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Nordlicht Werkstattgespräch
Lean Management im Jobcenter _
Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September 2011
Nordlicht Werkstattgespräch
Lean Management im Jobcenter
_
Dokumentation / Hamburg und Frankfurt am Main, 27. und 28. September
2011
Nordlicht Management Consultants GmbH
Zirkusweg 1 / D-20359 Hamburg
Ihr Ansprechpartner: Tobias Bergmann
Telefon +49 (0)40 / 31 99 35-101
Mobil +49 (0)151 / 21 23 77 88
Nordlicht Werkstattgespräch
Lean Management im Jobcenter
_
Inhalt
1 Vorwort 4
2 Lean Management: Verschwendung eliminieren 5
3 Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite 7
4 Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie
von Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht 8
5 Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern
müssten 9
6 Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung? 11
7 Wie kann Verschwendung vermieden werden? 15
8 Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist? 18
9 Teilnehmer 19
Abbildungen
Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer 4 Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung
eliminieren 5 Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota 8 Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen
Sektor 8 Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter 10 Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten 12 Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die
Hamburger Werkstattgesprächsteilnehmer 13 Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die
Frankfurter Werkstattgesprächsteilnehmer 14 Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen 15 Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der
Werkstattgesprächsteilnehmer 16 1
4
Vorwort
Jobcenter sehen sich zurzeit mit einem scheinbar unvermeidlichen
Paradox konfrontiert: Sie müssen gleichbleibende oder wachsende
Aufgaben mit weniger personellen und finanziellen Ressourcen erledigen.
In den beiden Werkstattgesprächen in Hamburg und Frankfurt haben wir
mit Praktikern diskutiert, inwiefern das Konzept des „Lean Management“
einen Ausweg aus diesem Dilemma liefern kann.
Es gibt bisher wenig Erfahrung mit Lean Management im öffentlichen
Sektor. Dies spiegelt auch die Selbsteinschätzung der Teilnehmer der
Werkstattgespräche wieder. Sie bezeichneten sich größtenteils als „Lean-
Neulinge“ – einen „Lean-Profi“ gibt es vermutlich in keinem deutschen
Jobcenter.
Abbildung 1: Die Selbsteinschätzung der Werkstattgesprächsteilnehmer
Ziel dieser Werkstattgespräche war es festzustellen, ob und wie Lean
Management generell im öffentlichen Sektor und speziell in Jobcentern
angewandt werden kann. Das Werkstattgespräch wurde von Nordlicht
Management Consultants in Zusammenarbeit mit Beratern von inGenics
durchgeführt.
Insgesamt haben 18 Vertreter von Kommunen und Jobcentern aus ganz
Deutschland an den Werkstattgesprächen teilgenommen. Sie sind an den
vorliegenden Ergebnissen maßgeblich beteiligt. Hierfür herzlichen Dank!
Tobias Bergmann / Geschäftsführer
Nordlicht Management Consultants
Wie schätzen Sie Ihre Erfahrung mit Lean Management ein?
Ich bin „Lean Neuling“
Ich bin „Lean Profi
5
2 Lean Management: Verschwendung eliminieren
Lean Management wird oft mit den Begriffen „schlanke“ oder sogar „dürre“
Organisation übersetzt. Daran anknüpfend gibt es leidenschaftliche
konzeptionelle oder auch ideologische Debatten.
Wir wählen einen anderen Zugang: Das Ziel von Lean Management ist die
Eliminierung von Verschwendung. Die Tätigkeiten eines jeden Mitarbeiters
und einer jeden Organisation werden demnach in drei Typen untergliedert:
- Wertschöpfende Tätigkeiten
- Notwendige Nebentätigkeiten
- Verschwendende Tätigkeiten
Es gibt keine Organisation, die keine Verschwendung hat. Es gibt
vermutlich auch keinen Beschäftigten, der nicht auch zum Teil
verschwendenden Tätigkeiten nachgehen muss. Lean Management macht
es sich zur Aufgabe, diese Verschwendungen aufzuspüren und zu
eliminieren. Die freiwerdenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen
können dann für wertschöpfendende Tätigkeiten eingesetzt oder zum
Abbau von Überlastungen / Überstunden genutzt werden.
Abbildung 2: Die Grundlogik von Lean Management – Verschwendung eliminieren
Ver-schwen-dung
Notwendige Nebentätigkeiten
Wert-schöpfung
Tätigkeiten in einem
Jobcenter
Eliminieren
Optimieren
Reduzieren
6
Es ist somit nicht verwegen zu behaupten, dass die
Bundeshaushaltsordnung im § 7 (Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit für Verwaltungshandeln) in diesem Sinne ein Lean
Management von allen deutschen Verwaltungen fordert. Die VV-BHO wird
noch präziser, auch wenn sie den Begriff „Lean Management“ nicht
konkret verwendet: „Das Sparsamkeitsprinzip (Minimalprinzip) verlangt,
ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen.“
7
3 Ein geschichtlicher Überblick – Lean auf einer Seite
Lean Management ist weder eine einzelne Erfindung noch eine kurzfristige
Mode. Stattdessen hat Lean Management eine lange Geschichte und
Tradition, ist aber eng mit der Geschichte von Toyota verbunden. In den
50er Jahren entwickelten Elji Toyoda, Taiichi Ohno und Shigeo Shingo
das „Toyota Production System.“ Toyotas Situation war nach dem Krieg
vor allem von Ressourcenmangel geprägt. Es fehlte an Rohstoffen und
Materialien, funktionierenden Fabriken und vor allem an Personal. Das
„Toyota Production System“ ist, auch wenn es nicht so genannt wurde,
Toyotas Lean Management System, welches Toyota bis heute
weiterentwickelt.
In den 90er Jahren prägten die Ökonomen James P. Womack und Daniel
T. Jones im Rahmen einer Studie am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) erstmals den Begriff „Lean Management.“ In einer
Untersuchung des Internationalen Automobilmarkts stellte sich heraus,
dass Toyota in kürzerer Zeit wesentlich mehr Autos herstellen konnte als
amerikanische Hersteller. Durch diese Studie erst wurde Lean
Management populär und verbreitete sich in der westlichen Welt.
Obwohl der Ursprung von Lean Management ohne Zweifel in der
Automobilindustrie bzw. bei Toyota liegt, hat sich die Idee des Lean
Management aber auch auf andere Industrien verbreitet.
So wurde Lean Management zuerst von anderen verarbeitenden
Industrien adaptiert. Von dort breitet sich die Idee dann weiter auf die
Prozessindustrien aus. Zuletzt findet Lean Management auch im Service-
Sektor immer mehr Anklang. So wird Lean Management bereits in
Banken, Krankenhäusern und Versicherungen aber auch in Hotels,
Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien genutzt. Der Nachweis
wurde erbracht: Lean Management funktioniert nicht nur in japanischen
Automobilunternehmen sondern auch in deutschen Büros.
8
4 Warum Lean Management im öffentlichen Sektor bisher nie von
Bedeutung war – eine Hypothese von Nordlicht
Lean Management hat eine positive Grundlogik: Man eliminiere
Verschwendungen und durch die gesteigerte Effizienz kann bei gleichem
Input der Output gesteigert werden. Dies verhalf Toyota in der
ressourcenknappen Nachkriegszeit dazu, mehr Autos zu produzieren.
Durch die Eliminierung von Verschwendung konnten bei gleichbleibendem
knappem Personal mehr Corolla und Avensis für den japanischen,
amerikanischen und europäischen Markt produziert und verkauft werden.
Abbildung 3: Die Wirkung von Lean Management bei Toyota
Diese Logik funktioniert für den öffentlichen Sektor nicht: Beispielsweise
kann kein Einwohnermeldeamt seinen Output an Reisepässen und
Personalausweisen erhöhen, indem es Verschwendung strategisch
vermeidet. Die kommunalen Grenzen zwischen zwei Dörfern sind hier
unüberwindbare Barrieren, die den Output an Reisepässen unabhängig
von der Produktivität der Einwohnermeldeämter limitieren. Die
Vermeidung von Verschwendung führt in diesem Fall deshalb
gezwungenermaßen zu einem Abbau von Personal. Haben sich Personen
im öffentlichen Dienst Gedanken über Lean Management gemacht, so
waren dies immer Gedanken sich selbst überflüssig zu machen.
Abbildung 4: Das bisherige Wirken von Lean Management im öffentlichen Sektor
Input OutputLean Management⌀
Produktions-ressourcen
Produzierte Autos
Input Output ⌀Lean Management
9
5 Warum Personalräte eigentlich Lean Management fordern müssten
Heute gibt es einige Entwicklungen, die Lean Management gerade in
Jobcentern zwingend notwendig macht.
Viele Jobcenter müssen bereits heute Ressourcen aus dem
Eingliederungstitel in das Verwaltungskostenbudget umschichten. In
Zukunft wird sich diese Problematik verschärfen. Durch das Sparpaket II
der Bundesregierung wird nicht nur der Eingliederungstitel sondern auch
das Verwaltungskostenbudget gekürzt. Jobcenter werden in Zukunft also
weniger Stellen zur Verfügung haben. Durch den sinkenden
Eingliederungstitel wiederum ist es für Jobcenter nicht mehr möglich im
bisherigen Ausmaß Leistungen von Trägern zu beziehen.
Zusätzlich wird es in Zukunft Probleme geben die vorhandenen Stellen
qualifiziert zu besetzen. Während es in der Vergangenheit im öffentlichen
Sektor häufig Stellen mit „kw“-Vermerk (kann wegfallen) gab, so wird es in
Zukunft Stellen mit einem „nb“-Vermerk (nicht besetzt) geben. Gab es in
einer Abteilung früher zehn Stellen wurden dennoch zwölf Mitarbeiter
eingesetzt, da es einen allgemeinen Personalüberhang gab. In naher
Zukunft wird eine Abteilung mit zehn Stellen nur noch mit acht Mitarbeitern
auskommen müssen, da der öffentliche Sektor einer der ersten sein wird,
der unter dem demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu
leiden hat. Einen ersten Vorgeschmack erhalten die Jobcenter bereits
heute bei der Suche nach Experten für Fachverfahren oder dem
psychologischen Dienst.
Neben diesen Reduzierungen des Inputs sehen sich der öffentliche Sektor
und insbesondere die Jobcenter mit einem stetig steigenden Output
konfrontiert. Immer wieder erhalten Jobcenter neue zusätzliche Aufgaben.
Als Beispiele seien an dieser Stelle nur das Bildungs- und Teilhabepaket,
die neue Warmwasserpauschale oder die allgemein steigende Komplexität
der Vermittlung von Leistungsempfängern genannt.
Jobcenter befinden sich also aufgrund externer Einflüsse in einem
Dilemma zwischen sinkendem Input und der Forderung nach steigendem
Output. Diese Situation führt unweigerlich zu einer Erhöhung der
Belastung der Mitarbeiter und / oder einem Absinken der Qualität der
Arbeit.
10
Der einzige Ausweg1 ist die „Vermeidung von Verschwendung.“ Nur wenn
es gelingt die verschwendenden Tätigkeiten zu reduzieren und die
freiwerdenden knappen personellen und finanziellen Ressourcen in
wertschöpfende Tätigkeiten zu investieren, kann Überlastung und
abnehmende Qualität verhindert werden.
Abbildung 5: Das aktuelle Dilemma der Jobcenter
1 Gesamtgesellschaftlich und politisch bietet sich natürlich noch die Alternative mehr Ressourcen in den
öffentlichen Sektor zu investieren. Eine Erhöhung der Staatsquote wird jedoch nicht in den einzelnen
Jobcentern diskutiert und entschieden.
Input Output
11
6 Wie erkennt ein Jobcenter Verschwendung?Lean Management folgt
dem Ideal einer Organisation ohne Verschwendung und optimaler
Wertschöpfung. Dafür ist es unentbehrlich zu wissen, was der Wert ist,
den eine Organisation schafft. Das erste Prinzip von Lean Management ist
deshalb die genaue Spezifikation des Wertes. Toyota stellt dazu die
folgende Frage: Was will der Kunde? Nur das, was der Kunde einer
Organisation nachfragt, ist ein Wert: Wenn ein Auto einen Aschenbecher
hat, der Kunde diesen jedoch nicht wünscht, ist das bereits
Verschwendung.
Bei Jobcentern droht die Frage nach dem Wert für den Kunden schnell auf
den Holzweg zu führen. Jobcenter definieren i.d.R. Leistungsempfänger
als ihre Kunden. Würde sich ein Jobcenter komplett an den Wünschen des
Leistungsempfängers ausrichten, wäre es möglich, dass dieser nur
Leistungen des passiven Bereichs nachfragt (z.B. unkomplizierte
Genehmigung von ALG II und KdU). Dass „Sanktionen“ als
„Kundenwunsch“ gesehen werden, ist eher unwahrscheinlich.
Im Sinne des Lean Management empfehlen wir demnach einen anderen
Begriff. Der „Kunde“ eines Jobcenters ist die Gesellschaft, und in der
konkreten Nachfrage der Gesetzesgeber. Dieser hat im Gegensatz zu den
meisten Käufern von Autos sehr präzise seinen „Kundenwunsch“ bereits
geäußert – und zwar im §1 SGB II:
1. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten
ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen
entspricht.
2. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung
von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit
ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu
beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der
Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.
Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder
Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den
Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise
bestreiten können.
Alles was einen direkten Beitrag hierzu leistet, sind wertschöpfende
Tätigkeiten: Der korrekte Bescheid und die nachhaltige, erfolgreiche
12
Vermittlung – alles andere ist entweder eine notwendige Nebentätigkeit
oder Verschwendung.
Lean Management fordert jetzt von der Organisation alle ihre Tätigkeiten
darauf auszurichten – und zwar perfektionistisch. Lean Management ist
kein temporäres Großprojekt, das nach einer Zeit abgeschlossen ist.
Stattdessen ist es eine Unternehmenskultur, die danach strebt sich
ständig zu verbessern und Perfektion zu erzielen. Dabei werden hunderte
kleiner Schritte in Form von kleineren Verbesserungen unternommen.
Anhand der Spezifikation des Wertes lässt sich nun Verschwendung
feststellen. Das Gegenteil verschwendender Tätigkeiten sind
wertschöpfende Tätigkeiten. Zusätzlich existieren in jeder Organisation
notwendige Nebentätigkeiten (bspw. die Qualifizierung von Mitarbeitern).
Diese Nebentätigkeiten schaffen nicht direkt einen Wert, sind aber
notwendig, damit andere wertschaffende Tätigkeiten durchgeführt werden
können. Nach der Analyse dieser Tätigkeiten gilt es die wertschöpfenden
Tätigkeiten zu optimieren, die notwendigen Nebentätigkeiten zu
reduzieren sowie die verschwendenden Tätigkeiten zu eliminieren. Dabei
sollte immer bei den verschwenden Tätigkeiten begonnen werden, da
diese am offensichtlichsten sind.
Abbildung 6: Die Darstellung der verschiedenen Tätigkeitsarten
Ver-schwen-dung
Notwendige Nebentätigkeiten
Wert-schöpfung
Tätigkeiten in einem
Jobcenter
Eliminieren
Optimieren
Reduzieren
13
Es ist wichtig festzustellen, dass jeder Prozess alle Arten von Tätigkeiten
beinhaltet und dass ebenso jede Stelle oder jeder Mitarbeiter
verschwendende, notwendige und wertschöpfende Tätigkeiten durchführt.
Jeder Prozess muss hierauf einzeln untersucht werden. Betrachtet man
jedoch ein Jobcenter mit einer ganzheitlichen Perspektive, fallen einzelne
Arbeitsbereiche des Jobcenters in verschiedene Tätigkeitskategorien.
Die Unterscheidung in „wertschöpfend“, „notwendig“ und „verschwendend“
ist in der Theorie relativ einfach. In der Praxis steckt der Teufel bei vielen
Fragen im Detail. Die Teilnehmer des Werkstattgesprächs haben deshalb
anhand ihres Arbeitsumfeldes Tätigkeiten den drei Kategorien zugeordnet.
Abbildung 7: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Hamburger Werkstattgesprächsteilnehmer
14
Abbildung 8: Die Einordnung der Jobcenter-Tätigkeiten durch die Frankfurter Werkstattgesprächsteilnehmer
Es bestand sehr schnell Einigkeit darüber, dass Such- und Wartezeiten als
Verschwendung anzusehen sind. Weniger eindeutig sind Tätigkeiten wie
„Dienstbesprechungen“ – sind diese eine notwendige Nebentätigkeit oder
bereits Verschwendung? Hierbei fällt auf, dass häufig nicht die Tätigkeiten
selbst als Verschwendung eingestuft werden. Vielmehr beinhaltet die Art
und Weise, wie eine Tätigkeit durchgeführt wird, eine versteckte
Verschwendung.
Ein zentraler Diskussionspunkt der Teilnehmer war das Gefühl, dass viele
Tätigkeiten als Verschwendung gesehen werden, und dass einzelne
Jobcenter jedoch nicht die Möglichkeit haben diese Verschwendung
abzustellen. Ein typisches Beispiel sind Ausfallzeiten der IT oder
Datenabfragen durch die Träger. Richtig ist, dass eine solche
Verschwendung Frust hervorruft. Viele Beispiele zeigen jedoch auch, dass
für Verschwendung nicht immer andere schuld sind. Es gibt viele
Bereiche, in denen die Jobcenter Verschwendungen künftig autonom
vermeiden können. Es gibt genügend Potenziale, die es sich lohnt zu
stärken.
15
7 Wie kann Verschwendung vermieden werden?
Im Laufe der Geschichte des Lean Management wurde ein umfangreicher
Methodenbaukasten entwickelt, wie Lösungen für Verschwendungen
entwickelt und implementiert werden können.
Die Berater von inGenics stellten im Rahmen des Werkstattgesprächs den
Problemlösereport vor, anhand dessen in vier Schritten Lösungen
entwickelt werden können:
Abbildung 9: Der Problemlösereport zur Analyse von Problemen
Eine klassische Falle ist, dass zu wenig in Problemen und zu schnell in
Lösungen gedacht und gearbeitet wird. Das führt dazu, dass viele
Lösungen oft nur gut gemeint sind, jedoch zu keinen Veränderungen
sondern – im Gegenteil – zu Verschlimmbesserungen und
Bürokratisierung führen. Das entwickeln von Lösungen ist keine kreative
sondern eine analytische Aufgabe. Daher soll, bevor Lösungen entwickelt
oder vorgeschlagen werden, das Problem systematisch analysiert werden.
Dafür können folgende Schritte durchgeführt werden.
Problem
Festgestellt in/bei
Start-Datum
Bearbeitendes Team
Erledigungs-Schritt
End-Datumzur Problemlösung
Schritt 1
Identifiziere das Problem mit Hilfe der 6W- Methode
Schritt 2
Brainstorming zur Findung möglicher Ursachen mit Hilfe des Fischgrätendiagramms
Schritt 3
Wende die “5-Warum-Methode” zur Analyse der Problem-Ursache(n) an
Schritt 4
Beschreibe wirksame Gegenmaßnahmen, terminiere diese und sorge für deren Umsetzung
Problembeschreibung
1. Was ist das Problem? 2. Warum ist das ein Problem?3. Wann hat es einen Einfluss? 4. Wer ist betroffen? 5. Wo tritt die Auswirkung auf?6. Wie wird eine Verbesserung gemessen?
Problem
Mensch
Maschine Methode
Material
mögliche Ursachen
5-Warum-Methode
Hinterfragen der (Haupt-)ursache
Gegenmaßnahmen
Wer? Was? Bis wann?
16
1. 6W-Methode
Im ersten Schritt soll das Problem genau beschrieben werden. Dafür
können sechs W-Fragen gestellt werden. Diese sind:
- Was ist das Problem?
- Warum ist das ein Problem?
- Wann hat es einen Einfluss?
- Wer ist betroffen?
- Wo tritt die Auswirkung auf?
- Wie wird eine Verbesserung gemessen?
2. Fischgrätendiagramm
Im zweiten Schritt werden die Ursachen eines Problems offen gelegt. Das
folgende Bild ist eine Analyse der Werkstattgesprächsteilnehmer zu dem
Problem „Stellungnahme im Haus suchen.“
Abbildung 10: Das Fischgrätendiagramm der Werkstattgesprächsteilnehmer
17
3. 5-Warum-Methode
Sind die Ursachen (oder ist die Hauptursache) des Problems identifiziert,
wird dieses Problem hinterfragt. Mit dem fünfmaligen „Warum?“-Fragen
wird der Punkt für einen möglichen Lösungsansatz gefunden.
18
8 Wie kann ich erkennen, ob ein Jobcenter „Lean“ ist?
Ein Lean-Jobcenter unterscheidet sich von einem normalen Jobcenter in
zwei zentralen Bereichen:
Ein Lean-Jobcenter ist bei der Leistungsgewährung in der Lage einen
überdurchschnittlich hohen Fallzahlenschlüssel ohne eine Mehrbelastung
der Mitarbeiter zu realisieren. Bereits heute gibt es Jobcenter, die in der
Leistungsgewährung mit einem Fallzahlenschlüssel von 1:100 arbeiten;
die Mitarbeiter sind jedoch überlastet – dies ist ein eindeutiges Signal für
Verschwendung.
In einem Lean-Jobcenter haben die Mitarbeiter im Fallmanagement und
Vermittlung mehr Zeit für die direkte Arbeit mit den Hilfeempfängern zur
Verfügung.
Beispielrechnung:
Bei einer Vollzeitstelle im Fallmanagement beträgt nach Abzug von
Urlaub, Krankheit etc. die durchschnittliche Nettoarbeitszeit 1.566
Stunden im Jahr. Bei einem Fallzahlenschlüssel von 1:75 hätte der
Fallmanger für jeden Hilfeempfänger etwa 21 Stunden Zeit, diesen zu
betreuen und zu vermitteln.
Seine Arbeitszeit kann er jedoch nicht zu 100 Prozent für den
Hilfeempfänger einsetzen. Notwendige Nebentätigkeiten (z.B.
Dienstbesprechungen, Qualifizierungen etc.) und Verschwendungen
reduzieren die Zeit, die er für die Hilfeempfänger einsetzen kann.
Untersuchungen von Nordlicht Management Consultants in anderen
sozialen Feldern zeigen, dass manchmal bis zu 70 Prozent der
Arbeitszeit mit Dokumentieren, Netzwerken und Warten verbracht
werden. Mit der Vermeidung der Verschwendung wird der Zeitanteil
erhöht, den der einzelne Fallmanger direkt für den Hilfeempfänger
einsetzen kann.
19
9 Teilnehmer
Die vorliegenden Ergebnisse wurden gemeinsam von Nordlicht
Management Consultants und den Teilnehmern der Werkstattgespräche
erarbeitet.
Dafür vielen Dank an:
Böhmke, Karsten (Jobcenter Dithmarschen)
Eckes, Bruno (Jobcenter Bad Kreuznach)
Fischer, Wolfgang (Jobcenter Neckar-Odenwald)
Frank, Kerstin (Jobcenter Nordvorpommern)
Giesecke, Jörn (Kreis Segeberg)
Karstens, Thorsten (Kreis Nordfriesland)
Kehrberg (Darmstadt-Dieburg)
Lang, Klaus (Jobcenter Bad Kreuznach)
Lange, Klaus-Dieter (Jobcenter Steinburg)
Lude, Wolfgang (Jobcenter Kreis Unna)
Nietsch, Andrea (Jobcenter Steinburg)
Rechenauer, Helmut (Jobcenter Berchtesgadener Land)
Richter, Carsten (Jobcenter Essen)
Schoenen, Jürgen (Jobcenter StädteRegion Aachen)
Sibbe, Matthias (Jobcenter Nordvorpommern)
Stechbarth, Ingo (Jobcenter Berchtesgadener Land)
Thomsen, Hans Wilhelm (Jobcenter Flensburg)
Wendrich, Thomas (Jobcenter Traunstein)