30
53 Kriegergräber? Schwertbeigabe und Praktiken ritueller Bannung in Gräbern der frühen Eisenzeit Martin Trachsel Zusammenfassung Der erste Teil dieses Beitrages ist der Definition von Ritual und der Rolle von Gräbern im Bestattungsprozess gewidmet.Im zweiten Teil werden wichtige Merkmale von HaC-zeitlichen Schwertgräbern mit Waffengräbern früherer und späterer Epochen verglichen. Dabei wird sich zeigen, dass Schwerter im Grab nicht in der Weise platziert werden, wie es der Tragweise im Le- ben entspricht. Gräber mit Waffen werden oftmals als »Kriegergräber« bezeichnet.Vor allem für HaC sind jedoch deutliche Hinweise zu finden, dass die symbolische Bedeutung von Waffen im Grab nicht so einfach und direkt herzuleiten ist. Sie scheinen mehr die soziale Stellung der Toten darzustellen als den Bereich des Krieges. Darüber hinaus werden Schwerter in HaC-Gräbern durch Dislozierung,Verkehrung oder Zerbrechen oft spe- ziell behandelt. Nachdem ein Grab eine durch rituelle Aktivitäten gebildete Struktur darstellt, muss die Sonder- behandlung von Waffen erst recht ritueller Natur sein. Das gemeinsame Motiv für die verschiedenen Praktiken scheint Furcht zu sein: Furcht vor ins »Leben« zurückkehrenden Toten, die ihre durch die Waffen symbolisier- te Macht wiedererlangen und den Lebenden Schaden zufügen könnten. Eine Waffe vor ihrer Niederlegung im Grab zu zerbrechen ist nur eine von vielen zur Verfügung stehenden rituellen Maßnahmen um die (magischen und physischen) Kräfte der Toten zu bannen. Dafür gibt es zahlreiche archäologische Nachweise seit dem Neolithikum, die alle einen bedeutenden Aspekt des Todes aus der Sicht des prähistorischen Menschen zeigen: wenn eine Person stirbt, kann sie samt den notwendigen Riten begraben werden - aber man kann nie sicher sein, dass sie auch tot bleibt.

Kriegergräber? Schwertbeigabe und Praktiken ritueller ... I pdfs...kungsweise einer Handlung dagegen existiert in den Gedanken der Beteiligten und hängt somit unmittelbar von deren

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • 53

    Kriegergräber?

    Schwertbeigabe und Praktiken ritueller Bannung in Gräbern der frühen Eisenzeit

    Martin Trachsel

    Zusammenfassung

    Der erste Teil dieses Beitrages ist der Definition von Ritual und der Rolle von Gräbern im Bestattungsprozessgewidmet. Im zweiten Teil werden wichtige Merkmale von HaC-zeitlichen Schwertgräbern mit Waffengräbernfrüherer und späterer Epochen verglichen.Dabei wird sich zeigen, dass Schwerter im Grab nicht in der Weise platziert werden, wie es der Tragweise im Le-ben entspricht. Gräber mit Waffen werden oftmals als »Kriegergräber« bezeichnet.Vor allem für HaC sindjedoch deutliche Hinweise zu finden, dass die symbolische Bedeutung von Waffen im Grab nicht so einfachund direkt herzuleiten ist. Sie scheinen mehr die soziale Stellung der Toten darzustellen als den Bereich desKrieges.Darüber hinaus werden Schwerter in HaC-Gräbern durch Dislozierung,Verkehrung oder Zerbrechen oft spe-ziell behandelt. Nachdem ein Grab eine durch rituelle Aktivitäten gebildete Struktur darstellt, muss die Sonder-behandlung von Waffen erst recht ritueller Natur sein. Das gemeinsame Motiv für die verschiedenen Praktikenscheint Furcht zu sein: Furcht vor ins »Leben« zurückkehrenden Toten, die ihre durch die Waffen symbolisier-te Macht wiedererlangen und den Lebenden Schaden zufügen könnten. Eine Waffe vor ihrer Niederlegung imGrab zu zerbrechen ist nur eine von vielen zur Verfügung stehenden rituellen Maßnahmen um die (magischenund physischen) Kräfte der Toten zu bannen. Dafür gibt es zahlreiche archäologische Nachweise seit demNeolithikum, die alle einen bedeutenden Aspekt des Todes aus der Sicht des prähistorischen Menschen zeigen:wenn eine Person stirbt, kann sie samt den notwendigen Riten begraben werden - aber man kann nie sichersein, dass sie auch tot bleibt.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 53

  • 54

    Bei der Datenaufnahme zur Typologie der Hall-stattschwerter sind mir an deren Niederlegungim Grab besondere Praktiken aufgefallen, deren Be-sprechung in einer chronologischen Abhandlung(Trachsel 2004) fehl am Platz gewesen wäre, weshalbich die 1. Linzer Gespräche zur Interpretativen Eisen-zeitarchäologie zur Präsentation meiner Überlegun-gen nutzte. Unsicherheiten bei der Definition zentra-ler Begriffe – nicht nur in der Archäologie, sondernauch in der Ritualtheorie selbst – haben mich veranlasst,die schriftliche Fassung um einige theoretische Be-trachtungen zu ergänzen.

    1. Bestattungssitten im Spiegel der Ritualtheorie

    1.1 Ritual

    Rituale sind auf vielfältige Weise ins Leben der Men-schen eingebunden, was ein unüberblickbares Assorti-ment von Definitionen entstehen liess. Heute sieht manden Wald vor lauter Bäumen nicht mehr: „To anyoneinterested in ritual in general, it becomes quickly evident thatthere is no clear and widely shared explanation of what con-stitutes ritual or how to understand it“ (Bell 1997: X). DasFehlen einer Definition versucht man durch Anhäu-

    fung von Eigenschaften bzw. „Dimensionen“ zu kom-pensieren (z. B. Bell 1997; Michaels 1999; Sundquist2003: 32). Abhängig vom Untersuchungsgegenstandund dem wissenschaftlichen Hintergrund rücken je-weils andere Aspekte ins Zentrum. Eine theologischeErläuterung der katholischen Messe, eine soziologischeBetrachtung des britischen Krönungszeremoniells odereine strukturalistische Analyse des amerikanischen Hal-loween setzen bei der Definition des Begriffs „Ritu-al“ unterschiedliche Akzente.

    Viele der diskutierten Eigenschaften sind bei Ritua-len wichtig, das sei unbenommen, doch eine Hand-lung muss nicht alle davon aufweisen, um ein Ritualzu sein. So hat z. B. Michaels (1999: 34-5) propagiert,Rituale könnten keine Privatveranstaltungen und müs-sten prinzipiell öffentlich sein. Damit werden aber gros-se Bereiche der Magie ausgeschlossen, deren Ritualeoft auf Heimlichkeit, also auf der Abwesenheit von Öf-fentlichkeit basieren.Welche Eigenschaften machennun eine Handlung zu einem Ritual?

    Das unbestrittene Merkmal von Ritualen ist Forma-lisierung. Zeitpunkt,Teilnehmende,Art,Ablauf und Aus-führungsweise der einem Ritual zugehörigenHandlungen werden nach Regeln aus einer Situationabgeleitet. Rituale werden deshalb immer wieder in

    Abstract

    The first part of the paper is dedicated to the definition of ritual and the role of graves in the funeral process. Inthe second part important characteristics of Ha C sword graves are compared to weapon graves of earlier andlater periods.It is demonstrated that the swords are not placed inside graves in the way they had been carried in life. Burialswith weapons are often referred to as «warrior graves», but there is strong evidence, especially for Ha C, that thesymbolic meaning of weapons in funerary contexts is not that simple and straight forward. Rather, they very prob-ably mark the social position of the dead other than in the sphere of war.Additionally, swords in Ha C graves are often treated in special ways: dislocated, inverted or broken. As agrave is a structure formed by ritual activity, the treatment of weapons in them must be ritual too.A common de-nominator of the different practices seems to be fear: that the dead might come back to «life», regain the powerssymbolized by their weapons, and cause damage to the living. Breaking a weapon before placing it into a graveis only one of a vast array of ritual measures available for banning the (magical and physical) powers of theburied.The archaeological record is full of examples from Neolithic times on, and shows one important aspect ofdeath in the prehistoric mind: when a person dies you can bury the body and perform the appropriate rites, butyou can not be sure whether it is going to remain dead.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 54

  • des Spurenbild erkennen. Die transzendierende Wir-kungsweise einer Handlung dagegen existiert in denGedanken der Beteiligten und hängt somit unmittelbarvon deren Weltsicht ab, nicht von der des wissen-schaftlichen Beobachters. Heutzutage tendieren wirdazu, eine formalisierte Handlung als rational einzu-stufen, wenn ihre Wirkung wissenschaftlich oder zu-mindest materialistisch begründbar ist, und als rituell,wenn sie es nicht ist. Innerhalb ihres zugehörigenWeltbildes funktionieren Rituale aber durchaus kau-sal, sind rational erklärt und gelten nicht selten alsempirisch bestätigt, auch wenn sie es nach wissen-schaftlichen Kriterien nicht sind. Umgekehrt könnenAusführende an eine transzendente Verbindung zwi-schen Ritual und Wirkung glauben, auch wenn eseine wissenschaftliche Erklärung dafür gibt. Die Vor-stellung, rationales und rituelles Handeln trennen zukönnen, ist eine Folge der Aufklärung.

    1.2 Klassifizierung von Ritualen

    Rituale lassen sich z. B. nach der Ebene ihrer Wirkungeinteilen. Die wichtigsten Klassen sind soziale, menta-le, magische, kultische und mantische Rituale.Bei sozialen Ritualen ist der transzendente Aspekt wenigoffensichtlich, da sie tief in den menschlichen Instink-ten verankert sind. Sie durchdringen das Zusammenle-ben in einer Art und Weise, dass sie einen festenBestandteil auch unserer eigenen „Realität“ darstellen.So ist z. B. die Begrüssung – auch wenn sich die zu-gehörigen Rituale unterscheiden – in den meisten Kul-turen von zentraler Bedeutung bei der sozialenInteraktion. Sobald wir eine Geste als Begrüssung ver-stehen, können wir uns ihrer Wirkung fast nicht mehrentziehen. Dennoch ist ein Händedruck für uns soselbstverständlich, dass wir seine Bedeutung erst be-wusst wahrnehmen, wenn er verweigert wird. Er mar-kiert nicht bloss den Anfangspunkt einer temporärenBeziehungsänderung zwischen zwei Personen, er führtdiese sogar bis zu einem gewissen Grad herbei, wes-halb massenhaftes Händeschütteln zum Standardrep-ertoire professionell geführter Wahlkämpfe gehört. Diepersönliche Begrüssung schafft ein Gefühl der Zu-sammengehörigkeit („communitas“ nach Turner 1969),das ohne sie nicht entstehen würde. Zwar wird einHändedruck oft als „hohl“, als sinnentleerter Gestusempfunden und man mag ihn in diesen Fällen auf sei-

    55

    gleicher Form vollzogen.Aber es gibt andere formali-sierte Handlungen wie Normverhalten, Routinen,Ar-beitsabläufe oder Spiele, die keine Rituale sind. DieDefinition von „Ritual“ benötigt deswegen mindes-tens ein weiteres Kriterium.

    Manchmal sind die brutalsten Beispiele am illustrativ-sten. Ein Serienmörder mag bei seinen Taten einemstrengen Schema folgen, es sind deswegen noch keineRitualmorde. Selbst Raubmorde können nach einemMuster ablaufen, sind aber ebenfalls keine Ritualmor-de. Der Unterschied liegt im Motiv. Beim Ritualmordgeht es nicht um eine physische Folge der Tat wie Be-reicherung, Lustbefriedigung oder die Beseitigung ei-ner Person. Das Motiv ist ein „höherer“ Zweck, dersich – und das ist der entscheidende Punkt – auf eineandere, eine kulturell konstituierte Ebene bezieht.

    Von einigen Ritualtheoretikern wird zwar die Be-deutungslosigkeit als ein Charakteristikum von Ritua-len hervorgehoben, doch unterstütze ich den Prostestvon Michaels (1999: 40-5), allerdings aus einem ande-ren Grund: Leute, die ein Ritual ausüben, wollen damiteine Wirkung erzielen. Anders als beim routiniertenHandgriff eines Klempners stehen Handlung und Wir-kung jedoch nicht in einer physischen Beziehung. Oftsoll sich die Wirkung eines Rituals auch gar nicht aufder physischen, sondern auf einer anderen, von dermenschlichen Vorstellung konstituierten Ebene einstel-len. Für die Handelnden besteht ein kausaler Zu-sammenhang zwischen der real vorgenommenenHandlung und der gedachten Wirkung, die Wirkungs-weise selbst entzieht sich jedoch der Beobachtung. Ri-tuale bedienen sich deshalb oft der Symbolik, sie sindaber keineswegs rein symbolisch: Rituale verbindenpraktisches Handeln unmittelbar mit jenen Struktu-ren, Kräften oder Wesen, die nach Ansicht der Ausfüh-renden hinter dem physisch Erfahrbaren die Ordnungder Welt konstituieren. Das zweite wesentliche Cha-rakteristikum von Ritualen ist eine transzendente Ver-bindung zwischen Handlung und angenommenerWirkung.Ein Ritual ist ein formalisierter Handlungsablauf, dem einetranszendente Wirkung beigemessen wird.

    Die beiden zur Definition herangezogenen Eigen-schaften sind nicht in gleichem Masse objektivierbar.Formalisierung lässt sich als Wiederholung gleicherAbläufe, archäologisch also durch ein wiederkehren-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 55

  • 56

    nen Kommunikationsgehalt reduziert als ein reines Zei-chen abtun.Aber im Sozialverhalten sind Zeichen ebenkein blosses Abbild von Sachverhalten, sie schaffen undgestalten diese mit. Soziale Rituale sind physische Akte,die soziale Strukturen beeinflussen sollen; Handlungund Wirkung laufen auf unterschiedlichen Ebenen abund hierin besteht ihr transzendierendes Element.

    Mentale Rituale sollen das Bewusstsein der Beteiligtenin einen anderen Zustand versetzen. Dazu zählen u. a.Andacht, Meditation und Praktiken zur Erlangung vonTrancezuständen oder spirituellen Erfahrungen. Häu-fig sind sie Teil eines mehrstufigen Rituals, wenn z. B.ein Medium in Kontakt mit Geistern treten soll. SogarAlltagsroutinen wie Kaffeetrinken und Zeitunglesenwerden gerne als „Morgenritual“ bezeichnet. Das hatzumindest dann eine gewisse Berechtigung, wenn mandiese Handlungen bewusst dazu einsetzt, einen menta-len Zustand herbeizuführen, mit dem man sich denAnforderungen des Tages gewachsen fühlt.

    Magische Rituale sollen Einfluss auf Wesen, Gegen-stände, Zustände oder zukünftige Ereignisse ausüben.Die beabsichtigte Wirkung mag sich physisch manifes-tieren, die gedachte Verbindung zwischen Ritual undWirkung ist jedoch nicht physischer Natur oder zu-mindest nicht sinnlich wahrnehmbar. In diesen Bereichgehören Zauberei, Hexerei, Glücksbringer,Verfluchung,Abwehrzauber, spirituelle Reinigung,Weihung, Gei-sterbeschwörung etc. Magische Rituale dienen dazu,Macht über das zu beeinflussende Wesen auszuübenbzw. zu erlangen. Bei vielen Handlungen im Zu-sammenhang mit Krankheit und Wohlbefinden wirdes schwierig, Magie und Wissenschaft zu unterschei-den.Was einst medizinischer Standard war, ist heuteScharlatanerie – und umgekehrt.Ausgehend von unse-rer Vorstellung, welche Gesetze und Kräfte in der Weltwirksam sind, erlauben wir uns ein Urteil darüber, wasreale und was eingebildete Wirkungsweisen sind, undsomit darüber, was rationales und was rituelles Han-deln ist.

    Kultische Rituale setzen strukturell betrachtet eineEbene über der Magie an. Kult (vom lat. cultus = Be-arbeitung, Pflege) ist die Verehrung von realen oder ge-dachten Entitäten, seien das Könige, Ahnen, Heroen,Dämonen, Götter oder Naturkräfte. Lebende Perso-nen teilweise ausgenommen, werden diesen Entitätenmagische Kräfte zugemessen. Kultische Rituale sindformalisierte Handlungen, die dazu dienen, mit diesen

    Wesen in Kontakt zu treten und sie dahingehend zubeeinflussen, dass sie ihre (magischen) Fähigkeiten zumNutzen oder wenigstens nicht zum Nachteil der Aus-führenden anwenden. Im Gegensatz zur Magie gewin-nen die Ausführenden keine Macht über das verehrteWesen, sondern sind darauf angewiesen, „erhört“ zuwerden.

    Mantische Rituale schliesslich sind Handlungsabläufe,die dazu dienen, zukünftige Ereignisse vorherzusehen,ohne diese beeinflussen zu können.

    1.3 Ritus, Zeremonie und Brauchtum

    In der Ethnologie hat es sich eingebürgert, die Ge-samtheit der Rituale, die gemeinsam einen zusammen-hängenden Komplex bilden, als „Ritus“ zu bezeichnen,während die Religionswissenschaften die Begriffe um-gekehrt verwenden (z. B. Sundquist 2003: 32). „Zere-monie“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch oftsynonym zu „Ritual“ benutzt. Man verbindet mit ih-nen immer etwas Feierliches, ohne ihnen aber zwin-gend eine transzendierende Wirkung beizumessen. Mankann „Zeremonie“ somit als Oberbegriff für formali-sierte Handlungen mit feierlichem Charakter verwen-den, aber auch als Bezeichnung für die auch von„Unwissenden“ wahrnehmbaren Teile eines Ritualswie Handlungsablauf und Inszenierung.

    Oft verbinden sich mehrere Wirkungsebenen im glei-chen Ritual. So wird bei einer Taufe nicht nur ein Kindspirituell gereinigt (Magie) und der Obhut Gottes emp-fohlen (Kult), es wird zugleich in die Gemeinschaft derGläubigen aufgenommen, und in Form von Paten-schaften erhalten sogar Erwachsene neue soziale Rol-len (Gesellschaft). Bei der Analyse von Ritualen sinddeshalb sowohl die einzelnen Akteure in ihren Funktio-nen und Statusänderungen, als auch die verschiedenenWirkungsebenen im Auge zu behalten.

    Es liegt in der Natur von Ritualen, dass man sienachahmen kann, ohne an eine Wirkung zu glaubenoder auch nur zu denken. Kürzere Handlungsabläufekönnen als Reflex, längere im Brauchtum erstarrenund in dieser Art zwar lange Zeit überdauern, ihreBedeutung aber verlieren oder wechseln. Bei kulti-schen Ritualen rückt im Laufe der Zeit oft der religi-öse Aspekt zugunsten des sozialen in den Hinter-grund. Im Extremfall – wie z. B. beim Stierkampf –kann die transzendente Bedeutung vollständig verlo-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 56

  • 1.5 Übergangsriten bei der Bestattung

    Nach Dezennien der Fixierung auf Sozialstrukturenhat auch die archäologische Gräberforschung die Gen-nep’schen Übergangsriten für sich entdeckt (u. a. Mor-ris 1987: 29-36; Grosskopf, Gramsch 2004). DieBetrachtung der Bestattung als Übergangsritus ist abernicht ohne Fallstricke. Gennep (1999: 142-59) griff nureinzelne Trennungs-, Umwandlungs- und Angliede-rungsriten heraus, ohne eine kohärente Theorie derBestattung zu entwerfen, weshalb die Adaptionen desGennep’schen Modells auf archäologische Befunde vonAutorin zu Autor differieren.

    Wichtig ist, von Anfang an die einzelnen Akteure zuunterscheiden. Durch den Tod einer Person werdenVerwandte in die soziale Rolle einer Witwe / einesWitwers, eines Waisenkindes etc. versetzt. In vielen Ge-sellschaften beginnt damit der liminale Zustand derTrauer, der mit Trennungsriten eingeleitet und mit An-gliederungsriten beendet werden kann. Personen inTrauer haben bestimmte Verhaltensregeln zu befolgenund stehen oft ausserhalb der Gemeinschaft. Dauer undReglementierungsgrad der Trauerzeit steigen mit derNähe der Beziehung zur toten Person und deren Höhein der Gesellschaftshierarchie.

    Der Tod eines Menschen reisst eine Lücke ins gesell-schaftliche Gefüge. Die vakant gewordenen Rollenwerden von anderen Personen übernommen, was zuVerschiebungen im sozialen Gefüge führt. Die erfor-derlichen Statuswechsel lebender Personen sind oft voneigenen Übergangsriten begleitet, von denen mancheunabhängig stattfinden können, viele aber den Bestat-tungszeremonien angegliedert sind. Je bedeutender diesoziale Funktion der verstorbenen Person, desto tief-greifender sind die Umstellungen in der betroffenenGesellschaft und desto grösser ist die Gefahr, dass Ord-nung und Frieden zerbrechen. Bestattungsriten habendeshalb auch die Funktion, das Verhalten der Hinter-bliebenen während des Aufbrechens und Neuordnensder Gesellschaft in geregelten Bahnen zu halten.

    Nun aber zur Person, die für uns Archäologen imZentrum steht, bzw. liegt. Die/der Verstorbene wirdaus der Gemeinschaft der Lebenden aus- und in einenwie auch immer gearteten Bereich der Toten einge-gliedert. Dazwischen kann ein Aufenthalt in einemÜbergangsbereich liegen, sodass prinzipiell die typi-sche Struktur eines Übergangsritus entsteht.Abhängig

    57

    ren gehen. Solche sinnentleerten Automatismen kön-nen je nach Charakter als Bräuche, Spiele oder Zeremo-nien rituellen Ursprungs bezeichnet werden. Die angeb-liche „Bedeutungslosigkeit“ von Ritualen wird gernemit entsprechenden Relikten illustriert, wie wennman mit leeren Patronenhülsen die Harmlosigkeitvon Schusswaffen demonstrieren könnte.

    1.4 Übergangsriten

    In seinem 1908 erschienenen, nach vernichtenden Re-zensionen aber bis zur amerikanischen Übersetzung1960 weitgehend ignorierten Buch „Les rites de passa-ge“ (hier nach der deutschen Ausgabe als Gennep 1999zitiert) wies Arnold van Gennep darauf hin, dass einIndividuum seine Rolle im beruflichen, familiären, spi-rituellen etc. Leben immer wieder wechselt. SozialeRollen sind meistens mit einer Gruppenzugehörigkeitverbunden, weshalb der Wechsel innerhalb und ausser-halb der Gruppe kommuniziert werden muss, wozusich viele Gesellschaften der Rituale bedienen. Die Ge-samtheit der Rituale, die einen Rollen- bzw. Grup-penwechsel begleiten, bezeichnet Gennep als Über-gangsritus (rite de passage).

    Für einen Wechsel genügt manchmal der Vollzug ei-nes schlichten Aufnahmerituals. Oft ist zuvor die alteGruppenzugehörigkeit abzulegen, was durch ein Tren-nungsritual ausgedrückt werden kann. Die Abfolge vonTrennungs- und Aufnahmeritual kann eine Lücke ent-stehen lassen, in der das Individuum zwischen denGruppen steht, weshalb sich viele Übergangsriten indrei Phasen gliedern lassen:- Trennungsphase- liminale Phase (je nach Ausprägung auch Schwellen-

    oder Umwandlungsphase genannt)- AngliederungsphaseDie Phasen selbst bestehen aus einer mehr oder weni-ger langen Abfolge von Ritualen, die in ihrer Symbo-lik gerne das Grundthema der jeweiligen Phase auf-greifen. Bei weitem nicht alle Übergangsriten weisendiese drei Phasen auf und wenn, dann sind sie oft un-gleich stark ausgeprägt. Es gibt auch Übergangsriten,die eine Abfolge mehrerer Stadien kennen, wobei sichdas dreigliedrige Grundmuster wiederholen kann. DieGennep’sche Gliederung hat deshalb zwar keine uni-verselle Gültigkeit, erleichtert aber die Analyse kom-plexer Riten.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 57

  • 58

    von den Vorstellungen vom Wesen des Todes könnenaber Widersprüche und Ambivalenzen auftreten, welchedie Ansprache als klassisches Übergangsritual kompro-mittieren. Gennep (1999: 142-3) arbeitete bewusst miteinem vereinfachten Modell, betonte aber nachdrück-lich, dass sich das Bild des Todes von Gesellschaft zuGesellschaft unterscheidet und meist komplex undwidersprüchlich sei, was zu entsprechend kompliziertenRiten führe.

    1.6 Die verschiedenen Gesichter des Todes

    Grob sortiert gibt es fünf Gruppen von Todesvorstel-lungen: Auslöschung,Weiterleben im Grab, Auferste-hung,Wiedergeburt und Eingang in ein Totenreich.Diese Gliederung ist nicht streng zu verstehen, da sichin einer Gesellschaft – nicht selten auch in der Gedan-kenwelt Einzelner – widersprüchliche Vorstellungenvermengen.Wiedergeburt und Eingang in ein Toten-reich setzen den Glauben an eine nichtstoffliche Per-sönlichkeit voraus, die man sich in verschiedenen Kul-turen recht unterschiedlich vorstellt, die ich hier abermit dem Begriff „Seele“ zusammenfasse. Auch dieübrigen Todesvorstellungen können eine Unterschei-dung zwischen Körper und Seele kennen, müssen esaber nicht.

    Bei der Auslöschung bedeutet der Tod das Ende einerPerson in jedweder Beziehung, was Übergangsriten fürdieselbe erübrigt. Das schliesst nicht aus, dass Ritualezur sozialen Reorganisation durchgeführt werden, dieeine mehr oder weniger pietätvolle Beseitigung desKörpers involvieren. Die Anlage eines Grabes aber istunnötig, da durch den Tod die sozialen Bande nichtigwerden.

    Bei der Vorstellung eines Weiterlebens oder Ruhens imGrab bleibt die verstorbene Person Teil ihres sozialenVerbandes, jedoch in anderer Funktion, weshalb klassi-sche Übergangsriten stattfinden können. Um die Funk-tion als Ruhe- oder Wohnort zu erfüllen, muss das Grabeine bestimmte Infrastruktur bieten. Oft ist es nötig,regelmässig Nahrung und Getränke ans Grab zu brin-gen.Als eigentliches Wesen des Todes ist diese Vorstel-lung selten, häufiger ist sie eine Übergangsphase inkomplexeren Auffassungen.

    Beim Glauben an die Auferstehung des Leibes verbleibtdie verstorbene Person in ihrem sozialen Verband,wechselt aber in einen liminalen Zustand zwischen

    zwei Leben, den man sich gewöhnlich als eine Formder Ruhe vorstellt. Der klassische Übergangsritus wür-de mit der Auferstehung abgeschlossen, die sich norma-lerweise aber nicht in der jetzigen Welt abspielt, sondernz. B. am Beginn einer neuen Weltordnung. Dazu soll-te der Körper so komplett wie möglich erhalten, zu-mindest aber geschützt werden.Anlage und Pflege ei-nes Grabes sind deshalb Pflicht, während die Störungder Totenruhe ein Sakrileg darstellt.

    Eine Wiedergeburt wird je nach Art der Vorstellunginnerhalb der eigenen Lineage erwartet, irgendwo aufder Welt oder gar in einer anderen Spezies. Der Schwer-punkt der Bestattungsriten liegt auf der vollständigenLoslösung der Seele vom Körper, da dies Voraussetzungfür eine Wiedergeburt ist. Der Leichnam stellt ein Hin-dernis dar, das oft möglichst gründlich beseitigt wer-den muss. Daran kann sich eine rituelle Geleitung derSeele durch die Zwischenwelt anschliessen, die durch-aus die drei Stufen des Gennep’schen Modells aufwei-sen kann. Individuelle Gräber oder Beigaben sind beidieser Todesvorstellung nicht zu erwarten, es mag aberPlätze geben, an denen über einen längeren ZeitraumSkelettreste deponiert werden.

    Ein Eingehen in ein Totenreich ist prinzipiell als einÜbergangsritus nach dem Gennep’schen Ideal insze-nierbar. Da dieser Vorgang die Seele betrifft, ist die Er-haltung des Körpers nicht zwingend von Bedeutung.Anihm können aber Rituale ausgeführt werden, die Ein-fluss auf das Schicksal und das Befinden der Seele neh-men. Es ist deshalb üblich, die körperlichen Reste nachfestgelegten Regeln zu behandeln, in einem Grab zudeponieren und mit Mitteln zu versehen, die für dieReise, für die Aufnahme oder für das Leben im Toten-reich wichtig sind. Die Topographie der Totenwelt kannallerdings sehr unterschiedlich aussehen. Sie reicht voneiner Geisterwelt auf dem Friedhof über eine Parallel-ebene innerhalb der Welt der Lebenden oder ein Schat-tenreich unter der Erde bis zur Vereinigung mit demGöttlichen.

    1.7 „longae vitae mors media est“ – Quellen zuantiken Todesvorstellungen

    Mit dem Christentum fasste die Vorstellung der Auf-erstehung des Leibes in Europa Fuss und führte sowohlzur Abkehr von der Kremation, als auch zum Abbruchder Beigabensitte und – zumindest vorübergehend –

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 58

  • liche Lehren geläufig waren, was die grosse regionaleDiversität der Bestattungs- und Beigabenpraktiken wäh-rend Lt D erklären könnte.

    Den schriftlichen Überlieferungen ist nicht zu ent-nehmen, wann die Vorstellung des Weiterlebens derSeele in Europa ihren Anfang nahm. Kurz vor der Zei-tenwende ist sie omnipräsent und via Hesiod und Ho-mer lässt sie sich in Griechenland bis ins frühe 1. Jt. v.Chr. zurückverfolgen. Die prinzipielle Vergleichbarkeitbronze- und früheisenzeitlicher Bestattungssitten Grie-chenlands mit zeitgleichen Gräbern in Mitteleuropaspricht dafür, die Vorstellung des Fortlebens der Seele ineiner „Anderwelt“ auch für die Hallstattzeit zu postu-lieren. Der Charakter dieser Gegenwelt könnte sichaber markant von jener Schattenwelt unterschiedenhaben, in die Odysseus hinabstieg. Dass regional oderzeitweise an eine Form von Wiedergeburt gedacht wur-de, kann nicht ausgeschlossen werden; für Perioden mitsozial differenzierten Beigabensitten wie die Hallstatt-zeit erscheint dies jedoch wenig wahrscheinlich.

    In der Eisenzeit – wie auch in den meisten prähis-torischen Perioden – werden kaum einmal Werkzeugebeigegeben. Es muss Bauern und Handwerker gege-ben haben, denn ihre Produkte sind uns gut bekannt,aber im Grab werden sie so gut wie nie gekennzeich-net. Der Beruf war im Tod offenbar unwichtig, wasman als Hinweis auf eine Gegenwelt verstehen kann, diekeine Arbeit kannte.Vielleicht ein ewiges Fest? Die ge-rade in Ha C prominent hervortretende Beigabe vonSpeisen, Getränken und Tafelgeschirr würde jedenfallspassen.

    1.8 Unvollständige Übergangsriten?

    Für die Bestattungsriten muss das Gennep’sche Schemader Übergangsriten angepasst werden. Die Vorstellung,dass der Tod die Auftrennung eines Menschen in Kör-per und Seele zur Folge hat, führt zu zwei Ebenen derBestattungsriten. Mit dem wichtigeren Teil soll die See-le vom bereits toten Körper getrennt und aus der Ge-sellschaft der Lebenden in die der Toten bzw. auf denWeg zur Wiedergeburt geleitet werden. Bezüglich derSeele können sich tatsächlich die drei von Gennep pos-tulierten Phasen ausbilden. Dabei tritt aber ein Pro-blem auf, auf das weiter unten noch einzugehen ist.

    Der Körper dagegen kann als ein physisches Objektdurch Verbrennen, Pulverisieren,Vergraben,Verfüttern

    59

    der Grabmonumente. Diese archäologisch markantenVeränderungen lassen darauf schliessen, dass zuvor an-dere Konzepte vom Tod vorherrschten.Anhaltspunktezu vorchristlichen Todesvorstellungen in Europa sindzwar spärlich, doch ist ihnen gemeinsam, dass der Todals Loslösung einer nichtstofflichen Entität vom physi-schen Leib verstanden wurde. Hinweise auf leiblicheAuferstehung oder auf eine Art Ruhezeit im Grab feh-len. Die Seele gelangte in eine Toten- bzw. „Ander-welt“ (Birkhan 1997: 838-44), in der sie nach antikergriechischer und römischer Vorstellung für immer ver-blieb.

    Die Berichterstatter zu den keltischen Vorstellungensind sich einig, dass nach druidischer Lehre die Seeleunsterblich war. Mehrere fügen aber hinzu, dass diesenach dem Tod in einen anderen Körper übergehen undein zweites Leben führen könne (z. B. Diodorus Sicu-lus V, 28, 6; Caesar, DBG VI, 14). Seit der Antike wirddeshalb öfters vom „keltischen Glauben an die Wieder-geburt“ gesprochen, obschon keine Quelle einen sichwiederholenden Kreislauf von Sterben und Wiederge-burt andeutet. Es wird nicht einmal klar, ob die„Wiedergeburt“ als Regel oder als Besonderheit galt(De Vries 1961: 248-51; Birkhan 1997: 913-5).

    Wahrscheinlich liegt ein Missverständnis vor. Die me-diterranen Autoren erwarteten, sich nach dem Tod alssubstanzlose Schatten in der Unterwelt zu langweilenbzw. als ebenso ephemere Manen durch die Welt zu ir-ren (das freundlichere Elysion war nur wenigen Günst-lingen der Götter vorbehalten). Die bekannte Passagezur druidischen Lehre „… der gleiche Geist gebietet denGliedern in einer anderen Welt.Wenn das, was ihr singt, rich-tig ist, so ist der Tod die Mitte eines langen Lebens“ (Luca-nus, Pharsalia I, 457-8; Übersetzung nach Birkhan 1997:913) kann auch dahingehend gedeutet werden, dass inder keltischen Vorstellung die „Anderwelt“ eine durch-aus physische und freudvolle war. Für eine solche mach-te es auch Sinn, Verstorbenen das mit auf denScheiterhaufen zu geben, was sie im Leben geliebt hat-ten (Caesar DBG VI, 19). Nach Diodorus Siculus (V,28,5f.) sollen – wohl im bereits graezisierten SüdenFrankreichs – sogar Briefe an verstorbene Verwandtemitgegeben worden sein, was bei einer Vorstellung vonfortwährendem Tod und Wiedergeburt die „Postbo-ten“ ziemlich ins Schwitzen gebracht hätte. Nicht aus-zuschliessen ist allerdings, dass bei den verschiedenenden Kelten zugerechneten Gemeinschaften unterschied-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:38 Uhr Seite 59

  • 60

    etc. allenfalls aus dem Gesichtsfeld verbannt oder um-gewandelt, nicht aber vollständig aus der Welt der Le-benden entfernt oder gar im wörtlichen Sinn„vernichtet“ werden. Die dritte Phase, die Eingliede-rung in eine neue soziale Rolle, erfolgt nur in jenenGesellschaften, die die sterblichen Überreste wieder inden Kreis der Familie aufnehmen. Häufiger ist eineräumliche Abtrennung der Körperreste von den Le-benden, quasi eine Ghettoisierung, in Kollektivgräbernoder Nekropolen.

    1.9 Das Grab – Ein liminaler Ort zwischenLeben und Tod

    TOMB, n.The House of Indifference.Tombs are now by com-mon consent invested with a certain sanctity, but when theyhave been long tenanted it is considered no sin to break themopen and rifle them, the famous Egyptologist, Dr. Huggyns,explaining that a tomb may be innocently “glened„ as soon asits occupant is done “smellynge„, the soul being then all ex-haled.This reasonable view is now generally accepted by archae-ologists, whereby the noble science of Curiosity has been greatlydignified.

    (Ambrose Bierce,The Devil’s Dictionary, 1911)

    Was immer mit der Seele einer verstorbenen Personpassiert, ihr Leichnam bleibt physisch in der Welt derLebenden zurück. Da er mit der Seele in Verbindungbleiben kann, bildet er die letzte Brücke zwischen ihrund den Lebenden.Abhängig davon, ob diese Verbin-dung als positiv oder negativ beurteilt wird, wird mitden Körperresten unterschiedlich verfahren.

    Leichenreste können – üblicherweise nach der Ver-brennung oder Skelettierung – wieder in die Welt derLebenden oder den Bereich des Sakralen zurückgeholtwerden, um die als positiv empfundene Verbindung mitden Verstorbenen aufrecht zu erhalten. Dies kommt be-sonders im Verbund mit Ahnen-, Heroen- und Heili-genverehrung vor. Aber nicht alle in Siedlungen undHeiligtümern angetroffenen Skelettreste müssen liebeVerwandte und respektierte Bekannte gewesen sein.Auch Schädel und Knochen getöteter Feinde wurdenaufbewahrt und ausgestellt, sei es als Zeichen eigenenLeistungsvermögens, um sich Können und Kraft derGetöteten anzueignen, oder um sich deren Seelen inder Gegenwelt dienstbar zu machen.

    Wird die Verbindung zwischen Leiche und Seele als

    bedrohlich für die Lebenden empfunden, oder die Un-bill des Alltags als dem Wohlbefinden der Seele abträg-lich, wird mit dem Grab ein geschützter Platz für dieKörperreste geschaffen. Die transzendente Verbindungvon Leiche und Seele machen das Grab zu einem spe-ziellen Ort, an dem besondere Regeln gelten. Die Ab-grenzung von Gräbern mit Gräben, Pfahlreihen oderTrockenmauern dient – wie eine heutige Friedhofs-mauer – nicht nur als physische Zugangsbeschränkung,sie markiert auch eine Trennlinie zwischen Räumen,in denen unterschiedliche Verhaltensregeln gelten. DasGrab ist ein liminaler Ort, an dem sich die Welt derLebenden und die der Toten berühren, was praktischjeder dort vorgenommenen Handlung transzendentenCharakter verleiht.

    Die Loslösung der Seele vom Körper kann sich jenach Vorstellung über Tage, Monate oder gar Jahre hin-ziehen. In verschiedenen Kulturen kommt es zu einerprovisorischen Bestattung (ausführlich bei Hertz 1907),die so lange dauert, bis die Knochen blank sind. Erstdie Auflösung der Weichteile – so die Vorstellung – setztdie Seele frei und die Knochen können an einen Ortder permanenten Verwahrung überführt werden. In sol-chen Fällen zieht sich die Trennungsphase über vierStufen, deren rituelle Einbindung unterschiedlich aus-fallen kann:- Aussetzen der Lebensfunktionen (magische und kul-

    tische Rituale als flankierende Massnahmen)- Aufbahrung der Leiche an einem bestimmten Ort,

    wo Abschied genommen werden kann (soziale Ri-tuale)

    - provisorische Bestattung, um Körper und Seele von-einander zu lösen (magische Rituale)

    - definitive Bestattung der Skelettreste (Rituale aufmehreren Wirkungsebenen)

    Hertz (1907) postuliert, dass die definitive Beisetzungzugleich das Ende der liminalen Phase der Trauer unddie Aufnahme der Seele in die Totenwelt markiere.Doch was für die von ihm betrachteten indonesischenGesellschaften zutrifft, muss nicht überall gelten. Ar-chäologische Hinweise auf vergleichbare Praktiken fin-den sich immerhin bei den Kollektivbestattungen desJungneolithikums. In bronze- und eisenzeitlichen Kör-perbestattungen dagegen werden die Leichen nicht ske-lettiert beigesetzt, also wohl innerhalb von Tagen oderhöchstens Wochen.Der Vorgang der Entfleischung und Entseelung der Lei-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 60

  • hang mit Brandbestattungen, also bei bewusst zerstör-ten Körpern, zu beobachten ist. So, wie das Feuer dieSeele vom Körper befreit, löst die physische Zerstö-rung von Gegenständen deren Wesen aus der Materie.Eine ähnliche Vorstellung steht hinter einer „pars prototo“-Beigabe bzw. der Beigabe funktionsuntüchtigerModelle. Da nur das Wesen eines Gegenstandes in dieGegenwelt gelangen muss, kann es ausreichen, im Grabein Symbol niederzulegen.

    Falls die Beigaben für die Reise zur oder als Ein-trittspreis ins Totenreich gedacht sind, dann wäre zufolgern, dass in der Vorstellung der Bestattenden zwi-schen der definitiven Beisetzung und der Aufnahmeder Seele in die Gegenwelt noch eine gewisse Zeit ver-strich.

    1.11 Geister und Wiedergänger

    Eine Seele findet und lässt erst Ruhe, wenn sie in dieGemeinschaft der Toten aufgenommen wird. Ob diesaber geschieht, ist für die Lebenden nicht direkt er-sichtlich. Das oben angedeutete Problem der Über-gangsriten für die Seele besteht darin, dass dieAusführenden weder die Seele noch deren Weg ver-folgen können. Die Rituale werden blind ausgeführt,und ob die Seele tatsächlich Einlass in die Anderwelterlangt, bleibt ungewiss.Welches Schicksal jene Seelenerwartete, die zwischen den Welten hängen blieben, istohne schriftliche Überlieferung nicht im Detail her-auszufinden. Die heute geläufigen Vorstellungen sindvielfältig. Die Seelen können ruhelos und unglücklichumherirren, ohne Möglichkeit, mit der Welt der Le-benden oder der Toten Kontakt aufzunehmen. Häufigist die Vorstellung, sie könnten als Geister mit Lebendenin besonderen Bewusstseinszuständen (Trance,Traumetc.) oder zu bestimmten Zeiten in Verbindung treten,was aber oft auch Seelen zugebilligt wird, die sich be-reits im Totenreich befinden.Als Wesen der Zwischen-welt besitzen sie magische Kräfte, aber nurausnahmsweise auch die Fähigkeit, Objekte zu bewegenoder Lebewesen physisch anzugreifen.Verbreiteter istdie Idee, die Seelen könnten zurück in ihren eigenenoder in einen anderen Körper fahren und diesen zuphysischen, meist bedrohlichen und gewalttätigen Ak-ten verwenden.Auch die Art des Todes kann Einflusshaben: stirbt eine Person unerwartet, so weiss sie viel-leicht gar nicht, dass sie tot ist.

    61

    che kann auch durch Kremation vollzogen werden,was ebenfalls vier Stufen der Trennung entstehen lässt.Contra Hertz (1907) würde ich aber nicht prinzipielldavon ausgehen, dass die definitive Bestattung mit derAufnahme der Seele ins Totenreich zusammenfällt. Der„Charonspfennig“, der aus dem Mittelmeerraum kom-mend in spätkeltischer Zeit nördlich der Alpen – auchin Brandbestattungen – Verbreitung findet (Mäder 2002:77; Müller, Lüscher 2004: 171), ist eines von verschie-denen Indizien, die dagegen sprechen.

    1.10 Die Mitbestattung von Gegenständen

    Mit der Leiche werden oft auch Gegenstände beerdigt,wobei es nicht immer einfach ist, zwischen Belassungenund eigentlichen Beigaben zu unterscheiden. Letzteresind vor allem dann wichtig, wenn die tote Person inder Vorstellung der Hinterbliebenen im Grab, im Jen-seits oder nach der Auferstehung weiterlebt.Abhängigdavon, ob man für sein Wohlergehen und seinen Statusnach dem irdischen Leben selbst sorgen muss, oder obman alles Notwendige inkl. 72 Jungfrauen geschenkterhalten wird, fällt die Ausstattung des Grabes aus. So,wie die verstorbene Person im Ablauf der Bestattungs-rituale ihren Status, ja ihre Wesenheit wechselt, kön-nen es aber auch die Beigaben. Derselbe Gegenstandkann im Laufe des realen und gedachten Bestattungs-vorgangs unterschiedliche Funktionen erfüllen:- Abschiedsgeschenk- Entsorgung von durch den Tod unrein gewordenen

    Gegenständen- Statuszeiger bei der Verabschiedung- Ausstattung für die Zwischenwelt bzw. für die Rei-

    se (z. B. der Charonspfennig)- Eintrittspreis in die Gegenwelt- Ausstattung für die Gegenwelt- Statuszeiger in der GegenweltFür die ersten drei Funktionen reicht die physischePräsenz des Gegenstandes aus, während die übrigen dieIdee einer Beseeltheit der Gegenstände voraussetzen.Die Bestattungsrituale überführen die physische Hül-le eines Menschen ins Grab, seine Seele aber in dieGegenwelt. Parallel dazu können Gegenstände durchden Einbezug ihres materiellen Wesens in die Bestat-tungsriten in ihrem ideellen Wesen ins Totenreich über-gehen. Diese Parallelität ist wohl der Grund, weshalbdie Zerstörung von Beigaben häufig im Zusammen-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 61

  • 62

    Aus dieser Ungewissheit heraus können präventiveMassnahmen ergriffen werden, welche die Möglich-keiten der Toten zu unerwünschtem Verhalten ein-schränken. Archäologisch feststellbare Störungen derTotenruhe können durch Ereignisse oder Erlebnisseveranlasst worden sein, die bei den Hinterbliebenenden Eindruck erweckten, die Seele versuche noch im-mer, in die Welt der Lebenden zurückzugelangen. Mass-nahmen zur Verhinderung der Wiederkehr, ja sogarGrabfrevel können Hilfe zur Loslösung und damit Akteder Gnade darstellen. Nach einer nordischen Sage istes die nachträgliche Kremation und anschliessende Ver-streuung der Asche im Meer, die dem Wiedergängertumeines bereits Bestatteten ein Ende setzt (Geisslinger1998: 495).

    1.12 Identifikation und Interpretation vonBestattungsritualen im archäologischenBefund

    Aufgrund der engen Verflechtungen des Grabes mitden Übergangsriten sowohl für die verstorbenen wiedie noch lebenden Personen wird bei dessen Anlagekaum etwas dem Zufall überlassen.Archäologisch sicht-bar sind der Ort innerhalb der Natur- und Kulturland-schaft, die Lage zu benachbarten Gräbern, die Formund die Grösse der Grabanlage, die Bestattungsart, dieHaltung und Ausrichtung der Leiche, die Belassungund Beigabe von Gegenständen, deren Behandlungund deren Anordnung und Ausrichtung im Grab.

    Die Suche nach Bestattungsritualen ist deshalb primäreine Suche nach wiederkehrenden Kombinationen vonBefundcharakteristika, die auf formalisierte Handlungs-abläufe schliessen lassen.Wiederholt auftretende Kom-binationen von Geschlecht,Alter, Leichenbehandlung,Grabanlage,Auswahl und Anordnung der Beigaben etc.lassen sich mit statistischen Methoden feststellen. Siesind auch mit einiger Sicherheit als intentionell zu deu-ten, da wiederholtes menschliches Verhalten, soweit esnicht in den Instinkten verankert ist, grundsätzlich aufIntention schliessen lässt. Und bei formalisierten, in-tentionellen Handlungen im Zusammenhang mit To-ten liegt es nahe, dass es sich um Rituale handelt.

    Welche Rituale ausgeführt und welche Formeln ge-sprochen wurden oder wer in welcher Funktion amBegräbnis teilnahm, bleibt den Methoden der Archäo-logie oft verborgen. Genauso bedeutsam waren die

    Unterlassungen, das, was nicht getan wurde, was nichtins Grab gelegt wurde und wer nicht am Begräbnisteilnahm. Für die Gemeinschaft war der Bestattungs-vorgang besser sichtbar als das Grab, während es für unsArchäologen genau umgekehrt ist. Die im Grab auf-gezeichneten Chiffren waren in der geistigen Vorstel-lungswelt der Anwesenden verankert und jedeAbweichung vom ideellen Grundmuster wurde wahr-genommen. Damals sprach das Grab noch zu allen.Heute tun wir uns schwer damit, auch nur einen klei-nen Teil davon zu verstehen.Wir vermögen zwar re-gelhafte Muster zu erkennen und zu beschreiben, ihreBedeutung aber bleibt uns mangels Überlieferung derdamaligen Deutungssysteme nahezu verschlossen.

    Neben regelhaften können auch Sonderbehandlun-gen von Toten und Beigaben ritueller Natur sein. De-finitionsgemäss sind Sonderbehandlungen selten,müssten aber wiederholt nachgewiesen werden, um alsRituale angesprochen werden zu können. Schwierigwird es auch, wenn die Behandlung von Leiche oderBeigaben auf individuelle Charakteristika der bestat-teten Person Bezug nimmt, die sich nicht archäolo-gisch manifestieren.Wir müssen deshalb damit rechnen,dass Sonderbehandlungen eine rituelle Reaktion aufdie Eigenheiten der verstorbenen Person bzw. die Um-stände ihres Todes darstellen, selbst wenn sie nur in ganzwenigen Fällen archäologisch nachzuweisen sind. Unddamit kommen wir endlich zum eigentlichen Themades Aufsatzes, der Behandlung und Bedeutung vonSchwertern in Gräbern der Stufe Ha C.

    2. Die Schwertbeigabe in der späten Urnenfelderzeit

    Die Beigabe von Schwertern setzt gleichzeitig mit derEntwicklung dieser Waffengattung ein, schwankt je-doch stark im Laufe der Zeit.Abb.1 ist ein Versuch, dierelative Häufigkeit von Schwertdeponierungen in Grä-bern und in Gewässern darzustellen, obwohl die Statis-tiken für die verschiedenen Zeitbereiche nicht wirklichvergleichbar sind. In keiner Periode wurde der Anteilder Schwertgräber an der Gesamtheit der Gräber be-stimmt, weshalb auch darauf verzichtet wurde, die –oft ebenfalls disputierte – unterschiedliche absoluteDauer der einzelnen Phasen zu berücksichtigen. DieZahlen wurden der Schwertgräberstatistik bei Clau-sing 1999 entnommen und um die Zählung von 567

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 62

  • Aufschlussreich ist das unterschiedliche Umfeld, in demsich die beiden Tiefpunkte der Schwertbeigabe abspie-len.Während in Ha D durchaus reiche Gräber vor-kommen und man davon ausgehen muss, dass dieFunktion der Schwerter von den Dolchen übernom-men wurde, präsentiert sich die Situation in Ha B ganzanders.Während Ha A ist nämlich nicht nur ein Rück-gang der Schwertbeigabe festzustellen, auch viele ande-re Beigabenklassen verschwinden.

    2.1 Ausgliederung der Statussymbole aus demBeigabenspektrum während Ha A

    Ein Charakteristikum der jüngeren Urnenfelderzeitsind die geringen Ausstattungsunterschiede in den Grä-bern. Bronzegefässe,Waffen, Zaumzeug und Wagentei-le wurden selten beigegeben, doch ist dies nur einevorübergehende Erscheinung. In Bz D und Ha A1 gabes bereits Gräber mit entsprechenden Beigaben undmit dem Beginn von Ha C setzen sie auch wieder aufbreiter Front ein. Es ist nicht so, dass es diese Güterzwischen Ha A2 und Ha B3 nicht gegeben hätte. Siefinden sich in anderen Fundzusammenhängen, be-sonders in Deponierungen.

    Die überzeugendste These für diese Lücke bei denPrunkgräbern entwickelte Winghart (1998) ausgehendvon den älterurnenfelderzeitlichen Wagengräbern vonHart an der Alz und Poing. Zu Beginn der Spätbron-zezeit zeigt sich nämlich in den reichsten Gräbern dieTendenz, den Hauptteil der Metallobjekte abseits derKörperreste oder gar ausserhalb der Grabgrube bzw. -kammer niederzulegen. Diese Deponierungen werdengelegentlich auch mit für Gräber ungewöhnlichen Klas-sen wie Sicheln oder Barrenfragmenten angereichert,wofür Winghart den Terminus „Grabschatz“ einführte.In einer Kurzfassung seiner Thesen wären die Luxusgü-ter bzw. Statussymbole zwar im Laufe von Ha A ausdem unmittelbaren Grabzusammenhang ausgeschie-den worden, doch hätte ihre Deponierung – und damitEntfernung aus der Welt der Lebenden – noch immereinen Teil der Bestattungsriten dargestellt. Man hättesie zwar nicht mehr im Grab selbst, dafür aber an ande-ren Orten niedergelegt. Im Licht dieser These erhältauch das fast schlagartige Verschwinden von Brucherz-und Einzeldeponierungen mit dem Beginn von Ha Ceine neue Dimension.

    63

    Schwertgräbern für Ha C (Gerdsen 1986: 45) undSchätzwerte für Bz B, Bz C und Lt A ergänzt. Die Kur-ve zur Deponierung in Gewässern orientiert sich fürBz C bis Ha B3 am Verhältnis von Vollgriffschwerternaus Grab- und Gewässerfunden bei Quillfeldt (1995:Abb. 4), für Bz B an Schauer 1971. Die vereinzeltenHa C- und Lt A-Schwerter aus Gewässern sind alsMinimalwerte eingetragen.

    Die Sitte der Schwertbeigabe setzt in Bz B auf ei-nem hohen Niveau ein. Bis Bz D nimmt sie tendenziellzu, um im Laufe von Ha A stark abzusinken. Sie verharrtbis Ha B3 auf niedrigem Niveau, obschon sich die Zahlder bekannten Gräber durch die nun üblichen Urnen-felder markant erhöht. Mit Beginn von Ha C1 kommtes zu einem schlagartigen Anstieg, um dann mit Ha D1fast ebenso unvermittelt wieder abzubrechen. Im Lau-fe von Lt A erreicht die Sitte wieder ein hohes Niveau,das mindestens bis Lt C gehalten wird.

    Die Fundstatistik der Gewässerfunde zeigt einen an-deren Verlauf.Während der ganzen Mittel- und Spät-bronzezeit gelangten Schwerter in die Gewässer, auchund besonders in Ha B. Mit dem Beginn von Ha Cfällt die Sitte der Gewässerdeponierung im engerenHallstattraum (Torbrügge 1991: 378, Karte 1-2) schlag-artig in sich zusammen und bleibt bis weit in Lt B hin-ein selten, um erst mit Lt C und D neue Höchstwertezu erreichen. Die Gewässerfunde verhalten sich alsoweder streng gleich- noch streng gegenläufig zurSchwertbeigabe.

    Abb. 1 Häufigkeit der Deponierung von Schwertern in Gräbern undGewässern von Bz D bis Lt A. Zur Datenbasis vgl.Text.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 63

  • 64

    2.2 Das Wiedereinsetzen der reichen Grabbei-gaben im jüngeren Ha B

    Setzt man sich mit den Fundumständen von Luxusgü-tern in Ha B genauer auseinander, so zeigt sich, dassihre Beigabe in Gräbern zwar selten, vereinzelt aberdoch vorkommt, besonders in den Randzonen der Ur-nenfelderkultur. So könnte es sich beim reichen HaB2-Fund von Hostomice von der Zusammensetzungher um Grabbeigaben handeln (Kytlicová 1991: 18-9,Taf. 52-4). Die Fundumstände erlaubten keine genau-eren Beobachtungen, weshalb es sich letztlich auch umeinen Grabschatz oder eine Deponierung handelnkönnte.

    2.2.1 Bronzegefässe

    Seit Bz D gehören Bronzegefässe zu jenen Gütern, dienur in den jeweils reichsten Gräbern einer Epoche an-zutreffen sind. Für die Merowingerzeit werden sie so-gar als definierendes Merkmal der reichsten Gräberklassebetrachtet (Christlein 1973: 158).Abgesehen von denin den nächsten Abschnitten aufgeführten Exemplarenin Gräbern mit weiteren Luxusgütern, lassen sich kaumGrabfunde aus Ha A2 und Ha B anführen, die mitBronzegefässen ausgestattet worden sind.Als geläufig-ste Klasse des Bronzegeschirrs erscheinen Tassen mitdeutlich regionalen Konzentrationen in Tirol undNiederösterreich (Prüssing 1991: 22-31).

    2.2.2 Zaumzeug und Wagenteile

    Aus dem ausgehenden Ha B3 gibt es vier Grabfunde,die nach urnenfelderzeitlichem Ritus angelegt sind,aber Zaumzeug- und Schirrungsteile enthielten. Derbekannteste ist Michaelsbuch-Steinkirchen (Clausing2001), der neben „thrakokimmerischem“ Zaumzeugauch einen Hebelgriffschöpfer aus Bronze, den End-beschlag eines Trinkhorns, eine Punze, einen Schleifsteinund eine Bronzenadel enthielt. Im Grab von 1932 vonPfullingen fanden sich zwei Faleren des späten Ha B3,ein Bronzemesser, eine beschädigte Lanzenspitze ausBronze und je zwei Tüllen und Spulen, mögliche Wa-genbeschläge (Clausing 1997).Wenig Beachtung fandbisher Stephansposching-Uttenhofen, Grab 13 (Schmotz1989: 291,Taf. 39A), mit fünf Faleren und Fragmen-ten von Trensenknebeln aus Geweih. Noch ins frühe

    Ha B3 gehört das Grab von Kirchenehrenbach (Hen-nig 1970: 79,Taf. 12), das zwei Faleren und Teile einerBronzekanne enthielt; ob die Faleren Teil einer Pfer-deschirrung waren, ist mangels weiterer kennzeichnen-der Typen unsicher.

    2.2.3 Schwertbeigabe

    Im Laufe von Ha B3 wird die Beigabe von Schwer-tern wieder häufiger, zumindest gibt es eine Reihe vonVollgriffschwertern dieser Periode, die nach den Fund-umständen bzw. den Beifunden zu urteilen aus Grä-bern stammen (Clausing 1999: 361-4). Gelegentlich istdabei eine separierte Deponierung des Schwertes fest-zustellen (Torbrügge 1979: 208, Anm. 856; Gerdsen1986: 69). Das bekannte urnenfelderzeitliche Eisen-schwert von Singen, Grab 164 (Brestrich 1998: 357-60, Taf. 33-35A) war wohl auf der Abdeckung derGrabgrube deponiert worden (Abb. 2).Auch in Rennertshofen-Mauern lagen Schwert undLanzenspitze über der Grabkammer zwischen Balken-decke und Steinschüttung, während sich das Ortband

    Abb. 2 Position des Schwertes über der Bestattung bei Grab 164 in Sin-gen (Baden-Württemberg). Nach Brestrich 1998:Abb. 84.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 64

  • beln bzw. Doppelknöpfen letztlich nicht sicher als ehe-maliges Schwertzubehör deuten wollen, besonders fallsim gleichen Fundkomplex auch Pfeilspitzen oderZaumzeugteile vorhanden sind.

    2.2.4 Bestattungssitten

    Die Nekropole von Chavéria im französischen Jura be-steht aus mehreren Grabhügeln, deren Mehrzahl imZentrum eine Körperbestattung mit Schwertbeigabeenthielt (Vuaillat 1977). Das wohl älteste davon, Grab 9,stammt noch aus Ha B und enthielt ein Schwert TypAuvernier mit Ortband, Elementen des Schwertgur-tes und einen Bronzeteller mit geperltem Rand. Ganzbesondere Beachtung verdient das erst in Vorberichtenveröffentlichte Grab von Saint-Romain-de-Jalionas(Verger 1990). Es handelt sich um eine Grabkammerunter einem Grabhügel, in der der Verstorbene nichtverbrannt, sondern in gestreckter Rückenlage beige-setzt worden war. Zu den Beigaben gehören einSchwert Typ Mörigen mit Ortband und Zubehör desSchwertgurtes, ein Eisenmesser, eine Vasenkopfnadelaus Gold, ein Halsring und ein Armband ebenfalls ausGold, ein Bronzeeimer Typ Hajdúböszörmény, ein ku-geliger Bronzeschöpfer mit Schrägrand und ein flachesBronzegefäss unbekannter Form.

    Es zeichnet sich also nicht nur ab, dass gegen Endevon Ha B die Luxusgüter wieder etwas häufiger in dieGräber gelangten, in Ostfrankreich wurde zu dieserZeit auch bereits die „hallstättische“ Bestattungsweise– d.h. Kammergrab mit Körperbestattung unter einemGrabhügel – fassbar, während man im süddeutschenRaum noch in der Sitte der Urnengräber verharrte.

    65

    und Teile des Schwertgehänges in der Grabkammerbefanden (Abb. 3). Daran schliesst sich die Frage an,inwieweit Gräber mit Ringknebeln und anderem po-tentiellem Schwertzubehör wie Wetzsteinen oder Dop-pelknöpfen von Schwertträgern stammen, deren Waffeausserhalb des Grabes deponiert wurde (Torbrügge1979: 208, Anm. 856; Sperber 1999: 609). Einen sol-chen Befund gibt es z. B. in Gomadingen-Steinge-bronn, Hügel 2 von 1899, wo neben einem reichenGefässsatz auch ein Bronzehalsring, drei kleine rundeund ein ovaler Ring, ein Ringknebel und ein durch-lochter Schleifstein gefunden wurden (Sixt 1899: 33-4).Schleifstein und Ringknebel gibt es auch im erwähn-ten Grab von Michaelsbuch-Steinkirchen. In Kelheim-Herrnsaal, Grab 27 (Pfauth 1998: 192-3,Taf. 44-6), liegtein Bronzefragment, das von Pfauth als zerdrückte Tül-le einer Lanzenspitze bezeichnet wird, das in Grösse,Form und Dekor aber Tüllenortbändern sehr nahe steht(Abb. 4). Ein Ringknebel und zwei Fragmente einesDoppelknopfes können als Teile eines Schwertgurtesgedeutet werden.Alle Stücke hatten im Feuer gelegenund so bleibt offen, ob das Schwert gar nicht auf denScheiterhaufen kam, vollständig zerschmolzen ist, oderob dessen Fragmente nach der Kremation absichtlichoder zufällig nicht mit den Leichenbrandresten begra-ben wurden.

    Die sichere Kombination von Schleifstein undSchwert ist in Ha B3 wie Ha C aber selten. Häufiger istdie Kombination von Schleifstein und (Rasier-)Messer.Da Ringknebel und Doppelknöpfe auch am Zaum-zeug oder am Riemenwerk von Pfeilköchern (Jocken-hövel 1974, 58) verwendet werden, wird man selbsteine Kombination aus Schleifstein, Ringsatz und Kne-

    Abb. 3 Rennertshofen-Mauern. Lage des Schwertes über der eigent-lichen Bestattung. Nach Eckstein 1963:Abb. 1.

    Abb. 4 1-2 Tüllenortbänder aus Blaubeuren-Asch und Hanau (Quillfeldt1995:Taf. 107 D-E). 3 Tüllenortband aus Auvernier (Rychner1979:Taf. 107.9). 4-6 Kelheim-Herrnsaal, Grab 27:Tüllenort-band, Fragmente eines Doppelknopfes und Ringknebel (Pfauth1998:Taf. 45.5-8). M 1:2.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 65

  • 66

    3. Die Schwertbeigabe in der Hallstattzeit

    3.1 Regelfälle und Ausnahmen

    Die meisten Gräber mit Ha C-Schwertern folgen be-stimmten Grundregeln. Ob Körper- oder Brandbestat-tung, das Schwert wurde mehrheitlich direkt nebenden Leichenresten niedergelegt (Gerdsen 1986: 53).Die mit Abstand häufigste Position des Schwertes inKörperbestattungen ist neben dem Oberkörper (Abb.5). Die vorherrschenden Orientierungen der Schwert-spitze sind Süd und Nord, was mit der üblichen Orien-tierung der Leiche mit dem Kopf Richtung Südenzusammenhängt. Im Fall der Brandbestattung liegt dasSchwert im oder nahe beim Leichenbrand (Abb. 7).Die Spitze weist üblicherweise nach S bis SW, seltenerin nördliche Richtung (Abb. 8). Besonders im frühenund mittleren Ha C1 ist aber ein breites Spektrum vonAusnahmen zu beobachten.

    3.2 Deponierung ausserhalb der Grabkammer

    Im Hügel 2 von Doucier „Les Crevasses“ lag dasSchwert auf der Abdeckung der Steinkiste, in die derTote gebettet war (Gerdsen 1986: 54). In Schirndorf,Hügel 200, Zentralgrab, fand sich das Schwert in einerLage vor, aus der zu schliessen ist, dass es ursprünglichauf der Kammerdecke niedergelegt war. Die Klingeläuft über die ehemaligen Wandbohlen und ist im un-

    teren Bereich abgebrochen. Das Ortband und die ab-gebrochene Schwertspitze lagen etwas höher auf ei-nem Stein der Kammerummauerung. Die Ausgräberhatten „den Eindruck, das Schwert sei mit seiner Spitze ander Wand abwärts gerutscht“ (Stroh 2000: 85-6). Eine ähn-liche Lage mit der Spitze auf einem Stein der Kam-merummauerung zeigt das Schwert ausHollfeld-Drosendorf, Hügel 5, Erstbestattung (Ettel1996: 224-6,Taf. 17), wobei die abgeknickte Griffzun-ge ebenfalls an ein Verrutschen beim Einbrechen derKammerdecke denken lässt.

    Abb. 5 Lage des Schwertes in hallstattzeitlichen Körpergräbern. N = 64.

    Abb. 6 Orientierung des Schwertes in hallstattzeitlichen Körpergräbern.N = 56.

    Abb. 7 Lage des Schwertes in hallstattzeitlichen Brandgräbern. N = 53.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 66

  • 3.3 Distanzierung von den Leichenresten

    In mehreren Brand- und einem Körpergrab soll dasSchwert nicht beim Skelett bzw. Leichenbrand gele-gen haben, sondern mehr oder weniger weit davonentfernt. Zuverlässige Grabpläne sind leider nur für we-nige dieser Fälle vorhanden. In Wehringen-Hexenber-gle, Hügel 8, lag das Schwert in einer Ecke weit entferntvon den drei festgestellten Leichenbrandkonzentratio-nen (Hennig 2001: Abb. 134b). In Schirndorf, Grab202 (Stroh 2000: 94-8), lagen Schwert und Ortbandetwas vom Leichenbrand distanziert, doch ist unklar,ob das Schwert inner- oder ausserhalb der Grabkammerlag. Die besser erhaltene SW-Seite des Grabes liess näm-lich eine doppelte Kammerwand erkennen, weshalbdamit zu rechnen ist, dass zwischen Schwert und Lei-chenbrand die NW-Wand der inneren Kammer ver-lief.

    3.4 Intentionelle Zerstörung

    Das Zerbrechen der Schwerter vor der Niederlegungim Grab ist seit der Mittelbronzezeit bekannt und kamauch in der Stufe Ha B3 häufiger vor (Quillfeldt 1995:15, 19; Schickler 2001: 26, 40).Auch viele der bronze-nen Hallstattschwerter sind in zerbrochenem Zustandaufgefunden worden, was verschiedentlich festgehal-ten, aber nie wirklich gedeutet worden ist (Schauer1971: 196 Anm. 5; 208 Anm. 3; 212 Anm. 8; Gerdsen1986: 54, 69).

    Meine Untersuchung beschränkt sich auf die Bron-zeschwerter, da die meisten Eisenschwerter aus Ha Cheute keinen metallenen Kern mehr besitzen, weshalbsie im Boden, bei der Bergung oder im Museum leichtin mehrere Teile zerfallen. Ausgehend von Gerdsen1986 (mit Nachträgen) habe ich alle Bronzeschwerteraus dem Kerngebiet der Hallstattkultur aufgenommen,zu denen Angaben zum Erhaltungszustand vorliegen.Alshinderlich erwies sich, dass zerbrochene Schwerter oftergänzt und ohne Kennzeichnung der Bruchstellen ab-gebildet werden. Gelegentlich widersprechen sich auchdie publizierten Angaben zum gleichen Schwert. DasSchwert aus Tannheim, Hügel 22, wird im Text als „ta-dellos erhalten“ bezeichnet, während die AbbildungFehlstellen und Brüche an der Griffzunge und an derSpitze zeigt (Geyr, Goessler 1910: 58,Taf. 12.4). Eineweitere Bruchstelle im oberen Klingendrittel ist erst

    67

    Es gibt auch mehrere Gräber des frühen Ha C1, indenen zwar Ortbänder, aber keine Schwerter gefun-den wurden. Das Brandgrab von Schesslitz-Demmels-dorf (Ettel 1996: 212-8) mit Keramik, einem Eisen-messer und einem Ortband Typ Prüllsbirkig wurde voneinem später in den Hügel eingebrachten Wagengrabum 15–25 cm überlagert und partienweise gestört.Auf-fällig ist das Fehlen des Schwertes deshalb, weil sich dasOrtband im ungestörten Bereich des Grabes tiefer alsdie Oberkante der umgebenden Gefässe fand. Ettel(1996: 136) schlägt als These vor, das Ortband sei parspro toto für das Schwert beigegeben worden. Möglichwäre aber auch, dass das Schwert separiert, z. B. überder Kammer mit der Brandbestattung niedergelegt undspäter bei der Anlage des Wagengrabes entfernt wurde.Ein zweiter dokumentierter Fall ist Frankfurt-Stadt-wald „Sandhof“, Hügel 1 von 1975, wo ein OrtbandTyp Büchenbach gefunden wurde, aber kein Schwert(Gerdsen 1986: Nr. 49a). Anfangs des 20. Jh. wurdensechs als Grabhügelfunde von „Wiesenacker“ bezeich-nete, aber undokumentierte Fundkomplexe nach Ber-lin verkauft, von denen alle bis auf einen zumindestnoch Reste von Eisenschwertern enthielten. Ausge-rechnet der typologisch älteste Fundkomplex enthieltzwar ein Ortband Typ Dottingen, aber kein Schwert,was schon Reinecke (1901: 58) aufgefallen war.

    Abb. 8 Orientierung des Schwertes in hallstattzeitlichen Brandgräbern.N = 35.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 67

  • 68

    auf der Abbildung bei Schauer (1971:Taf. 99.632) dar-gestellt. Und beim Schwert aus dem bekannten Grab 12in Hügel 1 von Frankfurt-Stadtwald betont Willms(2002: 51, 66) zweimal, es sei bei der Auffindung in-takt gewesen, ohne darauf einzugehen, wann denn dieBruchstelle im unteren Klingendrittel entstanden ist(Fischer 1979: 73; Photographie bei Willms 2002: 51).Unter den in der Statistik als „ganz“ geführten Stü-cken könnte sich also durchaus noch das eine oder an-dere zerbrochene verbergen.

    Ohne die Schwerter selbst in Augenschein zu neh-men, ist eine Unterscheidung von vor und nach derBestattung entstandenen Bruchstellen kaum möglich.Oft sind die Bruchstellen durch die Restaurierung ver-deckt und man müsste diese erst wieder rückgängigmachen. Da die Griffzunge und die Spitze bei der La-gerung im Boden leichter abbrechen, werden entspre-chende Schäden separat aufgeführt. Eine Bruchstelleim massiven Teil der Klinge dagegen scheint schwer-lich durch den Erddruck allein möglich, die Klingewürde sich eher verbiegen. Denkbar ist es, wenn dasMetall durchkorrodiert ist, leider ein weiteres Charak-teristikum, das selten in Katalogen aufgeführt wird undheute oft unter dicken Lackschichten verborgen liegt.

    Von 105 aus Gräbern bzw. Grabhügeln stammendenbronzenen Hallstattschwertern werden 11% als absicht-lich zerbrochen beschrieben (Abb. 9).Weitere 38% sindin mehrfach und 12% in einfach gebrochenem Zu-

    stand aufgefunden worden. Nur 33% wurden ganz bzw.mit nur geringfügigen Schäden an den Enden gebor-gen. Gut zwei Drittel der bronzenen Hallstattschwer-ter könnten also zerbrochen ins Grab gelangt sein.Besonders interessant sind sechs Bronzeschwerter, de-ren Griffzungen antik in einer Weise repariert wordenwaren, dass sie nicht mehr gebrauchsfähig waren. Fünfvon ihnen (83%) sind ohne grössere Schäden ins Grabgelangt, wie wenn ihre Untauglichkeit ein Zerbrechenunnötig gemacht hätte.

    Wertvolle Einblicke erlauben die regulär ausgegra-benen Hügel 9 (Vollgriffschwert Typ Auvernier) und16 (Schwert Typ Gündlingen) von Chavéria (Vuaillat1977). In beiden Gräbern lagen die Fragmente anein-andergereiht, als seien die Schwertteile in der richti-gen Abfolge wieder in die Scheide geschoben worden.Es scheint, man habe die Schwerter zwar vor derNiederlegung zerbrochen, sie aber wieder so zurecht-gemacht, dass es nicht zu sehen war.

    Nach den Schwerttypen und Ortbändern zu urteilenscheint die Fragmentierung das ganze frühe Ha C1hindurch häufig zu sein und im mittleren Ha C1 aus-zulaufen. Mit Sicherheit lässt sich das aber nicht sagen,denn ab dieser Zeit nimmt der Anteil der aus Eisen ge-fertigten Schwerter immer mehr zu, und bei diesenmüssten schon aussergewöhnlich gute Beobachtungen

    Abb. 9 Zustand der bronzenen Hallstattschwerter aus Gräbern von Ost-frankreich bis Böhmen (nach Gerdsen 1986, ergänzt). N = 105.

    Abb. 10 Cazevieille. Nach Cowen 1967: Fig. 13.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 68

  • 3.6 Lage der Schwerter in latènezeitlichenKörpergräbern

    Die in Ha C häufigste Position – neben dem rechtenArm – dominiert auch in der Latènezeit (Lorenz 1978:115-26; Pleiner 1993: 43; Demoule 1999: 188), aller-dings mit dem Unterschied, dass in der Latènezeit dieSpitze fast immer zu den Füssen weist. Sie entsprichtdamit nicht der von Strabo (Geogr. IV, 4) und den an-tiken Bildquellen belegten Tragweise von der rechtenHüfte abwärts. Für eine systematische Zusammenstel-lung latènezeitlicher Schwertgräber ist hier kein Platzund so belasse ich es bei Beispielen aus drei Gräberfel-dern mit jeweils mindestens zehn dokumentierten

    69

    zur Fundlage vorliegen, um ein absichtliches Zerbre-chen wahrscheinlich machen zu können.Vereinzeltstösst man aber doch auf entsprechende Angaben:• Wiesloch, Brandgrab Nr. 1: „antik zerbrochenes Ei-

    senschwert“; Fragment eines Ortbands Typ Ober-waldbehrungen. Nellissen 1975: 234-5,Taf. 47 B 5.

    • Mitterkirchen, Hügel II, Grab 1: Antik beraubtesKammergrab. 5 Fragmente eines Eisenschwertes wur-den entweder bereits bei der Bestattung oder dannwenige Jahre später (Extremitätenknochen z.T. nochim Sehnenverband) bei der Beraubung zerbrochen.Leskovar 1998: 91-2.

    • Vienne-la-Ville, Bois d’Haulzy, tumulus 21: Eisen-schwert in drei nebeneinandergelegte Teile zerbro-chen. Gerdsen 1986: Nr. 278a.

    • Vienne-la-Ville, Bois d’Haulzy, tumulus 30: Eisen-schwert unter der Urne, in drei nebeneinanderge-legte Teile zerbrochen. Gerdsen 1986: Nr. 278b.

    Leider sind die betreffenden Gräber entweder antik ge-stört oder unzureichend dokumentiert. Zudem ist dar-auf hinzuweisen, dass nur bei einem einzigenBronzeschwert eine Befundlage dokumentiert wurde,in der die Fragmente nicht aneinander gereiht lagen(Abb. 10).Allerdings gibt es nur gerade zu sieben zer-brochenen Schwertern nähere Angaben zur Lage imGrab, vier davon bei Körperbestattungen.Vom Sonder-fall der bereits genannten Hockerbestattung abgesehenliegen die Schwertteile rechts neben dem Skelett, inzwei Fällen neben dem Oberkörper und mit der Spit-ze neben dem Kopf.Waren sie – wie für das SchwertTyp Auvernier aus Chavéria, Hügel 9 vorgeschlagen –zerbrochen in die Scheide geschoben und als scheinbarintakte Waffen mit ins Grab gelegt worden?

    3.5 Verkehrung

    In 56 Körperbestattungen wird die Orientierung desSchwerts relativ zum Skelett angegeben. In 28 – alsogenau der Hälfte der Fälle – zeigte die Spitze zu denFüssen, bei den übrigen in Kopfrichtung. Es ist nicht an-zunehmen, dass dies die Position war, in der das Schwertim Alltag getragen wurde. Denkbar wäre, dass es sichum eine kampfbereite Stellung handelte, was aber mitder Beobachtung kollidiert, dass ein allfälliges Ortbandauch in diesen Fällen an der Spitze des Schwerts liegt(z. B.Abb. 11), als wenn dieses in der Scheide steckenwürde.

    Abb. 11 Frankfurt-Stadtwald-Eichlehen, Hügel 1, Grab 12. GenordeterPlan nach Fischer 1979: Plan 7.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 69

  • 70

    Körperbestattungen mit Schwertbeigabe. In Münsin-gen-Rain (Hodson 1968) ist bei 16 Gräbern die Lagedes Schwertes dokumentiert worden:• 8 x neben dem rechten Arm, Griff an der Schulter

    (Grab 50, 55, 56, 72, 86, 91, 98 und 146)• 4 x neben dem rechten Arm, Griff nahe beim Ellen-

    bogen (Grab 28, 78, 79, 80)• 2 x rechts neben dem Oberschenkel, Griff zwischen

    Arm und Hüfte (Grab 10 und 138)• 2 x neben dem linken Arm (Grab 45 und 183)

    Nur in 2 von 16 Fällen (Grab 10 und 138) könnte dasSchwert tatsächlich der Leiche umgegürtet gewesensein, doch bei Grab 10 liegen die Koppelringe alle umden Schwertgriff versammelt.Aus Manching-Steinbichel(Krämer 1985: 71-91) ist zu 11 Schwertern die Positiondes Schwertes beschrieben, die Befunde wurden je-doch weder gezeichnet noch photographiert:• 3 x beim rechten Arm (Grab 10, 15 und 20)• 4 x allgemein „rechts“ (Grab 16, 35, 36 und 40)• 3 x am rechten Oberschenkel (Grab 27, 34, 38)• 1 x am linken Arm (Grab 21)

    Die Zahlenverhältnisse sind ähnlich, aber etwas ausge-glichener als in Münsingen-Rain.Aus den bisher publi-zierten Gräbern am Dürrnberg bei Hallein (Penninger1972; Moosleitner, Pauli, Penninger 1974) liegen 15Gräber publiziert vor, bei denen die Lage des Schwer-tes mit einiger Sicherheit bekannt ist:• 2 x zwischen rechtem Arm und Körper (Grab 39/2,

    84 und 145)• 1 x neben dem rechten Arm (Grab 46/2)• 6 x neben dem rechten Oberschenkel (Grab 10/1,

    13, 27, 28/2, 29 und 46/1)• 3 x über dem rechten Oberschenkel (Grab 16/1,

    44/2 und 48/2)• 3 x neben dem linken Oberschenkel (Grab 9, 10/2

    und 44/1)• 1 x unter dem linken Arm (Grab 102 neu)

    Verglichen mit den beiden vorherigen Gräberfeldernkehrt sich am Dürrnberg das Verhältnis zwischen Nieder-legung bei den Beinen und neben den Armen prak-tisch um.Welche davon tatsächlich auch umgegürtetgewesen sind, muss offen bleiben. Bei den Gräbern 9und 46/2 lagen jedenfalls die Schwertketten zusammen-gelegt um den oberen Teil des Schwertes.

    3.7 Fazit

    Während der Eisenzeit werden die Schwerter fast nieso im Grab niedergelegt, wie sie getragen wurden. Diesist die Fortsetzung eines Phänomens, dass sich bereitsbei den Dolchen der Mittelbronzezeit findet (Abb. 12).Bei den späturnenfelderzeitlichen Vollgriffschwerternlassen Abriebspuren auf eine schräge Aufhängung ander linken Körperseite schliessen, die sich in den Grä-bern so nicht widerspiegelt (Quillfeldt 1995: 21-22).Sogar die Spathen der Merowingerzeit werden meistneben dem Oberkörper deponiert, was zwar immerwieder bemerkt (z. B. Haas-Gebhard 1998: 19), abermeines Wissens nie systematisch untersucht und ge-deutet wurde.

    Über alle Zeiten hinweg zeichnet sich somit eineGemeinsamkeit ab: Das Schwert wird dem Toten nichtumgegürtet. Er geht somit zwar nicht ohne Waffen ausder Welt der Lebenden, aber auch nicht als kampfberei-ter Krieger. Im Fall der Schwertgräber der Stufe Ha Ckommen weitere Ungereimtheiten hinzu.

    4. Schwertgräber = Kriegergräber?

    4.1 Wo ist das Schwertzubehör?

    Um ein Schwert zu tragen benötigt man eine Scheidemit Halterung, ein oder zwei Schwertgurte und evtl.noch Riemen, die Scheide und Schwertgurte mitein-ander verbinden. Die Verschlüsse und Riemenkreuzun-gen können dabei mit Metallteilen versehen sein. Soweitdie Theorie, aber wie präsentiert es sich im archäologi-

    Kopfregion 28 58.3 %

    Oberkörper 1 2.1 %

    Arm 2 4.2 %

    „an der Seite“ 4 8.4 %

    Hand 6 12.5 %

    Hüfte 6 12.5 %

    Fuss 1 2.1 %

    Total 48 100.0 %

    Abb. 12 Lage der Dolche in den mittelbronzezeitlichen Gräbern derSchwäbischen Alb (nach den Angaben in Pirling 1980).

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 70

  • versteckt publizierten Untersuchungsergebnisse vonR.-D. Blumer an Schwertern im WürttembergischenLandesmuseum in Stuttgart zeigen dagegen eine taug-lichere Konstruktion (Abb. 13), die mit zwei dünnenHolzschalen den Aufbau von Metallscheiden an Ha D-Dolchen und Latèneschwertern vorwegnimmt. DieSchalen sind üblicherweise vom Heftansatz bis hinun-ter zur Spitze spiralig mit einem – wahrscheinlich vonKlebstoff durchtränkten – Stoffband umwickelt, in ei-nem Fall auch mit Leder.

    Eine andere Frage ist die der Schwertaufhängung.Die von Gerdsen (1986: 48 Anm. 446-7) genanntenKnebel oder Ösen in unmittelbarem Zusammenhangmit Ha C-Schwertern sind fast alle zweifelhaft. Einzigdie beiden Ösen von Siems, Hügel II, machen als Schei-denbeschläge zum Durchziehen von Verbindungsrie-men Sinn (Sprockhoff 1931:Taf. 24.14), fanden sichaber weit ausserhalb des eigentlichen Hallstattgebietes.

    Kleine, schlichte Ringe aus Bronze oder Eisen sind inSchwertgräbern häufiger angetroffen worden, nur gibtes kaum einen dokumentierten Fall, in dem sie direktbeim Schwert gelegen hätten. In Gomadingen-Steinge-bronn, Hügel 1 von 1899 (Sixt 1899: 33) fanden sichzwei Eisenringe (Abb. 14), die von der Form her zurAufnahme der Verbindungsriemen an der Scheide hät-ten befestigt sein können. Nach einem Abdruck amSchwert lag der eine davon seitlich an der Scheide, 22.5cm oberhalb der Schwertspitze. Ein ähnlicher Befundwurde für das noch unpublizierte Schwertgrab vonRemseck vermeldet (R.-D. Blumer in Zürn 1987: 125),und in Frankfurt-Stadtwald lag an ähnlicher Positioneine Zierscheibe unter der Klinge (Willms 2002: 71).Sollte tatsächlich ein Riemen so nahe an der Spitzeangesetzt haben, dann dürften die Schwerter schräg ge-tragen worden sein.

    Unter den ca. 600 Schwertgräbern der Stufe Ha Csind nur deren drei bis vier bekannt, bei denen Stücke

    71

    schen Befund hallstattzeitlicher Schwertgräber?Die vor allem im frühen und mittleren Ha C1 häufigenOrtbänder aus Metall sassen an der Spitze der Schei-de, von der sich meist nur Spuren erhalten haben. Ingut dokumentierten Fällen ist zwischen Schwertspit-ze und Ortband öfters ein gewisser Abstand zu beob-achten:- Dompierre-les-Tilleuls, tumulus de Planquecet n° 4

    (Bichet, Millotte 1992: fig. 13)- Schirndorf 202 (Stroh 2000:Abb. 51)- Remseck-Neckarrems (Biel 1980:Abb. 16)Das muss nicht heissen, dass die Schwerter nicht odernur unvollständig in die Scheide geschoben waren.Ver-mutlich waren die Scheiden einfach ein wenig länger alsdie Klinge. Über die Form der Scheiden ist wenig be-kannt. Mehrfach nachgewiesen wurden dünne Holzres-te auf der Klinge, die mit einem Streifen aus Leinen-oder Wollstoff umwickelt waren (Kossack 1970: 16-7;vgl. Gerdsen 1986: 48 Anm. 442). Solche Beschreibun-gen wirken wenig stabil und Gerdsen (1986: 48) moch-te deswegen auch mehr von „Schutzvorrichtungen“als von Scheiden sprechen. Die in Zürn (1987: 124-6)

    Abb. 13 Aufbau hallstattzeitlicher Schwertscheiden nach den Untersu-chungen von R.-D. Blumer (in: Zürn 1987: 124–6,Abb. 32–3).AHolzschalen mit doppelter Stoffumwicklung (Gomadingen-Steingebronn, Hügel 1 von 1899, Zentralgrab). B Holzschalenmit Lederumwicklung (Messstetten-Hossingen, Hügel 2 von1867, Bestattung 2). M 1:1.

    Abb. 14 Gomadingen-Steingebronn, Hügel 1 von 1899, Zentralgrab:Ringösen von der Schwertscheide. Zürn 1987:Taf. 231A.2-3.

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 71

  • 72

    der Scheidenaufhängung erhalten sind.Teile, die auchnur mit einiger Wahrscheinlichkeit dem Schwertgurtzugerechnet werden können, sind überhaupt noch nichtgefunden worden.

    Dies steht in hartem Kontrast zu den Schwertgrä-bern der vorangehenden und der nachfolgenden Pe-riode.Von 24 Vollgriffschwertern aus Gräbern der StufeHa B3 sind trotz ihrer oft zufälligen Entdeckung dochderen 8 (33%) zusammen mit Teilen des Schwertge-hänges geborgen worden. Besonders kennzeichnendsind die Ringknebel, die in Chavéria 9 und in Saint-Romain-de-Jalionas auch in ihrer Lage festgehaltenwerden konnten: Ein Knebel und mehrere Ringe la-gen kurz unter dem Heft, der zweite Knebel mit wei-teren Ringen um die Klingenmitte (Vuaillat 1977: Fig.28; Jospin 2002: 24), was auf eine schräge Aufhängungschliessen lässt. Dass sog. „Koppelringe“ zur Standard-ausrüstung frühlatènezeitlicher Schwertgräber zählen,darf ich wohl als bekannt voraussetzen.

    Man kann zu Recht einwenden, dass ein Schwert-gurt keine Metallteile umfassen muss, da er allein ausorganischen Teilen gefertigt werden kann.Aus der Ab-wesenheit solcher Teile im archäologischen Befund er-gibt sich deshalb nicht zwingend ihre Abwesenheit imGrab.Aber auch das Riemenwerk des Pferdezaumzeugsund -geschirrs könnte nur aus organischen Materia-lien gefertigt werden, und doch enthielt es gerade wäh-rend Ha C besonders oft und zahlreich Ringe,Riemenverteiler und sonstige Zierteile aus Metall (richhorse gear bei Pare 1992: Fig. 100). Schlüsse ex silentiosind immer heikel, doch sind die Schwertgurte nichtdas einzige, was zu fehlen scheint.

    4.2 Wo sind die Schutzwaffen?

    Dem Westhallstattkreis sind Schutzwaffen als Grabbei-gabe fremd. Die westlichsten Fundstellen von Helmensind Hallstatt und Mitterkirchen, also Gräberfelder, indenen West- und Osthallstättisches zusammenkommt.In Europa westlich dieser Orte finden sich keine Hel-me, Panzer, Herzschutzplatten, Beinschienen undSchildbeschläge, weder in hallstattzeitlichen noch inbronzezeitlichen Gräbern. Erst ab der frühen Latènezeitsind Helme und Schilde im Grab nachgewiesen. DieHelme wurden aber nie am Kopf vorgefunden, son-dern waren meistens bei den Beinen oder Füssenniedergelegt (Schaaff 1973: passim).

    4.3 Wo sind die Kampfverletzungen?

    In den informellen Gesprächen während der Tagungin Linz kam die Sprache auch auf den Umstand, dass imVergleich zu frühmittelalterlichen Gräberfeldern in prä-historischen Zeiten der Anteil an „Kriegern“ mitKampfverletzungen am Skelett gering sei.VerlässlicheZahlen habe ich keine gefunden, kann aber zumindestdarauf verweisen, dass mir bei meinen Recherchen keinsicherer Einzelfall begegnet ist. Ob das nur an der oftschlechten Erhaltung der Knochen liegt, ist zumindestzu bezweifeln.

    Für die spätkeltische Zeit gibt es eine Erklärung fürdieses Phänomen. Nach dem altbritannischen und kel-tiberischen Kriegerideal wurden die Gefallenen aufdem Schlachtfeld den Geiern bzw. Raben zum Frassliegen gelassen, damit die Seele leichter zu den Göt-tern aufsteige (Birkhan 1997: 164, 845). Ähnliches be-schreibt Pausanias für die Galater in Kleinasien, deutetes aber als Massnahme zur Einschüchterung der Fein-de und als Zeichen keltischer Pietätlosigkeit.Vergleich-bare Vorstellungen dürften verbreiteter gewesen sein,als uns die schriftliche Überlieferung allein schliessenlässt. Die Vogelskulptur aus dem Heiligtum von Ro-quepertuse (Lescure 1995:Abb. 75) ist anhand der Formvon Schnabel, Kopf und Hals sowie der langzehigen,bekrallten Füsse ornithologisch als Geier zu bestim-men. In Verbindung mit den „Kriegerstatuen“ und demSchädelkult in diesem Heiligtum ist er als Hinweis aufein ähnliches Ideal im Süden Frankreichs zu werten.Auch nordfranzösische Befunde wie in Ribemont-sur-Ancre (Brunaux 1995; 1996: 166-7) und die zahlrei-chen Funde menschlicher Skelette, Schädel oderGliedmassen in mittel- und spätlatènezeitlichen Siedlun-gen finden im Glauben, eine Seele könne auch ohneBestattung des Körpers ins Jenseits gelangen, Ansätzeeiner Deutung.Vögel waren ein geläufiges Motiv in der Latènekunst,auch wenn sich nur ein kleiner Teil ornithologisch zu-ordnen lässt (z. B. Megaw 1981). Oft kann nur grobzwischen Wasser- und Greifvögeln unterschieden wer-den.Wasservögel sind zwar rund dreimal häufiger anFibeln zu finden als Greifvögel (Binding 1993: 98-101,Listen 19-22), trotzdem sind Greifvogelköpfe das häu-figste figürliche Element, das in Kombination mit an-thropomorphen Elementen wie Masken und Schuhenauftritt (Binding 1993:Abb. 38 und 54). Besonders auf-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 72

  • gen, so sollte man Abstand davon nehmen, diese auto-matisch als „Kriegergräber“ zu bezeichnen. Es war of-fenbar wichtig, dass die Waffe mit ins Grab kam, aber esfehlen fast alle übrigen bei einem Kämpfer zu erwarten-den Attribute.Wie es Sievers (1982: 105) für die Dol-che und Lanzen der Stufe Ha D vorschlug, scheint essich bei den Ha C-Schwertern um „Abzeichen“ zuhandeln (s. a. Schickler 2001: 24-5).

    5. Die Bedeutung der Waffenbeigabe

    Wenn nun das Schwert nicht allein auf den Aspekt desKampfes reduziert werden kann, stellt sich die Frage,was es im Grab denn sonst vorstellen soll. Eine eindeu-tige Antwort lässt sich nicht geben, es soll nun aber zu-mindest ein bestimmtes Feld eingegrenzt werden.

    5.1 Das Grab als „Sozialindex“

    Menschen nehmen mehrere soziale Rollen auf einmalwahr und wechseln diese auch immer wieder im Lau-fe ihres Lebens. Im Verwandtschaftsbereich wird das be-sonders augenfällig, indem ein Mann z. B. gleichzeitigVater, Bruder, Sohn, Onkel, Neffe und Schwager seinkann. Die soziale Rolle eines Individuums wechselt alsoin Abhängigkeit davon, mit welchen Leuten die Inter-aktion stattfindet. Dasselbe gilt z. B. auch im wirtschaft-lichen Leben, wo dieselbe Person den einen Leuten alsSchuldner und den andern als Gläubiger entgegentritt.Wird aber in der Archäologie von sozialen Rollen ge-sprochen, dann sind normalerweise nicht jene gemeint,die von individuellen Beziehungen abhängen, sondernjene, die „gesamtgesellschaftlich“ gelten.

    An diesem Punkt ist es wichtig, auf die Unter-scheidung zwischen Sozialstruktur und sozialer Orga-nisation hinzuweisen (u. a. Morris 1987: 39). DieSozialstruktur ist die gedachte Ordnung der Gesellschaft,d. h. eine Art Ideologie.Auf das Individuum übertragenbedeutet dies Rollenideale.Auf diese bezieht sich der„Status“. Die soziale Organisation dagegen beinhaltetdie tatsächlichen Beziehungsmuster und Interaktionenzwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft, also dieArt und Weise, wie ein Individuum seine sozialen Rol-len ausfüllt und für seine eigenen Bedürfnisse instru-mentalisiert. Im Extremfall kann das dazu führen, dassdie Kurtisane des Königs mehr Einfluss auf die Staats-geschäfte hat als alle Minister zusammen.

    73

    schlussreich sind Vexierspiele, bei denen von oben einemenschliche Maske und von der Seite ein Greif- (Bin-ding 1993:Taf. 3.9; 4.5; 5.4-5; 33.14; 36.5) oder Wasser-vogelkopf (Binding 1993:Taf. 7.3-5; 18.9) zu erkennenist. Sie könnten Verwandlungen von Menschen oderGöttern in Tiere symbolisieren, ein Motiv, das in zahl-reichen westkeltischen Sagen enthalten ist. Die Meta-morphose Mensch–Vogel gehört dabei nicht nur zuden häufigsten, sondern sie geschieht auch fast immerim Zusammenhang mit dem Tod und der Anderwelt(Green 1992: 171-81). Symbolisiert vielleicht das Wech-selspiel Mensch–Vogel die Dualität von sterblichemLeib und unsterblicher Seele, von Diesseits und Jen-seits?

    Wie weit könnte nun eine Sonderbehandlung derim Kampf Gefallenen zurückreichen? Aus der Zeit vorLt B fehlen schriftliche Überlieferungen und archäolo-gische Hinweise bleiben spärlich und mehrdeutig. Zwarwurden in der Themse und in einigen niederländischenFlüssen an denselben Stellen, an denen bronzezeitlicheWaffen gefunden wurden, oft auch menschliche Schä-del geborgen, von denen ein Teil nach 14C-Bestim-mungen in den gleichen Zeitbereich gehört (Bradley1990: 108-9). Ob es sich dabei um eine spezielle Formder Bestattung oder aber um gleichzeitige bzw. unzu-sammenhängende Opfervorgänge handelt, bleibt of-fen. So kann vorläufig nur festgehalten werden, dass fürdie Bronze- und Hallstattzeit positive Hinweise aufeine Sonderbehandlung von Gefallenen fehlen. Aberebenso fehlen bislang Skelette mit sicheren Kampfver-letzungen.

    4.4 Schwerter als Waffen?

    Immer wieder wird diskutiert, inwieweit die hallstatt-zeitlichen Schwerter zum Kampf tauglich waren. Be-sonders die Pilzknäufe werden als hinderlich beimFechten beurteilt (Schickler 2001: 25). Zudem gibt esmehrere Schwerter, die im Überfangguss repariert sindund sicherlich keinen harten Schlag heil überstandenhätten (Schauer 1971: Nr. 608, 616, 618, 635, evtl. auch636; Eisenschwert von Gomadingen bei Zürn 1987:125).Andere Eigenschaften als die Kampftauglichkeitscheinen wichtiger gewesen zu sein.

    Betrachtet man ausserdem die Lage und Behandlungder Schwerter im Grab zusammen mit dem Fehlen vonSchwertzubehör, Schutzwaffen und Kampfverletzun-

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 73

  • 74

    Neben „Status“ bzw. „Rang“ wird in der Archäologieoft auch dem „Prestige“ eine zentrale Funktion ein-geräumt, ein Wort, das bezeichnenderweise in vielenWörterbüchern zur Sozialanthropologie fehlt. Mit die-sem vom lat. praestigiae (=Blendwerk, Gaukelei) abge-leiteten Begriff ist das Ansehen, die soziale Wertschät-zung einer Person gemeint, zu der eine Vielzahl vonFaktoren beitragen: Status, wirtschaftliche Potenz, Cha-risma, persönliche Fähigkeiten, frühere Leistungen,Ab-stammung, Verwandtschaft, Beziehungen, Klientel,Besitz von Gütern mit immateriellem Wert etc. In seg-mentierten oder hierarchischen Sozialstrukturen legtder Status bzw. der Rang normalerweise einen engenBereich fest, innerhalb dessen Prestige überhaupt in so-zialen Einfluss umgemünzt werden kann. Prestige dientin erster Linie der sozialen Differenzierung gegenüberGleichrangigen, den peers. Es ist damit ein wichtigerFaktor in der sozialen Organisation, hat aber kaum Ein-fluss auf die Sozialstruktur.

    Damit ist auch klar, dass „Statussymbol“ und „Pres-tigegut“ zwei verschiedene soziale Funktionen vonGegenständen bezeichnen. Das erste symbolisiert denStatus einer Person in der Gesellschaft, das zweite mehrtderen Prestige innerhalb ihrer sozialen Gruppe. Es ist gutmöglich, dass ein Statussymbol aufgrund besondererMaterialien, aufwändiger Herstellung, seiner Herkunftoder seiner Geschichte das Prestige seines/seiner Be-sitzer/in gegenüber den Gleichrangigen erhöht. Dassman aber durch den Erwerb eines Prestigegutes seinenStatus verändert, gehört zu den Ausnahmen (contraHardt 2003: 415). Ein Zuhälter bleibt ein Zuhälter,auch wenn er Armanianzüge trägt und sich im Bentleyumherchauffieren lässt. Ebenso hilft es wenig, sich einStatussymbol anzueignen, wenn man nicht dazu be-rechtigt ist. Ein Vorfall wie jener um den Hauptmannvon Köpenick konnte nur für einige Stunden funktio-nieren, und war einzig in einer Anonymität möglich,wie sie die städtische Industriegesellschaft Berlins zuBeginn des 20. Jh. bot.

    Welche sozialen Rollen werden nun in den Gräberndargestellt? Morris (1987: 39) folgt Leach (1954) da-hingehend, dass im Ritual und damit auch im Grabnicht die soziale Organisation, sondern primär die So-zialstruktur zum Ausdruck gebracht wird. Doch auch indiesem Bereich findet eine Selektion statt, indem dieverstorbene Person nicht in sämtlichen ihrer idealisier-ten Rollen dargestellt wird; also nicht als Tochter und

    Schwester und Gemahlin und Mutter und versierteWeberin und gestrenge Hausverwalterin und politi-sche Ränkeschmiedin, sondern vielleicht als Witwe inihrer durch jahrzehntelangen Gebrauch beschädigtenund dezimierten Hochzeitstracht. Sogar der Beruf wirdselten durch Beigaben angezeigt. Im Grab wird alsonur ein ganz enger Bereich der Sozialstruktur abgebil-det.

    Es ist aber oft dieser verallgemeinerte Status, der in derlebenden Gesellschaft mit Symbolen dargestellt wird,die auch mit ins Grab gelangen können. Bestanden sieaus dauerhaftem Material, so haben wir gute Chancen,sie zu finden. Status wird aber oft durch Vergänglichesausgedrückt, sei es durch eine Kopfbedeckung, durchein Muster am Mantelsaum oder durch eine bestimm-te Frisur: sofort ersichtlich im Alltag, aber auf demScheiterhaufen oder unter der Erde rasch vergangen.

    Neben dem Status können sich auch wirtschaftlichePotenz („Reichtum“), evtl. auch Prestige im Grab spie-geln.Welche Beigaben und Grabmerkmale aber wo-für stehen, ist noch nicht untersucht worden. Die bishervorherrschende Tendenz, alle möglichen Merkmale ei-nes Grabes zu einem einzigen „Sozialindex“ zu ver-kochen, wird diese Nebel nicht zu lichten vermögen.

    Reichtum dürfte sich weniger in den Beigabenklas-sen und mehr in Menge, Grösse und handwerklicherbzw. materieller Qualität der Beigaben spiegeln. Statusund Reichtum sind aber nicht einfach zu trennen. EinGrossgefäss mit darin befindlichem Schöpfer kann alsSymbol für eine gastgeberische Funktion der verstor-benen Person stehen, die an eine bestimmte Positionim Leben, also den Status, geknüpft war.Auch die Kom-bination von Fleischbeigabe und Messer könnte dasVerteilen von Speisen als gastgeberische Aufgabe sym-bolisieren. Ob aber Grösse und Anzahl solcher Gefäss-kombinationen bzw. die Grösse des Fleischstücks mitdem Status oder mit dem Besitzstand verknüpft wa-ren, müsste erst noch anhand anderer möglicher Sta-tuszeiger an einer grösseren Anzahl Gräber geprüftwerden.

    Gänzlich unklar ist, in welcher Form Prestige im Grabzum Ausdruck kommen kann. Ein hohes Prestige derverstorbenen Person dürfte primär die Zahl der Teil-nehmer am Begräbnis erhöht haben. Die Beigabenallerdings vermitteln in keiner prähistorischen Epocheden Eindruck, dass sie Stück für Stück von den Trauer-gästen mitgebracht worden wären. Nur wenn z. B. die

    alle_neu210705_easy 21.07.2005 12:39 Uhr Seite 74

  • zu müssen. Die „polynesische Schweinebraterei“ amFusse des Hochdorfer Grossgrabhügels (Biel 2001) fin-det sich fast identisch auch in bronzezeitlichen Kon-texten (z. B. Klein 1987:Abb. 45), was uns die Augenfür andere latente Strukturen öffnen könnte.

    5.2 Schwerter als Statussymbole in Ha C

    Waffen wurden entwickelt, um andere Lebewesen –insbesondere andere Menschen – zu verletzen oder zutöten, äusserst einschneidende Aufgaben innerhalb ei-ner Gesellschaft. Sie eignen sich deshalb besonders gutals Symbole für Ideen und soziale Funktionen, die diegesellschaftliche Ordnung festlegen und durchsetzen.

    Das Recht,Waffen zu tragen ist zugleich das Recht,sich und andere zu verteidigen, also ein Zeichen persön-licher Selbstbestimmung, und als solches in jeder Gesell-schaft streng reglementiert.Wehrfähigkeit und politischeMitbestimmung sind oft miteinander verknüpft undfinden in der Waffe ein gemeinsames Symbol. Politi-sche Versammlungen fanden deshalb oft mit Waffenstatt. So berichtet es Tacitus für die Germanen, und sowar es auch am skandinavischen Thing. Im Kanton Ap-penzell Innerrhoden kamen bis vor wenigen Jahren alleBürger mit einem „Säbel“ (meistens ein Degen) an dieLandsgemeinde, der faktisch als Stimmrechtsausweisgalt. Die Waffe wurde nicht umgegürtet – man ging janicht in den Kampf – sondern frei und ungezwungenin der Hand getragen. Seit der Einführung des Frau-enstimmrechts sind die Stimmrechtsausweise aus Pa-pier, aber traditionsbewusste Männer nehmen immernoch den Säbel mit.

    Für die keltische Region sind die Angaben wenigerklar. Das armatum consilium des Indutiomarus wird vonCaesar als traditionelle, gallische Form der Kriegser-klärung erläutert (DBG V 56). Ob man daraus schlies-sen darf, dass die anderen Versammlungen ohne Waffenstattfanden, ist aber zweifelhaft (vgl. Brunaux, Lambot1987: 19-20). Nach Caesar (DBG VI 13f.) sollen sogardie vom Kriegsdienst ausgenommenen Druiden mitWaffen um das höchste Amt gekämpft haben, wennWahlen zu keiner Entscheidung führten.

    Militärische Macht ist immer auch politische Macht,weshalb Waffen oft zu Ins