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Vol. IX, 1958 447 Kompakte zweidimensionale projektive Ebenen Von HELMUT SALZMANNJn Frankfurt 1. Einleitung. Die vorliegende Arbeit besch~ftigt sich mit topologischen projektiven Ebenei~, die die topologische Struktur der gewShnlichen reellen projektiven Ebene haben. Dabei wird unter einer topologischen Ebene eine projektive Ebene ver- standen, in deren Punkt- und Geradenmenge Topologien erkli~rt sind, bez/iglieh deren die Operationen des Verbindens und Schneidens stetig sind (vgl. SKORNJAKOu ill], PICKERT [9], S. 261, S),LZ~ANN [10]). Wie an anderer Stelle gezeigt werden soll, lassen sich die Ebenen der betrachteten Klasse auch kennzeiehnen als kompakte topologisehe Ebenen der topologisehen Dimension 2. Sie sollen im folgenden kurz als ,,2-dimensionale Ebenen" bezeichnet werden. Nach SALZMA~ [10], w 10 haben die Geraden einer solehen Ebene die topologische Struktur der I~'eislinie, und unter den topologisehen Ebenen sind die 2-dimensionalen dm-eh diese Eigensehaft ihrer Ge- raden eharakterisiert. Die zugehSrigen affinen Ebenen sind topologisehes Produkt zweier affiner Geraden (PIcKER~ [9], S. 264, Satz 4), also hom5omorph zur eukli- disehen Ebene. Im folgenden wird gezeigt werden, wie aus der Existenz geniigend vieler zentraler Kollineationen in einer 2-dimensionalen Ebene die Giiltigkeit des desarguesschen Satzes foIgt, also die Isomorphie zur projektiven Ebene fiber den reellen Zahlen. Diese Kriterien sind analog zu ahnliehen Aussagen, die in der letzten Zeit fiir endliehe projekfive Ebenen bewiesen wurden (vgl. GLEASO~ [5], A. WAG~E~ [12]). Eine zen- trale Kollineation mit Achse G und Zentrum p wird f/ir p ~ G als Streckung, f/ir p e G als Sehiebung oder Ms Schiebung in Richtung p bezeichnet. Dann lautet der zu beweisende Satz. Eine 2.dimensionale Ebene ist desarguessch, wenn eine der beiden ]olgenden Bedingungen er/i~llt ist: (1) Zu zwei verschiedenen Achsen gibt es nicht identische Sehiebungen in ~eder Richtung. (2) In einer zugeh6rigen a/finen Ebene gibt es zu ]edem eigentlichen Zentrum eine nicht identische Streckung mit der uneigentlichen Geraden als Achse. Gmmdlegend ffir den Beweis dieses Satzes und einer Reihe verwandter Aussagen ist. das Lemma. Ist in einer 2.dimensionalen a]finen Ebene die Gruppe der Schiebungen (mit uneigentlicher Achse) is so ist sie in mindestens einer Richtung transitiv (d. h. transitiv au/ den eigentlichen Punkten einer ]eden Geraden dieser Richtung). Beispiele zeigen, daft sich die Aussage des Lemmas nicht verschiirfen l~,/3t: Es gibt eine 2-dimensionale Ebene, in der Verbinden und Schneiden nieht nur stetige, son-

Kompakte zweidimensionale projektive Ebenen

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Vol. IX, 1958 447

Kompakte zweidimensionale projektive Ebenen

Von HELMUT SALZMANN Jn Frankfur t

1. Einleitung. Die vorliegende Arbeit besch~ftigt sich mit topologischen projektiven Ebenei~, die die topologische Struktur der gewShnlichen reellen projektiven Ebene haben. Dabei wird unter einer topologischen Ebene eine projektive Ebene ver- standen, in deren Punkt- und Geradenmenge Topologien erkli~rt sind, bez/iglieh deren die Operationen des Verbindens und Schneidens stetig sind (vgl. SKORNJAKOu i l l ] , PICKERT [9], S. 261, S),LZ~ANN [10]). Wie an anderer Stelle gezeigt werden soll, lassen sich die Ebenen der betrachteten Klasse auch kennzeiehnen als kompakte topologisehe Ebenen der topologisehen Dimension 2. Sie sollen im folgenden kurz als ,,2-dimensionale Ebenen" bezeichnet werden. Nach SALZMA~ [10], w 10 haben die Geraden einer solehen Ebene die topologische Struktur der I~'eislinie, und unter den topologisehen Ebenen sind die 2-dimensionalen dm-eh diese Eigensehaft ihrer Ge- raden eharakterisiert. Die zugehSrigen affinen Ebenen sind topologisehes Produkt zweier affiner Geraden (PIcKER~ [9], S. 264, Satz 4), also hom5omorph zur eukli- disehen Ebene.

Im folgenden wird gezeigt werden, wie aus der Existenz geniigend vieler zentraler Kollineationen in einer 2-dimensionalen Ebene die Giiltigkeit des desarguesschen Satzes foIgt, also die Isomorphie zur projektiven Ebene fiber den reellen Zahlen. Diese Kriterien sind analog zu ahnliehen Aussagen, die in der letzten Zeit fiir endliehe projekfive Ebenen bewiesen wurden (vgl. GLEASO~ [5], A. WAG~E~ [12]). Eine zen- trale Kollineation mit Achse G und Zentrum p wird f/ir p ~ G als Streckung, f/ir p e G als Sehiebung oder Ms Schiebung in Richtung p bezeichnet. Dann lautet der zu beweisende

Satz. Eine 2.dimensionale Ebene ist desarguessch, wenn eine der beiden ]olgenden Bedingungen er/i~llt ist: (1) Zu zwei verschiedenen Achsen gibt es nicht identische Sehiebungen in ~eder Richtung. (2) In einer zugeh6rigen a/finen Ebene gibt es zu ]edem eigentlichen Zentrum eine nicht

identische Streckung mit der uneigentlichen Geraden als Achse. Gmmdlegend ffir den Beweis dieses Satzes und einer Reihe verwandter Aussagen ist. das

Lemma. Ist in einer 2.dimensionalen a]finen Ebene die Gruppe der Schiebungen (mit uneigentlicher Achse) is so ist sie in mindestens einer Richtung transitiv (d. h. transitiv au/ den eigentlichen Punkten einer ]eden Geraden dieser Richtung).

Beispiele zeigen, daft sich die Aussage des Lemmas nicht verschiirfen l~,/3t: Es gibt eine 2-dimensionale Ebene, in der Verbinden und Schneiden nieht nur stetige, son-

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dern sogar analytisehe Operationen sind (zum Problem der Existenz solcher nicht desarguesscher Ebenen siehe KUIPER [8]), und deren Schiebungsgruppe beziiglich einer best immten Aebse in einer Riehtung transitiv ist, w~hrend sie in jeder anderen Richtung nur abziihlbar ist. Andererseits hat ANDRe. [1] ein Konstruktionsverfahren besehrieben, das 2-dimensionMe Ebenen mit Schiebungen in abzg, hlbar ~ielen P~ich- tungen und abz~hlbarer (also in keiner Riehtung transitiver) Schiebungsgruppe liefert.

2. Beweis des Lemmas. Dem Beweis des Lemmas werde ein Hilfssatz vorausge- schickt, der wohlbekannt sein dfirfte, dessen Beweis aber wegen seiner Wichtigkeit ffir das Folgende hier skizziert warden soll.

Hilfssatz 1. Eine Gruppe q) von (abgesehen yon der Id~zntitgt) f ixpunkt]reien Homdo- morphismen der reeUen Zahlengeraden R ist in natiirlicher Weise archimedisch ange- ordnet und daher kommutativ. Eiir jedes r ~ I~ ist r e eine nach beiden Seiten unbe. schrdnkte Teilmenge von R, [alls q5 ee I.

Is t q eine feste Zahl aus R, sind ~,/~ e ~5, so folgt r = fl aus q~ = qO. Wir definieren a < fl, wenn qe < q0 in der Anordnung der reellen Zahlen. Wegen den Zwisehenwert- satzes grit dann sogar r a < r e fiir jedes r ~ R. Als fixpunktfreie umkehrbar stetige Abbildung ist jedes a e (it eine monoton waehsende reelle Funktion. Daher folgt aus r162 < / ? stets :r <//?~ und y0r < ?/~, d. h. (15 ist eine angeordnete Gruppe. Durch die Abbildung ~ --> r ~ wird dann ~b hom6omorph auf eine Menge reeller Zahlen abge- bildet. Insbesondere geht bei dieser Abbildung jede zyklisehe Untergruppe {~} . 1 yon ~ in eine nach beiden Seiten unbeschr/imkte Teilmenge yon R fiber. Also ist (i5 arehimedisch angeordnet und hieraus folgt naeh einem Satz yon ttOLD~R [7] (siehe aueh BIRKI~OFF [4], S. 226) die Kommutat ivi t / i t yon ~.

Es sei n u n / ~ die Gruppe der Sehiebungen (mit uneigentlicher Achse W) in einer 2-dimensionalen affinen Ebene, die naeh dem in der Einleitung Bemerkten die topo- logische Struktur der euklidischen Ebene tr~Lgt. Jedes Element ~ der Gruppe 1" ist eindeutig best immt durch die Wirkung auf einen festen eigentlichen Punkt p, und zwar ist

x~ = (z u ( (p u p~) n W)) n (p~ u ( (p u x) (~ W))

ffir jeden eigentliehen Punkt x ~ p u p y. Mit einem festen P u n k t q ~ p u p v gilt dann x v -~ (p u pV) f3 (qYu ((q u x) (3 W)) ffir die Punkte x E p U pr. Wegen der Stetigkeit des Verbindens und Schneidens ist )1 also ein Hom6omorphismus der affinen Ebene.

Liegen die Punkte pV ffir )J E F alle auf ein und derselben Geraden G, so bedeutet das, dab 1 ~ nur Sehiebungen in der Riehtung yon G, d. h. mi t dem Zentrum 0(3 W enthi~lt. In diesem FalI kann man /~ als eine Gruppe yon fixpunktfreien Hom6o- morphismen der zur Menge /? der reellen Zahlen homSomorphen affinen Geraden G -- (G (3 W) betrachten. Nach Hilfssatz 1 ist F also kommutat iv . Enthal t aber / ' Sehiebungen in zwei verschiedenen Riehtungen, so folgt die Kommuta t iv i t a t von /1 in bekannter Weise (siehe z. B. ARTIN [2], PICKERT [9], S. 199) ohne jede topolo- gische Voraussetzung. In jedem Fall i s t / ' also eine kommuta t ive Gruppe.

In _/7 soil nun in natiirlicher Weise eine Topologie eingeffihrt werden, d i e / ' zu einer lokal kompakten topologisehen Gruppe macht. Zu diesem Zweck wii, hlt man einen festen eigentlichen Punkt p und definiert

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lira 7n ~ Y dann und nur dann, wenn lim prn __-- p r , n - - > o o n - - - ~ o o

d . h . man erkl~rt die umkehrbar eindeutige Abbi ldung 7--~ p7 zu einem Hom6o- morphismus y o n / ' au f eine Teilmenge der (lokal kompakten) affinen Ebene. Es wird sich weiterhin zeigen, dab diese Teilmenge abgeschlossen und daher /~ selbst lokal k o m p a k t ist.

I s t {Tn}n~176 eine Folge von Schiebungen 7n e F , fiir die p7n gegen einen eigentlichen P u n k t q konvergiert , so sell eine Schiebung ~ e F mit p~ ~ q angegeben werden. Is t q = p, so wird diese Bedingung v o n d e r Ident i t / i t erfiillt. Andernfalls mull die ge- suchte Sehiebung dureh x ~ -----lim xVn gegeben werden. Wir wollen zeigen, dab y

hierdureh tats/~ehlich in der ganzen affinen Ebene definiert ist und eine Schiebung a u s / " darstellt .

1) Wegen q . p existiert lim (pup:~'*)n W = z. Ffir x q ~ p u z ist dann n - - ~ o o

lira x~n = (x ~3 z) c~ (q U ( (p t3 x) C~ W) ) n - - ~ O O

und fiir x e p u z erh~lt man

lim xVn = (x u z) n (lim srn k3 ((s u x) n W)) n - - ~ o O n ' '~OO

mit einem festen Hi l fspunkt s ~ p u z. 2) ~ ist eine Kollineation ( = Homomorph i smus) ; denn jede punktweise konver-

gente Folge yon Koll ineationen einer topologischen Ebene liefert eine kollineare Ab- bildung der Ebene in sich. Ggbe es n~mlich drei kollineare Punk te x, y, z, fiir die x v, yV, zV nicht ko]linear w~ren, so g~be es volle Umgebungen yon x r, yr, zV, die yon keiner Geraden gleichzeitig alle drei getroffen wfirden, also eine N u m m e r n, fiir die schon x vn, yVn, z~n nicht kollinear wgren.

3) ~ ist umkehrba r und zwar ist

x v - l = ( x U z ) c ~ ( p U ( ( q ~ ) x ) c ~ W ) ) ffir x ~ p u z ,

wiihrend ffir x e p u z mit eiflem Hiffspunkt s ~ p ~) z gilt :

x ~-~ = (x u z) n (s w ((s~ u x) c~ W ) ) .

4) 7 1/~l]t aUe uneigentliehen Punk te lest und fiihrt ~lle Geraden parallel zu p~3q in sieh fiber.

Dami t ist 7 als die gesuchte Schiebung naehgewiesen. J e t z t ist noch zu zeigen, dab /" mit der so erkl/~rten Topologie eine topologische

Gruppe ist. I s t lim an = cr und lira fin = fl fiir zwei Folgen an, fin aus F , so ergibt

eine unmit te lbare Anwendung der Definition yon Schiebungen und der Stetigkeit des Verbindens und Schneidens die Konvergenz yon a~ ~ fin gegen ~r wenn p, p~, p~ drei verschiedene nicht kollineare Punk te sind. I s t p e pa U p~, insbesondere ~r 4: fl, so ergibt sieh dasselbe au f dem Umweg fiber einen Hi l fspunkt h ~ p~ u p ~, ffir den

lira h r = h ~'-~ unmit te lbar ersichtlieh ist. Den Fall ~r = fl kann man sehlieBlieh n - - §

auf den vorigen zuriickffihren, indem man die Folge der fin mit einer festen

Archly der Mathemat ik I X 2 9

4 5 0 H . SALZMANN ARCH. MATH.

Sehiebung y multipliziert; denn weil ~, ein Hom5omorphismus der Ebene ist, sind die Aussagen

l i m f i n : f l , l impfl~=p~, l imp~,o '~p~r, l imf ln~-~f l n---~co n--->oo n--r ~t----~oo

alle zueinander ~,quivalent. Zusammenfassend ist damit 1' eine lokal kompakte kommutative topologisehe

Gruppe. Die Struktur soleher Gruppen ist wohlbekannt (siehe z .B. WEIL [13], S. l l0). Sie zerfallen in ein direktes Produkt zweier Faktoren, von denen dcr erste Faktor die additive Gruppe R n des n-dimensionalen euklidisehen Raumes ist (n eine ganze Zahl ~ 0) und der zweite Faktor eine Erweiterung einer kompakten Gruppe durch eine diskrete.

Nun kann aber die Schiebungsgruppe 1" keine l~ompakte Untergruppe . 1 ent- halten; denn sei ~ . 1 eine Sehiebung aus / ' . Dann induziert die von ~ erzeugte zyklisehe Untergruppe {y} auf der Menge der eigentlichen Punkte yon p u p r eine Gruppe yon fixpunktfreien Hom6omorphismen. Nach Hilfssatz 1 ist daher {y} eine angeordnete Gruppe und als solehe von unendlicher Ordnung. Die yon F in {y} in- duzierte Topologie st immt nach Konstruktion mit der Ordnungstopologie yon {~} iiberein und in dieser ist {7} diskret, da es kein Element zwisehen 1 und dem er- zeugenden Element y gibt. Die Schiebung 7 erzeugt also eine unendliche diskrete Gruppe und kann daher keiner kompakten Untergruppe angeh6ren.

Damit ist bewiesen, dab l" v o n d e r Form R n • D ist, we D eine diskrete Gruppe ist. Je tz t kommt die t~berabz~hlbarkeit ins Spiel. Als diskrete Gruppe, die einer Teil- menge der euklidisehen Ebene homSomorph ist, kann D nis h6chstens abz~hlbar sein, da ja bekanntlich jede tiberabz~hlbare Menge in der Ebene einen H~ufungs- punkt hat (siehe z. B. HAUSDORFF [6], S. 268). Da abet /" selbst fiberabzi~hlbar ist, mug n mindestens -- 1 sein, und man hat in 1" eine Untergruppe P yon der Struktur der additiven Gruppe R der reellen Zahlen geflmden.

Je tz t wird sich zeigen, dab P transitiv auf einer ganzen affinen Geraden ist und dal] pP eine solche Gerade ist. In der Tat sind die Punkte p0 fiir Q ~ P alle kollinear : Zuni~chst ist dies naeh Definition einer Schiebung klar ffir jede zyklisehe Untergruppe yon P, dann gilt aber dasselbe aueh fiir jede lokal zyklisehe 1) Untergruppe von P, also flit jede Untergruppe ~2 yon P, die die Struktur der additiven Gruppe der ratio- nalen Zahlen hat. Eine solche Gruppe/2 liegt iiberall dieht in P, daher ist pa fiberall dicht in p~' und wegen der Abgeschlossenheit der Geraden ist pP ganz in einer Geraden enthalten. Je tz t folgt aus dem Beweis von Hilfssatz 1, dab P homSomorph zu der nach beiden Seiten hin unbesehr~nkten Teilmenge pl, der durch pP bestimmten affinen Geraden ist, die ihrerseits die Topologie der reellen Zahlenmenge tragt. Also stimmt pZ, mit dieser affinen Geraden iiberein. Damit hat sieh ergeben, dab die Unter- gruppe P yon /1 in der Richtung der Geraden pP transitiv ist, und das Lemma ist bewiesen.

Aus dem Beweis des Lemmas folgt noeh der

Zusatz. 1st in einer 2-dimensionalen a]finen Ebene die Gruppe der Schiebungen in einer /esten Richtung iiberabzdhlbar, so ist sie sogar transitiv in dieser Richtung.

l) Ein~ Gruppe heii~t lokal zyldisch, wenn jede endliche Teilmenge eine zyIdisehe Untergrutope erzeugt.

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3. Der Satz. Die erste Aussage des in der Einleitnng formulierten Satzes wird sieh nun ergeben aus dem Lemma und

Hil[ssatz 2. Eine 2-dimensionale a/fine Ebene, deren Schiebungsgruppe in zwei ver- schiedenen und daher allen Richtu,ngen transitiv ist, ist isomorph zur Ebene i~ber den reellen Zahlen und daher desarguessch.

Der Beweis dieser Tatsaehe finder sieh bei SALZMANN [10], w 12. Er folgt sehr ein- faeh daraus, dab der Kern des QuasikSrpers, der zu der affinen Ebene als Koordi- natenbereich geh6rt, fiberall dicht und abgeschlossen in dem Quasik6rper ist, also mit dem QuasikSrper iibereinstimmt, der demnach der K6rper der reellen Zahlen ist.

Nun soll unter der Voraussetzung (1) gefolgert werden, dab die betrachtete Ebene desarguessch ist. Anwendung des Lemmas auf die beiden Achsen G und H, zu denen es Sehiebungen in jeder Riehtung gibt, zu denen also insbesondere iiberabz~hlbare Sehiebtmgsgruppen geh6ren, liefert auf jeder der beiden Geraden ein Zentrum mit transitiver Schiebungsgruppe. Nun muir man zwei Fiille unterscheiden, je naehdem ob dieses Zentrum ffir beide Achsen mit dem Schnit tpunkt s von G und H zusammen- f/Elt oder nieht. Im ersten Fall erfiillt die duale Ebene die Voraussetzungen des Hilfs- satzes 2 und ist also desarguessch. Dann ist aber auch die Ebene selbst desarguesseh. Im zweiten Fall geht etwa die Gerade H nieht dutch das zu G geh6rende Zentrum p mit transitiver Schiebungsgruppe. Vermittels der nach Voraussetzung vorhandenen (8, H)-Schiebung l~l]t sieh p in einen anderen Punkt q der Geraden G fiberffihren, dessert Schiebungsgrnppe beztiglieh G also isomorph zur Gruppe der (p, G)-Sehie- bungen und daher ebenfalls transitiv ist. Nach Hilfssatz 2 ist also die Ebene auch in diesem Fall desarguesseh.

Der Beweis der zweiten Aussage des Satzes beruht auf Hilfssatz 3. 1st in einer 2-dimensionalen a/finen Ebene ~eder eigentliehe Punkt einer

a/finen Geraden A Zentrum einer (nicht identisehen) Strec]cung, so ist die Gruppe der Schiebungen in der l~ichtung yon A i~berabziihlbar.

ttierbei sind Streekung und Sehiebung immer bezfiglieh der uneigentlichen Ge- raden Ms Achse zu verstehen. Man muB zwei F/ille unterseheiden:

(I) Es gibt zu fiberabziihlbar vielen Zentren auf A involutorische Streekungen oder ,,Spiegelungen". Das Produkt zweier Spiegelungen mit verschiedenen Zentren ist naeh einer bekannten Bemerkung (]~AER [3], S. 103, Lemma 1) stets eine Schie- bung in tier t~ichtung der Verbindungsgeraden tier beiden Zentren. Multipliziert man also alle Spiegelungen mit Zentrum auf A mit einer festen unter ihnen, so erh~lt man iiberabzghlbar viele verschiedene Sehiebungen in der Richtung yon A.

(II) Es gibt zu fiberabzahlbar vielen Zentren auf A nieht involutorisehe Strek- kungen.

Durch die Gerade A wird das Bfischel der Parallelen zu A (d. h. der affinen Ge- raden, die mit A den uneigentlichen Punkt gemeinsam haben) in zwei zusammen- h/~ngende Komponenten zerlegt, die in der Topologie des Raumes aller Geraden hom6omorph zur Menge der reellen Zahlen sind. Eine Streckung a mit Zentrum auf A vertauscht diese beiden Komponenten oder fiihrt sie als Ganzes in sieh fiber. Im zweiten Fall soll a eine eigentliche Streckung heii]en.

Unter der Voraussetzung (II) geh6ren zu fiberabz~hlbar vielen Zentren auf A eigentliche (nicht identisehe) Streekungen, da das Quadrat jeder Streckung eigentlich

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452 H. SALZMANN ARCtI. MATIn.

ist. Es sei nun A die von den eigent l ichcn S t reckungen mi t Z e n t rum auf A erzeugte Gruppe und X die Un te rg ruppe der Schiebungen aus 2 (die alle den uneigent l ichen P u n k t von A z u m Z e n t r u m haben ) .Da bei T r a n s i b r m a t i o n der Ebene m i t ciner S t reckung jeder uneigent l iche P u n k t fest b lc ib t , i s t 2: sogar ein Normal te i l e r von A. Die F a k t o r - g ruppe A/z~ oper ier t nun f ixpunkt f re i auf j edem der beiden zusammenh~ngenden Halbbf ischel yon Para l le len zu A ; denn eine S t r eckung mi t Z e n t r u m au f A, die eine von A verschiedenc Para l le le zu A les t 1/iBt, is t die Idcnti t i~t .

Nach Hi l fssa tz 1 is t also A/22 k o m m u t a t i v , ~" en th~l t die K o m m u t a t o r g r u p p e A ' von A. Zwei S t reckungen o, ~ mig verschiedenen Zen t ren kSnnen aber niemals ver- t a u s c h b a r sein, d a das Zcn t rum s yon a bei T rans fo rma t ion mi t T in das Zen t rum s T :~ s yon a ~ ~ v -1 a ~ i ibergeff ihr t wird. D a m i t h a t m a n e rha l t en :

Der Kommutator a o 7: -~ (x -1 ~-1 (r ~: zweier eigentlicher Streclcungen mit verschiedenen

Zentren ist stets eine (nicht identische) Schiebung. Nun soll die Annahme , die Gruppe der Schiebungen in der R i c h t u n g yon A sei

hSchs tens abz/~hlbar, zu e inem Wide r sp ruch geff ihrt werden. Dazu w/ihlt man eine i iberabz/~hlbare Menge q) von S t reckungen aus A mi t l au te r verschiedenen Zent ren und b i lde t mi t e inem fes ten E l e m e n t ~ ~ qb alle K o m m u t a t o r e n ar o a for 0r :~ a ~ ~ . Man erh/i l t so lau te r Schiebungen in R i c h t u n g yon A. Gib t es nur abz/~hlbar viele verschiedene solcher Schiebungen, so mull es ein fi ~= ~ in (i5 geben, zu dem i iber- abzs viele a ~ qJ mi t :r ~ a =- ~ ~ fl exist ieren. Aus ~ o a ~ 0r ~ folgt ~ - ' = ~r Die i ibe rahz~hlbar vielen verschiedenen E lemen te aft -I ]icgen also al le im Normal i - sa to r von ~ und haben daher allc dasselbe Zen t rum wie ~. Die zum Z e n t rum von :r gehSrende eigentl iche S t reckungsgruppe O ist daher f iberabz/ ihlbar . J e t z t s ind die K o m m u t a t o r e n /~ o ~ fiir g e 6) s/ imtlich versch ieden ; denn aus fl o o" --~ fl ~ ~ mi t (r, v ~ O folgt /~"~" : /? und da raus ~ : ~, da wegen /~ ~ O der N o r m a l i s a t o r yon fl m i t 6) den Durchschn i t t 1 hat . Die Schiebungsgruppe enth/ i l t fl o O u n d is t also doch fiberabzi~hlbar. D a m i t is t Hi l fssatz 3 bewiesen.

K o m b i n a t i o n der Hilfss~tze 2 und 3 mi t dem Zusatz zum L e m m a erg ib t unmi t t e l - ba r die zweite B e h a u p t u n g des Satzes.

4. Beispiel. Es soll eine 2-dimensionale affine Ebene kons t ru i e r t werden, die in j eder R i c h t u n g Schiebungen ges ta t t e t , deren Schiebungsgruppe abe r nur in genau einer R ich tung t r ans i t i v ist. AuBerdem sollen in ihr Verb inden und Schneiden ana ly t i sche Opera t ionen sein. Dazu wiihlt man als P u n k t e der affinen Ebene die P a a r e (x, y) reeller Zahlen, als Geraden die durch

x = c o n s t , bzw. y = s o x - k t

def inier ten Punk tmengen , wobei

s o x = s x + p ( s , z ) = z ~

mi t einem noch geeignet zu be s t immcnden ana ly t i schen StSrungsgl ied p(s, x ) =

= p (x, s) sein soll. Die F o r d e r u n g der e indeut igen Exis tenz des Schn i t t punk te s zweier n ich t para l le le r

Gcraden ist jedenfal ls erffillt, wenn a2 ~2

O ~ x ( 8 ~ oder 8 ~ a x P ( s ' x ) ~ c - - 1

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fiir eine feste Zahl c > 0 gilt. Wegen der geforder ten K o m m u t a t i v i t i i t de r o-Multipli- ka t ion is t d a n n ftir xl * x2 aueh s o x x - s o x2 eine s t reng mono tone Fmxkt ion yon s und da raus folgt die Exis tenz und eindeugige B e s t i m m t h e i t der Verbindungs- ge raden verschiedener Punk te .

Geht man also aus von einer ana ly t i sehen F u n k t i o n q, die den Bedingungen q (u, v) = q(v, u) > c - - 1 > - - 1 gen5gt und se tz t m a n

X

p (~, x) = f f q (u, v) dv d~, 0 0

so erh/~lt m a n dureh die obige K o n s t r u k t i o n eine affine Ebene . Es is t zweekm/~$ig, q noeh so zu normieren, dab 1 o x ~ x wird, was man dureh die F o r d e r u n g

1

fq (~ ,v) d~ = o 0

erre ieht . Infolge tier Assozia t iv i t i i t der Addi t ion is t in jeder so gewonnenen affinen Ebene

die T rans i t i v i t g t tier Sehiebungsgruppe in der 1%ichtung der y-Achse sehon gewi~hr- leistet , siehe z. B. PICKEnT [10], S. 100, Sa tz 36. Was ffir eine E inschrgnkung ffir q bedeu te t nun die Exis tenz einer Schiebung in R i e h t u n g der x-Aehse, die e twa den P u n k t (0, 0) in (e, 0) i iberf i ihren mSge ? Eine solche Schiebung b i lde t j eden P u n k t (x, y) au f e inen P u n k t (x ~, y) gieieher Ord ina t e ab und f f ihr t d ie Gerade y = ~ o �9 + t in eine para l le le Gerade y =- s o x + u fiber. Daraus e rg ib t sich die Bedingung

s o x + t = s ~ 1 7 6 + u ,

aus der wegen 0 ~ ---- e die Beziehung t = s o e + u folgt. Se tz t man j e t z t s --~ 1, so f inder man x ~ ~- x -[- e. D a m i t ha t man die Gfi l t igkei t yon

8 o x + s o e = s o ( x + e ) f f i r b e l i e b i g e s u n d x

als no twendige und h inre ichende Bed ingung fiir Schiebung e rkann t . F t i r q heifi t das

r x-'Te

fq(~, ~) e~ + .[q(u, v) dv ---- fq(~, ,)dv oder 0 t3 0

die Exis tenz der gewtinschten

e d - x x

fq(~, v)~v = fq(~, ,,)dr. c 0

Die F u n k t i o n q muf3 also in einem und daher in beiden A rgume n te n die Per iode e haben. Durch t r igonomet r i sche P o l y n o m e lassen sich alle an q geste] l ten F o r d e r u n g e n in sehr e infacher Weise erfiillen, e twa du tch q(u, v) = a cos 2~ru cos 2 s v m i t l a] < 1 fiir e = 1. Die Sch iebungsgruppe bes t eh t d a n n aus allen Abb i ldungen

(x, y) --> (x + he, y -b t) fiir ganze n u n d reelle t,

enth/ i l t also Schiebungen in jeder R ich tung .

Literaturverzeichnis

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454 H . SALZMANN ARCI~. /~TATH.

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[9] G. P:CX~RT, Projektive Ebenen. Berlin-GSttingen-Heidelberg 1955. [10] H. SALZMANN, Topologisehe projektive EbEnen. Math. Z. 67, 436--466 (1957). [11] L. A. SKO:cNZA~ZOV, Projektive Ebenen. Uspechi mat. Nauk. 6, 112--154 (1951) (russisch);

vgl. auch Zentralblatt 45, 99 (1951). [12] A. WAG~ER, On projective planes transitive on quadrangels. J. London math. Soe. 88,

25--33 (1958). [13] A. WEIL, L'int6gration dans 1es groupes topologiques. 2. Auflage, Paris 1951.

Eingegangen am 20. 2. 1958