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Ligeti köstlich serviert Well done - styriarte SOAP in der Helmut-List-Halle Sie essen ein mehrgängiges Menü in einem Dreihauben-Lokal. Möchten Sie zweimal die Suppe und vom Nachtisch eine doppelte Portion? Dann wären Sie in der Ligeti-SOAP der styriarte richtig. Das Format in der Helmut List Halle bot alle Gustostückerl György Ligetis, doch mit einer Gesamtspielzeit von über zweieinhalb Stunden von manchem einen Happen zu viel. Das Libretto vom Grand Macabre - exzellent und köstlich serviert von Maria Köstlinger - hätte durchaus etwas einreduziert werden können, wie die Flut an Bläserbagatellen. Dem Geschmack tat das alles jedoch keinen Abbruch, denn die Darbietungen waren spielerisch wie schauspielerisch auf höchst erstaunlichem Niveau. Janna Polyzoides glänzte gestisch mit den beinah tonlosen „Trois Bagatelles“ für Klavier, Eva Maria Pollerus züchtigte ihr Cembalo mit makellosen, irrwitzig schnellen Tonrepetitionen, das Bläserquintett unter Heide Wartha wie das Streichensemble unter Annelie Gahl modellierten plastisch und das elektronische Stück „Artikulation - Eine Hörpartitur“ mutierte zum optischen Lehrstück für Neue-Musik-Anfänger. Gelungen war ebenfalls der Vortrag „Die Zukunft der Musik“ von Thomas Höft, der minutenlang wortlos das Publikum zu allerlei Aktionen ermutigte und an John Cages Idee erinnerte, Musik nicht nur auf der Bühne zu suchen. Das ebenso wortlose Original dieses Vortrags hielt Ligeti selbst zehn Minuten lang auf dem Forum Alpbach und trug damals wohl eher zu Empörung als Jubel bei. Grandios schließlich die Koloratur-Sopranistin Marie Friederike Schöder, die als Chefin der GePoPo, der Geheimen Politischen Polizei aus Ligetis Oper „Le Grand Macabre“, in strengem Mausgrau aberwitzige Koloraturen aus ihrer Goldkehle gurgelte und ihr schauspielerisches Talent selbst bei Piano-Spitzentönen noch gekonnt einzusetzen wusste. Überraschend war, dass dem großen Schlussgiganten „Mysteries of the Macabre“ mit tosendem Beifall noch ein minimalistisches Cembalo-Solo folgen konnte, ohne der Freude über das Ende der epischen Darbietung Abbruch zu leisten. Danach schwankte man zwischen enthusiastischem Jubel für die Interpreten und einem grundsätzlichen Zweifel: das Format der SOAP mit Video-Wall im Bühnenhintergrund ist konzeptuell am Puls der Zeit, doch die Bildregie schwächte durch unnötige Schwenks und Schnitte in musikalisch hochkonzentrierten Momenten die Gesamtwirkung mehr, als sie zu stärken. À la Nouvelle Cuisine wäre da weniger mehr gewesen, wie bei der Anzahl der Werke. Nachzuhören am Mittwoch, dem 19. August 19:30 auf Ö1. Georg Kroneis 2.514

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Page 1: Ligeti köstlich serviert - · PDF fileLigeti köstlich serviert ... ihrer Goldkehle gurgelte und ihr schauspielerisches Talent selbst bei Piano-Spitzentönen noch gekonnt einzusetzen

Ligeti köstlich serviert

Well done - styriarte SOAP in der Helmut-List-Halle

Sie essen ein mehrgängiges Menü in einem Dreihauben-Lokal. Möchten Sie zweimal die Suppe und

vom Nachtisch eine doppelte Portion? Dann wären Sie in der Ligeti-SOAP der styriarte richtig. Das

Format in der Helmut List Halle bot alle Gustostückerl György Ligetis, doch mit einer Gesamtspielzeit

von über zweieinhalb Stunden von manchem einen Happen zu viel. Das Libretto vom Grand Macabre

- exzellent und köstlich serviert von Maria Köstlinger - hätte durchaus etwas einreduziert werden

können, wie die Flut an Bläserbagatellen.

Dem Geschmack tat das alles jedoch keinen Abbruch, denn die Darbietungen waren spielerisch wie

schauspielerisch auf höchst erstaunlichem Niveau. Janna Polyzoides glänzte gestisch mit den beinah

tonlosen „Trois Bagatelles“ für Klavier, Eva Maria Pollerus züchtigte ihr Cembalo mit makellosen,

irrwitzig schnellen Tonrepetitionen, das Bläserquintett unter Heide Wartha wie das Streichensemble

unter Annelie Gahl modellierten plastisch und das elektronische Stück „Artikulation - Eine

Hörpartitur“ mutierte zum optischen Lehrstück für Neue-Musik-Anfänger. Gelungen war ebenfalls

der Vortrag „Die Zukunft der Musik“ von Thomas Höft, der minutenlang wortlos das Publikum zu

allerlei Aktionen ermutigte und an John Cages Idee erinnerte, Musik nicht nur auf der Bühne

zu suchen. Das ebenso wortlose Original dieses Vortrags hielt Ligeti selbst zehn Minuten lang auf

dem Forum Alpbach und trug damals wohl eher zu Empörung als Jubel bei. Grandios schließlich die

Koloratur-Sopranistin Marie Friederike Schöder, die als Chefin der GePoPo, der Geheimen Politischen

Polizei aus Ligetis Oper „Le Grand Macabre“, in strengem Mausgrau aberwitzige Koloraturen aus

ihrer Goldkehle gurgelte und ihr schauspielerisches Talent selbst bei Piano-Spitzentönen noch

gekonnt einzusetzen wusste.

Überraschend war, dass dem großen Schlussgiganten „Mysteries of the Macabre“ mit tosendem

Beifall noch ein minimalistisches Cembalo-Solo folgen konnte, ohne der Freude über das Ende der

epischen Darbietung Abbruch zu leisten. Danach schwankte man zwischen enthusiastischem Jubel

für die Interpreten und einem grundsätzlichen Zweifel: das Format der SOAP mit Video-Wall

im Bühnenhintergrund ist konzeptuell am Puls der Zeit, doch die Bildregie schwächte durch unnötige

Schwenks und Schnitte in musikalisch hochkonzentrierten Momenten die Gesamtwirkung mehr, als

sie zu stärken. À la Nouvelle Cuisine wäre da weniger mehr gewesen, wie bei der Anzahl der Werke.

Nachzuhören am Mittwoch, dem 19. August 19:30 auf Ö1.

Georg Kroneis

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