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Die Museumsleiterin Judith Schwarz spaziert mit ihrer Tochter durch die Apfelhaine 132 15.5.2014

leben, wo andere urlaub machen Passeiertal · Bier schmeckt hervorragend, auch die Pizza ist sehr lecker. Jaufenstr. 15, St. Martin, Tel. +39/0473/64 12 26, , ab 40 Euro Essen und

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Page 1: leben, wo andere urlaub machen Passeiertal · Bier schmeckt hervorragend, auch die Pizza ist sehr lecker. Jaufenstr. 15, St. Martin, Tel. +39/0473/64 12 26, , ab 40 Euro Essen und

Die Museumsleiterin Judith Schwarz spaziert mit ihrer Tochter durch die Apfelhaine

132 15.5.2014

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Passeiertalleben, wo andere urlaub machen

In einem Winkel von Südtirol liegt dieses herrliche Stück Erde. Die Andreas-Hofer-Expertin Judith Schwarz ist hier zu Hause. Und wie

viele Einwohner blickt sie mit vorsichtiger Skepsis auf den Rummel, wenn jetzt die deutsche WM-Elf in ihrem Dorf trainiert

journal reise

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SonderwünscheDie Nationalelf

trainiert auf einem eigens für

sie verlegten Rollrasen. Außer-

dem muss das Hotel jeden Tag

200 Kilo Eiswürfel bereithalten –

zum Kühlen der Spielermuskeln

Wer das Universum se-hen will, muss nur über den Brenner hi-nüber und dann früh genug aufstehen. Um halb fünf breiten sich

die Sterne über dem Jaufenpass aus wie Goldstaub. Es funkelt und leuchtet millionenfach. Man steht, den Kopf im Nacken, und kommt aus dem Schauen gar nicht mehr heraus. Bald werden die Sterne ver-blassen und Platz machen für die Sonne, die wie ein orangenfarbener Ball durch die Wolken steigt. Der schönste Platz für diese Lichtsinfo-nie liegt auf dem Jaufenkamm, einer Reihe von Gipfeln, alle um die 2300 Meter hoch. Man erreicht ihn am besten mit einem Bergführer, der Sonnenaufgangstouren anbietet.

Gegen sechs Uhr wacht der Rest der Welt auf, der Blick geht vom Gip-fel in die Tiefe, auf das Passeiertal, auf eine Kette von Dörfern, die links und rechts die steilen Hänge hinauf-wachsen. Man sieht Bergwiesen, Almen, umrahmt von Nadelholz-gruppen. Ganz oben geht das satte Grün in ein Weiß über, das sich lange hält, besonders nach harten Wintern wie dem vergangenen.

Es ist eine Gegend, die, wie ein Kir-chenmann im Jahr 1850 vermerkte, „die rüstigsten Fußgänger von Tirol“ hervorgebracht hat, so erzählt es die Museumsleiterin Judith Schwarz. Ihr Haus, das „Museum Passeier“,

zeigt den Nationalheiligen Andreas Hofer nicht als entrückten Kämpfer, der für die Freiheit Tirols starb, sondern als einen Menschen mit Stärken und Fehlern. Das ist mutig in einer Region, die stolz ist auf ihre Tradition und ihre Helden. „Wir haben es gewagt, an Hofers Oberflä-che zu kratzen“, sagt die Leiterin. Schwarz, geboren im Tal, promoviert in Innsbruck, weiß, wie sehr die Steilheit der Berge die Menschen ge-formt hat. „Die Leute hier sind wie Sisyphus: Sie bestellen jedes Jahr die Äcker, und jedes Jahr rutschen die Äcker aufs Neue runter.“ Die Wege kommen ohne große Kurven aus. Sie sind geradlinig und beschwerlich – daher die rüstigen Fußgänger.

Bis in die 60er Jahre hinein war das Tal eine rein bäuerliche Gegend. Urlauber krochen über den Jaufen-pass, erwarteten sehnsüchtig Italien und fuhren achtlos durch die Dör-fer. Später entdeckten einige, dass dieser nördliche Ausläufer des Me-raner Landes etwas zu bieten hat: die Vereinigung des Alpinen mit dem Mediterranen. Sommer und Winter sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Man kann unten im Freibad liegen und oben über Schneefelder stapfen.

Von den Hängen stürzen alleror-ten Wasserfälle und machen einen ordentlichen Krach. Das Wasser hat Wohlstand in die Dörfer gebracht: Aus seiner Kraft gewinnen die Be-wohner Strom. Mit dem Geld, das der Strom bringt, lassen sich neben den vielen schönen alten Häusern, etwa den mittelalterlichen Schild-höfen, viele schöne neue Häuser bauen, zum Beispiel das architekto-nisch anspruchsvolle Dorfhaus in

der Gemeinde St. Martin, ein mo-dernes Gebäude aus Naturstein und Zirbenholz.

Judith Schwarz hat nach dem Stu-dium das Museum Passeier mit auf-gebaut und eine Familie gegründet. Mit ihren drei Kindern wohnt sie in St. Martin. Sie sagt: „Meine Genera-tion sucht wieder nach Wurzeln.“ Sie wolle mit der Natur verbunden sein. Deswegen plant sie ihren Urlaub nicht in der Ferne, sondern oben auf den Bergen, auf der Alm, mit Ziegen. Im Tal und auf den Hängen leben 9000 Menschen und 7000 Ziegen. „Viele von uns streben nach einem Hirtendasein“, sagt Schwarz. „Nicht weil wir müssen, sondern weil wir wollen.“

Die Ruhe wird nun empfindlich gestört: Der Fußball kommt ins Tal. Das DFB-Team schlägt vom 21. Mai an für zehn Tage sein Trainingslager in St. Martin auf, um sich auf die WM vorzubereiten. Vor Kurzem haben zehn Sattelschlepper feinsten deut-schen Rollrasen abgeladen. Zäune werden errichtet, die den Platz gegen Schaulustige abschirmen, niemand soll erspähen können, wel-che Spielzüge Jogi Löw mit seinem Team einstudiert. Der Weg vom Luxushotel zum Trainingsgelände wird gesperrt. Zeltlager bieten Platz für 250 Journalisten, die den täg-lichen Pressekonferenzen folgen wollen. Im Hotel selbst wird ein ab-hörsicherer Raum eingerichtet. Im gesamten Ort werden Sicherheits-leute postiert sein. Es wirkt, als käme das FBI ins Tal, um nach Aliens zu suchen.

Judith Schwarz verbirgt ihre Skepsis nicht, sie sagt: „Wir wollen den Fußballgästen gegenüber freundlich sein, aber nicht anbie-dernd. Wie wollen locker bleiben und nicht unterwürfig werden.“ Als sehr groß empfindet sie die Ein-schnitte ins Tal-Leben. Bald herrscht hier Ausnahmezustand, erzeugt von ein paar Kickern und vielen Fans, die beim Training zuschauen wollen, aber nur wenig zu sehen bekommen werden. Dem Getöse kann nur ent-kommen, wer auf die Gipfel steigt. Am besten mit einem Bergführer, kurz bevor die Sonne aufgeht. 2

Oliver Creutz

Tal, Stadt, zurück ins Tal: Judith Schwarz hat sich für ein Leben in der Natur ent­schieden

Was ist ein Held? Das Museum Passeier kratzt am Mythos von Andreas Hofer

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Südtiroler Naturprodukt:

Knödel mit Bergkäse füllung

auf einem Bett von Wildkräutern

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Für ca. 8 Stück1 kleine Knoblauchzehe; 125 g Lauch­zwiebeln; 15 g Butter; 1 Handvoll Liebstöckelblätter; 80 g Vollkorn­toastbrot (Scheiben); 250 g grobes Buchweizenmehl; 30 g Weizenmehl; Salz; schwarzer Pfeffer aus der Mühle; 1 Ei (Größe M); ca. 180 ml Milch; 100 g Bergkäse (in ca. 8 Würfel schnei­den, 2 cm Kantenlänge)

1. Knoblauch fein würfeln, Lauch-zwiebeln fein schneiden, beides in der Butter kurz dünsten und abkühlen lassen. Liebstöckel hacken.

2. Das Toastbrot würfeln, mit beiden Mehlsorten in eine Schüssel geben, mit 1 TL Salz und Pfeffer bestreuen und mischen. Lauchzwiebeln mit Knoblauch und Liebstöckel dazugeben.

3. Das Ei mit Milch verquirlen, in die Mehlmischung gießen, zu einem festen Teig verrühren und mindestens 30 Minu-ten zugedeckt quellen lassen. Eventuell 1–2 EL mehr Milch untermengen.

4. Reichlich Salzwasser in einem breiten Topf zum Kochen bringen. Aus dem Teig mit feuchten Händen ca. 8 Knödel formen, dabei jeweils einen Käsewürfel ummanteln. Die Knödel ins Wasser gleiten lassen, ca. 15 Minuten köcheln, mit einer Schaumkelle herausheben und servieren.

Tipp: Die Knödel in Brühe servieren oder auf 200 g jungem Wildkräutersalat (Löwenzahn, Vogelmiere, Rauke, Brennnessel, Gänseblümchen) mit einer Vinaigrette aus 3 EL Olivenöl, 6 EL weißem Balsamessig, Walnüssen und gebratenen dünnen Speckstreifen.

Schwarzplentene Knödel

Was Judith Schwarz gern isst

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SchlafenHotel Andreus: Hier nächtigt der DFB. Ein Fünfsternehaus mit gigantischem Spa-Bereich, einer vorzüglichen Küche und lu xuriösen Zimmern. Für hohe Ansprüche, nicht ganz billig. Kellerlahne 3a, St. Leonhard, Tel. +39/0473/49 13 30, www.andreus.it, ab 125 Euro

Martinerhof: liegt an der (nicht sehr lauten) Hauptstraße und ist wohl das einzige Brauhotel Süd-tirols. Das hier gemachte würzige Bier schmeckt hervorragend, auch die Pizza ist sehr lecker.Jaufenstr. 15, St. Martin, Tel. +39/0473/64 12 26, www.martinerhof.it, ab 40 Euro

Essen und Trinken

4 Gasthaus Lamm: ein Tradi-tionslokal, „Mitterwirt“ genannt, in dem schon Andreas Hofer ein-kehrte. Rustikal, aber keineswegs verstaubt. Spezialität: Passeirer Ziegenbratl. Dorfstr. 36, St. Martin, Tel. +39/0473/64 12 40, www.gasthaus­lamm.it, Mo. Ruhetag

Restaurant Jägerhof: Auf dem Weg vom Jaufenpass ins Tal hinab liegt der Ort Walten. Der Jägerhof verdient einen Halt. Der Inhaber kocht Wildgerichte – und einen

köstlichen Bachsaibling auf Bergheu.Walten 80, Tel. +39/0473/65 62 50, Mo. und Di. Ruhetage

Erleben

4 Bärengrübl Alm: Der steile Aufstieg von St. Leonhard aus wird mit einer tollen Aussicht belohnt: Auf der Terrasse kann man die Abendsonne genießen. Dann kehrt herrliche Ruhe ein. Geöffnet ab Juni.Wirt Franz Pixner, Tel. +39/333/211 15 98

Sonnenaufgangswanderungen: Solange noch Schnee auf den Gipfeln des Jaufenkamms liegt, sollte man mit Schneeschuhen unterwegs sein. Sehr frühes Aufstehen ist Pflicht.Bergführer Michael Tschöll, Tel. +39/348/998 15 97

Sehen

4 Museen: Es gibt zwei ungewöhn-liche Museen im Tal: das „Museum Passeier“ im Andreas-Hofer-Haus und das „Bunker Mooseum“, in dessen Stollen Natur- und Sied-lungsgeschichte ausgestellt sind.Museum Passeier, Passeirer Str. 72, St. Leonhard, www.museum.passeier.it; Bunker Mooseum, Dorf 29a, Moos, www.bunker­mooseum.it

Die mit einem 4 gekennzeichneten Tipps stammen von Judith Schwarz

Urlaub im PasseiertalDie besten Tipps

apfeltalIm Passeiertal

wachsen um die 15 Apfelsorten, darunter Fuji,

Gala und Elstar

Oben Schnee, unten Sommer: Hier begegnen sich das Alpine und das Mediterrane

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