KYJ_2015_07

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Kostenlose Ausgabe Sommer 2015 von 3HO e.V. zum Thema Zeit

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  • Titelthema:

    Yoga und Zeit

    HERAUSGEBER: 3H ORGANISATION DEUTSCHLAND E.V. GEMEINNTZIGER VEREIN ZUR FRDERUNG DES MENSCHEN DURCH YOGA

    JOURNALKundalini YogaAusgabe 25 / Juli 2015

    Titelthema:

    Yoga und Zeit

    ber das Phnomen Zeit

    Die vier Phasen und das Paradox der Zeit

    Rhytmen im Lebenslauf

    Zeit der Unschuld

    Zeitdruck

    Glck jenseits der Zeit

  • 2 / Kundalini Yoga Journal

    Redaktionsschluss: 14. September 2015

    Thema der Herbstausgabe ist Ego, Geist, Seele, Bewusstsein.

    Textbeitrge und Vorschlge hierzu werden ab sofort gernentgegen genommen! Texte bitte im Format Times New Roman 12 pt, einein-halbzeiliger Abstand, linksbndig, nur per E-Mail mit An-hang (rtf oder doc) an: [email protected] Mac-Nutzer: Da Anhnge oft nicht geffnet werdenknnen, bitte Text zustzlich direkt in die Mail kopieren.Fotos, als Datei (gute Auflsung) oder Print, sind sehr erwnscht!Fr Fragen und Ideen ruft mich gerne an: 040 / 608 48 882oder mailt mir, bitte bevor ihr schreibt: [email protected].

    Anzeigenschluss: 25. September

    Anzeigen bitte im Format jpg oder pdf mit eingebettetenSchriften; Fotos als jpg, s/w-Fotos in einer Auflsung von180 dpi, 4c Fotos in 300 dpi Auflsung.Anzeigen per E-Mail an Geraldine Mottschall-Weber, [email protected].

    ImpressumHerausgeber: Vereinszeitschrift der 3H Organisation Deutschland e.V.,Heinrich-Barth-Str. 1, 20146 Hamburg, Tel. 040/479099, www.3ho.deKontoverbindung fr Spenden: 0 606 097 206, PostbankHamburg, 200 100 20, Kontoinhaberin 3HO Deutschland e.V.Redaktion: Kerstin Ravi Kirn Kaur Harder-Leppert (V.i.S.d.P.), (khl), Tel 040/608 48 882, Fax 040/60848196, E-Mail: [email protected] und Anzeigengestaltung: Caroline Schoeniger, Tel. 040/608 28 15, E-Mail: [email protected]. Anzeigenakquise: Geraldine Mottschall-Weber, Tel 0173/ 2363583, E-Mail: [email protected] dieser Ausgabe: Armin Nirbhao Singh Aulinger, Nadine Tejpal Kaur Bei-wenger, Cornelia Meherpal Kaur Brammen, Muktiar KaurDettmann, Katharina Balwant Kaur Ege, Devinderpal KaurManuela Eilers, Atma Singh Harazim, Diana Gurprasad KaurKeune, Anna Tejpal Kaur Klein, Martin Sevak Karan SinghKnab, Clarissa Mandev Kaur Kpfer, Stefanie AtmaroopKaur Legeland, Devinderjit Kaur Ada Namani, Petra Mayer,Savitri Kaur Olivieri, Bhagwati Kaur Pangerl, Eva Guru SantKaur Pawlas, Ram Nam Kaur Inka Raubold, Lydia PadmaniRder, Angela Simrat Kaur Schneider, Drte Prem Hari KaurStrehlow, Satnam Kaur Wester, Satya Singh Wester, BerndSiri Vias Singh Wichmann, Bibi Nanaki Kaur Wiechmann,Alexandra Sangatjeet Kaur Wilhelm, Nicole Siri Adi KaurWitthoefft.bersetzungen: Simran Kaur Wester.Zeichnungen: Grit Agiapal Kaur Zeume, Guru Dashan Kaur Petra Kolitsch

    Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht immer die Meinung vonRedaktion oder Herausgeber dar. Die Redaktion behlt sich das Recht vor,Beitrge zu krzen, zu redigieren, zu schieben oder abzulehnen.

    3HO ist

    Mitglied im

    DYVDeutscher Yoga

    Dachverband

    Editorial ...........................................................................................3

    Titelthema: Yoga und Zeit

    Von Yogi Bhajan .............................................................................4

    ber das Phnomen der Zeit ......................................................5

    Die vier Phasen und das Paradox der Zeit ...............................6

    Rhythmen im Lebenslauf ............................................................ 7

    Im Sterben die Zeit erleben .........................................................8

    Der Aspekt Zeit .............................................................................. 9

    Zeit der Unschuld ........................................................................10

    Die Rhythmen des Kindes .........................................................11

    Unter Zeitdruck ...........................................................................12

    Yoga schenkt mir ein Plus an freudvoller Zeit .....................13

    Raum, Zeit und Japji ...................................................................14

    Brot backen - und Brot essen ................................................... 14

    Meine yogische Berufung ..........................................................15

    Glck jenseits der Zeit ................................................................16

    Frher war alles besser und heuteist alles anders? ........................................................................... 18

    Umfrage: Was ist dein bester Tipp, um Zeit zu gewinnen? ................................................................18

    Interview mit Dharma Singh Arne Raap-Mehl ....................19

    Das Ei .............................................................................................28

    BLISS der Name ist Programm ............................................ 20

    Das Self Sensory System ............................................................21

    Grner Yogi Chai Smoothie .....................................................21

    Fragen an Yogi Satya .................................................................. 22

    Serviceseite ....................................................................................23

    Radikale Selbstheilung mit lebendiger Ernhrung ................................................................24

    Nachruf auf Nanak Dev Singh Khalsa ...................................25

    Erstes Weies Tantra in Berlin .................................................27

    World of Yoga Mnchen 2015-06-17 .....................................27

    Gedicht nach Tratakam .............................................................29

    Yoga und Ayurveda ......................................................................29

    Aus den Ausbildungen ...............................................................30

    Fortbildungen/Ankndigungen ..............................................31

    Bitte um Spenden fr den Miri Piri Fonds ...........................32

    Sangat im Unendlichen Klangstrom ......................................33

    Buchtipps ......................................................................................34

    CD-Tipp: Amana...................................................................... 34

    Yogische Kurznachrichten ........................................................35

    INHALT

  • Editorial

    Kundalini Yoga Journal / 3

    liebe Yogalehrerinnen

    und Yogalehrer

    und Freunde des Kundalini Yoga,

    das Schwerpunktthema der Sommerausgabe lautetZeit.Wir bewegen uns alle in Zeit und Raum, ob wirdas nun wollen oder nicht. Als Chefredakteurin des Kun-dalini Yoga Journals bin ich Wchterin ber die Einhal-tung von Zeiten wie Redaktionsschluss, Abgabetermine,Erscheinungsdaten. In den zwlf Jahren meiner Ttigkeitist das Heft noch nie zu spt erschienen - ich agiere gewis-sermaen immer im Zeitrahmen. Nun, manche Menschen sind der Zeit mehr verhaftet, an-dere weniger. Das gilt auch fr Yogalehrer. Ich gehre ein-deutig zur ersten Kategorie wenn man mich nachtsweckt, kann ich fast auf die Minute genau sagen, wie sptes ist. Ein durchaus zweifelhaftes Vergngen denn aufder anderen Seite sehne ich mich geradezu danach, dieZeit zu vergessen, das Tor zur Zeitlosigkeit zu durch-schreiten und im ewigen Jetzt zu verweilen. Gewisserma-en wnsche ich mich zurck in die Zeit der Unschuld,wie Ram Nam Kaur sie beschreibt. So wie beim Yoga,beim Meditieren, beim Tanzen. Wunderbar ist ebenfalls, zu verreisen, alle Strukturen hin-ter sich zu lassen und zeitlos durch fremde Stdte zu trei-ben. Urlaub von der Uhr. Gibt es etwas Schneres alsunendlich viel Zeit zu haben, um sie ans se Nichtstunzu verschwenden? Beim Yogaunterrichten ist es anders, dort sehe ich es alsmeine Aufgabe an, verlsslich und kalkulierbar zu sein.Die Yogastunden beginnen und enden immer pnktlich doch in dem Zeitraum, den ich schaffe, lade ich meineSchlerInnen ein, in den Kriyas und der Meditation dieUnendlichkeit zu erfahren, den Moment des Sprens aus-zukosten, um dann in der Tiefenentspannung in dieWonne des Schwebens hinein zu gleiten. hnlich hand-habt es Dharma Singh, wie er Devinderpal Kaur im Inter-view verriet. Wieder einmal ist es faszinierend, welche Tiefe, Weisheitund Vielfalt sich in den Artikeln unserer Sangat versam-

    melt hat: Sei es Nirbhao Singh, der als Physiker ber dasPhnomen der Zeit referiert, Atma Singh, der aus mysti-scher Sicht das Wesen der Zeit beleuchtet oder BhagwatiKaur, die von den Rhythmen im Lebenslauf berichtet.Um Rhythmen, jedoch des Kindes, geht es auch in demArtikel von Muktiar Kaur; Padmani erzhlt von ihrerHospizarbeit, bei der im Sterben die begrenzte Zeit erlebtwird. Die Sehnsucht nach der hellen Weite kennt auchMeherpal Kaur, so wie Siri Vias Singh erkannt hat, dassYoga ihm ein Plus an freudvoller Zeit schenkt. Bibi Na-naki und Tejpal Kaur beschreiben ihren jeweiligen Um-gang mit Zeitdruck. War frher, vor dem digitalen Zeitalter, alles besser? Dasfragt sich Gurprasad Kaur, und Savitri Kaur beschreibtihre Suche nach dem Glck jenseits der Zeit. Erstaunli-cherweise kam wenig Resonanz auf die Umfrage nachdem besten Tipp, um Zeit zu gewinnen, was vielleichtzeigt, dass die meisten Yogis sich in ihrer Zeit so wohlfh-len, dass sie den Umgang damit nicht noch konomi-scher betrachten wollen. Yogi Satya gibt unter anderemTipps, wie man sehr lange Meditationen durchhlt undauf der Serviceseite gibt es drei Meditationen zum ewigenHier und Jetzt. Andere schne und inspirierende Texte runden das Journal ab nehmt euch die Mue und die Zeit, es zulesen.

    Ich wnsche euch eine wunderbare Sommerzeit, eure Ravi Kirn Kaur.

  • 4 / Kundalini Yoga Journal

    Von Yogi Bhajan

    Solange du Zeit und Raum unterliegst, unterliegst du Problemen und Schmerz

    Yogi Bhajan hat erstaunlicherweise keine explizite Lecture zum Thema Zeit gehalten. Zumindest sind wir in der Library of Teachings nicht weiter fndiggeworden. Diese drei Zitate stammen jedoch von ihm und beleuchten das Phnomen Zeit auf verschiedenen Blickwinkeln:

    Es gibt immer einen Streit zwischen Realitt undNicht-Realitt. Warum? Warum gibt es Streit? Warumgibt es Scheidung? Warum gibt es Streit zwischen Men-schen? Warum sind die Menschen nicht glcklich?Wisst ihr warum? Es gibt eine sehr schlichte Antwort:Wir glauben, dass die Erde permanent sei. Wenn wir ein-fach akzeptieren wrden, dass die Erde temporr ist,dann mssten wir Verantwortung bernehmen fr wasauch immer wir hier tun. Unser Verhalten msste voll-kommen ehrbar sein. Aber das wollen wir nicht akzep-tieren. Wenn wir ber Maya sprechen, dann hat dasnichts mit Geld zu tun, es hat nichts mit seidenen Ge-wndern zu tun oder Schmuck oder einem guten Auto.Ihr versteht das Wort Maya nicht. Maya findet statt,wenn du die gesamte Kraft deines Lebens, dein prani-sches Leben, darauf ausrichtest und sie dafr einsetzt,auf Teufel komm raus irdischen Erfolg zu erzielen. Mayabedeutet, dass dein temporrer Aufenthalt auf der Erdepermanent wird, und dass die permanente AnwesenheitGottes temporr wird. Das ist Maya.

    Im Kundalini Yoga verstehen wir, dass ein Mensch wunschlos sein muss und ein verdienter Schler, um sich selbst ber Zeit und Raum erheben zu knnen.

    Dann wird der Lehrer ihm helfen. Solange du Zeit und Raum unterliegst, unterliegst du Problemen und Schmerz. Die Zeit zieht an dir, und der Raum legt dir Verpflichtung auf. Zwischen Zug und Pflicht schwankst du immer hin und her.

    Aber wenn sich deine Pflicht (duty) in Schnheit (beauty) verwandelt, kannst du dich ber die Zeit erheben. Wenn deine Pflicht deine Liebe wird,

    erhebst du dich ber den Raum.

    Wenn wir Auto fahren, drehen wir den Schlssel umund sagen:Aad gureh nameh,Djugaad gureh nameh,Sat gureh namehSiri guru deveh nameh. Wahe Guru dji ka Khalsa, Wahe Guru dji ki Fateh.Ihr nennt es ein Ritual, ich sage, wir nehmen zwanzigSekunden. Falls es einen Unfall geben soll, dann pas-siert er zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem be-stimmten Ort, bei einem bestimmten Lngengradund Breitengrad. Desh kaal mileh taa vidieh ban djandie heh. Ln-gengrad und Breitengrad sind fr die Zeit festgelegt,wenn etwas passieren wird.Das ist ein Gesetz. Ich kann die Zeit nicht verndern,aber ich kann den Raum ndern, ich verspte dichalso um zwanzig Sekunden.

    Alle Zitate aus der Zitatensammlung The Laws of Life: The Teachings of Yogi Bhajan. Herausgeber: Kundalini Research Institute, Santa Cruz,New Mexico, ISBN 978-1-934532-88-1, bersetzt von Simran Kaur)

  • Kundalini Yoga Journal / 5

    Jeder hat vermutlich schon die Erfahrunggemacht, dass einem dieselben Zeitrumeunterschiedlich lang vorkommen, jenachdem, ob einem langweilig ist oderman viel zu tun hat. In der Relativitts-theorie hat uns Albert Einstein gezeigt,dass die Lnge von Zeitrumen nicht nuraus geistiger, sondern auch aus physika-lischer Sicht als relativ zu beschreiben ist.Kern der so genannten Speziellen Relati-vittstheorie ist zum einen die Entde-ckung, dass man seine eigene Geschwin-digkeit - oder ob man sich berhaupt be-wegt - nur feststellen kann, wenn man einanderes Objekt als Bezugspunkt hat. Dasheit, ein Objekt kann sich nur relativ zueinem anderen bewegen. Wenn nun bei-spielsweise zwei Astronauten, die aufRaumschiffen unterschiedlicher Ge-schwindigkeit unterwegs sind, die Ge-schwindigkeit eines dritten Raumschiffesmessen, wrden beide eine unterschied-liche Geschwindigkeit messen. Dennjeder Astronaut misst die Geschwindig-keit des dritten Raumschiffes relativ zuseiner eigenen. Jedoch hat Einstein bewie-sen, dass diese Relativitt der Geschwin-digkeitsmessung nicht fr die Licht-geschwindigkeit gilt. Die ist immergleich, egal wie schnell man sich selbstbewegt. Diese Feststellung fhrte schlie-lich zu der Erkenntnis, dass fr einen Be-obachter die Zeit auf einem Objekt, dasmit annhernder Lichtgeschwindigkeitan ihm vorbei fliegt, langsamer vergehtals bei dem Beobachter selbst. Das magerst mal widersinnig erscheinen, wurdeaber experimentell besttigt. Wenn mannmlich instabile Elementarteilchen,deren Zerfallsgeschwindigkeit messbarist, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit be-schleunigt, zerfallen sie langsamer, alswenn sie ruhen.

    Das Zwillingsparadoxon

    Dass die Relativitt der Zeit dennochnicht vollstndig zu verstehen ist, zeigtdas so genannte Zwillingsparadoxon.Das handelt davon, dass man einen derZwillinge in ein Raumschiff setzt und ihnfast mit Lichtgeschwindigkeit durch dasWeltall jagt, bis er nach einigen Jahrenzur Erde zurckkehrt. Zum Zeitpunktder Trennung waren die Zwillinge offen-sichtlich gleich alt. Aus Sicht des Zwil-lings, der auf der Erde geblieben war,verging die Zeit seines Bruders im Raum-schiff viel langsamer als seine eigene. Des-wegen ist der Rckkehrer jnger als erselbst. Allerdings ist die Situation ausSicht des Zwillings im Raumschiff die-selbe. Das heit, aus seiner Sicht verging

    die Zeit seines Bruders auf der Erde lang-samer und somit ist fr den Raumfahrerder auf der Erde gebliebene Bruder jn-ger. Beide sehen aus ihrer Sicht die Wahr-heit, aber offensichtlich leben sie inunterschiedlichen Realitten.

    Raumzeit ein vierdimen-sionales Koordinatennetz

    Nicht nur auf Objekten mit hoher Ge-schwindigkeit, sondern auch in der Nhemassereicher Objekte vergeht die Zeitlangsamer. Das ist eine Vorhersage derAllgemeinen Relativittstheorie und lsstsich experimentell nachweisen, indemman die Zeit auf zwei Przisionsuhrenvergleicht, von denen eine auf der Erdeund eine im Weltall, zum Beispiel aufeinem Satelliten tickt. In der AllgemeinenRelativittstheorie ist die Zeit als einevierte Achse neben den drei Raumachsen(Hhe, Tiefe, Breite) beschrieben. Wersich das vorstellen kann, msste sichetwas wie einen Schuhkarton denken, beidem sich in dem Punkt, in dem sich dreiKanten im rechten Winkel treffen, einevierte Kante rechtwinklig zu den dreirumlichen Kanten befindet. Deswegenspricht man in der Astrophysik nicht vonRaum und Zeit, sondern von der Raum-zeit, die wie ein vierdimensionales Koor-dinatennetz unsere Welt aufspannt. EinEreignis, das sich in einer bestimmtenZeitspanne innerhalb einer bestimmtenrumlichen Ausdehnung erstreckt, wiezum Beispiel das Aufblasen eines Luftbal-lons, ist darin ein vierdimensionales Ob-jekt - whrend der Luftballon selbst eindreidimensionales Objekt ist.

    Der verrckte Effekt der Unendlichkeit

    Verwirrend wird die Beschftigung mitZeit und Raum, wenn man sich auf derenUnendlichkeit einlsst. Wenn man sichunendlich lange vor einen Berg setzt undihm beim Verwittern zusieht, wird manganz sicher irgendwann beobachten, dasser aus dem Staub zu seiner vollen Greaufersteht. Der Grund dafr ist schlicht,dass das nicht unmglich ist, auch wenndie Wahrscheinlichkeit dafr noch so ge-ring ist. Es ist sogar so, dass in der Un-endlichkeit jeder Grad an Verwitterunggleich oft, weil unendlich oft, vorkommt.Man knnte dann nicht mehr sagen, dassder Berg mit der Zeit verwittert. Es gibtein Gedankenexperiment, das den ver-rckten Effekt von unendlicher Zeit nochdeutlicher macht. Darin stellt man sich

    einen Affen vor, der unkoordiniert aufeine Klaviertastatur tippt und dadurchTne in zuflliger Reihenfolge, Laut-strke und Rhythmus aneinander reiht.Wenn er das unendlich lange macht, wirder unter anderem smtliche Klaviersona-ten von Beethoven spielen - und zwar un-endlich oft.

    Grenzen der Erkenntnisfhigkeit

    Die sogenannte Quantenfeldtheorie be-schreibt ein Feld unendlicher Ausdeh-nung, das vollkommen leer ist. Es gibtdarin weder Energie noch Materie, undwenn man Zeit und Raum auch alsQuanten auffasst, keine Raumzeit. Nurwenn man einen endlichen Bereich diesesunendlichen Feldes betrachtet, findetman darin Universen aus Raum, Zeit,Materie und Energie. Um diese Gedan-ken auf die Spitze zu treiben, knnte manannehmen, dass es unser Universum undunendlich viele andere Universen unend-lich oft gibt, aber ausschlielich dann,wenn man nur einen Teil des Unendli-chen betrachtet. Auch wenn diese Ge-bilde vermutlich nie experimentellnachgewiesen werden knnen, resultie-ren sie aus quantenphysikalischen Glei-chungen und berlegungen, die auf deranderen Seite praktische Anwendung fin-den, wie zum Beispiel in der Elektronikoder Chemie. Dennoch muss man soetwas wie die Multiversentheorien nichtfr wahr halten. Vielleicht haben derar-tige Gedanken ber Zeit und Raum auchkeinen anderen Nutzen als den, dass sieuns an die Grenzen unserer Erkenntnis-fhigkeit fhren. Im Samadhi knnenwir in einem Augenblick nahezu dieEwigkeit erspren, und im Moment derendgltigen Befreiung verschmilzt dasNichts und die Unendlichkeit zu Eins -jedenfalls in meiner Vorstellung. AmEnde oder bis dahin bleibt die Frage, obdie Zeit ein physikalisches Objekt odereine persnliche Erfahrung ist.

    Physikalisches Objekt oder persnliche Erfahrung?

    ber das Phnomen der ZeitVon Nirbhao Singh Armin Aulinger

    Nirbhao SinghArmin Aulinger lebt in Hamburg,ist Kundalini Yoga

    Lehrer und Achtsamkeitstrainer undhauptberuflich angestellt als Umweltche-miker am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

    www.nirbhao.de

  • 6 / Kundalini Yoga Journal

    Zeit ist ein wundersames Paradox. Ob-wohl Zeit eine ganz alltgliche Erfahrungist, knnen selbst die groen Mystiker sienicht erklren. Trotzdem - oder geradedeshalb - haben sie immer wieder berdas Mysterium der Zeit gesprochen, umuns Einblicke in das Wesen der Zeit zugeben.

    Guru Nanak beschreibt im Mul Mantradie eine gttliche Wirklichkeit und gibtuns gleichzeitig eine universelle Formel,wie wir zu ihr zurckfinden knnen.Dann, im zweiten Teil des Mul Mantras,beschreibt er, wie sich diese ewige Realitt(Satch) durch die vier Phasen der Zeitmanifestiert:

    1. Aad Satsch:Der Urzustand, der schonvor Beginn der Zeit existierte und daherihren Anfang und ihr Ende Zeit darstellt.Es ist eine zeitlose Zeit, denn die ewigeWirklichkeit ist bereits da und ihr eigenerAnfang in sich selbst.

    2. Jugaad Satsch: Der Fluss der Zeit, dersich zwischen dem Anfang und demEnde der Zeit erstreckt und der zugleichweder Anfang noch Ende hat. Die ewige

    Wirklichkeit im Fluss der Zeit, den sieselbst hervorgebracht hat und in dem siedurch alle Zeitzyklen hinweg gegenwrtigist.

    3. Hbhie Satch:Die Zeit konserviert alsMomentaufnahme, der Stand der Dinge.Die ewige Wirklichkeit hat sich hier undjetzt in der sichtbaren Welt manifestiertund betrachtet sich selbst in ihrer Mani-festation.

    4. Nanak Hossie Bhie Satch:Nanak, derim Einklang mit der ewigen gttlichenWirklichkeit lebt, bekrftigt, dass dieseauch in Zukunft immer sein wird.

    Die eine gttliche Wirklichkeit entfaltetsich also durch diese vier Phasen der Zeitund bleibt zugleich, was sie ist. Das Para-dox ist, dass die Vernderung selbst dasist, was kontinuierlich ist. Das ist diefnfte, alles verbindende Phase der Zeit.

    Weil dies die Entfaltungsstadien dereinen Wirklichkeit sind, spiegeln sie sichberall in der Schpfung wieder, zumBeispiel in den Jahreszeiten, in denWachstumsphasen von Pflanzen, Tieren

    und Menschen oder in den Wandlungs-phasen der Elemente.

    Gttliche Gesetzmigkeiten als Basis unseres Seins

    Indem wir die organische Natur in die-sem Bewusstsein studieren, knnen wirdie gttlichen Gesetzmigkeiten erken-nen, die die Grundlage unserer eigenenExistenz sind und so das Eine sehen, dassich hinter der Vielfalt verbirgt. Wir kn-nen uns davor verneigen und beginnenunser eigenes Leben so zu erschaffen,dass es sich im bewussten Einklang mitder einen Wirklichkeit bewegt, die uns ge-schaffen hat. Wenn dies geschieht, nen-nen wir es Karam Kriya.

    Dies beinhaltet, Zugang zu der essenziel-len Information zu erhalten, die schonseit Anbeginn der Zeit in unsere Seele ge-schrieben ist (Aad Satsch) und die wir be-ntigen, um unsere Lebenszeit (JugaadSatch) effektiv zu nutzen. Dies ist mg-lich, indem wir die Form, in der wir unsgegenwrtig befinden (Hbhie Satsch) sotransformieren, dass sich unsere wahreZukunft offenbart (Nanak Hossie BhieSatsch) und wir als Seele unsere Bestim-

    Einblicke in das Mysterium

    Die vier Phasen und das Paradox der Zeit Von Atma Singh Harazim

    Illustration von Guru Darshan Kolitsch Mai 2015

    Die Reise der Seele und ihre Lebensphasen durch die Zeit,eingebettet in die Wirkungskrfte Gravitation - Materie und Dispersion - Emporstrebend - Geistig aus der yogischen Kosmologie, inspiriert durch Karam Kriya Numerologie.

  • Kundalini Yoga Journal / 7

    mung erfllen knnen. Unsere Bestim-mung ist nicht ein Ziel dort drauen,das es zu erreichen gilt. Es ist vielmehrdas, wozu wir auf unserem Weg werden.Wir knnen nur das werden, was wirschon seit Anbeginn der Zeit sind undwir verwirklichen es, indem wir unsdurch die vier Phasen der Zeit hindurchentfalten. So schliet sich der Kreis. Ob-wohl sich also nichts verndert hat, hatsich alles verndert. Das ist das Paradoxder Zeit. Dieses Paradox sind wir selbst.

    Dieser Text ist inspiriert durch die Lehren vonKaram Kriya, die durch Shiv Charan Singh indie Welt gebracht wurden und mittlerweiledurch viele seiner SchlerInnen in aller Weltunterrichtet werden. Mehr Informationen zuKaram Kriya findest du u.a. unter www.ka-ramkriya.eu oder www.karamkriya.de

    21. Paurie, JapJi:

    () Gegrt seiest Du, erstes Wort, Brahma,Schnheit, Wahrheit, fortwhrende Glckseeligkeit!

    Welche Stunde, welche Zeit,welcher Mond-Tag, welcher Sonnen-Tag?

    Welche Jahreszeit, welcher Monat,als die Schpfung entstand?

    Die Weisen haben die Stunde nicht gefunden,sonst stnde sie in den Puraanas.

    Die Islam Gelehrten haben die Zeit nicht gefunden,sonst stnde sie im Koran.

    Kein Yogi kennt Mond-Tag noch Sonnen-Tag,noch Jahreszeit, noch Monat.

    Wann der Schpfer die Welt erschaffen hat,Er selbst er wei es!

    Yogi Bhajan hat uns die Zyklen im Lebenals den Kreislauf der Bestimmung unddie drei Ringe des Gelingens gelehrt.Jeder dieser drei Zyklen reprsentiert Ver-nderung und Wandlung. Alles in unse-rem Universum unterliegt ganz spezi-fischen Rhythmen und Zyklen:Herzschlag, Atmung, Cranio-SakralerRhythmus, Biorhythmus der Organe,rhythmischer Wechsel von Tag undNacht, Sieben-Tage Woche, 12 Monatedes Jahres, Jahreszeitenwechsel, hormo-neller Zyklus und Mondpunkte der Frau,wechselnde Nasenlochatmung, Geburtund Wiedergeburt Die Zyklen sind Kreislufe der Entwick-lung, die uns Gelegenheit geben, unserLeben, unsere Intelligenz und unser Be-wusstsein zu berprfen. Sie sind Fensterder Gelegenheit fr unsere eigene Aus-dehnung und Wachstumsentwicklung.

    Der Sieben-Jahres-Zyklus: Zyklus des Bewusstseins

    Viele Erscheinungen in der Natur sindvon Siebener-Rhythmen geprgt: Sieben-Tage-Woche, sieben Tne in der Tonlei-ter, sieben Farben im Regenbogen, siebenChakras, sieben Weltmeere, sieben Welt-wunder und ber sieben Brcken musstdu gehen, wie es in einem bekanntenLied heit.Die Jahrsiebte sind fr unsere Identittgrundlegend. Alle Zellen erneuern sich insieben Lebensjahren und ein neuesThema wird sichtbar. Oft sind auch Inku-bationszeiten von Infektionskrankheitensieben oder 14 Tage lang - und auch Hei-lung geschieht meist in sieben Tagen.

    Der Sieben-Jahres-Zyklus reprsentiertein Wiedererwachen unseres Minds.Unser Bewusstsein verndert sich: Wieverstehe ich die Welt? Wie begreife ichDinge? Was macht fr mich Sinn? Wassind meine Werte? Wie nehme ich michselbst wahr?

    Elf-Jahres-Zyklus: Zyklus der Intelligenz

    Die Zahl Elf steht fr das Beherrschenund Meistern von Lernprozessen. Siezeigt die Fhigkeit, aus verschiedenenMglichkeiten eine Entscheidung, einenWeg auszuwhlen, der mich zum Zielfhrt: Wie setze ich meine Vorstellungen,meine Wnsche in meinem Leben um?Welchen Weg whle ich dazu? Wie errei-che ich meine Ziele? Dieser Zyklus ist ein Prozess, um die In-tuition zu erhhen. Intuition ist die F-higkeit, in jeder Situation die Wahrheitzu erkennen.Der Elf-Jahres-Zyklus schwingt im Ein-klang mit der Yogaphilosophie. Die Sie-bener und 18-er Zyklen sind in derAstrologie verwurzelt.

    18-Jahres-Zyklus: Zyklus des Lebens und der Lebensenergie;Mondknotenzyklus

    Genau alle 18 Jahre, sieben Monate undneun Tage kehren die beiden Schnitt-punkte der Mond- und Sonnenbahn indiejenige Stellung im Tierkreis zurck,die sie bei der Geburt eines Menschen in-nehatten. Die Anthroposophen sprechenvom Atmen des Makrokosmos.Bei der Hlfte der Umlaufzeit findet eineMondknotenopposition statt. Mondkno-tentransite spiegeln sich in den Lebens-lufen vieler Menschen als besondersmarkante Ereignisjahre, in denen meistum den Sinn des Lebens gerungenwird.Wir fragen uns: Wie lebe ich? Wie istmeine Lebensqualitt? Bin ich gesundund voller Vitalitt oder muss ich mehr auf mich aufpassen? Der wiederkehrende Mondknoten ist einGeburtsereignis im Leben. Wie bei derleiblichen Geburt treten Schmerz undFreude, Finsternis und Licht auf. Das ei-gene Wesen ist vor eine Prfung gestellt.

    Zyklische Zeitbetrachtung

    Rhythmen im Lebenslauf Von Bhagwati Kaur PangerlDas Leben verluft in bestimmten Phasen, und auch der Krper

    durchluft verschiedene Abschnitte. Zuerst seid ihr ein Kind, dann ein

    Erwachsener und anschlieend altert ihr. Jede dieser Phasen muss

    bercksichtigt und geachtet werden. In jeder Phase sollte der Geist dem

    Krper und die Seele dem Geist Sicherheit geben. Wenn dies geschieht,

    dann erlangt ihr Ausgeglichenheit, Tugenden und Erfolg.

    (Yogi Bhajan)

  • 8 / Kundalini Yoga Journal

    Es wird streng auf sein ursprngliches Ziel hin befragt. DieseEinschnitte im Leben bedeuten aber nicht nur Krisen, sondernauch Mglichkeiten, sich von Altem zu lsen und die zuknf-tige Entwicklung neu aufzugreifen.

    Jeder Lebenszyklus beinhaltet einen oder mehrere Bewusst-seinsjahre (Jahrsiebte) und Intelligenzzyklen (elf Jahre), und esgibt einen Prozess des geistigen Wachstums, der innerhalb jedesLebenszyklus vollendet sein muss. Geschieht dies nicht, fhrenwir diese unvollendete Aufgabe weiter bis zum nchsten Zyklus,aber wir treten ein ohne die ganze Erfahrung.

    Weltenjahr und Bezug zum Atemrhythmus

    Das Platonische Weltenjahr mit seiner Dauer von etwa 25.920Jahren das ist die Zeit, die die Sonne als Folge der Bewegungder Erdachse braucht, um rcklufig durch alle zwlf Tierkreis-

    zeichen wieder zu ihrem Ausgangspunktzurck zu gelangen ist von grundlegen-der Bedeutung fr die menschheitlicheEntwicklung. So dauert eine Weltent-wicklungsstufe durchschnittlich solange, wie die Sonne braucht, um einTierkreiszeichen zu durchlaufen, also2.160 Jahre. Die Sonne vollendet einenWeltenschritt. Plato, der griechische Phi-losoph, hat diese 25.920 Jahre ein Wel-tenjahr genannt. Eine Weltenminutedauert 17 Tage, eine Weltenstunde 3 1/3Jahre, ein Weltentag 72 Jahre, ein Welten-monat 2.160 Jahre und ein Weltenjahr25.920 Jahre.

    Und nun die Beziehung zu unse-rer Atmung: Normalerweiseatmet der Mensch in der Mi-nute rund 18 Atemzge. Wieviele Atemzge sind das proTag? 25.920.Rhythmus leitet unser Leben,Zyklen begleiten unser Leben.Fr uns Menschen ist es wich-tig, diese Energieflsse zu verste-hen. Jeder Zyklus zeigt sich in

    Vernderung und Wandel sowie un-serer Selbstwahrnehmung. In manchen

    Jahren fallen mehrere Zyklen zusammen, dassind Schicksalsjahre (18, 21, 22 33, 35, 36 54, 55, 56), die unsbewusst sein sollen.Kundalini Yoga lehrt uns Bewusstsein und Achtsamkeit imLeben. Die Zyklen und Arbeit an unserem eigenen Lebensbildgehren dazu.

    Mondknotentransit Mondknotenopposition (halber Mondknoten)

    9 Jahre, 3 Monate und 20 Tage

    18 Jahre, 7 Monate und 9 Tage

    27 Jahre und 11 Monate

    37 Jahre und 2 Monate

    46 Jahre und 6 Monate

    55 Jahre und 10 Monate

    65 Jahre und 2 Monate

    74 Jahre und 5 Monate

    83 Jahre und 9 Monate

    Zeit im Sterben erlebe ich als sehr kost-bar. Ich bin viel im Kontakt mit Men-schen, deren Lebenszeit meist begrenztist und die in absehbarer Zeit sterbenknnten, denn ich arbeite in einem Am-bulanten Hospizdienst in Berlin.

    Durch den nahen Tod nimmt Zeit eineandere Dimension an, das absehbareEnde des Lebens rckt in unmittelbareNhe. Wird Zeit an sich dann auch an-ders erlebt oder bleibt Zeit Zeit? FrMenschen mit lebensbedrohlicher Er-krankung geht es um Zeit im weitestenSinne: Entweder nicht genug Zeit imLeben gehabt zu haben, um vollstndigsie selbst geworden zu sein oder auchexakt so viel Zeit zu haben, wie siebrauchten, um genau das Leben zu leben,das sie sich gewnscht haben. Ich hrefter: Mein Leben war reich und schn,es ist okay, wenn es jetzt zu Ende geht.Ein wunderbares Fazit, wenn die Zeit zu

    Ende geht. Wann empfindet ein Mensch-sein Leben als erfllt? Durch Erlebnissemit Menschen? Durch Familie? DurchBeruf? Durch Naturverbundenheit? Esgibt jedoch auch Menschen, die sterbenwollen, die gar keine Lebenszeit mehrhaben mchten. Sind sie des Lebensmde? Ist Zeit vielleicht zu einer Belas-tung fr sie geworden?

    Was ist das Wesen der Zeit?

    Was ist eigentlich die Zeit und wie wirdsie wahrgenommen? Als physikalischeGre? Denke, zhle, lebe ich in Jahren,Monaten, Wochen, Tagen, Minuten undSekunden? Als Abfolge von Ereignissen,die im Gegensatz zu anderen physikali-schen Gren eine eindeutige, unum-kehrbare Richtung hat? Oder beschreibtZeit aus einer philosophischen Perspek-tive das Fortschreiten der Gegenwart vonder Vergangenheit kommend zur Zu-

    kunft hinfhrend? Jede Sekunde ist nachder Sekunde Vergangenheit. Wie lange istdann eigentlich ein Augenblick? Oderkann Zeit zyklisch erlebt werden, alsonicht linear? Knnen mehrere Zeit-ebenen auch parallel stattfinden?Manchmal fhle ich mich in einen Mo-ment der Vergangenheit zurck versetzt,als wre es jetzt. Es ist ein Wiedererlebenstatt Wiederbeleben. Die Erinnerung re-produziert das Ganze: Was ich sah, hrte,fhlte und verstand. Es ist, als htte ichjetzt ein Gefhl fr mein Gefhl, stattdes Gefhls selbst. Auch in meinen Tru-men gibt es ein anderes Zeitverstndnis,ein anderes Gefhl zu Zeit. Am Lebens-ende fragen wir wohl eher nach demWesen der Zeit, nach dem Zeitempfindenund dem Zeitgefhl. Gibt es einen fr den Menschen verbor-genen Zeitplan, der festlegt, wie langewir leben und wann wir sterben werden?Der Tod wird uns alle finden, egal ob wir

    Nur Liebe und Tod ndern alle Dinge

    Im Sterben die Zeit erlebenVon Lydia Padmani Rder

    Ihr mchtet das Geheimnis des Todes kennenlernen?

    Aber wie werdet ihr es finden,wenn ihr nicht im Herzens

    des Lebens sucht?Khalil Gibran

  • Kundalini Yoga Journal / 9

    danach suchen oder nicht. Gibt es soetwas wie eine Gleichung? Wird dieAngst vor dem Tod umso grer, je mehrungelebtes Leben in uns ist? Frchtenwir umso mehr zu sterben, je mehr wirbedauern, etwas nicht gelebt zu haben?Fllt uns das Loslassen vom Leben destoleichter, je mehr wir das Leben lebendigerlebt haben, uns selbst verwirklichthaben, unser wahres Ich gelebt haben?Knnen wir umso leichter sterben, jeintensiver, erfllter und erfreuter wirunser Leben gelebt haben?

    Der Wunsch nach Intensitt und Lebendigkeit

    Am Lebensende taucht oft die Frage auf:Lebte ich das Leben, welches ich lebenwollte? Was bereue ich in meinem Leben?Was ist mir wichtig im Leben? Sind esvielleicht auch ganz alltgliche Wnscheund Bedrfnisse, die alle Menschenhaben? Ist es der Wunsch nach Nhe undBerhrung, nach gesehen, erkannt undwahrgenommen werden, nach aufgeho-ben und geborgen sein, sich wohlfhlenund verbunden sein mit anderen und derWunsch nach Intensitt und Lebendig-keit?Worin unterscheiden sich Menschen, dieunheilbar krank sind, von denen, die esvermeintlich nicht sind? Denn sterbenwerden wir alle, frher oder spter. Auchwenn es jetzt unvorstellbar ist und vieledenken, es sei noch unendlich weit weg.Fr schwerkranke Menschen ist das Le-bensende fhlbar, die Gedanken ansSterben werden zu einem Gefhl.

    Es gibt keine Lsung dafr, es geht eherum Erleichterung der Situation. Jeman-dem zu helfen bedeutet, ich verstehe denMenschen erst einmal weniger als er sichselbst. Ich muss zunchst nachvollzie-hen, was er versteht. Alles wahre Helfenbeginnt mit dem Akt der Demut, die Hel-fende muss sich zuerst unter diejenigeordnen, der sie helfen will, und dadurchkann sie verstehen, dass Helfen nicht

    herrschen heit, sondern dienen. Ichdiene dem Mensch und damit einem gr-eren Ganzen. Hier erscheinen mir Yogaund Meditation sehr frderlich.Ich befragte eine junge Frau, die lebens-bedrohlich erkrankt ist und die regelm-ig ins Hospiz kommt, in dem ich arbeiteund einmal in der Woche fr sie und diePatienten, Angehrige, Mitarbeitendeund Gste eine Gongmeditation anbiete:Was bedeutet fr sie Zeit? Hat sich etwasim Angesicht der Krankheit oder desSterbens verndert? Wenn nur nochwenig Zeit bleibt, wird diese bedroht,sagt sie. Insgesamt wirkt alles bedroh-cher. Das Leben und die damit verbun-dene Zeit, die uns bleibt, wird umsokostbarer, je strker sie uns aus den Hn-den zu gleiten droht. Gleichzeitig rcktviel mehr in den Fokus, wie wir die ver-bleibende Zeit fllen wollen, was sie aus-machen soll, wie wir sie gestalten wollen.Es bleibt nicht nur die Frage nach derMenge an Zeit, sondern auch nach Artder Zeit. Wie viel gute Zeit bleibt mirnoch eine Frage der Qualitt, nicht derQuantitt. Und wie gelingt es mir ,diesezu fllen, mit intensiven Momenten, aberauch mit so viel Normalitt wie irgend-wie mglich.

    Jede Sekunde macht Zeit zu etwassehr Kostbarem

    Die Gongmeditation wird oft als raum-los und zeitlos erlebt, auch trstlich, weilRaum und Zeit sich auflsen knnen,keine weitere Bedeutung haben. Viel-leicht wird der Gong in seiner vollenLautstrke auch deshalb manchmal alskleiner Tod erlebt? Ich selbst habe schon als relativ kleinesKind in der Kche gesessen und auf dieUhr mit dem Sekundenzeiger geschautund diesen beobachtet. Oft mit dem Ge-danken, wieder eine Sekunde um, wiedereine und wieder eine und wieder eine.Gleichzeitig waren der Gedanke und dasGefhl da, jede abgelaufene Sekunde istauch schon gelebtes, vergangenes, eige-

    nes, abgelaufenes Leben. Und jede Se-kunde macht damit Zeit zu etwas sehrKostbarem, und hat Einfluss darauf, wieich mein Leben erlebe und gestalte.Vielleicht liebe ich meine Arbeit deshalbso sehr und habe sie frh fr mich ent-deckt!?Weil ich von den sterbenden Menschenganz viel fr das LEBEN lernen kann.

    Empfehlenswertes Interview mit der jungen Frauim Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/welt-spiegel/sonntag/diagnose-leukaemie-meine-seele-bleibt-doch-nicht-an-einer-glasscheibe-haengen/11620974.html.

    Als Menschen sind wir in unserem physischen Krper zeitlichenRhythmen unterworfen, Tag und Nacht, Monaten und Jahren,aber auch unserem persnlichen Bio-Rhythmus, dem Herz-schlag und Atem. Schwerwiegend, chronisch oder lebensverkr-zend erkrankt, verndert sich das Zeitempfinden. Wie qulendlang kann die Zeit der Ungewissheit vom Verdacht bis zur Di-agnosestellung sein, das Warten auf Untersuchungsergebnisse,wie kurz die Zeit, sich zu informieren und eine innere Haltungzu Behandlungsoptionen zu finden, whrend rzte auf Ent-scheidungen drngen. Wie lange werde ich von dieser Erkran-kung eingeschrnkt sein, den Rest meines Lebens? Wie lange

    werde ich noch leben? Unser Zeitempfinden wird geprgt vonunserem physischen Befinden, habe ich Schmerzen oder leideunter Schlafstrungen; ebenso wie von unserer emotional-geis-tigen Verfassung - kann ich annehmen, was ist, bin ich in einemZustand von Schock oder bekmpfe ich meine Realitt?

    In der Yogaphilosophie ist Zeit (ka la, Sanskrit; ka l Hindi)ebenso wie Raum (des , niyati), Wissen (vidya), Leidenschaft(ra ga) und Macht (kala) ein Aspekt der Prakr ti und gehrt zuden Begrenzungen, der unser stoffliches Dasein unterworfenist. In Meditation transzendiert knnen wir unsere wahre, un-

    Gong im Hospiz

    Lydia Padmani Rder istSterbe - und Trauerausbilderinund Begleiterin, Palliative CareFachkraft, Yogalehrerin Stufe 2,Gongspielerin, Lebende und Sterbende in einem zu jeder Zeit.All in one. I am you. Diesen Text schrieb ich in Geden-ken an Nanak Dev Singh, meinenGonglehrer, der Anfang diesesJahres gestorben ist. Auch vonihm habe ich viel gelernt! Und vonseiner Frau Sabine lerne ichimmer noch!

    In der Kundalini Yoga Therapie nach Yogi Bhajan

    Der Aspekt Zeit Von Atma Jot Kaur (Dhyan Tada) Gdel

  • 10 / Kundalini Yoga Journal

    begrenzte und unvernderliche Natur des reinen Bewusstseinsjenseits der Limitierungen erkennen und Befreiung erlangen.

    Von der Linearitt zur Simultanitt

    Die Einteilung unseres Lebens in Zeitspannen lsst unsere Er-fahrungen als fortlaufend erscheinen. Der Raum von Konzen-tration und Meditation erlaubt Zeitlosigkeit, indem Zeit nichtmehr linear, sondern simultan erscheint. Der begrenzte Raumder Selbsterfahrung durch die Identifikation Erkrankungwird zu einem unbegrenzten Raum, in dem Heilung geschehenkann. Dieser ffnet einen Raum, in dem ich trotz aller Rck-schlge zugleich erkrankt und gesund, kraftvoll und unendlichschwach, zuversichtlich und voller Angst, auf dem Weg der Hei-lung sein kann. Diesen inneren Freiraum jenseits beschrnken-der Selbstidentifikation in einem Zustand schwerer Erkran-kung zu erfahren, ist schwer, da doch gerade jetzt der Krpermit all seinen Facetten Begrenzungen aufzeigt. Dies gilt fr unsalle, doch besonders fr Menschen, die bereits erkrankt unsereHilfe als Yogalehrende suchen und in den Techniken von Yogaund Meditation nicht bewandert sind.

    Prana aufbauen, berforderung vermeiden

    Es gilt, ausschlielich positive und Prana aufbauende Erfah-rungen im Rahmen von Kundalini Yoga Therapie zu machenund jegliche Entmutigung durch berforderung zu vermeiden.Daher hat Yogi Bhajan gelehrt, in der therapeutischen Beglei-tung von Menschen mit Kundalini Yoga die Begrenzungen un-serer Natur und besonders den Aspekt von ka la in vielfacherHinsicht zu bercksichtigen. Bereits die Auswahl der Kriyasorientiert sich nicht an der Diagnose, sondern adressiert vor-handene Ressourcen und betont den Aufbau von Prana.Der Ablauf einer Yogastunde wird durch erheblich krzerebungszeiten und eine strkere Rhythmisierung des Ablaufsmit zahlreichen Pausen verlangsamt. Der Aufbau eines mehr-wchigen Kurses zur therapeutischen Begleitung ist durchzahlreiche Wiederholungen und, wenn berhaupt, ein sehrlangsames Erhhen der Anforderungen an Kraft und Konzen-tration geprgt. Die Anleitung einer Kundalini Yoga Therapeu-tin ist nie antreibend (Noch eine Minute!) sonderneinladend.Auf diese Weise werden auch kleinste Vernderungen in derSelbstwahrnehmung dem erkrankten benden erfahrbar. DieGedanken, die zwischen Vergangenheit, vor der Erkrankung,und ungewisser Zukunft pendeln, knnen zur Ruhe kommen.In diesem Ruhepol von sahej kann die schmerzhafte Wertungso krank wie ich bin, bin ich falsch, ich bin nur richtig, wennich gesund bin ihre Kraft verlieren.

    Atma Jot Kaur Gdelist Europische Reprsentantin des Guru Ram Das Center for Medicine and Humanology,

    Espan ola

    Wir leben auf dieser Erde in Raum und Zeit. ber die Zeitkann man lange philosophieren. Sie wird gemessen, ist knapp,man hat sie oder man hat sie nicht Was wir beobachten, ist,dass sie sich in eine Richtung bewegt, die nicht zurckgedrehtwerden kann. Wir sehen das an unseren Kindern. Sie wachsen,lernen, verlassen uns und gehen ihre eigenen Wege. So ist, pau-schal gesagt, der Lauf der Dinge, der Lauf der Zeit. Am inte-ressantesten ist es - und ein groes Geschenk - mitzuerleben,wie sich so ein Winzling zu einem kleinen Menschlein entwi-ckelt, sich in unsere Welt hinein dreht. Wenn ich auch immerwieder empfinde, was fr Geschenke meine eigenen beidenKinder sind, hat diese Empfindung sich noch vertieft, seitdemich drei wunderbare Enkelkinder habe. Viel bewusster als fr-her als Mutter, verfolge ich die Entwicklung dieser drei kleinenHamburger Jungs, nun als Gromutter. Sie sind fnf Jahre,drei Jahre und zehn Monate alt.

    Neugeborene sind wie aus der Zeit gefallen

    Als frischgebackene Eltern sind wir erst einmal berglcklich,wenn das Kind gesund geboren ist. Dann kmmern wir uns,pflegen dieses kleine Wesen und merken, wie anders nun un-sere Zeiteinteilung ist wenn man das berhaupt so nennenkann, denn es gibt berhaupt keine Regelmigkeit in unse-rem Tagesablauf. Besonders die Nchte sind nicht mit Schlafgesegnet. Unser Neugeborenes lebt absolut in keinem Zeitmo-dell und macht so manche Nacht durch. Es macht sich ausden verschiedensten Grnden unberhrbar bemerkbar, aufseine eigene Weise und in unregelmigen Zeitabstnden. Viel-leicht hat es Hunger oder die Windel muss gewechselt werdenoder es braucht liebevolle Nhe. Ganz langsam gewhnen wires an einen Zeitplan, der aber immer wieder durchbrochenwird. Nach vielleicht vier schlaflosen Monaten (es drfen auchruhig weniger sein ... oder mehr!) freuen wir uns, wenn dasBaby endlich durchschlft. Aber der neue Erdenbrger erlebtdie erste Lebenszeit und alles, was damit verbunden ist, ber-haupt nicht bewusst. Das Kind nimmt zunchst die Mutterwahr und dann alles andere ber seine Empfindungen, berseine Gefhle.

    Zeit der Unschuld

    Wie kleine Kinder Zeit erleben

    Von Ram Nam Kaur Inka Raubold

    Man is not made to change under pressure, period. Man is made to surmount time and space. You know, it is very cloudy, its very dark,

    but once you take a plane and go above the clouds,you see there is beautiful sunshine;

    it is a different planet. So you have to have a mindwhich knows to go above time and space.

    (Yogi Bhajan)

  • Kundalini Yoga Journal / 11

    Erstes Zeitbewusstsein durch Licht und Dunkelheit

    Das erste Zeitbewusstsein tritt ein bei derUnterscheidung von Tag und Nacht, vonHelligkeit und Dunkelheit. Wir messen jaauch das Licht in Zeiteinheiten (Licht-jahre). Das bedeutet, dass wir Menschendie Zeit ber das Licht erfassen knnen,oder das Licht ber die Zeit. Genau so ge-schieht es bei unseren Jngsten. Mit ge-schlossenen Augen nimmt ein Baby dieHelligkeit weniger wahr als mit geffne-ten. Und wenn es nachts dann dunkel ist,kann es nach einigen Monaten im Allge-meinen ohne Unterbrechung schlafen.Nachdem das Kind laufen gelernt hat, ge-fllt ihm diese Bewegung als etwas Befrei-endes. Nun ist die Dunkelheit sehr inter-essant, besonders dann, wenn es den

    dunklen Weg mit der Laterne erhellenkann. Ein vorangehender Spielmannszugerhht noch das Gefhl von Besonder-

    heit. Aber auch ein Tag mit seinen Ab-wechslungen ist jedes Mal wieder ein Er-lebnis. So sehen wir, dass die Zeit von denKleinen als Vernderung empfundenwird, nicht aber als bewusstes Zeiterle-ben.

    Wir Erwachsenen denken stets an das,was wir versumt haben, was wir nochtun knnen und wie lang etwas dauert.Ein Kind lebt im Jetzt. Wir erkennen esdaran, wie Kinder spielen. Sie beschfti-gen sich, sie sind ruhig oder unruhig, siesind neugierig, sie haben Spa an etwas,sie wollen beachtet werden. Ihr Verhaltenist diesem einen Moment gewidmet undsie brauchen nur das eine: Liebe. Hierspielt die Zeit keine Rolle. Wahre Liebe istunendlich. Wie weise sind doch unsereKinder!

    Was ist Ewigkeit?

    Im Kindergartenalter erleben die Kleinendann, dass man sich an bestimmte Zeitenhalten muss. Es gibt in regelmigen Ab-stnden eine kleine oder groe Mahlzeitund es gibt Zeiten, an denen Spiele ange-sagt sind oder alle drauen spielen oderan denen sie Sport und Yoga machen.Und es gibt den Moment, an dem dasKind nach Hause abgeholt wird. So wach-sen die Kinder langsam in diese Welt hi-nein, die so sehr von der Zeit bestimmtist. Neulich fragte mich mein ltester En-kelsohn: Was ist das, Ewigkeit? Das zuerklren ist eine echte Denkaufgabe frErwachsene. Vielleicht hat er meine Er-klrung ein wenig verstanden. Sicher binich mir da nicht.

    Und noch etwas ist sehr bemerkenswert.Ein kleines Kind ist offen, aufmerksamund seinem Wesen nach rein und vlligunschuldig. Auerdem ist es neugierig

    und liebt es, mit neuen Dingen zu spie-len. Einem unbekannten Lied hrt derKleinste meiner Enkelkinder aufmerk-sam zu und lchelt bei gesungenen En-dungen im Text, die sich reimen. Auchliebt er es, wenn ihm ein bekanntes Liedwieder vorgesungen wird. Dann kannman deutlich an seinen Augen erkennen.Die greren Kinder im Kindergartenal-ter mgen es, Lieder mit Arm und Bein-bewegungen zusammen zu singen, oderauch mal den ganzen Krper dabei zu be-wegen. Wie wunderbar sind da doch dieCelestial Communications aus dem Kun-dalini Yoga. Sie werden immer wiedersehr gerne gebt bei den Yoga Kindern.Ein Kind kann dabei aus seiner wirklichunschuldigen und anmutigen Art herausaktiv sein und seinem Bewegungsdranggerecht werden. Auerdem strken dieseBewegungsmeditationen spielerisch Kr-per, Geist und Seele der Kleinen.

    Reine Anmut und Unschuld

    Die Kleinsten stehen noch nicht unterden Einflssen unserer Gesellschaft. Inihrer Unschuld liegt die reine Anmut, wiees Yogi Bhajan beschrieb bei einem seinerFrauencamps. Auch ich erlebe das immerwieder so. Wenn mein jngstes Enkel-kind lchelt, schmelzen alle dahin. Mitseinem Lcheln sagt ein Kind: Ich binda. Und wenn es dann seine kleine Handnach mir ausstreckt und mich freundlichansieht, sehe ich seine absolute Un-schuld, sein Vertrauen, seine reine Ein-fachheit. Die greren Kinder habenkeine Scheu, an uns Erwachsene auchknifflige Fragen zu stellen. Sie fragen mitder ihnen eigenen Unbefangenheit undUnerfahrenheit, eben aus ihrer Unschuldheraus. Das Verstndnis von Zeit ist auchbei ihnen noch gar nicht so richtig vor-handen. Es wchst mit der Zeit.

    Frhling, Sommer, Herbst und Winter.Einatmen und Ausatmen. Die Welt be-steht aus Rhythmen, ohne dass wir Ein-fluss darauf haben. Die immer wieder-kehrende Folge beruhigt uns und bringtSicherheit Rhythmen unterliegen kei-nem Modetrend, sie bestehen ber Gene-rationen und Kulturen hinweg. AlsPdagoginnen haben wir das Glck, Kin-der dabei untersttzen zu knnen, wennsie in einer kleinen, geschtzten Gruppedie Welt entdecken. Trotz aller Individua-litt und Einzigartigkeit beobachten wirzentrale Themen, die einem gewissenRhythmus in der Entwicklung folgen. Be-stimmte Schritte haben ihre Zeit und ihreReihenfolge.

    Laufen lernen ist erste groe Trennung von der Mama

    Die Kinder kommen zu uns, wenn sie lau-fen knnen, d. h. sie sind etwa 12 bis 15Monate alt. Waren die Kinder bis dahinnoch im Nestschutz der Mutter, so ist deraufrechte Gang der unaufhaltsame Start,den Radius zu erweitern und die Weltfern von Mama und Papa zu erkunden.Diese Schritte bedeuten so viel wie:Mama, Papa, ich kann mich jetzt voneuch entfernen und schauen, was es nochso auf der Welt gibt. In erster Linie ist diesvor allem die erste groe Trennung vonder Mutter, da sich aus yogischer Sichtdie Kinder, bis sie drei Jahre alt sind, dieAura mit der Mutter teilen. Vter knnen

    sich in dieser Zeit etwas berflssig vor-kommen aber ihre Zeit kommt noch.Mit dem selbststndigen Laufen wird dasKind autonomer. Die gewonnene Selbst-stndigkeit geht aber auch mit den unsso gut bekannten Wutausbrchen einher.Das Kind scheint nun so viel zu knnen es beschreitet die Welt, spricht ersteWrter, lernt Zusammenhnge verstehen.Dennoch gelingt nicht alles und manch-mal ist es schwer, sich gegenseitig zu ver-stehen. Es ist zum Verzweifeln.

    Mit zweieinhalb Jahren steht die nchstegroe Trennung an die Loslsung ausder mtterlichen Aura. Der Prozess voll-zieht sich bis zu der Zeit um den drittenGeburtstag. Nachdem das Kind bisher

    Jeder Schritt hat seine Zeit

    Die Rhythmen des KindesVon Muktiar Kaur Dettmann

    Ram Nam Kaur mit ihrem jngstenEnkelkind

  • 12 / Kundalini Yoga Journal

    die Welt mit der sicheren Anbindung andie Aura entdeckt und erforscht hat, stehtes nun als eigenstndiges Wesen auf eige-nen Fen. Deswegen ist es so wichtig,bis zu diesem Zeitpunkt eine gute Basis,ein sicheres Vertrauen in die Welt gebildetzu haben. Eine liebevolle Begrung desKindes in der Familie, sowie tgliche Ri-tuale und geregelte Tagesablufe strkendas Kind in seiner Sicherheit. Diese neueErfahrung der Eigenstndigkeit kann jenach Temperament des Kindes und derFestigkeit seiner Wurzeln unterschiedli-che Gefhle hervorrufen Unsicherheit,

    welche sichtbar wird durch das Aufgrei-fen alter Verhaltensweisen (z. B. Babyspielen), Wutausbrche, Krankheit oderauch lebhafte Abenteuerlust. Schrfwun-den und blaue Flecken sind Zeugen dieserUnternehmungen. Jetzt ist der Vater ge-fragt. Hat bisher vor allem die Mutter frNestwrme, Sicherheit und Geborgenheitgesorgt, zieht nun der Vater mit seinemKind hinaus in die Welt, um zu erkunden,wie sie aufgebaut ist. Woraus besteht sie?Wie funktioniert sie? In dieser Zeit, wel-che zwischen Unsicherheit und Abenteu-erlust schwankt, ist der Vater der Fels inder Brandung. Auf jede erdenkliche Weisewird die Welt sich zu eigen gemacht obim Rollenspiel, beim Basteln und Mate-rialerkunden oder Bauen.

    Mit vier Jahren ganz in der Welt angekommen

    Und so knnen wir oft nur staunen, wel-che groen Sprnge zwischen dem drit-ten und vierten Geburtstag gemachtwerden. Die Kinder legen ihr Kleinkind-

    kleid vollstndig ab und entwickeln sichsowohl innerlich als auch uerlich zugroen selbstbewussten Kindern. Mit vierJahren sind sie wirklich auf dieser Erdeangekommen. Indem die Welt den Kin-dern langsam klarer wird, werden sie auchsich selbst immer bewusster. Die Erkun-dungstouren werden nun komplexer undtiefgreifender. Die Kinder erleben be-wusst, dass die Welt aus Freuden, aberauch aus schmerzvollen Erfahrungen be-steht. Indem die Kinder verschiedenenGefhlen begegnen, knnen sie ihr Wesenvervollstndigen.Der Prozess des Inkarnierens in dieserWelt ist zwischen sechs und sieben Jahrenabgeschlossen. Das Kind ist jetzt kom-plett in seinem Krper mit all seinen Ge-fhlen und Gewohnheiten angekomm-en. Mit dem Zahnwechsel beginnt eineneue Zeit. Und so traurig es fr uns ist,von den Kindern Abschied zu nehmen,um sie in die Schule ziehen zu lassen, soglcklich sind wir, dass wir ihre erstenSchritte begleiten durften.

    Das war schon spannend in dem Moment, wo ich mir durchenge Aneinanderreihung von beruflichen und Lehrerausbil-dungsterminen ein Maximum an Zeitdruck selbst produzierthatte, kommt die Anfrage von Kerstin Ravi Kirn, ob ich nichteinen Artikel ber Zeitdruck schreiben mchte. Die erste Re-aktion war nein, blo nicht, dafr habe ich gar keine Zeit dann musste ich jedoch in mich hinein schmunzeln und sagtemir Wahe Guru, wenn das Thema jetzt sogar schon von auenan dich herangetragen wird, muss es ja etwas mit dir zu tunhaben. Und so sagte ich zu. An dem oben beschriebenen Ausbildungswochenende im Mrz,wo ich mir diesen maximalem Zeitdruck manifestiert hatte undan dem auch die Schler dieses Thema ansprachen, weil sie esselbst im Alltag erleben, hatte ich eine sehr tiefe und transfor-mierende Erfahrung. Es fhlte sich an, als wre ich durch meinpersnliches Nadelhr zum Thema Zeitdruck hindurch gegan-gen. Wie? Dank eines 31mintigen Jappas mit dem Mool Man-tra. Es war unglaublich beeindruckend. Vor dem Jappa war meinKrper fest und angespannt, ganz eng und zusammengezogen,ebenso, wie wenn man sich klein und eng machen muss, umdurch ein Nadelhr zu passen. Im Kopf ratterten all die Dingevorbei, die ich noch zu tun hatte, ich konnte den selbst kreiertenDruck auf jeder Ebene - krperlich, emotional, mental - regel-recht spren. Dann kam zum Glck das Jappa. Ich liebe Jappa und wei umseine Kraft. Aber so eine physisch starke Erfahrung hatte ichdabei bisher noch nie. Die Gruppe war vom ersten Moment anauf einer Schwingungsebene, es lief von allein, es war leicht underhebend, gleichzeitig tief und transformierend. Und nach etwa20 Minuten hatte ich das Gefhl, dass der Naad des Mool Man-tra Jappa mich durch das Nadelhr hindurch in die Ausdehnunggeschwungen hat. Der Krper entspannte sich vollkommen, derGeist wurde weit und ich war in einem Raum auerhalb der Zeit,wo alles langsam und in seiner natrlichenZeit geschah.Was fr eine Wohltat. Mir wurde klar, dass man sich Zeitdruckimmer nur selbst erschafft. Shiv Charan sagte einmal Take timeto make time nimm dir Zeit, um Zeit zu gewinnen. Wie wahr.

    Aus der dann entspannten Situation heraus tat ich das auch undes war wunderbar die Zeit dehnte sich buchstblich aus. Ichhatte ausreichend Zeit fr alles Wichtige und gleichzeitig nochfr schne Dinge. Unter Zeitdruck agieren wir vom begrenzten Ego, aus der inne-ren Enge heraus. Wenn ich jedoch von meinem wahren Kern,meiner Essenz, meinem Sat Nam, komme, dann gehe ich vomTun ins Sein, ich gebe mich dem Fluss des Lebens hin und ver-traue darauf, dass alles genau so kommt, wie es richtig ist. Dannbin ich ein Instrument Gottes und wei, er wird mich perfekt imSinne des groen Ganzen einsetzen. Dann kann ich entspannen.In dem Moment komme ich, um es mit den Worten von ShantiShanti Kaur zu sagen, vom Prana und nicht vom Adrenalin then you are pranaing, not pushing from Adrenalin. In unserersehr schnelllebigen Welt, die geprgt ist von einer stetigen Be-schleunigung der Energien und Erhhung der Frequenzen, vondauerndem Informationsfluss und stndiger Erreichbarkeit, istes wichtig, bewusst zu entscheiden, wofr ich mein kostbaresPrana nutzen und mit wem ich es teilen mchte. Wenn du dirdiese Frage zu Herzen nimmst, kannst du Zeitdruck wie vonselbst vermeiden, da du viele Dinge gar nicht mehr whlen wirst,die dein Prana nicht verdient haben. So entschleunigst du aufnatrliche Art und Weise im Einklang mit deiner Essenz undhast genug Zeit fr die Dinge, die dir wirklich wesentlich sind. Kundalini Yoga gibt dir kraftvolle Instrumente an die Hand, umdich mit deinem Wahren Selbst und deiner Seele zu verbinden.Wenn du dein Leben aus dieser Verbindung heraus fhrst, lebstdu ber die Grenzen von Zeit und Raum hinaus. Dann kennstdu deinen Weg und kannst ihn frei von Angst und Zeitdruckgehen. Dann kommst du aus deiner Mitte heraus und lsst dieDinge zu dir kommen.

    ber die Grenzen von Raum und Zeit hinaus leben

    Unter Zeitdruck Von Bibi Nanaki Kaur Wiechmann

    Turn your mind to the Universal mind and let thingscome with ease." - Richte deinen Geist auf den Universellen Geist hin aus und lasse die Dinge inLeichtigkeit zu dir kommen. Yogi Bhajan

  • Kundalini Yoga Journal / 13

    Als ich vor nunmehr zwlf Jahren den Mut auf-brachte und eine Kundalini Yoga Mnner-gruppe besuchte, htte ich die Grnde frdiesen Schritt nur vage benennen knnen:Der Wunsch nach innerer Ruhe und emo-tionaler Ausgeglichenheit, mehr Gesund-heit und Beweglichkeit, das Annehmeneiner Herausforderung usw. dass Yogaeinmal elementarer Bestandteil meines Le-bens werden wrde, htte ich nicht gedacht.Eher introvertierter Kopfmensch, habe ichmich als Individuum und gleichzeitig als festin der Gruppe mit anderen verbunden wahrge-nommen und meine eigene Lebendigkeit gesprt.Diese Erfahrungen haben mich veranlasst, tiefer ein-zutauchen und im Jahr 2011 bei Satya Singh in Hamburgdie Stufe 1 und im Anschluss daran die Stufe 2 der Yogalehrer-Ausbildung zu absolvieren. Seit 2012 unterrichte ich neben mei-nem Vollzeit-Beruf regelmig wchentlich mehrere Gruppenund erlebe dies als Herausforderung und Kraftquelle zugleich. Wie fr die meisten anderen auch wurde Kundalini Yoga frmich in der Ausbildungsphase zunehmend zum Lebensmittel-punkt. Einigen offenbart sich hier ihre Berufung, ihre Bestim-mung. Die Vision, durch freibestimmte Ttigkeit als Yogalehreruneingeschrnkt die eigene Intuition zu leben und zugleich denLebensunterhalt abzusichern, ist geradezu phnomenal. DerSchritt, sich diesen Traum zu erfllen und die Brcken zumalten Beruf abzubrechen, um sich voll und ganz dem Unterrich-ten hinzugeben, ist zweifelsohne mutig, konsequent und nach-vollziehbar. Er schliet neben dem Vertrauen auf sich selbst unddie eigene Intuition das groe Ur-Vertrauen mit ein, dass dasUniversum alles Notwendige fr dich bereithalten wird.

    Wertschtzung eines Berufes, der materiell unabhngig macht

    Bei mir liegen die Dinge - zumindest derzeit - anders, weil ichgar nicht eindeutig benennen kann, was denn meine Berufungist, wofr ich mit jeder Faser meines Herzens tief aus meinemInneren heraus brenne. Ich wei dies: Ich wertschtze meinenBeruf. Ich bin Landesprfer im niederschsischen Sozialminis-terium und mit der Prfung der Geschfts- und Betriebsfh-rung bei Krperschaften des ffentlichen Rechts, vornehmlichKrankenkassen, betraut (Das hrt sich aber echt spieig undunlustig an, mgen jetzt einige denken). Meine Arbeit bietetmir materielle Unabhngigkeit und befreit mich von Existenz-ngsten - unabhngig von konjunkturellen Schwankungen oderkrankheitsbedingten Arbeitsausfllen erhalte ich regelmigmeinen Verdienst. Die finanziellen Mittel aus meinem Brotjobhaben mir meine Yogalehrer-Ausbildung ermglicht. Hierfrbin ich dankbar.Und ich wei dies: Kundalini Yoga ist fest in meinem Leben in-tegriert. Durch das Yoga, meine Ausbildung, tgliches Sadhana,meinen Unterricht und die Verbindung zu anderen Yogalehrernund schlern habe ich einen tieferen Zugang zu mir selbst er-halten, bin offener und aufmerksamer geworden. Ich kann denAugenblick, das Hier und Jetzt, besser wahr- und annehmen.Das konnte ich frher nicht. Dieses Bewusstsein hat dazu ge-fhrt, mir die Augen fr die positiven Dinge in meinem Lebenzu ffnen. In meinem Beruf sind dies die Begegnungen mitMenschen in unterschiedlichsten Verantwortungs- und Aufga-benbereichen sowie die Mglichkeit, meine Ttigkeit weitestge-hend eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu gestalten. Ich

    bin grundstzlich zufrieden mit dem,was ich tue und wei meine Freiheitenzu schtzen, ohne meine eigene Be-deutung, bzw. die Bedeutung dessen,was ich mache, zu berschtzen.Und ich bin der berzeugung, dassviele Menschen ebenso in ihren tg-lichen Verrichtungen, so profan unduninspirierend diese erscheinenmgen, durchaus mehr positive As-pekte und Chancen erkennen knn-ten, wenn sie einen offeneren Blickzulassen wrden.

    Energie und Lebensfreude, gepaart mitDisziplin und Verbindlichkeit

    Dharma Singh sagte uns in der Ausbildung zum Thema Beru-fung: Deine Bestimmung muss keine groe Sache sein, son-dern kann sich ebenso in kleinen, alltglichen Dingen uern.Du kannst deine Bestimmung leben, wenn du deinen Alltag mitbesonderen Qualitten anreicherst, wenn du dem, was du ge-rade tust, eine besondere Qualitt gibst. Das trifft es meinesErachtens vollkommen. Beides, mein Brotjob und mein Yogaergnzen sich und stehen nicht in Konkurrenz zueinander oderschlieen sich gar gegenseitig aus. Ich kann die Energie und Le-bensfreude aus dem Yoga in meinen Alltag integrieren und er-fahre umgekehrt, dass die mir vertraute Disziplin undVerbindlichkeit aus meinem Berufsleben Durchhaltevermgenfr meine tgliche bungs-Praxis beschert. Ich versuche, meineKraft und Aufmerksamkeit nicht nur auf das Yoga zu konzen-trieren, sondern mchte diese Qualitten auf smtliche Facettenmeines Lebens ausdehnen, privat wie beruflich. Diese Lebens-nhe und Praxistauglichkeit sind fr mich das eigentliche Ge-schenk. Der Begriff Yoga steht fr das miteinanderVerbindende - da bleibt fr Trennung, Abgrenzung und Polari-sierung kein Platz.

    Zunehmend im Hier und Jetzt verankert

    Und wie sieht es jetzt mit dem Zeitdruck aus? Natrlich bean-spruchen Yoga-Ausbildung, Unterrichten und Sadhana reinquantitativ bemessen Zeit, die vorher anderen Dingen vorbehal-ten war. Bei mir waren diese anderen Dinge u. a. lngeres Schla-fen und, mal ganz undifferenziert ausgedrckt, Zeit unbewusstund ungenutzt verstreichen zu lassen. Erstes Phnomen kannich durch konsequentes Frher-zu-Bett-gehen kompensierenund zweites durch meine Yoga-Praxis selbst. Dadurch, dass ichzunehmend mehr im Hier und Jetzt verankert bin und neue Er-fahrungen zulasse, koste ich meine Tage bewusster und inten-siver aus als jemals zuvor, entscheide mich bewusst dafr, etwaszu tun oder auch nicht und vergeude weniger Zeit. Das sollnicht heien - so viel Ehrlichkeit muss sein -, dass ich nicht hinund wieder zu spt ins Bett und morgens zu spt aus selbigemheraus komme, tagsber in kopflose Hetze verfalle, familireund partnerschaftliche Angelegenheiten vernachlssige, ausAngst, zu spt zum abendlichen Yoga-Termin zu erscheinen,unter hchst individueller Auslegung der Straenverkehrsord-nung im Auftrag des Herrn unterwegs bin usw..Aber so paradox es auch klingen mag - unterm Strich gilt dies:Durch die zeitliche Investition ins Yoga schenke ich mir ein Plusan qualitativ hochwertiger, freudvoller Zeit. Und dies beziehtsmtliche Komponenten und Beziehungen in meinem Lebenmit ein. Hierber freue ich mich. Sat Nam.

    Im Zeitdruck zwischen zwei Berufen?

    Yoga schenkt mir ein Plus an freudvoller ZeitVon Siri Vias Singh Bernd Wichmann

  • 14 / Kundalini Yoga Journal

    Ich freue mich, dass die Redaktion michgebeten hat, diesen Artikel zu schreiben,und ich freue mich ber das Thema.Zeitdruck war einer der Grnde, warumich mich mit den Jahren immer mehrzum Yoga hingezogen gefhlt habe, under spielte auch eine Rolle bei meiner Ent-wicklung als Lehrerin. Zeitdruck habeich oft gesprt. Ich denke, wir wissen alleaus unserem tglichen Leben, wieschwierig es manchmal ist, spirituellesWachstum mit den Erfordernissen desAlltags zu vereinbaren.

    Als ich mit Yoga begann, war dies frmich ein Gegengewicht zum Stress inmeinem Job als Stylistin und Kostm-Designerin. Typisch dafr sind sehr vielArbeit, oft bis tief in die Nacht, die Un-berechenbarkeit des Freiberuflerdaseinsund der kreative Druck, Stimmungen inKleidung auszudrcken. Das Statement,dass du nur so gut bist wie dein letzterJob, trifft auf die Modewelt zu. Beruflichum die Welt zu reisen ist natrlich einPrivileg, und ich bin dankbar dafr, dassmeine Arbeit mich nach Neuseeland, Ita-lien oder Alaska gefhrt hat und michmit so unterschiedlichen Menschen zu-sammenbringt. Es bedeutet aber auch,dass ich in anderen Zeitzonen arbeite,bevor sich meine innere Uhr umgestellthat, und dass ich auf chaotischen Flug-hfen Berge von Gepck im Auge behal-ten muss, in dem die Ausstattung frFilmproduktionen steckt. Durch meineArbeit lerne ich Leute kennen, die andersdenken, essen, sprechen und arbeiten alsich. Zeit war schon immer knapp in die-ser Welt, aber mit Hilfe von Internet undSmartphones wird heute jede freie Se-kunde aus den Produktionsplnen he-raus organisiert.

    Die kreative Vision unter Druck bewahren

    Der Job ist also stressig, und er erfordertes, unter Druck die Ruhe zu bewahren.Jeder Beruf, der unsere Kreativitt bean-sprucht, greift auch in unser Ego ein.Zum Job der Stylistin gehrt es, einekreative Vision zu haben und mit ande-ren kreativen Leuten zusammenzuarbei-ten, ohne diese Vision aufzugeben. Daskann zu ziemlichen Spannungen fhren.

    Yoga war fr mich ein Rckzugsort ineiner immer schnelleren Welt. Ein Ort,wo ich in Ruhe und Frieden zu mir selbst

    Dem Zeitdruck im Berufbegegnen

    Brot backen - und Brot essenVon Anna Tejpal Kaur Klein

    In die helle Weite kommen

    Raum, Zeit und JapjiVon Cornelia Meherpal Kaur Brammen

    Einen maximal verengten Raum und das Klirren zerschellender Zeit kann ichkrperlich spren, wenn ich meine Kinder anschreie. Als zge sich das Univer-sum blitzartig um uns zusammen, das Herz verschliet sich, die Atmung wirdflach oder womglich paradox, Dunkelheit breitet sich aus. Genau das Gegenteilerleben wir, wenn wir im yogischen Sinne nicht reagieren, aus einem offenenHerzen heraus in einen sich weitenden Raum spren, in dem alles mglich ist.Auch, zu lcheln, wenn der 16jhrige sich altersgem ruppig, selbstschtzendund freiheitshungrig verhlt. Nichts zusagen, sondern darauf zu vertrauen,dass schon alles seinen Gang gehenwird. Dann vollzieht sich Wachstum,und unser System kann die Informationaufnehmen, dass Raum und Zeit vonuns gestaltet werden knnen.

    Raum und Zeit knnen sich dehnen

    Wie Raum und Zeit sich zueinander ver-halten knnten, hat mir der Physikun-terricht in der Schule leider nichtvermittelt. Wie machtvoll die Gesetzevon Masse, Weg und Zeit in unsererWelt wirken, wie groartig das Gesetzder Thermodynamik Energie gehtnicht verloren ist. Eine Ahnung davonhabe ich manchmal im Philosophiestu-dium erhascht. Wenn Einstein und dieQuantenphysik im Zusammenhang mitErkenntnistheorie ins Spiel kamen.Dass die Zeit mal schneller und mallangsamer vergeht, wir mal mitten in einem Raum voller Mglichkeiten stehenund mal das Gefhl haben, herausgekullert zu sein, kennt sicher jeder. Dass sichRaum und Zeit tatschlich dehnen knnen, ist eine Erfahrung, die uns eine re-gelmige Meditationspraxis schenken kann. hnliches hat sich mir gezeigt,wenn ich in Momenten groer Hilflosigkeit gebetet habe, in der katholischenTradition. Um Kraft, um Einsicht, um die richtige Entscheidung. In diesem Gott-vertrauen, das im Kern Verbindung mit etwas Grerem als uns selbst ist, warich bei mir und gleichzeitig verbunden. Und pltzlich weitete sich der Raum wie-der, den Zweifel, ngste, berforderung vorher zusammengedrckt hatten.

    Heute kenne ich genau den Unterschied zwischen Tagen, an denen ich morgensdas Japji gebetet habe und solchen ohne. Meine Kollegen kennen den Unter-schied auch. Mit der Entscheidung, 16 Minuten frher aufzustehen ja, es istein sehr schnelles Japji -, entscheide ich mich gegen Hetze, in-den-Tag-Stolpernund zu-wenig-Zeit-haben. Whrend ich die Worte spreche, spre ich oft den Tagmit seinen Anforderungen drngeln. Lasse ich zu, dass sich einer dieser Alltags-Gedanken zwischen die Gurmukhi-Zeilen quetscht, verspreche ich mich sofortund verliere die Verbindung. Indem ich vollstndig im Japji bleibe, stemme ichmich gegen die Zeit und schaffe den Raum, in dem ich bin. Sat Nam. Danachverluft der gesamte weitere Tag ruhiger, ich schaffe viel mehr, ohne atemlosoder von dem Gefhl getrieben zu sein, nicht alles auf die Kette zu bekommen.Alles ist, wie es ist. Es ist hell, fr alles ist Zeit und der Raum ist voller Mglich-keiten. Das gleiche erleben die Kollegen, die einmal in der Woche Yoga in derMittagspause bei uns im Verlag machen. Und alle, die zweimal am Tag elf Mi-nuten mit ihrem Lieblingsmantra entspannen. Das Schnste daran: Unsere Fa-milie und Kollegen nehmen wir mit in diese helle Weite. Nicht zu beschreiben,was mglich ist, wenn wir jeden Tag Sadhana machen. Wahe Guru.

    16 Minuten Japji am Morgen helfen Cornelia gegen den Druck der Zeit

  • Kundalini Yoga Journal / 15

    fand und meine Batterie wieder aufladenkonnte. Hier entwickelte ich die Strate-gien, um mit den Egos um mich herumzurechtzukommen und meinem eige-nen. Es war, als htte ich zwei Leben:Mein Arbeitsleben und mein Yogaleben.Die Anspannung in dem einen brauchtedie Entspannung im anderen, damit ichin Balance war.

    Doch je mehr Zeit und Energie ich frYoga aufwandte, desto deutlicher sprteich eine Perspektivlosigkeit in meinemBeruf er fhlte sich oberflchlich undhohl an. Ich entdeckte Sinn an andererStelle und gleichzeitig machte ich mir Ge-danken, was ich tun sollte, um mir meineLebendigkeit zu bewahren. Ich wei, dassdies nur die zwei Seiten einer Medaillesind, aber wenn ich auf der einen Seitestand, fand ich es schwierig, mir die an-dere vorzustellen.Es hat einige Zeit gedauert, bis ich er-kannte, dass diese zwei Seiten meines Le-bens einander nicht ausschlossen. Ichhabe keine zwei Leben, sondern eines.Wenn ich aus meiner spirituellen Erfah-rung wirklich etwas gelernt hatte, mussteich Dinge aus meiner Yogawelt in meineJobwelt einfhren gesunde Ernhrung,Krperbungen, ausreichend Schlaf undeine gesunde Einstellung mir selbst undanderen gegenber. Das war ein wichtigerSchritt, und ich versuche, mir dessenauch weiterhin bewusst zu sein.

    Entwicklung der eigenenYoga-Kollektion nahbi

    Ich habe also mein Yoga in meine Arbeits-welt aufgenommen, und jetzt bringe ichmit der Yoga-Kollektion nahbi meineArbeit in mein Yoga ein. Ich habe Teileentworfen, die auf meine Bedrfnisse zu-geschnitten sind, darunter einen Grtel,um die Krpermitte zu untersttzen, undHosen mit berlangen Beinen, die manwhrend der Entspannung ber die Feziehen kann.

    Der Arbeitstitel dieses Artikels lautete zu-nchst Yogalehrer unter Zeitdruck - zwi-schen Brotjob und Berufung. Ich habeim Lauf der Jahre gemerkt, dass ich einProblem mit dem Wort zwischen habe.Es lsst mich Unterschiedlichkeit fhlen,Polaritt, Unausgeglichenheit. Mir istklar geworden, dass es nicht mein Ziel ist,zwischen Job und Yoga zurecht zukommen, sondern dass ich das eine in dasandere integrieren will. Alles, was ich tue,enthlt mein Yoga: Vom Aufstehen berdas Einkaufen und Designen bis zurBuchfhrung. Ich versuche, die Verbin-dung zu meinem Partner liebevoll undgesund und meine Gedanken klar undmitfhlend zu erhalten.

    Es ist schn, von Freunden und Kollegenumgeben zu sein. Es ist andererseits be-ruhigend, eine spirituelle Gemeinschaft

    mit jemandem zu haben, mit dem manreden und Erfahrungen austauschenkann, aber das kann dazu fhren, dassman auf einer Insel lebt, auf der nur dieeine Seite des Lebens stattfindet. Ichsuche beides. Brot backen ist genausowichtig wie Brot essen, und ich arbeitedarauf hin, dass Brotjob und Berufungbei mir eines werden.Statt an die zwei Seiten einer Mnze,zwischen denen ich whlen kann, stelleich mir jetzt lieber einen Teig vor, in demalle Zutaten wichtig sind, damit das Brotschmeckt und mich satt macht. OhneZeitdruck.

    Anna Klein (51) stattete zunchst Dar-steller in Theater- und Opernauffh-rungen aus. Heute arbeitet sie frWerbefilmproduktionen, bert TV-Jour-nalisten und Knstler. Seit 1995 machtsie Yoga, seit 2010 ist sie Yogalehrerin.

    Nimm dir Zeit, herauszufinden, was du zu geben hastVon Stefanie Atmaroop Kaur Legeland

    Das Thema ZEIT wird immer aktueller.Das beginnende Wassermannzeitalterbringt scheinbar viele zum Rasen, Aus-rasten und in Wut und Trauer. Eskommt die Zeit, da die Menschheit inihre Bewusstheit kommt. Folgende Stzesind alltglich, entweder gesprochenoder gehrt:

    Die Zeit luft mir davon.Zeit ist Geld.

    Jetzt ist keine Zeit dafr.Wo ist die Zeit geblieben?

    Die Zeit wird unntz vergeudet.Das Zeitkonto ist leer.

    Mein Zeitfenster ist zu klein.Ich habe einfach keine Zeit!

    Krankheit, Depression und Burnoutzeugen davon, dass Menschen keine

    Meine yogische Berufung

    Foto: Judith Bader

  • 16 / Kundalini Yoga Journal

    Zeit fr sich haben. Auch ich erfahre inmeinen Kursen, dass fr Yoga keineZeit ist. Schade, denn erst wenn derMensch krank ist, wird er gezwungen,sich Zeit fr sich zu nehmen.

    Kein Mensch ist schwach, aber einige sind entspannt.

    Kundalini Yoga setzt genau hier an. Esholt uns in unserer Zeit- und Rastlosig-keit ab. Und zwar genau dort, wo wir ge-rade stehen! Kundalini Yoga wirkt nichtnur prventiv, sondern auch unterstt-zend heilend. Dies ist inzwischen wissen-schaftlich nachgewiesen. Kundalini Yogaist das Bindeglied zwischen dem, was wirgerade von uns wahrnehmen und unse-rem ganzen (wahren) Potenzial. Wir sindeingeladen, uns ein wenig Zeit zu neh-men und unseren Krper in der Bewe-gung zu spren. Es gibt zwei Unter-sttzer: unseren Atem und gesprocheneoder im Stillen wiederholte Mantras. DerAtem trgt uns durch die Zeit und dasMantra verwandelt Negativitt in Positi-vitt. Fr diesen Moment des bens wirddas Gedankenkarussell gestoppt dieVerbindung findet statt. Yogi Bhajan sagthierzu: Erwache fr die Wunder des Le-bens. Ein sehr erhebendes Gefhl, wel-ches uns einldt, beim nchsten Maletwas lnger dabei zu bleiben. Die Zeit,die wir investieren, bekommen wir viel-fach zurck. Und auf einmal ist wiedermehr Zeit da, so dass diese Affirmationenpassen:

    Ich gehe mit meiner Zeit.Zeit ist Energie, mit Yoga sanft

    in Fluss gebracht.Ich bin bewusst in meiner Zeit.

    Meine Entscheidungen treffe ich bewusst so habe ich mehr Zeit.

    Auf meinem Zeitkonto ist Flle.Mein Zeitfenster erweitert sich.Ich fliee mit dem Strom der Zeit.

    Das Leben ist ein phantastischer Tanz.

    Ich verbringe inzwischen viel Zeit mitKundalini Yoga. Seit 2011 unterrichte icham unteren Niederrhein in Hammin-keln-Wertherbruch auf dem plattenLand. Es freut mich, dass sich immerMenschen Zeit nehmen, Yoga lieben zulernen. Fr mich ist Kundalini Yoga nichtnur Beruf, sondern Berufung und Erfl-lung. Jede Stunde bereite ich bewusst vor:Was ist heute angesagt? In der Vergan-genheit habe ich manchmal schnebungsreihen zu bestimmten Themennicht sofort gemacht, sondern wollte sieaufschieben, weil ich fr den Tag etwasanderes geplant hatte. Merkwrdiger-weise kam ich dann zum neuen Zeit-punkt nicht in meine Energie fr diesespezielle bungsreihe. Dadurch habe ichgelernt, dass HEUTE wichtig ist und ichin dem Moment der Vorbereitung inmeine volle Kraft komme, wenn ich dasgeben kann, was die Zeit heute erfordert.Ein wunderbares Gefhl.

    Geh mit aufrechtem Gang.

    In diesen Wochen befinde ich mich in derBreathwalk-Anleiter-Ausbildung. Breath-walk, das bewusste Gehen mit gezieltemAtem, ist eine einfache Technik der Ver-bindung. Sie fhrt dich je nach Wunsch in die Entspannung, oder gibt dir denntigen Kick fr deine nchste Heraus-forderung, schenkt Klarheit und Konzen-tration, genauso wie sie hilft, dieNahrung (physisch wie emotional) zuverdauen. Fr mich bedeutet dies aktuell:

    Jeden Morgen Breathwalk an der frischenLuft. In dieser Zeit habe ich meine Yoga-matte eingetauscht gegen die Bewegungin den neuen Tag. Hierfr habe ich mirein festes Zeitfenster eingerumt, dennwie beim Kundalini Yoga auch, so kannauch Breathwalk mir nur dienen, wennich es auch mache.

    Geniee jeden Moment. Sei nichtSklave der Zeit.

    Auf meiner Lieblingsinsel Juist geht allesetwas langsamer. Immer den Gezeitenausgeliefert, werden Plne auch malber den Haufen geworfen. Selbst dasAn- und Abreisen ist zeitabhngig. DieInsel wird von ihren Bewohnern liebevollTwerland (Zauberland) genannt. DieserZauber hat mich gleich beim allererstenBesuch eingefangen. Die Insel und dasLeben dort sind fr mich im Fluss.

    Kundalini Yoga dort zu machen, hat einebesondere Qualitt. Denn hier ersprenwir uns inmitten des Groen Ganzen,lassen uns von Sonne, Wind und den Ge-zeiten leiten, entspannen und entschleu-nigen dabei von ganz allein und es flltleicht, auch mal fnf gerade sein zu las-sen. Sptestens nach drei Tagen hast dujeden Fleck der Insel erkundet und stellstdir die Frage: Und nun? Prima! Wie wrees mit Nichtstun, einfach zu sein? Nir-gendwo sonst habe ich so ein intensivesGefhl der Verbundenheit.

    Stefanie Atmaroop Kaur Legeland unterrichtet Yoga auf dem Mattenshofund auch auf Juist. Unter www.yoga-hamminkeln.de fin-den sich die nchsten Termine.

    Auf dem Weg sein, den Pfad zu finden, derunserer Seele gehrt, ist fr mich die in-tensivste und wunderbarste Erfahrungunseres Lebens. Ein Gefhl von Ruhe undSeligkeit umgibt mich, wie eine mage-schneidertes Gewand.Gewiss, zwischen die Falten knnte etwaseindringen: eine Strung, verborgen, un-

    sichtbar, bis dahin unverdchtig. Einekleine Krume ist genau dorthin, zwischendie Falten geraten. Fr einige Zeit merkstdu es nicht. Langsam fngst du an, ein Ge-fhl, das an eine Strung erinnert, wahr-zunehmen. Aber woher kommt es? Dannstehst du auf, nimmst eine eiskalte Du-sche und fhlst dich wieder wie ein Lwe.

    Das Gefhl der Strung ist wie weggebla-sen. Es erfolgen Ruhe und Freude durchYoga, zusammen mit einer Erweiterungdes Bewusstseins, whrend du dich durchdas Guckloch, besser als drittes Auge be-kannt, selbst anschaust. Was fr eineFreude am inneren Wachstum!Du gibst nicht auf, weil du weit, dass es

    Existenz als mageschneidertes Gewand

    Die Suche nach Glck jenseits der ZeitVon Savitri Kaur Olivieri

  • Kundalini Yoga Journal / 17

    in Wirklichkeit nichts Besseres gibt als dasGlck. Und so entdeckst du, was diesesWort bedeutet, welches allzu oft abstraktbleibt. Dabei geht es um sehr konkreteDinge: Du magst etwas, weil du dichliebst. Oder aber du liebst dich nicht unddamit basta. Aber du tust etwas dafr.

    Das Leben ist eine Welle

    Das Leben ist eine Welle, wie uns YogiBhajan gelehrt hat. Wenn du sie reitest,entdeckst du die wahre Bedeutung desGlcks: eine tiefe Ruhe auch im Wirbel derunverstndlichen Dinge des Lebens. Umzu dir selbst zu gelangen, musst du durchdas durch, was du nicht bist, und was dunicht bist, tut weh - und der Schmerz bistnicht du. Aber du schaffst die Welle undnimmst auch gleich die nchste. Die Strung, die du sprst, entmutigtdich nicht, sondern beginnt dir weh zutun, und wenn es beginnt weh zu tun,macht sie sich bemerkbar. Aber jetztfngst du an, sie zu sehen. Sagt man nicht normalerweise, dass dieZeit kostbar ist? Die Zeit ist kostbar, weildu kostbar bist. Darum nimmst du dir dieZeit, zu meditieren und jedes Mal wiedergeboren zu werden. Der Schmerz wird ab-nehmen, langsam aber merklich.

    Nach dem Italienisch-Unterricht schwin-ge ich mich auf mein Rad und fahre zumYoga. Ich unterrichte erst Italienisch unddann Yoga. Manchmal umgekehrt. Zwi-schen einer Lektion und der anderen blei-ben 30 Minuten, um zu verstehen, dass dieZeit nicht nur das ist, was ich mache, aberwie ich es mache. Die Art und Weise, wiedu dich mit dir selbst und dem Leben kon-frontierst, ist eine spirituelle Sache - undselbst Yoga verliert seinen spirituellenCharakter, wenn du nicht lernst, auf derWelle zu bleiben. Das Sadhana ist die tg-liche Arbeit, wie Sri Aurobindo mich ge-lehrt hat. Die Welle zu reiten und ausSadhana dein Leben zu machen bedeutet,Mitgefhl zu haben, vor allem sich selbstgegenber. Sich selbst ganz zu umarmen,die eigene innere Zeit zuzulassen und eineBrcke zu der ueren Zeit zu schlagen -auch der anderen Bedrfnisse wegen.

    Zeit und Raum sind untrennbar

    Was fr eine Freude, eine Welle wachsenzu sehen, ohne die Angst zu haben, fallenzu mssen. Aufhren, sich selbst zu be-werten, sich mit den anderen zu verglei-chen, den eigenen Mut mit Energie zufttern, und auf die nchste Welle aufzu-springen, weil wir wissen, dass wir in die-sem Moment genau diese Welle brauchen.Weil Zeit und Raum untrennbar sind. DieUnendlichkeit ist fr immer. Und wenndu in der Gegenwart und in der Endlich-keit mit Liebe dir selbst und der Welt ge-genber handelst, machst du einGeschenk an deine Unendlichkeit frimmer, weil sie es nicht vergisst. GuruRam Das hat uns gezeigt, dass das Mitge-fhl Teil der Seele ist, dieses unendlichen

    und wunderbaren Raums und fr immer. Wenn du das verstehst, verschwindet dasLeiden zusammen mit der Strung, undzwischen den Falten deiner mageschnei-dertes Gewandes bleibt nichts als einestndige und sichtbare Bewegung, leichtwie eine Frhlingsbrise. Die Zeit wird sodie Erweiterung unseres Bewusstseins,nichts anderes. Und einfach so, ohne Er-wartungen, kommen die gttlichen Ge-

    schenke an: deine Tage nehmen eineandere Form und Struktur, das Geld fin-det woanders seine Quelle, deine Weltgrndet sich neu. Ohne sich anzuhalten.Fr immer.

    Zeit, sich neu zu erschaffen

    Dein Rhythmus bedrngt die Zeit, verfolgtdas Flieen deiner Energie, und du bistfrei, dich kostbareren Aufgaben zu wid-men. Der Gott in dir entscheidet, kein an-derer. Der Italienisch-Unterricht lst sichlangsam auf, von alleine, wie durch einWunder. Jetzt gehst du fort, egal was pas-siert. Jetzt kannst du nicht mehr zurck-kehren, weil etwas Kostbares fr dichangekommen ist. Jetzt musst du Ihn, denGott in dir, handeln lassen, weil du und Ereine Sache seid. Als ich jung war, schriebich in mein Tagebuch Ich erschaffe michselbst. Eben, die Zeit ist, sich wieder neuzu erschaffen, wieder geboren zu werden,wieder dorthin zurck zu kehren, woherdu kommst, um hier zu sein, um wirklichzu sein, wer du bist. Die Zeit besteht ausdiesem lang andauernden und tiefreichen-den Prozess. Manchmal ist die Zeit Diszi-plin, ein anderes Mal ist sie Pflicht, aberwenn du die Welle reitest und konzen-triert bleibst, dann bist du bereit fr dienchste Welle, und nur dann wird die Zeitzu deiner eigenen. Es existiert dann nichtsmehr wie Ich mag es oder Ich mag esnicht, stattdessen bemerkst du dienchste Welle, du erschaffst sie.Die Zeit ist auch Geduld, weil die Zeit Vor-bereitung ist, und Vorbereitung verlangtGeduld und Konzentration. Die Zeit istVernderung, ist ein Fluss, der sich immermehr nhrt an dem was du bist: Wie derWind deine Kleidung modelliert, jedenTag, formt die Zeit das, was dich einmaligmacht, und macht genau das sichtbar.

    So wird die Zeit zeitlos, existiert einfachnicht mehr, wenn deine Energie ohne Hin-dernisse fliet. Die Zeit verliert ihre Be-deutung, weil es nicht die Zeit ist, welchedie Dinge transformiert: Du entscheidestund bist dir bewusst, dich mit bestimmtenDinge zu konfrontieren, du berholst dieZeit. Du annullierst die Zeit, wenn du nurdie Gegenwart erkennst, weil du die Ge-genwart bist, egal wo du bist, egal was du

    gerade machst. Man regeneriert sich indem Moment des Mitgefhls sich selbstgegenber, wenn man sich selbst akzep-tiert, wie man ist, wenn man die Tage nachden eigenen Bedrfnissen strukturiert,aber immer bereit ist, auf die Vernderungeinzugehen.

    Zeit ist eine Illusion

    In unserer Gesellschaft ist es nicht unbe-dingt leicht, sich anders mit der Zeit zukonfrontieren. Die Normalitt ist, sicheinen Platz auf dieser Erde zu reservieren,und zu erklren seit wann, wie langeoder bis wann du etwas machst - undder Zeit eine Bedeutung zu geben, dienicht immer trgt. Die Zeit wird Heraus-forderung des Egos.

    Daher ist die Zeit auf der einen Seite derKumpel des Lebens und Strategie, auf deranderen eine groe Illusion. Auf der einenSeite liegen in der Zeit die Geduld, dieKonzentration, die Vernderung, dieStruktur unserer Tage. Aber auf der ande-ren Seite birgt die Zeit das Risiko des War-tens und dass wir, indem wir unsereWnsche und Hoffnungen der Vernde-rung anvertrauen, uns selbst aus denAugen verlieren und damit auch unsereKonzentration. Aber wenn du dich fin-dest, lebst du dich selbst einzig in der Ent-wicklung dessen, was in der Gegenwart istund was fr immer ist. Und nur in deinerBewegungslosigkeit wirst du verstehen,dass die Zeit nicht existiert.

  • 18 / Kundalini Yoga Journal

    Nein, so ist es nicht. Damals, Mitte der70er Jahre, war es sicher ungewhnlich,mit zwei Telefonhrern gleichzeitig zu te-lefonieren, wie Yogi Bhajan es auf demFoto tut - heute ist es auch noch so. An-ders ist heute, dass sich die Technologienzwischenzeitlich verndert haben, dennTelefone gibt es weiterhin, nur kleinerund feiner in Form von Smartphones.Neue Kommunikationsmglichkeitengibt es jetzt zu Hauf, per Whatsapp, viaInternet ber Facebook, Twitter undsonst wie kann in (virtuellen) Kontakt ge-gangen werden, Tendenz steigend. Heut-zutage machen wir vieles gleichzeitig undmglichst schnell und effektiv.

    Als Wassermann Geborene (sogar nochim Aszendenten) sollte ich eigentlichganz gut mit diesen neuen Technologiendes Wassermannzeitalters klar kommen.Meine Empfindung ist allerdings hufigeine andere. Obwohl ich durchaus inte-ressiert an neuer Technik und ihren Mg-lichkeiten bin, lhmen mich dieseSchnelligkeit (und auch die damit ver-bundenen Vernderungen) und nehmenmir meine Ruhe. Fr mich sind dieseneuen Techniken definitiv Zeit- undEnergieruber. Ehe ich z.B. erst einmal einGert verwenden kann, muss ich entwe-der neue Software installieren, im App-Store einkaufen, Programme down-loaden etc. Erst danach kann ich michmit der vorgesehenen Nutzung beschf-tigen. Und eigentlich wollte ich gerademit einer Freundin telefonieren, einkau-fen gehen oder mich mit meinem Partnerunterhalten reale Dinge. Dabei stelle ichfest, dass mir meine ganz persnlich zurVerfgung stehende Zeit immer kostba-rer wird. Mag es nun daran liegen, dassich lter werde oder mir bewusster wird,dass meine Zeit hier im Diesseits begrenztist. Auf alle Flle habe ich den Wunsch, jadie Erwartung an mein Leben, dass ichvieles erleben und wirklich real sprenmchte. Und das ist sicherlich auch derGrund, weshalb ich mir immer wieder daseinfache Leben schenke, sei es beim Zel-ten in der Natur, in einer Waldhtte ohneLicht und Strom oder im Wohnwagen aufeiner Insel. Hier erhlt die Zeit fr micheine andere Bedeutung. Hier gelange ichnicht in den virtuellen Strom und denDrang, mich melden zu mssen. In diesen

    Momenten kann ich mich ganz und garnur einer Sache widmen - mit all meinenSinnen.

    Ehe du dich versiehst, ist deine Zeit vorbei

    Manche Menschen sagen hufig: Dafrhabe ich keine Zeit. Seltener wird gesagt:Fr nehme ich mir jetzt Zeit. Statt-dessen heit es: Ach, wie die Zeit ver-geht! und Wenn ich mal Zeit habe (oderwenn ich RentnerIn bin), dann mache ichdas und das. Doch ehe du dich versiehst,ist die Zeit dahin und deine Trume ver-strichen. Ich mchte meine Trume hin-gegen jetzt leben und darum versuche ichimmer wieder aufs Neue, mir Ziele zu ste-cken und mir fr ihre Umsetzung Priori-tten zu setzen. Hufig stelle ich mirneuerdings die Frage, was brauche ich,um dieses oder jenes Projekt zu verwirk-lichen. Was oder wer kann mir dabei hel-fen und mich untersttzen? Ein kleinesBeispiel: Vor etwa sechs Jahren hatte ichmir Stoff fr eine Yogahose gekauft,Schnittmuster, Knpfe etc. Im Laufe derJahre war ich immer wieder damit be-schftigt. Es blieb allerdings ein unvollen-detes Projekt, das in meinem Geisteschwirrte, mir Energie raubte und michfrustrierte. Schlielich stellte ich mir eineder oben genannten Fragen und besuchteeinen Nhkurs. Nun ist die Hose fertigund ich bin glcklich.

    Weniger ist mehr

    Glcklich bin ich, wenn ich mir sage we-niger ist mehr und damit gehe ich in dieGelassenheit und Grozgigkeit, mit mirund mit meiner Zeit. Stetig schaue ich:Was nimmt mir Zeit? Und wofr mchteich mir Zeit nehmen? Ich mchte mir Zeitnehmen, mich gesund zu ernhren unddafr gebe ich mir Zeit, zum Wochen-markt zu gehen und mir gute Mahlzeitenzuzubereiten. Ich mchte meine Freundepersnlich sehen, statt via Mail mit ihnenkommunizieren. Und ich trenne michvon meiner Armbanduhr, weil ich michvon ihr beschleunigt fhle, nach demMotto: Wer hat an der Uhr gedreht, istes wirklich schon so spt? Nein, es istnicht zu spt, sondern genau jetzt ist dierichtige Zeit.

    Zeit nehmen, Zeit geben

    Frher war alles besser

    und heute istalles anders? von Diana Gurprasad Kaur Keune

    Umfrage

    Was ist dein bester Tipp, um Zeit zu gewinnen?

    Unsere Antwort lautet:- Sachen konzentriert machen- Ausgeschlafen sein (ausgeruht)- Achtsamkeit- Einen Plan machen (Strukturhaben)

    Liebe Gre von Vanessa Ohm mit Marion und Verena

    Zeit gewinnen am besten durchZeitmanagement, also sich vorherberlegen, was man am nchstenTag macht und einen ungefhrenTagesplan erstellen. Fahrten und Er-ledigungen miteinander kombinie-ren - wie bei einer Spedition alsoLeerfahrten usw. vermeiden undPrioritten setzen - wie kann manetwas miteinander verbinden? Oder:Wie am Bahnhof Pankow, da hatman die Uhrzeiger einer Bahnhofs-uhr abmontiert, um wohl Zeit zusparen, das htten die Berlin vordem BER Bau tun sollen, dann ht-ten sie wohl ihre Termine eingehal-ten

    Sat Nam, Mohammed-Ali Jger

  • Kundalini Yoga Journal / 19

    Interview mit Dharma Singh Arne Raap-Mehl

    In das Zeitlose einzutauchen gibtmir Kraft, imDrama der Zeit zubestehenVon Devinderpal Kaur Manuela Eilers

    Bei manchen Interviews nimmt mandie Qualitt des Themas auf allenEbenen wahr. So geschah es auchwhrend dieses Interviews. BeimThema Zeit war mir schnell klar, dassDharma Singh Arne Raap-Mehl ausFreiburg der ideale Gesprchspartnersein knnte. Dharma Singh ist vielenbekannt als ehemaliges Mitglied des3HO-Vorstandes, als Leadtrainer in Stufe1 und 2 sowie als spiritueller Bestatter. Erhat tagtglich mit dem Thema Zeit und Ver-gnglichkeit zu tun. Doch bis ich in den Genussseiner Zeit kam, war es ein lngerer Weg. Meiner An-frage zum Interview hatte er vor einigen Monaten sofortzugestimmt und es sah so aus, als htte ich wirklich mal Zeitsatt, um ein Interview umzusetzen. Dharma Singh gab mir einZeitfenster vor, doch wir kamen nicht zusammen. W