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Universität Lüneburg Institut für deutsche Sprache, Literatur und ihre Didaktik Sommersemester 2009 Dozentin: Dr. Magdalena Michalak Modul: 23011000 Forschungspropädeutikum „Sprachliche und literarische Sozialisation“ (Deu 225), Prüfungsnr.: 230 11 002 Abgabetermin: 20. Juli 2009
Lerntechniken zur Förderung des autonomen Lernens der
Zweitsprache Deutsch in der Erwachsenenbildung Dipl.-Psych. Hannah Denker Veerßer Str. 20 29525 Uelzen Telefon: 0581-2118660 Fax.: 0581-2118661 E-Mail: [email protected] Studiengang: Berufliche Bildung in der Sozialpädagogik (B.A.) Matrikel-Nr.: 3006898 Fachsemester: 6 Fächerkombination: Deutsch/ Sozialpädagogik
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................................................... 1 Teil I: Theoretische Grundlegung .......................................................................................... 2 2. Klassifikation und bedarfsorientierte Hierarchisierung von Lerntechniken .......................... 2 3. Autonomes Lernen als Beginn und Ziel des Zweitsprachenunterrichts................................. 5 Teil II: Fallanalyse ................................................................................................................... 8 4. Bewusstheit und Anwendung von Lern(er)strategien............................................................ 9 5. Sprachstand .......................................................................................................................... 13 Teil III: Didaktische Implikationen...................................................................................... 17 7. Lernstrategien als konstruktives Element im Zweitspracherwerbsprozess.......................... 17 8. Konsequenzen für den Unterricht in multilingualen Klassen .............................................. 20 Literatur .................................................................................................................................... a Anhang A: Lerntechniken und sprachliche Teilkompetenzen ................................................... e Anhang B: Lernstrategien und Sprachgebrauchsstrategien ........................................................f Anhang C: Pretest Interviewleitfragen....................................................................................... h Anhang D: Probeinterview mit Berufsschüler ............................................................................ j Anhang E: Revision Interviewleitfaden .................................................................................... m Anhang F: Interview Berufsschüler ........................................................................................... o Anhang G: Aufgabe ‚Schreibtisch’ und Text..............................................................................r Anhang H: Aufgabe ‚E-Mail’ und Text ...................................................................................... t Anhang I: Lehrwerkexempel...................................................................................................... u
1
1. Einleitung
„Wenn du einem Menschen einen Fisch gibst, dann gibst du ihm für einen Tag zu essen. Wenn du einem Menschen das Fischen beibringst, dann gibst du ihm für sein Leben lang zu essen“
(altchinesische Weisheit, zitiert nach Bimmel/ Rampillon 2000: 7).
Die Metapher vom ‚fischen lernen’ lässt sich auf die pädagogisch-didaktische Arbeit
übertragen. Für Schülerinnen und Schüler wird ‚lebenslanges Lernen’ zunehmend zu einer
Pflichtaufgabe, die sich aus der anwachsenden Flut neuer Lern- und Wissensgebiete ergibt
(vgl. Rampillon/ Reisener 1991: 1). Tönshoff (1995: 241) formuliert die Forderung nach dem
‚fischen lernen’ ein bisschen nüchterner, wenn er als allgemeinen Begründungs-
zusammenhang für eine systematische Einführung von Lernstrategien im Unterricht die
Anforderungen, die der schnelle Wandel in der modernen Informationsgesellschaft an jeden
Lernprozess stellt, heranzieht. Insbesondere für Berufsbildungsprozesse stellt „Lernfähigkeit
eine zentrale extrafunktionale Qualifikation in allen Bereichen des Arbeitslebens“ (ebd.) dar.
Der Autor fordert, dass Unterricht nicht lediglich die Inhalte des Lernens in den Fokus der
Aufmerksamkeit rücken sollte, sondern den Individuen beim Aufbau eines Instrumentariums
von Zugriffsmöglichkeiten zur Informationsverarbeitung helfen muss (vgl. ebd.). In berufs-
schulischen Klassenzimmern treffen verschiedne Nationen aufeinander (vgl. Bimmel/
Rampillon 2000: 11). Neben der Bewältigung der Anforderungen des alltäglichen Lebens
einigt diese Schüler und Schülerinnen v.a. das Ziel, sich in Deutschland beruflich zu
etablieren. Bimmel und Rampillon (2000: 11) werfen dem gegenwärtigen Sprachenunterricht
vor, dieser könne dem Umfang und der Vielfalt bestehender Anforderungen nicht gerecht
werden. Für Berufsschüler und Schülerinnen ist die „Weiterentwicklung ihrer
Sprachkompetenz eine Voraussetzung, um überhaupt eine Arbeit zu finden und um überleben
zu können“ (ebd.: 11). Die Forschung zum weiten Feld der Lernstrategien konzentriert sich
gegenwärtig einerseits auf Sprachlern- und Verarbeitungsstrategien von Anfängern/
Anfängerinnen und Experten/ Expertinnen und andererseits um den Einfluss weiterer
Sprachen auf den Zweitspracherwerbsprozess (vgl. Apeltauer 1997: 30; Sternberg/ Williams
2002: 143f).
Im Zentrum der hier vorgelegten wissenschaftlichen Ausarbeitung steht die Frage, ob
Lernstrategien und -techniken produktiv und zielführend im Deutsch als
Zweitsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden können und sollen. Es
wird die These vertreten, dass Sprachförderung nur erfolgreich sein kann, wenn es den
Lehrkräften gelingt, direkt am jeweiligen lernersprachlichen Entwicklungsstand anzuknüpfen
(vgl. Kaminski 2005: 1) und ein dauerhafter Lernerfolg im Sinne von autonomen
2
Lernprozessen durch die begleitende Einführung von Lern(er)strategien unterstützt werden
kann.
Um diese These zu belegen, wird zunächst eine bedarfsorientierte Auswahl von
Lernstrategien und -techniken für den Deutsch als Zweitsprachenunterricht getroffen und das
didaktische Ziel des autonomen Lernens begründet (Teil I). Dann werden in Form einer
Fallkasuistik aus dem Deutschförderprojekt zur Unterstützung von Deutsch als Zweitsprache,
finanziert von der Mercator Stiftung (2007), exemplarisch bereits angewendeten
Lernstrategien eines Berufsschülers aus Kasachstan dargestellt und diese Daten mit einem
halbstrukturierten Interview eines Berufsschüler aus Usbekistan vertiefend vorgestellt.
Außerdem wird anhand zweier Texte des kasachischen Berufsschülers eine exemplarische
Analyse des Sprachstandes vorgenommen, um daran die Notwendigkeit einer
lernersprachlichen Einordnung zur systematischen Einführung von Lerntechniken im
Unterricht aufzuzeigen. Die Analyse der ‚Fehler’ findet auf der Basis der sog.
Interlanguagehypothese (vgl. Oksaar 2003: 112) statt, bei der Fehler als konstruktives
Element im Zweitspracherwerbsprozess aufgefasst werden (Teil II). Anschließend werden die
Ergebnisse der kleinen Feldforschungsstudie (vgl. Friebertshäuser 1997) im Hinblick auf ihre
didaktischen Konsequenzen von und für einen konstruktiven Unterricht in multilingualen
Berufsschulklassen zusammengeführt (Teil II).
Teil I: Theoretische Grundlegung
2. Klassifikation und bedarfsorientierte Hierarchisierung von Lerntechniken
Der Begriff ‚Lernerstrategien’ wird häufig als Oberbegriff verwendet, der „sowohl
Lernstrategien als auch Sprachverwendungsstrategien (Kommunikationsstrategien) umfasst“
(Tönshoff 1995: 240). Auch Bimmel und Rampillon (2000: 62) unterscheiden zwischen
Sprachlernstrategien und Sprachgebrauchsstrategien, wobei erstere die Strategien beschreibt,
die Lernende zum Erwerb einer Sprache nutzen und die zweite eher dem kommunikativen
Gebrauch und dem Verstehensprozesse einer Sprache zugeordnet werden. Das
Unterscheidungskriterium bildet hier das jeweilige Ziel des Lernprozesses. Zweit-
sprachenlernen ist ebenso wie Fremdsprachenlernen ein komplexer, von den Lernenden aktiv
gestalteter Informationsverarbeitungsprozess (vgl. Tönshoff 1995: 240), weshalb es legitim
erscheint Empfehlungen zur Unterstützung von Lernstrategien aus dem
Fremdsprachenunterricht auch für die Zweitsprachendidaktik heranzuziehen. Es muss
3
berücksichtigt werden, dass Lernstrategien in ein komplexes Geflecht von Einflussfaktoren,
demographischen Variablen, Persönlichkeitsvariablen, kognitiven, motivationalen und
affektiven Variablen sowie Merkmalen der Lernsituation eingebettet sind (vgl. Missler 1999:
189). In der Fremdsprachendidaktik wird eine Lernstrategie als ein Plan (mentalen) Handelns,
um ein Lernziel zu erreichen, aufgefasst (vgl. Bimmel 1993). Lernstrategien lassen sich - so
Bimmel und Rampillon (2000: 53) - in ‚Wenn-dann-Formulierungen’ überführen. Sie setzen
allerdings voraus, dass den Lernenden ihre Lernziele bekannt sind. Lerntechniken werden
Lernstrategien insofern untergeordnet, als sie als Fertigkeiten sichtbar werden, wohingegen
Lernstrategien vorwiegend als mental-kognitive Prozesse verstanden werden1. Um allerdings
einen individuellen Lernplan aufstellen zu können, müssen die Lernenden die entsprechenden
Techniken kennen und beherrschen (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 44f). Es wird jedoch
wiederholt daraufhingewiesen, dass Lernstrategien und Lerntechniken keine trennscharfen
Begriffe darstellen (vgl. Tönshoff 1995: 240, Bimmel/ Rampillon 2000: 54, Conrad 2006:
11). Im Folgenden wird der in der Literatur dominierenden Verwendung des Begriffs
Lernstrategie, als Form metakognitiver Mechanismen der Lernens und Lerntechniken, als
deren konkreter Realisierung, gefolgt (vgl. Rampillon 1991, Tönsfoff 1995, Rampillon 1995,
Missler 1999, u.a.).
Obwohl Klassifikationen und Hierarchisierung von Lernstrategien divergieren, konvergieren
die meisten auf das Zweit- und Fremdsprachenlernen bezogene Definitionen in den Kriterien
Problemorientiertheit, Zielgerichtetheit und Intentionalität sowie deren (potentieller)
Bewusstheit (vgl. Tönshoff 1995: 240). Conrad (2006: 33) kommt im Anschluss an eine
dezidierten Literaturdurchsicht zu dem Ergebnis: „Eine universale Gesamttaxonomie von
Lernstrategien kann kaum erstellt werden“. Das scheint im vorliegenden Fall auch nicht
notwendig: Aus einer didaktischen Perspektive für Deutsch als Zweitsprachenlernern müssen
die unterschiedlichen Lernstrategien und Lerntechniken immer im Hinblick auf ihre Chancen
zur Erweiterung der Sprachkompetenz hin überprüft werden. Es ist demnach gerechtfertigt
sich im Folgenden auf Ansätze zu Lerntechniken zu beziehen, die die spezifischen
Bedürfnisse von Zweitsprachenlernern am besten erfassen können. Nach einer Durchsicht
einschlägiger Klassifikationsansätze kann festgestellt werden, dass der Ansatz von Rampillon
(1985, 1995) sowie Rampillon und Bimmel (2000) zur Bearbeitung der hier vorgestellten
These zum Umgang mit Lernstrategien und – techniken beim Zweitspracherwerbsprozess
1 Rampillon verwendet zusammen mit Bimmel (2000) ‚Lernstrategien’ im hier dargestellten Sinn. Dies entspricht ihrer frühen Verwendung des Begriffs ‚Lerntechniken’ (vgl. Rampillon 1995: 261). Im Rahmen einer zunehmenden Differenzierung der Begriffe wird Lerntechnik nunmehr aber untergeordnet verwendet.
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fruchtbar gemacht werden kann (zur Übersicht einschlägiger Klassifikationsansätze siehe
Missler 1999: 122ff, Conrad 2006: 32ff).
Rampillon (1985: 26f, 1991:8) geht von verschiedenen Sprachfertigkeiten und
Lernmodalitäten aus und fragt sich dabei, welche Lerntechniken insbesondere für das
Fremdsprachenlernen - und wie man hinzufügen darf für das Zweitsprachenlernen – hilfreich
sein können. Sie erlaubt sich damit eine didaktische Schwerpunktsetzung, der im Weiteren
gefolgt wird. (Vgl. auch: Missler 1999: 124) Rampillon (1985: 26) geht davon aus, dass es
von den einzelnen Sprachfähigkeiten abhängig ist, welche Lerntechnik dem Schüler bzw. der
Schülerin beim Spracherwerb weiterhelfen kann. Damit ist der zentrale Prozess einer genauen
Sprachstandsanalyse tangiert (siehe Teil II). Zudem bezieht sie Ihre Lernstrategie-
klassifikation ausschließlich auf dem (Fremd-)Spracherwerb.
Auf der einen Achse ihrer Tabelle (siehe Anhang A) differenziert Rampillon (1985: 26f) die
sprachlichen Teilkompetenzen Wortschatz, Grammatik, Hören und Lesen, Sprechen und
Schreiben. Sie folgt demnach einerseits der Unterteilung in die klassischen „vier sprachlichen
Grundfertigkeiten“ (Huneke/ Steinig 1997: 90) (Hören-Lesen-Sprechen-Schreiben), wie sie
auch vom europäischen Referenzrahmen für Sprachen (2008: 7ff) gefordert werden und
berücksichtigt des Weiteren zwei der drei sprachlichen „Fähigkeiten“ (Huneke/ Steinig 1997:
116). Aussprache subsumiert sie unter ‚Sprechen’. Die zweite Achse bildet eine
Unterscheidung zwischen Verfahren, die den Lernprozess vorbereiten, Lerntechniken, die
den Lernprozess steuern und Verfahren zur Selbstkontrolle (vgl. Rampillon 1985: 13f,
Rampillon 1995: 261). Es wird kritisiert, dass die beiden ersten Ebenen in Einzelfällen nicht
hinreichend trennscharf sind und dass die kontrollierenden Strategien nicht in der Tabelle
berücksichtigt wurden (vgl. Conrad 2006: 35). Für Deutsch als Zweitsprachenunterricht
erscheint diese Trennung dennoch sinnvoll. So unterteilt Rampillon (1985: 13) die Verfahren,
die den Lernprozess vorbereiten, abermals in Verfahren, die den Lerngegenstand bereitstellen
und solchen, die den Lerngegenstand und das Lernumfeld aufbereiten. Die
Arbeitsplatzgestaltung wird beispielsweise unter letztgenannte Strategie subsumiert (vgl.
Rampillon 1985: 13). Es ist insbesondere beim Deutsch als Zweitsprachenunterricht nicht
auszuschließen, dass es kulturelle Differenzen und divergente Erwartungshaltungen seitens
von Lehrenden und Lernenden bezüglich der organisatorischen Bedingungen des Lernens gibt
(vgl. Frenzel et al. 2007: 30). Die in der Tabelle nicht aufgeführte Ebene der ‚Kontrolle’ wird
von O’Malley/Chamot (1990) unter die Rubik ‚metakognitive Strategien’ gerechnet. Es darf
angenommen werden, dass es sich hierbei um eine Konsequenz eines geplanten und
kontinuierlichen Einsatzes der vorangegangenen Lernstrategien handelt (z.B. aus der
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regelmäßigen Nutzung einer eigenen Fehlerstatistik) und die Auflistung daher vernachlässigt
wurde.
Die von Rampillon (1985) entwickelte Klassifizierung wird auf der Grundlage von O’Malley/
Chamot (1990) sowie Oxford (1990) gemeinsam mit Bimmel (2000: 65ff) wieder
aufgenommen und modifiziert (siehe Anhang B). Hier unterteilen Bimmel und Rampillon in
direkte (kognitive) Strategien, worunter Gedächtnisstrategien und Sprachverarbeitungs-
strategien eingeordnet werden und indirekte Strategien, worunter die Regulierung des
Lernens, affektive sowie soziale Strategien subsumiert werden und
Sprachgebrauchsstrategien. Beide Klassifizierungen sind für den Deutsch als Zweit-
sprachenunterricht hilfreich und weisen zahlreiche Überschneidungen insbesondere im
Hinblick auf die exemplarischen Beispiele auf. Für die vorliegende Fragestellung ist die
Berücksichtigung der Voraussetzungen der Schüler und Schülerinnen besonders relevant.
Diese setzen auf Lehrendenseite Diagnosekompetenzen zur Sprachförderung voraus und
unterstützen die These, dass der Ausgangspunkt eines erfolgreichen Einsatzes von
Lerntechniken der lernersprachliche Entwicklungsstand sein muss (vgl. Kaminski 2005: 1).
3. Autonomes Lernen als Beginn und Ziel des Zweitsprachenunterrichts
In der Pädagogik basiert die Vorstellung von Lernerautonomie auf Prinzipien, die schon in
der Mitte des 18. Jahrhunderts beschrieben und dann weiter entwickelt wurden (Dewey,
Freinet, Fröbel u.a.) (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 177, Fegebank 2004: 116, Schäfer 2006:
34, Reich 2006: 110ff). Heute sprechen wir von ‚autonomem Lernen’, wenn Lernende die
zentralen Entscheidungen über ihr Lernen selbst treffen können. Lernerautonomie darf
allerdings nicht missverstanden werden als ein ungesteuertes, ‚anything goes’-Prinzip. Zentral
ist die Verknüpfung von Lern(er)strategien und Lernerautonomie. In der Forschungsliteratur
zum ungesteuerten Spracherwerb konnte gezeigt werden, dass auch mehrjähriger Kontakt mit
muttersprachlichen Sprechern in der Primar- und Sekundarstufe keineswegs immer zu einer
muttersprachlichen Kompetenz in der Zweitsprache Deutsch führt (vgl. Siebert-Ott 2000:
128). Lernerautonomie heißt somit nicht ungesteuerter Spracherwerb, sondern eine angeleitete
Selbststeuerung mit zunehmender Gestaltungsfreiheit im Lernprozess. Zu den
Grundprinzipien des autonomen Lernens gehört die Fähigkeit, das eigene Lernen zu planen
und zu reflektieren. Die Beherrschung von Lernstrategien und konkreter Lerntechniken ist
hierfür eine grundlegende Voraussetzung (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 5, 33).
Besonders in berufsbildenden Schulen ist zu berücksichtigen, dass die Lebensbedingungen
vieler Jugendlicher sich verändert haben und daher neue(re) didaktische Konzepte
6
erforderlich sind (vgl. Fegebank 2004: 116f). Bohnsack (1991: 20) betont, dass Jugendliche
inzwischen in vielen Bereichen ihres Lebens unabhängig sind. Insbesondere in
altersheterogenen Berufsschulklassen finden sich ‚Jugendliche’, die bereits in eigenen
Wohnungen und in eigenen Familien leben – die Fallanalyse ist hierfür ein gutes Beispiel
(Teil II). Diese weitgehende persönliche Autonomie sollte auch vor der Institution Schule
nicht halt machen. Die besondere Legitimation für die Erprobung von Lerntechniken im
Unterricht liegt in der Chance, die Schüler und Schülerinnen zum autonomen Lernen zu
befähigen, damit sie ihre Sprachkenntnisse nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb
der Schule festigen, ausbauen und kritisch überprüfen können (vgl. Rampillon 1995: 261,
auch: Bimmel/ Rampillion 2000: 178). Rampillon (1991: 5) vertritt die Ansicht, dass
Lernstrategien und Lerntechniken als Formen prozeduralen Wissens ihren didaktischen Ort
im Unterricht gleichrangig mit Sach-, Fach- und Sprachwissen beanspruchen dürfen.
Rampillons (1991: 3) Begründung für die Pflicht einer didaktischen Integration von
Lern(er)strategien als fundamentaler Bestandteil des Unterrichts lautet:
„Durch das Entstehen neuer Berufsfelder, durch politische und wirtschaftliche
weltweite Vernetzungen der verschiedenen Nationen, durch die europäische Integration
(…) werden Veränderungen in der Ausbildung von Menschen und in ihrer Fort- und
Weiterbildung nötig“ (Rampillon 1993: 3).
Ein systematisches Training von Lernstrategien ergibt sich u.a. aus der Notwendigkeit,
Wissenslücken in Kommunikationssituationen spontan und situativ überbrücken zu können
und trotz eingeschränkter Ressourcen unterschiedliche (z.B. auch berufliche) Handlungsrollen
kompetent ausfüllen zu können. Dafür ist ein kontinuierlicher, autonomer Lernprozess, aber
auch die Fähigkeit, auf kompensatorische Maßnahmen zurückgreifen zu können, unerlässlich
(vgl. Tönshoff 1995: 241). Der eher akademische Diskurs, ob es eine ‚Zielsprache’ überhaupt
gibt bzw. wann und welche ‚Zielsprache’ erreicht wurde (vgl. Kleppin 2000: 52), ist in der
Berufsbildung pragmatisch zu beantworten: Das Sprachlernziel gilt dann als erreicht, wenn
die Lernenden ihre beruflichen Ziele damit verwirklichen können, unabhängig davon, dass
„the target always moves“ (vgl. Oksaar 2003: 124). Neben psychologischen Voraussetzungen
für den Erwerb von Lernerstrategien (Lernmotivation, Einstellungen, u.a.) wird vor allem der
Verfügbarkeit eines Arsenals adäquater Lerntechniken eine Schlüsselrolle für erfolgreiches
autonomes Lernen zugeschrieben (vgl. Tönshoff 1995: 241).
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Dass autonomes Lernen unter veränderten gesellschaftlichen Lebensbedingungen
notwendig(er) wird, haben auch die Kultusminister einiger Bundesländer erkannt. Die Kritik
von Rampillon (1991: 3), dass Lerntechniken „nur in wenigen Lehrplänen der Bundesländer
überhaupt angesprochen werden“ muss zumindest teilweise revidiert werden. So fordern die
Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Deutsch/Kommunikation in der Berufsschule und
Berufsfachschule in Niedersachsen bereits als didaktischen Grundsatz im Kontext der sog.
„Lernkompetenz“ (Nds.KMK 2008: 2), das „Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln
und diese für lebenslanges Lernen zu nutzen“ (ebd.) sind. Diese Forderung wird dann im
Rahmen einzelner Kompetenzbereiche konkretisiert (z.B. innere Mehrsprachigkeit,
Lesestrategien) (vgl. ebd.: 5f). Diesem grundlegenden Anspruch an Lern(er)strategien werden
allerdings nach wie vor nicht alle Rahmenrichtlinien gerecht. So verzichten beispielsweise die
Autoren und Autorinnen der sächsischen Rahmenrichtlinien auf die explizite Nennung von
Lernkompetenzen als übergeordnete Zieldimension. Allerdings beinhalten die einzelnen
Kompetenzbereiche Arbeitstechniken beim Umgang mit Texten und im Rahmen von
Mitschriften und Vorträgen (vgl. Sachsen Anhalt KMK 2003: 19, 22, 25).
Als Synonym für autonomes Lernen wird oft der Begriff selbst gesteuertes Lernen benutzt.
Bei beiden Lernformen werden die Lernzugänge und die Lernorganisation selbst bestimmt.
Beim autonomen Lernen wird die Kooperation mit anderen Lernenden allerdings stärker
betont. (Vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 177f) Es ist eben nicht allein das Lernen ‚über den
Kopf’, es sind auch die Sinne und die Emotionen, die eine bedeutsame Rolle im Lernprozess
einnehmen (vgl. ebd.: 22). Gerade in Zweitspracherwerbsprozesse sind Partner- und
Gruppenarbeit äußerst wichtige Sozialformen. Die Aktivierung der verschiedenen Sinne nach
dem vielzitierten Prinzip Pestalozzis – Kopf, Herz und Hand – kann vernetztes Denken und
Problemlösen fördern (vgl. ebd.: 24, Neumann 2006: 107f). Bei dem Erwerb von
Lernstrategien und Lerntechniken sind individuelle Unterschiede sowohl beim Sprachstand
der Schüler und Schülerinnen zu berücksichtigen, als auch unterschiedliche kognitive und
emotionale Lernstile. Der individuelle Lernstil betrifft die für den Lernprozess wesentlichen
psychischen Dispositionen und spiegelt die Art und Weise wider, wie unterschiedlich
Individuen Information bearbeiten und organisieren sowie ihre Art und Weise, soziale
Interaktionen zu gestalten (vgl. Oksaar 2003: 122; Michalak 2008: 2).
Tönshoff (1995: 242) extrahiert empirisch fundierte Elemente eines effektiven Erwerbs von
Lern(er)strategien. Zunächst müssen die gewohnheitsmäßig eingesetzten Strategien
identifiziert werden. Er empfiehlt hierbei den Einsatz von systematischen
8
Untersuchungsverfahren. Diese Phase dient einerseits der Lehrkraft als Diagnoseinstrument
und andererseits dem Lernenden als Akt der Sensibilisierung. Um es eher konzeptuell
mündlich auf den Punkt zu bringen: Wenn man die Schüler und Schülerinnen dort abholen
will, wo sie stehen, dann muss man erst einmal wissen, an welchem Bahnhof sie warten.
Dann erfordert Tönshoff (1995: 242) zufolge ein langfristig wirksames Lernen von Strategien
wiederholtes Üben. Und schließlich müssen die Maßnahmen sowohl von der Lehrkraft als
eben auch von den Lernenden selbst auf ihre Zweckdienlichkeit hin überprüft werden.
Im Folgenden wird nun die erste Phase in dem von Tönshoff (1995: 242) empfohlenen
Lernstrategienerwerbsprozess nachgezeichnet. Welchen Lern(er)stand weist der hier
untersuchte Schüler auf und welche Lernerstrategien wendet er bereits an? Wie ist sein
Sprachstand? Oder anders formuliert: An welchem Bahnhof wartet er?
Teil II: Fallanalyse
Bimmel und Rampillon (2000: 77ff) schlagen verschiedene Möglichkeiten vor, wie die bereits
verwendeten Lernstrategien und Lerntechniken von Schülerinnen und Schülern untersucht
werden können: Fragebögen, Interviews, Beobachtungen und ‚lautes Denken’. Die folgende
Fallanalyse basiert auf Daten aus dem Deutsch als Zweitsprachenunterricht aus dem
bundesweiten, großzügig von der Mercator Stiftung unterstützten Projekt zur Sprachförderung
von Kindern- und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (vgl. Kniffka/ Siebert-Ott 2007:
127, 147; Stiftung Mercator 2007: 44f). Es handelt sich vorwiegend um Protokoll- und
Unterrichtsbeobachtungsdaten aus dem Förderunterricht Deutsch sowie um ein
halbstrukturiertes Interview, das nach einem Pretest mit einem leitfadengestützten Interview
modifiziert wurde. Bei dem Pretest wurde deutlich, dass der Berufsschüler kasachischer
Herkunft die Befragung und Tonbandaufnahme als sehr unangenehm empfand. So spiegeln
die begleitenden Protokolldaten und die schlechte Qualität der Tonbandaufnahme non- und
paraverbale Signale der Abneigung wieder (z.B. Hand vor dem Mund, Wegdrehen vom
Tonband, flüsternde Stimme, Tonband abstellen). Zudem wurde deutlich, dass die sog.
‚Eisbrecherfragen’ bei dem zunächst befragten Schüler besonders sensible Lebensbereiche
tangierten (siehe Anhang D). Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde das zweite
Interview als halbstrukturiertes Interview mit einem 20jährigen Berufsschüler aus Usbekistan
eines anderen Deutschförderkurses adaptiert und wiederholt durchgeführt (siehe Anhang E,
F).
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Die Leitfragen wurden auf der Grundlage v.a. von Mayring (2002, 2008) und Lamneck
(1989) unter Bezug zu Ergebnissen der aktuellen Forschung zum informellen Lernen (vgl.
BMBF 2001) sowie auf der Basis der Erkenntnisse zu Lehr-Lernprozessen beim
Zweitspracherwerb (vgl. Riemer 1997, Michalak 2008) entwickelt. Mayring (2002: 70) betont
den Nutzen problemzentrierter Interviews insbesondere bei theoriegeleiteten
Forschungsfragen. Allerdings zeigte das Probeinterview deutliche Hemmnisse auf Seiten des
Interviewten, über seinen persönlichen Umgang mit Lernstrategien zu berichten sowie eine
sprachliche Überforderung aufgrund der Interviewlänge und des sprachlichen
Anspruchsniveaus. Das Interview wurde daher deutlich gekürzt und als halbstrukturiertes
Interview mit graphischen Elementen als Merkhilfen verfeinert und überarbeitet. Die
Interviewten wurden zwar durch einen Leitfaden auf bestimmte Fragestellungen hingelenkt,
sollten dabei aber möglichst viel Raum für eine freie Beantwortung erhalten (vgl. Mayring
2002: 69). Dies war nicht durchgängig realisierbar.
Zunächst werden zwei Texte eines Berufsschülers in der Berufsgrundausbildung
Metalltechnik (BGJ-Metall) kasachischer Herkunft zur Analyse des Sprachstandes und der
Anwendung von Lerntechniken bei der Aufgabenbewältigung herangezogen, um dann die
Verwendung von Lernstrategien mit Hilfe der Interviewdaten zu vertiefen.
4. Bewusstheit und Anwendung von Lern(er)strategien
Wenn Lernen als ein vom lernenden Gehirn eigenständig gesteuerter Konstruktionsprozess
verstanden wird, der auf dem individuellen Lerner-/Lernerinnenwissen aufbaut, so ist es
folgerichtig, dass Lernen auch in gleichen sozialen Kontexten zu individuell
unterschiedlichen Ergebnissen führt (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 40). Demnach ist nicht
jede Lehrmethode und nicht jedes Lernverfahren für jeden Schüler und jede Schülerin
gleichermaßen geeignet. Daher sind unterschiedliche Zugangsweisen zum Lernstoff unter
Einsatz verschiedener Lernstrategien sinnvoll. Für und mit jedem Schüler und jeder Schülerin
sollte ein individuelles Bedarfsprofil – auf der Basis des individuellen Lernstandes - für die
eigene Lernorganisation entwickelt werden (vgl. ebd.: 19). Wenn man – wie es kognitive
Lerntheorien tun – davon ausgeht, dass Lernen eine Wechselbeziehung zwischen Vorwissen
einerseits und neuen Informationen andererseits ist und so neues Wissen restrukturiert wird
(vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 38), dann ist es erforderlich, die bereits bestehende
Kenntnisse so genau wie möglich zu erfassen.
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Vor einer Kompetenzanalyse ist zunächst zu klären, ob mündliche oder schriftliche
Sprachprodukte beurteilt werden sollen. Für die Analyse schriftlicher Äußerungen spricht,
dass viele Schüler und Schülerinnen nichtdeutscher Herkunftssprache kaum
Normabweichungen in der mündlichen Sprachproduktion aufweisen. Erst im Schriftlichen,
wenn durch das Fehlen des situativen Kontextes ein höheres Maß an sprachlicher
Differenziertheit notwendig wird, kommt es zu Verstößen gegen die zielsprachlichen Normen
(vgl. Kamiski 2005: 2). Kaminski (2005: 2) spricht sich insbesondere für die Analyse
komplexer Sprachleistungen aus und betont, dass andere Verfahren wie Einsetzübungen zwar
ökonomischer in der Auswertung sind, aber lediglich Informationen über Teilkompetenzen
bieten.
Die hier untersuchten, exemplarischen Analysetexte stammen von einem 25jährigen
Berufsschüler kasachischer Herkunft, der seit vier Jahren in Deutschland lebt. In der
Forschung wird davon ausgegangen, dass sich ‚basic interpersonal communicative skills’
(BICS) in jeder Sprache innerhalb von ein bis zwei Jahren relativ unabhängig von
institutionellen Kontexten entfalten, während der Erwerb von ‚cognitive/ academic language
proficiency’ (CALP) zwischen vier und sieben Jahren beansprucht. Die Entwicklung von
Fertigkeiten im interaktiven Bereich (BICS) sollen stärker von Persönlichkeitsmerkmalen
abhängen, wohingegen fachlich-abstrakte Strukturen in institutionellen Kontexten erworben
werden müssen (vgl. Cummins 1986, zitiert nach Siebert-Ott 2000: 129, Apeltauer et al.
1997: 19). Schriftliche Texte sind weitgehend dekontextualisiert, allerdings gibt es auch
Texte, die konzeptuell eher mündlich sind (z.B. eine Short Message Service Nachricht) oder
eher konzeptuell schriftlich (z.B. eine formelle E-Mail). Die erste Aufgabe des Schülers
bestand in der Transformation einer SMS in eine formelle E-Mail-Nachricht, die zweite
Aufgabe erforderte die schriftliche Erläuterung des Baus eines Schreibtisches (siehe Anhänge
G/H). Die Analyse erfolgt im Schwerpunkt auf morphosyntaktischer Ebene. Die Orthographie
wird als ein später notwendig werdender Entwicklungsschritt aufgefasst. Zunächst werden
die Texte auf den Ebenen der Sprachstandsindikatoren nach Glumpler und Apeltauer (1997)
analysiert und anschließend die Hypothese, dass sich der Berufsschüler auf Ebene Eins der
Erwerbsstufen nach Griesshaber (2008: 33) befindet, auf der Grundlage des von ihm
konzipierten, didaktisch nutzbaren Instrumentes (Profilanalyse) überprüft. Es sei allerdings an
dieser Stelle daraufhingewiesen, dass die theoretische Einordnung in und zu
Erwerbssequenzen teilweise aktualisiert wurde (vgl. Kniffka/ Sieber-Ott 2007: 46ff).
11
Text (A)
Sehr geht Herr Schmidt ich bin Jurij, ich bin heute krank.
ich kann nicht heute Zum Untericht kommen, weil habe ich ein Termin bei der ZagnArz mir kann nehste Wioche wider trefen.
mit freundliche gröse Jurij
Text (B)
1. Platte und Vorne Bret wir muss zusammen kleben die beide teil Verbint zwischen mit dem Dübel und mit dem Klebe.
Nacht dem kleben müssen Sie 30 minuten Warten, wail das klebe muss schön trocknen. 2. Zur der Platte der Sehtraube fest geschrauben müssen (werden). 3. Zur Vordere bret kommt, die Vinkel Platte und der 4 Dübel, und Vierschlossel. 4. Die Wand platte und die obereste Platte muss Vestfervinden werden mit den Schloss. 5. hin zu kommt die Vordere Bret. Die Wand Brete und die Vordere Bret kommt zu obereste platte. 6. Die Kabel abdeckung rein geschtekt.
In der mündlich gestalteten Vorbereitung auf die Textproduktion (Text A) wird anhand der
Unterrichtsprotokolle deutlich, dass sich der Schüler an Alltagsgesprächen beteiligen kann
und die Aufgabenstellung verstanden hat, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die
Beteiligung an einfachen Gesprächen möglich ist. Die Einleitung ‚Sehr geehrter Herr
Schmidt’ basiert auf formellen Wendungen, die konzeptuell schriftlich sind. Der Schüler hat
sich zur Selbsthilfe an dieser Stelle eines von Freunden geschriebenen Bewerbungsformulars
bedient. Hier wird der Einsatz zweier Lernstrategien deutlich: Zum einen eine soziale
Lernstrategie (‚Hilfe holen’) zum anderen die Anwendung einer Sprachverarbeitungsstrategie,
die im Erkennen und Anwenden formelhafter Wendungen besteht. Diese wird bei Bimmel
und Rampillon (2000) unter der Kategorie ‚üben’ subsumiert (siehe Anhang B). Allerdings
führen diese hilfreichen Lernstrategien nicht zu einer orthographisch korrekten Anwendung.
Beim Abschreiben formeller Wendungen macht der Schüler noch Fehler. Es ist anzunehmen,
dass es sich hierbei um Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten handelt. Es ist
aber gleichzeitig nicht auszuschließen, dass noch Schwierigkeiten beim Lesen vorhandener
Texte bestehen. An beiden Texten (A und B) lässt sich die die Anwendung der allgemeinen
Übernahme von chunks, d.h. von bedeutungsvollen Informationseinheiten (vgl. Zimbardo/
Gerrig 2004: 305) sowohl aus Berufs- als auch Alltagserfahrungen mit der deutschen Sprache
zeigen. Er wendet diese chunks entsprechend den situativen Bedingungen angemessen an.
Die parataktisch verknüpften Hauptsätze (Text A: ‚ich bin Juris, ich bin heute krank.’)
machen deutlich, dass er einfache Satzstrukturen korrekt produzieren kann. Er übernimmt
auch hier Sprachwendungen aus dem Alltag, die er aber korrekt in die Schriftsprache
transferieren kann. Im zweiten Text (B) verwendet der Schüler Phrasen, die ebenfalls dem
Arbeitsauftrag entsprechend angemessen sind. Sein deutscher Wortschatz enthält
12
ausbildungsspezifische Fauchausdrücke, die zum einen gemeinsam mündlich mit der
Lehrkraft wiederholt wurden und zum anderen Teil seines berufspraktischen Tätigkeitsfeldes
sind. Auch hier zeigt sich die Übernahme verbal gelernter (Fach-)Ausdrücke in die
Schriftsprache ohne Berücksichtigung orthographischer Korrektheit. Dies könnte als Hinweis
auf wenig schriftsprachliche Übungen im Fachunterricht gedeutet werden. Die begleitende
Protokollierung während der Aufgabenbearbeitung zeigt, dass er die Textstruktur allerdings
erst im Nachhinein eingeführt hat (Nummerierung), d.h. er verwendet hier nicht vor der
Textproduktion Sprachverarbeitungsstrategien wie beispielsweise das Erstellen einer
Gliederung (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 65). Obwohl die Lehrkraft ein Wörterbuch
mitgebracht hat – und die Anwendung desselben bereits geübt wurde – wendet der Schüler
auch bei bewussten, sprachlichen Unsicherheiten nicht die von Bimmel und Rampillon (2000:
65ff) als direkte kognitive Lernstrategie bezeichnete Verwendung von Hilfsmitteln an. Im
ersten Satz (Text B) wurde kein bestimmter Artikel verwendet. In den Folgesätzen zeigt sich
eine deutliche Unsicherheit darüber, welches Genus das Substantiv ‚Platte’ verlangt (z.B. der
Platte, die Winkelplatte). Das Fehlen des Artikels im ersten Satz könnte einerseits auf
Unwissenheit darüber beruhen, ob hier ein Artikel gefordert ist, andererseits auch auf eine
Form der Vermeidungsstrategie hindeuten. Frei nach der Devise: Wenn ich nicht sicher bin,
dann lasse ich es besser ganz (weg).
Im Unterrichtskontext empfehlen Bimmel und Rampillon (2000: 78f) u.a. die
Selbsteinschätzung der Schüler und Schülerinnen bezüglich des eigenen ‚Lernertyps’. Sie
unterscheiden hierbei verschiedene Lernertypen, u.a. erfahrungsbezogene und
handlungsorientierte (vgl. ebd.). Der hier im Fokus stehende 25jährige Berufsschüler
beschreibt sich selbst als praktisch-handwerklich orientiert.
„Für ihn sind Experimentieren und Selbsttätigkeit die geeigneten Lern- und
Übungsformen. Er fühlt sich im Projektunterricht zu Hause. Analyseaufgaben und
intensive Lektüre widersprechen eher seinen Lerngewohnheiten“ (Bimmel/ Rampillon
2000: 78).
Nach Bimmels und Rampillons (2000: 78) Kategorisierung lässt sich der Schüler dem
handlungsorientierten Lernertypen zuordnen, was auch dem angestrebten Berufsziel
entspricht und Konsequenzen für die Unterrichtsplanung haben sollte. Das ein intensives
schriftliches Selbststudium den Lerngewohnheiten des Schülers nicht entspricht, geht aus
Äußerungen im Förderunterricht hervor, in denen er betont, dass er weder Lehrbuchtexte noch
13
private Bücher oder Zeitschriften liest. Er blättert allerdings manchmal in einer großen,
überregionalen Zeitung. Die allgemeine Schriftferne des Schülers wird überdies dadurch
untermauert, dass er zum Förderunterricht regelmäßig kein Schreibwerkzeug und keine
Blätter mitgebracht hat. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Aufgaben, die
erfahrungsbezogen und handlungsorientiert sind wie beispielsweise Exkursionen mit
alltäglichen Sprecherfahrungen und die mündliche und schriftliche Beschreibung von
handwerklichem Tun von ihm bevorzugt werden. Allerdings geht aus den
Unterrichtsprotokollen auch hervor, dass der Schüler generell zu schriftlichen Aufgaben
motiviert werden muss, wenngleich er wahrnimmt, dass er v.a. Probleme mit den schriftlich-
theoretischen Anforderungen des Fachunterrichts hat. Bimmel und Rampillon (2000: 8)
betonen, dass der Erfolg beim Lernen in einer Zweitsprache nicht ausschließlich von der
Motivation abhängt, sondern auch von den bisherigen Lernerfahrungen und von den
Einstellungen zum Lernen selbst (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 8). Dies lässt sich besonders
eindrucksvoll an dem Berufsschüler aus Usbekistan belegen, der seine Sprachkenntnisse mit
Hilfe familialer Unterstützung ausbauen kann (siehe Anhang E, Frage 9, 4) und selbstständig
kontrastive Sprachvergleiche vornimmt (siehe Anhang E, Frage 8). Diese Möglichkeit bieten
sich dem Berufsschüler mit russischem Migrationshintergrund nicht.
5. Sprachstand
Das Ziel der folgenden exemplarischen Analyse besteht darin, die Lernersprache einschätzen
zu können, um daraus die individuelle Unterrichtsplanung abzuleiten. Die Lernersprache wird
als ein eigenständiges Übergangssystem betrachtet, das sich allmählich, zielgerichtet und als
ein kreativer Prozess auf die Normen und Regeln der Zweitsprache hin entwickelt (vgl.
Oksaar 2003: 112f). Das Anknüpfen an den ‚lernersprachlichen Entwicklungsstand’ ist bei
Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund besonders wichtig, da diese häufig
bereits über umfangreiche zielsprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, aber im
schriftsprachlichen Bereich einen hohen Anteil fossilierter Strukturen aufweisen können, die
sich in massiven Abweichungen von der sprachlichen und soziolinguistischen Norm der
deutschen Sprache manifestieren (vgl. Kaminski 2005: 1). Bei einer Analyse von Schüler-
und Schülerinnentexten ist die veränderte Wahrnehmung von Fehlern in der Forschung zu
berücksichtigen. ‚Fehler’ werden als ein konstruktives Element im Spracherwerbsprozess
angesehen (vgl. Kleppin 2002: 25, Oksaar 2003: 103). Zudem ist bei einer Textanalyse zu
berücksichtigen, dass Fehler sowohl von der Performanz, d.h. intraindividuellen Varianzen,
als auch von der Menge an mündlichem und schriftlichem Analysematerial abhängen. Es ist
daher erforderlich, neben einer reinen linguistischen Analyse ebenso psychologischer
14
Faktoren zu berücksichtigen. Insbesondere Stress, Motivation und Emotion sind zu beachten
(vgl. Kleppin 2002: 26, Oksaar 2003: 103f, 108). Kaminski (2005: 3) verweist überdies
darauf, dass auch Lernstrategien Ursache für Fehler sein können.
Sprachstandindikatoren auf der Ebene des Satzbaus
Der Schüler ist in der Lage einen einfachen Satz korrekt zu konstruieren (Text A: Ich bin
heute krank). Außerdem kann er markierte Wendungen übernehmen (z.B. krank sein).
Modalkonstruktionen sind ihm bekannt und er wendet sie auch teilweise korrekt an (Text A:
Ich kann heute kommen). Hierbei handelt es sich um Elemente der sog. Partikelregel von
Glumpler und Apeltauer (1997: 14), die bereits der Stufe Drei zuzuordnen sind. Es ist jedoch
anzunehmen, dass er diese als korrekte Phrasen aus der Alltagssprache übernommen hat. Dies
bestätigen auch Unterrichtsbeobachtungen, bei denen er einerseits Partizipien und
Perfektkonstruktionen anwendet, andererseits aber auch unmarkierte Verben fehlerhaft
konjugiert (z.B. Ich haben eine fünf Jahre alte Tochter.) Er konjugiert auch ‚können’ in der
ersten Person Plural falsch (Text A: wir kann treffen) und weiß noch nicht, dass treffen zu den
reflexiven Verben gehört. Der Schüler konjugiert im zweiten Text (B) die erste Person Plural
des unmarkierte Verbs ‚kommen’ inkorrekt. Es ist anzunehmen, dass er die Person-Numerus-
Kongruenz des Subjekts mit der finiten Verbform (vgl. Bußmann 2008: 357) noch nicht
sicher beherrscht (z.B. Das Wandbrett und das vorderste Brett kommt zur obersten Platte).
Auch bei starken, intransitiven Verben wie ‚stecken’ (vgl. Duden 2006: 500) hat der
Berufsschüler noch Probleme. Es scheint erforderlich, Verbkonjugation zu üben. Da der
Schüler die Lernstrategie ‚Phrasen übernehmen’ (vgl. Gündogdu 2007: 11ff) bereits kennt
und anwendet, wären Übungen zu einem vertiefenden und langfristig nützlichen Einsatz
dieser Strategie und der Memorierung von Verbkonjugationen im Kontext ganzer Satzphrasen
möglich und sinnvoll.
Im Text A versucht er eine Nebensatzkonstruktion, die er mit der kausalen Konjunktion ‚weil’
einleitet, wobei er die notwendige Verb-letzt-Klammer (vgl. Altmann/ Hahnemann 2007: 51f)
nicht berücksichtigt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es im Russischen keine
Satzklammer gibt (vgl. Michalak 2009: 5). Der Schüler ist allerdings auf dem Weg, die
Satzklammer grammatisch korrekt anzuwenden. Dies wäre demnach eine mögliche ‚Zone der
nächsten Entwicklung’ (vgl. Wygotski, zitiert nach Sternberg/ Williams 2002: 56), die er mit
Lehrkraftunterstützung in absehbarer Zeit erreichen kann.
15
„The ZDA [zone of proximal development, anmerk. d. Verf.] is the range between a
child’s level of independant performance and the level of performance a child can reach
with expert guidance“(Sternberg/ William 200: 56f).
Der Schüler wendet den Kasus vorzugsweise im Nominativ an (Text A: Ich bin heute krank).
Allerdings finden sich im Text A vereinzelt auch komplexere Satzkonstruktion mit
Direktional- und Temporaladverbialen (Text A: Ich kan (…) heute zum Unterricht kommen).
Im zweiten Text (B) tastet der Berufsschüler sich insgesamt an komplexere Satzstrukturen
heran. Er probiert eine Passivkonstruktion mit Modalverb (Text B: zur Platte (…) geschraubt
müssen werden). Allerdings schafft er dies noch nicht grammatisch korrekt, weiß aber, dass
die Infinitive ‚müssen’ und ‚werden’ notwendig sind. Zudem verwendet er in diesem Text das
Partizip II, allerdings ohne das finite Verb (z.B. Die Kabelabdeckung reingesteckt). Er zeigt
damit erste Versuche von komplexeren Passivkonstruktionen. Darin zeigt sich jedoch, dass er
die Partikelregel (vgl. Glumpler/ Apeltauer 1997: 14) noch nicht sicher beherrscht. Vereinzelt
wendet er die Voranstellung des Adverbs korrekt an (Text B: Nach dem Kleben müssen Sie
warten). Die Verb-Letzt-Klammer, in einem wieder mit der Konjunktion ‚weil’ eingeleiteten
Nebensatz, ist allerdings abermals grammatisch nicht korrekt (Text B: (…) weil die Klebe
muss schön trocknen). Er verwendet zwar Modalkonstruktionen, kennt aber die
Modalverbregel bei Gliedsätzen (noch) nicht (vgl. Altmann/ Hahnemann 2007: 51).
Betrachtet man die beiden Texte insgesamt, muss von Stufe Eins im Überganz zur Stufe Zwei
ausgegangen werden (vgl. Glumpler/ Apeltauer 1997: 14), da er komplexere Satzstrukturen
(noch) nicht beherrscht und auch bei der „Normalform“ (Glumpler/ Apeltauer 1997: 14) noch
fehlerhafte Verbkonjugationen aufweist.
Sprachstandsindikatoren im Bereich der Wortformen und des Wortgebrauchs
Im Text A verwendet der Schüler vorwiegend unmarkierte Worte. Er nutzt viele kurze
Lexeme (z.B. Woche), aber auch bereits Komposita (z.B. Zahnarzt). Auf den Ebenen des
Erwerbs von Verbformen zeigt der Schüler Unsicherheiten. So macht er noch Fehler bei der
Konjugation von beispielweise ‚können’ im Plural und verwendet vorzugsweise vertraute
Verbformen (z.B. ich bin…). Bei der typischen Erwerbsfolge von Modalverben wird
‚können’ i.d.R. erst später erwoben als ‚wollen’, ‚mögen’ und ‚müssen’. Es ist hierbei – auch
aufgrund der im Verhältnis zur mündlichen Kommunikation im Unterricht verwendeten
Satzstrukturen – anzunehmen, dass er Modalkonstruktionen aus der mündlichen Kom-
16
munikation in die Schriftsprache übertragen hat (Unterrichtsprotokoll: Ich kann nicht
machen). Im Bezug auf reflexive Verben befindet sich der Schüler noch in einem
Vorstadium: Er lässt das Reflexivpronomen weg (z.B. sich treffen) (vgl. Glumpler/ Apeltauer
1997: 16).
Er versucht Negationsworte zu nutzen. Im Rahmen der Sprachstandsindikatoren von
Glumpler und Apeltauer (1997: 16) wird ‚nicht’ nach Ein-Wort-Sätzen mit ‚nein’ erworben.
Allerdings ist er noch unsicher mit dem Fokus der Negation (vgl. Duden 2006: 923f).
Zögerlich ordnet er den Negationspartikel nach dem finiten Verb, aber vor dem Adverb ein
(Text A: Ich kann nicht heute zum Unterricht kommen). Dies ist zudem ein Hinweis auf die
noch unsichere, wechselhafte Anwendung der Partikelregel.
„[W]enn die Partikelregel noch nicht sicher beherrscht wird, [werden] Negationsworte
sowohl vor als auch nach dem Verb platziert“ (Glumpler et al. 1997: 16).
Im Bezug auf sein Fachgebiet (Metalltechnik) hat er allerdings einen elaborierten Wortschatz
und verwendet auch markierte, berufliche Fachausdrücke. Dem Schüler sind aus seiner
mündlichen Berufspraxis Fachausdrücke, sowohl Komposita als auch Derivata, bekannt (z.B.
Winkelplatte, Kabelabdeckung), so dass er über einen umfangreichen, markierten Wortschatz
verfügt (vgl. Glumpler/ Apeltauer 1997: 15), diesen allerdings orthographisch nur unlänglich
abbilden kann. Es ist anzunehmen, dass diese Begriffe vorwiegend im Rahmen praktisch-
handwerklicher Tätigkeiten erworben und angewendet und selten in schriftsprachliche,
kommunikative Akten überführt wurden. Der Transfer mündlicher Äußerungen in die
Schriftsprache zeigt sich beispielsweise am Verb ‚stecken’: Die phonetische Transkription
von ‚gesteckt’ lautet [ʹgɛʃtɛkt] und entspricht seiner Schreibweise.
Profilanalyse
Griesshaber (2008: 32) geht davon aus, dass der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache
durch stabile Regelmäßigkeiten gekennzeichnet ist. Auf der Grundlage dieser
Regelmäßigkeiten hat er ein Instrument entwickelt, dass von formalen Aspekten abstrahiert
und auf tieferliegende grammatische Prozesse rekurriert. Die Grundlage ist ein Stufenmodell
von Null bis Vier, welches er als didaktisches Instrument für den Deutschunterricht
vorschlägt. Ebene Null sind bruchstückhafte Äußerungen ohne finites Verb. Die nächste
Ebene schließt finite Verben in einfachen Äußerungen ein (1), dann folgt die Separierung
17
finiter und infiniter Verbteile (3). Auf der dritten Ebene kann das Subjekt bereits hinter das
Finitum bei vorangestellten Adverbialen positioniert werden (3). Und schließlich können
Nebensätze konstruiert werden, bei denen das Verb in Endstellung steht (4). (Vgl.
Griesshaber 2008: 33) Griesshaber (2008: 32) betont, dass in einem Text „mindestens drei
Sätze mit der betreffenden Stufe enthalten sein“ müssen. Stufe Eins ist bei dem Berufsschüler
eindeutig nachweisbar. Er ist in der Lage, das finite Verb in einfache Äußerungen zu
integrieren (z.B. Ich bin heute krank). Auch die Analyse des zweiten Textes (B) bestätigt,
dass der Schüler auf Stufe Eins der Erwerbsstufen nach Griesshaber (2008: 33) einzuordnen
ist, da er die Person-Numerus-Kongruenz nicht sicher beherrscht (z.B. wir muss
zusammenkleben).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Schüler sowohl bezogen auf die
Sprachstandsindikatoren als auch auf den Profilebenen der ersten Stufe zuzuordnen ist. Der
Schulunterricht kann bei der Überführung in die nächste Stufe im Sinne einer Zone der
nächsten Entwicklung unterstützend wirken. Eine grundlegende Sprachstandsanalyse ist für
die didaktische Unterrichtsplanung von großem Wert, da hieraus sowohl Aufgabenstellungen
als auch notwendige Übungsphasen extrahiert werden können. Es hat sich gezeigt, dass
Verbkonjugationen in Satzkontexten geübt werden können und sollten, dass die Satzklammer
systematisch eingeführt werden muss und dass bereits produktive Sprachlernstrategien
angewandt werden, die kontinuierlich und systematisch ausgebaut werden können. So wird es
möglich, durch die Institution Schule Fossilierungsprozessen entgegenwirken. Dies kann
deutlich erleichtert werden, wenn dabei interdisziplinär über Fächer- und Lernfeldgrenzen
hinweg Lernstrategien als integraler Bestandteil der Schulstruktur etabliert werden (vgl.
Bertschi-Kaufmann 2007: 27ff, Sigel et al. 2007: 29ff, Rosebrock/ Nix 2008: 59ff, Michalak
2008: 4; Michalak 2009: 5).
Teil III: Didaktische Implikationen
7. Lernstrategien als konstruktives Element im Zweitspracherwerbsprozess
Rampillon (1991: 5) sieht einen entscheidenden Vorteil in der kontinuierlichen
unterrichtsbegleitenden Einführung von Lernstrategien darin, dass die Lernmotivation der
Auszubildende durch die autonome Wahl der Lehr-Lerninhalte sowie der Lernmethoden
gesteigert wird. Um die Lernmotivation nicht zu verlieren, bieten Kenntnisse über
Selbstmotivationsmechanismen sowie fundiertes Wissen über die eigene Lernorganisation
eine gute Grundlage (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 19). Der interviewte junge Mann aus
18
Usbekistan bringt es mit seiner Antwort auf die Frage, wer über sein Lernen entscheidet,
pointiert auf den Punkt: „Eigentlich ich selbst, oder nicht?“ (siehe Anhang F, Frage 11).
Ein zentraler Aspekt der Vorbereitung und Übung autonomen Lernens besteht darin, dass die
Auszubildenden eine analytische Sicht auf das Lernen und den Prozess des Lernens erwerben.
Die Aufgabe der Lehrenden besteht darin, dies zu initiieren und zu explizieren, beispielsweise
über die Einführung von Fehlerlisten oder Vokabelkarteien im Deutsch als
Zweitsprachenunterricht (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 177). Der Grundgedanken der
vorliegenden Arbeit ist, dass Lerner-/ Lernerinnenautonomie und Lernstrategien verknüpft
sind, wobei die Auseinandersetzung mit Lern(er)strategien nicht automatisch auch zu
Lernerautonomie führen muss (vgl. ebd.: 33). Es ist zu berücksichtigen, dass die kulturellen
Perspektiven differieren können. Autonomes Lernen muss in den entsprechenden Kulturen
auch positiv besetzt sein – oder/und entsprechend die Vor- und Nachteile im Klassenverband
diskutiert werden (vgl. ebd.: 178). Der usbekische Berufsschüler schätz Lerntechniken für den
eigenen Sprachaneigungsprozess positiv ein (siehe Anhang F: Frage 12, 14,17). Michalak
(2008: 5ff) konnte zeigen, dass ein selbstgesteuerter Spracherwerb im Lebenszusammenhang
von Erwachsenen mit Migrationshintergrund jedoch häufig nicht als ‚richtiges Lernen’
angesehen wird. Erschwerend kommt eine kulturspezifische Rollenerwartung an die starke
Autorität der Lehrkraft hinzu (vgl. ebd.: 6) – auch hier zeigt der junge Mann aus Usbekistan
jedoch bereits ein autonomeres Lernverständnis. Darüber hinaus ist die institutionelle
Sozialisation für autonome Lernprozesse nicht unbedingt förderlich. Berufsschüler und
Schülerinnen sind es nach wie vor gewohnt, dass die Lehrenden Inhalte, Methoden,
Medienauswahl, Progression und Lernkontroll(en) bestimmen (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000:
40, 43). Der Autor und die Autorin fordern daher, dass Schülerinnen und Schülern das eigene
Entdecken, das Lernen auch auf Umwegen und die autonome Bestimmung des eigenen
Lerntempos zugestanden wird (vgl. ebd.: 41).
Bei erfahrungsorientierten Lernern – wie bei dem hier im Fokus stehende Berufsschüler mit
russischem Migrationshintergrund - kann eine starke Textorientierung dazu führen, dass auch
der mündliche Sprachgebrauch der Lehrenden für viele Lernende zu schnell an Komplexität
gewinnt (vgl. Siebert-Ott 2000: 128) – die Folge: schweigen. Dies ist umso demotivierend für
Zweitsprachenschüler und Schülerinnen, desto mehr der Fachunterricht über Lehrervorträge
und Tafelmitschriften und weniger interaktiv gestaltet wird. Die Implikation für den
Fachunterricht ist dabei nicht, dass die Sprachform ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken
sollte, sondern das Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten sich mit Hilfe von
19
Lernstrategien dem Unterrichtsgegenstand anzunähern und dass sie die Gelegenheit erhalten
sich nicht primär auf den Inhalt konzentrieren zu müssen, sondern sich auch auf die Art und
Weise, wie sie etwas sagen, konzentrieren können (vgl. Gibbons 2006: 274). Dabei bietet
sich besonders in der berufsschulischen Bildung eine „Verbindung von fachlichem Lernen
und sprachlichem Lernen“ (Siebert-Ott 2000: 137) als eine erfolgsversprechende
Lernmethode an. Die Erprobung von Lernstrategien ist nicht primär die Aufgabe des
Deutschunterrichts, sondern eine interkollegiale Aufgabe des gesamten Lehrkörpers (vgl.
Sigel 2007: 29ff).
Was Rosebrock und Nix (2008: 72) speziell für Lesestrategien beschreiben, dass Strategien
nicht um ihrer selbst willen gelehrt werden, sondern um des (Text-)Gegenstands willen, gilt
ebenso für Lernstrategien im Zweispracherwerbsprozess. Der Fachunterricht bietet ein schier
unendliches Arsenal an Erprobungsgelegenheiten für (Sprach-)Lernstrategien. Siebert-Ott
(2000: 134ff) hat Fachtexte aus Lehrbüchern analysiert und festgestellt, dass diese eine
beträchtliche Informationsdichte, ein dichtes Netz an textuellen Bezügen und eine hohe
sprachliche und inhaltliche Komplexität aufweisen. Dieses Textmaterial bietet die
Gelegenheit Lese- und Schreibstrategien zu erproben und konzeptuell schriftliche Schüler-
und Schülerinnenvorträge zu realisieren. Allerdings nur dann, wenn insbesondere Schülern
und Schülerinnen mit Sprachschwierigkeiten Lernhilfen zur Verfügung gestellt werden.
Griesshaber (2008: 46) muss in seiner Forderung an den Unterricht, dass generell mehr
schriftsprachlicher Input gegeben werden sollte, unterstützt werden. Freilich kann dies nur
dann den Zweitspracherwerbsprozess unterstützen, wenn die Lehrenden hinreichend für die
Probleme, die die Verknüpfung von fachlichem und sprachlichem Lernen speziell für
Lernende aus schriftfernen Milieus und/ oder mit Migrationshintergrund bedeuten,
sensibilisiert werden (vgl. Siebert-Ott 2000: 130).
Auch der Fachunterricht des hier vorgestellten Schülers mit kasachischem
Migrationshintergrund basiert auf einer komplizierte Lehrtextgrundlage (siehe Auszug
Anhang I). Um sich diese komplexen Texte anzueignen, benötigt der Schüler eindeutig
Hilfestellung. Die Erarbeitung von Lerntechniken zur Texterschließung (z.B. farbige
Markierungen von Schlüsselbegriffen), zur Vorbereitung eines Vortrages (z.B. Gliederung
erstellen, Phrasen rausschreiben) und als Vorarbeit auf die eigene Textproduktion (z.B.
zusammenfassen) bzw. auf die Reproduktion bei Leistungstests (z.B. mit anderen zusammen
lernen) ist auch die Aufgabe des berufsvorbereitenden theoretischen Fachunterrichts,
20
allerdings – nicht zu vergessen - auch der Lernenden selbst. Wenn ihnen Lernstrategien und
Lerntechniken an die Hand gegeben werden, dann liegt es in ihrer Verantwortung, diese auch
gezielt und v.a. regelmäßig einzusetzen, dabei spielt auch die eigene Motivation eine
entscheidende Rolle (vgl. Oksaar 2003: 55). Wenn der Berufschüler mit kasachischem
Hintergrund seinen Fachunterricht als lehrerzentriert beschreibt und sagt, dass dort
vorwiegend eine Abschrift des Tafelbildes gefordert ist (siehe Anhang D), so ist dies
sicherlich kein sprachförderliches Lernklima im Fachunterricht. Dennoch lässt sich auch dann
zumindest fragen, warum der Schüler für diese Unterrichtsgestaltung kein Schreibwerkzeug
mitbringt. Auch Lernstrategien können nur dann wirksam werden, wenn zu dem Wissen um
entsprechende Techniken auch der Wille zur Anwendung kommt. Dies bestätigt auch das
Interview mit dem Berufsschüler usbekischer Herkunft, der den nutzbringenden Einsatz von
Vokalkarteien kennt, doch heute aus Bequemlichkeit nicht mehr einsetzt (sie Anhang F: Frage
19). Empirische Studien legen verhalten positive Effekte von Trainingseinheiten zu
Lernstrategien und Lerntechniken nahe. Tönshoff (1995: 243) ist aber zuzustimmen, wenn er
bezüglich des konstruktiven Einsatzes von Strategieübungen bemerkt, dass der Erfolg der
Strategievermittlung von Lernervariablen, wie z.B. der Motivation, dem soziokulturellen
Hintergrund und den vorangegangenen Lernerfahrungen beeinflusst wird.
8. Konsequenzen für den Unterricht in multilingualen Klassen
Autonomiefördernder Zweitsprachenunterricht kann die Fähigkeit der Lernenden zur
Kontrolle über den Lernprozess u.a. dadurch steigern, dass er ihnen ein Spektrum von
Lernerstrategien vorstellt und die Möglichkeit eröffnet, in kompetenter Weise, die, der
eigenen Persönlichkeit gemäßen, Strategien auszuwählen und zu erproben (vgl. Tönshoff
1995: 241). Der didaktische Ort von Lerntechniken kann hierbei ein dreifacher sein:
unterrichtsimmanent, unterrichtsbegleitend und unterrichtsunabhängig. Es ist sinnvoll,
Auszubildende so oft wie möglich über die eigenen Lernverfahren berichten zu lassen, da
empirische Ergebnisse gezeigt haben, dass die Lernenden selbst die Hauptinformanten über
Lerntechniken sind und deren Anregungen eine hohe Akzeptanz genießen. Neben dem
Austausch und der regelmäßigen Erprobung sind metakommunikative Gespräche über
Lern(er)strategien von zentraler Bedeutung. Konkret können diese durch Merkblätter,
Wandzeitungen, u.a. unterstütz werden. (Vgl. Rampillon 1991: 7, 1995: 262)
Des Weiteren muss berücksichtig werden, dass Lernstrategien und Lerntechniken kein
einmaliges ‚Training’ darstellen, sondern systematisch eingeführt und regelmäßig über die
21
gesamte Schullaufbahn hinweg wiederholt werden müssen (vgl. Rampillon 1991: 7, Bimmel/
Ramillon 2000: 45, Sigel 2007: 29ff). Zudem ist es unabdingbar, dass
„auch Lernformen zugelassen bzw. gefördert werden, bei denen Schülerinnen und
Schüler auch wirklich selbstständig handeln können“ (Bimmel/ Rampillon 2000: 45).
Dafür bieten sich offene Unterrichtsformen verstärkt an (z.B. Lernwerkstatt, Lernstationen,
Wochenpläne, Portfolioarbeit, Lerntagebücher, u.a.m) (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 46ff,
Winter 2008: 9f, 15f, 190ff). Damit die Verfügbarkeit des Gelernten auch außerhalb der
Institution Schule wirksam wird und sich als prozedurales Wissen verfestigt, empfiehlt
Rampillon (1991: 9), dass Strategieübungen und Lerntechniken auch zu Teilen der häuslichen
Lernarbeit gemacht werden. Lerntechniken lassen sich dabei als direkte Lernziele in das
Unterrichtsgeschehen integrieren. Rampillon (1995: 161f) schlägt beispielsweise vor die
Erarbeitung der Lerntechniken Wörterbuch- und Grammatiknutzung unter dem Lernziel
‚fachbezogene Arbeitsmittel benutzen können’ zu subsumieren oder das Führen einer eigenen
Fehlerstatistik unter das Lernziel ‚fachbezogene Arbeitsmittel selbstständig fixieren und
systematisieren zu können’ einzuordnen.
Generell erfordert der systematische und kontinuierliche Einsatz von bewusstmachenden
Strategieübungen in den Unterricht allerdings auch die partielle Modifikation des Unterrichts
und seiner Rahmenbedingungen insgesamt. Lern- und Kommunikationsstrategien müssen
stärker als bisher Eingang in die Lernzielformulierungen aller Lehrplänen bzw. Richtlinien
finden (vgl. Michalak 2009: 13). Schüler und Schülerinnen sowie Lehrende werden ihre Rolle
dauerhaft redefinieren müssen. Die Unterrichtenden können den Lernenden helfen, größere
Eigenverantwortung zu entwickeln, doch die Verantwortung für einen stärker
selbstgesteuerten Lernprozess liegt letztlich bei den – nunmehr zunehmend autonom
arbeitenden - Schülern und Schülerinnen selbst. Den Lehrenden ihrerseits kommt zum einen
die Aufgabe zu, eine Lernumgebung zu schaffen, in der die Schüler und Schülerinnen die
ihnen angemessensten Strategien entdecken und erproben können. Zum anderen haben sie
alternative Techniken anzubieten und die Lernenden zur Reflexion über den eigenen
Lernprozess anzuregen. Sie wachsen damit zusehends in die Rolle eines Lernhelfers bzw. –
beraters, Lernmoderators oder Lernmanagers hinein. (Vgl. Tönshoff 1995: 243, Bimmel/
Rampillon 2000: 179, Reich 2006: 90ff) Dies entspricht ohnehin den Forderungen nach einer
neuen Lehr-Lernkultur wie sie für berufsbildende Schulen vielerorts verlangt wird (vgl. Dubs
1995: 893ff, Arnold/ Schüßler 1998: 7ff, Fegebank 2004: 116ff). Die systematische
22
Integration von Lernstrategien und Lerntechniken ist ohne entsprechend motivierte und
ausgebildete Lehrkräfte undenkbar. Sie erfordert zusätzliche Maßnahmen im Bereich der
Lehraus- und -weiterbildung (vgl. Tönshoff 1995: 243; Michalak 2009: 6ff).
Das Förderprojekt Deutsch als Zweitsprache, in dessen Rahmen diese Arbeit entstanden ist,
bietet zumindest für die Lehrkraftausbildung einen guten Ansatzpunkt (vgl. Mercator Stiftung
2007: 44; Michalak 2009: 9ff). Weitere sollten auch für Lehrkräfte mit anderen
Fächerschwerpunkten als Deutsch folgen. Es ist wahrscheinlich noch ein weiter Weg, bis
Lehrkräfte den Mut und die Sprach-, Sach- und Fachkompetenz besitzen, Lehrmaterialien
nicht als fertige Produkte zu betrachten, sondern als Ausgangsbasis, die sie zur
lernerspezifischen Adaptionen anregen sollen (vgl. Bimmel/ Rampillon 2000: 179). Zu sich
selbst und zu seinen Leistungen in Distanz treten zu können, sie kritisch zu analysieren,
Fehler bei sich selbst und dem eigenen Lernprozess zu erkennen und sich diese zuzugestehen,
die Bereitschaft, Leistungen überhaupt erbringen zu wollen, alles dies gilt es zu fördern und
durch den Einsatz von Lernstrategien auszubauen und zufestigen - sowohl bei Lernenden wie
bei Lehrenden (vgl. Rampillon 1991: 7). Insgesamt konnte in der vorliegenden Arbeit jedoch
gezeigt werden, dass eine genaue Analyse des lernersprachlichen Entwicklungsstandes die
didaktische Unterrichtsplanung unterstützen kann und mit dem ‚Lernen des Lernens’ sowohl
im Deutsch - als auch im Fachunterricht produktiv verknüpft werden kann. Allerdings wurde
auch die Abhängigkeit eines sinnvollen Einsatzes von Lerntechniken sowohl von
institutionellen Rahmenbedingungen, als auch von den Nutzern und Nutzerinnen von
Lernstrategien und –techniken selbst deutlich. Eine bekannte und geübte Lerntechnik kann
eben nur dann hilfreich sein, wenn sie in den entsprechenden Momenten auch zum Einsatz
kommt.
a
Literatur
Altmann, Hans/ Hahnemann, Suzan (2007):
Syntax fürs Examen. Studien- und Arbeitsbuch. 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Arnold, Rolf/ Schüßler, Ingeborg (1998):
Wandel der Lern-Kulturen. Ideen und Bausteine für ein lebendiges Lernen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Apeltauer, Ernst (1997):
Bilingualismus und Mehrsprachigkeit. In: Hensburger Papiere zur Mehrsprachigkeit und Kulturenvielfalt im Unterricht. Heft 19/20, S. 1-37
Bertschi-Kaufmann, Andrea et al. (2007):
Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Seelze-Velber: Klett und Balmer
Bimmel, Peter (1993): Lernstrategien im Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 8/1993 ‚Lernstraegien’, S. 4-11
Bimmel, Peter/ Rampillon, Ute (2000):
Lernerautonomie und Lernstrategien. Berlin u.a.: Langenscheidt
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e
Anhang A: Lerntechniken und sprachliche Teilkompetenzen
(nach Rampillon 1985: 26f) sprachliche
Teil-
kompetenzen
Lerntechniken, die den Voraussetzungen
beim Schüler
Lernprozeß vorbereiten Lernprozeß steuern
Wortschatz Erschließen der Bedeutung mit Hilfe der Muttersprache der Zielsprache weiterer Fremdsprachen internationaler Fremdwörter des Kontextes Benutzung eines Wörterbuches
Vokabelheft/ Vokalkartei führen Vokabelwissen aufbauen Fehlerstatistik führen Übungen durchführen Reihengliederung Klassifizierung Ablaufgliedern Assoziationsübung
Classroom Phrases
Grammatik grammatische Nachschlagewerke kennen Aufbau der eigenen Grammatik kennen Stichwortverzeichnis benutzen Visualisierungstechniken kennen
Herleiten von Grammatikregeln Regelwissen aufbauen Grammatikheft führen Präsentationstechniken Führen einer Fehlerstatistik
Alphabet
grammatische Terminologie
Aufgabenformen
Sozialformen Classroom Phrases
Hören Segmentieren sequentielles Kommbinieren erschließendes Hören pre-questions/ information search note-taking practice
note-making practice Strukturwörter u.a. Wortgruppen kennen
Aufgabenformen
Sozialformen Classroom Phrases
Lesen skimming scanning search-reading -SQ3 Methode -Murder Schema erschließendes Lesen -pre-questions -note-taking
Auswendiglernen Systematisieren des Textes Benutzung von Nachschlagewerken note-making
Alphabet Nachschlagewerke
kennen
Aufgabenformen Sozialformen
Classroom Phrases Sprechen Auswendiglernen
-vor-sich-hinsprechen -Nachsprechen -Mitsprechen -read & look up
note-making practice Bedienung eines Kassettenrekorders,
CD-Players oder MP3-Players
Aufgabenformen
f
sprachliche
Teil-
kompetenzen
Lerntechniken, die den Voraussetzungen
beim Schüler
Lernprozeß vorbereiten Lernprozeß steuern
-overlearning -stiller Monolog -Lokalisierungsmethode -bachward build up technique Vorstellungsbilder Nachschlagewerke benutzen
Sozialformen Classroom Phrases
Schreiben Abschreiben note-taking: -schnelles Notieren -Abkürzungen -Zeichen u. Symbole Outlining
note-making proof reading Fehlerstatistik führen Wörterbuch benutzen grammatisches Nachschlagewerk benutzen
Aufgabenformen Sozialformen
Classroom Phrases
Anhang B: Lernstrategien und Sprachgebrauchsstrategien
(Bimmel/ Rampillon 2000: 65ff) Direkte (kognitive) Strategien
Gedächtsnisstrategien
Beispiele Mentale Bezüge herstellen Wortgruppen bilden
Assoziationen mit dem Vorwissen verknüpfen Kontexte erfinden kombinieren (…)
Bilder und Laute verwenden Bilder verwenden Wortigel erstellen Zwischenwörter verwenden Lautverwandtschaft nutzen (…)
Regelmäßig und geplant wiederholen
Vokabelkartei verwenden (…)
Handeln Wörter und Ausdrücke schauspielerisch darstellen Sprachverarbeitungsstrategien
Strukturieren markieren
sich Notizen machen Gliederung machen zusammenfassen (…)
Analysieren und Regeln anwenden Wörter und Ausdrücke analysieren Sprachen miteinander vergleihen Kenntnisse der Muttersprache nutzen
g
Regelmäßigkeiten entdecken Regeln anwenden (…)
Üben formelhafte Wendungen erkennen und verwenden Satzmuster erkennen und verwenden die Fremdsprache kommunikativ gebrauchen (…)
Hilfsmittel anwenden Wörterbuch verwenden in einer Grammatik nachschlagen (…)
Indirekte Lernstrategien
Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens
Sich auf das eigene Lernen konzentrieren
sich orientieren Störfaktoren ausschalten (…)
Das eigene Lernen einrichten und planen
eigene Lernziele bestimmen eigene Intentionen klären ermitteln, wie gelernt werden kann organisieren (…)
Das eigene Lernen überwachen und auswerten
den Lernprozess übewachen das Erreichen der Lernziele kontrollieren Schlüsse für zukünftiges Lernen ziehen (…)
Affektive Lernstrategien
Gefühle registrieren und äußern körperliche Signale registrieren eine Checkliste benutzen ein Lerntagebuch führen Gefühle besprechen (…)
Stress reduzieren sich entspannen Musik hören lachen (…)
Sich Mut machen sich Mut einreden vertretbare Risiken eingehen sich belohnen (…)
Soziale Lernstrategien
Fragen stellen um Erklärung bitten fragen, ob Sprachäußerungen korrekt sind um Korrektur bitten (…)
Zusammenarbeiten mit Mitschülerinnen und Schülern zusammen lernen bei kompetenten Muttersprachlern Hilfe suchen (…)
Sich in andere hineinversetzen Verständnis für die fremde Kultur entwickeln sich Gefühle und Gedanken anderer bewusst machen
h
(…) Sprachgebrauchsstrategien
Vorwissen nutzen Hypothesen bilden und überprüfen
Bedeutung aufgrund sprachlicher Hinweise erraten Bedeutung aus dem Kontext ableiten (…)
„Mit allen Mitteln wuchern“ zur Muttersprache wechseln um Hilfe bitten Mimik und Gestik einsetzen Gesprächsthemen vermeiden das Thema wechseln annähernd sagen, was man meint Wörter erfinden „leere“ Wörter (Dingsda) einsetzen Umschreibungen und Synonyme (…)
Anhang C: Pretest Interviewleitfragen
Problemzentriertes Interview zu Lernstrategien in der Zweitsprache
Einleitung Es wird um Ihre Handlungen gehen, die Sie nutzen, um Deutsch zu verstehen, zu lernen und an (Fach-)Informationen zu kommen. Allgemeine Fragen
1. Erzählen Sie mir wann und wie Sie nach Deutschland gekommen sind? 2. Wo und wie haben Sie gelebt bevor Sie nach Deutschland gekommen sind? 3. Wie finden Sie das Leben in Deutschland? 4. Beschreiben Sie Ihren bisherigen Ausbildungsweg. Thematischer Schwerpunkt: Allgemeine Lernstrategien
5. Welche Lese- und Arbeitsformen haben Sie in Ihrem russischen Unterricht angewendet? 6. Machen Sie das auch in Ihrem Fach- und Deutschunterricht? (Wie?) 7. Wie haben Sie bisher Deutsch gelernt?
a. Was fällt Ihnen leicht? b. Was fällt Ihnen (noch) schwer?
8. Wann lernen Sie Deutsch? (In welchen Situationen lernen sie Deutsch?) 9. Welche Lerninhalte sind Ihnen wichtig? 10. Wo lernen Sie Deutsch? 11. Was macht Ihnen beim Lernen Spaß?
a. Wie lernen Sie am besten? b. Womit beschäftigten Sie sich am liebsten? c. Was machen Sie sehr ungern?
12. Lernen Sie mit Anderen zusammen? a. Fragen Sie bei Unklarheiten den Lehrer und/oder Mitschüler um Hilfe? b. Bitten Sie um ein Feedback zu Ihrer Sprachentwicklung?
i
c. Bitten Sie um Verbesserungsvorschläge und Hinweise durch Freunde/ Bekannte/ Lehrer / Nachbarn u.a.?
13. Warum lernen Sie? a. Was sind Ihre Lernziele? b. Was tun Sie, um diese zu erreichen? c. Was meinen Sie, fehlt noch, um sie zu erreichen?
Thematischer Schwerpunkt: Hilfsmittel
14. Welche Hilfsmittel nutzen Sie, um Deutsch zu lernen? a. z.B. Wörterbücher, b. das Internet, c. Sätze aus Texten abschreiben, d. Vokabeltrainer auf CD oder DVD e. Gesprächsanlässe wahrnehmen f. Zeitung oder Zeitschriften lesen g. Lehrbücher
15. Was tun Sie, wenn Sie Teile eines Gesprächs nicht verstehen?
a. nach typischen Wörtern suchen, b. Thematische Hinweise suchen, c. Rückfragen stellen, d. nach Satzgliedern suchen
16. Welche Rolle spielt der Lehrer beim Lernen für Sie? 17. Wenn Sie ein Wort lesen, dass Ihnen unbekannt ist, versuchen Sie dann, es sich
herzuleiten? (Wie?) 18. Wenn Ihnen ein Wort nicht einfällt: Was tun Sie dann?
a. Versuchen Sie, das Wort zu umschreiben? b. Nutzen Sie Ihre Hände und Füße zur Unterstützung? c. Schlagen Sie im Wörterbuch nach?
Thematischer Schwerpunkt: Schreib- und Lesestrategien
19. Wenn Sie selbst einen Text geschrieben haben: Was machen Sie mit dem Text? a. Lesen Sie Ihren Text anschließen noch mal durch, um ihn zu verbessern? b. Geben Sie ihn Freunden oder Bekannten zur Korrektur?
20. Wie bewerten Sie Ihre eigenen Fehler? a. Haben Sie eine eigene Fehlerliste oder Kartei mit Ihren typischen Fehlern? b. Oder eine allgemeine Lernkartei? c. Oder führen Sie ein Lerntagebuch?
21. Wie lesen Sie Texte, Zeitungen oder Zeitschriften? a. Wenn Sie einen Text lesen: Streichen Sie wichtige Teile an? b. Versuchen Sie den Text anhand von Überschriften zu erfassen? c. Machen Sie sich Notizen zum Text?
Thematischer Schwerpunkt: Informelles Lernen
22. Was sind Ihre Lieblingsfernsehrsendungen? Warum? a. Welchen Sender schauen Sie am häufigsten?
j
b. Wann sehen Sie fern? (Wie lange?) c. Mit wem schauen Sie fern? Unterhalten Sie sich über das Gesehene? d. In welcher Sprache unterhalten Sie sich über Filme?
23. Hören Sie einen Radiosender? (Welchen? Wie lange? Wann?) 24. Haben Sie viel Kontakt zu Bekannten/ Freunden aus Russland, z.B. Brief- oder E-
Mailkontakte? 25. Haben Sie viel Kontakt zu Deutschen/ deutsprachigen Personen (Vereine, Gruppen,
Bekannte)?
Anhang D: Probeinterview mit Berufsschüler2
Datum: 18.03.09 Uhrzeit: 11.40-12.30 Uhr Berufsschüler (BGJ-Metall), männlich, 25 Jahre Aufnahmequalität: schwach/ schlecht Protokolldaten: Zwischendurch immer wieder Hand vor dem Mund, wegdrehen vom Tonbandgerät, Zwischendurch: Abschaltung des Gerätes, lange Pausen, Interviewsituation erzeugt starke Unsicherheit und führt zu einem eingeschränkteren Wortschatz als im üblichen Unterrichtsgeschehen üblich Lange Pausen werden durch drei Punkte angezeigt
Allgemeine Fragen
1. Erzählen Sie mir wann und wie Sie nach Deutschland gekommen sind? Protokolldaten: Wunsch, diese Frage nicht zu stellen. Keine genaue Begründung, aber non-verbale Signale des ‚Unwohlseins’ (Kopf wegdrehen, mit den Händen spielen, Kopf schütteln). Lediglich Hinweis darauf, dass es sich um eine unangenehme Frage handelt.
2. Wo und wie haben Sie gelebt, bevor Sie nach Deutschland gekommen sind? Protokolldaten: Erste Reaktion: ausstellen des Tonbandgerätes, wiederholtes Kopfschütteln. berührtes Lachen, Kopf vom Tonband wegdrehen.
3. Einfach nur ein bisschen erzählen… Wo haben Sie gelebt? Kasachstan… russisch… Sprache
4. Wie finden Sie das Leben in Deutschland? Weiß ich nicht. Es ist okay… Es ist okay… aber (unverständlich)… Ich bin hierhergekommen… mit Frau und Tochter…und meine Eltern… in Russland…
5. Wie lange sind Sie schon in Deutschland? ähm… vier Jahre…
6. Wie war Ihre Ausbildung bisher? … Ich muss hier Neu machen… (unverständlich) habe ich schon fertig gemacht in Russland… Und in Deutschland… hier muss ich die neu machen.
7. Und haben Sie in Kasachstan schon gearbeitet?
2 Die beiden Interviewten Berufsschüler haben darum gebeten, dass die Tonbandaufgaben nicht weitergegeben werden. Die Autorin möchte aus ethischen Gründen diesem Wunsch folgen, weshalb die Aufnahmen dieser Ausarbeitung nicht angefügt sind.
k
Ja, hab’ ich – fast zwei Jahre, glaube ich… und dann ich kommen nach Deutschland (unverständlich)
Thematischer Schwerpunkt: Allgemeine Lernstrategien
8. Wie haben Sie in Kasachstan gelernt? (unverständlich) Praxis auch … (unverständlich) Es gibt so auch Theorieunterricht und Praxisunterricht… ähm… und ähm … Schule auch bisschen … Chemie
9. Und wie haben Sie z.B. chemische Formeln gelernt? Nein… habe ich vergessen … (unverständlich) Gestern, ich habe viel geschrieben. Bisschen im Unterricht. Das.. hab ich (unverständlich) eine drei (unverständlich) Klausuren (unverständlich)
10. Und wenn Sie sich auf eine Klausur vorbereiten, was machen Sie dann? … auch Tests, so was? (unverständlich) vorleben (unverständlich) abgeheftet (unverständlich) Praxis (unverständlich) bei Kontrolle, Kontrollarbeit. (seufzen) Wir haben geschrieben … ich nicht verstehen
Protokolldaten: ausschalten des Tonbandgerätes durch den Schüler
11. Was haben Sie gemacht, um sich auf die Kontrollarbeit vorzubereiten? (unverständlich) Mitschriften (unverständlich) hmmm …
12. Wie haben Sie bisher Deutsch gelernt? (…) (unverständlich) hm, sprechen zu lernen. Ich haben Sprechkurs gemacht. Also, (…) Den habe ich gemacht (…) ein bisschen (…) hier drin … hier in Lüneburg.
Protokolldaten: Gestik Richtung Innenstadt
13. Was fällt Ihnen leicht zu lernen? Weiß ich nicht. Alles schwer… (unverständlich) … schwer alles (lacht) kann nicht korrigieren (…) das fällt mir (…) (unverständlich) Deutsch (unverständlich) ich muss … Beruf (unverständlich)
Protokolldaten: verlegenes Lachen
14. Was macht Ihnen beim Lernen Spaß? … Schule … nicht … außer Spaß (unverständlich) Praxis … Nicht so kaputt … habe ich selbst gemacht (unverständlich)
15. Lernen Sie mit Freunden oder Bekannten zusammen? Theorie? … Hmm … keine Freunde hier (unverständlich) kann ich nicht versteh … (unverständlich) Nachbarn … manchmal (unverständlich)
Protokolldaten: Kopfschütteln, Hinweis von der Interviewerin, dass es auf den Band nicht zu sehen ist. Thematischer Schwerpunkt: Hilfsmittel
16. Wenn Sie Deutsch lernen, nutzen Sie irgendwelche Hilfsmittel, z.B. Wörterbücher, das Internet oder andere Materialien?
… habe ein Wörterbuch … manchmal (unverständlich) oft nicht (unverständlich) Protokolldaten: Kopfschütteln, Körper nach vorne gebeugt, Meidung von Augenkontakt
17. Lesen Sie deutsche Zeitungen? Nee (…) ja. (unverständlich) Bild (unverständlich)
l
18. Was tun Sie, wenn Sie zum Beispiel den Lehrer nicht verstehen? Hmm? (unverständlich) nachfragen (unverständlich) Ich versteh … Hmm … vor und nachher … (unveständlich)
Protokolldaten: ausschalten des Tonbandgerätes
19. Welche Rolle spielt der Lehrer beim Lernen für Sie? Protokolldaten: Frage nicht verstehbar, Wunsch nach Auslassung, Schultern zucken, Tonband ausgeschaltet, nachfrage
20. Welche Bedeutung hat Schule für Ihr Lernen? Das (…) hmm (…) mit Sprache nee (…) für Sprache weniger (…) (unverständlich) Die Leute nur 60 Prozent davon (…) Ich hab mit Freunden (…) aus Polen kam (…) in den Pausen gelernt, ja.
21. Wenn Ihnen ein Wort nicht einfällt: Was tun Sie dann? Ist schwierig… (unverständlich) Ich sag dann nichts und (unverständlich) schwere Situation… mit Beispiele …
Protokolldaten: wegwerfende Handbewegung Thematischer Schwerpunkt: Schreib- und Lesestrategien
22. Wenn Sie selbst einen Text geschrieben haben: Was machen Sie mit dem Text? Einen Punkt … Ich nicht Texte … (unverständlich) geschrieben (unverständlich) Brief? … Lesen (unverständlich) Sprachkurs … nicht so viele schreiben (unverständlich)
23. Was machen Sie, um Fehler zu verbessern? Zum Beispiel eine Fehlerliste oder
Karteikarten? (unverständlich) nichts (unverständlich) nein… Liste (unverständlich) nicht schreiben (unverständlich)
24. Wenn Sie einen Text im Unterricht lesen, streichen Sie sich dann etwas an? (…) Hm (…) jaaa, Texte schwierig (unverständlich) wenig … weniger …. Ganz wenig Texte
25. Werden denn in der Schule so wenig Texte gelesen? Hier. Ja. (unverständlich) nicht viel, hören wir was (unverständlich) … Lehrer erzählt … schreiben (unverständlich)
Protokolldaten: Zeigen auf die Tafel, Schreibbewegung mit der Hand Thematischer Schwerpunkt: Informelles Lernen
26. Was gucken Sie am liebsten im Fernsehen? (unverständlich) Ja, das hier (unverständlich) nich fernseh … (unverständlich) diese Film (unverständlich) … zwei Stunden … pro Tag (unverständlich)
27. Unterhalten Sie sich in Ihrer Familie über die Filme? (unverständlich) nicht auf Deutsch …
Protokolldaten: Ausschalten des Tonbandgerätes, verschämter Hinweis auf russisch als familiäre Standardsprache
28. Hören Sie einen Radiosender? Manchmal… wenn ich fahre Fahrrad …
m
29. Haben Sie viel Kontakt zu Deutschen, die hier seit ihrer Geburt leben? Nicht viel…ich nicht (unverständlich) bei Arbeit … Klasse (unverständlich) Freizeit zu Hause … spazieren gehen …
Anhang E: Revision Interviewleitfaden
Halboffenes Interview zu Lern(er)strategien in der Zweitsprache
Gestaltung: Hinweis auf Anonymität, thematische Erklärung, Puzzleteile mit Text und Bildern als Beispiele � gern andere nennen!
Allgemeine Fragen
1. Wann und wie sind Sie nach Deutschland gekommen? 2. Was sind Ihre Lieblingsfernsehsendungen? 3. Unterhalten Sie sich über das Gesehene? 4. Haben Sie viel Kontakt zu Bekannten/ Freunden aus Russland, z.B. Brief- oder E-
Mailkontakte? 5. Haben Sie viel Kontakt zu Deutschen/ deutsprachigen Personen (Vereine, Gruppen,
Bekannte)? 6. Warum lernen Sie?
Regulierung des eigenen Lernens
7. Wie haben Sie in Ihrer Heimat gelernt? (im gesamten Unterricht und zu Hause)
Puzzleteile: Texte markieren, Notizen machen, Gliederungen, Texte zusammenfassen, Lehrer fragen, Freunde fragen, mit anderen lernen, Bilder/ Grafiken verwenden, Übungen aus Lehrbüchern, Pausen, Selbstbelohnung, ?, ?, ?
8. In welchen Situationen lernen Sie Deutsch? Puzzleteile: Fernsehsituation, Schreibtischsituation, Schulbanksituation, Schülergespräch, Lehrergespräch, Bücherhaufen, Abfrage von Familienmitgliedern, Sportaktivitäten ?, ?, ?
9. Wie lernen Sie Deutsch?
Puzzleteile: Wortgruppen, Mind-Maps, Bilder verwenden, mit anderen zusammen lernen, allein, mit den Lehrern, Vokabelkartei, Fehlerliste, Sprachen vergleichen, Regeln lernen, Regeln anwenden, Sätze auswendig lernen, mit Freunden sprechen, Freunde fragen, Lehrer fragen, Wörterbücher nutzen, in einer Grammatik nachschlagen, Internet benutzen, Sätze aus Texten abschreiben, Lerntrainings auf CD/ DVD, Zeitung/ Zeitschriften lesen, Lehrbuch, ?, ?, ?
10. Wer gibt Ihnen Lerntipps? 11. Was erwarten Sie von Ihren Lehrern? (Wer entscheidet darüber, was Sie lernen?)
Rezeptive Lern(er)strategien
(Hören & Lesen)
12. Was tun Sie, wenn Sie ein (oder mehrere) Worte nicht verstehen? (im Gespräch oder im Text) Puzzleteile: Wörter suchen, Wort umschreiben, Hände und Füße nutzen, Rückfragen stellen, aus dem Zusammenhang herleiten, notieren, Internet, das Thema wechseln, Wörterbuch nutzen, ?, ?, ?
n
13. Was tun Sie, wenn Sie einen Text (Lehrbuch, Fachtexte, Zeitschriften, Freizeitbücher) lesen? Puzzleteile: Grafiken zeichnen, Text markieren, zusammenfassen, Bemerkungen an den Rand, den Text gliedern, Überschriften rausschreiben, Wörter rausschreiben, Grammatik nachschlagen, Notizen machen, ?, ?, ?
Produktive Lern(er)strategien
(Schreiben & Sprechen) 14. Was machen Sie, bevor Sie einen Text schreiben?
Puzzleteile: Ober- und Unterbegriffe sammeln, zusammenfassen, schöne Worte sammeln, Gliederung machen, Sätze sammeln, Wörterbücher nutzen, Mins-Maps, ?, ?, ?)
15. Wenn der Text fertig ist, was machen Sie mit dem Text? Puzzleteile: noch mal durchlesen, später noch mal durchlesen, weglegen, Freunden/ Verwandten geben, Lehrern geben, auf Fehler untersuchen, ?, ?, ?
16. Was machen Sie, wenn Ihnen eigene Fehler auffallen? Puzzleteile: Fehlerliste, Fehlerkartei, Kontrolle, sich ärgern, schnell vergessen, Fehler verstecken, ?,?,?
17. Was machen Sie, wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich Ihren Freunden oder Lehrern mitzuteilen? Puzzleteile: Sätze auswendig lernen, Thema vermeiden, schweigen, umschreiben, Wörter erfinden, nachfragen, Hände und Füße nutzen, ?, ?, ?
Abschlussfrage
18. Gibt es noch etwas, dass Sie über das Lernen sagen möchten?
o
Anhang F: Interview Berufsschüler
Datum: 13.05.09 Uhrzeit: 13.30-14.10 Uhr Berufsschüler, männlich, 20 Jahre Berufsschulfach: Metalltechnik, Ziel: Realschulabschluss Herkunft: Usbekistan (ehemalige UDSSR) Protokolldaten: hält Blickkontakt, zeigt sich freundlich und humorvoll, seine Hände liegen zusammengefaltet auf dem Tisch, der Oberkörper ist nach vorn geneigt, der Interviewerin zugeneigt, zeitweise schweift der Blick über die Memokarten. Die meisten Strategien beschreibt er aber ohne Blick auf die Karten.
Allgemeine Fragen
1. Wann und wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
Ich bin am 23.09.1998 nach Deutschland. So mit 9 Jahren. Mit den Flugzeug… (lacht) mit meinen Eltern, die wollten das.
2. Was sind Ihre Lieblingsfernsehrsendungen? Ja, nicht so… Alarm für Cobra 11, Kriminalserien, CSI und so. Alles auf Deutsch.
3. Unterhalten Sie sich über die Serien? Ich unterhalte mich darüber, was da, los ist, in der Schule, mit Freunden.
4. Haben Sie viel Kontakt zu Bekannten/ Freunden aus Russland, z.B. Brief- oder E-Mailkontakte?
Ja, wir telefonieren mit Bekannte so einmal im Jahr, zum Geburtstag und so.
5. Haben Sie viel Kontakt zu Deutschen/ deutsprachigen Personen (Vereine, Gruppen, Bekannte)?
Vereine nicht, aber im Freien, so Fußballspielen, da hab’ ich so Freunde. Auch so best Freund. Der ist Deutscher.
6. Warum lernen Sie? Lernen Deutsch? Um besser unterhalten mit Leuten. Reden, verstehen. Auch im Beruf, was der Chef will von mir, was ich so machen muss. Das mit dem Unterhalten klappt gut.
Regulierung des eigenen Lernens
7. Wie haben Sie in Ihrer Heimat gelernt? (im gesamten Unterricht und zu Hause)
Ich bin in Russland mit 8 Jahren eingeschult. Also nicht viel Schule. In Usbekistan nicht, da gab es schon da, aber in höheren Klassen so… so. Da gab Deutsch, Englisch
8. In welchen Situationen lernen Sie Deutsch? (Einsatz der Memokarten) Nach Deutschland kam, habe ich so Klassen. Also, so schulischen Unterricht. Da kam dann ein Lehrer extra .. Ja, ich konnte kein Wort … Und da haben wir so erstmal Buchstaben gelernt, weil russisch so ein bisschen andere... Es gibt sehr ähnliche, sogar gleiche Buchstaben. Aber ganz viele sind auch verschieden. A ist gleich, K, S ist wie C. Aussprache gelernt, die Aussprache der Buchstaben. Ich hab oft so oft aufgeschrieben AAAAA . Und dann haben wir Wörter gebastelt. Und Wortreihen.
p
9. Wer gibt Ihnen Lerntipps? So Hausaufgaben? Meine Oma früher konnte als Russin, hat sie so … Oma so konnte schon Deutsch sprechen. Weil von früher… eigentlich kommt von meine Mutter, die Oma, kommt eigentlich aus Deutschland. Die sind ausgerissen. Von Kindheit irgendwie hat sie dann rausgekommen. Die konnte von Kindheit so Deutsch. Als wir nach Deutschland gekommen ist irgendwie eingefallen so. Von Kindheit … kam einfach. Und da hat sie mich immer Hausaufgaben geholfen so.
10. Was erwarten Sie von Ihren Lehrern? Hm. Schwere Frage … Wenn man nicht versteht, manche Lehrer sprechen so undeutlich. Oder an die Tafel schreiben sie so nicht ganz so genau.
11. Wer entscheidet darüber, was Sie lernen? Eigentlich ich selbst, oder nicht?
Rezeptive Lern(er)strategien
(Hören & Lesen)
12. Was tun Sie, wenn Sie ein (oder mehrere) Worte nicht verstehen? (im Gespräch oder im Text)
Ja, Freunde fragen so. Wenn in Schule, dann Lehrer fragen oder Mitschüler fragen. Zu Hause Familien oder Wörterbuch. Körper nicht so. Grammatik manchmal. Klappt gut. Als angefangen, ist natürlich immer (…), aber wenn du schon weißt. Bücher nachschlagen oder der Freund, der was weiß, fragen. Familie.
13. Was tun Sie, wenn Sie einen Text (Lehrbuch, Fachtexte, Zeitschriften, Freizeitbücher) lesen?
Langsam lesen, wenn laut … Deutsch, langsam, dass man versteht. Allein, ich lese leise. Markiren auch, was wichtig ist und was nicht. (Nachfrage: rausschreiben) Rausschreiben eigentlich nicht so.
Produktive Lern(er)strategien
(Schreiben & Sprechen) 14. Was machen Sie, bevor Sie einen Text schreiben?
(…) Keine Ahnung. Überlegen, was schreiben soll. Thema, schon. Vokabeln schlage ich dann.
15. Wenn der Text fertig ist, was machen Sie mit dem Text? Noch mal durchlesen, dass da Fehler is’ und wenn ich nich’ sicher bin, dann auch noch nachschlagen. Wörter und Grammatik – im Duden, so ‚n dicke.
16. Was machen Sie, wenn Ihnen eigene Fehler auffallen? Ich hab’ keine Liste, schreib nicht raus Fehler.
17. Gibt es noch etwas, dass Sie über Ihr Lernen sagen möchten?
q
Ja, am Anfang, ich hab wiederholt. Dann konnte schon. Anfang hab 1 ½ Stunde gelernt. Meine Oma hat mich .. Früher ich hab Vokabelkartei. Heute Faulheit.
r
Anhang G: Aufgabe ‚Schreibtisch’ und Text
Wir bauen einen Schreibtisch!
Beschreiben Sie den Bau dieses Schreibtisches entsprechend der bildlichen Darstellung!
s
t
Anhang H: Aufgabe ‚E-Mail’ und Text
1. Was fällt Ihnen an der SMS auf?
2. Formulieren sie eine höfliche E-Mail an Herrn Schmidt, der den Inhalt der SMS
wiedergibt.
Hallo Schmidt,
ich bin Tim. Ich bin heute krank. Heute kein
Unterricht.
Tim E-Mail an Herrn Schmidt:
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Anhang I: Lehrwerkexempel
Quelle: Dillinger et al. (2008): Metalltechnik Grundbildung. 6., überarb. Aufl. Haan-Gruiten: Europa-Lehrmittel
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