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S Aufbau und Herstellung von Li- thiumionenakkumulatoren sind aufwendig und stellen hohe An- sprüche an die Chemie und den Fertigungsprozess. Aus diesem Grund war dieses Themenfeld für den Chemieunterricht experimen- tell und konzeptionell bisher weit- gehend unerschlossen. Ein For- schungs- und Entwicklungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Freiburg stellt jetzt Experimente zu Lithiumionenakkumulatoren in Theorie und Praxis vor. 1–3) Die Geburtsstunde der Lithiumionenakkumulatoren S Ein erster entscheidender Schritt hin zu den heute gebräuch- lichen leistungsfähigen Lithiumio- nenakkumulatoren war in den 1980er Jahren die Entwicklung von lithiummetallbasierten Primärbat- terien in organischen Elektrolyten. Diese Batterien erreichten Span- nungen von etwa 3 Volt pro Zelle. Derartige Zellen wurden insbeson- dere in der Coin-Variante einge- setzt (Abbildung 1a). Diese Primär- batterien bestanden aus einer me- tallischen Lithiumanode und einer zur Interkalation befähigten Katho- de – beispielsweise MnO 2 – in ei- nem organischen, aprotischen Elektrolyten. Beim Entladevorgang dieser Lithiumbatterien lagert sich als Ausgleich für jedes zur Kathode transportierte Elektron ein Lithi- umion in das MnO 2 -Gitter ein. Da- bei wird Mn IV zu Mn III reduziert und die Lithiumanode löst sich auf Martin Hasselmann, Dominik Quarthal, Maximilian Klaus, Corinna Wagner, Bernd Mößner, Marco Oetken Es ist eine der Aufgaben des naturwissenschaftlichen Unterrichts, Schülern Techniken nahezubringen, die im Alltag eine wichtige Rolle spielen. Ein Beispiel sind moderne elektrochemische Speichermedien. Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht BDidaktikV Negativer Pol Kunststoff- dichtring Separator, getränkt mit Elektrolyt Lithium (Anode) Positiver Pol Mangandioxid (Kathode) Stützring Abb. 1. Oben: Aufbau einer Lithiummetall-MnO 2 -Primärzelle. 4) Unten: Entladevorgang einer LiMnO 2 -Primärzelle. VV Aktuelle Strategien der Lithiumionen- akkumulatortechnik lassen sich auch im Chemieunterricht behandeln. VV Ein elektrochromes Kathodenmaterial eignet sich fachdidaktisch besonders gut, um Schülern Einblicke in die Zusammenhänge der Inter- kalationschemie der Akkumulatoren in Handys und Laptops zu geben. S QUERGELESEN Nachrichten aus der Chemie| 61 | September 2013 | www.gdch.de/nachrichten 876

Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

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Page 1: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

S Aufbau und Herstellung von Li-thiumionenakkumulatoren sind aufwendig und stellen hohe An-sprüche an die Chemie und den Fertigungsprozess. Aus diesem Grund war dieses Themenfeld für den Chemieunterricht experimen-tell und konzeptionell bisher weit-gehend unerschlossen. Ein For-schungs- und Entwicklungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Freiburg stellt jetzt Experimente zu Lithiumionenakkumulatoren in Theorie und Praxis vor.1–3)

Die Geburtsstunde der Lithiumionenakkumulatoren

S Ein erster entscheidender Schritt hin zu den heute gebräuch-lichen leistungsfähigen Lithiumio-nenakkumulatoren war in den 1980er Jahren die Entwicklung von lithiummetallbasierten Primärbat-terien in organischen Elektrolyten. Diese Batterien erreichten Span-nungen von etwa 3 Volt pro Zelle. Derartige Zellen wurden insbeson-

dere in der Coin-Variante einge-setzt (Abbildung 1a). Diese Primär-batterien bestanden aus einer me-tallischen Lithiumanode und einer zur Interkalation befähigten Katho-de – beispielsweise MnO2 – in ei-nem organischen, aprotischen

Elektrolyten. Beim Entladevorgang dieser Lithiumbatterien lagert sich als Ausgleich für jedes zur Kathode transportierte Elektron ein Lithi-umion in das MnO2-Gitter ein. Da-bei wird MnIV zu MnIII reduziert und die Lithiumanode löst sich auf

Martin Hasselmann, Dominik Quarthal, Maximilian Klaus, Corinna Wagner, Bernd Mößner, Marco Oetken

Es ist eine der Aufgaben des naturwissenschaftlichen Unterrichts, Schülern Techniken nahezubringen, die

im Alltag eine wichtige Rolle spielen. Ein Beispiel sind moderne elektrochemische Speichermedien.

Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

BDidaktikV

Negativer Pol

Kunststoff-dichtring

Separator, getränktmit Elektrolyt

Lithium(Anode)

Positiver Pol Mangandioxid(Kathode)

Stützring

Abb. 1. Oben: Aufbau einer Lithiummetall-MnO2-Primärzelle.4)

Unten: Entladevorgang einer LiMnO2-Primärzelle.

VV Aktuelle Strategien der Lithiumionen -

akkumulator technik lassen sich auch im

Chemieunterricht behandeln.

VV Ein elektrochromes Kathodenmaterial eignet

sich fachdidaktisch besonders gut, um Schülern

Einblicke in die Zusammenhänge der Inter -

kalationschemie der Akkumulatoren in Handys

und Laptops zu geben.

S QUERGELESEN

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Page 2: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

(Abbildung 1b). Die Batteriefor-schung definiert – abweichend von der schulischen Verwendung der Begriffe Anode und Kathode – die Anoden- und Kathodenmaterialien nach dem Entladevorgang.

Ein lithiummetallbasierter Ak-kumulator lässt sich auch mit Mit-teln der Schule realisieren. So lässt sich durch einen einfachen elektro-chemischen Abscheidungsvorgang in einem organischen Elektrolyten in Kombination mit einer mit Per-chlorationen interkalierten Gra-phitelektrode metallisches Lithium gewinnen (Abbildung 2).5) Hier liegt ein neuartiges und für die Schule aus experimenteller Sicht unbekanntes Batteriesystem vor. Dieses elektrochemische System führt gleichzeitig gut in ein aktuel-les Forschungsfeld ein, denn die Batterieforschung diskutiert zur-zeit wieder intensiv Akkumulato-ren auf der Basis von metallischem Lithium, etwa den Lithium-Luft-Akkumulator. Dieser wäre noch einmal deutlich leistungsfähiger als die bisher eingesetzten Lithiumio-nenakkumulatoren.

Ein Blick auf das Voltmeter in Abbildung 2 verrät, dass dieses Ak-kumulatorsystem im Wortsinn gro-

ßes Potenzial hat. Nach einem vier-minütigen Ladevorgang zeigt der Akkumulator eine Ruheklemmen-spannung von etwa 5 Volt. Diese Spannung setzt sich zusammen aus dem negativen Lithiumpotenzial von etwa – 3,0 V (gegen Normal-wasserstoffelektrode, NHE) und dem positiven Potenzial von etwa + 2,0 V (gegen NHE) der mit Per-chlorationen interkalierten Gra-phitelektrode.

Meilenstein Graphitelektrode

S Auch wenn Lithiummetall als Anodenmaterial in jüngerer Zeit wieder auf Interesse stößt, konnten sich sekundäre Lithiummetallak-kumulatoren zunächst nicht durchsetzen. Grund waren unter anderem Sicherheitsrisiken: Beim Wiederaufladen solcher sekundä-rer Lithiummetallbatterien können sich Dendriten bilden. Wenn sich Dendritenäste bis zur Kathode aus-bilden, schließen sie die Zelle kurz. Dieses als Thermal Runaway be-zeichnete Durchbrennen führt zur Explosion des Elektrolyten und zerstört den Akku.6)

Ein Meilenstein war im Jahr 1986 ein Akkumulatorprototyp, der als

Anode ein kohlenstoffbasiertes Ma-terial nutzte, in das Lithiumionen bei einem Lade-/Entladevorgang in-terkaliert/deinterkaliert wurden.7) Dieser Akkutyp umging so weitge-hend die Gefahr einer Dendritenbil-dung und den Nachteil des mit 180,54 °C vergleichsweise niedrigen Schmelzpunkts von Lithium.

Graphit bietet mit seinem hexa-gonal-planaren Schichtgitter ideale Bedingungen, um Lithiumionen zu interkalieren. Die Lithiumionen la-gern sich unter Energieaufwand zwischen die durch schwach ausge-

Abb. 3. Versuchsaufbau zur Erzeugung eines SEI-Schutzfilms (links). Elektrolyt: Ethylencarbonat (EC)/Dimethylcarbonat (DMC).

Ladevorgang in Propylen carbonat PC (rechts). Unterer Teil der Graphitfolie ist mit schützendem SEI-Film überzogen, oberer Teil der Graphitfolie zeigt aufgrund

fehlender SEI-Film bildung starke Exfoliation.

Abb. 2. Der Lithiummetall-Perchlorationen-Interkalationsakku-

mulator liefert eine Ruheklemmenspannung von 5 Volt.5)

Metallisches, weißes Lithium an der Anode (Kupferelektrode).

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Page 3: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

bildete Van-der-Waals-Wechselwir-kungen zusammengehaltenen Gra-phitschichtebenen ein.

Die Interkalation – auch Inserti-on genannt – von Lithiumionen in Graphit verläuft stufenförmig.8) So entstehen nach und nach immer dichter besetzte Graphitinterkalati-onsverbindungen. Stöchiometrisch ist LiC6 die maximal erreichbare In-tercalationsverbindung.

Das Potenzial eines vollständig lithiierten Kohlenstoffwirts kommt dem Elektrodenpotenzial von Lithi-um sehr nahe und wäre somit her-vorragend für die Konstruktion ei-nes Lithiumionenakkumulators ge-eignet. Ein Problem ergab sich je-doch dadurch, dass das Kohlenstoff-material in dem damals häufig ein-gesetzten organischen Elektrolyten Propylencarbonat (PC) mechani-schen Belastungen ausgesetzt war, welche die Elektrode zerstörten. Dieses Phänomen ist auf die mögli-che Co-Interkalation des Elektroly-ten durch solvatisierte Lithiumio-nen zurückzuführen, welche die Graphitschichten aufweiten. Derart co-interkalierter Elektrolyt kann sich aufgrund der hohen Ladespan-nung in Produkte wie Propen zer-setzen. So weiten sich die Graphit-

schichten von Zyklus zu Zyklus stärker auf, und es kommt schließ-lich zur Exfoliation, also zur Zerstö-rung des Elektrodenmaterials.9)

Nötig war gleichsam ein ionischer Türsteher, der dafür Sorge trägt, dass die solvatisierten Lithiumionen ihre Solvathülle vor dem Eintritt in das Graphitgitter ablegen.

Diesen Türsteher entdeckten Dahn et al. im Jahr 1990. Organische Elek-trolytkompositionen auf der Basis von Ethylencarbonat bilden bei den ersten Ladevorgängen auf der Gra-phitelektrode eine aus Zersetzungs-produkten bestehende und nur für unsolvatisierte Lithiumionen perme-able Schutzschicht (Solid Electrolyte Interphase; SEI).10)

Im Unterricht veranschaulicht ein einfaches Experiment diesen Zusammenhang (Abbildung 3, S. 877).1) Bei einem fünfminütigen Ladevorgang in einem ethylencar-bonatbasierten Elektrolyten bildet sich auf der Graphitfolie eine schützende SEI-Schicht. Im zwei-ten Teil des Experiments wird der Ladevorgang in Propylencarbonat fortgeführt: Es bildet sich keine entsprechende Schicht und es kommt zur Exfoliation.

Schaukelstuhl- und Ziehharmonika-Akkumulatoren

S Eine beidseitige Einlagerung/Auslagerung (Interkalation/Dein-terkalation) von Lithiumionen kennzeichnet moderne Lithiumio-nenakkumulatoren. Die Lithiumio-nen – beispielsweise aus LiClO4 oder LiPF6 – wandern beim Lade- und Entladevorgang in einem pola-ren organischen, aprotischen Lö-sungsmittel ständig zwischen einer kohlenstoffbasierten Anode und der Kathode aus einem Mischme-talloxid wie LiMnO2 oder LiCoO2 hin und her. Dieser Akkumulator-typ heißt deshalb Schaukelstuhl- oder Rocking - chair - Akkumula-tor.11) Er ist jedoch für den Unter-richt problematisch, da die Katho-denmaterialien schwer zugänglich und zum Teil giftig sind.

Aus diesem Grund erlangt das Konzept der Dual-Carbon-Cell Be-

Abb. 5. Oben: Dual-carbon-Akkumulator auf der Basis redox -

amphoterer Graphitintercalationselektroden (Ruheklemmenspan-

nung 3,8 V) mit LED als Verbraucher. Als Elektrolyt dient eine Mi-

schung aus Propylencarbonat (PC) und Dimethylcarbonat (DMC)

(1:1), Leitsalz ist Lithiumperchlorat (c = 1 mol·L–1). Unten: Dual-

carbon-Akkumulator mit Graphitfolie als Elektrodenmaterial.

Abb. 4. Dual-carbon-Akkumulator auf Basis redoxamphoterer Graphitinterkalationselektroden;

Ladevorgang, Lithium- und Perchlorationen werden interkaliert.

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Page 4: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

deutung. Es sieht bei einem Ladevor-gang die gleichzeitige Interkalation von Kationen und Anionen in einen redoxamphoteren kohlenstoffbasier-ten Wirt vor. Ein Lade-/Entladevor-gangvorgang dieses aus zwei Gra-phitelektroden bestehenden Akku-mulators lässt sich im Sinn der je-weils entgegengesetzten Ionenwan-derwege als Ziehharmonika-Akku-mulator bezeichnen (Abbildung 4). Einen solchen Dual-Carbon-Akku-mulator haben wir erstmals vor zwei Jahren auf dem GDCh-Wissen-schaftsforum in Bremen auf PC-ba-sierten Elektrolytkompositionen in Deutschland eingeführt. Über einen einfachen, selbst herzustellenden Dual-Carbon-Akkumulator im Mi-kromaßstab bis hin zu einem leis-tungsfähigen Powerpack sind ver-schiedene Typen möglich. Die elek-trochemisch erzwungene Interkala-tion von Ionen lässt sich mit einfa-chen Experimenten nachweisen.1)

Ein einfacher Lithiumionenak-kumulator mit Graphitminen als

Elektrodenmaterial zeigt nach nur vier Minuten Ladezeit eine Ruhe-klemmenspannung von zirka 3,8 V (Abbildung 5). Das reicht aus, um kleine elektrische Verbraucher, et-wa eine LED, zu betreiben.

Die Entwicklungsgeschichte der Lithiumionenakkumulatoren nach-vollziehend, haben wir unsere Un-tersuchungen auf ethylencarbonat-basierte Elektrolyte ausgedehnt, um Exfoliation zu verhindern oder zu-mindest zu reduzieren. Ethylencar-bonatbasierte Elektrolyte ermögli-chen höhere Ladespannungen und der elektrochemische Einbau von unsolvatisierten Lithium- sowie Perchlorationen in den Kohlenstoff-wirt vollzieht sich in einem spekta-kulären Farbenspiel der Elektro-denmaterialien. Bei Ladespannun-gen von 5 Volt erreicht in diesen Elektrolyten der Interkalationsgrad an Lithiumionen sein Maximum, LiC6. Hierbei durchläuft das Elek-trodenmaterial eine elektrochemi-sche Metamorphose (Abbildung 6):

Abb. 6. Oben: Struktur der Graphitinterkalationsverbindung LiC6 in der Schichtdarstellung.

Unten: Goldfarbene, maximal lithiierte Bleistiftmine in EC/DMC.

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Page 5: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

Der maximal lithiierte Graphit er-scheint in goldener Farbe und weist nun ein Potenzial von fast – 3 Volt (gegen NHE; in Abhängigkeit vom Kohlenstoffmaterial) auf.

Alchemisten-Akkumulatoren

S Eine andere Strategie für leis-tungsfähige Lithiumionenakkumu-latoren sind Lithiumlegierungen als Anodenmaterialien. Lithium bildet mit zahlreichen Metallen (M) wie Al, Pb, Si, Sn, Pt, Ag oder Au Legie-rungen (LixM), die auch bei Raum-

temperatur reversibel Lithiumionen aufnehmen und abgeben.

Da die gebildeten Lithiumlegie-rungen häufig einen ionischen Charakter aufweisen (Li+xM

x–; Zintl-Phasen), kann die Packungs-dichte der Lithiumionen in der je-weiligen Legierung bisweilen sogar höher ausfallen als im metallischen Lithium. Das Elektrodenpotenzial des zu legierenden Metalls wird bei einem Ladevorgang in Folge des hinzulegierten Lithiums stark in den negativen Bereich (gegen NHE) verschoben.

Konsequenterweise verhält sich ein mit Lithiumionen legiertes Me-tall völlig anders als das Ausgangs-metall. Beim Laden und Entladen eines solchen Akkumulators fühlt man sich an eine Formulierung des Physikers und Chemikers Johann Wilhelm Hittorf (1824 – 1914) aus dem Jahr 1899 erinnert: „Durch diesen Wechsel der Stromrichtung können wir beliebig oft ... das Pro-blem der Alchemisten lösen, aus ei-nem unedlen ein edles Metall her-stellen und umgekehrt.“12) Wie zu-treffend dieses Zitat ist, zeigt ein in

Abb. 7. Links: Verhalten eines mit Lithiumionen legierten Zinndrahts (Lötdraht) in Wasser, das mit einigen Tropfen Phenolphthalein versetzt

wurde (linke Seite). Entsprechendes Verhalten eines unbehandelten Zinndrahts (rechte Seite). Rechts: Lithium/Zinn-Legierungs-Akkumulator in

Kombination mit einer anioneninterkalierten Graphitelektrode in einem EC-basierten Elektrolyten. Leitsalz ist jeweils Lithiumperchlorat

(c = 1 mol·L–1) in EC/DMC.

Abb. 8. Lithiumionenakkumulator mit Graphitanode (Graphitfolie) und einem titandioxidbeschichteten FTO-Glas als Kathode. Die rechte

Seite der Abbildung zeigt die Farbe und den jeweiligen strukturellen Zustand der Elektroden auf der Teilchenebene.

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Page 6: Lithiumionenakkus für den Chemieunterricht

Folge eines vorausgehenden Lade-vorganges mit Lithiumionen legier-ter Zinndraht: Er reagiert in Wasser heftig unter Bildung von Wasser-stoff und Hydroxidionen; die Zinn-legierung verhält sich quasi wie ein Alkali- oder Erdalkalimetall (Abbil-dung 7). Ein Lithium/Zinn-Legie-rungs-Akkumulator in Kombinati-on mit der oben beschriebenen anioneninterkalierenden Graphit-elektrode liefert eine Spannung von über 4,3 V. Kleine elektrische Ver-braucher können über einen ver-blüffend langen Zeitraum betrieben werden.

Damit Lithiumlegierungselek-troden als Anodenmaterialien in ei-nem Akkumulatorsystem weite Verbreitung finden, sind jedoch noch einige Probleme bei der Zy-klenstabilität zu lösen. Das Zule-gieren großer Mengen an Lithium und die Bildung der Zintl-Phasen Li+xM

x– führt bei vielen Lade-/Ent-ladevorgängen noch häufig zur De-gradation des Elektrodenmaterials.

Ein Akku macht blau

S Die Interkalationschemie in Handys und Laptops lässt sich far-benfroh vermitteln. Ausgangs-punkt der Überlegungen war die elektrochemisch und fachdidak-tisch verlockende Frage, ob es möglich ist, einen Lithiumionen -akkumulator in der Rocking-chair-Variante mit Mitteln der Schule zu realisieren. In diesem Akkumulator sollte ein elektro-

chromes Übergangsmetalloxid als Kathodenmaterial dienen, das bei einem Lade- oder Entladevorgang seine Farbe verändert. Es spiegelt so den Ladezustand des Akkumu-lators und liefert gleichzeitig den optischen Beweis für die Ein- und Auslagerung von Ionen.

Im schließlich realisierten Lithi-umionenakkumulator steckt eine durch einen vorausgehenden La-devorgang maximal lithiierte Gra-phitfolie. Sie wird schließlich durch die Bildung der Graphitin-terkalationsverbindung LiC6 gold-farben (Abbildung 8). Als Katho-denseite dient ein mit Titanoxid beschichtetes, elektrisch leitendes Glas aus Fluorzinnoxid (FTO).

Der Deinterkalationsprozess auf der Anodenseite lässt sich wäh-rend des Entladevorganges optisch gut verfolgen, da dabei die golde-ne Farbe der Graphitfolie ver-schwindet. Bei genauer Beobach-tung sind sogar aufgrund der Ver-ringerung der Lithiumionenkon-zentration im Graphit die unter-schiedlichen Graphitinterkalati-onsverbindungen an ihrer Farbe zu erkennen – LiC12 ist rot und LiC18 blau.

Die Kathodenseite arbeitet wie bei einem handelsüblichen Lithi-umionenakkumulator. Sie färbt sich darüber hinaus allerdings während der Reduktion der TiIV- zu TiIII-Ionen und der daraus resultie-renden Interkalation der Lithium-ionen in das Kristallgitter blau.

Auch wenn titanoxidbasierte Elektrodenmaterialien in der Praxis eher für Anoden dienen, liegt hier dennoch ein leistungsfähiger und vor allem aus didaktischer Sicht in-teressanter Akkumulatortyp vor.

Literatur

1) M. Hasselmann, M. Oetken, Chemkon

2011, 18, 160–172.

2) M. Hasselmann, M. Oetken, Chemie und

Schule, VCÖ 4/2012, 6 – 10.

3) M. Hasselmann, M. Oetken, Pädagogik

der Naturwissenschaften – Chemie in

der Schule 2013, 62, 32–38.

4) K. Möller, M. Winter, Primäre und wieder-

aufladbare Batterien (www.ak- tremel.

chemie.uni-mainz.de/ChiuZ/Script%

20TU%20Graz%20Lithium-Batterien.

pdf; Stand: 31.4.2013)

S Experimentierkästen

Die Experimentierkästen Lithium+,

Lithium Power , Lithium Metall sind

erhältlich unter:

www.der-hedinger.de/produkte/

neuheiten-im-programm/

artikel/LAS_100.html

www.der-hedinger.de/produkte/

neuheiten-im-programm/

artikel/LAS_200.html

www.der-hedinger.de/produkte/

neuheiten-im-programm/

artikel/LAS_300.html

Marco Oetken ist Professor

für Chemie und ihre Didak-

tik an der Pädagogischen

Hochschule Freiburg. Er

studierte an der Universi-

tät Oldenburg Chemie und

Biologie für das Lehramt an Gymnasien und

legte 1994 das 1. Staatsexamen ab. 1997 pro-

movierte er im Arbeitskreis von Walter Jansen.

Das 2. Staatsexamen legte er im Jahr 2000 ab.

Im gleichen Jahr wurde er zum Akademischen

Rat für Didaktik der Chemie an der Universität

Oldenburg ernannt und habilitierte sich 2001.

Nach einer Hochschuldozentur an der PH

Weingarten (2003) und einer Vertretungspro-

fessur an der Universität Wuppertal (2003) ist

er seit 2004 an seiner jetzigen Stelle.

[email protected]

Martin Hasselmann ist

Doktorand im Arbeitskreis

Oetken. Er studierte an der

Pädagogischen Hochschule

in Freiburg die Fächer Che-

mie, Mathematik und Phy-

sik für das Lehramt an Realschulen und legte

2011 das 1. Staatsexamen ab. Seit April 2012

promoviert er über die experimentelle und

konzeptionelle Erschließung des Themenfelds

Lithiumionenakkumulatoren für die Schule

und Hochschule.

[email protected]

Corinna Wagner studierte an der Pädagogi-

schen Hochschule in Freiburg die Fächer Che-

mie, Mathematik und Sport für das Lehramt

an Realschulen und legte 2012 das 1. Staats-

examen ab. Seit Juli 2013 promoviert sie im

Arbeitskreis Oetken. Maximilian Klaus ist Exa-

menskandidat an der Pädagogischen Hoch-

schule in Freiburg im Fach Chemie. Dominik

Quartal ist Examenskandidat an der Pädagogi-

schen Hochschule in Freiburg im Fach Chemie.

Bernd Mößner ist technischer Mitarbeiter an

der Pädagogischen Hochschule in Freiburg.

5) M. Hasselmann, M. Oetken, Chemie und

Schule, VCÖ 3/2013, im Druck.

6) O. Crowther, A. C. West, J. Electrochem. Soc.

2008, 155, A806-A811.

7) A. Yoshino, T. Sanechika, T. Nakajiama, USP

4668595, 1985.

8) J. O. Besenhard, M. Winter, Handbook of Bat-

tery Materials, Hrsg. von J. O. Besenhard,

Wiley VCH, Weinheim, 1999.

9) M. Winter, Z. Phys. Chem. 2009, 223,

1395–1406.

10) R. Fong, U. von Sacken, J. R. Dahn,

J. Electrochem. Soc. 1990, 137,

2009–2013.

11) B. Scrosati, J. Electrochem. Soc. 1992, 139,

2776–2781.

12) W. Hittorf, Z. Elektrochem. 1899/1900, 6.

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung

und Forschung (BMBF) und dem Fonds der Che-

mischen Industrie für die großzügige finanzielle

Unterstützung.

881Didaktik BMagazinV

Nachrichten aus der Chemie| 61 | September 2013 | www.gdch.de/nachrichten