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Meinung
1) Begründung des 5. Ge-setzes zur Änderung desHochschulrahmengeset-zes, Entwurf vom 4. 4.2001
2) siehe HannoverscheAllgemeine Zeitung vom2. 6. 2001
M it der Reform der Professo-renbesoldung will die Bun-desregierung „Anreize für
mehr Leistung und Qualität“ ge-ben1). Es ist bemerkenswert, dassder Gesetzgeber es gerade bei derim Vergleich zum gesamten öffentli-chen Dienst relativ kleinen Gruppeder Professoren und Professorinnenfür notwendig erachtet, solcheAnreize zu geben. Das ließe sichdurchaus positiv und als Wertschät-zung für diesen Berufsstand deuten,wird darunter doch in der Regel ein„Mehr“ für den verstanden, der an-gereizt werden soll.
Nun gibt es zwei Wege, eine Pro-fessur attraktiv zu gestalten. Der ei-ne ist der, die entsprechende Stelleso mit Personal und Sachmittelnauszustatten, dass eine gute For-schung und Lehre geleistet werdenkann. Die Betonung liegt auf dem„und“, denn es kann nicht im Sinneder Universität sein, wenn die vor-handenen Ressourcen gerade einmalausreichen, die Lehre mehr oder we-niger gut abzudecken, für die For-schung aber vor allem Drittmitteleingesetzt werden müssen. Ebensoschadet die umgekehrte Verteilungdem Auftrag und dem Gedanken derUniversität. Wie wichtig dieser Wegdes Anreizes von der Professoren-schaft angesehen wird, zeigen alleBerufungsverfahren und Bleibever-handlungen. Im Falle mehrerer kon-kurrierender Universitäten wird inder Regel das beste Angebot in die-sem Bereich den Ausschlag geben.
Den zweiten Weg über die Ge-hälter geht die Bundesregierung mitder vorgesehenen Besoldungsre-form. Auch hier wird von „Anreiz“gesprochen, allerdings mit „Kosten-neutralität“ als Randbedingung.Diese lässt sich natürlich nur ein-halten, wenn zuvor das Geld, daseiner Person zusätzlich gezahlt wer-den soll, vorher einer anderen weg-genommen wird. Wie „motivierend“das auf diese wirkt, sollten Psycho-logen klären können. Es ist wohlevident und für die Wirtschaftselbstverständlich, dass „Anreizesetzen“ heißt, mehr Mittel einzuset-zen. Es wird eine höhere Leistungerwartet, also muss auch mehr ein-
gesetzt werden. Oder gehen die dieBesoldungsreform unterstützendenPolitiker im Grunde davon aus,dass Professorinnen und Professo-ren an den Universitäten zu wenigleisten und vielleicht gar überbe-zahlt sind? Dann sollte das auchdirekt gesagt und, bitte, konkretgezeigt werden. Bildet ein deut-scher Professor im Vergleich zu sei-nem amerikanischen Kollegen zuwenige Studenten aus? Forscht undpubliziert er weniger? In den sogern zum Vergleich herangezogenenUSA ist die Ausstattung z. B. derPhysikprofessuren besser und diedurchschnittlichen Gehälter sindhöher.
Wie sieht nun der Plan der Bun-desregierung aus? Die Mindest-gehälter werden deutlich niedrigerals bisher angesetzt. Die Differenzzu den bisher gezahlten, nachDienstaltersstufen gestaffeltenGehältern steht in einem Pool zurVerfügung, aus dem ein leistungs-abhängiger Besoldungsvorschlag„verhandelt“ werden kann. Natür-lich besteht darauf kein Rechts-anspruch. Wer hindert die Finanz-verantwortlichen daran, dort zusparen? Dass es sich dabei nichtum übertriebene Befürchtungen ei-nes überängstlichen Schwarzsehershandelt, zeigen Diskussionen derniedersächsischen Regierung2), diehier Sparmöglichkeiten sieht – unddas bereits weit vor dem Zeitpunkt,zu dem das entsprechende Gesetzalle parlamentarischen Hürden ge-nommen hat!
Aber gesetzt den Fall, solcheHorrorszenarien bleiben aus. Wiestellt sich dann der Gesetzgeber dieLeistungsmessung und die daraufbasierende Einstufung vor? Er stelltsie sich vorsichtshalber gar nichtvor bzw. sagt dazu zumindestnichts. Statt dessen eröffnet er denLändern „umfangreiche Handlungs-spielräume“, insbesondere hinsicht-lich der Regelung des Vergabever-fahrens, der Zuständigkeit für dieVergabe, den Voraussetzungen undKriterien der Vergabe, der Aus-gestaltung der Leistungsbezüge (Be-fristung, Dynamisierung).
Es ist leicht vorstellbar, wie auch
die Länder, wiederum um den Uni-versitäten Spielraum zu eröffnen,diese heikle Problematik weiterrei-chen werden. Und dann beginnt derHickhack, der sicher keinen Beitragzu einer guten und kollegialen Ar-beitsatmosphäre leisten wird. Dennum abgestuft Gehälter zu zahlen,muss eine Rangfolge mit Platznum-mern ermittelt werden, und dasüber Fakultäten und Fachbereichehinweg! Wie problematisch die Er-mittlung einer Rangordnung dieserArt ist, das hat die seit Jahren an-haltende Diskussion über Univer-sitätsrankings gezeigt. In diesemBereich ist man mit gutem Grundwieder von solch einer schemati-schen Auflistung abgekommen.Aber es gibt, wie meist, auch für dievorgesehene Art der Besoldung einVorbild. Zu DDR-Zeiten wurden anWissenschaftler leistungsabhängigeZuschläge gezahlt – mit genau denFolgen, die oben angedeutet wur-den. Der Streit war vorprogram-miert und fand statt, eine Leis-tungserhöhung wurde nicht er-reicht.
Während der Plenarversamm-lung des Mathematisch-Naturwis-senschaftlichen Fakultätentages imJuni in Kassel wurden all diesePunkte ausführlich durch die Deka-ne diskutiert. Diese sind es, dieletztlich solche Vorschläge umset-zen müssen. Es kam einmütig zumAusdruck, dass diese so genannteReform nicht zu Verbesserungen,sondern zu unnötigem Streit und zuKonflikten innerhalb der Fachberei-che, aber auch zwischen diesenführen wird. Z. B. dann, wenn der„Marktwert“ des Physikers gegenden des Germanisten abgeschätztwerden soll. Statt dessen forderndie Dekane eine Reform in demSinn, dass endlich die Ausstattungder Fachbereiche den Aufgaben an-gepasst wird. Hier besteht beson-ders für experimentell arbeitendeFächer ein großer Nachholbedarf,besonders auch unter dem Aspekt,dass von den politisch Verantwort-lichen in fast jeder Sonntagsredegefordert wird, mehr Naturwissen-schaftler, Mathematiker und Infor-matiker auszubilden.
3Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 9
Leistungsanreiz für Professoren durch Besoldungsreform?
Gunnar Berg
Prof. Dr. Dr. GunnarBerg, UniversitätHalle-Wittenberg, istVorsitzender desMathematisch-Naturwissenschaft-lichen Fakultäten-tags.