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Kristalllsierte Wolfrarnblauverblndungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWOa Von OSKAR GLEMSER und CHRISTA NAUMANN (Mit 4 Abbildungen) Inhaltsiibersicht Dem ,,Wolframblau" liegt nicht eine einzige Verbindung oder Reduktionsstufe zu- grunde. Es wird eingeteilt in Blauoxyde und Blauhydroxyde. W,,O,B ist das einzige definierte Blauoxyd. Durch Reduktion von WO, mit naszierendem Wasserstoff entsteht violettes H,,,WO,, das im DO,-Typ mit a-.3,75, A kristallisiert (geringfiigige Verzerrung). Es ist das Wasser- stoffanalogon der kubischen Wolframbronzen Na,WO, (x=O,3--1,O). Wasser und Kalilauge zersetzen es unter Wasserstoffentwicklung; beim thermischen Abbau gibt es Wasserstoff und Wasser ab. Weitere Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen sind das blaue, tetra- gonal kristallisierende H,,,,WO, (a = 3,75,; c = 3,79, A) und das blaue, rhombisch kri- Rtallisierende H,,,WO, (a = 7,24,; b = 7,50,; c = 3,84, A). Bei der Reduktion von H,WO, gewinnt man WO,,,, - xH,O mit charakteristischem Rontgendiagramm, das aus Wasser und Kalilauge Wasserstoff frei macht. Es besitzt noch den Charakter eincr Saure. H,,,WO,, H,,,WO, und H,,,WO, stehen mit dem Ausgangsmaterial WO, in enger Verbindung; ebenso verhilt es sich mit WO,,,, xH,O und H,WO,. Sie werden a h genotypische Verbindungen beeeichnet, die sich von WO, bzw. H,WO, ableiten. Die niederste Reduktionsstufe mit WO, als Ausgangsmaterial entspricht WO,,,,; mit H,WO, a19 Ausgangsmaterial WO,.,,. Eine Apparatur wird beschrieben, die Dekantieren, Trocknen und Abfiillen der Priparate in inerter Atmosphare gestattet. Bei der Reduktion von Wolframtrioxyd, Wolframsiiure oder Wolfra- maten in saurer Aufschlammung, wie auch bei der Oxydation von metal- lischem Wolfram rnit konzentrierter Schwefelsaure entstehen blaue Pro- dukte, die als Wolfraiiiblau zum Nachweis des W'olframs dienen. Die Angaben der Literatur uber die Zusammensetzuiig von Wolframblau sind, wie wir vor einiger Zeit berichteten'), sehr unsicher. Unsere Unter- suchungen ergaben, da13 Wolframblau nicht eiiie einzige Verbindung oder eine einheitliche Reduktionsstufe zugrunde liegt ; es hangt vom Ausgangs- materia.1, dem angewisndten Reduktionsmittcl iind der Dauer der Ein- 1) 0. GLEMSER u. H. SAUER, Z. anorg. allg. Chem. 262, 160 (1943).

Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

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Kristalllsierte Wolfrarnblauverblndungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWOa

Von OSKAR GLEMSER und CHRISTA NAUMANN

(Mit 4 Abbildungen)

Inhaltsiibersicht Dem ,,Wolframblau" liegt nicht eine einzige Verbindung oder Reduktionsstufe zu-

grunde. Es wird eingeteilt in Blauoxyde und Blauhydroxyde. W,,O,B ist das einzige definierte Blauoxyd.

Durch Reduktion von WO, mit naszierendem Wasserstoff entsteht violettes H,,,WO,, das im DO,-Typ mit a-.3,75, A kristallisiert (geringfiigige Verzerrung). Es ist das Wasser- stoffanalogon der kubischen Wolframbronzen Na,WO, (x=O,3--1,O). Wasser und Kalilauge zersetzen es unter Wasserstoffentwicklung; beim thermischen Abbau gibt es Wasserstoff und Wasser ab. Weitere Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen sind das blaue, tetra- gonal kristallisierende H,,,,WO, (a = 3,75,; c = 3,79, A) und das blaue, rhombisch kri- Rtallisierende H,,,WO, (a = 7,24,; b = 7,50,; c = 3,84, A).

Bei der Reduktion von H,WO, gewinnt man WO,,,, - xH,O mit charakteristischem Rontgendiagramm, das aus Wasser und Kalilauge Wasserstoff frei macht. Es besitzt noch den Charakter eincr Saure.

H,,,WO,, H,,,WO, und H,,,WO, stehen mit dem Ausgangsmaterial WO, in enger Verbindung; ebenso verhilt es sich mit WO,,,, xH,O und H,WO,. Sie werden a h genotypische Verbindungen beeeichnet, die sich von WO, bzw. H,WO, ableiten.

Die niederste Reduktionsstufe mit WO, als Ausgangsmaterial entspricht WO,,,,; mit H,WO, a19 Ausgangsmaterial WO,.,,.

Eine Apparatur wird beschrieben, die Dekantieren, Trocknen und Abfiillen der Priparate in inerter Atmosphare gestattet.

Bei der Reduktion von Wolframtrioxyd, Wolframsiiure oder Wolfra- maten in saurer Aufschlammung, wie auch bei der Oxydation von metal- lischem Wolfram rnit konzentrierter Schwefelsaure entstehen blaue Pro- dukte, die als Wolfraiiiblau zum Nachweis des W'olframs dienen. Die Angaben der Literatur uber die Zusammensetzuiig von Wolframblau sind, wie wir vor einiger Zeit berichteten'), sehr unsicher. Unsere Unter- suchungen ergaben, da13 Wolframblau nicht eiiie einzige Verbindung oder eine einheitliche Reduktionsstufe zugrunde liegt ; es hangt vom Ausgangs- materia.1, dem angewisndten Reduktionsmittcl iind der Dauer der Ein-

1) 0. GLEMSER u. H. SAUER, Z. anorg. allg. Chem. 262, 160 (1943).

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0. GLEMSER u. C. NAUMANN, Kristallisierte Wolframblauverbindungen 289

wirkung des Reduktionsmittels ab, welche Verbindung gebildet wird. Das gleiche Ergebnis stellten wir kiirzlich beiin Molybdanblau 2) fest, wo wir einige definierte Molybdanblauverbindungen isolieren konnten. W'ie Molybdanblau la& sich auch Wolframblau in zwei verschiedene Gruppen von Verbindungen ein teilen

W o l f r a m b l a u \

Blauhydroxyde /

oxydische Blauverbindungen

Beim analytischen Nachweis des Wolframs als Wolframblau treten, wie weiter unten noch dargelegt wird, nur Blauhydroxyde auf.

Ausgangsmaterialien

Die Darstellung von Wolframpulver, W,O,, und WO, h a h n wir bereits beschrieben I) ; die Wolframsaure (p. a.) xrurde von MERCK be- zogen.

Blauoxyde

Die einzige definierte Verbindung ist die von uns3) aufgefundene b-Phase'W,,O,,, deren Strulrtur von M A G N I ~ I 4 , gelilart wurde. Ob die blauen oxydischen Produkte, deren Zusammensetzung in der Nahe von WO, liegt, Gemische ron WO, mit niederen Wolframoxyden sind, ist noch nicht gek1a.rt.

Blauhydro xyde

Fiir die Darstellung der Praparate kommen verschiedene Wege in Betraoht: Die Reduktion von WO, und W,O,, bzw. H,WO, in saurer Aufschlammung und die Reduktion von waasserhaltigem WO, bzw. von H,WO, mit zugeniischtem Wolframpulver in abgeschmolzenen Rohren.

Bestimmung des Reduktionsgrades Das Praparat wird in saurer Aufschlammung mit 0,l-n-Kaliumbichromatlosung zu

Waf oxydiert; der Vorgang wird potentiometrisch mit Hilfe eines Rohrenvoltmeters ver- folgt. Nach der Oxydation wird der Niederschlag filtriert, gewaschen, als WO, ausgewogen und so der Wolframgehalt der Suspension ermittelt.

Die Titration wird in N,-Atmosphiire in einem Rundkolben vorgenommen, der fiinf Tuben besitzt zur Aufnahme des Riihrers, der Tndikatorelektrode au6 Platin, des Strom- schliissels der Kalomelelektrode, der N,-Zufuhr und der Biirettenspitze. In den Rund- kolben fiillt man zuerst destilliertes Wasser, kocht dieses im N,-Strom am, l a B t erkalten und laBt dann aus einer Pipette die saure Suspension des Praparats zuflieBen. Nachdem

2, 0. GLEMSER u. G. LUTZ, Z. anorg. allg. Chem. 063, 17 (1951). 9, 0. GLEMSER u. H. SAUER, Z. anorg. allg. Chem. 052, 144 (1943). 4) A. M A G N ~ L I , Arkiv Kemi 1, 513 (1950).

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290 Zeitschrift fur anorganische und allgenieine Chemie. Band 26.5 1953

die Temperatur auf etwa 60-70" gebracht ist, titriert man mit der 0, I n-Kaliumbichromat- losung his zum Sprung. 1st die Reaktion beendigt, spiilt man die Elektroden und den Riihrer gut a b und gieIjt den Inhalt des Iiolbens quantitativ in ein Becherglas. Nach dem Absitzen des Niederschlags zeigt die Losung die grune Farbe der dreiwertigen Chrom- Ionen. Man filtriert ab, wbscht gut ttus, trocknet und vergliiht 211 WO,.

1. Rcdiiktion ron W O S

In salzsaurer Aufschlaniniung niit Zirik geht die Reduktion von WO, unter Farbanderung iiber blau und violett na.c.11 b r a n ; um die am Boden liegenden Zinkgranitlien bilderi sich nach langer Zeit olivgrune Zonen, die beirri Umschutteln verschwinden. Die Liisurig ist griin, fluoreszierend. Da das Praparat sehr luftempfindlich kt , wird zur quali- tativen Kontrolle des gebildeten Produkts ein Teil der Suspension schnell in ein Marlirohrchen abgefullt, dieses rnit Picein verschlossen und nacli dein Absitzen der Substanz eine Rijritgenaufndime gemacht. Man erhalt das Dia,grarnm IV der Abb. 4.

Beisp ie l : In einem Erlenmeyerkolbcn gibt man zu dcm mit destillicrtem Wasscr angcschlarnmten, feingepulverten WO, konz. Salzvaure uiid Zinkgranalien (p. a. MERCX), dann verschliebt inan den Kolben mit einem CONTAT-GOCKEL-Aufsatz. 1st das Zink verbraucht, wird die iiberstehendc Losung rasch abgegossen und erneut konz; Salzsaure und Zinkgranalien zugefugt.

Reaktionsprodukt: braun ; Reduktionsgrad WO,,,. Mit Zinn in salzsaurer Aufschlaimmunp ist die Reaktion nicht so

heftig wie rnit Zinl;. ,:Uber blau iind violett, erreicht das Reduktions- produlit nacli etwa 3 Tagen eirie einheitlich olivgrunc Farbe, das Riintgen- diagramm entspricht auch hier derti Diagranim I V der Ahb. 4. Zinn(1I)- chlorid in Salzsaure reduziert zu einern blauen Produkt, desscn R6ntgen - diagramm rnit Diagramm G der Abb. 4 identisch ist.

Auch rnit Blei (p. a. MERCK) in konz. salzsaurer Aufschlammung beobaclitet man den Farbwechsel von blnu uber violett nnch griin. Die Rontgenaufncthme ergibt aber das Dingramm 111 mit der Redulitions- stufe WO,,,, (Abb. 4).

Die Einwirltung des naszierenden Wasscrstoffs bleibt nicht auf dils Oxyd WO, beschriinkt. Bei gleichbleibendem Gitter andert sich die violette Farbe von W,O,, nach kaffeebraun und der Redulitionsgrad von WO,,, nach WO,,,,,; WO, wird nicht verandcrt.

I s o l i e r u n g d e s m i t Zinlr und Sa lz s i iu re e r h a l t e n e n P r a p a r a t s

Wegen der grol3en Luftenipfindlichlieit des Priiparats miissen alIe Opcrationen unter AusschlulJ von Luftsauerstoff erfolgen. Mehrere Ver- suche zeigten, cia13 das Deliantieren rnit Wnsser durch das Iangsame

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0. GLEMSER u. C. NAUMANN, Kristallisierte Wolframblau\-erbindungen 291

Absitzen des Niederschlags sehr langwierig wurde (Dauer einer voll- standigen Reinigung etwa 3-4 Wochen), so da13 eine Oxydation meist nicht verhindert werden konate. Da die von uns benutzte Apparatur das Absitzen des Niederschlags durch Zentrifugieren gestattet, konnte das Auswaschen und Trocknen in 24 Stunden erledigt werden. Abb. 1 zeigt die Auswaschapparatur.

Als inertes G a s d i e n t r e i n s t e r S t i c k s t o f f , der rnit aktivem Kupfer vollstandig von Sauerstoff befreit wird 6 ) . Drei voneinander unabhangige Stickstoff-Strome sind mit A,, A, und A, verbunden. Die reduzierte Substanz wird in das starkwandige, als Zentrifugenglas ausgebildete GefaB E (100 ml) gebracht und eine kleine Zinkgranalie zugefiigt; der frei werdende Wasserstoff entweicht bei Bl, das ein aufgesetztes Bunsenventil tragt. A, und B, bleiben geschlossen. Inzwischen leitet man bei A, Stickstoff ein und kocht das Wasser im Rundkolben D aus, C, ist geoffnetB). Bei G befindet sich ein einge- schliffenes Glasventil, das Eintreten der Luft bei B, verhindert, falls in der Apparatur Unterdruck herrscht. Nachdem die Apparatur gut mit Stickstoff durchgespiilt ist und sich in E das Zink restlos gelost hat, wird mit dem Auswaschen begonnen.

Alle Hahne sind geschlossen, bei A, tr i t t Stick- stoff ein, wobei etwas uberdruck erzeugt wird. Man offnet B, und zieht die iiber dern Praparat stehende klare Fliissigkeit durch F und G ab. Dann wird B, ge- schlossen und B, geoffnet. Nun laDt man Stickstoff bei A, eintreten und driickt das auf Zimmertemperatur abgekiihlte Waschwasser durch F und C, nach E. So- bald E dreiviertel voll ist, schlieDt man rasch C, und A, und driickt von A, das noch in F befindliche Wasser nach E. Von A, und A, wird weiterhin die Apparatur mit Stickstoff durchspiilt; jetzt nimmt man vortichtig und langsam E a b und setzt dann sofort einen dicht schlieBenden Gummistopfen auf. E wird mit der Hand geschuttelt, bis der Niederschlag sich gut im Wasch-

Abb. 1. A u s w a s c h a p p a - r a t u r . A, B = Glashahne; C = Quetschhahne; D = Waschwosserbehalter, E =

ZentrifugengefaB, F = Steig- leitung, G = Wasserabzapf- stelle mit Schwirnmerventil, H = Schlauchverbindungen,

I = Aufsatz

wasser verteilt hat, anschlieBend wird zentrifugiert. Nach dem Zentrifugieren schlieDt man E wieder an die Apparatur an, treibt mit Stickstoff von A, aus boi geiiffnetem B, die Luft aus, verschlieBt dann B,, erzeugt etwas Oberdruck, offnet B, und zieht, wie weiter oben schon beschrieben, das klare Waschwasser durch F und G ab. Das Dekan- tieren und Auswaschen wird etwa 10. bis 12mal wiederholt, bis das abgezogene Wasch- wasser keine C1- und Zink-Reaktion mehr gibt.

Gegen Ende der Dekantation geht der Niederschlag kolloid in Losung, was durch das im durchscheinenden Licht griin, im auffallenden Licht violett fluoreszierende Wasch- wasser zu erkennen ist. Nach Abzug des Waschwassers laDt man dieses iiber Nacht an

5) F. R. MEYER u. G. RONQE, Angew. Chem. 62, 637 (1939). E, Der Schliff am Kolben D wird mit hartem Picein gedichtet. Fet t ist nicht geeignet.

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der Luft stehen. Es tri t t Koagulation unter gleichzeitiger Oxydation zu einem weil3- blauen Produkt ein, das rontgenographisch als WO, erkannt wird.

Das ausgewaschene Praparat sieht braun aus, wenn es fest am Boden von E sitzt, in wasseriger Aufschlammung ist es violett. Zur Trocknung wird von A, aus nach B,

Abb. 2. A u f s a t z zum Abfi i l len d e s P r i p a r a t s i n A b b a u - g e f a n e , M a r k r o h r c h e n u n d A n a l y s e n k i r s c h e n . Bei P werden die AbbaugefaBe vom Aufsatz abgeschmolzen, R=Mark-

rohrchen mit Schutzhulle, K -= Analysenkirsche

ein trockner (P,O,) Stickstoffstrom iiber den in E befindlichen Niederschlag geleitet. Nach etwa 1 2 Stunden wird unter dauerndem Zustrom von Stickstoff durch A, der Aufsatz I, vorsichtig von E entfernt und danach der Aufsatz I, (Abb. 2), in den bei A, trockener Stickstoff eingeleitet wird, mit E verbunden. Dann wird von A, nach B, mit Stickstoff einige Zeit gespult und die Appa- ratur durch S, an die Hochvakuumapparatur an- geschlossen. Nach SchlieBen aller Hahne wird Hochvakuum hergestellt und die letzten Reste Wasser aus dern Praparat abgepumpt. Man schlieBt jetzt A,, nimrnt die Apparatur vom Hoch- vakuum ab, zerkleinert durch Schiitteln das Praparat in E, bis es leicht in die AbbaugefaOe geklopft werden kann, die schliellich abgeschrnol- Zen werden. In gleicher Weise werden an einem anderen Aufsatz die Rontgenrobrchen R und AnaIysenkirschen K gefiillt.

Chemische E i g e n s c h a f t e n d e s i s o l i e r t e n P r a p a r a t s Beim Einlassen von Luft in die evakuierte Abfiillapparatur wird

das Praparat schlagartig blau. Wasser oxydiert unter Wasserstoffabgabe zu WO,, Losungen von FeCI, und K,Cr,O,, sowie Salpetersaure oxydieren in der Hitze sofort zu WO,. Silbernitratlosung wird momentan unter Abscheidung von Silber reduziert. Natronlauge farbt das blaue Produkt unter Gasentbindung braun. Dieses Reaktionsprodukt ist vie1 stabiler gegen Luftsauerstoff. Beim Liegenlassen an der Luft farbt sich das iso- lierte Praparat nach 2 Tagen blaugrau ; das Rontgenhild zeigt jetzt nur noch W0,-Linien.

B c s t i m m u n g d e r Z u s a m m e n s c t z u n g

Der isobare Abbau, bei p = 10 Torr durchgefiihrt, zeigte iiber- raschend, dalj bei 100-300 und ltontinuierlichem Verlauf der Abbau- kurve neben Wasser ein nicht von P,O, absorbierbares Gas abgegeben wird, das als Wasserstoff identifiziert wurde (PdC1,-Losung).

Der Wasserstoff- und Wassergehalt der Verbindung wurde nach zwei verschiedenen Verfahren ermittelt : a) Thermische Zersetzung bei Normal- druck und Auffangen des H, in einem Azotometer iiber Kalilauge unter

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0. GLEMSER u. C. NAUMANN, Kristahier te Wolframblauverbindungen 293

gleichzeitiger Absorption des Wassers in mit Magnesiumperchlorat ge- f iillten U-Rohren. b) Thermische Zersetzung im Hochval<uum unter Absorption des Wassers mit Magnesiumperchlorat und Bestimmung des entstandenen Wasserstoffvolumens durch Druckmessung.

a) Zerse tzung bei Normaldruck: Ein vollig trockener luftfreier C0,-Strom paesiert das mit einer Haube versehene, eylinderfdrmige Reaktionsgefafl und wird weiter durch zwei, rnit Magnesiumperchlorat gefiillte, zuvor gewogene U-Rohre, d a m durch ein mit Magnesiumperchlorat gefiilltes Schutzrohr zurn Azotometer geleitet, dam 50proz. Kalilauge enthalt. Nach langerem Durchleiten des CO, Bffnet man die Haube des Reak- tionsgefiiDes unter stromendem CO,, bricht echnell den Hale der am Boden liegenden Substanzkirache ab und verschlieot wieder mit der Haube. 1st die Apparatur bis durn Azotometer vollkommen luftfrei, dann wird daa Reaktionsgefafl mittele einee, durch Kontakttherrnometer regulierbaren, elektrischen Ofens langsam angaheizt und wiihrend 9 Stunden bis auf 460" gebracht. Die Gasabgabe beginnt bei 124'.

Beim Abbrennen des im Azotometer aufgefangenen Gases wurde jedeemal eine stark leuchtende Flamme beobachtet. Die Analyee ergab 15% CO, 7% brennbere Kohlen- wasserstoffe, der Rest von 78% war Waseeretoff. Inegesamt gab die Substanz ab: l , O Z % H,O und 0.145% Game. Beriicksichtigt man bei diesem Betrag ale Fremdgae nur CO und schligt die 7% brennbare Kohlenwasseratoffe zum Waaserstoff. dann wiirde sich ale Wasserstoffwert 0,124% ergeben. Der Riickstand des entwieaerten Priiparats ist blau und infolge seiner Reaktion mit CO, weitgehend oxydiert. Der Reduktionsgrad betriigt WO,,; im RBntgenbild sind WO,-Linien feetzustellen.

b) Zerse tzung im H o c h v a k u u m : Das AbbaugefiiB CvKl. Abb. 2) mit dem Pra- parat wird an einen Teil der Hochvakuumapparatur angeschlween, deaeen Volumen bekannt iet und der mit einem Queckeilbermanometer und einem KBlbchen rnit Magne- siumperchlorat fiir die WaEEerabEOrptiOn versehen ist. Das Geaamtvolumen wird durch Druckmessung mittelm einee rnit Wasser geeichten Teilvolumene beetimmt. Dae Erhitzen des AbbaugefaEes geachieht in einem elektriachen Ofen, dessen Temperatur durch ein Kontaktthermometer gesteuert wird. Schon bei 60-65". ~ E O bei weeentlich tieferen Temperaturen ale unter Normaldruck, beginnt die Gasabgabe. Man l i n t die Temperatur wiihrend einiger Stunden unter dauernder Absorption des Waeserdampfen auf 460" eteigen und halt diese Temperatur 80 lange, bis der Manometerstand Bich nicht mehr iindert.

Beispiel : Priparat 42 b, Reduktionsgrad WO,,,,, Wassergehalt: 0,99%, Wasser- stoffabgabe 0,113y0; Ruckstand Reduktigmstufe WOz,BD; RBntgenbefnnd w,,o,,. Die Werte dea thermiechen Abbaus im Hochvakuum (A) Bind gegeniiber denen der therrnischen Zersetzung bei Normaldruck (B) sicherer, ,weil bei dieser Nebenreaktionen eintreten.

Berecipet fur WO,,,q - 0.25 H,O(W,Ol, * H,O) : l,g6% H,O. Gefunden nach A: Z , O O ~ o H,O; nach B: 2,12% H,O. (Der ermittelte H,-Wert ist auf H,O umgerechnet und dem gefundenen H,O-Wert

Dies ist nach beiden Verfahren eine befriedigende Ubereinsthmung. Did Bruttosusammensetrung liiljt sich nach der Analyse such durch die Formel H, W,O, - H,O ausdrucken. Beim thermischen Abbau mu13 demnach W808s(W02,B8) zuruckbleiben. Wir fanden WO,,; die Rontgen- aufnahme zeigte die Linien von W,,O,,.

zugeziihIt.).

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294 Zeitschrift fiir anorganische und sllgemeine Chemie. Band 265. 1951

Statt der Hydroxydformel W,O!,(OH), fur W,O,, . H,O wahlen wir in Analogie zu den Wolframbronzen Na,WO, (x = 0,3- 1) die Formel HO,,WOS, wie im rontgenographischen Teil naher begriindet wird.

A u s w e r t u n g d e r po t e n t i o m e t r i s c h e n T i t r a t i o n

Die graphische Auswertung der potentiometrischen Titration ist in Abb. 3 erfolgt. Ohne daI3 Substanz in Losung geht, bemerkt man vor dem Sprung, der das Ende der Oxydation anzeigt, noch zwei kleinere Wendepunkte. Die Wendepunkte sind bei allen untersuchten Pra-

Abb. 3. Potentiornetrische Titra- t ion von H,,,WO,

paraten immer an der gleichen Stelle beobachtet worden. Der erste Wende- punkt . liegt beim Reduktionsgrad W02,8,, der zweite bei WO,,,,. Legt man Priiparat 42 die Formel H,,,WO, zugrunde, dann ergibt sich fur die Stufe WO,,, die Formel H,,,,WO, und fur die Stufe WO,,,, die Formel H,,,WO,. Zur rontgenographischen Charakterisierung der Praparate wiederholt man die potentiometrische Titration, entnimmt an den beiden Sprungpunkten etwas von der Sus- pension und fullt sie schnell in Markrohrchen ab. Die erhaltenen Diagramme, die in Abb. 4 aufge- nonimen sind, unterscheiden sich so- wohl von Ho.aW03 als auch von WO,.

H,,lWOs entsteht auch aus entsprechenden Gemischen von Wolfram- saure und Wolfram beim Erhitzen auf 130-150", wie im nachsten Kapitel erortert wird.

2. Synthese &us HgWOq, W und H20 In ahnliclier Weise wie bei unseren Untersuchungen uber Molybdan-

blau2) wurden entsprechende Mischungen von H,WO, und W in ein- seitig verschlossene Glasrohre eingewogen und die evakuierten, zu- geschmolzenen Rohre wochenlang auf 130-150" erhitzt. Nach der Reak- tion erhalten alle Blaupraparate unabhangig von ihrem Oxydationsgrad etwa 1 ,2% H,O. In Ubereinstimmung hiermit ist der Rontgenbefund: Alle auf diese Weise gewonnenen Blaupraparate zeigen die Interferenzen von H,,,WO,. Die Praparate sind leicht oxydabel und gehen an der Luft bald in WO, iiber.

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0. GLEYGER u. c . NAUMANN, Kristallieierte Wolframblauverbindungen 295

Der Versuch WO, niit Wolfrani und 1-2 ml Waswr in luftfreier Atmosphare zur Reaktion zu bringen, fiihrte nicht zu einheitlichen blauen Produkten.

3. Reduktion von HsW04

Eine Aufschlammung von H,WO, in halbkonz. Salzsaure wird von Zinkganalien unter lebhafter Reaktion, die durch Kuhlen gemaoigt wird, bald in ein dunkelblaues Produkt verwandelt. Die iiberstehende Losung ist rostrot bis dunkelbraun, da Wolframsaure in starker Salz- saure etwas loslich ist. Vielleicht ist die Ladungsstufe des Wolframs in der Losnng niedriger als im Niederschlag. Das Rontgendiagramm der salzsauren Suspension ergab nach Beendigung der Reaktion die Linien einer neuen Verbindung, siehe Abb. 4, VI.

Die gleiche Verbindung kann in salzsaurer Losung mit Zinn(I1)- chiorid, Zinn oder Blei erhalten werden.

Analyse : Reduktionsgrad in salzsaurer Aufschliimmung WO,,,, (Mittelwert) ; Waeeergehalt (Erhitzen irn O,-Strom, Auffangen dea H,O in Magneaiurnperchlorat) 7,1% (Mittelwert). Die Untersuchungen zur genauen Bestimmung der Formel werden fort- gesetzt, da beim isobaren Abbau neben H,O auch H, boebachtet wurde.

C h e misc h e E igen sc h a f t e n : Alle. Oxydationsreaktionen fiihren zum Ausgangsmaterial H,WO, zuriick, das jedesmal rontgenographisch nachgewiesen wurde. Die Blauverbindung ist auI3erst luftempfindlich. Mit K,Cr,O,-Losung oder Salpetersaure entsteht in der Kalte augen- blicklich H,WO,, mit Luftsauerstoff und Wasser erfolgt die Reaktion langsamer. Silbernitrat und Pelladium(I1)-chlorid werden unter Metall- abscheidung reduziert. Kalilauge entwickelt Wasserstoff, gleichzeitig verfarbt sich das Praparat nach violett und ldst sich allmlihlich auf. Da auch Wasser mit der Blauverbindung unter Wassersbffabgabe rea- giert, ist das Ausivaschen moglichst rasch durchzufuhren.

Behandelt man mit Ammoniak im Vakuum'), denn bildet sich ein neues Praparat mit einem gegeniiber dem Ausgangsmaterial veranderten Rontgendiagramm. Beim Abbau im Hochvakuum wird NH, und H,O abgegeben, wahrend der Riickstand 'das gleiche Riintgendiagramm auf- weist, das man auch erhalt, wenn Animoniumwolframat im evakuierten Rohr erhitzt wird, wobei Blaufarbung zu beobachten ist. Die Bleu- verbindung hat also noch den sauren Charakter des Ausgangsmaterials H,WO,.

7) Methodik bei 0. GLEYSER u. G. LUTZ, Z. anorg. allg. Chem. Z61, 2 (1950).

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296 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 265. 1951

Riintgenographisehe Untersuchungen Die rontgenographische Untersuchung der Praparate wurde wie in

fruheren Arbeiten mit Kupfer-Kar-Strahlung vorgenommen. Die in ublicher Weise gezeichneten Strichdiagramme bringt Abb. 4. Die in den

Tab. 1 , 2 und 3angegebenen Korrektionen beziehen sich auf Kameraradius, Stiib- chendicke und exzentrischen Sitz des Stabchens.

HO, 6W 0 s Die Linien von H,,WO,

werden kubisch mit a =

3,756 A indiziert. Aus der pyknometrisch bestimmtoo Dichte d,85 = 7,354 ergibt sich z = 1,Ol; in der Ele- mentarzelle befindet sich 1 H,,WO,. ’Berechnet man die Intensitaten fur WOs als DO,(ReO,)-Typ, dann stim- men die berechneten und beobach te ten Intensi ta ten

- -3” Abb. 4. R.ontgendiagramme

gut miteinander uberein. Die Reflexe 3 1 0 , 3 1 1, 3 2 0 und 3 2 1 sind deutlich, 210 ist schwach verbreitert. Aus 4 2 1 ist eine schwach tetragonale Verzerrung in .der c-Richtung zu etwa 0,02 A abzuleiten. H,,WO, ist damit identisch rnit der Blauverbindung, die GLENSER und SAVERS) durcli Reduktion von H,WO, rnit Wasserstoff bei 450” darstellten.

Mit Blei und Salzsaure gewinnt man grunes H,,,,WO,, doch entspricht das Rontgen- bild nur H,,,,WO,. Die Reduktion erfolgt in diesem Fall vie1 gelinder als mit Zink und Salzsaure; vielleicht ist dies der Grund fur das Nichterreichen des hochsymmetrischen DO,-Typs.

Die Formulierung H,,WO, wurde gewPhlt, um den strukturellen Zusammenhang zwischen dieser Verbindung und den Natriumwolframbronzen NsWO, darzulegen, die von x - 0,3 bis 1,0 im Perowskittyp kristallisierena) 0). Die Interferenzen einer Wolfram- bronze innerhalb dieser Zusammensetzung (x = 0,6) sind in Abb. 4 aufgenomrnen; ihre Lage ist fast identisch mit der von €T,,,WO,. Die zusiitzliche Innenzentrlerung 9 9 6 beim

8 ) G. HAoa, Z. physik. Chern. B 29, 192 (1935). B, M. E. STRAUMANIS, J. Amer. chern. SOC. 71, 679 (1949).

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0. GLEMSER u. C. XAUMANN, Kristallisierte Wolframblauverbindungen 297

2e in mm korr. --___

Perowskittyp gegenuber dem DO,-Typ wirkt sich in den Intensitaten aus, wie auch die Strichdiagramme zeigen. Ho,5W0, ist also das Wasserstoffanalogon der kubischen Wolf- ram bronzen.

Tabelle 1 I n d i z i e r u n g e i n e r R o n t g e n a u f r i a h m e v o n H,,,WO, ( P r a p a r a t 42)

sina 6 . lo3

beob.

24,2 34,l 42,O 48,G 54,7 60,4 70,9

76,O

80,7 85,5 90,5 95,O 99,9

43,9 86

128 169 211 253 336

379

419 461 504 54 4 586

sina 8 * 103 ber.

41,9 84

126 168 210 25 1 335

377

419 46 1 503 545 587

1 2 3 4 5 6 8

9

10 11 12 13 14

h k l 1 I gesch.

100 110 111 200 210 211 220

{ ;;; } 310 31 1 222 320 321

a = 3,75, 4 0,006 A

m m

s-m sst s t

8-m

st

8

s-m' s- m

m st

8

- I

berechn.

19,8 22,o 8,4

l5,2 40,3 27,4 18,7

35,l

21,3 16,6 10,5 26,5 44,6

-

Die Interferenzen von H0.,,W03 wwden tetragonal indiziert : a L 3,75,; c : 3,79,A (Tab. 3). Da die Dichte dieses Praparats sich nur wenig von HOcWO, unterscheiden wird, haben wir die dort bestimmte Dichte auch hier den Rechnungen zugrunde gelegt. Mit dPYkn- = 7,35, ergibt sich z = 1,02, d. h. 1 H0,,,W03 befindet sicli in der Elementarzelle. Dieses Praparat ist praktisch identisch mit dem von EBERT und F L A S C H ~ ~ ) mit atomarem Wasserstoff erhaltenen W,O,,(OH),, yon dem sie die Abmessungen der tetragonalen Elementarzelle mit a = 2 - 3,78; c - 3 , 7 5 A angeben.

H@,1Nr03 In Tab. 4 ist in Anlehnung an die W0,-Struktur eine rhombische

Indizierung dei Interferenzen versucht worden. a = 7,24,; b = 7,50,; c = 3 ,84 ,8 . Mit der angenommenen Dichte dpykn, = 7,35, ergibt sich z L- 4,03, also 4H0,,W0, in der Elementarzelle. Gegenuber HO,,,WO~ ist durch weiteren Austritt von Protonen aus dem Gitter eine starkere Verzerrung erfolgt, die eine niederere Symmetrie irn Gefolge hat.

lo) F. EBERT u. H. FLASCH, Z. anorg. allg. Chem. 215, 95 (1934); 226, 65 (1936).

a. auorg. allg. Chemie. Ud. 205. 20

Page 11: Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

298 Zeitnchrift f i r anorgankche und allgemeine Chemie. Band 265. 1951

124 163 169 207 210

Tabelie 2 Indizierung einer Rcntgenaufnahme von HommWOa (Priip. 104)

125 164 168 206 210

-- Nr.

248

332

374 412

1

2 3 4 5 6 7

8

9

10

11 12 13 14 15 16 17 18 19

248 251 333 336 375 376 411

2e in mm korr.

482 455 463 498 538 546 578 685

23,4

33,3 41,3 47,6 48,5 64,l 54,5

69,7

70,4

75,4

79,9 81,O 84,8 85,8 89,8 94,4 95,2 99,o 99,8

420 453 461 500 536 546 578 58 7

Ein3 6 * 10’ sin’ 8 - 108 beob. berechn.

hkl

oai 100 } 110 111

200 102 210

00’4

022

221 013 310 113 311 222 023 320 123 321

I geach.

m-st

m-st

8-m

st 8-m

st

E

8

8

8t

8

8

8

8

8

8

8

m m

Mit den Wolframbronzen haben ihre Wasserstoffanaloga gemein, daR ihr Gitter iiber einen gewissen Bereich der Zusammensetzung er- halten bleibt. Die leicht tetragonale Vemerrung von H,,WO, erlaubt den HomogenitLtsbereich der Verhindung H,,WO, von H,,6W0, bis unter Ho,,WO, festzulegen, wenh man von dem griinen, mit Blei erhal- tenen Produkt absieht. Mit geringer werdendem H-Gehalt wachst die tetragonale Verzerrung. Ahnliche Verhiiltnisse findet man bei H,,,WO,.

Mit dem im trockenen Zustand violetten, in kompaktem, feuchtem Zustand braunen H,,,WO, ist die Reduktion von WO, mit Zink und Salzstiure noch nicht beendet, de bei weiterer Fbduktion eine Griin- farbung beobachtet wurde. Wir vermuten, dclD das griine PrLparat, das sich nicht isolieren 1113t, einen hoheren H-Gehalt als H,,,WO, sufweist. Jenseits der Zusammensetzung H,,WO, mu13 dann der unverzerrte DO,- Typ auftreten, da durch den erhohten H-Gehalt eine starkere Kontra- polarisierung im Gi t ter stat tf inde t.

Page 12: Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

0. GLEMesR u. c. NAUMANN. Kriatellisierte Wolframblauverbindungen 299

37,l 40,l 44,7 61,4 83 a7 127 149 160 175

180

Tabelle 3 Indiziernna einer Rbntnenauhahme von HalWO, (Priip. 99)

40 42 4B 61,b 82 07 127 151 160 172 179

Nr.

1 2 3 4 6 6 7 8 9 10

11

12

13

14

15 16 17

18

- Be in mm

korr.

22,2 23,1 24.4 28.7 33,6

41.9 45,4 47,l 49,4

50,3

34,36

b3,5

55,3

55#96

58.6 59,8 61,2

62,5

202 205 216 213 220 219

203

215

220 239 236 248 1 . 247 259 260

hkl *

00 1 020 200 111 02 1 220 221 311 002 102

112 022 202 212 04 1 401 141 931 222 302

132

I

at = 7.24, + 0.006; b = 7.50, 0,006; c = 3,84, & 0,006 A

I Reach.

E

m et

m n-m

8

E

E

E

m-8

m-8

E

e r n

n-m

88

88

n-m

n-m

~ ~~~ ~ ~

Beqmchnng der Ergebnisse In der Tab. 4 sind die von uns gefundenen kristallisierten Wolfram-

blauverbindungen aufgefuhrt. Dem ,,Wolframblau" liegt also nicht eine einzige Verbindung oder Reduktionsstufe zugrunde. Geht man von WO, aus, d a m wird als niederste Reduktionastufe erreicht; die ent- sprechende Molybdlnblauverbindung erreicht MOO,,^'). Bei H,WO, als Ausgangsmaterial kommt man zur Reduktionsstufe WO,,, ; die Molybdanblauverbindung aus MOO,. 2 H,O entspriclit MOO,,. Die tbfste Reduktionsstufe, die sicli mit naszierendem Wasearstoff bildet, ist beim Wolfram WOO,,,, beim Molybdan MOO,,,").

Als einzige oxydische Blauverbindung ist . W,,O,, eingetragen. Es gibt aber noch blaue Oxyde, deren Zusamniensetzung zwiplchen WO,,,,, und WO, liegt. Sie sind wahrscheinlich Gemische von WO, und W,,O,,.

If) 0. GLEMBBB u. G. LUTE, Naturwiss. 87, 539 (1950). 20'

Page 13: Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

300 Zeitechrift fur snorganische und allgemeine Chemie. Band 265. 1951

Die beiden Blaupraparate der Bruttozusammensetsung WO,,, 0,05 H,O und WO,,,, * 0,17H,O und das'braune bis violette .Won,,, . 0,25H,O werden in Analogie zu den Wolframbronzen Ho,,WO,, H,.,WO, und

Tabelle 4 K r i s t a l l i s i e r t e Wol framblauverb indungen

- Reduktiona-

stufe rdroxyde

au8 H,WO,

H,,,wo, formuliert. Jede dieser Verbin- dungen besitzt ein cha- rakteristisches Ront- genbild. H,,WO, kri- stallisiert praktisch im kubischen DO,(ReO,)- Typ; wir habm diese Verbindung vor einiger Zeit durch Reduktion von H,WO, mit Wasserstoff bei 450" a19 blaue Verbindung -

gewinnen konnen. Es ist moglich, dal3 die verschiedene Farbe der beiden Praparate durch verschiedene Teilchengroh bedingt ist. So findet man das kubische ReO, je nach Darstellung blau (,,Rheniumbleu") oder rot; auch hier wird zur Erklarung unterschiedliche Zerteilung herangezogen 12).

Die Entstehung der Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen kann man sich so vorstellen, daB Wasserstoff in das Gitter des WO, eintritt. Es bilden sich Protonen, die kontrapolarisierend wirken und so die Sym- metrie des W0,-Gitters erhohen. I m giinstigsten Falle tritt bei hohen Wasserstoffgehalten der kubische DO,(ReO,)-Typ auf ; durch Oxydation sind aber ubergangsglieder zu WO, im tetragonalen H,,,,WO, und rhom- bischen H,,WO, nachzuweisen. Die beini Einbau des Wasserstoffs frei- werdenden Elektronen verursachen die charakteristische tiefe Farbung der Praparate. Entzieht man andererseits dem W0,-Gitter Sauerstoff, bis W,O, entsteht, dann bildet sich ein Gitter, dessen Struktur dern Re0;-Typ ziemlich nahe steht ,), sich aber von den Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen deutlich unterscheidet.

Beim Eintritt von Natrium in das W0,-Gitter erhalt man die Wolf- rembronzen Na,WO,, die von x = 0,3 bis 1,O im Perowskittyp kristalli- sieren. Tritt Wasserstoff in das W0,-Gitter ein, dann bildet sich statt des Perowskittyps der DOo-Typ aus. Die Protonen sind zu klein, um bei einer Verbindung ABO, die Bedingung R, + RB = t - 1/2 (RB + R,) [t M 1; RAY RB und R,-Ionenradien] zu erfiillen, die fur des Auftreten des Perowskittyps notwendig ist. _____

In) W. BILTZ, G. A. LEHRER u. K . MEISEL, Z. anorg. allg. Chem. 207, 113 (1932).

Page 14: Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

0. GLEMSEB u. C. NAUMANN, Kristallisierte Wolframblauverbindungen 301

Die Untersuchungen zeigen, daB bei der Reduktion von WO, mit Zink 'und Salzsaure in Ho,6W0, praktisch der kubische DO,(ReO,)-Typ eireicht wird. Mit abnehmendem Wasserstoffgehalt wachst die tetra- gonale Verzerrung ; das tetragonale H,,WO, hat einen Homogenitats- bereich von H = 0,5 bis unter 0,3. Durch den vermehrten Austritt von Wasserstoff ist der kubische DO,-Typ nicht mehr bestandig. Das gleiche Verhalten zeigen die Wolftambronzen. Unterhalb von Na,,,WO, sind sie blau und kristallisieren nicht mehr im Perowskittyp, sondern tetra- gone1 8 ) .

In Tab. 4 sind die Eigenschaften uerschiedenerWolframbronzen ihren Wasserstoffverbindungen gegeniibergestellt.

goldgelb rot rot-

violett bleu-

violett blau

Tabelle 5 Wolframbronzen u n d Wassers tof fana loga d e r Wolf rambronzen

Wo~frambronzen WaEEerEtOff8n8lOg8

kubisch PI P griin (kubisch)

P S HO,SBWO, blau tetragonal

P, Hoa Wba Nkubiech {Zl) tetragontl %,lWO* blau rhombisch

Die Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen sind nicht so stabil wie die Wolframbronzen, a. B. ist H,,WO, sehr reaktionsfahig und zersefzt Wasser und Kalilauge unter Abscheidung von Wasserstoff.

EBERT u. FLAECH~O) iaolierten bei der Einwirkung von etomerem Waaaeratoff 8 U f

WO, eine violette Verbindung W,O,(OH), bzw. W,Oll - H,O. Aus den angegebenen rbtgenognphiechen Deten und der tetregonden Indlaierung rnit a = 2 * 3,78 nnd c = 3,74 A gehtlervor, da0 ihre Verbindung rnit H,,,WO, feat identisch ist. Sie iiber- ashen rber, da0 diese Verbindung beim thermiechen Abbeu neben W a w r noch Waaeer- stoff abgibt und kommen infolgedsllsen zu rohwer verstiindlichen Erkli!ungen dee debei stattfindenden ~ektionaverlaufa. In der bereita zitierten Arbeit ') atellten GLEMBBB u. SAWSR feet, daS dpB von dieeen Forechern beechriebene Wl,O,,(OH), dem Oxyd W,,O, entepricht. DM zwiechen dieeer Verpindung, W,O,,(OR), und WO, von EBEIIT u. FLABCII aufgeatellte hktioneechema, dad auch EAIEL~UB u. ANDERSON") angaben, iet also nicht richtig.

ID) H. J. EMEL~WB u. J . S. ARDERBON. Ergebnieae u. Probleme der modernen an- orgenhchen Chemie. iibemtzt von K. KARBE, Berlin 1940.

Page 15: Kristallisierte Wolframblauverbindungen; Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen HxWO3

308 Zeihcbrift fiir anorganiache und allgemeine Chemie. Band 265. 1961

Das blaue Reduktionsprodukt von H,WO,, die Verbindung WO,,,, * x H,O bsw. W,O,, - x H,O ist vie1 leichter oxydierbar wie die Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen. Es ist aukrordentlich reak- tionsfah@ und zersetzt Wasser und Kalilauge unter Abspaltung von Wesserstoff. Die Blauverbindung besitzt noch den Saurecharakter des Ausgangsmaterials. Alle Oxydationsmittel fuhren diese Verbindung wieder in ihr Ausgangsmaterial H,WO, uber. Das gleiche beobachtet man bei den Wasserstoffanaloga der Wolframbronzen. Auch sie werden immer zum Ausgangsmaterial WO, oxydiert. Die Reduktionsprodukts stehen demnach in enger Beziehung rum Ausgangsmaterial. Wir nennen sie g e n o t y p i s c h e V e r b i n d u n g e n , die sich von WO, bzw. H,WO, ableiten 1').

In diesem Zusammenhang ist ndch zu erwilhnen, daB auch Nb,O, mit naszierendem Wasserstoff sich zu ,,Niobblau" reduzieren lafit, wor- tiber zu gegebener Zeit berichtet wird.

Dem Direktor des Instituts, Herrn Prof. Dr. R. S~HWARZ, danken wir sehr fur Untsrstutzung durch Institutsmittel. Die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und die Gesellschaft von Freunden der Aachener Hochschule stellten uns in dankenswerter Weise Gerate und Apparate zur Verfugung.

14) Vgl. hierzu die genotypiachen Verbindungen, die aich von MOO,, bzw. Moo, . a H,O ableiten lawn. 0. GLEMsra u. G. LUTZ').

Aachan, Inetitut f3r anmganieche Chemie und Elektrochemie der Tech- niechen Hoehechuk.

( h i der Redaktion eingegengen am 17.Miirz 1951.)