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17 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 46 • 04/2015 | Licht im „Kreatinin-blinden“ Bereich | Medizin der Nierenfunktion sowie der Albuminaus- scheidung im Urin als Marker einer morpho- logischen Nierenschädigung. 2 Goldstandard zur Bestimmung der GFR ist die direkte Messung nach Applikation exo- gener Marker (Inulin, Iohexol, 51 Cr-EDTA, 99m Tc DTPA, 125 I-Iothalamat etc.), was für die medizinische Praxis jedoch zu aufwändig und teuer ist. Hierfür bevorzugt man endo- gene Marker (Kreatinin und Cystatin C), die allerdings von verschiedenen nicht-GFR- abhängigen Determinanten beeinflusst wer- den und somit keine exakte Ermittlung der Nierenfunktion erlauben. Kreatinin – viele Einflussgrößen Das bereits 1847 identifizierte Kreatinin ist zwar seit dem Jahr 1926 als Filtrationspa- rameter etabliert, aufgrund seiner äußerst komplexen Kinetik ist es jedoch a priori kein geeigneter Marker für die Beurteilung der GFR. 3 So wird die Kreatinin-Vorstufe (das Kreatin) in der Leber und Niere gebil- det. Kreatinin selbst wird als Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels in die Zirkulation freigesetzt und anschließend nicht nur glomerulär filtriert, sondern auch tubulär sezerniert und extrarenal über den Verdau- ungstrakt ausgeschieden. Der Kreatinin-Wert im Serum oder Plasma unterliegt somit zahlreichen GFR-unabhän- gigen Einflussgrößen und ist abhängig von O der Leberfunktion O der Muskelmasse O der Ernährung O dem Alter, dem Geschlecht und der Abstammung O der tubulären Nierenfunktion O der Darmflora. Ein „normaler“ Kreatinin-Wert von1,0mg/dL (88 μmol/L) kann daher einer GFR-Range von 20–150 mL/min/1,73m 2 entsprechen. 4 Pathologisch erhöhte Konzentrationen las- sen sich in der Regel erst dann nachweisen, wenn die Nierenfunktion bereits um mehr als 50 % vermindert ist („Kreatinin-blinder Bereich“). Das bedeutet: Kreatinin ist als Frühmarker einer Nierenerkrankung unge- eignet. Darüber hinaus stören vielfältige Faktoren (z. B. spektrale/chemische Inter- ferenz mit Bilirubin, Glucose, Ketonen und zahlreichen Medikamenten) die in der Pra- xis am häufigsten eingesetzte Bestimmungs- methode des Kreatinins nach Jaffé und ver- fälschen die Ergebnisse zusätzlich. 5 Formeln – besser, aber suboptimal In den letzten Jahren gab es große Anstren- gungen zur Entwicklung von Schätzformeln. Ziel ist es, basierend auf der Kreatinin- konzentration im Serum oder Plasma und unter Berücksichtigung der Einflussgrößen Alter, Geschlecht und Abstammung eine „geschätzte GFR“ (eGFR, estimated GFR) als vergleichbares und präziseres Ergebnis der Nierenfunktion zu berechnen. Diese eGFR erhält in den aktuellen KDIGO-Leitlinien den Vorzug gegenüber der alleinigen Konzentra- tionsangabe des Serum- (Plasma-) Kreatinins. 2 Streng genommen gelten die Schätzformeln allerdings nur für die Patientenpopulation, in der sie jeweils ermittelt wurden – die 1999 Der Verlust der Nierenfunktion bedeutet eine starke Einschränkung der Lebensqualität betroffener Patienten. Komorbiditäten, allen voran Herz-Kreislauf-Erkrankungen, lassen die Mortalitätsrate bereits in frühen Sta- dien der Niereninsuffizienz stark ansteigen. 1 Die Schädigung und der damit verbundene Funktionsverlust der Nieren entwickeln sich bei Vorliegen chronischer Systemerkrankun- gen wie Diabetes mellitus meist über einen Zeitraum von mehreren Jahren. 2 Allerdings werden die Frühstadien der Nierenschädi- gung mit der Chance zur therapeutischen Intervention bedauerlicherweise häufig nicht erkannt oder in ihrer Bedeutung unterschätzt. Mit Cystatin C steht ein Laborparameter zur Verfügung, der helfen kann, diese unbefriedi- gende Situation zu verbessern. Viele können davon profitieren, denn die Zahl niereninsuf- fizienter Patienten steigt stetig an. Die aktuellen KDIGO- („Kidney Disease Improving Global Outcomes“) Leitlinien definieren und klassifizieren sowohl die akute Nierenschädigung als auch die chro- nische Nierenerkrankung basierend auf der glomerulären Filtrationsrate (GFR) als Maß Licht im „Kreatinin-blinden“ Bereich Prof. Dr. med. Martin Fiedler, INSELSPITAL, Universitätsspital Bern fotolia/Africa Studio

Licht im „Kreatinin-blinden“ Bereich - roche.de · publizierte MDRD-Formel („M odification of Diet in Renal Disease“) beispielsweise bei ambulanten Patienten mit stabiler

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Diagnostik im Dialog • Ausgabe 46 • 04/2015 | Licht im „Kreatinin-blinden“ Bereich | Medizin

der Nierenfunktion sowie der Albuminaus-scheidung im Urin als Marker einer morpho-logischen Nierenschädigung.2

Goldstandard zur Bestimmung der GFR ist die direkte Messung nach Applikation exo-gener Marker (Inulin, Iohexol, 51Cr-EDTA, 99mTc DTPA, 125I-Iothalamat etc.), was für die medizinische Praxis jedoch zu aufwändig und teuer ist. Hierfür bevorzugt man endo-gene Marker (Kreatinin und Cystatin C), die allerdings von verschiedenen nicht-GFR-abhängigen Determinanten beeinflusst wer-den und somit keine exakte Ermittlung der Nierenfunktion erlauben.

Kreatinin – viele Einflussgrößen Das bereits 1847 identifizierte Kreatinin ist zwar seit dem Jahr 1926 als Filtrationspa-rameter etabliert, aufgrund seiner äußerst komplexen Kinetik ist es jedoch a priori kein geeigneter Marker für die Beurteilung der GFR.3 So wird die Kreatinin-Vorstufe (das Kreatin) in der Leber und Niere gebil-det. Kreatinin selbst wird als Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels in die Zirkulation freigesetzt und anschließend nicht nur

glomerulär filtriert, sondern auch tubulär sezerniert und extrarenal über den Verdau-ungstrakt ausgeschieden.

Der Kreatinin-Wert im Serum oder Plasma unterliegt somit zahlreichen GFR-unabhän-gigen Einflussgrößen und ist abhängig vonO der LeberfunktionO der MuskelmasseO der ErnährungO dem Alter, dem Geschlecht und der

AbstammungO der tubulären NierenfunktionO der Darmflora.

Ein „normaler“ Kreatinin-Wert von 1,0  mg/dL (88 μmol/L) kann daher einer GFR-Range von 20–150 mL/min/1,73m2 entsprechen.4 Pathologisch erhöhte Konzentrationen las-sen sich in der Regel erst dann nachweisen, wenn die Nierenfunktion bereits um mehr als 50 % vermindert ist („Kreatinin-blinder Bereich“). Das bedeutet: Kreatinin ist als Frühmarker einer Nierenerkrankung unge-eignet. Darüber hinaus stören vielfältige Faktoren (z. B. spektrale/chemische Inter-ferenz mit Bilirubin, Glucose, Ketonen und zahlreichen Medikamenten) die in der Pra-xis am häufigsten eingesetzte Bestimmungs-methode des Kreatinins nach Jaffé und ver-fälschen die Ergebnisse zusätzlich.5

Formeln – besser, aber suboptimalIn den letzten Jahren gab es große Anstren-gungen zur Entwicklung von Schätzformeln. Ziel ist es, basierend auf der Kreatinin-konzentration im Serum oder Plasma und unter Berücksichtigung der Einflussgrößen Alter, Geschlecht und Abstammung eine „geschätzte GFR“ (eGFR, estimated GFR) als vergleichbares und präziseres Ergebnis der Nierenfunktion zu berechnen. Diese eGFR erhält in den aktuellen KDIGO-Leitlinien den Vorzug gegenüber der alleinigen Konzentra- tionsangabe des Serum- (Plasma-) Kreatinins.2

Streng genommen gelten die Schätzformeln allerdings nur für die Patientenpopulation, in der sie jeweils ermittelt wurden – die 1999

Der Verlust der Nierenfunktion bedeutet eine starke Einschränkung der Lebensqualität betroffener Patienten. Komorbiditäten, allen voran Herz-Kreislauf-Erkrankungen, lassen die Mortalitätsrate bereits in frühen Sta-dien der Niereninsuffizienz stark ansteigen.1 Die Schädigung und der damit verbundene Funktionsverlust der Nieren entwickeln sich bei Vorliegen chronischer Systemerkrankun-gen wie Diabetes mellitus meist über einen Zeitraum von mehreren Jahren.2 Allerdings werden die Frühstadien der Nierenschädi-gung mit der Chance zur therapeutischen Intervention bedauerlicherweise häufig nicht erkannt oder in ihrer Bedeutung unterschätzt. Mit Cystatin C steht ein Laborparameter zur Verfügung, der helfen kann, diese unbefriedi-gende Situation zu verbessern. Viele können davon profitieren, denn die Zahl niereninsuf-fizienter Patienten steigt stetig an.

Die aktuellen KDIGO- („Kidney Disease Improving Global Outcomes“) Leitlinien definieren und klassifizieren sowohl die akute Nierenschädigung als auch die chro-nische Nierenerkrankung basierend auf der glomerulären Filtrationsrate (GFR) als Maß

Licht im „Kreatinin-blinden“ BereichProf. Dr. med. Martin Fiedler, INSELSPITAL, Universitätsspital Bern

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publizierte MDRD-Formel („Modification of Diet in Renal Disease“) beispielsweise bei ambulanten Patienten mit stabiler chroni-scher Niereninsuffizienz und einer GFR von 20–60 mL/min/1,73m². Bei Patienten außer-halb dieses GFR-Bereiches oder mit schwe-ren Begleiterkrankungen sowie bei Kindern, Schwangeren, Adipösen, Erwachsenen > 75 Jahren, Patienten mit akutem Nierenversa-gen etc. lässt sich die MDRD-Formel nicht oder nur mit größter Vorsicht anwenden.

Die MDRD-Formel unterschätzt zusätzlich die Nierenfunktion im Bereich >  60 mL/min/1,73m² was zu einer Überdiagnose von Patienten mit chronischer Niereninsuffi-zienz führen kann. Dies soll die 2009 ent-wickelte differenziertere CKD-EPI-Formel („Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration“) vermeiden.6 Eine Metaana-lyse belegt, dass die CKD-EPI-Formel die Anzahl der Patienten mit fälschlicherweise diagnostizierter Niereninsuffizienz verrin-gert und die Prognose präziser einschätzt.7

Trotzdem: Die Schätzformeln berücksich-tigen die komplexen Einflussgrößen des Kreatinins nur bedingt. Frühe Formen der Niereninsuffizienz, die Beurteilung von Pati-enten mit starken Abweichungen der Mus-kelmasse oder komplexen Begleiterkran-kungen (z. B. Leberzirrhose und Tumoren) sowie von Kinder oder Alten bleiben eine diagnostische Herausforderung.

Cystatin C – valider MarkerCystatin C (entdeckt 1979) gilt seit 1985 als geeigneter Marker der GFR.8,9 Es handelt sich um einen Cystein-Protease-Inhibitor mit einem Molekulargewicht von 13 kDa, der von den meisten kernhaltigen Zellen

mit konstanter Rate gebildet und nahezu ausschließlich mittels glomerulärer Filtra-tion aus dem Blut eliminiert wird. Daraus resultieren wichtige Vorteile gegenüber Kreatinin (Kasten rechts).

Cystatin  C ist ein endogener Marker mit weniger komplexer Kinetik. Zu den bekann-ten GFR-unabhängigen Determinanten zählen Schilddrüsenerkrankungen und Ste-roide, die vermutlich über Veränderungen im Zellstoffwechsel die Serumkonzentration von Cystatin C beeinflussen können.20

Trotz seiner klaren Überlegenheit gegenüber Kreatinin spielt Cystatin C jedoch eine eher untergeordnete Rolle in der Labormedizin. Gründe hierfür sind die höheren Kosten, das nach wie vor unvollständige Wissen bezüg-lich der Einflussgrößen auf die GFR sowie die mangelnde Assay-Standardisierung.5 Zwei wichtige Fortschritte haben allerdings inzwischen zu einer deutlichen Verbesse-rung seiner Positionierung als Marker der GFR geführt: O Standardisierung: Seit 2010 steht ein

zertifiziertes internationales Referenz-material (ERM-DA471/IFCC) zur Verfügung, das die Rückführbarkeit der Analysenergebnisse garantiert. Die Standardisierung hat die Variabilität zwi-schen den verschieden Assays gesenkt und damit die Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Labore deut-lich verbessert.16

O Cystatin-C-basierte Schätzformeln: 2012 hat die CKD-EPI 2012 eine prä-zise Schätzformel zur Ermittlung der eGFRCystatin C sowie der kombinierten eGFRKreatinin-Cystatin C publiziert.17 Seit 2014 steht auch die Ethnien-unabhän-

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Medizin | Licht im „Kreatinin-blinden“ Bereich | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 46 • 04/2015

Vorteile von Cystatin C gegen-über Kreatinin

O Cystatin C korreliert, insbesondere im Bereich von 30–90mL/min/1,73m² besser mit der GFR und besitzt eine höhere diagnostische Sensitivität. Cystatin C bringt somit Licht in den „Kreatinin-blinden“ Bereich4,10 und erfasst auch frühe Stadien einer chro-nischen Nierenerkrankung. Cystatin C eignet sich insbesondere für das Screening von Patienten mit erhöh-tem Risiko für die Entwicklung einer Nierenerkrankung.11

O Cystatin C reagiert schneller bei akuter Nierenschädigung.12

O Cystatin C kann auch bei Patienten mit Leberzirrhose als Marker der GFR verwendet werden.13

O Die Serumkonzentration von Cysta-tin C ist ungefähr ab dem 2. Lebens-jahr stabil, wodurch sein Einsatz sowohl bei Kindern wie auch bei älteren Personen möglich ist.

O Cystatin C ist ein guter Prädiktor für die kardiovaskuläre Mortalität, die Gesamtmortalität, sowie für das Risiko der Entwicklung einer termi-nalen Niereninsuffizienz.15 Interes-santerweise korrelieren auch andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie CRP, HDL-Cholesterin und das Taille-Hüfte-Verhältnis mit Cysta-tin C. Dies könnte darauf zurück-zuführen sein, dass Cystatin C in Adipozyten gebildet wird und somit zusätzliche kardiovaskuläre Risikoas-pekte wie Adipositas, Inflammation und Diabetes mellitus widerspiegelt.

Zahlreiche GFR- unabhängige Faktoren beeinflussen den Kreatinin-Wert.

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gigere CAPA- (caucasian, asian, pedi-atric, adult) bzw. Grubb-Formel zur Verfügung, die neben der Cystatin-C-Serumkonzentration nur noch das Alter des Patienten berücksichtigt und sich

auch für Kinder eignet.16 Darüber hinaus wurde im Rahmen der „Berlin Initiative Study“ (BIS) eine Schätzformel für Pati-enten > 70 Jahre etabliert.18

Cystatin C ergänzt das diagnostische Spek-trum zur Beurteilung der Nierenfunktion. Demzufolge hat die Cystatin-C-basierte eGFR für definierte Indikationen Eingang in die aktuellen KDIGO-Leitlinien gefunden (Kasten links).2

Cystatin C besitzt gegenüber Kreatinin für die präzise Ermittlung der eGFR eindeutige Vorteile. Das Ziel muss also sein, diejenigen Patientengruppen, die von der Cystatin-C-Bestimmung profitieren noch genauer zu charakterisieren und darauf basierend den Parameter besser in den diagnostischen Leit-linien zu positionieren.

Literatur 1 Go A.S et al: N Engl J Med. (2014); 351:1296–1305 2 KDIGO: Clin Practice Guideline for the Evaluation and

Management of Chronic Kidney Disease (2012): 1–163 3 Levey AS et al: Clin Chem(2014); 60:916–919 4 Meeusen JW et al: Clin Chem (2014); 60:1036–1039 5 Levey AS et al: JAMA (2015); 313:837–846 6 Levey AS et al: Ann Intern Med (2009); 150:604–612 7 Matsushita K et al: YAJKD (2012); 60:241–249 8 Löfberg H et al: Scand. J. Clin Lab Invest (1979); 39:619–

626 9 Grubb A. et al: Acta Med Scand (1982); 218:499–503 10 Artunc FH et al: International Journal of Cardiology

(2005); 102:173–178 11 Perkins BA et al: Journal of the American Society of

Nephrology (2005); 16:1404–1412 12 Herget-Rosenthal S et al: Clin. Chem. (2004); 66:1115–

1122 13 Orlando R et al: Clin Chem (2002); 8:850–858 14 Wasen E et al: Clin Chem (2002); 48:1138–1140 15 Shlipak MG et al: N Engl J Med (2013); 369:932–943 16 Grubb A et al: Clin. Chem. (2014); 60:974–986 17 Inker LA et al: N Engl J Med (2012); 367:20–29 18 Schaeffner ES et al: Ann Intern Med (2012); 157:471–481 19 Shlipak MG et al: YAJKD (2013); 62:595–603 20 Chew J et al: Clin Biochem Rev (2008); 29:47–62

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Martin Fiedler Direktor und Chefarzt Zentrum für Labormedizin Universitätsinstitut für Klinische Chemie Inselspital – Universitätsspital Bern Freiburgstr. 4 CH-3010 Bern [email protected]

Für Sie gelesenLooking for a Better Creatinine

In ihrem Review zum Thema „Auf der Suche nach einem besseren Kreatinin” formulieren die Autoren folgende Ein-schätzungen*:O Unter Verwendung der derzeit

gültigen Berechnungsformeln eig-nen sich Kreatinin und Cystatin C im Wesentlichen gleichwertig zur Abschätzung der GFR (glomeruläre Filtrationsrate)

O Für absehbare Zeit wird Kreatinin der Nierenmarker in der Routine bleiben, denn Kreatinin ist flächendeckend verfügbar, deutlich billiger und den Klinikern weitaus vertrauter. Außer-dem sind derzeitige Kreatinin-Tests verglichen mit ihren Vorgängerversio-nen besser standardisiert.

O Allerdings besitzt der Parameter Cystatin C Eigenschaften, die ihn in bestimmten klinischen Situationen sehr nützlich machen. Im Gegensatz zum Kreatinin wird der Serumwert von Cystatin C nicht vom Muskel-stoffwechsel beeinflusst. Daher liefert Cystatin C die verlässlichere GFR bei Patienten mit abnormaler Muskel-masse, beispielsweise bei sehr alten oder mangelernährten Menschen.

O Cystatin C zeigt sich darüber hinaus bei der Risikostratifizierung überle-gen: bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (basierend auf der GFRKrea) und bei Hochrisikopatien-ten für eine chronische Niereninsuffi-zienz konnte die GFRCystC diejenigen Personen mit dem höchsten Risiko für negative Outcomes (Mortalität und terminale Niereninsuffizienz) identifizieren (GFRCystC < GFRKrea). Umgekehrt scheinen Patienten mit GFRCystC > GFRKrea eine bessere Prognose zu haben und daher kein intensiviertes Follow-up zu benötigen.

O Die bisherigen Ergebnisse zum Thema Risikostratifizierung unterstützen die Forderung nach prospektiven Manage-mentstudien mit Cystatin C.

* Meeusen JW, Lieske JC: Clinical Chemistry (2014); 60(8):1036–1039

Ansprechpartner: Claudia Storm Produktmanagement Serum Work Area, 0621 759-8799, [email protected]

KDIGO-Leitlinien zum Einsatz einer Cystatin-C-basierten eGFR

O Bestätigungsdiagnostik bei Patienten mit leichter und moderater Nie-renfunktionseinschränkung (eGFR 45–59 mL/min/1.73 m2) ohne Albu-minurie oder andere Hinweise auf morphologische Nierenschädigungen. Im Rahmen einer umfangreichen Metaanalyse konnte bei dieser Patien-tengruppe durch die eGFRCystatin C in 42 % der Fälle eine Reklassifikation in eine meist günstigere GFR-Kategorie erreicht und damit das Mortalitäts-risiko dieser Patienten um 34 % und das Risiko für die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz um 80 % gesenkt werden.15 Dies unter-streicht die große Bedeutung von Cystatin C für die präzise Erfassung früher Stadien der Niereninsuffizienz im Sinne einer Bestätigungsdiagnos-tik. Das Risiko einer Fehldiagnose reduziert sich deutlich. Dies betrifft immerhin 9,9 Millionen Menschen in den USA sowie ca. 30 % aller Nieren-kranken.19

O Anwendung bei Patienten mit mut-maßlich starker Beeinflussung der Kreatinin-Serum- (Plasma-) Kon-zentration durch endogene Faktoren. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Malnutrition, Tumoren, anderen schweren Begleiterkrankungen, aku-tem Nierenversagen, sowie Kinder, ältere Patienten und Vegetarier/Vega-ner. Zu berücksichtigen sind auch Medikamente, welche die extrarenale Elimination (Antibiotika) oder die tubuläre Sekretion (Trimethoprim, Cimetidin, Cisplatin, Fenifibrat, Tri-amteren, Amilorid, Spironolacton etc.) beeinflussen.

O Monitoring zur exakten Dosierung von Medikamenten mit engem thera-peutischem oder toxischem Bereich, bei denen die GFR für die Elimina-tion von Bedeutung ist (z. B. Methot-rexat und Carboplatin).