nur, weil sie starke Gewerkschaften ha-ben.«

Schuhproduktion um 1954 (oben links). Mit Salvarsan begann 1910 bei der Höchst AG das Zeitalter der Chemietherapie (oben rechts). Die Wurzeln von Pirelli Deutschland: Herstel-lung von Fahrradreifen bei den Veithwerken im Odenwald.

Fotos: Bundesarchiv, Hoechst GmbH Firmenarchiv, Pirelli Deutschland GmbH

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> VOR ORT NORD

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Geburtstagstorte für die IG BCEIBBENBÜREN | Beim Som-merfest der IG BCE in Ibben-büren gab es im Juli eine Geburtstagstorte für die Ge-werkschaft: »Wir stehen hin-ter Dir. Seit 125 Jahren«, stand neben dem IG-BCE-Logo aus Zuckerguss – und hat, nach Zeugenaussagen, geschmeckt. 350 Kolleginnen und Kolle-gen ließen ihre Gewerkschaft mit Musik, Impro-Theater und Zauberei hochleben.

Wettkämpfe im WattenmeerBRUNSBÜTTEL | Den dritten Platz bei der »Wattolümpiade« holte die »Wolliball«-Mann-schaft der IG-BCE-Jugend im Juli am Brunsbütteler Elb-deich. Mehr als 50 Jugend- liche aus den an die Nordsee grenzenden IG-BCE-Bezirken Schleswig-Holstein, Hamburg

und Oldenburg gehörten zu den 3000 Besuchern der Wett-kämpfe im Schlick. Sie brachten 40 000 Euro für Krebs- kranke und ihre Angehörigen zusammen.

Überzeugungen an der OstseeWOLFENBÜTTEL | Neue Erkenntnisse über Ausbildung und Gewerkschaftsarbeit, aber auch Spiel und Spaß am Strand hatten 35 Jugendliche aus dem Bezirk Wolfenbüttel

beim Kennenlern-Wochenende für neue Auszubilden-de im Jugenddorf Grömitz. Die Neuen hat es überzeugt: 24 traten in die Gewerkschaft ein.

Gorleben ohne Mitarbeiter?GORLEBEN | Während der bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Endlager soll in Gorleben Kapazität verringert werden. Das geht aus einem Ende Juni vorgestellten Kon-zept des Bundes zur Offenhaltung des Bergwerks hervor. »Der Betriebsrat wurde völlig ignoriert«, kritisiert der Be-triebsratsvorsitzende Peter Ward. Er fürchtet, dass bis 2017 keiner der derzeit 120 Arbeitsplätze mehr übrig ist: »Die Kollegen werden ins Bergfreie geschickt.«

Fracking-Gesetz eiltHAMBURG/HANNOVER | IG BCE will Branche retten

Wegen zahlreicher Ände-rungswünsche hat der Bun-destag eine Entscheidung über das Fracking-Gesetz bis nach der Sommerpause ver-tagt. Es sieht erstmals Rege-lungen für ein hydraulisches Verfahren zur Förderung von Erdöl und Gas vor, bei dem Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst wer-den: Konventionelles Fra-cking im Sandgestein, Praxis seit Jahrzehnten, wird danach mit einer Umweltverträglich-keitsprüfung belegt. Das un-konventionelle Fracking im flacher gelegenen Schieferge-stein aber soll bis 2018 erst noch erprobt werden. Danach soll eine Expertenkommis- sion entscheiden.

Während Umweltschützer auf ein Verbot der umstritte-nen Technologie drängen, set-zen sich Unternehmen und Betriebsräte für ein Ende des Moratoriums ein. Bei einer Besichtigung der DEA-Bohr-anlage in Völkersen führten Gewerkschafts- und Firmen-vertreter im Juni dem nieder-sächsischen Wirtschaftsminis- ter Olaf Lies und gut 20 Abge-ordneten aus Bund und Land die hohen Sicherheitsstan-dards vor. Der Betriebsrats-vorsitzende Günther Prien sprach aber auch von der Un-

sicherheit seiner Kollegen: »In unserer Zulieferindustrie sind Kurzarbeit und Entlassungen, besonders im Raum Celle, be-reits Alltag.«

Betriebsräte mehrerer Un-ternehmen aus Niedersach-sen haben den Bundestags-abgeordneten deshalb Briefe geschickt. »Wir stehen vor einem einschneidenden Per-sonalabbau«, schrieb der Ge- samtbetriebsratsvorsitzende von ExxonMobil, Kai Kuhl-mann, an die Bundeskanz- lerin. Um qualifiziertes Per-sonal, Ausrüstung und Ar-beitsbedingungen zu erhal-ten, müsse eine wirtschaft- liche Förderung ermöglicht werden. Halliburton, ITAG und Koller mussten unter

dem Druck niedriger Ölpreise bereits Mitarbeiter entlassen.

»Fracking könnte Arbeits-plätze in dieser Branche retten«, sagt IG-BCE-Experte Franz-Gerhard Hörnsche-meyer. Dafür müssten die Schiefergas-Lagerstätten jetzt erkundet werden, erklärte er dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags bei einer An-hörung im Juni. Hörnsche-meyer: »Das Gesetz ist eine Verbesserung, aber weitere Auflagen braucht es nicht. Es sollte endlich verabschiedet werden.«

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Günther Prien klärt bei der DEA Politiker über Gasförderung auf.

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»Eine neue Zeit«HAMBURG | Erinnerungen an Krieg und Neubeginn

Einige Wiegen der IG BCE stehen im Norden: In Hanno-ver wurde vor 125 Jahren der Fabrikarbeiterverband ge-gründet, in Hamburg-Har- burg 1946 die IG Chemie- Papier-Keramik. Der Zweite Weltkrieg war gerade erst vor-bei. 105 Delegierte brachten ihre Lebensmittelmarken mit zum Kongress und froren im kalten Dezember.

»Wir waren hungrig und haben Kohlen geklaut«, er-zählt Helmut Kröger, seit 70 Jahren IG-BCE-Mitglied in Hamburg-Harburg. »Aus-bildungsplätze waren knapp. Ich fing mit 14 Jahren eine Elektrikerlehre in dem Betrieb

an, in dem mein Vater im Be-triebsrat war, ich hatte Glück.« Er erinnert sich an die Angst, die dem vorausging: »Als ich ein kleiner Junge war, holte die Gestapo meinen Vater ab. Er kam für Jahre ins Konzen-trationslager Neuengamme, weil er Gewerkschafter war. Während des Krieges wurden wir in Harburg verschüttet. Das vergisst man nicht.«

Doch auch die Aufmärsche der freien Gewerkschaften zum 1. Mai nach der Befrei-ung hat der heute 84-Jährige nicht vergessen: »Da ging fast jeder hin, das hat mir impo-niert. Damals begann eine neue Zeit.«

Siebert im alten Marmorsaal.

Dass die Kaffeeröster als Teil der IG-BCE-Geschichte in Erinnerung bleiben, dafür sorgt Manfred Siebert, Vorsit-zender der Ortsgruppe Bre-men. 22 Jahre lang war er Betriebsratsvorsitzender bei Kaffee HAG. Diese Branche gehörte traditionell zum Fab-rikarbeiterverband. »In der IG BCE waren wir Exoten, aber auch Vorreiter«, erzählt der gelernte Schlosser. »Unser Entgeltgruppentarifvertrag mit gleicher Bezahlung für Män-ner und Frauen war vorbild-lich. Auch die Betriebsrente kann sich sehen lassen.«

Wo einst mehr als 3000 Kol-leginnen und Kollegen Kaffee verarbeiteten, bedienen heute nur noch gut 50 Menschen eine Entkoffeinierungsanlage. Kaffee HAG wurde 1979 ver-kauft und danach langsam

abgebaut. Durch die Industrie- brache und den alten Mamor-saal der Fabrik führt Siebert heute Besucher. Er erzählt ih-nen von Vertrauensleuten, Bil-dungsarbeit und den ersten Frauen, die Stapler fahren durften.

»Gerade die Jungen wollen wissen, was wir in der Gewerk-schaft eigentlich gemacht ha-ben«, freut sich der 72-Jährige.

»Wir waren Exoten«BREMEN | Für die Kaffeeröster stimmte die Chemie

Hat sich die Gewerkschaft in deiner Zeit verändert?

Gewerkschafter haben in den Siebziger- und Achtzigerjahren engagierter politisch diskutiert, über Gerechtigkeit und die großen Linien der Gewerkschaftsarbeit. Was haben wir uns allein über die Ausbildung die Köpfe heiß geredet! Allerdings gab es auch stark anti-kommunistische Strömungen; man wurde bei Konflikten leicht ausgegrenzt. Heute setzen wir uns mit den Parteien über Inhalte auseinander, das freut mich. Aktuelle Themen, wie zum Beispiel Rechtsextremismus, müs-sen wir offensiver diskutieren.

125 Jahre IG-BCE-Geschichte wurde und wird von Menschen gestaltet. Drei aktive Amtsträger erklären, wie sie das erleben und was ihnen wichtig ist.

Fragen zur Geschichte3 Bärbel Bruns (60), Mitglied im ehrenamtlichen Hauptvorstand der IG BCE.

Was möchtest du in der Erinnerung behalten?

Mir sind die großen Demonstrationen um die Arbeitszeit wichtig. Wir müssen uns vor Augen halten, wo wir herkom-men und dass andere vor uns für gute Arbeitsbedingungen und Rechte gekämpft haben. Mein Großvater hat auf der Werft gearbeitet, er ist noch auf die Straße gegangen. Durch die Sozialpartnerschaft können wir heute ja vieles auf andere Weise lösen. Aber wenn die Arbeitgeber Altbewährtes in-frage stellen, wie jetzt zum Beispiel den Acht-Stunden-Tag, dann müssen wir kämpfen.

Wie war die Vereinigung von IG Bergbau und IG Chemie-Papier-Keramik?

Das war für uns kein Problem, wir vom Bergbau hatten ja die Ortsgruppen schon. Wir haben damals die Kollegen von der Chemie eingeladen, die sind heute überzeugt dabei. Schwieriger war die Zusammenlegung der einst getrennten Ortsgruppen für Arbeiter und Angestellte, die wollten nicht miteinander am Tisch sitzen. Dafür habe ich lange gekämpft; erst in der IG BCE ist es gelungen. Inzwischen gibt es ja zum Glück keine getrennten Tarifverträge mehr für die beiden Gruppen.

Lothar Schreyer (73), Revisor der Ortsgruppe Goslar.

René Davidsson (25), Vorsitzen-der Landes-Bezirksjugend-ausschuss.

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Termine – kurz notiertBERLIN | 16. September: Thementag des Bezirksfrauenaus-schusses Berlin-Mark Brandenburg »Persönliche Stärken stärken – Widerstandskraft ist trainierbar«. SIEBENLEHN | 9. Oktober: Diskussion des Bezirksfrauen-ausschusses Dresden-Chemnitz zur Energiewende. Anmeldung jeweils über den Bezirk.

Rolf Erler ist neuer BezirksleiterBERLIN | Von Rhein und Wupper an Spree und Havel: Rolf Erler ist ab dem 1. September neuer Bezirksleiter in Berlin-Mark Brandenburg. Der ausgebildete Be-triebsschlosser arbeitet seit 1987 für die IG BCE und leitete zuletzt den Bezirk Leverkusen. Landesbezirk und Bezirke freuen sich auf die Zusammenarbeit!

Herzlich willkommen!BERLIN | Rund 1300 Jugendliche beginnen ihre Ausbildung in den Branchen der IG BCE in Nordost. Mit »Start in den Be-

ruf« kommen weitere junge Menschen in den Betrieben hinzu. Der Landesbe-zirk begrüßt alle neuen Auszubilden-den und lädt sie ein, bei den Aktionen der IG-BCE-Jugend dabei zu sein. Das kann schon mal ein Aufstieg in schwin-delerregende Höhen sein – wie eine Fahrt mit dem Heißluftballon beim Landesbezirksjugendtreffen (Foto).

Mehr Infos: www.jugend-igbce.de

Kampf um Anbindung an FlächeLEUNA | Mehr als 40 Prozent weniger Geld als ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Unternehmensstandorten verdienen die Beschäftigten der Wepa-Papierfabrik in Leuna. Die IG-BCE-Tarifkommission will einen Tarifvertrag mit stufenweiser An-gleichung an den Flächentarifvertrag Papier erreichen. Nach drei Verhandlungsrunden hatten die Wepa-Beschäftigten die Nase voll von den unzureichenden Angeboten ihres Arbeit- gebers. Sie gingen in großer Zahl vors Tor und zeigten Flagge für ihre Forderungen nach mehr Entgeltgerechtigkeit.

Nur mit der KohleJÄNSCHWALDE/ZEITZ | Energiebeschluss gefasst

Die Klimaabgabe für ältere Kohlekraftwerke, die monate-lang die deutschen Braunkoh-lenreviere bedroht hatte, ist vom Tisch. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, in-formierte auf einer Betriebs- versammlung bei Vattenfall persönlich über den Koali- tionsbeschluss der Bundes- regierung, der stattdessen die Überführung älterer Kraft-werksblöcke in eine Kraftwerks-reserve vorsieht, und erläuterte die voraussichtlichen Auswir-

kungen (Foto, Dritter von links; Dritter von rechts: Bran-denburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber).

Bei der MIBRAG disku- tierten Landesbezirksleiter

Oliver Heinrich und Ralf Bartels aus der IG-BCE-Hauptverwaltung auf einer Vertrauensleuteversammlung die Folgen dieser energiepoli-tischen Entscheidung.

Ein kaum beherrschbarer Strukturbruch in den Revie-ren konnte damit verhindert werden – dafür hatten vor al-lem die vielen Tausend Be-schäftigten mit starken Aktio-nen gesorgt.

Marco Bedrich, Vorsitzen-der der Konzern-JAV bei Vat-tenfall, konnte die Bedeutung der Braunkohle Bundes- wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sogar in einem per-sönlichen Gespräch deutlich machen (Foto oben).

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Großer Andrang: Mehr als 5000 Vattenfaller aus Brandenburg und Sachsen bei der Betriebsversammlung am Kraftwerk Jänschwalde.

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Der Bezirksvorstand Leipzig bei der Besichtigung des Tagebaus in Pro-fen. Die IG BCE diskutierte im Rahmen einer Bezirksvorstandssitzung die Auswirkungen der Energiewende für die MIBRAG-Beschäftigten.

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Das richtige RezeptBERLIN | 125 Jahre IG BCE – Roadshows in Nordost

Du kennst die Regionen in Nordost gut, hast bei der BASF Schwarzheide deine Ausbildung absolviert und zuletzt den Bezirk Berlin-Mark Brandenburg geleitet. Worin siehst du die Schwerpunkte deiner Arbeit?Die Gestaltung des Energiemarktes und die Zukunft unserer Energieregionen werden weiter eine übergeordnete Rolle spielen. Es geht darum, wie wir die Lausitz und Mittel-deutschland als Industrieregionen weiterentwickeln können. Industriepolitisch bewegt mich zudem die Frage der weiteren Tarifangleichung, beispielsweise in der chemischen Industrie. Wir sind auch gefordert, den Anteil der Betriebe mit Tarifbin-dung zu erhöhen. Als Gewerkschaft sind wir für alle Beschäf-tigtengruppen da – von den Produktionsmitarbeitern bis zu den AT-Angestellten. Letztlich geht es darum, dass wir in den Betrieben weiter wachsen und gesellschaftspolitisch stark sind. Dafür brauchen wir viele Mitglieder.

Liegt eine besondere Verantwortung darin, dass du mit 38 Jahren der jüngste Vertreter in diesem Amt inner-halb der IG BCE bist?Ich sehe als meine Aufgabe an, generationenübergreifend zu wirken. Unsere Forderungen wie die nach der Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze wirken sich schließlich auch auf die Perspektiven für junge Menschen aus. Wir werden in den nächsten Jahren Antworten für den demografischen Wandel finden müssen. Hier bietet auch die Flüchtlingspolitik viele Chancen. Ich kann zwar die Ängste der Menschen, auch vieler Mitglieder, verstehen, wir müssen uns aber ent- schieden gegen jeden Rechtsradikalismus stellen.

Die IG BCE feiert aktuell ihr 125. Jubiläum und sagt: »Hol’ Dir Dein Stück vom Kuchen!« Warum?Wir wollen das, was eine starke Gewerkschaft in den vergan-genen 125 Jahren erreicht hat, zurück in die Köpfe bringen. Unsere Arbeitswelt verändert sich rasant. Themen wie Arbeitsverdichtung, psychische Belastung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden immer wichtiger. Mit unserem Slogan wollen wir mit den Beschäftigten ins Gespräch kommen. Wir sagen damit aber auch: Die Kolleginnen und Kollegen haben es in der Hand, für ihren Anteil und für gute Arbeit gemeinsam mit uns zu kämpfen.

Das vollständige Interview unter: www.nordost.igbce.de

Der neue Landesbezirks-leiter über Aufgaben und Herausforderungen.

Fragen an Oliver Heinrich3

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Rezeptzusammenstellung bei Radici Chimica Deutschland in Elsteraue (links) und rege Gespräche bei URSA Deutschland in Leipzig (rechts).

Intensiver Austausch am Werktor der Wismut GmbH, Standort Königstein (links).Fo

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Mehr soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung, Teilhabe an wirtschaftlichen Erfolgen und gesellschaftlichen Ent-wicklungen: Die IG BCE kämpft dafür seit 125 Jahren. Zum Jubiläum heißt es: »Hol’ Dir Dein Stück vom Kuchen!«

In allen Bezirken stellten die Kolleginnen und Kollegen das richtige Rezept für mehr so-ziale Gerechtigkeit selbst zu-sammen.

Eine Auswahl der Aktionen präsentiert die kompakt-Redaktion auf dieser Seite.

Kaffee, Kuchen und Gespräche bei Salzen-

brodt (oben links), enviaM (oben rechts)

und auf der Bezirksdele-giertenkonferenz in

Halle-Magdeburg (rechts).

ZWEI JUBILÄEN

125 Jahre IG BCE heißt zugleich 25 Jahre Mitbestimmung in Ost-deutschland. Mehr dazu in der nächsten kompakt-Ausgabe.

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Sommerfest am InnenhafenDUISBURG | Mehr als 250 Gäste folgten der Einladung des IG-BCE-Bezirks zum traditionellen Sommerfest im Duisbur-ger Innenhafen. Bei strahlendem Sonnenschein und Musik von der Düsseldorfer Band SuperJazz, der Entertainerin Jessi-ca Kessler und dem Männergesangverein Concordia Dins- laken wurde ausgelassen gefeiert. Erstmals konnte Bezirksleiter Bodo Wilms die Kids der Einrichtung »Immersatt« Kinder- und Jugendtisch e. V. begrüßen (Foto). Unter der Leitung von Benjamin Peters stellten sie ihr Können unter Beweis. Der Auf-tritt der Kids wurde mit einem Riesenapplaus belohnt. Der Er-lös aus dem Losverkauf beim Fest, mehr als 900 Euro, kommt

»Immersatt« zugute. Der Ver-ein setzt sich gegen Kinder- armut ein. Er stellt Kindern und Jugendlichen neben der Versorgung mit gesunden Lebensmitteln Bildungs- und Kulturangebote zur Verfügung.

www.immersatt.org

Jugend diskutiert BildungGRÖMITZ | Spannend und unterhaltsam war das diesjährige »Work-and-Travel-Seminar« der IG-BCE-Jugend Nordrhein im Jugenddorf Hans Böckler in Grömitz an der Ostsee. The-men wie Bildungschaos, Positionen der IG BCE, Alumini-umherstellung bei der TRIMET Aluminium SE oder das Berufsbildungsgesetz standen im Fokus der Veranstaltung. Ein buntes Rahmenpro-gramm mit Wasserski und einer Fahrt nach Hamburg rundete das Programm ab.

Top Ten der Werber im Juli/AugustPlatz 1: Ali-Osman Sahin (22 neu geworbene Mitglieder, RPC WIKO, Bezirk Köln-Bonn); Platz 2/3: Horst Ruoff (11, Continental Aachen, Alsdorf), Timo Litzbarski (11, Procter & Gamble Euskirchen, Köln-Bonn); Platz 4: Gabriel Schäfer (9, Verotech Saint-Gobain Kinon, Alsdorf); Platz 5–11: Reiner Kita (4, Membrana Wuppertal, Düsseldorf), Wolf-gang Benstöm (4, IVT Weiner und Reimann GmbH, Duis-burg), Frank Boom (4, Montaplast, Köln-Bonn), Hubert Hahn (4, Saint-Gobain Glas Funke GmbH, Köln-Bonn), Michael Herbst (4, Dr. Babor, Alsdorf), Sandra Schäfer (4, IG BCE Köln-Bonn), Werner Kornmesser (4, BIS Mainte-nance Südwest, Alsdorf).

Gute Arbeit im FokusKÖLN | IG-BCE-Aktive erstellen Aktionsplan für Nattermann

Beim Kölner Pharmaunter-nehmen Nattermann steht das Thema Gute Arbeit seit Mona-ten ganz oben auf der Agenda der IG-BCE-Aktiven. Jetzt ha-ben Vertrauensleute, IG BCE und Betriebsrat gemeinsam einen ersten Aktionsplan für bessere Arbeitsbedingungen im Unternehmen entwickelt.

Zunächst waren dafür die Beschäftigten gefragt. Vor eini-gen Monaten hatte die IG BCE Köln-Bonn sie in einer Mini-Umfrage um ihre Meinung ge-beten. Im Fokus standen vier Fragen zu Guter Arbeit. Es ging um Gesundheit, um Si-cherheit, um die Wertschät-zung der Beschäftigten und um die Vereinbarkeit von Fa-milie und Beruf.

Ende Juli stellte die IG BCE Köln-Bonn die Ergebnisse der Umfrage im Betrieb vor – und obendrauf gab es an dem sommerlichen Tag noch eine Portion Eis für alle. Lyudmyla Volynets und Sonja Dif, Ge-werkschaftssekretärinnen des IG-BCE-Bezirks, hakten nach. »Wir wollten wissen, ob die Kolleginnen und Kollegen die Gewichtung der vier Bereiche aktuell noch genauso sehen wie während der Umfrage«, so Lyudmyla Volynets.

Und tatsächlich gab es Abweichungen: Besonders die hohen Krankenstände in der Vergangenheit sowie die Sicherheit am Arbeits-platz beschäftigen die Mit-arbeiter stark. Auch die Wertschätzung ihrer Arbeit durch das Unternehmen sei gesunken.

Das weitere Vorgehen be-sprachen die Vertrauensleute von Nattermann kurz darauf in einer Wochenendklausur. Unterstützt wurden sie dabei von Bernhard Graefenstein, Fachsekretär für Demografie und Gute Arbeit beim IG-BCE-Landesbezirk Nordrhein. Im Rollenspiel setzten sich die Teilnehmenden mit den Themen demografischer Wandel und Gute Arbeit aus-einander.

In den Rollen Arbeitgeber, Gewerkschaft und Betriebsrat stellten sie die Personalbe-darfsplanung in Form eines Rollenspiels nach. »Das war sehr effektiv und hat alle An-wesenden motiviert, einen für Nattermann zugeschnittenen Aktionsplan zum Abbau von Belastungen aufzustellen«, re-sümiert Lyudmyla Volynets im Anschluss an die Veran-staltung.

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Gute Arbeit bei der Nattermann AG: gemeinsam Eis essen und Konzepte für bessere Arbeitsbedingungen entwickeln.

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Weitere Infos im Internet: www.nordrhein.igbce.de

Mitglied seit 1945HÜRTH | Hans Feiner ist seit 70 Jahren in der Gewerkschaft

Mit 15 Jahren trat Hans Feiner, Jahrgang 1930, gleich zu Beginn seiner Lehre in die IG Chemie ein. 1945 lag Deutschland in Trümmern, auch die Gewerkschaften mussten nach dem National-sozialismus neu aufgebaut werden. Bis heute ist der gelernte Schlosser, zuletzt im Chemiepark Hürth-Knap-sack beschäftigt, seiner Ge-werkschaft treu geblieben. kompakt hat mit dem 85-Jährigen gesprochen.

Warum bist du in die Gewerkschaft eingetreten?In unserem Betrieb gab es einen Ausbilder, der sich sehr en-gagiert für den Aufbau der Ge-werkschafts-strukturen ein-setzte. Unter den Nazis war ja alles gleichgeschaltet und wir mussten von vorne anfan-gen und neu auf-

bauen. Der hat uns Auszubil-dende alle angesprochen und geworben.

Was ist für dich die wichtigste Errungenschaft der Gewerkschaft?Da gibt es viele Punkte, die ich nennen könnte. Aber für mich persönlich waren die Einführung der Fünf-Tage-Woche und die Reduzierung der Arbeitszeit herausragend, weil sie mir mehr Zeit für meine Familie verschafften.

Klar ist: Der Wohlstand, den wir erreicht haben, wäre ohne die Gewerkschaften undenkbar.

Gemeinsam sind wir starkDer Sommer gilt als eine erholsame Zeit, in der alle neue Kräfte tanken. Doch in diesem Jahr hat die politische Agen-da in Berlin uns als IG BCE keine Sommerpause beschert – im Gegenteil. Die energiepolitischen Beschlüsse, die im Juli vom Bundeskabinett getroffen wurden, wären ohne unsere großen Kraftanstrengungen so nicht zustande gekommen. Die geplante Sonderabgabe für ältere Braunkohlenkaftwerke ist vom Tisch. Wer allerdings glaubt, dass durch diese Ent-scheidungen nun alle Arbeit erledigt sei, irrt.

ES IST EIN GROSSER ERFOLG, dass wir die befürchteten Strukturbrüche insbesondere in den Braunkohlenrevieren verhindern konnten, die Folge von falschen politischen Weichenstellungen gewesen wären. Unsere zahlreichen Ge-spräche mit Entscheidungsträgern, die vielen Aktionen in den Revieren und unsere eindrucksvolle Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt haben dazu geführt. Ich danke noch einmal allen ausdrücklich, die uns auf diesem schwie-rigen Weg unterstützt haben.

»Wir werden auch in Zukunft gebraucht.«

Nun gilt es, die konkrete Umsetzung in den Betrieben zu begleiten, mitzugestalten und mitzubestimmen. Auch die anstehende Leitentscheidung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zum Braunkohlenabbau wird unsere volle Aufmerksamkeit und Organisationsstärke fordern.

DIESE STÄRKE beweisen wir nun seit 125 Jahren. Nicht nur unsere erfolgreiche politische Arbeit in der Energiepoli-tik und unsere guten Tarifabschlüsse nach harten Tarifrun-den zeigen deutlich, dass wir als IG BCE mit unserer Stärke gebraucht werden. Um diese Stärke zu erhalten, ist es von größter Bedeutung, neue Menschen für eine Mitgliedschaft in der IG BCE zu begeistern. Das gerade begonnene neue Ausbildungsjahr in den Betrieben bietet dazu großartige Gelegenheiten. Im letzten Jahr haben wir in Nordrhein 81,4 Prozent der neuen Auszubildenden für die IG BCE ge-winnen können. Das war ein beeindruckendes Ergebnis, das uns für dieses Jahr ein Ansporn sein sollte.

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FRANK LÖLLGENLandesbezirksleiter Nordrhein

Hans Feiner gemeinsam mit seiner Ehefrau Lucia bei der IG-BCE-Jubilarehrung.

Bergbaualltag theatral: »Wilde Zeiten«

WALSUM | Im Vorfeld der gro-ßen Feier zum 125. IG-BCE-Jubiläum in der Essener Zeche Zollverein wird auch vor Ort gefeiert. Dazu haben sich die

Bezirke eine Men-ge einfallen lassen. Etwa der Bezirk Duisburg: Er lädt am 12. und 13. Sep- tember zu Sonder-vorstellungen des Neumühler Stiel-mustheaters in die Walsumer Stadt-

halle ein. Gezeigt wird das Stück »Wilde Zeiten«, das vom Alltag der Kumpels im Berg-bau und ihrer Familien Ende der 1950er-Jahre erzählt.

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HaustarifabschlüsseINGELHEIM/BAD DÜRKHEIM | Unter Verhandlungsleitung des stellvertretenden Landesbezirksleiters Michael Päckert hat die betriebliche Tarifkommission der IG BCE mit dem in Ingelheim ansässigen Labordienstleister Bioscientia (1000 Beschäftigte) erneut einen Tarifvertrag mit zwei-jähriger Laufzeit abgeschlossen. Die Entgelte stiegen seit Juli um 3,6 Prozent. Im kommenden Mai gibt es zudem 250 Euro als Einmalzahlung. Die gibt es im Mai 2017 er-neut, sofern nicht die Laborvergütungen sinken – was passieren könnte, weil der Bundesgesundheitsminister in Berlin gerade hinter verschlossenen Türen über eine Re-form der Ärztegebühren verhandelt. Azubis bekommen im ersten Ausbildungsjahr 55, im zweiten und dritten jeweils 65 Euro mehr.

Einen Haustarifvertrag mit einjähriger Laufzeit hat die IG BCE auch mit dem kleineren Folienhersteller Rhein-Plast in Bad Dürkheim (110 Beschäftigte) geschlossen. Seit Juni bekommen die Beschäftigten 3 Prozent mehr Entgelt, IG-BCE-Mitglieder pro Monat zusätzlich 30 Euro. Verhand-lungsleiter Malte Landt (Bezirk Ludwigshafen): »Das Unter-nehmen ging bis an die Grenze des Machbaren. Das wissen wir zu schätzen.« Die Mitgliedsbeiträge werden entspre-chend angepasst.

Tarifkonferenz ChemieMAINZ | Während der erst in der vierten Verhandlungs- runde Ende März erfolgreich beendeten diesjährigen Chemie-Tarifrunde zeigten die Arbeitgeber eine ungewöhn-liche, geradezu provokante Härte. Die Chemie-Tarif-kommissionen Rheinland-Pfalz und Saarland meldeten anschließend Diskussionsbedarf an. Zu einer zweitägigen Tarifkonferenz Anfang Juli kam nun auch Peter Hausmann, der federführende Tarifpolitiker im geschäftsführenden Hauptvorstand der IG BCE. Es gab ausreichend Raum für die vielen notwendigen Diskussionsbeiträge zu künftigen Forderungspaketen und zum richtigen taktischen Verhal-ten. Die Mitglieder beider Tarifkommissionen sind jetzt für die bevorstehenden nächsten Verhandlungen gut gerüstet.

125 Jahre IG BCE: Zum JubiläumMAINZ | Aussagen der »Zeitzeugen« Claus Bensing, Willi Böhm, Hans-Peter Kleber und Roland Koch im gleichnami-gen Gewerkschaftsvideo (siehe nebenstehenden Text »Fest-akt zum Jubiläum«): »Ohne Gewerkschafter gäbe es keine Demokratie.« »Wir haben es uns erkämpft.« »Allein kann man nichts bewegen.«

Festakt zum JubiläumMAINZ | Malu Dreyer würdigt Erfolge der IG BCE

Wenn die IG BCE in zweiein-halb Wochen, am 19. Septem-ber, mit ihrer zentralen Feier auf der Zeche Zollverein den Höhe punkt des Jubiläums-jahres begeht, haben in den Landesbezirken und Bezirken deutschlandweit schon bemer-kenswerte Rückschauen statt-gefunden. So begrüßte Landes-bezirksleiter Francesco Grioli am 14. Juli im Mainzer Erich-Schott-Centrum der Schott AG vor rund 100 Ehrengästen die rheinland-pfälzische Minister-präsidentin Malu Dreyer und den IG-BCE-Vorsitzenden Mi-chael Vassiliadis.

VASSILIADIS HATTE dann auch guten Grund, sich bei der Spitzenpolitikerin herz-lich zu bedanken. Denn sie hatte gesagt: »Sichere Arbeits-plätze, eine starke betriebliche Mitbestimmung und eine faire Entlohnung sind Verdienste der Gewerkschaften. Wichtige gesellschaftspolitische und so- ziale Errungenschaften prägen heute in Deutschland Gute Ar-beit. Daran hat die IG BCE ei-nen wesentlichen Anteil.« Vas-siliadis schilderte in seiner Festrede auch die politischen und wirtschaftlichen Verhält-

nisse zur Zeit der Gewerk-schaftsgründung 1890. In enormer Geschwindigkeit ent-standen damals an Rhein, Mosel und Saar der »Alte Ver-band« der Bergarbeiter, der »Fabrikarbeiterverband« – die spätere IG Chemie-Papier- Keramik – und der »Leder- arbeiterverband«, aus denen die heutige IG BCE hervorging. Dann richtete der Vorsitzende den Blick nach vorne und kam auf die heutige Lebens- und Arbeitswirklichkeit zu spre-chen, auf das einzelne Mit-glied, seinen »Geldbeutel« und seine Gesundheit. Und er strich die Werte heraus, die auf die Französische Revolution zurückgehen und um die es der Gewerkschaft auch heute geht: »Freiheit, Gleichheit und Solidarität.«

DIESE WERTE standen auch im Zentrum der Ansprache von Landesbezirksleiter Fran cesco Grioli, der den »entschlossenen Willen der IG BCE« bekräftigte, »überall für die Würde und Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer« einzutre-ten. »Der Einzelne ist schwach«, fügte Grioli hinzu, »aber ge-meinsam können wir antreten,

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Weitere Infos im Internet: www.rheinland-pfalz/saarland.igbce.de

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Protest gegen ManagementplanLUDWIGSHAFEN | Etwa 800 BASF-Beschäftigte stellen in Ludwigshafen Pigmente her, die Grundsubstanz aller Farb-stoffe. Bei einer Versammlung Ende Juli berichtete die Be-reichsleitung den Mitarbeitern nun Beunruhigendes: Ihre Geschäftssparte soll in weniger als zwölf Monaten in eine unabhängige GmbH mit Sitz in oder nahe Ludwigshafen ausgegliedert und Teil eines neuen, weltweit agierenden Ge-schäftsbereichs (»Global Business Unit«, GBU) werden. Schon zu Jahresbeginn 2016 soll es die GBU geben.

Die Mitteilung war kaum zwei Stunden alt, da versammel-ten sich rund 600 Beschäftigte vor dem gerade fertiggestell-ten neuen Bürogebäude nahe Tor 2 und protestierten mit Pfiffen und Trillerpfeifen gegen das Vorhaben der BASF-Geschäftsleitung. Der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassilia-dis, der wegen einer Aufsichtsratssitzung gerade in Ludwigs-hafen war, äußerte gegenüber den Protestierenden Zweifel daran, »dass die Pläne der BASF SE die Lösung für die Prob-leme im Bereich Pigmente sind«. Er verlange vom Manage-ment »Sicherheit für die betroffenen Beschäftigten«. Die IG BCE werde »für eine gute Lösung streiten«, fügte er hinzu. »Da könnt ihr euch auf uns verlassen.«

Der für den Bereich zuständige Betriebsrat André Matta lobte den Protest der Anwesenden, »weil er zeigt, dass die geplante Ausgliederung so nicht vollzogen werden kann«. Betriebsratsvorsitzender Robert Oswald sagte, der Betriebs-rat werde sich dafür starkmachen, dass sich das Pigmentge-schäft »auch künftig unter dem Dach der BASF SE« weiter-entwickeln werde.

125 Jahre IG BCE: Zum JubiläumMAINZ | Jacqueline Kluge, Vorsitzende der Jugend- und Aus-zubildendenvertretung von Boehringer Ingelheim beim Festakt: »Unsere Zukunft gestalten wir! Wir als IG BCE! Sei es in der Politik, in der Arbeitswelt oder in der Gesellschaft.«

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die Arbeits- und Lebensbedin-gungen zu verändern – zum Besseren!« Exemplarisch gehe diese Einsicht auch aus dem neuen Gewerkschaftsvideo des Landesbezirks hervor, in dem die vier Zeitzeugen Claus Ben-sing, Willi Böhm, Hans-Peter Kleber und Roland Koch aus erster Hand von den Kämpfen der zurückliegenden Jahrzehn-te berichten und von den Erfol-gen von 1945 bis heute – mit steigenden Entgelten, mit er-träglicheren Arbeit- und Ur-laubszeiten und mit Lohnfort-zahlung bei Krankheit.

UND DANN legte Francesco Grioli noch einmal los und zeigte, was auch in ihm steckt: ein Kämpfer, der für den ent-schlossenen Willen der IG BCE steht, überall für die Würde und Rechte der Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer einzutreten. Zutiefst verärgert nahm er Stellung gegen den ge-

rade erst bekannt gewordenen 13 Millionen Euro schweren Sponsoring-Vertrag der Firma Profine (Fenstersysteme Marke »Kömmerling«) mit dem Fuß-ballverein FSV Mainz 05. »Die-sen Deal müssen unsere Kolle-ginnen und Kollegen, die das Unternehmen durch einen schmerzlichen Verzicht von insgesamt fast sechs Millionen Euro am Leben gehalten ha-ben, als Schlag ins Gesicht empfinden«, sagte Grioli.

ANSONSTEN FAND dieser Festakt in einer ausgesprochen freundlichen Atmosphäre statt. Das kam dann auch in den kurzen, aber herzlichen Grußworten der Gastgeber zum Ausdruck, des Schott- Vorstandsvorsitzenden Frank Heinricht und des Betriebsrats-vorsitzenden Wolfgang Hein-rich. Die Schott AG hatte ihre Räume der IG BCE kostenfrei überlassen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (Foto: zwischen dem IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, links, und Landesbezirksleiter Francesco Grioli) erhält viel Zustimmung für ihr Gewerkschaftslob. Mit Pop- und Soulklängen begeisterte die Band »2. Chance Saarland e.V.« (Foto links).

Rund 600 BASF-Beschäftigte wehren sich gegen die Ausgliede-rungspläne ihrer Geschäftsleitung. Betriebsrat André Matta spricht zu den anwesenden Protestlern.

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Der Braunkohle auf der SpurDORTMUND-HAGEN | Im Juli besuchte eine Ausflugsgruppe der TFH Bochum und der IG BCE den Braunkohlentagebau Garzweiler. 24 Kolleginnen und Kollegen (Foto) nahmen teil, viele Studierende, aber auch Vertreter der TFH und des IG-BCE-Bezirks Dortmund-Hagen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekamen Einblicke in die Entstehung, den

Prozess des Abbaus und die Rekultivierung der Betriebsareale. Highlight der Besichtigung war der Schaufelradbagger, der bis zu 200 000 Kubikmeter Braunkohle pro Tag ab-baut.

BJA unter TageBOTTROP | Für den Bezirksjugendausschuss (BJA) Dort-mund-Hagen ging es im Juni unter Tage. Zwölf gespannte Kolleginnen und Kollegen (Foto) besuchten das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop. Nach einer Sicherheitseinwei-sung ging es in dem Fahrkorb mit 40 Metern pro Sekunde 1200 Meter unter Tage. In einer »Katze«, einer Schwebebahn, die an einer unter der Decke hängenden Schiene fährt, ging die Reise für die Grup-pe weiter. Nicht ganz eine Stunde und rund sechs Kilometer später war das Hauptziel des Tages erreicht: ein Ho-bel, der einen Stein-kohlenflöz abbaut.

Gemeinsames FastenbrechenGELSENKIRCHEN | Auch im Juni besuchten die Kollegin-nen und Kollegen der IG-BCE-Ortsgruppe Gelsenkirchen-Hassel-Süd die türkisch-islamische Gemeinde Mescid-i Aksa in Gelsenkirchen. Der Vorsitzende Cesur Özkaya führte die Gruppe durch die Moschee und die Gemeinderäume.

Beim anschließenden Fas-tenbrechen, Essen mit der Gemeinde, wurden Fragen der Gruppe geklärt. Vorsit-zender Cesur Özkaya freute sich über den Besuch: »Mir und meiner Gemeinde liegt es am Herzen, ein gutes und offenes Verhältnis zu unse-ren deutschen Nachbarn zu pflegen.«

Ein Stück vom KuchenWESTFALEN | Roadshow zum 125-jährigen Jubiläum

In vielen Betrieben im gesam-ten Landesbezirk war man schon im Vorfeld des 125-jäh-rigen Jubiläums der IG BCE fleißig: Mit betrieblichen Straßenaktionen, sogenann-ten Roadshows, stellten sich IG-BCE-Aktive den Beschäf-tigten der unterschiedlichen Branchen vor und sensibili-sierten sie für die Themen So-ziale Gerechtigkeit, Teilhabe, Mitbestimmung sowie die da-mit verbundenen Forderun-gen der IG BCE und für die Vorteile einer Mitgliedschaft in der IG BCE.

Betriebsräte und Vertrau-ensleute von BASF Pharma in Minden sowie der Bezirk Münster-Bielefeld veranstalte-ten bei BASF Pharma einen Informationsstand. Die IG BCE informierte dort über den Chemie-Tarifabschluss, den schwierigen Verlauf der Tarifrunde und über die An-gebote der IG BCE. Die Kol-legen am Stand freuten sich über regen Zulauf und kons-truktive Gespräche. Zwei Nichtmitglieder entschieden prompt, der IG BCE beizutre-ten und freuten sich ihrerseits über ihren neuen, starken

Partner in der Arbeitswelt. Auch der Wirtschaftsaus-schuss von BASF Minden ließ es sich nicht nehmen, nach seiner Sitzung dem Stand einen Besuch abzustatten.

Im Bezirk Gelsenkirchen konnten sich die Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer in den unterschiedlichsten Betrieben informieren und austauschen: von Evonik und Campus Essen, über STEAG und Vivawest bis hin zu klei-neren Betrieben wie HVG, AIDB, RAG MI, Amedes, Mä-der Aqualack, Ineos Phenol und VTA.

Der Bezirk Recklinghausen präsentierte sich bei Evonik an den Standorten Herne und Witten. IG-BCE-Service-assistent Bernd Kloppert for-derte die Beschäftigten dort auf: »Mehr für ihr Stück vom Kuchen zu kämpfen, für mehr soziale Gerechtigkeit, Teilha-be und Mitbestimmung. Sich selbst zu engagieren und selbst etwas dafür zu tun, die-se Themen voranzubringen – durch aktive, gelebte Gewerk-schaftsmitgliedschaft oder durch Überzeugungsarbeit bei den Mitmenschen.«

N A M E N & N A C H R I C H T E N

Besonders gefragt: die Schaumküsse des Bezirks Gelsenirchen (oben). Auch die Stände des Bezirks Reckling-hausen (rechts) und Münster-

Bielefeld (oben rechts) waren gut besucht.

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Azubi-Cup 2015MARL | Im Juni fand am Chemiepark Marl auf dem VfB-Gelände der Azubi-Cup statt. 423 Auszubildende der Evonik Industries AG deutschlandweit nah-

men am Fußballturnier teil. Ehrengäste, wie Ralf Hermann, Gesamtbetriebsratsvorsitzender, Thomas Wessel, Arbeitsdi-rektor, und IG-BCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis eröffne-ten den Cup. Die Fahnen der IG BCE, der Evonik Industries AG und des BVB wehten in der Luft und auch der Spielball fand so seinen Weg auf das Fußballfeld. Neben etlichen Spie-len wurde das Wochenende von einem musikalisch begleite-ten Feuerwerk abgerundet.

Eis für den FleißRECKLINGHAUSEN | Eismann Skotty sorgte gemeinsam mit dem IG-BCE-Bezirk Recklinghausen (Foto) in den Sommer-ferien für eine willkommene Abkühlung unter den Beschäf-tigten in Recklinghausen. Mit Eis sowie humoristischen und musikalischen Einlagen versüßte die IG BCE auf diese Wei-se die Arbeitszeit für all diejenigen, die in den Sommer- ferien keinen Urlaub genommen haben. »Die Kolleginnen und Kollegen kom-men in diesem Rah-men gerne mit der IG BCE ins Gespräch und freuen sich über ein leckeres Eis«, resümierte Ge-werkschaftssekretär Oliver Langkau.

125 Jahre IG BCEHAMM | Für den ehemaligen Bergmann und Gewerkschafts-sekretär Heinz Assmann war die Gründung der Ruhrkohle AG am 27. November 1968 einer der wichtigsten histo- rischen Höhepunkte in der 125-jährigen Geschichte der IG BCE. Mit 15 Jahren wurde der heute 84-Jährige Gewerk-schaftsmitglied und erinnert sich noch gut an die Anfangs-zeit: »Die Gründung der Ruhrkohle AG hat die Mitbestim-mung und soziale Sicherheit der Bergleute in ganz be- sonderer Weise begleitet. So war beispielsweise dafür ge-sorgt, dass die Bergleute nach Stilllegung eines Betriebs in noch laufende Betriebe übernommen wurden«, sagte Heinz Assman und fügte an: »Das war ein ganz bedeutender und prägender Moment für die existenzielle Sicherheit der Bergleute, damals wie heute.«

Betriebsräte gewürdigtLÜNEN | Über 200 Aktive auf der Vollkonferenz 2015

Im Juni nahmen mehr als 200 Betriebsrätinnen und Betriebs-räte an der diesjährigen Be-triebsräte-Vollkonferenz des Bezirkes Dortmund-Hagen teil. Adi Siethoff, Bezirksleiter des Bezirks Dortmund-Lü-nen, begrüßte die anwesen-den Gäste und zeigte sich von der tollen Atmosphäre und der großen Teilnahme be- eindruckt. »Betriebsrätinnen und Betriebsräte leisten heute Personalarbeit auf aller-höchstem Niveau, das gilt es zu würdigen«, betonte er.

Auch Rolf Möller, stellver-tretender Bürgermeister der Stadt Lünen, lobte die Arbeit der Betriebsrätinnen und Betriebsräte: »Sie sind die Motoren, die gute Arbeits- bedingungen sinnvoll und nachhaltig in den Betrieben umsetzen.« Ralf Sikorski, Mit-glied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG BCE, ging in seiner anschließen-den Rede auf das Thema »Gute Arbeit in einer sich ver-ändernden Arbeitswelt« ein. Mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, Industrie 4.0 sowie lebensphasengerechte Arbeitszeiten waren einige der Stichworte, auf die Sikorski näher einging.

Sikorski forderte ein Um-denken in den Köpfen der Verantwortlichen in den Füh-rungsetagen, weg von einer Abnutzungskultur der Res-source Arbeitskraft hin zu ei-nem ausgleichenden Modell. Ein Modell, dass dem Um-stand Rechnung trage, dass Beschäftigte zu gewissen Zei-ten – Kindererziehung, Haus-bau, Pflege von Angehörigen – häufig auch einer hohen zeitlichen Belastung ausge-setzt seien.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte erinnerte Sikorski daran, dass es eine Zeit gab, zu der Deut-sche flüchten mussten: »In den Jahren nach 1933 waren es deutsche Künstlerinnen und Künstler, die flüchteten, da waren es deutsche Politike-rinnen und Politiker, die sich ins Ausland absetzen muss-ten, und es waren deutsche Gewerkschafterinnen und Ge- werkschafter, die Zuflucht suchten«, so Sikorksi. »Wenn in der heutigen Zeit Men-schen flüchten müssen, weil sie Angst um Leben und Leib haben, sind sie keine Bedro-hung für Europa. Diesen Menschen muss geholfen werden, so wie uns damals.«

N A M E N & N A C H R I C H T E N

Sie leisten gute Arbeit in den Betrieben und Personalarbeit auf hohem Niveau: Betriebsräte auf ihrer diesjährigen Vollkonferenz.

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> VOR ORT LANDESBEZIRK

Nicht immer reichen gute Argumente aus, um angemessene und faire Tarifkompromisse zu erzielen. Eine demonstra-tive und nachdrückliche Unterstützung der Mit- glieder stärkt die gewerk-schaftlichen Positionen am Verhandlungstisch.

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Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Diese Definition des großen Soziologen Max Weber gilt für die Tarifpolitik allemal, das weiß jeder Gewerkschafter.

Leidenschaft und Augenmaß

In der Tarifpolitik geht es schon lange um mehr als Prozente. Selbstver-ständlich sind und bleiben regel-

mäßige Entgelterhöhungen die Basis. Aber gleichermaßen stehen Arbeitszei-ten und -bedingungen, Jahressonder-zahlungen, Urlaub oder Ausbildungsfra-gen im Fokus. Vieles lässt sich nicht in einem Anlauf erreichen, gerade hier sind die langen Linien und Verlässlichkeit ge-fragt. Dass diese Anlage der Tarifpolitik durchaus erfolgreich ist, zeigt die Ge-schichte der IG BCE und ihrer Vorläufer-organisationen.

Gleichwertige Arbeit gleich entgelten

Über sechs Jahre verhandelt die IG Che-mie-Papier-Keramik mit den Chemie- arbeitgebern – und dann geht es doch noch in ein zähes Schlichtungsverfah-ren, ehe am 18. Juli 1987 in Frankfurt (Main) das Abkommen unter Dach und Fach gebracht, die Unterschriften gesetzt werden können: Der Entgeltvertrag sorgt für eine tief greifende Umgestaltung der tarifpolitischen Landschaft.

Die herkömmliche Trennung zwi-schen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten ist aufgehoben, die unter-schiedlichen Lohn- und Gehaltsgruppen werden in gemeinsame Entgeltgruppen überführt. Für vergleichbare und gleich-wertige Tätigkeiten gibt es von nun an auch gleiches Entgelt. Und zwar unab-hängig davon, ob diese Tätigkeiten im gewerblichen, kaufmännischen oder technischen Bereich angesiedelt sind.

DER ENTGELTVERTRAG setzt der aus dem 19. Jahrhundert stammenden dis-kriminierenden Unterscheidung in Ar-beiter und Angestellte tarifpolitisch ein Ende – ein Meilenstein in der Tarif- geschichte. Entgeltvertrag heißt: Die Be-zahlung ist (leistungs-)gerechter gewor-den.

Beharrlichkeit und gewerkschaftlicher Kraftentfaltung bedarf es auch auf einem ganz anderen tarifpolitischen Feld. Die Einebnung des Entgeltgefälles zwischen Ost und West ist eine Geschichte der tau-send Schritte.

Vor der Währungsunion 1990 liegt der Stundenlohn eines Chemiefacharbeiters in der DDR bei 5,10 Mark, sein Kollege

am Rhein bekommt 17,01 DM. Der of-fizielle Umtauschkurs beträgt 1:1, die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. In West-Berliner Wechselstuben schwankt der Kurs zwischen 1:7 und 1:8. Real klafft also zwischen den Entgelten in Ost und West eine riesige Lücke.

Entgeltgefälle einebnen

Diese Kluft zu schließen und nach der staatlichen auch die tarifpolitische Ein-heit herzustellen, sind die Leitziele aller gewerkschaftlichen Anstrengungen. Nach kräftigen Erhöhungen um 35 Pro-zent und weiteren strukturellen An-

Erfolgreiche IG-BCE-Tarifpolitik

Quelle: IG BCE, Abteilung Tarifpolitik, Stand August 2015

Tariferhöhung Inflationsrate

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Steigende Abschluesse_2005_2015.indd 1 10.08.2015 12:13:45Prozentuale Erhöhungen gehören nach wie vor zum Kerngeschäft gewerkschaftlicher Tarif-politik. Die Entgelte in der chemischen Industrie sind in den vergangenen zehn Jahren um rund 30 Prozent gestiegen und gehören zur Spitzengruppe in Deutschland. Einmalzahlungen und Demografiebeiträge sind in der Grafik nicht berücksichtigt.

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> TENDENZEN TARIF

Tarifpolitik ist kein Sprint, so ndern ein LangstreckenlaufAlle reden vom Fachkräftemangel, die IG BCE handelt. Der Tarifvertrag »Zukunft durch Ausbildung« hat dafür gesorgt, dass trotz rückläufiger Schulabgängerzahlen die Zahl der Ausbildungsplätze von 2003 bis 2014 um mehr als 10 Prozent gesteigert werden konnte. In diesem und im kommenden Jahr soll das erreichte hohe Niveau noch einmal angehoben werden – das Abkommen ist bereits unterschrieben.

passungen liegen die Tarifsätze 1991 etwa bei 55 Prozent des West-Niveaus. Auf die-ser Grundlage treibt die IG BCE die Tarif-angleichung voran, der Abstand wird Jahr für Jahr verkürzt. Im Frühjahr 2002 ge-lingt es schließlich, einen Stufenvertrag abzuschließen, der eine Entgeltanpassung bis 2009 grundsätzlich festlegt. Das Ent-geltgefälle ist eingeebnet, die Tarifeinheit kommt. Unterdessen ist auch die Jahres-leistung (»Weihnachtsgeld«) angeglichen, sie beträgt wie im Westen 95 Prozent eines monatlichen Bruttoentgelts.

Bemerkenswert ist zudem, dass in der chemischen Industrie die Tarifverträge eine hohe Bindungswirkung entfalten. Der Flächenvertrag funktioniert, dies ist bei Weitem nicht in allen Branchen so.

DER DEMOGRAFISCHE WANDEL pas-siert nicht über Nacht. Aber der Prozess läuft – und er ist unumkehrbar. Demo-grafie ist keine Kaffeesatzleserei, Demo-grafie beruht auf Zahlen. Die Rentner des Jahres 2080 sind bereits geboren.

Demografie und Lebensarbeitszeit

Demografischer Wandel bedeutet: Die Bevölkerung schrumpft und wird älter. Diese Entwicklung macht vor den Betrie-ben nicht halt. Das Durchschnittsalter in der chemischen Industrie liegt 2000 bei 40,1 Jahren. Heute sind es bereits 42,7 Jahre. Rund 27 Prozent der Beschäf-tigten sind zwischen 50 und 59 Jahre alt.

Ein Jubiläum ist Grund zum Feiern. Wir gratulieren der IG BCE zum 125-Jährigen.

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Die Auswirkungen auf die Rentenkas-sen liegen auf der Hand. Deshalb hat die Politik die stufenweise Einführung der Rente mit 67 beschlossen. Doch mit dem Holzhammer – einer starren Gren-ze für alle – sind die Probleme nicht zu lösen. Die Belastungen in den einzelnen Berufsgruppen sind sehr unterschied-lich, viele schaffen es nicht bis zum Renteneintrittsalter, müssen vorher ausscheiden. Das allerdings bringt er-hebliche finanzielle Verluste mit sich. Wer vorzeitig geht, muss Abschläge in Kauf nehmen, 3,6 Prozent pro Jahr.

Dies kann jedoch nicht die Perspektive nach einem erfüllten Arbeitsleben sein. Deshalb hält die IG BCE dagegen und nutzt ihre tarifpolitischen Spielräume. Gewerkschaftliches Ziel ist es, dass die Menschen gesund und ohne finanziellen Nachteile in Rente kommen.

Nach jahrelangen Vorbereitungen ist es am 16. April 2008 schließlich soweit, im rheinland-pfälzischen Lahnstein wird der erste große Flächenvertrag zum Thema Demografie unterzeichnet. Das Abkom-men tritt zum 1. Mai in Kraft, ein ebenso symbolträchtiges wie zukunftsweisendes Datum. Die IG BCE hat den Durchbruch geschafft und erste Möglichkeiten für fle-xible Übergänge in den Ruhestand ge-schaffen.

Unterdessen ist der Vertrag »Demogra-fie und Lebensarbeitszeit« mehrfach aus-gebaut und erweitert. Heute zahlen die

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Tarifpolitik ist kein Sprint, so ndern ein Langstreckenlauf

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ganz oben auf der Liste. Und es gibt bei-spielsweise diejenigen, die familiär un-gebunden oder deren Kinder schon aus dem Haus sind. Hier ist der Wunsch nach zeitlicher Entlastung weit weniger ausgeprägt.

Es kommt darauf an, die Interessen der einzelnen Beschäftigtengruppen auszugleichen. Und zwar so, dass am Ende alle am Fortschritt teilhaben. Die IG BCE kann das, das hat sie oft genug gezeigt. Das unterscheidet die Gewerk-schaft von Organisationen, die ohne Rücksicht auf Verluste eine berufsstän-disch-egoistische Politik betreiben.

Die Neujustierung der zeitlichen Be- und Entlastungen – über das Arbeitsle-ben verteilt – zählt zu den großen Her-ausforderungen der kommenden Jahre. Tarifpolitik kennt keinen Stillstand. Michael Denecke

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Einen seiner ersten Tarifverträge schloss der Fabrikarbeiterverband – eine Vor-läuferorganisation der IG BCE – 1904 mit der Firma Grünzweig und Hartmann (Ludwigshafen) ab.

Genau geregelt wurden die Löhne der Hofarbeiter, Heizer, Maschinisten und Pecharbeiter. In der Trocknerei verdiente ein »Hülfsarbeiter« 33 Pfennig in der Stunde »mit halbjährlichen Aufbesserun-gen von je 1 Pf. bis 36 Pf. pro Stunde«. Brandneu auch die Mehrarbeitsregelung: »Für Überstunden werden 25 Prozent, für Sonntagsarbeit 50 Prozent Zuschlag bezahlt.«(Siehe dazu auch »3 Fragen an August Brey«, Seite 10 dieser kompakt-Ausgabe.)

Arbeitgeber pro Beschäftigtem und Jahr 338 Euro in die betrieblichen Demogra-fietöpfe ein, im kommenden Jahr werden es 550 Euro sein, 2017 folgt eine weitere Anhebung auf 750 Euro. Die Erfolgsstory geht weiter.

Tarifpolitik kennt keinen Stillstand

Gute Tarifpolitik hechelt nicht hinter der Musik her, sondern nimmt frühzeitig Einfluss. Das gilt nicht zuletzt für die Ge-staltung der Arbeitszeit. In unterschied-lichen Lebensphasen herrschen unter-schiedliche Bedürfnisse vor, es gelten jeweils besondere Rahmenbedingungen. Da gibt es die rentennahen Jahrgänge, die jungen Eltern oder diejenigen, die ihre Angehörigen pflegen. Zeitliche Ent-lastung – dieser Wunsch steht da häufig

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> TENDENZEN GEWERKSCHAFTSGESCHICHTE 1990–2015

Jahrtausendwende Zeitenwende?

Im Osten Deutschlands wachsen die Sorgen. Viele Industriearbeitsplätze sind nicht mehr wettbewerbsfähig,

verschwinden von heute auf morgen. Die Arbeitslosigkeit steigt rasant, trotz aller Proteste. Wo immer es geht, kämp-fen die Gewerkschaften um Betriebe und Arbeitsplätze. Die IGBE etwa hilft über Sanierungsgesellschaften, Men-schen in Arbeit zu halten und gleichzei-tig die strapazierte Landschaft zu rena-turieren. Die IG Chemie macht sich für den Erhalt der industriellen Kerne stark, mit Erfolg, wie sich zeigen wird.

Klar ist, dass es im Zeichen politischer Wiedervereinigung auch zur Gewerk-schaftseinheit kommen muss. Erste ge-meinsame Kongresse besiegeln sie, im Bergbau im Mai, in der Chemie Ende Juni, bei der Gewerkschaft Leder Mitte November 1991.

Doch den Gewerkschaften stellen sich weitergehende Herausforderungen. In

DIE STAATLICHE EINHEIT ist erreicht, die soziale lässt noch auf sich warten. Die größte Herausforderung bleibt die Sicherung von Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern. Die Zeit nach der Jahrtausendwende wird geprägt durch den immer stärker werdenden Neoliberalismus. Der Glaube an das ungezügelte Spiel der Märkte gipfelt in der größten Weltwirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit.

1996 ein Paket, das die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kürzt und den Kündi-gungsschutz einschränkt. Dagegen ge-hen 600 000 Menschen auf die Straße. Trotz des konservativ-liberalen Zeitgeistes gelingt es, mit dem Bundesarbeitgeber-verband Chemie (BAVC) wegweisende Tarifvereinbarungen zu vereinbaren. 1996 etwa mit dem Tarifvertrag über Al-tersteilzeit, der auch hilft, Arbeitsplätze zu sichern; 1998 mit dem Tarifvertrag zur Altersvorsorge der neuen IG BCE.

Nach 18 Jahren Helmut Kohl wechselt 1998 die Regierungskoalition. Aus Schwarz-Gelb wird Rot-Grün. Das größte Problem bleibt die Massenarbeitslo- sigkeit. Die Regierung unter Gerhard Schröder will dem nicht weiter zusehen und startet mit der Agenda 2010 einen politischen Kraftakt für mehr Beschäf-tigung – aber auch mit Maßnahmen, die bei den Gewerkschaften auf harte Kritik stoßen.

ihren Strukturen bauen sie immer noch auf den 50er-Jahren auf. Wirtschaft und Gesellschaft aber haben sich mittlerwei-le energisch weiterentwickelt. Branchen-grenzen verwischen, die traditionellen Industrien schrumpfen, neue Wirt-schaftszweige entstehen. Das erfordert ein grundsätzliches Umdenken. Die Ant-wort, die IGBE und IG Chemie zum Jah-reswechsel 1991/92 geben und der sich bald die Gewerkschaft Leder an-schließt, ist spektakulär. Die drei tra- ditionsreichen Gewerkschaften wollen fusionieren, um gemeinsam stärker zu werden. Aus drei wird eins: die IG BCE, mit Hubertus Schmoldt als erstem ge-meinsamen Vorsitzenden, gewählt auf dem Gründungskongress vom 6. bis 10. Oktober 1997 in Hannover.

An Kraft gewinnen tut not. Denn viele Erfolge der vergangenen Jahre geraten wieder in Gefahr. Mit Stimmen von Union und FDP beschließt der Bundestag

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Jahrtausendwende Zeitenwende?

AUF ROT-GRÜN folgt wieder Schwarz-Gelb. Marktradikalismus bestimmt nun die politische Mode, allen voran bei den Liberalen. Für FDP-Chef Westerwelle sind Gewerkschafter eine »wahre Plage für Deutschland«. Auch der Wirtschafts-flügel der CDU geht ans Eingemachte: Er

fordert die Abschaffung der Steuer- freiheit von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen. Anschließend plant die Union einen radikalen Abbau des Kündigungsschutzes. Die IG BCE setzt dem neoliberalen Trend Ende 2004 die Kampagne »Modell Deutschland . . .

zuerst der Mensch!« entgegen. Die marktradikale Zeitenwende findet auch dank gewerkschaftlicher Proteste keine gesellschaftliche Mehrheit, in der neuen Großen Koalition unter Angela Merkel suchen die politischen Lager den Ausgleich.

Dennoch kommt der marktradikale Irrsinn in der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zum Ausbruch. Sie bringt ab 2007 nicht nur Banken, sondern ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins. Gut, dass es in Deutschland noch eine innovative Industrie gibt. In Koope-ration von Politik und Sozialpartnern und dank geschickter Politik von Be-triebsräten und Gewerkschaften werden Produktion und Standorte gesichert, Massenentlassungen verhindert.

Spannung herrscht ebenfalls in der Energiepolitik: Wieder einmal droht die EU für 2010 mit einem vorzeitigen Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus.

Am 3. Oktober 2010 finden in Berlin die offiziellen Feierlichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung statt (links). Wenige Tage vorher war das Inventar der infolge der Finanzkrise insolvent gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers in London versteigert worden (unten).

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Der Abwehrkampf gelingt. Der von Brüs-sel angestrebte Endtermin 2014 kommt vom Tisch. Eine bittere Pille bleibt. 2018 ist für den Steinkohlenbergbau in Deutsch-land endgültig Schluss. Doch niemand fällt ins Bergfreie.

WEITER GEHT ES Schlag auf Schlag: Die Katastrophe von Fukushima im März 2011 stellt die deutsche Energie-politik vollkommen auf den Kopf: Bun-deskanzlerin Angela Merkel verkündet den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022. Drei Monate später verabschiedet der Bundestag eilig eine Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Michael Vassiliadis, seit 2009 neuer IG-BCE-Vorsitzender, mahnt, die Ener-giewende erfordere Anstrengungen »wie bei der Mondlandung. Wird die Energie-wende ohne wirtschaftliche Vernunft und nicht sozial ausbalanciert betrieben, steht der Erfolg infrage.«

Auf die neuen Herausforderungen an den Arbeitsplätzen antwortet die IG BCE mit der Kampagne »Gute Arbeit«. Sie will den Wandel in Fabrik und Büro aktiv gestalten. Ein Dauerbrenner, wie auch der demografische Wandel. Der erfasst die Betriebe mit zunehmender Wucht. Gleichzeitig nimmt die Leistungsver-dichtung am Arbeitsplatz rasant zu. Wie aber passt das mit der Rente mit 67 zu-sammen? Darauf gibt die Politik keine Antwort. Die IG BCE fordert: Die Belas-tungen müssen verringert werden, damit

die Menschen gesund in Rente gehen können. Ein erster Schritt dahin ist der Tarifvertrag Lebensarbeitszeit und De-mografie. Das Ziel: Die Arbeitnehmer sollen über ihre Arbeitszeit und das Ende ihrer Beschäftigung mitbestimmen kön-nen.

Ermutigend sind die jüngsten poli- tischen Erfolge. Der Mindestlohn wirkt schlimmster Ausbeutung entgegen, die Rente nach 45 Betragsjahren schafft mehr Gerechtigkeit und hilft den Be-schäftigten, die Jahrzehnte lang hart ge-arbeitet haben.

Auch im gewerkschaftlichen Kernge-schäft, der tariflichen Entgeltpolitik, sammelt die IG BCE Erfolge. Über ein Jahrzehnt gesehen, liegt die Gewerk-schaft gemeinsam mit der IG Metall im Branchenvergleich deutlich vorn. Und das trotz zusätzlicher qualitativer Ele-mente der Tarifabschlüsse, von der zu-sätzlichen betrieblichen Altersvorsorge bis zur Förderung und Sicherung von Ausbildung.

»In 125 Jahren Kampf haben wir viel erreicht«, stellt Michael Vassiliadis im Jubiläumsjahr fest. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die IG BCE sind anerkannte und mitgestaltende Kräfte in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft: »Zum ersten Mal in der Geschichte kön-nen die Beschäftigten und ihre Vertreter sagen, das ist unser Land, unsere Gesell-schaft – weil wir beides mitprägen.« Rudi Heim

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GRENZEN ÜBERSCHREITEN

Erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit braucht internationale Solidarität und grenzübergreifendes Engagement. Der 1890 gegründete Internationale Bergarbeiterverband (IBV) gehörte zu den ersten Arbeiterorganisationen auf internationaler Ebene überhaupt. Die Handschuhmacher trafen sich 1892 in Brüssel. 1907 vereinbarten Gewerk-schaftsvertreter aus fünf Ländern in Stuttgart die Gründung der Fabrik- arbeiter-Internationale. Heute besitzt die internationale Zusammenarbeit eine Bedeutung, die nicht zu unter-schätzen ist. Viele Herausforderungen – von Arbeitnehmerrechten bis hin zu Rohstofffragen – haben eine globale Dimension. Die Europäische Union und ihre Vorläufer waren seit ihrer Gründung der Garant für Frieden in ihren Mitglied-staaten – nach zwei Weltkriegen im Herzen Europas alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Und: Immer mehr politische wie wirtschaftliche Rahmen-entscheidungen fallen heute nicht mehr in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auf europäischer Ebene – mit Auswirkungen etwa auf die Energie- und Chemikalienpolitik. Daraus haben die Industriegewerkschaften ihre Konse-quenzen gezogen: Mit auf Initiative der IG BCE haben sich sowohl auf europä-ischer wie auch auf globaler Ebene die Industriegewerkschaften zusammenge-schlossen: industriAll European Trade Union für Europa und industriALL Global Union als weltweiter Verbund.

Die Katastrophe von Fukushima im März 2011 stellt die deutsche Energiepolitik vollkommen auf den Kopf.

> TENDENZEN GEWERKSCHAFTSGESCHICHTE 1990–2015

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Menschen, die sich zusammen-schließen, brauchen Orte der Begegnung: Vor 125 Jahren war

das noch die Privatwohnung von Au-gust Brey, dem ersten Vorsitzenden des Fabrikarbeiterverbandes. Für ein eige-nes Verbandsbüro reichte das Geld da-mals noch nicht. Der Verband wuchs jedoch schnell, und so teilte sich der Verband ab 1910 ein Quartier mit der sozialdemokratischen Arbeiterbe-wegung in Hannover. 1930 bezog die

Gewerkschaft erstmals ein eigenes Haus am Rathenauplatz.

Der heutige Ort der Begegnung ist die Hauptverwaltung der IG BCE am Kö-nigsworther Platz (Bild oben). In Ge-werkschaftshand ist das Gebäude schon seit fast 60 Jahren.

Die IG Chemie-Papier-Keramik mach-te es 1956 zu ihrem Hauptsitz. Seit dem Zusammenschluss mit den Ge-werkschaften IG Leder und IG Bergbau schlägt das Herz der IG BCE hier. (mk)

Wo sich Menschen begegnen

Die Salamander-Gaststätte in Stuttgart-Kornwestheim beherbergte den Gründungskongress der Gewerkschaft Leder im April 1949 (links). Die Hauptverwaltung des Industrieverbandes Bergbau in Bochum wurde im Juli 1947 eingeweiht.

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> TIPPS MITGLIEDSCHAFT

Zehn Vorurteile üb er Gewerkschaften

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GEWERKSCHAFTEN SIND SOZIALDEMOKRATISCH2 GEWERKSCHAFTEN

SIND UNMODERN3

GEWERKSCHAFTEN SIND LOBBY-VEREINE6 . . . KÜMMERN SICH NUR

UM IHRE MITGLIEDER7GEWERKSCHAFTEN SIND MÄNNLICH1

Das sieht nur so aus; in der Industrie arbeiten einfach mehr Männer. Frauen waren von Anfang an dabei und aner-kannt: Bereits 1892 benannte sich die Organisation um in »Verband der Fabrik- Land- und gewerblichen Hülfs-arbeiter und Arbeiterinnen Deutsch-lands«. Lange bevor Frauen wählen durften, gab es »Gewerkschafterinnen«.

Nicht die Organisationen: Seit 1945 gilt das Prinzip der unabhängigen Einheits-gewerkschaft statt politischer Richtungs-gewerkschaften, wie noch in der Weima-rer Republik. Doch weil die SPD tradi- tionell eine Arbeiterpartei ist, stehen viele Gewerkschaftsmitglieder ihr nahe.

Im Gegenteil: Beim Kampf um ein besseres Leben haben Gewerkschaften immer in die Zukunft geschaut. Wie jetzt, wenn es um die Gestaltung Guter Arbeit in der Industrie 4.0 oder den Nachwuchs an Fachkräften geht. Was aber gut ist am »Alten«, wird verteidigt.

Gewerkschaften vertreten die Interessen von Arbeitenden. Im Betrieb, in der Industrie und auch in der Politik. Wenn da in ihrem Sinn Einfluss genommen werden muss, tun sie das. Meist in öffentlicher Debatte, manchmal auch in der »Lobby« oder den Fluren der Parlamente.

Das muss so sein, sie sind ja Interessenverbände. Nur viele Mit-glieder machen eine Gewerkschaft stark. Tatsächlich gelten die von den Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträge meist für alle Beschäf-tigten. Nun glauben die Nichtorgani-sierten, das stünde ihnen zu. Geschenkt!

Eine Meinung über Gewerk-schaften hat eigentlich jeder. Kein Wunder, denn in 125 Jahren Gewerkschaftsgeschichte kommt eine Menge an Meinung zusammen.

Da Gewerkschaften oft unbequem sein müssen, um Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen, ist uns nicht jeder gewogen. Und hinter mancher Meinung verbirgt sich Unwissenheit. Hilf uns dabei, so manches schiefe Bild über uns gerade-zurücken! Sprich mit deinen Kolleginnen und Kollegen, denn: Je mehr wir sind, desto stärker bist du!

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Zehn Vorurteile üb er Gewerkschaften

39kompakt | September 2015 | »Wir stehen hinter Dir!«

GEWERKSCHAFTEN STREIKEN STÄNDIG4 GEWERKSCHAFTEN SIND

WAS FÜR SCHWACHE5

GEWERKSCHAFTEN SIND AUF KONFLIKTE AUS8

GEWERKSCHAFTER SIND BETONKÖPFE9

Das ist Unsinn. Nur bei Demonstrationen und Streiks drücken sie mit Trillerpfeifen Protest oder Zustim-mung aus. Vielleicht sollte man das sogar ändern: dann könnten sie jederzeit laut auf all die Vorurteile pfeifen, die es gegen Gewerkschaften gibt. Und einfach weiter-machen.

GEWERKSCHAFTER HABEN IMMER TRILLERPFEIFEN DABEI10

Die IG BCE sicher nicht: Ihr letzter bundesweiter Streik liegt Jahrzehnte zurück. Verbesserungen wurden inzwi-schen sozialpartnerschaftlich ausgehan-delt. Doch wenn das nicht mehr geht: auch für die IG BCE, wie für alle Gewerk-schaften, bleibt Streik das letzte Mittel.

Sie sind etwas für Kluge: Weil Gewerkschafts-mitglieder erkannt haben, dass sie gegeneinan-der ausgespielt werden, wenn sie sich nicht zusammenschließen. Die Fabrikarbeiter und Arbeiterinnen vor 125 Jahren wollten Verhandlungsmacht, die sie allein nicht hatten. Je mehr sie sich organisierten, desto stärker wurden sie. Gewerkschafts- mitglieder sind stark. Noch immer.

Eigentlich nicht. Sie sind auf gute Lösungen für Menschen aus. Davon verstehen sie etwas. Aber wenn es Konflikte gibt, weil die Interessen verschieden sind, dann tragen sie die auch aus.

Beschimpfen gilt nicht. Allerdings können Ge-werkschaften stur sein. Wenn sie zum Beispiel auf den Rechten von Betriebsräten bestehen oder auf der Einhaltung von Arbeitszeiten und Schutzbe-stimmungen. Doch wenn es um Verbesserungen geht, lassen sie mit sich reden.

www.zukunftsgewerkschaft.de

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> QUIZ>

| kompakt | September 201540

Im Preisrätsel wird in diesem Monat ein Begriff gesucht, der die Ausrichtung unserer Organisation umschreibt.

Bitte die Lösung auf eine Postkarte schreiben und einsenden an: kompakt-Redaktion, Postfach 39 45, 30039 Hannover oder per Mail an: [email protected] — bitte die Adresse mit angeben. Einsendeschluss ist der 14. September 2015 (Datum des Poststempels ist maßgebend). Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Es ist das erfolgreichste Musical in Berlin. »Hinterm Horizont«, mit den Hits von Udo Lindenberg, feiert seinen vierten Geburtstag.

Der Gewinner unserer Jubiläums-ausgabe kann die Ost-West-Liebes-geschichte live miterleben. Neben den zwei Eintrittskarten sind eine Übernachtung im Hotel Maritim Berlin und ein Drei-Gänge-Abend-menü inklusive.

Das ist zu gewinnen:

Lösungswort

Testen Sie Ihr Wissen über Ihre Gewerkschaft

Den IG-BCE-Vorsitz hatte bislang am längsten inne?Hermann Rappe Michael Vassiliadis Hubertus Schmoldt

Z UA FG T

Die Gewerkschaft Leder gründete sich 1949 wo?Mainz Hamburg Kornwestheim bei Stuttgart

A UE FK U

Wann wurden die Gewerkschaften zerschlagen?1. September 1939 2. Mai 1933 9. November 1938

W EN FQ U

In wie viele Branchen gliedert sich die IG BCE?12 13 11

U ST SS T

Zum »Band der Solidarität« kamen 1997 . . .12 000 Menschen etwa 150 000 Menschen 220 000 Menschen

Z UA FG E

Aus welchem Bundesland kam August Brey?Hessen Thüringen Baden-Württemberg

W EW OW U

Wie hieß der exotischste Arbeiterverband?Blumen-, Blätter-, Palmen-, PutzfederarbeiterBrauer- und Mühlenarbeiter Heizer und Textilarbeiter

R KS TB I

Wie heißen die starken Wurzeln der IG BCE?Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit Urlaub, Freizeit und volle Lohntüte Schnelligkeit, Strebsamkeit und Fleiß

S CO OS H

Wie heißt der weltweite Gewerkschaftsbund?International Workers Weltgewerschaftsbund industriALL Global Union

K LH UH A

1907 musste man für ein Kilo Mehl . . . 10 Minuten malochen? 2 Stunden ranklotzen? 63 Minuten arbeiten?

A TF DF T

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41kompakt | September 2015 |

GLÜCK & GLOSSE

>

BEI DER VERLOSUNG DER PREISE unter den Einsendern richtiger Lösungen fielen die zehn Hauptgewinne – ein Chronograf von Hummels – an:Heidrun Röll, Spremberg; Rudolf Wobido, Fulda; Jürgen Neubecker, Wangels; Norbert Liebscher, Weil; Evelyn Theiml, Gersthofen; Ralf Kovac, Castrop-Rauxel; Matthias Schmidt, Offenbach; Biagio Libi, Köln; Lena Klingler, Würzburg; Kathrin Wagner, Potsdam.

JE EINEN »X-Mini-II-Lautsprecher« erhalten:Thomas Karrer, Zuzenhausen; Joachim Wahren, Zeitz; Dieter Calmund, Oberhau-sen; Harald Schaber, Rust; Norbert Lauer, Frankenthal; Raphael Oblak, Gladbeck; Rosemarie Häring, Hagen; Karl-Heinz Pitcha, Zwickau; Maximilian Karl, Tittmo-ning; Klaus Gothe, Frankfurt; Otmar Schelberg, Frankenau; Jakob Höller, Frechen; Theo Augustin, Saarwellingen; Wolfgang Schelhorn; Angelina Jäger, Selb; Gerda Ott, Berlin; Norbert Köhnen, Vettweiß; Gerold Fox, Wismar; Silvia Fork, Ehndorf; Gerhard Leitner, Pocking; Lothar Schreyer, Clausthal-Zellerfeld; Michael Schmaus, Königswinter; Hannelore Kramer, Wiesbaden; René Eisold, Chemnitz; Joachim Albrecht, Werther; Klaus Essink, Velen; Björn Feistel, Andernach; Sandra Brunow, Coppenbrügge; Peter Stefezius, Leimbach; Martina Auener, Baesweiler; Edgar Bradsch, Ilmenau; Robert Ringer, Friedrichshafen; Karin Kahl, Marl; Klaus Gaengel, Schriesheim; Manfred Wirtz, Freisen; Peter Deininger, Ludwigshafen; Jürgen Sicker, Hamminkeln.

G B H L E S B G DR A D G A B E L O P E R E T T E

G A L A R A U C H E R E N O R MF U N K E R H A L A L I M I O

A R M L A L G E T A TA B T E I N I E R E G R O T T EL E W P R A L L R H E I N E G

C O U P H A F T P R O F S AK L E A B E L

L E C K P L A NA R A V F L U S S

R O I S E CE R L E N O T H

K R E M L K I E NN B R F J U L I A

S A R A L G PW E S E L P J G L A R E S

U T O P I E R O E H R E NP A S S M A R S S O N D E B S P

D A E N E R U E B E I L E LW E H A G A S S I G E M A G A

B A S M A T I T E A K E L A NA R I E U N T E R E I R E N E

K R A N C E N T Z E L T M A S T

Lösung: WELTAUSSTELLUNG

Lösung Juli/August 2015: WELTAUSSTELLUNG

IMPRESSUM

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft

Bergbau, Chemie, Energie

HerausgeberMichael Vassiliadis

Chefredakteur (verantwortlich im Sinne des

Presserechts)Christian Hülsmeier

Stellvertretender ChefredakteurMichael Denecke

Chef vom DienstJörg Nierzwicki

RedaktionSarah Heidel, Dirk Kirchberg,

Axel Stefan Sonntag, Dr. Ulrike Börger

RedaktionsassistenzSimone Michels, Tanja Rössner

GestaltungHans Borgaes

RedaktionsanschriftKönigsworther Platz 6

30167 HannoverTelefon: 0511 7631-306/-329

Telefax: 0511 7000891E-Mail: [email protected]

Internet: www.igbce.de

Satz: BWH GmbHBeckstraße 10, 30457 Hannover

Gesamtherstellung und -vertrieb:Westend Druckereibetriebe GmbH

Westendstraße 1, 45143 Essen

AnzeigenverwaltungNetwork Media GmbH

Bülowstraße 66, Hof D, Eingang D110783 Berlin

Telefon 030 7407316-00 Telefax 030 7407316-75

E-Mail: [email protected]ültige Anzeigenliste Nr. 14 vom 01. 01. 2015

Verantwortlich für den Anzeigenteil:

Nicole Stelzner

Zusendungen: Für unverlangteEinsendungen wird keine

Gewähr übernommen.

Bezugspreis0,90 €, jährlich 10,00 €.

Für Mitglieder der IG BCE ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag

enthalten.

Erscheinungsweise: kompakt erscheint monatlich mit acht Regionalausgaben für Bayern, Baden-Württemberg,

Hessen-Thüringen, Nord, Nordost, Nordrhein, Rheinland-Pfalz/Saarland,

Westfalen.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:20. 9. 2015

Druckauflage: 650 494 (I/2015)

Gedruckt auf chlorfreiem Papier

kompakt

GRIMMS MÄRCHEN

Nichts ist schlimmer als Festredner, die sich festreden. Da will man als Party-Parasit bloß mal schnell ein paar Krab-

bencocktails abgreifen – und landet mitten im vierstündigen Monolog eines engagierten Funktionsträgers im Floskelmodus, während nebenan das kulinarische Äquivalent des Bern-steinzimmers vergammelt. Schrecklich: Der Typ quatscht – und das Zeitfenster für Essen

und Trinken schließt sich gnadenlos! Deshalb warnt der Volksmund: Lange Rede, kurzer Gin! Aber auf offiziel-len Spektakeln gilt leider das kulinarische Paradoxon: Je besser das Büfett, desto aus-dauernder der Redner. Und es heißt nun mal: Erst seiern, dann feiern.

Je traditionsbewusster die jubilierende Organisation, desto exzessiver die Lobprei-sungen während des Fest-akts. Gehen Sie deshalb nie-mals ohne Schokoriegel auf ein Gewerkschaftsjubiläum. 125 Jahre? 660 000 Mitglie-der? 13 Branchen? Das kann Tage dauern, bis es da was zu Essen gibt. Da heißt es nicht: »Samstags gehört Vati mir.« Da heißt es: Samstag gehört der Basmati mir. Vielleicht. Wenn Sie Glück haben. Eher liegen Sie längst in intellek-tueller Duldungsstarre quer

über dem Biertisch und murmeln im Hunger-wahn: »Brot und Rosen, Brot und Rosen . . .« Sie kennen das doch: »Wacht auf, Verdammte die-ser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt!« – die »Internationale« ist nichts als ein verzweifelter Aufruf zur Eröffnung des Büffets! Und jetzt alle: »Die Getränke si-hind frei/Wer kann sie erwarten?« Herzlichen Glückwunsch, IG BCE! Imre Grimm

Die Gewinner der letzten Ausgabe

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Nr. 001 VG EDG

Format (mm) 210x140 Verlags-

anpass. IsoV2

DU unbekannt ET unbekannt

Titel Kompakt

Von: Isabel JungAn: E.ONBetreff: 125 Jahre IG BCE

Sichere Arbeitsplätze und faire Löhne – dazu leisten die Gewerkschaften einen wesentlichen Beitrag. Sagt mal, E.ON, wie seht Ihr das als Arbeitgeber?

Hallo Frau Jung, gelebte Sozialpartner-schaft sichert Arbeitsplätze und faire Löhne auch bei E.ON. Dieses Ziel errei-chen wir gemeinsam mit der IG BCE als einem verlässlichen Partner. Zum 125-jährigen Jubiläum gratulieren wir herzlich und sagen danke!

www.eon.com

energiezukunft9_edg_kompakt_210x140.indd 1 05.08.15 10:18

RUHRFESTSPIELE

Was Solidarität für Bergleute be-deutet, dafür gibt es Beispiele wie dieses: Damit im Winter

1946/47 das Publikum im Hamburger Theater nicht frieren musste, fuhr Ham-burgs Erster Bürgermeister Max Brauer an die Ruhr, um dort um Kohlen für sein Schauspielhaus zu bitten. Die Kum-pel der Zeche König Ludwig halfen. Ge-genleistung: Ein Gastspiel des Ensemb-les im Sommer 1947.

Das Geschehnis markiert den Beginn der Ruhrfestspiele. Die Idee: Theater soll nicht mehr nur ein Privileg der Reichen sein. Das kommt an. »Alle Lebenssäfte werden durch Freude angeregt«, zitiert 1950 Der Spiegel den damaligen Kultur-referenten des Deutschen Gewerk-schaftsbundes, Otto Burrmeister.

BERGLEUTE haben eines der heute größten Theaterfestivals initiiert. 2016 gehen die Ruhrfestspiele in ihre 70. Spielsaison.

Heute, nach rund 70 Jahren, ist das Festival eine Erfolgsgeschichte. Eben auch, weil es so vielfältig ist: Inszenie-rungen namhafter Regisseure, Auffüh-rungen junger Talente, abwechslungsrei-ches Kabarett, fesselnde Lesungen. Weit mehr als 80 000 Menschen strömten in diesem Jahr nach Recklinghausen. Wohl auch deshalb, weil sich das Programm laufend weiterentwickelt. So gilt das 2005 ins Leben gerufene Fringe Festival für viele als echte Pflichtveranstaltung.

Max Brauer bewies also Weitblick, als er seinerzeit mit der Aussage in die Zu-kunft blickte: »Festspiele statt in Salz-burg in Recklinghausen.«

Axel Stefan Sonntag

www.ruhrfestspiele.deFoto

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Kohle für Kunst

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Ein Act der Ruhrfestspiele

2015: Die belgische

Gruppe Sur Mesure. In ihrer Show

»Fillage« zeigen drei Artisten Zirkustricks,

Musiker begleiten sie dabei.

42_mein_Arbeitsplatz_09.indd 42 20.08.2015 09:38:08

Page 57: kompakt September 2015

Die Welt für Sie im Blick.

Nichts bleibt, wie es ist. Daher

verfolgen wir in allen Druck- und

Servicebereichen genau, wie sich

der Markt entwickelt.

Unser erklärtes Ziel: zukunfts-

weisende Veränderungen frühzeitig

zu erkennen, Weiterentwicklungen

in unserem Betrieb einzuplanen

und laufend für Sie umzusetzen.

DYNAMIKDRUCK

Als langjähriger Druck-Partnerdes Magazinsgratulieren wir herzlichst zum

125-jährigen Jubiläum.

WESTEND DRUCKEREIBETRIEBE GmbHWestendstraße 1 · 45143 EssenT +49 (0) 201/10 06-0 F +49 (0) 201/10 06-71 70E [email protected] www.wksgruppe.de

Ein Unternehmen der WKS DRUCKHOLDING

KRAFT-SCHLÖTELS GmbHIndustriestraße 3 · 41849 WassenbergT +49 (0) 24 32/49 01-0 F +49 (0) 24 32/49 01-75 29 E [email protected] www.wksgruppe.de

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WKS PRINT PARTNER GmbHWestendstraße 1 · 45143 EssenT +49 (0) 201/10 06-0 F +49 (0) 201/10 06-71 70E [email protected] www.wksgruppe.de

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