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Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science Westfälische Wilhelms-Universität Münster Fachbereich Mathematik und Informatik Institut für Numerische und Angewandte Mathematik Betreuung: Prof. Dr. Martin Burger Dr. Frank Wübbeling Eingereicht von: Florian Grüne Göteborg, Februar 2011

Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

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Kontinuumsmechanische Modelle

der menschlichen Wirbelsäule

Bachelorarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Science

Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Fachbereich Mathematik und Informatik

Institut für Numerische und Angewandte Mathematik

Betreuung:

Prof. Dr. Martin Burger

Dr. Frank Wübbeling

Eingereicht von:

Florian Grüne

Göteborg, Februar 2011

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I

Zusammenfassung

In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der

menschlichen Wirbelsäule hergeleitet. Für ein grundlegendes Verständnis des zu model-

lierenden Problems werden zunächst die anatomischen Komponenten der Wirbelsäule

betrachtet. Anschließend wird als Ausgangspunkt für die weitere Modellierung das stati-

sche Grundmodell der Strukturmechanik erläutert. Dabei handelt es sich um ein System

partieller Differentialgleichungen, welches das Kräftegleichgewicht für einen deformierten

Körper beschreibt. Auf Grundlage der mechanischen Eigenschaften der einzelnen anatomi-

schen Komponenten werden dann lineare sowie nichtlineare Materialmodelle für Wirbel,

Bandscheiben und Bänder diskutiert. Diese gehen zusammen mit dem Grundmodell in

ein dreidimensionales Kontinuumsmodell der Wirbelsäule ein.

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II

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich, Florian Grüne, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig ver-

fasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.

Gedanklich, inhaltlich oder wörtlich übernommenes habe ich durch Angabe von Herkunft

und Text oder Anmerkung belegt bzw. kenntlich gemacht. Dies gilt in gleicher Weise für

Bilder, Tabellen, Zeichnungen und Skizzen, die nicht von mir selbst erstellt wurden.

Göteborg, 21.02.2011

Florian Grüne

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INHALTSVERZEICHNIS III

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Aufbau der Wirbelsäule 3

2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.2 Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.3 Bandscheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.4 Bänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Grundlagen der Kontinuumsmechanik 9

3.1 Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3.2 Verzerrungstensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.3 Spannungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.4 Kräftegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.5 Piola-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3.6 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.6.1 Dirichlet-Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.6.2 Neumann-Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.7 Materialgesetze 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.8 Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Anwendung auf die Wirbelsäule 18

4.1 Materialgesetze 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

4.2 Wirbelkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.3 Faserring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.4 Gallertkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4.5 Bänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.6 Kontaktproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.7 Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4.8 Modell der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

5 Fazit und Ausblick 36

Literatur 40

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1 EINLEITUNG 1

1 Einleitung

Heutzutage gewinnt die Anwendung der Mathematik bei der Lösung von medizinischen

Fragestellungen zunehmend an Bedeutung. Das ist auf die immer besser werdende Com-

putertechnik zurückzuführen, welche für die numerische Simulation der Anwendungspro-

bleme eine entscheidende Rolle spielt. Mit schnelleren Computern können mathematische

Probleme in kürzerer Zeit gelöst werden. Außerdem ist es mit einem größeren Arbeitsspei-

cher möglich, größere Probleme zu lösen. Da die Rechen- und Speichertechnik mittlerweile

so weit fortgeschritten ist, dass praxisrelevante dreidimensionale Probleme in akzeptabler

Zeit numerisch gelöst werden können, ergeben sich im Bereich der Medizin einige inter-

essante Anwendungen der Mathematik. In dieser Arbeit werden wir eine solche Anwen-

dung behandeln. Wir leiten ein dreidimensionales Kontinuumsmodell der menschlichen

Wirbelsäule her, das als Grundlage für medizinische Verwendungen dienen kann. Die Lö-

sung des dahinterstehenden mathematischen Problems ist die im Material auftretende

mechanische Spannung. Kenntnisse über die Spannung können zum Beispiel dabei hel-

fen, das Entstehen von Rückenschmerzen, das Auftreten von Bandscheibenvorfällen oder

die Krankheit Osteoporose besser zu verstehen. Mit den gewonnenen Einsichten können

dann gezielt Präventionsmaßnahmen oder Therapien entwickelt werden. Eine weitere An-

wendung ist die Optimierung künstlicher Wirbelknochen und Bandscheiben. Wird ein

Implantat in das Modell integriert, kann es nach und nach so angepasst werden, dass sich

die Spannung im benachbarten Gewebe möglichst natürlich verhält, was den Lebenszyklus

des Implantates deutlich erhöht. Da die Form der Wirbelsäule via Computertomographie

zugänglich ist, kann diese Methode sogar Geometrie-spezifisch durchgeführt werden, so

dass jeder Patient ein maßgeschneidertes Implantat erhält. Ein weiterer großer Vorteil sol-

cher in-silico Experimente besteht darin, dass die Spannung ohne künstlichen Eingriff in

das Objekt berechnet werden kann. Entsprechende Experimente am lebenden Patienten

wären gar nicht denkbar.

Diese Arbeit ist wie folgt gegliedert. Um das zugrundeliegende reale Problem unseres

Modells genau zu verstehen, machen wir uns im folgenden Abschnitt mit dem Aufbau

der menschlichen Wirbelsäule vertraut. Wir betrachten dazu die Form und die Mate-

rialien der einzelnen anatomischen Komponenten. Der dritte Abschnitt gibt dann eine

Einführung in die Kontinuumsmechanik. Untersucht wird ein deformierbarer Körper im

statischen Gleichgewicht. Als mathematisches Modell erhalten wir dafür ein Randwert-

problem partieller Differentialgleichungen. In dieses Modell gehen materialspezifische Pa-

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1 EINLEITUNG 2

rameter mit ein. Um die Wirbelsäule modellieren zu können beschäftigen wir uns deshalb

im vierten Abschnitt mit den Eigenschaften der beteiligten Materialien, geben Kontakt-

und Übergangsbedingungen auf den Rändern der entstehenden Teilgebiete an und fassen

abschließend alles in einem Gesamtmodell zusammen. Am Ende folgt eine kurze Zusam-

menfassung der geleisteten Arbeit und ein Ausblick auf eine mögliche Weiterentwicklung

und Analyse des Modells.

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 3

2 Aufbau der Wirbelsäule

In diesem Abschnitt erläutern wir zunächst einige allgemeine anatomische Fakten und

gehen dann näher auf die einzelnen Komponenten ein, um eine medizinische Grundlage

für unser Modell zu schaffen. Für ein besseres Verständnis arbeiten wir hier mit den

deutschen Bezeichnungen. Wir geben jedoch für die wichtigsten Begriffe zusätzlich die

lateinischen Fachtermini in Klammern an, um Vergleiche mit der medizinischen Literatur

zu ermöglichen.

2.1 Allgemeines

Die Wirbelsäule ist eine Komposition von Knochen- und Weichteilen. Sie besteht aus 33 bis

34 Wirbelknochen (vertebrae). Davon sind 24 unabhängig und neun bis zehn in Kreuz- und

Steißbein (Os sacrum und Os coccygis) miteinander verwachsenen. Ihre makroskopische

Form ist die einer doppelten S-Kurve (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Links: Gesamte Wirbelsäule von hinten und von links. Rechts: Lendenwirbel,Draufsicht und Seitenansicht. Die beiden Wirbel berühren sich an den Wirbelgelenken,abgeändert nach [1].

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 4

Die einzelnen Wirbel sind, durch dazwischenliegende Bandscheiben (Discus intervertebra-

lis), flexibel miteinander verbunden. Darüber hinaus existieren diverse Bänder zwischen

den Wirbeln, die für zusätzliche Stabilität sorgen. An den Außenseiten der Brustwir-

bel schließen sich über Gelenke die Rippen an, welche den Brustkorb formen. Man nimmt

vom Kopf abwärts folgende Einteilung vor: Halswirbelsäule (Vertebrae cervicales, C1-C7),

Brustwirbelsäule (Vertebrae thoracicae, T1-T12), Lendenwirbelsäule (Vertbrae lumbales,

L1-L5), Kreuzbein und Steißbein (siehe Abb. 1). Nach Noailly [15] übernimmt die Wir-

belsäule im wesentlichen drei Funktionen.

(i) Sie stabilisiert den Rumpf des Menschen, trägt dabei den Hauptteil der Gewichts-

kräfte und ermöglicht so den aufrechten Gang des Menschen.

(ii) Durch die weiche Verbindung der Wirbel wird die notwendige Flexibilität in Biegung

und Torsion ermöglicht.

(iii) Die Nervenstränge des Rückenmarks werden im Wirbelkanal vor äußeren mechani-

schen Einflüssen geschützt.

2.2 Wirbel

Material: Knochen sind ein komplexes Multiskalen- und Multiphasenmaterial. Die feste

Phase besteht im wesentlichen aus der anorganischen Substanz Calcium-Hydroxylapatit

Ca10(PO4)6(OH)2 und dem Protein Kollagen Typ I, siehe [24]. Diese beiden Stoffe er-

gänzen sich in ihren mechanischen Eigenschaften. Durch die hohe Steifigkeit des Calcium

Hydroxylapatits und die elastischen, langkettigen Moleküle des Kollagens entsteht ein sehr

stabiles Verbundmaterial [13]. Bei der geometrischen Struktur unterscheidet man auf der

gröbsten Skala zwischen kompaktem und porösem Knochen (Substantia spongiosa bzw.

compacta). Der kompakte Knochen bildet die Oberfläche der Wirbel und ist etwa 0.6mm

dick [9]. Das Innere besteht aus porös strukturiertem Knochen, der aus sogenannten Tra-

bekeln, d.h. kleinen Balken, aufgebaut ist. Diese bilden eine komplex geformte Geometrie,

die sich der jeweiligen spezifischen Belastung des Knochens im Laufe des Lebens an-

passt [25]. Mechanosensitive Zellen, genannt Osteoblasten und Osteoklasten, bauen dabei

Knochen auf bzw. ab [16]. So wird der Knochen ständig, aufgrund des Gleichgewichts

zwischen Knochenauf- und abbau, erneuert. Bei der Erkrankung Osteoporose kommt es

zu einer Störung dieses natürlichen Gleichgewichts, was in der Bilanz einen Schwund an

Knochenmasse, sowie eine strukturellen Schwächung zur Folge hat (siehe Abb. 2). Eine

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 5

weitere Phase ist das Knochenmark, eine viskose Flüssigkeit, welche sich in den Hohl-

räumen der porösen Knochensubstanz befindet. Das Knochenmark ist im wesentlichen

für die Blutbildung verantwortlich. Seine Rolle für die Stabilität des Knochen wird noch

diskutiert [8].

Abbildung 2: Poröser Knochen eines Wirbels. Links: CT-Aufnahmen eines gesunden Wir-bels (A) und eines Wirbels mit Osteoporose (B). Ansicht jeweils seitlich (1) und von oben(2). Man sieht deutlich die geschwächte Struktur des erkrankten Objekts [3]. Rechts:Vergrößerung der Trabekel-Struktur eines Wirbels mit Elektronen-Mikroskop [5].

Form: Da sich die verschiedenen Wirbel qualitativ recht ähnlich sind, beschreiben wir

hier nur exemplarisch den typischen Aufbau eines Wirbels (siehe Abb. 3(a)). Der vordere

Teil eines Wirbels ist der Wirbelkörper (Corpus vertebrae), welcher in etwa zylindrisch

geformt ist. Er trägt den größten Teil der auftretenden Lasten und nimmt im Durchmes-

ser vom Hals zu den Lenden hin zu. Nach hinten schließt sich der Wirbelbogen (Arcus

vertebrae) an, der den Wirbelkanal (Foramen vertebrale) formt und das darin befindliche

Rückenmark umschließt. Von ihm aus ragen zu beiden Seiten Querfortsätze (Processus

transversus) und an seiner Rückseite der Dornfortsatz (Processus spinosus) nach hinten

hinaus. Diese Fortsätze dienen als Angriffspunkte der Zwischenfortsatzbänder und als He-

bel für diverse Muskeln. Im Bereich der Brustwirbelsäule sind außerdem die Rippen über

Gelenke mit den Querfortsätzten verbunden. Schließlich formen sich auf beiden Seiten

des Wirbelbogens nach oben und unten Gelenkfortsätze (Procesus articularis), die über

die Wirbelgelenke (Articulatio zygapophysialis) eine Verbindung zu den benachbarten

Wirbeln herstellen.

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 6

(a) (b)

Abbildung 3: Links: Schematische Darstellung eines Wirbels. Ansicht von hinten links,abgeändert nach [19]. Rechts: Schematische Darstellung einer Bandscheibe mit angren-zendem Wirbel. Die knorpelige Deckplatte ist nicht mit abgebildet. Ansicht von vornerechts, abgeändert nach [2].

2.3 Bandscheiben

Die Bandscheiben (Discus intervertebralis) verbinden benachbarte Wirbel über die Wir-

belkörper flexibel miteinander. Sie nehmen Kräfte auf, die bei Biegung, Torsion, Druck

und Zug auftreten und dämpfen damit plötzliche Stöße ab. Bandscheiben bestehen aus

dem Gallertkern (Nucleus pulposus), dem Faserring (Anulus fibrosus) und der knorpeli-

gen Deckplatte (siehe Abb. 3(b)). Wie der Name schon sagt, haben sie die Form einer

Scheibe. Im Zentrum dieser Scheibe befindet sich der Gallertkern, eine viskose und in-

kompressible Flüssigkeit mit einem Wasseranteil von 70-90%. Der feste Anteil besteht zu

65% aus Proteoglykanen, 20% Kollagen sowie 15% diversen Fasern und Proteinen. Der

Gallertkern wird umschlossen vom Faserring, einer lamellenartigen Struktur, bestehend

aus 10-20 Schichten von Kollagenfasern. Die Fasern sind streng geordnet. In einer Schicht

liegen alle Fasern parallel und bilden mit der Vertikalen einen Winkel von ca. 65. Mit

jeder Schicht ändert sich jedoch die Orientierung der Fasern, so dass ein gekreuztes Gewe-

be entsteht (siehe Abb. 4). Nach oben und unten wird die Bandscheibe von knorpeligen

Deckplatten abgeschlossen. Sie sind 0.6-1mm dick und bedecken den Gallertkern sowie

etwa ein Drittel des Faserrings [4].

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 7

Abbildung 4: Links: Wirbelkörper mit zugehörigen Bandscheiben [14]. Man erkennt dieStruktur der Fasern. Rechts: Schematische Darstellung des Faserrings. Mit jeder Schichtändert sich die Orientierung der Fasern, abgeändert nach [4].

2.4 Bänder

Um der Wirbelsäule zusätzliche Stabilität zu verleihen, werden die einzelnen Wirbel von

Bändern zusammengehalten. Das sind Knochen-Knochen-Verbindungen, bestehend aus

Kollagenfasern, eingebettet in einer Grundsubstanz. Die Bänder halten die Wirbelsäule

in Form, unterstützen die Muskeln passiv bei ihrer Haltearbeit und geben gewisse Grenzen

für den Bewegungsumfang des jeweiligen Abschnitts der Wirbelsäule vor. Eine detaillier-

te Übersicht der Bänder findet man in Abbildung 5. An der Vorderseite der Wirbelsäule

zieht das alle Wirbel überdeckende vordere Längsband (Ligamentum longitudinale ante-

rius) von der Schädelbasis bis zum Kreuzbein herunter. Es verhindert eine übermäßige

Biegung der Wirbelsäule nach hinten. Seine langen Fasern sind fest mit den Wirbelkör-

pern verwachsen und verbinden so nicht nur benachbarte Wirbel miteinander. Über die

Rückseite der Wirbelkörper erstreckt sich, ähnlich wie über die Vorderseite, das schwäche-

re hintere Längsband (Ligamentum longitudinale posterius). In seiner Ausdehnung ist es

nicht so breit wie das Band der Vorderseite, jedoch in stärkerem Maße mit den Fasern der

Bandscheiben verbunden. Es schränkt die Biegung nach vorne ein, wie auch die gelben

Bänder (Ligamenta flava), die sich von Wirbelbogen zu Wirbelbogen spannen und so die

Hülle des Wirbelkanals vervollständigen. Ein weiteres Band ist das Zwischenquerfortsatz-

band (Ligamentum intertransversarium), das die Querfortsätze zusammenhält und damit

die seitliche Biegefreiheit einschränkt. An der Rückseite werden die einzelnen Dornfortsät-

ze durch die Zwischendornfortsatzbänder (Ligamenta interspinalia) zusammengehalten.

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2 AUFBAU DER WIRBELSÄULE 8

Zusätzlich werden sie vom Überdornfortsatzband (Ligamentum supraspinale) verbunden,

das über alle Dornfortsätze hinweg zieht. Schließlich gibt es noch die Kapselbänder, welche

die Wirbelgelenke umschließen.

Abbildung 5: Schematische Darstellung zweier Wirbel mit Bandapparat. Ansicht von hin-ten links, abgeändert nach [19].

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 9

3 Grundlagen der Kontinuumsmechanik

In diesem Abschnitt werden wir in Anlehnung an Ciarlet [7] das Grundmodell der Struk-

turmechanik herleiten, das dann eine mathematische Basis für die weitere Arbeit bilden

wird. Es handelt sich dabei, im Gegensatz zur Mechanik der starren Körper, um ein

Kontinuumsmodell. Das heißt, dass wir einen deformierbaren Körper mit kontinuierlicher

Massenverteilung betrachten. Ziel ist es dann, für diesen Körper, der bestimmten Kräften

ausgesetzt wird, die Verzerrung und Materialspannung zu bestimmen. Nach einigen tech-

nischen Vorbereitungen werden wir dafür ein System partieller Differentialgleichungen

erhalten, welches das statische Kräftegleichgewicht beschreibt. Bei der Notation halten

wir uns an die gängigen Bezeichnungen in der Literatur, verwenden jedoch die Begriffe

Matrix und Tensor synonym.

3.1 Bezugssysteme

Da wir ein Kontinuumsmodell herleiten wollen, setzen wir voraus, dass uns der zu betrach-

tende Körper in Form einer kontinuierlichen Massendichte, sowie seiner geometrischen

Gestalt bekannt ist. Sei also Ω0 ⊂ R3 das Gebiet, welches der Körper im Unbelasteten

Zustand, dem Referenzzustand, einnimmt und Ω ⊂ R3 jenes unter dem Einfluss äuße-

rer Kräfte. Es gibt dann zwei Möglichkeiten dessen Verzerrung zu beschreiben. Bei der

Lagrangeschen Betrachtungsweise wird ein Massepunkt ξ ∈ Ω0 durch die Abbildung

x : Ω0 → Ω, ξ 7→ x(ξ)

auf seinen neuen Ort x(ξ) ∈ Ω abgebildet (siehe Abb. 7). Dabei sei x eine stetige und je

nach Situation hinreichend oft differenzierbare Abbildung. Aus dem einfachen physikali-

schen Grund, dass sich zwei verschiedene Massenpunkte nicht an gleicher Stelle aufhalten

können, folgern wir die Bijektivität dieser Abbildung. Das erlaubt uns die zweite Alter-

native anzugeben, die Eulersche Darstellung. Hier wird einem festen Raumpunkt x der

jeweilige Massenpunkt ξ(x), der sich gerade am Ort x befindet, durch die Funktion

ξ : Ω → Ω0, x 7→ ξ(x)

zugeordnet. Da der Körper unter der Deformation seine Orientierung erhält, stellen wir

weiterhin fest, dass für die Funktionaldeterminante det(∇x) > 0 gelten muss. Anbei sei

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 10

noch bemerkt, dass wir die Deformation auch durch die Verschiebung u(ξ) des Punktes ξ

ausdrücken können. Die Deformation nimmt dann die Gestalt

(1) x(ξ) = ξ + u(ξ)

an. Dies werden wir für die Definition der Randbedingungen unseres Modells benötigen.

Abbildung 6: Verzerrung eines Knochen. Links: Der unbelastet Knochen nimmt das Refe-renzgebiet Ω0 ein. Rechts: Unter Einwirkung von Kräften wird der Knochen verzerrt undgeht in das Gebiet Ω über.

3.2 Verzerrungstensoren

Wir wollen jetzt einen Tensor E(ξ) ∈ R3×3 herleiten, der die lokale Verzerrung des Ma-

terials beschreibt. Man könnte dafür den Deformationsgradient ∇x verwenden, den wir

künftig mit F := ∇x bezeichnen werden. Da das Material in seinem Referenzzustand und

unter Starrkörperbewegungen nicht verzerrt wird, soll E für alle Drehungen Q ∈ SO(3)

und alle Verschiebungen v ∈ R3 verschwinden. Das heißt, ist x(ξ) = Qξ + v für alle

ξ ∈ Ω0, so soll E = 0 gelten. Damit stellt sich F aber als ungeeignet heraus, da die ge-

forderte Invarianz für Rotationen nicht gewährleistet ist. Für eine Starrkörperbewegung

gilt nämlich F = ∇x = Q 6= 0. Wir können den Deformationsgradienten F jedoch mul-

tiplikativ zerlegen. Dazu benutzen wir die Polarzerlegung [12, S.95]. Wegen det(F) > 0

lässt sich diese direkt anwenden und wir erhalten eine eindeutige Darstellung F = RU

mit R ∈ SO(3) und U symmetrisch positiv definit. Dabei lässt sich R als Rotation und U

als reine Verzerrung interpretieren. Dies nutzen wir aus, indem wir C := FtF definieren

und feststellen, dass dieser neue Tensor, wegen

C = (RU)t(RU) = Ut RtR︸︷︷︸

=I

U = UtU,

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 11

Abbildung 7: Verzerrung eines Linienelements

unabhängig von Rotationen ist. C ist der Cauchy-Greensche Verzerrungstensor, der wie

U ebenfalls symmetrisch positiv definit ist. Für eine Starrkörperbewegung gilt dann

C = QtQ = I, so dass wir E definieren können als E := 12(C−I) und einen Tensor mit den

gewünschten Eigenschaften erhalten. Dies ist der Green-St Venantsche Verzerrungstensor.

Er misst offenbar den Unterschied zwischen der tatsächlichen Verzerrung und einer Starr-

körperbewegung. Wir werden später auf diesen Tensor zurückkommen. Zunächst befassen

wir uns jedoch noch einmal mit dem Cauchy-Greenschen Verzerrungstensor, indem wir die

Frage nach der Dehnung eines Linienelements klären. Dazu betrachten wir einen Punkt

ξ im Referenzgebiet und ein beliebiges Linienelement durch ξ, repräsentiert durch den

Einheitsvektor e (siehe Abb. 7). Durch Deformation geht dieses Linienelement dann über

in das zugehörige zum Vektor Fe. Da e als Einheitsvektor gewählt war, ist die Dehnung

dann gegeben durch

(2) λe = ‖Fe‖ =√

(Fe)t(Fe) =√etFtFe =

√etCe.

Der Cauchy-Greensche Verzerrungstensor C ist also ein quadratisches Maß für die lokale

Längenänderung.

3.3 Spannungstensor

Da verschiedene Stoffe unterschiedlich auf Verzerrungen reagieren, gibt der Verzerrungs-

tensor keine Auskunft über die tatsächliche Belastung des Materials. Man benötigt z. B.

für die Dehnung eines Stahldrahtes um 1% ein Vielfaches der Kraft, die für die gleiche

Dehnung eines Gummibandes mit entsprechendem Querschnittes nötig wäre. Wir definie-

ren die Spannung zunächst naiv als „Kraft geteilt durch Querschnittsfläche“. Der gedehnte

Draht wäre somit stärker gespannt als das Gummiband. Es gibt jedoch nicht nur, wie im

Beispiel des Drahtes, Zug- bzw. Druckspannungen, sondern auch Scherspannungen, die

sich auf den Widerstand gegen Verschiebung des Materials entlang einer Ebene beziehen

(siehe Abb. 8). Da die Spannung vom Ort abhängt (Inhomogenität) und in der Richtung

variieren kann (Anisotropie), führen wir als Maß für die mechanische Beanspruchung den

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 12

Abbildung 8: Links: Zugbeanspruchung. Rechts: Scherbeanspruchung.

Cauchyschen Spannungstensor σ ein, der sich auf die Eulerschen x -Koordinaten bezieht.

Für einen festen Punkt x ∈ Ω ist dies die lineare Abbildung

σ(x) : R3 → R3; n 7→ σ(x)n,

die jeder Ebene E mit Normaleneinheitsvektor n einen Spannungsvektor zuordnet. Die

Komponenten der 3 × 3 -Matrix σ(x) und der Spannungsvektor σ(x)n haben dabei die

physikalische Dimension einer Spannung bzw. einer Flächenkraft, d.h. [σ(x)ij ] = Nm2 . Mit

der orthogonalen Projektion PE auf E erhalten wir die Zerlegung σ(x)n = PE(σ(x)n) +

〈σ(x)n, n〉n, die gerade die Zerlegung in die Scherspannung PE(σ(x)n) und die Normal-

spannung 〈σ(x)n, n〉 angibt (siehe Abb. 9). Bezüglich der kanonischen Basis e1, e2, e3hat der Cauchysche Spannungstensor die Form

σ(x) =

σ1(x) τ12(x) τ13(x)

τ21(x) σ2(x) τ23(x)

τ31(x) τ32(x) σ3(x)

,

wobei σi Normalspannungen und τij Scherspannungen darstellen.

Abbildung 9: Zerlegung des Spannungsvektors.

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 13

3.4 Kräftegleichgewicht

Als nächstes werden wir die Differentialgleichung des Kräftegleichgewichts herleiten. Da-

für müssen wir zwischen Volumen- und Flächenkräften unterscheiden. Im statischen Fall

tritt als Volumenkraft nur die Schwerkraft mit der Dichte ρ(x)g auf. Dabei ist ρ die Mas-

sendichte im Punkt x mit der Dimension [ρ] = kg

m3 und g = (0, 0,−9.81 Nkg)t die Erdbe-

schleunigung. Da wir ein statisches Gleichgewicht suchen, muss die Summe aus Volumen-

und Flächenkräften für jedes beliebige V ⊆ Ω verschwinden. Zusammen mit dem Satz

von Gauß erhalten wir dann

0 =

V

ρ(x)g dx︸ ︷︷ ︸Volumenkraft

+

∂V

σ(x)n(x) dS(x)

︸ ︷︷ ︸Flächenkraft

(3)

=

V

ρ(x)g dx+

V

div(σ(x)) dx.

Dabei ist der Divergenzoperator zeilenweise auf σ anzuwenden. Die Flächenkräfte werden

nur auf der Oberfläche von V berücksichtigt, da sie sich an Schnittflächen im Inneren

gegenseitig aufheben (siehe Abb. 10). Weil V beliebig gewählt war, erhalten wir mit dem

Hauptsatz der Variationsrechnung

ρ(x)g + div(σ(x)) = 0 in Ω

und damit eine Gleichung, die das statische Gleichgewicht punktweise beschreibt. Dieses

Problem ist jedoch nicht direkt zugänglich, da die Gleichung für das deformierte Gebiet

Ω gilt, welches a-priori unbekannt ist. Ebenfalls unbekannt ist die Massendichte ρ(x) im

deformierten Gebiet.

Abbildung 10: Kräfte in einem Teilvolumen.

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 14

An dieser Stelle geben wir noch eine wichtige Eigenschaft des Cauchyschen Spannungs-

tensors an.

Satz 1 (Symmetrie der Spannung). Befindet sich der deformierte Körper in einem Gleich-

gewichtszustand, so ist der Cauchysche Spannungstensor σ symmetrisch, d.h. σ = σt.

Beweis. Siehe [22, S.50].

3.5 Piola-Transformation

Um das Problem mit dem unbekannten Gebiet Ω zu lösen, transformieren wir die Eu-

lerschen x -Koordinaten zurück in das Referenzgebiet Ω0 und suchen nach einem Tensor

T(ξ) welcher die Spannung bezüglich des Referenzgebietes angibt. Dazu betrachten wir

Gleichung (3) und transformieren V zurück auf V0 = x−1(V ). Dabei wird das Volumeninte-

gral mit dem Transformationssatz und das Oberflächenintegral mit einem entsprechenden

Analogon für Oberflächen [22, S.87] transformiert. Somit erhalten wir

0 =

V

ρ(x)g dx+

∂V

σ(x)n(x) dS(x)

=

V0

ρ(x(ξ))g det(F(ξ)) dξ +

∂V0

det(F(ξ))σ(x(ξ))F(ξ)−tn0(ξ) dS0(ξ).

Der im ersten Integral auftretende Ausdruck ist jetzt die Massendichte für das Referenz-

gebiet, welche bekannt ist. Wir definieren deshalb ρ0(ξ) := ρ(x(ξ)) det(F(ξ)). Im zweiten

Intergral definieren wir den ersten Piola-Kirchhoffschen Spannungstensor

T(ξ) := det(F(ξ))σ(x(ξ))F(ξ)−t.

Der Vektor n0(ξ) ∈ R3 stellt die Einheitsnormale auf dem Rand von V0 dar. Der Tensor

T ist nicht symmetrisch, aber es gilt zumindest die Identität

Tt = (det(F)σF−t)t

= det(F)F−1σ

t

= F−1 det(F) σt

︸︷︷︸=σ

F−tFt

︸ ︷︷ ︸

=I

= F−1TFt.(4)

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 15

Deshalb reichen schon sechs Komponenten aus, um T vollständig zu bestimmen. Für

spätere Zwecke definieren wir zusätzlich noch den zweiten Piola-Kirchhoffschen Span-

nungstensor

Σ := F−1T,

welcher tatsächlich symmetrisch ist. Setzen wir obige Definitionen in das Kräftegleichge-

wicht ein, so folgt

0 =

V0

ρ0(ξ)g dξ +

∂V0

T(ξ)n0(ξ) dS0(ξ).

Mit dem Satz von Gauß lässt sich das Oberflächenintegral in ein Volumenintegral transfor-

mieren. Die resultierende Gleichung gilt dann wieder punktweise und wir erhalten schließ-

lich das Kräftegleichgewicht

(5) ρ0(ξ)g + div(T(ξ)) = 0 in Ω0

für das Referenzgebiet.

3.6 Randbedingungen

Den Randbedingungen kommt in der Strukturmechanik eine wichtige Rolle zu, da über

sie Einspannbedingungen und etwaige von außen einwirkende Kräfte in das Modell einge-

hen. Wir stellen hier nur die beiden Grundtypen der Randbedingungen vor. Im nächsten

Abschnitt werden diese dann weiterentwickelt, um die einzelnen Komponenten der Wir-

belsäule miteinander zu koppeln.

3.6.1 Dirichlet-Randbedingung

Bei der Dirichlet-Randbedingung wird auf einem Teil des Randes ∂Ω0D ⊂ ∂Ω0 eine Ver-

schiebung vorgegeben. Man kann dies als Einspannbedingung verstehen (siehe Abb. 11),

d.h. auf ∂Ω0D wird der Körper festgehalten und seine Verschiebung gleich Null gesetzt.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine echte Verschiebung vorzuschreiben. Sei al-

so u0 : ∂Ω0D ⊆ ∂Ω0 → R3 eine vorgegebene Verschiebung, dann lautet die Dirichlet-

Randbedingung mit der Notation aus Gleichung (1)

u(ξ) = u0(ξ) auf ∂Ω0D .

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 16

Abbildung 11: Links: Einspannbedingung auf dem Dirichlet-Rand. Rechts: Flächenkraftauf dem Neumann-Rand.

3.6.2 Neumann-Randbedingung

Mit der Neumann-Randbedingung können Kräfte auf dem Rand ∂Ω0N := ∂Ω0 \∂Ω0D , die

durch eine Oberflächenkraftdichte f : x(∂Ω0N ) ⊆ ∂Ω → R3 gegeben sind, in das Modell

integriert werden. Dies kann beispielsweise der Druck sein, der durch einen anderen Körper

auf die Oberfläche übertragen wird. Freie Ränder werden durch die homogene Neumann-

Randbedingung repräsentiert (siehe Abb. 11). Formal lautet dies dann

σ(x)n = f(x) auf ∂ΩN .

Die Randbedingung bezieht sich jedoch auf das deformierte Gebiet Ω, so dass wir sie

durch

(6) T(ξ)n0(ξ) = f(x(ξ)) det(F(ξ))‖F(ξ)−tn0‖ auf ∂Ω0N

auf das Referenzgebiet transformieren müssen [7, S.74]. Dadurch gewinnt man die Unab-

hängigkeit von Ω, nicht jedoch die von der Deformation x.

3.7 Materialgesetze 1

Wenn wir uns das bisherige mathematische Modell ansehen, fällt auf, dass wir für die

zu bestimmenden Variablen noch nicht genug Gleichungen haben. Wir suchen die drei

Komponenten der Verschiebung und dank Gleichung (4), weitere sechs Komponenten der

Spannung, somit insgesamt neun Variablen. Mit (5) haben wir jedoch nur drei Gleichun-

gen zur Verfügung. Es fehlt also noch etwas für ein vollständiges Modell. Dies ist das

Materialgesetz, welches die Verzerrung mit der Spannung verknüpft. Bei elastischen Ma-

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3 GRUNDLAGEN DER KONTINUUMSMECHANIK 17

terialien handelt es sich dabei um eine nichtlineare Funktion T, die nur vom Ort und

vom Deformationsgradienten F abhängt. Elastisch heißt dabei, dass der Körper wieder

in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt, falls keine Kräfte mehr auf ihn einwirken.

Mit

T(ξ) = T(ξ,F(ξ))

berechnet sich dann die Spannung. Die Funktion T wird Antwortfunktion der Spannung

genannt. Die so gewonnenen sechs weiteren Gleichungen vervollständigen das Modell.

Man kann ebenso Antwortfunktionen σ und Σ für die beiden anderen erwähnten Span-

nungen definieren. Im nächsten Abschnitt werden wir bei der Modellierung der einzelnen

anatomischen Komponenten der Wirbelsäule näher auf einige Materialgesetze eingehen.

3.8 Grundmodell

Wir fassen hier noch einmal kompakt unser bisheriges Modell zusammen.

Modell 1. Gegeben sei ein Körper, der im kräftefreien Zustand das Referenzgebiet Ω0 ⊂R

3 einnimmt. Seine Massendichte sei ρ0 : Ω0 → R. Weiter seien eine Verschiebung

u0 : ∂Ω0D ⊆ ∂Ω0 → R3 und eine Kraft f : ∂ΩN ⊆ ∂Ω → R

3 vorgegeben. Unter Ein-

fluss der genannten Kräfte verforme sich der Körper. Dann beschreibt das folgende Rand-

wertproblem partieller Differentialgleichungen das statische Gleichgewicht im deformierten

Zustand.

0 = ρ0(ξ)g + div(T(ξ)) in Ω0

u(ξ) = u0(ξ) auf ∂Ω0D

T(ξ)n0(ξ) = f(x(ξ)) det(F(ξ))‖F(ξ)−tn0‖ auf ∂Ω0N

T(ξ) = T(ξ,F(ξ)) (Materialgesetz)

Tt = F−1TFt (Symmetriebedingung)

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 18

4 Anwendung auf die Wirbelsäule

In diesem Teil der Arbeit leiten wir ein Kontinuumsmodell für die Mechanik der mensch-

lichen Wirbelsäule her. Zunächst knüpfen wir dafür an Abschnitt 2 an und befassen uns

tiefergehend mit den Materialgesetzen. Anschließend wenden wir diese auf die spezielle

Situation der Wirbel, Bandscheiben und Bänder an. Danach werden die Wirbelgelenke

durch mechanischen Kontakt modelliert und abschließend die einzelnen Komponenten der

Wirbelsäule durch Übergangsbedingungen in einem Gesamtmodell zusammengeführt.

4.1 Materialgesetze 2

Ziel dieses Unterabschnittes ist es, die Materialgesetze unter bestimmten Annahmen ge-

nauer zu untersuchen. Vereinfachend nehmen wir dazu an, dass die Temperatur keinen

Einfluss auf das Material hat und schließen damit thermodynamische Effekte durch äu-

ßere und innere Reibung in unserem Modell aus. Weiter sei der Zustand eines Materials

in einem Punkt nur von seiner direkten Nachbarschaft abhängig. Diese Bedingung stellt

sicher, dass wir ein lokales Modell und damit eine Differentialgleichung erhalten. Eine wei-

tere idealisierende Annahme ist, dass die Spannung nicht von der Vergangenheit abhängt.

Für die Spannung ist also egal, auf welchem Weg eine Verzerrung erreicht wurde. Diese

Eigenschaft wird durch folgende Definition präzisiert.

Definition 2 (Elastizität und Hyperelastizität). Ein Material heißt elastisch, falls der

Causchysche Spannungstensor σ nur vom Ort x ∈ R3 und vom Deformationsgradienten

F abhängt. In diesem Fall existiert eine Funktion σ : Ω0 ×GL(3) → Mat(3× 3), genannt

Antwortfunktion, mit

σ = σ(x,F).

Dadurch sind auch die Antwortfunktionen für die Piola-Kirchhoffschen Spannungen gege-

ben:

T(ξ,F) := det(F)σ(x,F)F−t

Σ(ξ,F) := det(F)F−1σ(x,F)F−t

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 19

Existiert zusätzlich ein Energiefunktional W : Ω0 ×GL(3) → R, mit

(7) T(ξ,F) =∂W

∂F(ξ,F),

so heißt das Material hyperelastisch.

Ein hyperelastisches Material besitzt also ein Potential W . Dieses kann man als Ener-

giedichte der Spannung interpretieren. Da es sich bei W , der Definition nach, um ein

Potential handelt, muss die Energie wegunabhängig bzgl. Verzerrungswegen sein. Bei ei-

nem elastischen Material muss dies nicht notwendig erfüllt sein.

Ein fundamentales Konzept in der Physik ist die Koordinatenunabhängigkeit einer phy-

sikalischen Größe, was im Prinzip eine natürliche Eigenschaft darstellt und deshalb keine

Einschränkung für ein Material ist. Dennoch vereinfacht diese Annahme die Materialfunk-

tionen.

Definition 3 (Koordinatenunabhängigkeit). Ein Material heißt koordinatenunabhängig

oder objektiv, falls durch eine Drehung des deformierten Körpers, die Cauchyschen Span-

nungsvektoren σn die gleiche Drehung erfahren.

Wir werden diese Eigenschaft genauer erläutern. Sei Q ∈ SO(3) eine Drehung. Dann wird

die Situation in Definition 3 durch die Folge

Ω0x−→ Ω

Q−→ ΩQ

von Abbildungen beschrieben. Ein Spannungsvektor t in Ω zur Richtung n besitzt die

Darstellung t = σ(x,F(x))n. Durch die Drehung Q geht das deformierte Gebiet Ω über

in ΩQ. Wie das Gebiet, wird auch der Deformationsgradient F und der Einheitsvektor n

transformiert. Diese erhalten die neue Form QF bzw. Qn. Folglich gilt für den Spannungs-

vektor tQ im gedrehten Gebiet tQ = σ(x,QF)Qn. Die Koordinatenunabhängigkeit besagt

nun, dass der Spannungsvektor tQ ebenfalls einfach durch Drehung aus t hervorgeht. Ein

Material ist also genau dann objektiv, wenn

(8) Qσ(x,F)n = σ(x,QF)Qn ∀n ∈ R3 : ‖n‖ = 1.

Diese und weitere Eigenschaften charakterisiert das folgende Lemma.

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 20

Lemma 4. Für ein Material sind folgende Aussagen sind äquivalent:

(i) Das Material ist objektiv.

(ii) σ(x,QF) = Qσ(x,F)Qt

(iii) T(ξ,QF) = QT(ξ,F)

(iv) Σ(ξ,QF) = Σ(ξ,F)

(v) Σ(ξ,F) = Σ(ξ,C)

Beweis. Die Identitäten lassen sich durch direkte Rechnungen verifizieren. Dies liefert

jedoch keine besonderen Erkenntnisse.

Als nächstes betrachten wir die sehr starke Eigenschaft der Isotropie. Ein isotropes Mate-

rial verhält sich in alle Richtungen mechanisch gleich. Dies schließt Materialien aus, die in

einer oder mehreren Richtungen besonders ausgezeichnet sind, z.B. Holz, Stahlbeton etc.

Solche Stoffe besitzen durch eingelagerte Fasern eine höhere Steifigkeit in Faserrichtung.

Definition 5 (Isotropie). Ein Material heißt isotrop, falls für alle Q ∈ SO(3) und alle

F ∈ GL(3) mit det(F) > 0 der Cauchysche Spannungstensor die Gleichung

σ(x,FQ) = σ(x,F)

erfüllt. Sonst heißt ein Material anisotrop.

Wird also das Material im Referenzgebiet gedreht, aber die Verzerrung beibehalten, so

ändert sich die Spannung nicht. Diese Eigenschaft ist so stark, dass sich die Antwortfunk-

tionen für isotrope Stoffe extrem vereinfachen.

Lemma 6. Für ein Material sind folgende Aussagen sind äquivalent:

(i) Das Material ist isotrop.

(ii) T(ξ,FQ) = T(ξ,F)Q

(iii) Σ(ξ,FQ) = QtΣ(ξ,F)Q

Beweis. Analog zum Beweis von Lemma 4.

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 21

Satz 7 (Rivlin-Ericksen). Ein Material ist genau dann objektiv und isotrop, falls sich der

zweite Piola-Kirchhoffsche Spannungstensor darstellen lässt als

Σ(ξ) = Σ(ξ,C) = γ0I+ γ1C+ γ2C2,

mit Funktionen γ0, γ1, γ2, die nur vom Ort und den Tensorinvarianten

I1(C) = tr(C)

I2(C) =1

2(tr(C)2 − tr(C2))

I3(C) = det(C) =1

6(tr(C)3 − 3tr(C)tr(C2) + 2tr(C3))

von C abhängen. Die Invarianz von I1, I2, I3 bezieht sich dabei auf orthogonale Transfor-

mationen C → QCQt.

Beweis. Siehe [7, S.109-116]

4.2 Wirbelkörper

Wie in Abschnitt 2 dargestellt, besteht der größte Teil der Wirbel aus porösem Knochen.

Diese komplex geformte Mikrostruktur in unserem Modell zu betrachten, wäre jedoch

nicht praktikabel, da ein späteres numerisches Lösen der Gleichungen dann, aufgrund der

Größe des Problems, nahezu unmöglich wäre. Stattdessen wollen wir direkt eine Vereinfa-

chung durchführen und in unserem Modell annehmen, die einzelnen Wirbel seien massive

Körper ohne Hohlräume. Im Gegenzug müssen dann die Materialparameter so angepasst

werden, dass sich beide Materialien, der poröse Knochen und unser Ersatzmedium, ma-

kroskopisch ähnlich verhalten. Es gibt dafür prinzipiell drei Vorgehensweisen. Die erste

Möglichkeit besteht darin, den Wirbel nach kompaktem und porösem Knochen aufzu-

teilen. Auf den zwei entstehenden Gebieten wird dann jeweils mit anderen Parametern

ein isotropes und homogenes Materialgesetz verwendet, siehe [27]. Die zweite Möglichkeit

ist wesentlich aufwändiger. Man verwendet ein homogenes Material und studiert dafür

genauer das anisotrope Verhalten des porösen Knochens. Dafür wählt man einen kleinen

Würfel des porösen Knochens aus, dessen Geometrie durch einen µ-CT Scan bestimmt

wird. Dieser Würfel soll, im Hinblick auf die Simulation, möglichst klein sein, die ma-

kroskopischen Eigenschaften des porösen Knochens jedoch noch gut repräsentieren. Man

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 22

gibt dann mit Dirichlet-Randwerten eine bestimmte Verformung vor, löst durch Finite

Elemente Simulation die elastischen Gleichungen und erhält die auftretende Spannung.

Durch Mittelung über den Würfel kann man dann die effektiven Parameter für die Stei-

figkeit des porösen Knochens berechnen. Einen solchen Homogenisierungsansatz findet

man bei Rumpf et al. in [17]. Wir betrachten hier jedoch die dritte Variante. Sie bezieht

die Inhomogenität des Knochens mit ein, verwendet jedoch ein isotropes Material. Man

nutzt dabei einen Zusammenhang zwischen der Steifigkeit des Knochens und seiner Dich-

te. Bei der praktischen Umsetzung erhält man durch Computertomographie zunächst ein

dreidimensionales Bild des betrachteten Gebietes. Die Werte H im Bild geben dabei die

Schwächung der Röntgenstrahlung auf der Hounsfield-Skala an. Die Knochendichte wird

anschließend durch die lineare Transformation

ρ0(ξ) = gH(ξ) + h

modelliert. Weiter benutzt man den den nichtlinearen Ansatz

E(ξ) = Cρ0(ξ)r

für den Zusammenhang zwischen Elastizitätsmodul und Dichte [6]. Der Elastizitätsmodul

ist die Proportionalitätskonstante im Hookeschen Gesetz, welches in der linearen Elas-

tizität einen Zusammenhang zwischen Spannung und Verzerrung herstellt. Für skalare

Spannungen σ und Dehnungen λ lautet es

σ = Eλ.

Warum der Elastizitätsmodul für uns wichtig ist, ergibt sich nach dem nächsten Satz. Wir

treffen noch eine weitere Annahme. Da sich die Knochen unter gewöhnlichen Belastun-

gen im Vergleich zu den Weichteilen kaum verformen, führen wir eine Approximation für

kleine Verzerrungen E durch. Die Deformation soll sich also kaum von einer Starrkörper-

bewegung unterscheiden.

Satz 8 (Approximation für kleine Verzerrungen). Gegeben sei ein objektives und iso-

tropes Material. Weiter seien γ0, γ1, γ2 differenzierbar in I. Dann gibt es Konstanten

p(ξ), λ(ξ), µ(ξ) ∈ R, die nur vom Ort abhängen, so dass sich die Approximation erster

Ordnung der Antwortfunktion Σ um eine Starrkörperbewegung schreiben lässt als

Σ(ξ,C) = −p(ξ)I+ λ(ξ)tr(E)I+ 2µ(ξ)E+ o(E).

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 23

Beweis. (Skizze) Zunächst werden die Invarianten I1(C), I2(C), I3(C) bis zu Termen ers-

ter Ordnung in E berechnet (E = 12(C−I)). Mit diesem Ansatz führt man Taylorentwick-

lungen erster Ordnung für die Funktionen γ1, γ2, γ3 um eine Starrkörperbewegung durch.

Mit der Darstellung des zweiten Piola-Kirchhoffschen Spannungstensors in Satz 7 folgt

dann die Behauptung.

Überraschenderweise ist die Spannung also schon durch drei ortsabhängige Konstanten

festgelegt. Das vereinfacht die Lage ungemein, ermöglicht aber noch Betrachtungen der In-

homogenität des Knochen. In der Darstellung beschreibt der Anteil p(ξ)I eine Druckspan-

nung zum Druck p(ξ). Falls die Deformation die identische Abbildung ist, verschwindet die

Verzerrung E. Folglich resultiert nach Satz 8 nur die isotrope Druckspannung p(ξ)I. Da

durch die Deformation aber nichts geschehen ist, muss sie schon im Referenzzustand vor-

handen gewesen sein. Wenn wir also annehmen, dass der Referenzzustand spannungsfrei

ist, reduziert sich die Anzahl der Materialparameter auf zwei. Die beiden übrigbleibenden

Materialparameter λ und µ werden Lamé-Konstanten genannt. Um die Lamé-Konstanten

für Knochen bestimmen zu können, führen wir die Poissonzahl ν ein. Sie bestimmt, wie

stark sich ein Material bei Zugbelastung in Querrichtung zusammenzieht (siehe Abb. 12).

Die Poissonzahl kann experimentell bestimmt werden. Ihr Wertebereich ist das Intervall

[0, 0.5]. Für ideal inkompressible Materialien gilt ν = 0.5. Man kann zeigen, dass die

Lamé-Konstanten eindeutig durch den Elastizitätsmodul und die Poissonzahl festgelegt

sind. Sie stehen zueinander in den Beziehungen

λ(ξ) =E(ξ)ν

(1 + ν)(1− 2ν)und µ(ξ) =

E(ξ)

2(1 + ν).

4.3 Faserring

Im Gegensatz zu den Wirbelknochen besteht der Faserring aus weichem Gewebe. Un-

ter Belastung verformt er sich deshalb wesentlich stärker. Somit ist es angebracht, für

ihn ein nichtlineares Material zu verwenden. Außerdem weist der Faserring durch seine

eingelagerten Fasern ein richtungsabhängiges Verhalten auf, was ein anisotropes Modell

notwendig macht. Im Folgenden stellen wir ein solches Modell von Guo et al. [10] vor.

Dies ist ein Modell für ein zweikomponentiges Verbundmaterial. Das Material besteht

dabei aus einer Grundsubstanz, genannt Matrix und darin fest eingebetteten Fasern. Fest

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 24

bedeutet dabei, dass keine Verschiebung der Fasern gegenüber der Matrix möglich ist. In

Faserrichtung muss damit die Dehnung für beide Komponenten stets gleich sein. Quer zur

Faserrichtung muss dies, aufgrund unterschiedlicher Materialparameter, nicht erfüllt sein.

Für beiden Komponenten setzen wir jeweils ein hyperelastisches Material an und leiten

eine gemittelte Spannungsenergie WGes(ξ,F) für den Verbund aus Matrix und Fasern her.

Durch Differentiation nach F ergibt sich dann mit Gleichung (7) die Spannung.

Zunächst betrachten wir das Material der Matrix. Wir nehmen an, dass es homogen,

isotrop und objektiv ist. Ähnlich wie bei den elastischen Materialien ergibt sich dann

folgende Vereinfachung für die gespeicherte Spannungsenergie der Matrix.

Satz 9. Gegeben sei ein hyperelastisches Matrix-Material mit zugehöriger Verzerrung

CM = FtMFM und Spannungsenergie WM . Dann ist die Matrix genau dann objektiv und

isotrop, wenn für ihr Energiefunktional gilt

WM (FM) = WM(I1(CM), I2(CM), I3(CM)).

Beweis. Siehe [7, S.152]

Die Spannungsenergie WM der Matrix hängt somit nur von den Hauptinvarianten der

Verzerrung CM ab. Wir können deshalb das Neo-Hookesche Materialgesetz verwenden,

das eine nichtlineare Verallgemeinerung des gewöhnlichen Hookeschen Gesetzes für große

Deformationen darstellt. Es lautet

WM =GM

2(I1(CM)− 3) +

κM

2(I3(CM)− 1)2.

Die Konstanten GM und κM sind Materialkonstanten (Scher- und Kompressionsmodul).

Weiter nehmen wir an, dass die Matrix inkompressibel ist [26]. Unter Deformation ist das

Volumen also invariant, das heißt I3(CM) = det(CM) = 1 und wir erhalten die Energie

WM =GM

2(I1(CM)− 3).

Als nächstes betrachten wir die Fasern. Ihre Richtung im Referenzzustand sei durch das

Vektorfeld

a : Ω0 → R3, ξ 7→ a(ξ), mit ‖a‖ = 1

gegeben. Da die Verzerrungen der Fasern und der Matrix voneinander abweichen können,

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 25

führen wir zusätzlich die Verzerrung CF für die Fasern ein. Im Gegensatz zur Matrix ist

das Material der Fasern nicht isotrop. Es hat die ausgezeichnete Richtung a, in die es eine

erhöhte Festigkeit besitzt. Ein solches Materialverhalten nennt man transversal isotrop.

Die zugehörige Spannungsenergie WF kann somit nicht mehr allein von den Invarianten

von CF abhängen. Durch Hinzuziehen von

Ia4 (CF ) := atCFa und Ia5 (CF ) := atC2Fa

erhalten wir weitere zwei Invarianten bezüglich orthogonaler Transformationen (CF , a) →(QCQt,Qa). Für eine orthogonale Matrix Q gilt nämlich

I4(QCFQt,Qa) = (Qa)tQCFQ

tQa

= atQtQCFQtQa

= atCFa

= Ia4 (CF ).

Analog folgt die Invarianz von Ia5 (CF ). Mit diesen fünf Invarianten kann nun die Span-

nungsenergie

WF (FF , a) = WF (I1, I2, I3, Ia4 , I

a5 )

der Fasern beschrieben werden [21]. Für die Fasern verwenden wir ein verallgemeinertes

Neo-Hookesches Material, indem wir die Abhängigkeit des Schermoduls von der Faser-

dehnung einführen. So passen wir das Modell an die transversale Isotropie an. Dies be-

rücksichtigt die Tatsache, dass die Kollagenfasern bei kleiner Dehnung lineares Verhalten

zeigen und bei größerer Dehnung, wenn sie gestrafft sind, sich versteifen. Mit der Deh-

nung λF der Fasern, besteht nach Gleichung (2) der Zusammenhang Ia4 = λ2F . Da wir

angenommen hatten, dass Matrix und Fasern in Faserrichtung immer die gleiche Deh-

nung besitzen, muss mit der Gesamtverzerrung C des Verbundmaterials Ia4 (CF ) = Ia4 (C)

gelten. Die Energie lässt sich dann durch I1(CF ) und Ia4 (C) ausdrücken

(9) WF =GF (I

a4 (C))

2(I1(CF )− 3).

Eine geeignete Funktion GF (Ia4 ) lässt sich durch Messwerte aus Experimenten bestimmen.

Für eine reine uniaxiale Dehnung in Faserrichtung ist die Gesamtenergie des Materials

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 26

durch das gewichtete Mittel

(10) WUni(F) = (1− vF )GM

2(I1(CM)− 3) + vF

GF (Ia4 (C))

2(I1(CF )− 3)

bestimmt. Die Konstante vF ist dabei der Volumenanteil der Fasern. Es ist jedoch nicht

direkt klar, wie I1(CM) und I1(CF ) aus F berechnet werden. Wir betrachten deshalb

einen Einheitswürfel, der uniaxial in Faserrichtung gedehnt werde (siehe Abb. 12).

Abbildung 12: Ein um λ in Faserrichtung gedehnter Einheitswürfel.

In diesem Fall findet keine Scherung statt. Außerdem bleibt das Volumen erhalten. Wenn

die Fasern in x1-Richtung liegen, lautet der Deformationsgradient deshalb

F =

λ 0 0

0 λ− 1

2 0

0 0 λ− 1

2

.(11)

Wir hatten angenommen, dass Matrix und Fasern in Faserrichtung stets gleich gedehnt

werden. Das heißt F = FM = FF und folglich

(12) I1(CM) = I1(CF ) = I1(C) = tr(FtF) = λ2 +2

λ= Ia4 (C) +

2√

Ia4 (C).

Somit kann die Energie durch

(13) WUni(F) = (1− vF )GM

2(Ia4 +

2√Ia4

− 3) + vFGF (I

a4 )

2(Ia4 +

2√Ia4

− 3)

tatsächlich aus F berechnet werden. Wenn die Fasern nicht in x1-Richtung liegen, bleibt

dies gültig, da die Invarianten rotationsunabhängig sind.

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 27

Falls die Deformation einen Scherungsanteil besitzt, kann die Energie nicht wie oben

durch Summation der Einzelenergien gebildet werden. Bei der Scherung wird zusätzliche

Energie durch eine Wechselwirkung von Matrix und Fasern aufgebaut [23]. Um diese mit

zu berücksichtigen gehen wir wie folgt vor: Da Matrix und Fasern hyperelastisch model-

liert werden, sind deren Spannungsenergien wegunabhängig. Eine allgemeine Deformation

kann deshalb in zwei aufeinanderfolgende Schritte zerlegt werden. Zunächst wird in Fa-

serrichtung uniaxial gedehnt und die bis dahin gespeicherte Energie mit (10) berechnet.

Anschließend wird die verbleibende Scherung ausgeführt. Mathematisch ist dies eine Pro-

duktzerlegung des Deformationsgradienten. Mit der Zerlegung ergibt sich dann ein Aus-

druck für die Scherungsenergie. Da die Faserdehnung bei der Scherung konstant bleibt,

können beide Komponenten als einfache Neo-Hookesche Materialien modelliert werden.

Wir zerlegen F jedoch nicht direkt, sondern drehen es so, dass die Matrix eine möglichst

einfache Form annimmt. Da letztendlich nur die rotationsunabhängigen Invarianten zur

Berechnung der Energie herangezogen werden, ist dies gerechtfertigt. Die Fasern seien

also im Referenzzustand in x1-Richtung orientiert, das heißt a = e1. Wir können dann

den Deformierten Körper so drehen, dass die Faserrichtung nach der Deformation wieder

mit a0 übereinstimmt. Mit der Rotationsmatrix Q1 gilt dann Q1Fe1 = λe1. Durch eine

weitere Rotation mit Q2 lässt sich Q1Fe2 wieder in die x1 − x2-Ebene zurückdrehen. Der

neue Deformationsgradient F∗ := Q2Q1F ist deshalb die obere Dreiecksmatrix

F∗ =

λ F ∗12 F ∗

13

0 F ∗22 F ∗

23

0 0 F ∗33

.

Jetzt zerlegen wir F∗ in eine uniaxiale Dehnung F∗Uni in Faserrichtung und eine Scherung

F∗Sch. Die Matrix F∗

Uni ist dann durch (11) gegeben und es folgt

F∗Sch =

λ F ∗12 F ∗

13

0 F ∗22 F ∗

23

0 0 F ∗33

λ−1 0 0

0 λ1

2 0

0 0 λ1

2

=

1 F ∗12λ

1

2 F ∗13λ

1

2

0 F ∗22λ

1

2 F ∗23λ

1

2

0 0 F ∗33λ

1

2

.

Nach Guo et al. [10] kann e2 so gewählt werden, dass auf der Diagonale von F∗Sch nur

Einsen stehen. So erhalten wir eine reine Scherung mit den Komponenten F ∗12 und F ∗

13

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 28

entlang der Fasern und F ∗23 quer zu den Fasern. Es gilt dann also

F∗ = F∗SchF

∗Uni =

λ F ∗12 F ∗

13

0 λ− 1

2 F ∗23

0 0 λ− 1

2

und

C∗ = F∗tF∗ =

λ2 λF ∗12 λF ∗

13

λF ∗12

1λ+ F ∗2

121√λF ∗23 + F ∗

12F∗13

λF ∗13

1√λF ∗23 + F ∗

12F∗13 F ∗2

13 + F ∗223 + 1

λ

.

Für den nächsten Schritt berechnen wir die erste Invariante von C∗:

I1(C∗) = tr(C∗)

= λ2 +2

λ+ F ∗2

12 + F ∗213 + F ∗2

23

Als Maß für die Scherung ergibt sich daraus zusammen mit (12)

F ∗212 +F ∗2

13 +F ∗223 = I1(C

∗)− λ2 +2

λ= I1(C

∗)− (Ia4 (C∗) +

2√

Ia4 (C∗)) = I1(C

∗)− I1(C∗Uni)

Dies ist der Spuranteil von C∗ für die Scherung. Für die Scherung erhalten wir dann als

Wechselwirkungsenergie zwischen Matrix und Fasern mit dem Neo-Hookeschen Gesetz

WSch =GMF

2(I1(C

∗)− I1(C∗Uni)).

Da die Invarianten rotationsunabhängig sind, können wir jetzt C∗ wieder durch C erset-

zen. Die Zahl GFM in der letzten Gleichung ist der effektive Schermodul für das Verbund-

material. Bei kleinen Verzerrungen verwendet Halpin [11] dafür

(14) GMF =1 + ζη(1− vM)

1− η(1− vM )GM mit η =

GF

GM− 1

GF

GM+ ζ

.

Dies ist die Halpin-Tsai Gleichung, die aus einem Homogenisierungsansatz für die zwei

Materialkomponenten resultiert. Wir passen die Halpin-Tsai Gleichung an unsere Situati-

on an. In (9) wurde der dehnungsabhängige Schermodul GF (Ia4 ) für die Fasern eingeführt.

Page 33: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 29

Wenn wir diesen in (14) einsetzen, erhalten einen verallgemeinerten Ausdruck für den

Schermodul GFM , der auch für große Verzerrungen gültig ist. Für die noch freie Konstan-

te ζ wählen wir analog zu Guo et al. [10] ζ = 1 und erhalten

GMF (Ia4 ) =

GF (Ia4 )(1 + vF ) +GM(1− vF )

GF (Ia4 )(1− vF ) +GM(1 + vF )GM .

Die Gesamtenergie für das Material mit Faserrichtung a ist dann als Summe der Energien

für die uniaxiale Dehnung und die Scherung gegeben, insgesamt also

W a(F) = WUni(C) +WSch(C)(15)

=

(

(1− vF )GM

2+ vF

GF (Ia4 (C))

2

)(

Ia4 (C) +2

Ia4 (C)− 3

)

+GMF (I

a4 (C))

2

(

I1(C)−(

Ia4 (C) +2

Ia4 (C)

))

.

Da die Bandscheiben aus bis zu 20 überkreuzten Faserrschichten aufgebaut sind, ist dieses

Modell sehr komplex. Im Modell müsste jede Schicht einzeln betrachtet werden. Es macht

daher Sinn, die Energie für die zwei möglichen Faserrichtungen angrenzender Schichten zu

mitteln. So erhält man ein faserverstärktes Material mit zwei verschiedenen Fasertypen.

Die Richtungsfelder der Fasern seien durch die Vektoren a und b gegeben. Wir mitteln

also die Energie (15) für die beiden Fasertypen und erhalten als Gesamtenergie

WGes =1

2W a +

1

2W b

Die Spannung im Punkt ξ ergibt sich nach (7) aus dem Zusammenhang

T(ξ,F) =∂WGes

∂F(ξ,F).

4.4 Gallertkern

Aufgrund des hohen Wasseranteils im Gallertkern, modellieren wir diesen als inkompres-

sible Flüssigkeit [20]. Es muss also det(F) = 1 für das Gebiet des Gallertkernes gelten.

In ruhenden Flüssigkeiten ist der Cauchysche Spannungstensor isotrop. Das liegt daran,

dass Flüssigkeiten keine Scherkräfte übertragen können. Er kann deshalb allein durch den

Druck p(x) ausgedrückt werden als σ(x) = p(x)I. Für den ersten Piola-Kirchhoffschen

Page 34: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 30

Spannungstensor bedeutet das

T(ξ) = det(F)︸ ︷︷ ︸

=1

σ(x(ξ))F(ξ)−t = p(x(ξ))IF(ξ)−t = p(x(ξ))F(ξ)−t.

Das ist das Materialgesetz für den Gallertkern.

4.5 Bänder

Die Bänder der Wirbelsäule sind, ähnlich wie die einzelnen Schichten des Faserrings, aus

faserverstärktem weichem Material aufgebaut. Wir können die Bänder deshalb ebenfalls

durch ein zweikomponentiges hyperelastisches Material modellieren. Allerdings gibt es

hier nur eine Art von Fasern. Sei c : Ω0B → R3 ihr Einheitsrichtungsfeld. Dann ist die

Energie durch

W c(F) =

(

(1− vF )GM

2+ vF

GF (Ic4(C))

2

)(

Ic4(C) +2

Ic4(C)− 3

)

+GMF (I

c4(C))

2

(

I1(C)−(

Ic4(C) +2

Ic4(C)

))

gegeben. Da die Form der Bänder lang und dünn ist, bietet sich hier als mögliche Mo-

dellreduktion eine eindimensionale Beschreibung an. Einen solchen Ansatz findet man bei

Sander [18].

4.6 Kontaktproblem

Da sich die Wirbelknochen an den Wirbelgelenken gegenseitig berühren (siehe Abb. 1)

und Kräfte aufeinander ausüben, benötigen wir eine Bedingung, die sicherstellt, dass sich

die Wirbel in unserem Modell nicht ineinander hineinschieben. Dies wäre ohne eine solche

Bedingung möglich. Die Forderung det(F) > 0 impliziert nämlich nur die lokale Injektivi-

tät der Deformation, die Kontaktflächen des Gelenkes stammen jedoch aus verschiedenen

Teilen des Referenzgebietes. Der folgende Satz löst dieses Problem.

Page 35: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 31

Satz 10. Falls die Deformation x : Ω0 → Ω die Bedingung

Ω0

det(F(ξ)) dξ ≤ Vol(Ω)

erfüllt, so ist sie im Inneren des Gebietes Ω0 injektiv.

Beweis. Siehe [7, S.230]

Diese Bedingung kann als Volumenerhaltung interpretiert werden. Im Integral wird das

Volumen im deformierten Gebiet bezüglich Ω0 aufsummiert. Gebiete, die sich im defor-

mierten Gebiet überlappen, werden dabei mehrfach gezählt. Falls das Gesamtvolumen

das tatsächliche Volumen Vol(Ω) nicht übersteigt, sind solche Überlappungen nach dem

Satz offenbar nicht möglich. Die Bedingung stellt zwar die Injektivität sicher, ist aber mit

unserem bisherigen Modell nicht direkt verträglich, da beim Kontakt der Knochen zu-

sätzliche Flächenkräfte an den Kontaktflächen entstehen. Diese Kräfte müssen im Modell

mit angegeben werden, damit das Kräftegleichgewicht weiterhin gewährleistet ist. Seien

ξ, ζ ∈ ∂Ω0 mit x(ξ) = x(ζ). Dann steht ξ mit ζ im deformierten Gebiet in Kontakt.

Wir nehmen an, dass der Kontakt zwischen den Knochen reibungslos ist und der Rand

hinreichend glatt. Mit der Injektivitätsbedingung folgt dann für die Einheitsnormalen

n(x(ξ)) = −n(x(ζ)). Da keine Reibung auftritt, die Kontaktkräfte in die Gebiete hinein

zeigen und beide Kontaktkräfte betragsmäßig gleich sein müssen, gilt

σ(x(ξ))n(x(ξ)) = k(x)n(x(ξ)) = −f(x)n(x(ζ)) = −σ(x(ξ))n(x(ζ)),

mit einer Abbildung k : ∂ΩK ⊂ ∂ΩN → R≤0 auf der Kontaktfläche

∂ΩK := x ∈ ∂ΩN : #x−1(x) = 2.

Genau wie die Neumann-Randbedingung in (6) müssen wir die Kontaktbedingung auf das

Referenzgebiet transformieren. Zusammengefasst gilt dann für das Referenzgebiet

T(ξ)n0(ξ) = k(x(ξ))F(ξ)n0(ξ)

‖F(ξ)n0(ξ)‖det(F(ξ))‖F(ξ)−tn0(ξ)‖ auf x−1(∂ΩK).

Die Kontaktbedingung kann auch als Neumann-Randbedingung für die a-priori unbekann-

ten Kontaktkräfte aufgefasst werden.

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 32

4.7 Kopplung

Für unser Gesamtmodell teilen wir das Referenzgebiet Ω0 der Wirbelsäule in die einzelnen

Gebiete für die Knochen, Faserringe, Gallertkerne und Bänder auf. Auf jedem Teilgebiet

setzen wir das Grundmodell mit dem jeweiligen Materialgesetz an. Es bleibt zu klären, wie

die Randbedingungen auf den Teilgebieten gewählt werden müssen. Für zwei aneinander

grenzende Gebiete Ω0i und Ω0j betrachten wir die Schnittfläche ∂Ω0i ∩ ∂Ω0j . Da die

Komponenten fest miteinander verbunden sind, müssen die Verschiebungen uΩ0i:= u|Ω0i

und uΩ0j:= u|Ω0j

die Übergangsbedingung

[u(ξ)] := uΩ0i(ξ)− uΩ0j

(ξ) = 0 auf ∂Ω0i ∩ ∂Ω0j

erfüllen. Im statischen Fall gilt das Kräftegleichgewicht. Die Kräfte an der Schnittfläche

sind also entgegengesetzt. Das bedeutet für die Ränder ∂Ωi∩∂Ωj der deformierten Gebiete

0 = σΩi(x)nΩi

+ σΩj(x)nΩj

= σΩi(x)nΩi

− σΩj(x)nΩi

= (σΩi(x)− σΩj

(x))nΩi

= [σ(x)]nΩi

Somit folgt als Übergangsbedingung für die Spannung im Referenzgebiet

[det(F(ξ))−1T(ξ)F(ξ)t

] FΩ0i(ξ)nΩ0i

‖FΩ0i(ξ)nΩ0i

‖ = 0 auf ∂Ω0i ∩ ∂Ω0j .

Page 37: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 33

4.8 Modell der Wirbelsäule

Wir betrachten hier exemplarisch eine Funktionseinheit der Wirbelsäule, bestehend aus

zwei Wirbeln mit einigen zugehörigen Bändern und der dazwischenliegenden Bandscheibe.

Abbildung 13

Modell 2. Gegeben sei die Geometrie einer Funktionseinheit der menschlichen Wirbel-

säule im kräftefreien Zustand (siehe Abb. 13). Das Referenzgebiet sei Ω0 = Ω0W1∪Ω0W2

∪Ω0G∪Ω0F ∪Ω0Bi

⊂ R3. Aus der Computertomographie sei der Schwächungskoeffizient der

Röntgenstrahlen H : Ω0 → R bekannt. Die Faserrichtung in Bandscheibe und Bändern sei

durch die Einheitsvektorfelder a, b : Ω0F → R3 bzw. c : Ω0Bi

→ R3 gegeben. Weiter seien

eine Verschiebung u0 : ∂Ω0D ⊆ ∂Ω0 → R3 und eine Kraft f : ∂ΩN ⊆ ∂Ω → R

3 vor-

gegeben. Unter Einfluss der Kraft, verforme sich der Abschnitt der Wirbelsäule. Dann

beschreibt das folgende Randwertproblem partieller Differentialgleichungen das statische

Gleichgewicht im deformierten Zustand.

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4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 34

Kraftegleichgewicht :

0 = ρ0(ξ)g + div(T(ξ)) in Ω0W1, Ω0W2

, Ω0F ,

Ω0G, Ω0Bi

Randbedingungen :

u(ξ) = u0(ξ) auf ∂Ω0D

T(ξ)n0(ξ) = f(x(ξ)) det(F(ξ))‖F(ξ)−tn0‖ auf ∂Ω0N

T(ξ)n0(ξ) = k(x(ξ))F(ξ)n0(ξ)

‖F(ξ)n0(ξ)‖det(F(ξ))‖F(ξ)−tn0(ξ)‖ auf x−1(∂ΩK)

0 = [u(ξ)] auf ∂Ω0i ∩ ∂Ω0j

0 =[det(F(ξ))−1T(ξ)F(ξ)t

] FΩ0i(ξ)nΩ0i

‖FΩ0i(ξ)nΩ0i

‖ auf ∂Ω0i ∩ ∂Ω0j

Materialgesetze :

T(ξ) = F(ξ)(λ(ξ)tr(E(ξ))I+ 2µ(ξ)E(ξ)) in Ω0W1, Ω0W2

T(ξ,F) =∂W

∂F(ξ,F) in Ω0F , Ω0Bi

W (ξ,F) =1

2W a(ξ,F, a) +

1

2W b(ξ,F, b) in Ω0F

W (ξ,F) = W c(ξ,F, c) in Ω0Bi

W s(F, s) =

(

(1− vF )GM

2+ vF

GF (Is4)

2

)(

Is4 +2√

Is4− 3

)

(s = a, b) : in Ω0F

+GMF (I

s4)

2

(

I1 −(

Is4 +2√

Is4

))

(s = c) : in Ω0Bi

T(ξ) = p(x(ξ))F(ξ)−t in Ω0G

Page 39: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

4 ANWENDUNG AUF DIE WIRBELSÄULE 35

Sonstige Abhangigkeiten :

Vol(Ω) ≥∫

Ω0

det(F(ξ)) dξ (Injektivitat)

T(ξ)t = F(ξ)−1T(ξ)F(ξ)t (Symmetrie)

ρ0(ξ) = gH(ξ) + h (Massendichte)

E(ξ) = Cρ0(ξ)r (Elastizitatsmodul)

λ(ξ) =E(ξ)ν

(1 + ν)(1− 2ν)(Lame-Konstanten)

µ(ξ) =E(ξ)

2(1 + ν)

GMF (Is4) =

GF (Is4)(1 + vF ) +GM(1− vF )

GF (Is4)(1− vF ) +GM(1 + vF )GM (effektiver Schermodul)

u(ξ) = x(ξ)− ξ (Verschiebung)

F(ξ) = ∇x(ξ) (Deformationsgradient)

C(ξ) = F(ξ)tF(ξ) (Verzerrungstensoren)

E(ξ) =1

2(C(ξ)− I)

I1(C) = tr(C) (Tensorinvarianten)

Is4(C) = stCs

Freie Parameter :

g, h, C, r, ν, vF , GM , GF (Is4)

Page 40: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

5 FAZIT UND AUSBLICK 36

5 Fazit und Ausblick

In dieser Arbeit wurde ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der

menschlichen Wirbelsäule hergeleitet. Ausgangspunkt waren die anatomischen Gegeben-

heiten. Es wurden Wirbelknochen, Faserringe, Gallertkerne sowie Bänder diskutiert. Die

mathematische Basis bildete das Grundmodell der Strukturmechanik, ein System parti-

eller Differentialgleichungen, welches einen statischen Gleichgewichtszustand modelliert.

Da über das Materialgesetz die mechanischen Eigenschaften der beteiligten Stoffe in das

Modell einfließen, wurden dann im Hauptteil der Arbeit die verschiedenen Materialien

der Wirbelsäule genauer untersucht. Für die Knochen haben wir kleine Verzerrungen

vorausgesetzt und konnten so ein lineares Konstitutivmodell für sie herleiten. Beim Faser-

ring war dies nicht mehr möglich. Mithilfe des hyperelastischen Neo-Hookeschen Gesetzes

haben wir eine Spannungsenergie für ein faserverstärktes Material konstruiert. Dabei ha-

ben wir zwei verschiedene Fasertypen berücksichtigt. Die Bänder konnten wir mit einem

ähnlichen Modell für eine Faserart beschreiben und den Gallertkern im Inneren der Band-

scheibe als inkompressible Flüssigkeit betrachten. Weiter wurden Übergangs-, Kontakt-

und Injektivitätsbedingungen für die Deformation sowie für die Spannung hergeleitet, um

die einzelnen Komponenten abschließend in einem Gesamtmodell zusammenzuführen.

Das so entstandene Kontinuumsmodell ist jedoch noch sehr allgemein. Für Anwendungs-

zwecke bedarf es einer weiteren Verfeinerung und Anpassung an die spezielle Situation.

Beispielsweise können die Steifigkeitsparameter der Knochen variiert werden, um ein bes-

seres Verständnis für den mit der Osteoporose einhergehenden Knochenabbau zu bekom-

men. Mit dem Modell erhält man dann Aufschluss über die veränderten Spannungen im

Knochen. Weiterhin könnte unser Modell für die Optimierung künstlicher Implantate im

Bereich der Wirbelsäule eingesetzt werden. Ebenfalls interessant wäre auch die Unter-

suchung dynamischer Aspekte, zum Beispiel bei sportlichen Aktivitäten. Mathematische

Analysen bezüglich Existenz, Eindeutigkeit und Regularität von Lösungen der Modelle

sollten jedoch der Simulation vorweg gehen. Dabei wäre zu beachten, dass es sich bei un-

serem Modell um ein nichtlineares Problem handelt, da der Verzerrungstensor quadratisch

vom Deformationsgradienten abhängt. Außerdem haben wir die Materialien der Bänder

und des Faserrings nichtlinear modelliert und nichtlineare Randbedingungen verwendet.

Im Hinblick auf Effizienz könnte auch zunächst eine Modellreduktion folgen, um das ma-

thematische Problem zu vereinfachen und numerisch besser handhabbar zu machen. Bei-

spielsweise könnten die Bänder aufgrund ihrer Form gut durch eindimensionale Strukturen

beschrieben oder die Randbedingungen linearisiert werden. Wenn das reduzierte Modell

Page 41: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

5 FAZIT UND AUSBLICK 37

hinreichend gut verstanden ist, kann die numerische Simulation des Problems folgen. Da-

zu sind zunächst genaue Daten der Geometrie eines Versuchsobjektes notwendig, die man

durch Computertomographie erhält. Um die einzelnen Komponenten unterscheiden zu

können, folgt dann eine Segmentierung der CT-Aufnahmen. Anschließend werden die so

aufgeteilten Gebiete durch Diskretisierungsalgorithmen weiter in kleinere Elemente zer-

legt. Mit der Finite-Elemente-Methode kann schließlich das Randwertproblem partieller

Differentialgleichungen gelöst werden. Um die Gültigkeit des Modells sicherzustellen, muss

es nach der Simulation durch experimentelle Daten des Versuchsobjektes validiert werden.

Gegebenenfalls können bei Abweichungen Materialparameter und dergleichen im Modell

angepasst werden. Mit akkuraten Modellen können so in Zukunft viele Fragestellungen

im Bereich der Biomechanik beantwortet werden.

Page 42: Kontinuumsmechanische Modelle der menschlichen Wirbelsäule · I Zusammenfassung In dieser Arbeit wird ein dreidimensionales Kontinuumsmodell für die Mechanik der menschlichen Wirbelsäule

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