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DOI: 10.1002/stab.201320047 302 Stahlbau 82 (2013), Heft 4 Berichte Im Zusammenhang mit der Planung der vorliegenden Ausgabe nahm der Chefredakteur von STAHLBAU, Dr.-Ing. Karl-Eugen Kurrer, Kontakt mit der AG Kran- und Baumaschinen- museum e.V. auf und bat Herrn Dirk P. Moeller um eine Schilderung der Entstehungs- geschichte des Kran- und Baumaschinenmuseums (KBM) aus persönlicher Sicht. 1 Vorbemerkungen Die europäischen Staaten verfügen über eine eindrucksvolle Kulturge- schichte, aus der die Geschichte der Industrialisierung herausragt. Wichtige Elemente dieser auf uns gekommenen Industriekultur sind wegweisende technische Entwicklun- gen wie z. B. aus der Bautechnik und dem Maschinenbau. Im Schnittpunkt von Bautechnik und Maschinenbau ist der Objektbereich der Baumaschi- nen angesiedelt, dessen industriekul- turelle Würdigung bis Mitte der 1990er Jahre über Fußnoten in der Historio- graphie der Technik nicht hinauskam. Dagegen stoßen historische Eisenbah- nen auf reges gesellschaftliches Inter- esse, das museal und literarisch reich- lich bedient wird: Von fast jeder früher gebauten Dampflok gibt es glücklicher- weise irgendwo noch ein erhaltenes, wenn auch nicht unbedingt restaurier- tes Exemplar, das literarisch gut doku- mentiert ist; darüber hinaus existiert mit dem Sektor der Modelleisenbah- nen ein weites Feld, auf dem die His- torisierung der Artefaktwelt des Eisen- bahnwesens simuliert werden kann. Aber könnten denn Bahnstrecken mit ihren zahlreichen Kunstbauwerken wie Brücken und Tunnel ohne das Bauwesen und insbesondere ohne die zahlreichen, unterschiedlichen Bauge- rätschaften überhaupt existieren? Hät- ten Lokomotiven und Eisenbahnwag- gons entwickelt und gebaut werden können ohne entsprechende Industrie- bauten, die wiederum von Bauarbei- tern mit Baugeräten errichtet wurden? 1.1 Zielsetzung des Kran- und Bau- maschinenmuseums (KBM) Der musealen Aufarbeitung der ge- schichtlichen Dimension des Kran- baus und der Baumaschinen in ihrer Komplexität hatte sich bis 1994 nie- mand „verschrieben“. Dass es an einer solchen Ausstellungsstätte fehlt, ist mir im Rahmen meiner Ausarbeitung von Lehrunterlagen und Vorbereitung von Lehrvorträgen für angehende Baufach- leute Anfang der 1990er Jahre überaus deutlich geworden. Selbstverständlich gab es schon vor 1994 bereits histori- sche Beiträge zur Geschichte des Kran- baus und der Baumaschinen; diese waren überwiegend skizzenhaft und hauptsächlich für technische Studien- gänge gedacht. Ein öffentliches Mu- seum oder eine Ausstellung zu diesem technisch hochinteressanten und ge- sellschaftlich relevanten Objektbe- reich existierte schlichtweg nicht. Als Zielgruppe für ein solches Museum kämen nicht nur Studierende einschlä- giger Fachrichtungen, sondern auch Gruppen von bautechnischen Weiter- bildungslehrgängen und – last but not least – interessierte Laien infrage. 1.2 Der Grundstein: ein alter Turm- drehkran und ein alter Bagger Zwei mir im Herbst 1994 vom Bad Hersfelder Bauunternehmen Hucke- meier übereignete Alt-Baumaschinen – ein Turmdrehkran noch mit Biegebal- ken-Verstellausleger, Fabrikat PEKA- ZETT, Typ TK 9 (Bild 1) und ein recht früher POCLAIN Mobil-Hydraulikbag- ger, Typ TY 45 – legten den Grundstein, sodass damit die schon länger in mir gewachsene Idee eines „Museums zur Entwicklung der Kran- und Bauma- schinentechnik“ reale Gestalt annahm. Eigentlich sicher, dass die Idee schwierig umsetzbar ist, wollte ich mir einige alte Turmdrehkrane im Modell maßstabsgerecht selbst anfertigen – so- zusagen ein eigenes, kleines Museum im Modellmaßstab schaffen. Zu der Schenkung der beiden Alt-Baumaschi- nen kam es nach einem Telefonat mit dem Bauunternehmer aus Bad Hers- feld, wo ich ihm meine Idee zur Grün- dung eines Museums zur Entwick- lungsgeschichte der Baumaschinen- Kran- und Baumaschinenmuseum: Von der Idee zur Wirklichkeit Dirk P. Moeller Bild 1. Pekazett TK 9 (Museumskran- Skizze)

Kran- und Baumaschinenmuseum: Von der Idee zur Wirklichkeit

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DOI: 10.1002/stab.201320047

302 Stahlbau 82 (2013), Heft 4

Berichte

Im Zusammenhang mit der Planung der vorliegenden Ausgabe nahm der Chefredakteur von STAHLBAU, Dr.-Ing. Karl-Eugen Kurrer, Kontakt mit der AG Kran- und Baumaschinen-museum e.V. auf und bat Herrn Dirk P. Moeller um eine Schilderung der Entstehungs-geschichte des Kran- und Baumaschinenmuseums (KBM) aus persönlicher Sicht.

1 Vorbemerkungen

Die europäischen Staaten verfügen über eine eindrucksvolle Kulturge-schichte, aus der die Geschichte der Industrialisierung herausragt.

Wichtige Elemente dieser auf uns gekommenen Industriekultur sind wegweisende technische Entwicklun-gen wie z. B. aus der Bautechnik und dem Maschinenbau. Im Schnittpunkt von Bautechnik und Maschinenbau ist der Objektbereich der Baumaschi-nen angesiedelt, dessen industriekul-turelle Würdigung bis Mitte der 1990er Jahre über Fußnoten in der Historio-graphie der Technik nicht hinauskam. Dagegen stoßen historische Eisenbah-nen auf reges gesellschaftliches Inter-esse, das museal und literarisch reich-lich bedient wird: Von fast jeder früher gebauten Dampflok gibt es glücklicher-weise irgendwo noch ein erhaltenes, wenn auch nicht unbedingt restaurier-tes Exemplar, das literarisch gut doku-mentiert ist; darüber hinaus existiert mit dem Sektor der Modelleisenbah-nen ein weites Feld, auf dem die His-torisierung der Artefaktwelt des Eisen-bahnwesens simuliert werden kann. Aber könnten denn Bahnstrecken mit ihren zahlreichen Kunstbauwerken wie Brücken und Tunnel ohne das Bauwesen und insbesondere ohne die zahlreichen, unterschiedlichen Bauge-rätschaften überhaupt existieren? Hät-ten Lokomotiven und Eisenbahnwag-gons entwickelt und gebaut werden können ohne entsprechende Industrie-bauten, die wiederum von Bauarbei-tern mit Baugeräten errichtet wurden?

1.1 Zielsetzung des Kran- und Bau-maschinenmuseums (KBM)

Der musealen Aufarbeitung der ge-schichtlichen Dimension des Kran-baus und der Baumaschinen in ihrer Komplexität hatte sich bis 1994 nie-mand „verschrieben“. Dass es an einer solchen Ausstellungsstätte fehlt, ist mir im Rahmen meiner Ausarbeitung von Lehrunterlagen und Vorbereitung von Lehrvorträgen für angehende Baufach-leute Anfang der 1990er Jahre überaus deutlich geworden. Selbstverständlich gab es schon vor 1994 bereits histori-sche Beiträge zur Geschichte des Kran-baus und der Baumaschinen; diese waren überwiegend skizzenhaft und hauptsächlich für technische Studien-gänge gedacht. Ein öffentliches Mu-seum oder eine Ausstellung zu diesem technisch hochinteressanten und ge-sellschaftlich relevanten Objektbe-reich existierte schlichtweg nicht. Als Zielgruppe für ein solches Museum kämen nicht nur Studierende einschlä-giger Fachrichtungen, sondern auch Gruppen von bautechnischen Weiter-bildungslehrgängen und – last but not least – interessierte Laien infrage.

1.2 Der Grundstein: ein alter Turm-drehkran und ein alter Bagger

Zwei mir im Herbst 1994 vom Bad Hersfelder Bauunternehmen Hucke-meier übereignete Alt-Baumaschinen – ein Turmdrehkran noch mit Biegebal-ken-Verstellausleger, Fabrikat PEKA-ZETT, Typ TK 9 (Bild 1) und ein recht früher POCLAIN Mobil-Hydraulikbag-

ger, Typ TY 45 – legten den Grundstein, sodass damit die schon länger in mir gewachsene Idee eines „Museums zur Entwicklung der Kran- und Bauma-schinentechnik“ reale Gestalt annahm.

Eigentlich sicher, dass die Idee schwierig umsetzbar ist, wollte ich mir einige alte Turmdrehkrane im Modell maßstabsgerecht selbst anfertigen – so-zusagen ein eigenes, kleines Museum im Modellmaßstab schaffen. Zu der Schenkung der beiden Alt-Baumaschi-nen kam es nach einem Telefonat mit dem Bauunternehmer aus Bad Hers-feld, wo ich ihm meine Idee zur Grün-dung eines Museums zur Entwick-lungsgeschichte der Baumaschinen-

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Bild 1. Pekazett TK 9 (Museumskran-Skizze)

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erscheinenden Einrichtungen konzen-trierte sich das „Gründer“-Team der Baumaschinen-Museumsidee in den ersten Jahren auf einen Museumsstand-ort in Rüdersdorf bei Berlin. Dieser wurde durch Professor Poppys Kon-takte gefunden. Innerhalb eines dort seit vielen Jahren bereits bestehenden Freilichtmuseums, sollte dort, nach einem Besuch aller Beteiligten im Jahr 1998, die Idee des „Kran- und Bauma-schinenmuseums“ in einem eigenen Bereich zunächst eingerichtet und umgesetzt werden. Ab Ende 1999 wur-den schließlich weitere durch uns vor der Verschrottung bewahrte Alt-Bau-maschinen direkt in den Museumspark transportiert, dort sukzessive, mög-lichst dem jeweiligen Auslieferungs-stand entsprechend aufgearbeitet, montiert und ausgestellt. Die ersten im Museumspark auf- und ausgestell-ten Alt-Baumaschinen waren ein Lieb-herr Form 8 Rohrkran aus dem Jahr 1955 und ein Peiner TT 50 Nadelaus-legerkran mit zweifach teleskopierba-rem Kranturm aus dem Jahre 1969. Der Peiner-Kran könnte beinahe als ein Wahrzeichen des Baumaschinen-museums im Museumspark bezeichnet werden. Mit seinen möglichen 78 m Rollenhöhe bei steilster Auslegerstel-lung ist der Kran schon von weitem sichtbar (Bild 3)! Wenige Wochen spä-ter wurden noch eine Dreirad-Straßen-walze aus dem Hause Scheid (Baujahr 1954) und eine transportable Misch-anlage aus dem Hause Maschinenfa-

Was nun? Diesen Kran von Frank-furt aus zu dem befreundeten Land-wirt verfrachten? Das wäre schlicht zu aufwendig gewesen.

Durch Zufall lernte ich bereits im Jahr 1995 mit Herrn Dietmar Thiels einen ersten „Mitstreiter“ kennen, der zu dieser Zeit gemeinsam mit einem Partner ein Architekturbüro im Rhein-Main-Gebiet betrieb und der das Inte-resse an Baumaschinen und Baukranen im Besonderen mit mir teilte. Schnell war er bereit, diesen zweiten Alt-Bau-kran zu übernehmen, führte die weite-ren Gespräche mit dem Frankfurter Bauunternehmer und konnte diesen Altkran, nach entsprechender Rück-sprache, auf einem freien Geländeteil eines mit ihm befreundeten Unterneh-mers einlagern.

Die ersten Alt-Baumaschinen wa-ren damit erst einmal für die Museums-idee sicher. Nur konnte natürlich we-der auf dem Gelände des landwirt-schaftlichen Betriebes, noch auf dem Gelände des Wiesbadener Unterneh-mens ein Baumaschinenmuseum er-richtet werden.

Ich erinnerte mich an Herrn Pro-fessor Dr. Ing. Wolfgang Poppy (TU Berlin), zu dem ich Anfang der 1990er Jahre berufliche Kontakte hatte und dem ich seinerzeit ebenfalls von mei-ner „verrückten Museumsidee“ er-zählte. Professor Poppy bekräftigte mich wider Erwarten in meiner Idee. Bekräftigte er mich damals nur? Nein, eigentlich forderte er mich geradezu auf, meine Idee ernsthaft weiter zu verfolgen! Darüber hinaus bot er auch seine Unterstützung an, wenn diese einmal benötigt werden würde.

Die Suche nach einem geeigne-ten Standort für ein Museum histori-scher Baumaschinen und -krane war in meinen Augen ein guter Anlass, Pro-fessor Poppys angebotene Unterstüt-zung anzunehmen.

Museums-Baumaschinen wie Seil- und Hydraulikbagger, Laderaupen, Straßenwalzen usw. stellten ja nicht das größte Problem dar. Für solche Maschinen würden sich zahlreiche Standorte im Freien oder in Hallen finden lassen. Aber einen geeigneten Standort zu finden, an dem auch un-sere Baukrane dauerhaft auf- und aus-gestellt werden können, das war die große Herausforderung, die es zu lö-sen galt.

Nach bundesweit mehrfachen Anfragen bei entsprechend geeignet

technik erläuterte. Der Hintergrund meines Anrufs bei ihm war, dass ich ihn um einige Unterlagen seiner alten Baumaschinen zum Zweck des Mo-dellbaus bitten wollte. Der Bauunter-nehmer war sofort von der Museums-idee begeistert und übereignete mir die o. g. Maschinen.

2 Standortfrage: wohin mit unseren Museumskranen?

Erst war es nur eine Idee und dann Ge-spräche darüber. Jetzt hatte ich plötz-lich zwei echte Alt-Baumaschinen! Und ein Problem obendrein: wohin damit?

Dankenswerterweise hat mir da-mals ein befreundeter Landwirt schnell und sehr unkompliziert geholfen. Den alten Mobilbagger hat er sofort ab-geholt und in seiner Maschinenhalle untergestellt. Für den alten Baukran räumte er auf seinem recht großen Hofgrundstück eine geeignete Stelle frei. So konnte ich den Kran auf dem Lagerplatz des Bauunternehmers, der mir den Kran schenkte, demontieren und ebenfalls auf das Gelände des vor-genannten Landwirts transportieren.

Anfang 1996 bekam ich dann vom Frankfurter Bauunternehmer Bender einen weiteren Alt-Baukran zur kos-tenfreien Übernahme angeboten, Fa-brikat Liebherr, Typ F 20 (Bild 2). Der Kran war ebenfalls ein interessantes Stück Technikgeschichte: noch starrer Rahmenunterwagen, starrer Kran-turm und Nadelausleger.

Bild 2. Museumskran Liebherr F 20 (Baujahr 1954)

Bild 3. Peiner TT 50 und Liebherr F 8 Rohrkran, Liebherr F 10 K (liegend)

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ten, die jemals eine historische Bau-maschine privat übernommen haben! So wurde der Bestand bereits im Ok-tober 1989 um einen alten P&H 155 A Seilbagger mit Gitterausleger-Grei-ferausrüstung sowie separater Tieflöf-felausrüstung bereichert.

2.2 Der Museums- und Förderverein „AG Kran- und Baumaschinen-museum e.V.“

Aufgrund der zuvor erwähnten und erforderlich gewordenen Standortent-

den in den Jahren ab 1995 erfreulicher-weise einige Menschen zusammen, die das Interesse an Baumaschinen und deren Entwicklungsgeschichte teilen und sich in der Folge zusammenschlos-sen, um interessante, alte Baumaschi-nen vor der Entsorgung zu retten und diese möglichst dauerhaft für die Nach-welt zu bewahren.

2005 kamen mit den Herren Wal-ter Ofenloch und Wolfgang Horsch auch zwei Baumaschinenenthusiasten in unseren Museums- und Förderkreis, die sogar die ersten gewesen sein dürf-

brik Otto Kaiser KG (Baujahr 1936) restauriert und ausgestellt. Bis heute kamen zahlreiche weitere Altbauma-schinen und -krane in unseren musea-len Bestand. So konnten wir beispiels-weise im September 2012 mit einem der ersten von Hans Liebherr gebau-ten Turmdrehkrane, einem TK 6, Bau-jahr 1950, den 25. Museumskran in unseren Bestand übernehmen (Bild 4)!

Etwa im Jahr 2006 gründete und öffnete der Tiefbauunternehmer Ger-hard Seibold den „Monsterbagger-Freizeitpark“ in Rattelsdorf (Land-kreis Bamberg). Mehr oder weniger als ‚Rand attraktion‘ begann er seinem „Monsterpark“ ebenfalls, ein Bauma-schinenmuseum mit zahlreichen alten Erdbewegungsmaschinen anzuschlie-ßen.

Weitreichende Veränderungen in der Museumsleitung ab 2005 und da-mit einhergehend auch in den Planun-gen zur zukünftigen Ausrichtung des alten Museumsstandorts (Bild 5), mach-ten leider eine Neuorientierung unse-rer baumaschinentechnischen Muse-umsinitiative notwendig. Nach ersten Sondierungsgesprächen setzten sich die jeweiligen Initiatoren zusammen und entschlossen sich sehr schnell zu einer Kooperation und damit auch sinnvollen baumaschinentechnischen Konzentration in Rattelsdorf. In der Folgezeit wurde ein Großteil des Mu-seumsbestandes an den neuen Muse-umsstandort überführt. Die Maschinen werden dort nach und nach überholt und ausgestellt (Bild 6).

Das Museum ist im Zeitraum von März/April bis November täglich von 10 bis 18 Uhr, geöffnet. Montags bis donnerstags gibt es derzeit jedoch keine Betreuung oder Bewirtung und Gruppen werden um rechtzeitige Vor-anmeldung gebeten. Führungen kön-nen auf Anfrage abgestimmt und durchgeführt werden.

2.1 Ansteckender „Gittermastvirus“ – Menschen mit ähnlichen Symptomen

Wie ich in den letzten Jahren in etli-chen Gesprächen beinahe unisono er-fuhr, dachten viele von uns, mit der „Infizierung am Gittermastvirus“, wie wir unser Interesse an Kranen und anderen Baumaschinen manchmal scherzhaft nennen, alleine unterwegs zu sein.

Durch Hinweise aus Fachkreisen und das aufkommende Internet fan-

Bild 4. Museumskran Liebherr TK 6, Baujahr 1950

Bild 5. Übersicht Kran- und Baumaschinenmuseum in 2007

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sowie Kommunikationsstelle zu Unter-nehmen, Hoch- und Fachhochschulen, sonstigen Bildungsträgern, Berufsver-bänden und anderen Technikmuseen sowie weiteren, privaten Sammlern originaler Baumaschinen sein.

3 Alte Baumaschinen als Museums-Exponate

Aufgrund der Bündelung dieser musea-len Aktivitäten im Bereich Baumaschi-nentechnik zählt das Kran- und Bau-maschinenmuseum inzwischen mehr als 160 interessante und konstruktiv wegweisende Baumaschinenexponate. Vom ersten echten Turmdrehkran, ei-ner Krankonstruktion, die vom Unter-nehmen Kaiser & Schlaudecker (spä-ter Otto Kaiser KG) im Jahr 1912 im Markt eingeführt wurde, und einem imposanten Vertreter der Anfang des 20. Jahrhunderts noch üblichen Dampf-bagger, einem Menck M IV (Baujahr 1927), als nur zwei Beispiele unserer musealen Highlights, kann man über viele weitere, entwicklungstechnisch bedeutsame und epochentypische Bau-maschinenexponate einen Spaziergang durch ein überaus interessantes Stück Technikgeschichte und Industriekultur unternehmen.

Auch die Baumaschinentechnik der „Wirtschaftswunderzeit“ kommt dabei nicht zu kurz und so können auch viele „Baumaschinengesichter“ wahrgenommen werden, die vielen

Im Rahmen der weiteren bzw. künftigen Ziele soll die „AG-KBM“ die wissenschaftliche und fachkundliche Aufarbeitung des Kran- und Bauma-schinenmuseums begleiten sowie ein Dokumentenarchiv aufbauen und ver-walten. Auch ein überschaubares Er-satzteillager für die vorhandenen Bau-maschinenexponate gilt es aufzubauen.

Die „AG Kran- und Baumaschi-nenmuseum“ betreut darüber hinaus den Internetauftritt des Kran- und Bau-maschinenmuseums und soll Schnitt-

scheidung wurde dann Ende 2009 durch die Initiatoren und bisherigen „Mitstreiter“ der Museumsidee zügig ein eigenständiger Museums- und För-derverein gegründet, die „AG Kran- und Baumaschinenmuseum e.V. (AG-KBM)“, um das Thema optimal und eigenständig zu betreuen und bearbei-ten.

Am alten Standort war dies so noch nicht erforderlich, weil es dort bereits einen Förderverein gab, dem die Mitglieder der „AG-KBM“ eben-falls angehören.

2.3 Aufgaben und Ziele der „AG Kran- und Baumaschinenmuseum e.V.“

Zu den Aufgaben und Zielen des Mu-seums-/Fördervereins gehört die Bün-delung und Weitergabe von Wissen, Erfahrungen sowie Überlegung und Planung künftiger Initiativen. Die „AG“ ist auch federführend in die Aus-wahl und Beschaffung von thematisch bedeutsamen und interessanten Alt-Baumaschinen eingebunden und zu-ständig. Als weitere, nicht unbedeu-tende Aufgabe der „AG-KBM“ ist die technische Betreuung der vorhande-nen Alt-Baumaschinen anzuführen. Die Durchführung von Funktionsprü-fungen und kleineren Wartungsarbei-ten, aber auch die Koordination von Restaurationsarbeiten sowie Demon-tage, Transport und Montage von er-worbenen Alt-Baumaschinen sind da-bei ebenso zu nennen. Bild 7. „Baumaschinengesichter“ am neuen Museumsstandort

Bild 6. Museumskrane Liebherr F 50 HB (Hochhauskletterkran) und F 30 A/35

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kes allseitig und unbegrenzt drehen konnte. An zwei sich gegenüberliegen-den Positionen befanden sich entspre-chende Laschen, an denen auf der ei-nen Seite der Kranausleger, der bereits die Form eines Nadelauslegers aufwies, und auf der gegenüberliegenden Seite ein Gegenausleger montiert werden konnten.

Wegen der zuvor beschriebenen Gestaltung wurde diese Bauform auch als „Glockenausleger“ bezeichnet. Auch einen solchen, alten „Wolffkran“ haben wir in unserem musealen Be-stand (Bild 9).

relativ kurzer, starrer und nur durch das Hubwerk in seiner Ausladung ver-änderlicher Ausleger angelenkt war. Als frühe Hersteller, um etwa 1910, sind hier das ehemalige Unternehmen Rieche aus Kassel sowie Carl Peschke (Pekazett) aus Zweibrücken zu nen-nen. Diese ersten Krane waren in der Regel „Einmotoren-Turmdrehkrane“.

Der erste „große Wurf“ gelang dem Unternehmen Kaiser & Schlau-decker (später Otto Kaiser KG) 1912 mit der Entwicklung eines Baukrans, bei dem bis zu drei Arbeitsbewegun-gen gleichzeitig ausgeführt werden konnten: Hub-, Schwenk- und Fahr-bewegung. Diese Geräte hatten ober-halb des Kranportals ein Maschinen-haus, das gleichzeitig Führerstand war. Der Kranturm ging durch das Maschinenhaus hindurch und konnte oberhalb dieses Maschinenhauses durch Einsetzen von 6-m-Turmschüs-sen in begrenztem Maße für die erfor-derliche Bauhöhe ausgerüstet werden. Auf dem abgekröpften Ende des Kran-turms wurde ein Ausleger in soge-nannter Biegebalkenbauweise ange-lenkt. Wie der Name schon sagt, wur-den diese Ausleger vorwiegend auf Biegung beansprucht, während der spätere Nadelausleger die Zug- und Druckkräfte in den Kranturm ablei-tete. Das Verstellen dieses Biegebal-kenauslegers erfolgte ebenfalls durch den direkt unter die Auslegerspitze gefahrenen Lasthaken und das an-schließend weitere Betätigen des Hubwerks. Bei dieser Auslegerverstel-lung senkte sich ein am hinteren, kur-zen Ende des Auslegers befestigtes Gestänge nach unten und konnte vom Maschinisten im Maschinenhaus manuell verriegelt werden. Erfreuli-cherweise konnten wir noch eine sol-che frühe Krankonstruktion auffinden und im Jahr 2003 übernehmen (Bild 8).

Eine weitere, wegweisende Kran-entwicklung war ein Gerät, das 1913 von dem Heilbronner Unternehmen Julius Wolff, heute Wolffkran, auf der Leipziger Messe der Fachwelt präsen-tiert wurde. Dies war der erste Oben-dreherkran!

Bei dieser Konstruktion war über die Turmspitze eines starren, nicht drehbaren Kranturms eine zweite Spitze quasi darübergestülpt, die sich mit einem Druckrollenring am Kran-turm abstützte und um diesen herum mittels eines dort platzierten Drehwer-

Menschen weithin bekannt sind (Bild 7).

3.1 Turmdrehkrane als „herausragende“ Museumsstücke

Eine weitere Besonderheit des Kran- und Baumaschinenmuseums besteht darin, dass es über eine große Anzahl verschiedenartiger Turmdrehkrane verfügt. Das Museum dokumentiert mit den ausgewählten und vorhande-nen Exponaten die gesamte Entwick-lungsgeschichte dieser speziellen Bau-maschine von 1910 bis 1980.

Turmdrehkrane sind Dreh- und Angelpunkt einer Hochbaustelle und zugleich ihr weithin sichtbares Sym-bol. Mit der Entwicklung der Turm-drehkrane wurde es möglich, die be-nötigten Baumaterialien in einem drei-dimensionalen Raum zu befördern, und diese an beinahe jedem erforder-lichen und vom Kran erreichbaren Ort einer Baustelle aufzunehmen oder ab-zusetzen. Gleichzeitig induzierte die Verbreitung des Turmdrehkrans auch eine Humanisierung der Arbeitswelt auf der Baustelle: Waren es bis zur Einführung der Turmdrehkrane vor-wiegend die auf dem Bau arbeitenden Menschen, welche die zum Teil zent-nerschweren Baumaterialien nicht ge-rade gesundheitsförderlich per Hand oder auf ihren Schultern bewegen mussten, so übernahm der Baukran diese Körper verschleißende Förder-tätigkeit.

3.2 Dokumentierte Entwicklungs-geschichte der Baukrantechnik

Die ersten für Baustelleneinsätze ent-wickelten Turmdrehkrane waren noch relativ schwere, langwierig und auf-wendig zu montierende Geräte. Sie hatten meist ein sogenanntes, gleis-gebundenes Kranportal, auf das die eigentliche Krankonstruktion aufge-baut war. Ein Vorteil dieser schweren Kranportale war, dass „Hindernisse“ zwischen den Gleisen, wie die frühe-ren Fuhrwerke oder zwischen den Glei-sen gelagerte Baumaterialien, mit Hö-hen von bis zu 3 m, überfahren wer-den konnten.

Die ersten Baukrane waren Kon-struktionen, die optisch an alte Licht- oder Telegraphenmaste erinnern. Über dem Portalunterwagen war ein sim-pler, aus Eisenwinkeln bestehender Turm, unterhalb dessen Spitze ein noch

Bild 8. „Ur-Baukran“ Kaiser TK B (Lizenzbau Brun, CH)

Bild 9. Wolff „Ur-Kran“ Form 45 EW (mit Glockenausleger)

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kleineren Schritten erfolgen. Sieht man einmal von einer Unterstützung bei den Transportkosten von einem der größeren Museumskrane im Jahr 1999 durch den früheren Kranhersteller Pei-ner AG ab sowie jeweils einer einma-ligen finanziellen Zuwendung zweier großer Baukonzerne, einem Schweizer Bauunternehmer und zweier Schwei-zer Sägereibetreiber, so erhielt diese interessante und in dieser Form welt-weit einzigartige Museumsinitiative bisher keinerlei finanzielle Unterstüt-zung. Dies trifft auch für die Bauma-schinenhersteller zu, obwohl deren je-weilige Firmengeschichte anhand der vorhandenen Museumsexponate in gewisser Weise dokumentiert und da-mit für die Nachwelt erhalten werden. Trotz dieser mangelnden Unterstüt-zung ist es der „AG KBM“ erfreulicher-weise gelungen, noch zahlreiche weg-weisende Baumaschinen und auch einige Raritäten aus diesem industriel-len Sektor zu retten.

Literatur, Veröffentlichungen und andere Informationsquellen

In puncto Literatur seien an dieser Stelle besonders die folgenden Werke ge-nannt:

[1] Oliver Bachmann, Heinz-Herbert Cohrs, Tim Whiteman, Alfred Wislicki: Faszination Baumaschinen – Krantech-nik von der Antike bis zur Neuzeit. Isern-hagen: Giesel Verlag 1997.

tion konnte die Transportbreite und auch -länge der Krane begrenzt wer-den. Beide Merkmale sind bis heute noch häufig angewendete Standards in Entwicklung und Bau bestimmter Kranarten.

Auch wurden ab Mitte der 1950er Jahre immer größer werdende Krane konstruiert, um den Bedarf für ent-sprechend hohe Bauwerke zu decken.

In Ländern wie Frankreich, Ita-lien und Skandinavien wurden Kran-systeme mit Laufkatzausleger entwi-ckelt, während man in Deutschland vorrangig Kransysteme mit Verstell-auslegern konstruierte. Zwar gab es auch in Deutschland ab etwa 1954 ver-einzelte Kranentwicklungen mit Lauf-katzauslegern, diese setzten sich aber erst und durch den zunehmenden, aus-ländischen Wettbewerbsdruck ab etwa 1970 durch (Bild 12).

3.3 „Wer soll das bezahlen …“

In einem Liedtext heißt es „Wer soll das bezahlen? Wer hat soviel Geld? …“: Diese Frage betraf und betrifft Mu-seen in besonderer Weise. Die Finan-zierung der Anschaffungs- und Trans-portkosten wurde in der Vergangen-heit hauptsächlich von den einzelnen Initiatoren bzw. in vergleichsweise geringem Umfang durch einzelne Mit-glieder oder den Förderverein geleis-tet. So konnte die Vervollständigung des „Kran- und Baumaschinenmuse-ums“ verständlicherweise meist nur in

Krane in der ersten Bauform von Otto Kaiser wurden mit einigen Verän-derungen bis etwa 1940 gebaut, wäh-rend der recht weit verbreitete „Wolff-kran“ noch bis etwa Mitte der 1950er Jahre produziert wurde. In den letzten Fertigungsjahren wurde für diese „Wolffkrane“ auch ein zusätzliches Auslegerverstellwerk angeboten.

Die Eisen- bzw. Stahlprofile der frühen Krankonstruktionen wurden bis Ende der 1940er Jahre noch warm miteinander vernietet (Bild 10). Ab etwa dieser Zeit waren die Entwick-lungen im Bereich der Schweißtech-nik so weit fortgeschritten, dass die Kranbauer die Stahlkonstruktionen ihrer Krane im Schweißverfahren fer-tigten.

1949 entwickelte der Kirchdorfer Baumeister Hans Liebherr einen schnell montier- und transportierbaren Baukran und legte damit den Grund-stein für seinen weltweit tätigen Kon-zern. Seine ersten Krane waren recht einfache Biegebalkenauslegerkrane ohne Auslegerverstellwerk (s. Bild 4). Erst eine Weiterentwicklung, die mit einem Rohrmastturm ausgeführt wurde, konnte mit zusätzlichem Aus-legerverstellwerk angeboten werden. Aber auch sonst setzte Liebherr ab 1950 Akzente. So brachte Liebherr 1952 untendrehende Baukrane auf den Markt, bei denen der bisherige Biegebalkenausleger durch einen un-terhalb der Turmspitze angeordneten Nadelausleger ersetzt wurde. Ein wah-rer Geniestreich gelang im Jahr 1955 mit der Entwicklung und Vorstellung der beiden neuen Krantypen F 14 A und F 25 A.

Es waren dies die ersten Krane mit sogenanntem „Polypunterwagen“ (auch „Spreizholmunterwagen“ ge-nannt) und teleskopierbarem Kran-turm (Bild 11). Mit dieser Konstruk-

Bild 10. Warm vernietete Bauteile zweier Museumskrane

Bild 11. Liebherr F 14 A mit Polypunterwagen und Teleskopturm im Baustellen-einsatz um 1957/58

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tive Website www.kran-info.ch und ist darüber hinaus auch im Vorstand der AG Kran- und Baumaschinenmuseum e.V. engagiert tätig.

An den Büchern [1] und [2] sowie weiteren Veröffentlichungen in der Fachpresse haben einige Mitglieder der AG KBM ebenfalls tatkräftig mitgewirkt. Die meis-ten Veröffentlichungen sind auch auf der Website des Kran- und Baumaschinen-museums aufgeführt.

KontaktMuseum:Kran- und BaumaschinenmuseumIm Stock 1196179 Rattelsdorf(Standort 1)

Museumspark BaustoffindustrieFachbereich Kran- und Baumaschinenmuseum Heinitzstraße 4715562 Rüdersdorf bei Berlin(Standort 2)

Museums- und Förderverein:AG Kran- und Baumaschinenmuseum e.V.Sitz des Vereins: 96179 Rattelsdorf Tel.: 0049 (0)171 – [email protected]: Dirk P. Moeller (Vorstand)Eichenweg 9 63486 Bruchköbel

Vorstand der AG Kran- und Baumaschinen-museum e.V.:Dirk P. Moeller (Vorstandsvorsitzender)Pius Meyer (stv. Vorstandsvorsitz)Rainer W. Markgraf (Vorstand Finanzen)

Das Kran- und Baumaschinenmuseum im Internet:www.baumaschinenmuseum.eu (Deutsch)www.world-of-construcion.com (Englisch)

Autor dieses Beitrages:Dirk P. Moeller, Eichenweg 9, D-63486 Bruchkö[email protected]

[4] Hans-Peter Koller, Peter Schiefer (Hrsg.): Wolffkran – Zwischen Himmel und Erde. Stuttgart: Motorbuch-Verlag 2007.

Einer der Autoren von [2], Herr Pius Meyer, betreibt auch die sehr informa-

[2] Stefan Bergerhoff, Heinz-Gert Keßel, Pius Meyer: Turmdrehkrane – 100 Jahre auf den Baustellen in aller Welt. Brilon: Podszun-Verlag 2010.

[3] Frank Brunecker (Hrsg.): Liebherr – Kräne und mehr. Biberach a. d. Riss: Biberacher Verlags-Druckerei 2005.

Bild 12. Ansichten Museums-Laufkatzkrane Liebherr F 10 K, Boilot-Pétolat BP 650 und Weitz G 45 H.V.