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Kunst wird Marke Eine Fallstudie aus Köln Creating and managing brand value TM

Kunst wird Marke

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Der Künstler Merlin Bauer hat „Kölns schönsten Spruch” geschaffen. Nun ist sein Projekt weitgehend abgeschlossen. Hat er nebenbei eine Marke aufgebaut?

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Eine Fallstudie aus Köln

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Kunst wird MarkeEine Fallstudie aus Köln

Von Alexander Rauch

Der Künstler Merlin Bauer hat „Kölns schönsten Spruch” gescha�en. Nun ist sein Projekt weitgehend abgeschlossen. Hat er nebenbei eine Marke aufgebaut? Globale Marken prägen das Bild unserer Städte Weltweit erleben wir bereits seit vielen Jahren, wie sich Wachstum und Entwicklung auf die großen Städte konzentrieren. Ver- gleicht man die Großstädte der etablierten westlichen Volkswirtschaften mit denen in Ländern und Regionen der „Emerging Markets” oder in der sogenannten Dritten Welt, erkennt man ganz unterschiedliche Gründe für das gleiche Phänomen; und jeder Reisende bemerkt die großen Unterschiede zwischen den zahlreichen Metropolen dieser Welt – die großen Unterschiede zwischen den Kulturen, die durch die großen Unter- schiede in Bezug auf die Entwicklung, Erzie- hung und Werte entstehen. Und dennoch – es gibt ein Phänomen, das diese Städte verbindet und immer ähnlicher macht: Das Phänomen der globalen Marken, das die Wahrnehmung des ö�entlichen Raums in den Großstädten weltweit prägt, auf riesigen Marken-Installationen an den Flughäfen,

internationalen Marke. Nur: Liebe deine Stadt kann man nicht im Supermarkt kaufen. Und Liebe deine Stadt gibt es nur in Köln. Aber worum geht es überhaupt? Was ist Liebe deine Stadt? Liebe deine Stadt ist der Name und das Leitmotiv eines mehrjährigen Projekts des Künstlers Merlin Bauer, geprägt von zahl- reichen Veranstaltungen u.a. mit Beteiligung der Kulturwissenschaftlerin Aleida Ass- mann, des Ägyptologen Jan Assmann, des Ästhetikprofessors Bazon Brock, des Muse- umsdirektors Kasper König, der Fotokünst-lerin Candida Höfer oder des Architekten Peter Zumthor. Auf den ersten Blick ging es bei diesem Projekt um die Wahrnehmung der Architektur der Nachkriegsmoderne in Köln; es ist auch das Verdienst Merlin Bauers, die Ö�entlichkeit für den architektonischen und historischen Wert zahlreicher Gebäude in Köln sensibilisiert zu haben. Dies gilt nicht zuletzt für Oper, Opernterrassen und Schauspielhaus – zu Recht verweist Merlin Bauer darauf, dass dieses Ensemble, ge- staltet von Wilhelm Riphahn, eine archi-tektonische Marke der Nachkriegszeit ist,

Billboards in den Innenstädten, und künftig auch digital, als „Augmented Reality”. Diese Marken heißen Apple, Nike oder Toyota, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese Marken auch das Bewusstsein und das Verhalten der Menschen in den Groß- städten prägen. Denn die fortwährende Prä- senz einer Marke, die für die meisten Men- schen zugleich mit relevanten Inhalten und Werten verbunden ist, übt – meist unbe-wusst – Einfluss auf das urbane Leben aus. Eine neue Marke in Köln? In diesem Punkt unterscheidet sich Köln nicht von anderen Großstädten. Reisende werden an Bahnhof und Flughafen zunächst nicht von der rheinischen Herzlichkeit, son- dern von vertrauten Marken begrüßt, und die Präsenz dieser Marken setzt sich beim Stadtbummel nahtlos fort. Soweit alles ganz vertraut – nur beim Befahren einer der wich- tigsten Verkehrsadern der Stadt, der Nord- Süd-Fahrt, wird man aufmerksam: Denn dort prangt, in riesigen Einzelbuchstaben, auf einer Breite von mehr als 25 Metern, vier Meter hoch, der Schriftzug Liebe deine Stadt – ein Auftritt, ganz so wie der einer

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„Ausdruck einer gesellschaftlichen Neuori- entierung”. Auf den zweiten Blick wird deut- lich, dass es Merlin Bauer nicht nur um Architektur in Köln geht, sondern auch um die Entwicklung und Führung des kulturel-len Lebens dieser Stadt, um o�ensichtliche Missstände in Politik und Verwaltung. Merlin Bauers Appell ist kalkulierte Provokation. Das „Buch zum Projekt”, erschienen 2009, gibt auf fast 500 Seiten Einblick in die Arbeit des Künstlers und markiert zunächst den vorläufigen Abschluss des Projekts. Aller- dings zeigt sich, dass sein Thema weiterhin Resonanz erzeugt – ebenso wie die ent- sprechende Skulptur, der Schriftzug eben, der zu einem prägenden Element des Stadt- bilds geworden ist, ja man darf sagen: geradezu zu einem Wahrzeichen über die Grenzen Kölns hinaus. Mehr als Kunst: Marke? Obwohl Merlin Bauers Projekt breite (und überregionale) Resonanz gefunden hat – übertre�en die Bekanntheit und vor allem aber die Sympathie, die der Schriftzug Liebe deine Stadt seit der Installation erreicht hat, gewiss alle Erwartungen. Dies zeigt sich nicht nur im Einsatz der regionalen Boulevard-Zeitung für den Erhalt von „Kölns schönstem Spruch”, sondern insbesondere in zahllosen kommerziellen Nutzungen, zum Beispiel Poster, T-Shirts oder Postkarten, die allerdings nicht vom Urheber autorisiert worden sind. Dass auch die Fans des chro- nisch krisengeplagten Fußball-Clubs 1.FC Köln den Schriftzug für ein Riesen-Banner nutzen, ist eher sympathische Randnotiz. Deutlich wird jedoch, dass „die Kölner” (und nicht nur die) den Schriftzug gerne verein-nahmt haben – ihn jedoch inhaltlich nicht mehr nur mit dem ursprünglichen Diskurs verbinden, sondern ihn stattdessen wört- lich nehmen: zur Identifikation mit „ihrer” Stadt, zur Selbstvergewisserung, hier am richtigen Ort zu sein. O�ensichtlich ist der Appell für viele Menschen relevant, glaub- würdig und di�erenzierend – und genau das macht auch starke Marken aus: Sie sind wichtig für den Alltag von Menschen, sie halten ihr Versprechen, und sie unterschei-den sich im Wettbewerb. Hat Merlin Bauer

Liebe deine Stadt scha�t Wert für die Kundschaft: Dieser Slogan ermöglicht Menschen Identifikation.

eine Marke gescha�en? Und wenn ja: Was kann, was sollte er mit dieser Marke tun? Der Markenbegri� Der Begri� „Marke” ist bereits seit einigen Jahren in aller Munde. Für Unternehmen gehören ihre Marken zu den wichtigsten Werttreibern: Während die Marke ursprüng- lich dazu diente, Herkunft und Qualität eines Angebots zu garantieren, generiert sie heute emotionalen und sozialen Mehr- wert für den Kunden. Starke Marken haben nicht nur gesellschaftliche Relevanz, sie sind wahre Sinnstifter für viele Menschen. Entsprechend lag es nahe, den Markenbe-gri� auszudehnen: Fußball-Clubs werden als Marken bezeichnet, Länder und Städte ebenso, politische Parteien, sogar Menschen – von Angela Merkel bis Giorgio Armani. Ergibt das Sinn? Aus ökonomischer Sicht ist klar, dass erst die wirtschaftliche Nachfrage eine Marke aus- macht, und zugleich gilt: Marken werden gestaltet, entwickelt, gemacht – kompro-misslos in der konsistenten Umsetzung. Sie folgen rigoros den Anforderungen und Wünschen ihrer Zielgruppen. Sie werden bewertet und gesteuert, von Inhabern oder vom Management. Deshalb ist Giorgio Armani eine starke Marke, und sie existiert neben, aber durchaus symbiotisch mit dem Menschen Giorgio Armani. Deshalb ist Angela Merkel keine Marke. Wie ist es mit der Kunst? Auch hier beob- achten wir, wie Marken wirtschaftlichen Wert scha�en, wie Marken den Kunst- und Sammlermarkt prägen (und stabilisieren) und so erst „Marktwerte” ermöglichen. Je� Koons oder Damien Hirst haben erfolg-reiche Marken gescha�en, die ihren Namen tragen (nicht zuletzt weil sie verstehen, wie Marken im Allgemeinen entwickelt und weiterentwickelt werden). Entsprechend werden auch die Arbeiten dieser Künstler zu Markenprodukten – drei Basketbälle „im Equilibrium”, oder ein Hai in Formaldehyd. Unabhängig von Form und Inhalt des je- weiligen Werks vermittelt die Marke dem Sammler Vertrauen in die Investition.

Weitergedacht ergibt sich die Frage: Kann Kunst, die auch Marke ist, au¬ören Kunst zu sein – um nur noch Marke zu sein? Liebe deine Stadt als Marke Auch Merlin Bauer versteht viel von Marken- technik. Denn er hat konsequent die Bau- steine der Markenentwicklung genutzt, um seinem künstlerischen Anliegen Gehör zu verscha�en. Deshalb ist Liebe deine Stadt auch nicht o�ensichtlich als Kunst im ö�ent- lichen Raum erkennbar, im Gegensatz zu anderen Werken, die ebenfalls Wahrzeichen- charakter entwickeln, wie zum Beispiel „Mae West” von Rita McBride oder „Ham-mering Man” von Jonathan Borowsky. Dass Merlin Bauer damit Menschen für etwas begeistert, das er so nicht unmittelbar ge- meint hat, war ihm klar. Dass er damit so viele Menschen erreicht, vielleicht nicht. Im Kunstmarkt ist Liebe deine Stadt längst bekannt und etabliert, so dass sich regel- mäßig entsprechende Marktwerte ergeben – zum Beispiel für Multiples und für Foto- grafien und auch für die Skulptur an der Nord-Süd-Fahrt selbst. Die Stärke der Marke im Kunstmarkt ist entsprechend auch Treiber künftiger Erträge im Sinne des Marken-werts. Aber diese Marke hat auch das Poten- zial, über den Kunstmarkt hinaus wertvoll zu werden, Wert für Kundschaft außerhalb der Kunstszene zu scha�en: Denn Liebe deine Stadt ermöglicht Menschen Identifi- kation, eine Aussage über sich selbst; des- halb erwerben sie T-Shirts und Postkarten. Für den Inhaber der Marke allerdings ergibt sich jenseits des Kunstmarkts (noch) kein ökonomischer Wert, das hat nicht zuletzt rechtliche Gründe: Denn der Künstler musste sich das Recht auf die exklusive kommer-zielle Nutzung seines Werks erst vor Gericht erstreiten. Der maßgebliche Grund dafür, dass Liebe deine Stadt heute noch keine kommerziell erfolgreiche Marke jenseits des Kunstmarkts ist, liegt allerdings darin, dass dies gar nicht in der Absicht des Künstlers lag. Nun aber muss sich Merlin Bauer fragen, wie es mit dieser Marke weitergehen kann. Ihm bieten sich verschiedene Optionen:

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Werbung für die Bühnen Köln Im Stadion: Fans des 1.FC Köln Bühnenbild Schauspiel Köln

Option 1: Die Marke dehnen und ihr volles Potenzial nutzen Es besteht kein Zweifel, dass das Signet Liebe deine Stadt aufgrund seiner Präsenz, Sympathie und Relevanz eine Marke mit großem Potenzial ist, besonders in Köln und der Region. Grundsätzlich wäre eine um- fassende kommerzielle Nutzung durch den Markeninhaber möglich, beispielsweise im Wege der Lizensierung der Marke. Voraus- setzung für die Scha�ung von höherem ökonomischen Wert wäre die Dehnung der Marke zur Kennzeichnung von kommer-ziell nutzbaren Produkten oder Services. Hier sind auch entsprechende Kooperationen denkbar. Die Lizenzraten sollte sich dabei vor allem am Markenwert ausrichten – also an den künftigen Erträgen, die durch (und nur durch) die Marke realisiert werden kön- nen. Der tatsächliche ökonomische Wert der Marke lässt sich allerdings nur kalkuli-eren, wenn künftige Nutzungen und damit verbundene Einzahlungsströme zu ermit- teln sind. Dass die Installation weiterhin am festen Platz in der Nähe des Riphahn-En- sembles bleibt, wäre dabei sicher wünschens- wert, aber keine Voraussetzung: Denn die Marke kann sich durch temporäre Be-

spielung von (digitalen) Medien im ö�entli-chen Raum die gleiche Präsenz sichern. Option 2: Die Marke verkaufen Merlin Bauer hat den Slogan Liebe deine Stadt gescha�en – sein Projekt ist nahe- zu abgeschlossen, und er ist Künstler, kein Marken-Manager. Entsprechend liegt es nahe die Marke vollständig zu verkaufen. An Interessenten dürfte wohl kaum Mangel bestehen. Auch in diesem Fall gilt: Der Markenwert sollte Maßstab für den Preis sein. Option 3: Die Marke „beenden” Ein künstlerisches Projekt, das vor seinem Abschluss steht, und eine Marke, die sozu- sagen nebenbei entstanden ist. Sollte man dann dieser Marke nicht ein Ende bereiten, zumal die kommerzielle Nutzung natur-gemäß immer mit unternehmerischen Risi- ken verbunden ist? Die Antwort ist klar: Wer eine Marke besitzt, der kann damit ma- chen was er will, zum Beispiel die Marken-rechte verschenken oder einfach die Nutzung einstellen. Wobei oftmals besonders von Künstlern ein derartiges – ökonomisch wenig sinnvolles – Vorgehen erwartet wird. In

jedem Fall dürfte hierbei beträchtliches Po- tenzial zur Wertschöpfung vernichtet werden. Fazit Liebe deine Stadt ist nicht nur ein herausra-gendes künstlerisches Projekt, sondern hat auch als Marke großes Potenzial. Wie groß das Potenzial ist, und wie wertvoll diese Marke werden kann, hängt von Stra- tegie, Kreativität und Konsequenz der zu- künftigen Markenführung ab. In jedem Fall aber zeigt Liebe deine Stadt, dass Kunst und Marke einiges gemeinsam haben: Sie gründen auf Bedürfnissen, die sie beant-worten, auf Wünschen, die sie scha�en – und manchmal auf Provokationen, die Men- schen zum Nachdenken bringen.

Bildnachweis:

FC-Stadion © Boyz Köln

alle anderen Bilder

© Merlin Bauer / VG Bild-Kunst, 2012

www.liebe-deine-stadt.de

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Alexander Rauch Strategy Director, Interbrand Central and Eastern Europe, Köln

Alexander Rauch lebt bereits seit mehreren Jahren in Köln – und das (fast) immer gern. Darüber hinaus ist er erfahrener Berater für strategische Markenführung und Marken-entwicklung und betreut Unternehmen wie Bayer, BMW, Deutsche Telekom, SAP und Salamander. Er ist seit 2004 bei Interbrand und Mitglied des Management Teams am Standort Köln. Zuvor war Alexander Rauch als Produktmanager in der Markenartikel-industrie und als Managementberater tätig.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Philipp Mokrohs Senior Consultant Business Development

Telefon +49 221 95 172 137 Mail [email protected]

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