3
Zurzeit besteht der Goldstandard der Pseudarthrosenbehandlung nach wie vor in der operativen Revision, Anfri- schung der Knochenenden und Anlage- rung autologer Spongiosa, wobei bei szintigraphisch reaktiven Pseudarthro- sen bessere Ergebnisse berichtet wur- den. Bekannte Probleme sind dabei die lokalen Komplikationen und die so ge- nannte „donor site morbidity“ von 6– 20%, zumeist am Beckenkamm. Seit mehr als 10 Jahren wird kon- trovers diskutiert, ob die gestörte Osteo- genese durch die Applikation extrakor- poraler Stoßwellen stimuliert werden kann, wie dies aus einigen tierexperi- mentellen Arbeiten abgeleitet wurde. Heller u. Niethard [5] beschrieben in ih- rer Metaanalyse lediglich eine vorläufi- ge, prospektive, unkontrollierte Studie zu dieser klinischen Fragestellung, die eine suffiziente Patientenzahl und nach- vollziehbare Erfolgskriterien aufwies [9]. Hier wurde eine Erfolgsrate von 52% berichtet, allerdings bei einem sehr in- homogenen Krankengut. Unsere Unter- suchung sollte klären, ob die beschrie- bene Erfolgsrate durch eine strenge Se- lektion gesteigert werden kann. Patienten und Methode Seit 1992 konnten an der Studie alle erwachsenen Patienten mit einer Pseud- arthrose an Femur oder Tibia teilneh- men, die nach einer Frakturversorgung (17-mal) oder einer elektiven Korrektur- osteotomie (26-mal) aufgetreten war. Insgesamt wurden 20 Frauen und 23 Männer im Durchschnittsalter von 40 Jahren in die Studie aufgenommen. Bei allen war über mindestens 9 Monate nach der letzten Operation keine knö- cherne Konsolidierung eingetreten. Zunächst wurde eine 2-Phasen- Szintigraphhie durchgeführt, anschlie- ßend erfolgte innerhalb von 14 Tagen die 1-malige ESWT (extrakorporale Stoß- wellentherapie) mit 3000 Impulsen der Energieflussdichte 0,60 mJ/mm 2 . Die Begleittherapie blieb unverändert. Nach 8 Wochen wurden 4-wöchent- lich Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen durchgeführt,in Zweifelsfällen auch To- mographien. Durch einen unabhängi- gen Beobachter wurde der Durchbau der Kortikales beurteilt. Von einem Thera- pieerfolg wurde bei einem Durchbau al- ler dargestellten Kortikales innerhalb von 9 Monaten nach der ESWT ausge- gangen. Ergebnisse Alle Patienten wurden über mindestens 9 Monate klinisch und radiologisch ver- folgt. Nach durchschnittlich 4,0 ± 0,6 Mo- naten wurde bei 31 von 43 Patienten (72,1%) eine Knochenheilung festgestellt (Abb. 1). Trauma und Berufskrankheit · Supplement 1 · 2001 S73 Trauma Berufskrankh 2001 · 3 [Suppl 1]: S73–S75 © Springer-Verlag 2001 Knochenbruchheilungsstörungen Jan-Dirk Rompe · Thomas Rosendahl · Carsten Schöllner · Christiane Riedel Orthopädische Klinik und Poliklinik, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen Priv.-Doz. Dr. J.-D. Rompe Orthopädische Klinik und Poliklinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Langenbeckstraße 1, 55101 Mainz (E-Mail: [email protected], Tel.: 06131-177198, Fax: 06131-176657, 06131-176612) Zusammenfassung Im Rahmen eines Vortrags bei der Unfall- medizinischen Tagung des Landesverbandes Rheinland-Westfalen der gewerblichen Be- rufsgenossenschaften wurden die Vor- und Nachteile der Stoßwellentherapie bei Patien- ten mit Pseudarthrosen der langen Röhren- knochen diskutiert. Unter strengen Selek- tionskriterien wurde eine Erfolgsquote von 70% erzielt. Patienten mit einer positiven Szintigraphie sowie nach Osteotomie schnit- ten am besten ab. Bei ausgewählten Pseud- arthosen muß die Rolle einer chirurgischen Revision in Zukunft sorgfältiger bedacht werden, solange komplikationsfreie nicht- operative Alternativen wie zum Beispiel die Extrakorporale Stoßwellentherapie, bereit- stehen. Schlüsselwörter Pseudarthrose · Nicht-operative Therapie · Lithotripsie

Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen

Zurzeit besteht der Goldstandard derPseudarthrosenbehandlung nach wievor in der operativen Revision, Anfri-schung der Knochenenden und Anlage-rung autologer Spongiosa, wobei beiszintigraphisch reaktiven Pseudarthro-sen bessere Ergebnisse berichtet wur-den. Bekannte Probleme sind dabei dielokalen Komplikationen und die so ge-nannte „donor site morbidity“ von 6–20%, zumeist am Beckenkamm.

Seit mehr als 10 Jahren wird kon-trovers diskutiert, ob die gestörte Osteo-genese durch die Applikation extrakor-poraler Stoßwellen stimuliert werdenkann, wie dies aus einigen tierexperi-mentellen Arbeiten abgeleitet wurde.Heller u. Niethard [5] beschrieben in ih-rer Metaanalyse lediglich eine vorläufi-ge, prospektive, unkontrollierte Studiezu dieser klinischen Fragestellung, dieeine suffiziente Patientenzahl und nach-vollziehbare Erfolgskriterien aufwies[9]. Hier wurde eine Erfolgsrate von 52%berichtet, allerdings bei einem sehr in-homogenen Krankengut. Unsere Unter-suchung sollte klären, ob die beschrie-bene Erfolgsrate durch eine strenge Se-lektion gesteigert werden kann.

Patienten und Methode

Seit 1992 konnten an der Studie alle erwachsenen Patienten mit einer Pseud-arthrose an Femur oder Tibia teilneh-men, die nach einer Frakturversorgung(17-mal) oder einer elektiven Korrektur-osteotomie (26-mal) aufgetreten war.Insgesamt wurden 20 Frauen und 23Männer im Durchschnittsalter von 40

Jahren in die Studie aufgenommen. Beiallen war über mindestens 9 Monatenach der letzten Operation keine knö-cherne Konsolidierung eingetreten.

Zunächst wurde eine 2-Phasen-Szintigraphhie durchgeführt, anschlie-ßend erfolgte innerhalb von 14 Tagen die1-malige ESWT (extrakorporale Stoß-wellentherapie) mit 3000 Impulsen derEnergieflussdichte 0,60 mJ/mm2. DieBegleittherapie blieb unverändert.

Nach 8 Wochen wurden 4-wöchent-lich Röntgenaufnahmen in 2 Ebenendurchgeführt, in Zweifelsfällen auch To-mographien. Durch einen unabhängi-gen Beobachter wurde der Durchbau derKortikales beurteilt. Von einem Thera-pieerfolg wurde bei einem Durchbau al-ler dargestellten Kortikales innerhalbvon 9 Monaten nach der ESWT ausge-gangen.

Ergebnisse

Alle Patienten wurden über mindestens9 Monate klinisch und radiologisch ver-folgt.

Nach durchschnittlich 4,0 ± 0,6 Mo-naten wurde bei 31 von 43 Patienten(72,1%) eine Knochenheilung festgestellt(Abb. 1).

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 1 · 2001 S73

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 1]: S73–S75 © Springer-Verlag 2001 Knochenbruchheilungsstörungen

Jan-Dirk Rompe · Thomas Rosendahl · Carsten Schöllner · Christiane RiedelOrthopädische Klinik und Poliklinik, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz

Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen

Priv.-Doz. Dr. J.-D. RompeOrthopädische Klinik und Poliklinik,Johannes-Gutenberg-Universität Mainz,Langenbeckstraße 1, 55101 Mainz(E-Mail: [email protected],Tel.: 06131-177198,Fax: 06131-176657, 06131-176612)

Zusammenfassung

Im Rahmen eines Vortrags bei der Unfall-medizinischen Tagung des LandesverbandesRheinland-Westfalen der gewerblichen Be-rufsgenossenschaften wurden die Vor- undNachteile der Stoßwellentherapie bei Patien-ten mit Pseudarthrosen der langen Röhren-knochen diskutiert. Unter strengen Selek-tionskriterien wurde eine Erfolgsquote von70% erzielt. Patienten mit einer positivenSzintigraphie sowie nach Osteotomie schnit-ten am besten ab. Bei ausgewählten Pseud-arthosen muß die Rolle einer chirurgischenRevision in Zukunft sorgfältiger bedachtwerden, solange komplikationsfreie nicht-operative Alternativen wie zum Beispiel dieExtrakorporale Stoßwellentherapie, bereit-stehen.

Schlüsselwörter

Pseudarthrose · Nicht-operative Therapie ·Lithotripsie

Page 2: Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen

Bei 29 von 35 (82,9%) Patienten miteiner positiven Szintigraphie wurde eineknöcherne Durchbauung gesehen, je-doch nur bei 2 von 8 (25,0%) mit einemnegativen Szintigramm. Starke Raucherwaren 6 von diesen 8 Patienten.

Diskussion

Valchanou u. Michailov [8] begannen1988 mit der Stoßwellentherapie beiPseudarthrosen und verzögerten Kno-chenheilungen. Erfolgreich behandeltwurden 70 von 82 Fällen ,allerdings blie-ben Anamnese, Begleittherapie undNachuntersuchungszeitraum unklar.Bürger et al. [1] beobachteten lediglichbei 35% ihrer 37 Patienten eine knöcher-ne Heilung und bei 21% eine Kallusbil-dung. Die ESWT wurde jedoch nichtstandardisiert durchgeführt, ebenso we-nig in den Untersuchungen von Haupt[4] und Diesch u. Haupt [2], die über eine Erfolgsquote von 76% bzw. 66%

bei 30 bzw. 172 Patienten mit einer Pseudarthrose berichteten. Schaden et al. [7] sahen in 55% der Fälle einen Erfolg nach ESWT, unterschieden aber nicht zwischen verzögerter Kno-chenheilung und Pseudarthrosen. Wir-sching et al. [11] behandelten 115 Patien-ten mit einer Pseudarthrose mit hoch-energetischen Stoßwellen. Das vorbeste-hende Behandlungskonzept wurde nichtabgewandelt. 81% der Pseudarthrosenwaren nach 36 Monaten durchbaut. Ro-driguez et al. [6] behandelten 3 Patien-ten erfolgreich, Wang [10] beobachtetebei 80% seiner 40 Patienten nach 6 Mo-naten eine deutliche Kallusformation.Gerdesmeyr et al. [3] behandelten 25 Pa-tienten mit einem 6-wöchigen Intervall2-mal hochenergetisch. Ein Durchbauwurde 16-mal erzielt, bei 3 weiteren Pa-tienten kam es zu einer kallösen Reak-tion.

Unsere eigenen Ergebnisse weisenin die gleiche Richtung. Allerdings dür-

S74 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 1 · 2001

Knochenbruchheilungsstörungen

J.-D. Rompe · T. Rosendahl · C. Schöllner · C. Riedel

Lithotripsy in delayed femoral or tibial bone healing

Abstract

In an oral presentation chances and limita-tions of lithotripsy for delayed femoral andtibial healing were discussed. A success rateof nearly 70% could be achieved in highlyselected patients. Patients with a positivescintigraphy and those in whom osteotomieshad been performed attained the best out-comes. In selected cases of delayed femoraland tibial healing the role of a surgical revi-sion must be considered more carefully infuture whenever nonsurgical alternativesthat are free of complications, such as litho-tripsy, are available.

Keywords

Delayed bone healing · Non-operative treat-ment · Lithotripsy

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 1]: S73–S75 © Springer-Verlag 2001

Abb. 1 � a 15 Monatenach intertrochantärer

Umstellungsosteotomie,b positive Nuklidspei-

cherung in der Minerali-sationsphase als Hinweis

auf eine vitale Pseudar-throse, c 8 Wochen nach

hochenergetischer Stoß-wellentherapie, d 5 Mo-nate nach hochenerge-

tischer ESWT kompletterknöcherner Durchbau

a

c d

b

Page 3: Lithotripsie bei femoralen oder tibialen Pseudarthrosen

fen die Schwachpunkte der Untersu-chung nicht verschwiegen werden.

Es ist nicht klar, ob 9 Monate nachdem letzten operativen Eingriff in allenFällen bereits von einer Pseudarthrosegesprochen werden konnte. Die Über-gänge zur verzögerten Heilung sind si-cherlich fließend. Das Patientenkollek-tiv war weiterhin inhomogen. Es istmöglich, dass Unterschiede zwischender Heilung einer femoralen und einertibialen Pseudarthrose bestehen, eben-so zwischen einer Pseudarthrose nachFraktur oder nach Osteotomie. NachRücksprache mit unserer Ethikkommis-sion war es nicht möglich, eine plazebo-kontrollierte Studie durchzuführen.

Zusammenfassend mehren sich dieHinweise unterschiedlicher Arbeits-gruppen auf einen knochenstimulieren-den Effekt hochenergetischer extrakor-poraler Stoßwellen, insbesondere beiszintigraphisch aktiven Pseudarthrosenmit einem Spalt < 5 mm. Eine Multizen-terstudie sollte nun der nächste Schrittsein, um die Effizienz der Methode wei-ter zu steigern.

Wegen der Weigerung der Kranken-kassen, dieses nichtinvasive Verfahrenzu bezahlen, war es uns nicht möglich,das inzwischen defekte Stoßwellengerätgegen ein modernes Seriengerät auszu-tauschen.Daher wird allen Patienten miteiner Pseudarthrose in unserer Kliniknun wieder die Revisionsoperationempfohlen.

Literatur1. Bürger RA,Witzsch U, Haist J, Karnovsky V

(1991) Extrakorporale Stoßwellenbehandlungbei Pseudarthrose und aseptischer Knochen-nekrose. Urologe A 30:48–49

2. Diesch R, Haupt G (1997) Anwendung derhochenergetischen extrakorporalen Stoß-wellentherapie bei Pseudarthrosen. OrthopPrax 33:470–471

3. Gerdesmeyr L, Bachfischer K, Peters P, Gra-dinger R (1999) The indication of the applica-tion of high energetic extracorporeal shockwaves in the treatment of pseudarthrosis –clinical and radiological results. 2nd Interna-tional Congress of the European Society forMusculoskeletal Shockwave Therapy, London,May 1999

4. Haupt G (1997) Use of extracorporeal shockwaves in the treatment of pseudarthrosis,tendinopathy and other orthopedic diseases.J Urol 158:4–11

5. Heller KD, Niethard FU (1998) Der Einsatz derextrakorporalen Stoßwellentherapie in der Or-thopädie – eine Metaanalyse. Z Orthop IhreGrenzgeb 136:390–401

6. Rodriguez de Oya R, Sanchez Benitez de Soto J,Garcia Munilla M (1999) Treatment of non-union with extracorporeal shockwaves. 2nd In-ternational Congress of the European Societyfor Musculoskeletal Shockwave Therapy, Lon-don, May 1999

7. Schaden W, Meznik A, Pachucki A, Russe F(1996) Einmalige Anwendung der extracorpo-ralen Stoßwellentherapie (ESWT) bei 40 Pa-tienten mit Pseudarthrosen oder verzögerterKnochenbruchheilung sowie bei 23 Patientenmit chronischem Schulterschmerz bzw. Inser-tionstendinosen. Abstraktband, 45. Jahresta-gung, Norddeutsche Orthopädenvereinigung,S 124

8. Valchanou VD, Michailov P (1991) High energyshock waves in the treatment of delayed andnon union of fractures. Int Orthop 15:181–184

9. Vogel J, Rompe JD, Hopf C, Heine J, Bürger R(1997) Die hochenergetische extrakorporaleStoßwellentherapie in der Behandlung vonPseudarthrosen. Z Orthop Ihre Grenzgeb 135:145–149

10. Wang C (1999) Treatment of fracture non-union with shockwave application. 2nd Inter-national Congress of the European Society forMusculoskeletal Shockwave Therapy, London,May 1999

11. Wirsching RP, Eich W, Misselbeck E (1998)Langzeitergebnisse nach extrakorporaler Stoß-wellentherapie bei Pseudarthrosen. Stosswelle1:22–26

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 1 · 2001 S75