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Asyl und Flüchtlingsschutz Länderreport 22 China Situation der Muslime Stand: 02/2020 Länderanalysen

Länderreport 22 China - BAMF

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Länderreport 22 ChinaStand: 02/2020
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Die vorliegende Ausarbeitung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Findet ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Person oder Organisation keine Erwähnung, bedeutet dies nicht, dass ein solches Ereignis nicht stattgefunden hat oder die betreffende Person oder Organisation nicht existiert. Der Bericht/die Information erlaubt keine abschließende Bewertung darüber, ob ein individueller Antrag auf Asyl-, Flüchtlings- oder subsidiären Schutz berechtigt ist. Die benutzte Terminologie sollte nicht als Hinweis auf eine bestimmte Rechtauffassung verstanden werden. Die Prüfung des Antrags auf Schutzgewährung muss durch den für die Fallbearbeitung zuständi­ gen Mitarbeiter erfolgen. Die Veröffentlichung stellt keine politische Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dar.
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This document does not pretend to be exhaustive. If a certain event, person or organization is not mentioned, this does not mean that the event has not taken place or that the person or organization does not exist. This document is not conclusive as to the merit of any particular claim to international protection or asylum. Terminology used should not be regarded as indication of a particular legal position. The examination of an application for international protection has to be carried out by the responsible case worker. The in­ formation (and views) set out in this document does/do not necessarily reflect the official opinion of the Bundesamt and makes/make no political statement whatsoever.
This document is public.
Unter Präsident Xi Jinping verstärkt die Kommunistische Partei Chinas ihre Kontrolle über die Regierung und weite Bereiche der Gesellschaft. Davon ist auch die Religion betroffen. Sie soll sinisiert, also an die chinesische Kultur angepasst und für die Ziele der Partei benutzt werden. In diesem Zusammenhang verschärfen sich staatliche Repressionen. Die vorliegende Ausarbeitung beleuchtet anhand der Hui und der Uiguren, der beiden mit Abstand größten muslimischen Minderheiten, inwieweit der Islam davon beeinflusst wird. Hui galten offiziell bislang als vorbildliche Muslime und gut integriert. Nun erfahren sie verstärkt Einschränkungen der Religionsausübung. Deutlich ausgeprägter sind staatliche Repressionen in Xinjiang, der Heimat der Uiguren. Die dort wirksame umfassende Überwachung und Kontrolle sowie die Internierung von Uiguren und Angehörigen anderer muslimischer Minderheiten in Umerziehungslagern gelten manchen als die wohl intensivste Kampagne zur sozialen Umgestaltung seit der Kulturrevolution.
abstract
................................................................................
5.2. Umerziehungslager 12
5.7. Chinesischer Einfluss im Ausland ........................................................... 20
4 Länderreport China
Vorwort Seit Xi Jinping 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und 2013 Präsident der Volksrepublik wurde1, hat er die Macht in einem Maße zentralisiert, wie es seit den Zeiten Mao Zedongs2 nicht mehr der Fall war.3 Zentrales Anliegen der Parteiführung ist es, politische und soziale Stabilität zu sichern. Hierfür setzt die KPCh ihren Führungsanspruch in allen gesellschaftlichen Bereichen durch. 4 Ein „Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter“ soll entwickelt und der „chinesische Traum des großartigen Wiederauflebens der chinesischen Nation“ verwirklicht werden.5 Hierfür soll Patriotismus, gleichbedeutend mit Liebe zur sozialistischen Idee und Liebe zur Partei6, in allen Bereichen der Gesellschaft und beginnend in der Schule geweckt werden. Religiöse und ethnische Minderheiten haben sich dabei an die Kultur und Normen der Han-Chinesen anzupassen. 7 Vor diesem Hintergrund werden von der Partei und der Regierung gesteuerte Bestrebungen zu einer „Sinisierung“, einer Anpassung an die chinesische Kultur und die sozialistische Theorie, verstärkt wirksam.8
Die Möglichkeiten religiöser Menschen, ihren Glauben zu leben, variieren sehr stark abhängig von der Religionsgemeinschaft, dem Wohnort und dem offiziellen Status der Glaubensgemeinschaft. Viele Gläubige erfuhren bislang kaum Einschränkungen, insbesondere, wenn sie dem chinesischen Buddhismus oder dem Taoismus angehören.9 Allerdings hat sich unter Xi Jinping die Menschenrechtslage fortlaufend verschlechtert.10
Chinas Führung ist u. a. verantwortlich für anhaltende, systematische und schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit, wovon auch Muslime betroffen sind.11
Hinsichtlich einer Sinisierung gilt wegen seines ausländischen Ursprungs dem Islam besonderes Augenmerk.12 So konnten die an die chinesische Mehrheitskultur assimilierten muslimischen Hui, eine der beiden mit Abstand größten muslimischen ethnischen Gruppen der Volksrepublik, bisher ohne größere Einschränkungen ihren Glauben leben. Jüngste Entwicklungen deuten darauf hin, dass künftig für sie wie wohl für Muslime insgesamt stärkere staatliche Einschränkungen wirksam werden. 13 Dies trifft besonders für die Uigurische Autonome
1 Munzinger Online/Länder – Internationales Handbuch, China, Volksrepublik – Politik, 13.08.2019, http://www.munzin- ger.de/document/03000CHN020, abgerufen am 16.10.2019.
2 Auch: Mao Tse-tung, 1893-1976, chinesischer Staatsmann, Mitbegründer der KPCh, rief 1949 die Volksrepublik China aus (Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv: Mao Tse-tung, http://www.munzinger.de/document/00000001950, abgerufen am 31.01.2020).
3 Grünberg, Nis: Die Ideologen sind zurück, in: Zeit Online, 14.12.2019, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/china-kommunisti- sche-partei-kp-xi-jinping/komplettansicht, abgerufen am 08.01.2020.
4 Drinhausen, Katja, und Grünberg, Nis: The Party leads on everything, China’s changing governance in Xi Jinping’s new era, 24.09.2019, https://www.merics.org/en/china-monitor/the-party-leads-on-everything, abgerufen am 26.09.2019; Gao, Charlotte: Stability and ‘Struggle’: China’s High-Level Meeting on National Risk Control, The Diplomat, 24.01.2019, https://thediplomat.com/2019/01/stability- and-struggle-chinas-high-level-meeting-on-national-risk-control/, abgerufen am 05.02.2020.
5 Xi: Der Eintritt des Sozialismus chinesischer Prägung in ein neues Zeitalter ist der neue historische Orientierungspunkt für die Entwicklung unseres Landes, Xinhuanet, 18.10.2017, http://german.xinhuanet.com/2017-10/18/c_136688499.htm, abgerufen am 05.02.2020.
6 Grünberg, Nis: Die Ideologen sind zurück, in: Zeit Online, 14.12.2019, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/china-kommunisti- sche-partei-kp-xi-jinping/komplettansicht, abgerufen am 08.01.2020.
7 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in: China Brief (The Jamestown Founda- tion), Volume 19, Issue 22, 31.12.2019, https://jamestown.org/program/planting-the-seed-ethnic-policy-in-xi-jinpings-new-era-of-cul- tural-nationalism/, abgerufen am 09.01.2020.
8 Madsen, Richard: The Sinicization of Chinese Religions under Xi Jinping, in: China Leadership Monitor, Nr. 61, Herbst 2019, 01.09.2019, https://www.prcleader.org/sinicization-of-chinese-religions, abgerufen am 26.09.2019. S. 2; Dotson, John: Propaganda Themes at the CPPCC Stress the “Sinicization” of Religion, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 19, Issue 7, 09.04.2019, https://jame- stown.org/program/propaganda-themes-at-the-cppcc-stress-the-sinicization-of-religion/, abgerufen am 12.07.2019; Hoffman, Saman- tha: The United Front and the CCP’s “People’s War” against Religion, Testimony before the Congressional-Executive Commission on China, Hearing on The Communist Party’s Crackdown on Religion in China, 28.11.2018, https://www.cecc.gov/events/hearings/the-com- munist-party%E2%80%99s-crackdown-on-religion-in-china, abgerufen am 17.09.2019, S. 1-4.
9 Freedom House: Freedom in the World 2019 – China, 04.02.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, abgerufen am 16.10.2019.
10 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2018, 10.10.2018, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/documents/Annual%20Report%202018_2.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 1.
11 U. S. Commission on International Religious Freedom: 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 1 Countries (Recommended for CPC Designation): China, April 2019, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2019USCIRFAnnualReport.pdf, abgerufen am 10.09.2019, S. 34.
12 Dotson, John: Propaganda Themes at the CPPCC Stress the “Sinicization” of Religion, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Vol- ume 19, Issue 7, 09.04.2019, https://jamestown.org/program/propaganda-themes-at-the-cppcc-stress-the-sinicization-of-religion/, abgerufen am 12.07.2019.
13 Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China,
Region Xinjiang zu. Dort übt Chinas Führung wegen tatsächlicher wie unterstellter separatistischer Bestrebungen auf die uigurische Minderheit seit jeher besonders starken Druck aus. Damit soll die Abspaltung eines unabhängigen Ostturkistans14 verhindert werden. Eine neue Qualität erhielten die staatlichen Maßnahmen in jüngster Zeit durch Anstrengungen, unterstelltes extremistisches Gedankengut durch drakonische Umerziehungsmaßnahmen aus den Köpfen der Menschen nachhaltig zu verbannen und sie im Alltag umfassend zu überwachen und zu kontrollieren. Anhand der Hui und der Uiguren beleuchtet diese Ausarbeitung die Situation der Muslime in der Volksrepublik.
1. Demographie In der Volksrepublik China leben nach unterschiedlichen Schätzungen etwa 21 bis 25 Millionen Muslime, das sind weniger als 2% der Gesamtbevölkerung von derzeit etwa 1,4 Milliarden. 15 Sie sind fast alle Sunniten 16 und gehören zehn der 55 ethnischen Minderheiten an, die neben der Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen offiziell anerkannt sind. Sie stellen rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der ethnischen Minderheiten. Die Hui sind mit etwa 10,6 Millionen und die Uiguren mit etwa zehn bis mehr als elf Millionen Angehörigen die mit Abstand größten mehrheitlich muslimischen Ethnien. Daneben gibt es Kasachen (ca. 1,46 Millionen), Dongxiang (621.000) und Kirgisen (187.000) sowie Salar (130.000), Tadschiken (51.000), Bonan (20.000), Usbeken (10.000) und Tataren (3.500).17 Das religiöse Personal der Glaubensgemeinschaft umfasst etwa 57.000 Personen. Etwa 35.000 Moscheen sind für die religiöse Praxis staatlich registriert.18
Die meisten Muslime finden sich im Westen Chinas 19 , insbesondere in den Autonomen Regionen Xinjiang (Uiguren) und Ningxia, sowie in den Provinzen Gansu, Henan, Qinghai, Yunnan, Hebei und Shandong (Hui).20
Kasachen, Kirgisen, Tadschiken, Tataren und Usbeken, die wie die Uiguren zu den Turkvölkern zählen,21 leben in den Grenzregionen Xinjiangs; diese Ethnien leben auch in den benachbarten Ländern Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Russland und Afghanistan. Dongxiang und Bonan leben vorwiegend in der Provinz Gansu, Salar in der Provinz Qinghai. Auch unter anderen ethnischen Minderheiten sowie unter Han-Chinesen gibt es insgesamt etwa eine Million Muslime, die über ganz China verteilt leben.22
03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S.27f.
16 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 4.
17 Lee, Raymond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://stud- ies.aljazeera.net/en/reports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020 (Zahlenangaben zu den kleineren Ethnien nach einer Volkszählung von 2010); Chinese Human Rights Defenders: China: Massive Numbers of Uyghurs & Other Ethnic Minorities Forced into Re-education Programs, 03.08.2018, https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other- ethnic-minorities-forced-into-re-education-programs/, abgerufen am 07.01.2020.
18 The State Council Information Office of the People’s Republic of China: China’s Policies and Practices on Protecting Freedom of Religious Belief, 03.04.2018, https://www.scio.gov.cn/zfbps/32832/Document/1626734/1626734.htm, abgerufen am 30.08.2019.
19 Zu einer Karte der Verbreitungsgebiete siehe Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 2.
20 Ebd., S. 26. 21 University of Michigan: Turkish Studies, http://www.umich.edu/~turkish/turkic.html, abgerufen am 04.02.2020. 22 Lee, Raymond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://stud- ies.aljazeera.net/en/reports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020.
2. Gesetzliche Grundlagen Nach Artikel 36 der Verfassung genießen Chinas Bürger Glaubensfreiheit. Unter staatlichem Schutz stehen normale religiöse Praktiken, wobei „normal“ nicht definiert wird. Religion darf nicht für Aktivitäten eingesetzt werden, welche die öffentliche Ordnung stören und die Gesundheit der Bürger oder das staatliche Bildungswesen beeinträchtigen. Religiöse Organisationen und Angelegenheiten dürfen nicht unter ausländischem Einfluss stehen.23
Als Religionen offiziell anerkannt sind Buddhismus, Daoismus (Taoismus), Islam, Katholizismus und Protestantismus. Alle religiösen Organisationen müssen sich einem der staatlich anerkannten religiösen Dachverbände anschließen, die vom Staatlichen Amt für Religiöse Angelegenheiten (SARA) beaufsichtigt werden. 24 Dieses ist für alle Bereiche des religiösen Lebens zuständig, so auch für die Ernennung von Führungspersonen und die Auswahl der Geistlichen oder die Auslegung der Lehre.25 Das SARA untersteht seit März 2018 dem United Front Work Department (UFWD) der KPCh.26 Der religiöse Dachverband für die Muslime ist die Islamic Association of China. 27 Imame und anderes religiöses Personal müssen an einer der zehn staatlichen Schulen ausgebildet werden oder eine vergleichbare Ausbildung bekommen. Zudem werden sie vom örtlichen Büro für Religiöse Angelegenheiten und der Islamic Association of China geprüft. Nur politisch verlässliche Muslime dürfen an Pilgerreisen nach Mekka (Hajj) teilnehmen, die von der Islamic Association of China organisiert sein müssen. Hierfür haben sie sich zuvor patriotischen Schulungsmaßnahmen zu unterziehen und eine Genehmigung des örtlichen Büros für Religiöse Angelegenheiten einzuholen.28 Nach offiziellen Angaben nehmen seit 2007 jährlich mehr als 10.000 Menschen an diesen Reisen teil.29
Wie für die anderen staatlich anerkannten Religionen30 auch gilt für den Islam, dass religiöse Aktivitäten unter dem Vorbehalt staatlicher Registrierung, Genehmigung und Kontrolle stehen. Mitglieder der KPCh und Militärangehörige müssen Atheisten sein und dürfen keinen religiösen Aktivitäten nachgehen. Personen, die einer religiösen Organisation angehören, können aus der Partei ausgeschlossen werden; dies wird allerdings nicht durchgängig umgesetzt.31
Seit dem 1. Februar 2020 gelten für religiöse Organisationen Vorschriften, nach denen alle Bereiche des religiösen Lebens unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch SARA stehen. Religiöse Organisationen müssen sich der KPCh unterordnen und die sozialistischen Werte umsetzen. Dazu müssen sie die Grundsätze und die
23 Introvigne, Massimo, et al.: Would the Real Article 300 Please Stand Up? Refugees from Religious Movements Persecuted as Xie Jiao in China: The Case of The Church of Almighty God, in: The Journal of CESNUR, Volume 3, Issue 5, September - October 2019, S. 3-86, https://cesnur.net/wp-content/uploads/2019/09/tjoc_3_5_1_introvigne.pdf, abgerufen am 10.10.2019, S. 8f.
24 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 6; U. S. Commission on International Religious Freedom: 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 1 Countries (Recommended for CPC Designation): China, April 2019, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2019USCIRFAnnu- alReport.pdf, abgerufen am 10.09.2019, S. 35.
25 Council on Foreign Relations: Christianity in China, 11.10.2018, https://www.cfr.org/backgrounder/christianity-china, abgerufen am 15.10.2019.
26 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 6.
27 Auch: China Islamic Association (Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 23; The State Council Information Office of the People’s Republic of China: China’s Policies and Practices on Protecting Freedom of Religious Belief, 03.04.2018, https://www.scio.gov.cn/zfbps/32832/Document/1626734/1626734.htm, abgerufen am 30.08.2019).
28 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 110.
29 The State Council Information Office of the People’s Republic of China: China’s Policies and Practices on Protecting Freedom of Religious Belief, 03.04.2018, https://www.scio.gov.cn/zfbps/32832/Document/1626734/1626734.htm, abgerufen am 30.08.2019.
30 Für eine ausführlichere Darstellung siehe Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 20 – China, Situation der Christen, Ok- tober 2019, Abschnitte 2 und 3.
31 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 1, 5, 8, 22; The State Council Information Office of the People’s Republic of China: China’s Policies and Practices on Protecting Freedom of Religious Belief, 03.04.2018, https://www.scio.gov.cn/zfbps/32832/Docu- ment/1626734/1626734.htm, abgerufen am 30.08.2019.
Politik der Partei sowie nationale Gesetze und Vorschriften ihren Mitarbeitern und Gläubigen nahebringen und sie dazu bewegen, die Führungsrolle der Partei zu unterstützen, das sozialistische System zu fördern und dem „Weg des Sozialismus mit chinesischen Eigenheiten“ zu folgen.32
3. Sinisierung Unter Präsident Xi Jinping verstärkt die KPCh ihre Kontrolle systematisch über alle Lebensbereiche.33 In diesem Zusammenhang werden die staatlich anerkannten Religionen vermehrt kontrolliert und in Form und Inhalten den Zielen der Partei angepasst. Davon sind alle Religionen betroffen.34 Führende Parteimitglieder betonten die Notwendigkeit einer Sinisierung des Islams in Xinjiang. Im Januar 2019 wurde ein Fünf-Jahres-Plan zur Sinisierung des Islams verabschiedet.35
Die Zugehörigkeit zum Islam ist eng verbunden mit der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit (siehe Abschnitt 1). Sprachen, Glaubenssysteme und Bräuche staatlich anerkannter ethnischer Minderheiten sind gesetzlich geschützt, auch gibt es offiziell regionale Autonomie für diese Minderheiten in ausgewiesenen Siedlungsgebieten. Für die Uiguren ist das die Autonome Region Xinjiang, für die Hui die Autonome Region Ningxia.36
Ursprünglich als multiethnischer Staat definiert, mehren sich Anzeichen, dass sich die Volksrepublik angesichts langjähriger Konflikte vor allem in Tibet und Xinjiang von diesem Konzept abwendet.37 Kulturelle Vielfalt und abweichende Meinungen gelten nun als existenzielle Bedrohungen der KPCh und der chinesischen Nation.38 Eine geänderte Minderheitenpolitik strebt anscheinend eine Standardisierung menschlichen Verhaltens an, mittels der gesellschaftliche Stabilität erreicht werden soll. 39 Die vor diesem Hintergrund zu sehenden anhaltenden Anstrengungen von Partei und Regierung, religiöse und ethnische Minderheiten zu sinisieren, tragen zu einer sich verstärkenden Marginalisierung von deren Kulturen und Sprachen bei. Das United Front Work Department betont hinsichtlich der Sinisierung die Bedeutung der ethnischen Einheit und der sogenannten „fünf Identifikationen“ (mit der chinesischen Nation, dem chinesischen Volk, der chinesischen Kultur, der Partei und mit einem „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“). Wichtig sind demnach die Vorherrschaft der chinesischen Sprache und Widerstand gegen ausländische kulturelle Einflüsse.40
32 Wang Zhicheng: New administrative measures for religious groups: total submission to the Chinese Communist Party, Asia News, 31.12.2019, http://www.asianews.it/news-en/-New-administrative-measures-for-religious-groups:-total-submission-to-the-Chinese- Communist-Party-%E2%80%8B-48919.html, abgerufen am 07.02.2020.
33 Drinhausen, Katja, und Grünberg, Nis: The Party leads on everything, China’s changing governance in Xi Jinping’s new era, 24.09.2019, https://www.merics.org/en/china-monitor/the-party-leads-on-everything, abgerufen am 26.09.2019; Congressional-Executive Commis- sion on China: Annual Report 2018, 10.10.2018, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/documents/An- nual%20Report%202018_2.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 9.
34 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2018, 10.10.2018, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/documents/Annual%20Report%202018_2.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 9; Madsen, Richard: The Sinicization of Chinese Religions under Xi Jinping, in: China Leadership Monitor, Nr. 61, Herbst 2019, 01.09.2019, https://www.prcleader.org/siniciza- tion-of-chinese-religions, abgerufen am 26.09.2019, S. 6f, 122.
35 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 9, 276.
36 Ebd., S. 109, 118. Es gibt auch untergeordnete autonome Verwaltungseinheiten in anderen Provinzen. 37 Zenz, Adrian: Wascht Gehirne, reinigt Herzen, in: FAZ vom 05.12.2019. 38 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in: China Brief (The Jamestown Founda- tion), Volume 19, Issue 22, 31.12.2019, https://jamestown.org/program/planting-the-seed-ethnic-policy-in-xi-jinpings-new-era-of-cul- tural-nationalism/, abgerufen am 09.01.2020.
39 Zenz, Adrian: Wascht Gehirne, reinigt Herzen, in: FAZ vom 05.12.2019. 40 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 116, 118.
4. Hui Historisch waren Muslime in anderen Landesteilen Chinas weniger von offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen als Uiguren in Xinjiang. Seit 2018 nehmen jedoch auch für sie die offizielle Diskriminierung und Einschränkungen der Religionsfreiheit zu. 41 Insbesondere Hui, Chinas zweite große muslimische ethnische Minderheit, sind von sich verschärfenden staatlichen Eingriffen in die Religionsfreiheit betroffen.42
Hui leben überwiegend in der Autonomen Hui Region Ningxia sowie u. a. in Xinjiang und in den Provinzen Gansu, Qinghai, Henan, Hebei, Shandong und Yunnan. Ihre Vorfahren waren Händler, Soldaten, Handwerker und Gelehrte, die zwischen dem 7. und dem 13. Jahrhundert aus Zentralasien und Persien einwanderten.43
Sie sind, tendenziell anders als die Angehörigen der Turkvölker, an die chinesische Mehrheitskultur assimiliert und sprechen meist Mandarin. In ihrer Lebensweise und ihrem Äußeren gleichen sie oft den Han-Chinesen44, mit denen sie sich durch Heirat vermischten.45 Ihren vom Sufismus geprägten sunnitischen Glauben praktizieren sie mit ins Chinesische übersetztem Schrifttum. Hui verstehen sich als Chinesen, ihre religiöse Identität begreifen sie eher kulturell als politisch.46 Sie gelten offiziell als vorbildlich integrierte Muslime.47
Eine 2018 gestartete Kampagne zur „Ent-Arabisierung“ wendet sich gegen die Verwendung arabischer bzw. muslimischer Kulturelemente im öffentlichen Raum. 48 Berichten zufolge werden in Ningxia sowie in den Provinzen Gansu, Henan und der Inneren Mongolei Moscheen überwacht, arabische Architekturelemente von Moscheen49 und anderen religiösen Gebäuden und arabische Schriftzüge aus dem öffentlichen Raum entfernt. Predigten der Imame werden kontrolliert und sollen Passagen zu zentralen sozialistischen Werten enthalten.50
Manche Moscheen mussten ihren Arabisch-Unterricht einstellen, mehrere private Arabisch-Schulen wurden
41 Ebd., S. 109, 116; Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 27f.
42 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 9; Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publi- cations/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 27.
43 Encyclopaedia Britannica: Hui, https://www.britannica.com/topic/Hui-people, abgerufen am 30.01.2020. 44 Der Tradition verpflichtete Hui tragen Kopftücher bzw. weiße Gebetskappen (Gan, Nectar: Communism and Islam collide in China’s Mus- lim heartland, Inkstone, 14.05.2018, https://www.inkstonenews.com/society/china-making-islam-chinese-hui-muslim-heartland/ar- ticle/2146006, abgerufen am 31.01.2020).
45 Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 26; “Als sie die Hui holten…”: China verstärkt Verfolgung des Islam, Bitter Winter, 21.08.2018, https://de.bitterwinter.org/dann-holten- sie-die-hui-china-verstaerkt-verfolgung-des-islam/, abgerufen am 30.01.2020; Gan, Nectar: Communism and Islam collide in China’s Mus- lim heartland, Inkstone, 14.05.2018, https://www.inkstonenews.com/society/china-making-islam-chinese-hui-muslim-heartland/ar- ticle/2146006, abgerufen am 31.01.2020.
46 Lee, Raymond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://stud- ies.aljazeera.net/en/reports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020.
47 “Als sie die Hui holten…”: China verstärkt Verfolgung des Islam, Bitter Winter, 21.08.2018, https://de.bitterwinter.org/dann-holten-sie- die-hui-china-verstaerkt-verfolgung-des-islam/, abgerufen am 30.01.2020.
48 Li Wensheng: Überall in China werden Moscheen sinisiert, Bitter Winter, 02.03.2019, https://de.bitterwinter.org/ueberall-in-china-wer- den-moscheen-sinisiert/, abgerufen am 30.01.2020; Li Zaili: Ausrottung muslimischer Traditionen über Xinjiang hinaus ausgeweitet, Bit- ter Winter, 13.12.2018, https://de.bitterwinter.org/ausrottung-muslimischer-traditionen-ueber-xinjiang-hinaus-ausgeweitet/, abgerufen am 30.01.2020.
49 Während der Kulturrevolution (1966 – 1976) wurden viele in traditioneller chinesischer Architektur erbaute Moscheen zerstört. Neubau- ten erfolgten in den vergangenen Jahrzehnten oft in einem an die arabische Kultur angelehnten Stil (Gan, Nectar: Communism and Islam collide in China’s Muslim heartland, Inkstone, 14.05.2018, https://www.inkstonenews.com/society/china-making-islam-chinese-hui- muslim-heartland/article/2146006, abgerufen am 31.01.2020).
50 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 116; Wang Yichi: Hui Muslim Culture, Reli- gion Purged in Henan and Ningxia, Bitter Winter, 08.10.2019, https://bitterwinter.org/hui-muslim-culture-religion-purged-in-henan-and- ningxia/, abgerufen am 31.01.2020; Feng, Emily: ‘Afraid We Will Become The Next Xinjiang’: China’s Hui Muslims Face Crackdown, NPR, 26.09.2019, https://www.npr.org/2019/09/26/763356996/afraid-we-will-become-the-next-xinjiang-chinas-hui-muslims-face-crackdown, abgerufen am 02.10.2019; Myers, Steven Lee: A Crackdown on Islam Is Spreading Across China, in: The New York Times, 21.09.2019, https://www.nytimes.com/2019/09/21/world/asia/china-islam-crackdown.html, abgerufen am 02.10.2019; Li Wensheng: Überall in China werden Moscheen sinisiert, Bitter Winter, 02.03.2019, https://de.bitterwinter.org/ueberall-in-china-werden-moscheen-sinisiert/, abgerufen am 30.01.2020.
In der Präfektur Linxia, einem Siedlungsschwerpunkt der Hui in der Provinz Gansu, wird die religiöse Architektur „sinisiert“. Minderjährigen wurde der Zutritt zu Moscheen untersagt, religiöse Erziehung wurde verboten, Lautsprecher, über die Gläubige zum Gebet aufgerufen wurden, wurden von Moscheen entfernt. Lehrer einer weiterführenden Schule wurden angewiesen, im Unterricht keine traditionellen Kleidungselemente zu tragen.54
In der Provinz Yunnan wurden mehrere Moscheen in von Hui bewohnten Gebieten Ziele von Razzien und Schließungen.55
Vorschriften von 2017 verbieten religiöse Bezüge in Firmennamen. Betroffen sind alle Religionen, darunter auch der Islam. In Henan, Heilongjiang, Shaanxi und anderen Provinzen begannen Behörden, entsprechende Änderungen auf Firmenschildern durchzusetzen.56 Im August 2019 wurden in der Stadt Xinxiang in der Provinz Henan arabische Schriftzüge auf Firmenschildern von mindestens 250 Geschäften entfernt.57
Im Rahmen einer Kampagne gegen die Verbreitung von nach islamischem Recht Erlaubtem (Halal) im muslimischen Alltag und im öffentlichen Raum wurde die Kennzeichnung von Lebensmitteln als halal auf ihren Verpackungen verboten. In den Städten Guangzhou und Qingyuan in der Provinz Guangdong wurde arabische Schrift von Firmenschildern von Halal-Restaurants und von deren Speisekarten entfernt. In der Provinz Gansu wurden im März 2018 zahlreiche Geschäfte geschlossen, die Halal-Produkte anboten.58
Die Regierungen der Autonomen Regionen Xinjiang und Ningxia vereinbarten im November 2018 eine engere Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung und beim Umgang mit Bürgern aus Xinjiang, die in Ningxia studieren. 59 Unter der Vereinbarung sollten in Xinjiang wirksame Antiterror-Maßnahmen auch in Ningxia angewendet werden.60
51 Lau, Mimi: China’s religion policies in Xinjiang could be spreading, Inkstone, 10.12.2018, https://www.inkstonenews.com/society/chi- nese-arabic-school-gansu-shut-down/article/2177255, abgerufen am 30.01.2020.
52 Gan, Nectar: Communism and Islam collide in China’s Muslim heartland, Inkstone, 14.05.2018, https://www.inkstonenews.com/soci- ety/china-making-islam-chinese-hui-muslim-heartland/article/2146006, abgerufen am 31.01.2020.
53 Ma Xiagu: “Sinicization” of Islam Accelerates in Northwest China, Bitter Winter, 13.11.2019, https://bitterwinter.org/sinicization-of-is- lam-accelerates-in-northwest-china/, abgerufen am 31.01.2020; Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 110.
54 Ma Xiagu: “Sinicization” of Islam Accelerates in Northwest China, Bitter Winter, 13.11.2019, https://bitterwinter.org/sinicization-of-is- lam-accelerates-in-northwest-china/, abgerufen am 31.01.2020; Li Zaili: Ausrottung muslimischer Traditionen über Xinjiang hinaus ausge- weitet, Bitter Winter, 13.12.2018, https://de.bitterwinter.org/ausrottung-muslimischer-traditionen-ueber-xinjiang-hinaus-ausgeweitet/, abgerufen am 30.01.2020; “Als sie die Hui holten…”: China verstärkt Verfolgung des Islam, Bitter Winter, 21.08.2018, https://de.bitter- winter.org/dann-holten-sie-die-hui-china-verstaerkt-verfolgung-des-islam/, abgerufen am 30.01.2020.
55 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 116.
56 Li Guang: The Purge of Religion-Related Signboards Escalates, Bitter Winter, 02.06.2019, https://bitterwinter.org/the-purge-of-religion- related-signboards-escalates/, abgerufen am 31.01.2020.
57 Wang Yichi: Hui Muslim Culture, Religion Purged in Henan and Ningxia, Bitter Winter, 08.10.2019, https://bitterwinter.org/hui-muslim- culture-religion-purged-in-henan-and-ningxia/, abgerufen am 31.01.2020.
58 Ebd.; Kuo, Lily: Chinese authorities launch 'anti-halal’ crackdown in Xinjiang, in: The Guardian, 10.10.2018, https://www.theguard- ian.com/world/2018/oct/10/chinese-authorities-launch-anti-halal-crackdown-in-xinjiang, abgerufen am 04.02.2020.
59 U. S. Department of State: Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – China, 01.11.2019, https://www.ecoi.net/de/doku- ment/2019282.html, abgerufen am 16.01.2020.
60 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 9, 109.
Uiguren in Xinjiang erfahren deutlich mehr staatliche Einschränkungen ihres Glaubenslebens als andere ethnische bzw. religiöse Minderheiten Chinas; nur Tibeter in der Autonomen Region Tibet (Xizang) und in weiteren tibetischen autonomen Gebieten befinden sich in einer ähnlichen Situation. Ein Grund hierfür ist die jüngere Geschichte auch gewaltsamen Widerstands gegen die chinesische Vorherrschaft sowie damit verbunden die geringe Empfänglichkeit der uigurischen Gesellschaft für staatliche Bemühungen zur Assimilation. 66 Ein weiterer Grund liegt in der geopolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Region für China. Xinjiang grenzt an sechs Nachbarstaaten, in denen ebenfalls turksprachige Ethnien leben. Es verfügt über etwa 30% der kontinentalen Ölreserven und 34% der Gasreserven Chinas. 67 Im Rahmen des Projektes der „Neuen Seidenstraße“ der Regierung kommt Xinjiang Bedeutung u. a. als Drehscheibe für den Export zu.68
5.1. Die „drei Übel“
61 Chinese Human Rights Defenders: China: Massive Numbers of Uyghurs & Other Ethnic Minorities Forced into Re-education Programs, 03.08.2018, https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other-ethnic-minorities-forced-into-re-education-pro- grams/, abgerufen am 07.01.2020.
62 Many Han Chinese don’t mind the gulag for their Uighur neighbours, in: The Economist, 11.01.2020, https://www.econo- mist.com/china/2020/01/11/many-han-chinese-dont-mind-the-gulag-for-their-uighur-neighbours, abgerufen am 13.01.2020; Lee, Ray- mond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://studies.aljazeera.net/en/re- ports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020.
63 Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): LIPortal, China, Gesellschaft, Dezember 2019, https://www.lipor- tal.de/china/gesellschaft/, abgerufen am 16.01.2020.
64 U. S. Department of State: 2017 Report on International Religious Freedom - China (Includes Tibet, Hong Kong, and Macau), 29. Mai 2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436855.html, abgerufen am 09.01.2020).
65 Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 03.10.2019, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-china.pdf, abgerufen am 18.10.2019, S. 26.
66 Lee, Raymond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://stud- ies.aljazeera.net/en/reports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020.
67 Shi-Kupfer, Kristin: China – Xinjiang, Bundeszentrale für politische Bildung, 17.12.2017, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/in- nerstaatliche-konflikte/54592/china-xinjiang, abgerufen am 13.01.2020.
68 Der u. a. auch Belt and Road Initiative (BRI) genannte Ansatz zielt darauf ab, unter Chinas Führung ein internationales System aus Han- delskontakten und der zugehörigen Infrastruktur für Verkehr, Energie und Informations- und Kommunikationstechnik zu schaffen (Mer- cator Institute for China Studies: MERICS Belt and Road Tracker, https://www.merics.org/en/bri-tracker, abgerufen am 05.02.2020; Lehr, Amy K., und Bechrakis, Mariefaye: Connecting the Dots in Xinjiang, Oktober 2019, https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs- public/publication/Lehr_ConnectingDotsXinjiang_interior_v3_FULL_WEB.pdf, abgerufen am 04.02.2020, S. 2-5; Castets, Rémy: China’s internal colony, in: Le Monde Diplomatique, März 2019, https://mondediplo.com/2019/03/10china-uygurs, abgerufen am 04.02.2020).
69 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 1.
70 Amnesty International: Mesut Ozil’s Uyghur post: 10 things you need to know about China’s Xinjiang crisis, 18.12.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021586.html, abgerufen am 16.01.2020.
In Xinjiang nähren Bestrebungen unter den Uiguren nach mehr Selbstbestimmung seit Jahrzehnten einen gelegentlich auch gewaltsamen Konflikt mit der Zentralregierung72. Nach gewaltsamen Protesten in den 1990er Jahren eskalierte die Situation mit Unruhen, die im Juli 200973 in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi74 offiziell 197 Todesopfer forderten und in den folgenden Jahren eine Welle staatlicher Repressionen auslösten.75 Uiguren reagierten darauf vermehrt mit gewaltsamem Widerstand, der seinen Höhepunkt in den Jahren von 2013 bis etwa 2015 erreichte. Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Sicherheitskräften sowie Anschläge von Uiguren76 forderten bis dahin zahlreiche Todesopfer.77
Vor dem Hintergrund des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001 stellte Chinas Führung den Konflikt mit den Uiguren in den Zusammenhang der Bekämpfung des internationalen Terrorismus78. Sie rechtfertigt damit eine bis heute fortgeführte Serie von Maßnahmen, mit denen die „drei Übel“ zur Wahrung der inneren Stabilität, einer harmonischen Gesellschaft und der Einheit der Volksrepublik bekämpft werden sollen.79
Die Kontrolle und Überwachung vor allem der uigurischen Bevölkerung Xinjiangs80 wurde unter Präsident Xi Jinping zu einem komplexen repressiven System ausgebaut. Hierfür werden u. a. modernste Überwachungstechnik, eine umfassende Sammlung persönlicher Daten sowie strenge Maßnahmen zu einer
71 Dynon, Nicholas: The Language of Terrorism in China: Balancing Foreign and Domestic Policy Imperatives, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume XIV, Issue 1, 09.01.2014, https://jamestown.org/program/the-language-of-terrorism-in-china-balancing-foreign- and-domestic-policy-imperatives/, abgerufen am 04.02.2020.
72 Mit dem Einmarsch der chinesischen Volksbefreiungsarmee endete die zuvor bestehende zweite Republik Ostturkistan (1944 – 1949). Eine bereits 1933 von Uiguren und anderen Turkvölkern um Kashgar ausgerufene erste Republik Ostturkistan bestand nur bis 1934. Wäh- rend Uiguren diese wie weitere seit dem 8. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Xinjiangs bestehende uigurische Reiche als Zeichen ihrer Eigenständigkeit verstehen, verweist China auf den Anschluss des Gebiets als Provinz Xinjiang (Neues Land) an das chinesische Kai- serreich der Qing Ende des 19. Jahrhunderts (Shi-Kupfer, Kristin: China – Xinjiang, Bundeszentrale für politische Bildung, 17.12.2017, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54592/china-xinjiang, abgerufen am 13.01.2020).
73 Damals forderten uigurische Demonstranten Aufklärung über die Todesumstände zweier uigurischer Wanderarbeiter im Süden Chinas (Shi-Kupfer, Kristin: China – Xinjiang, Bundeszentrale für politische Bildung, 17.12.2017, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/in- nerstaatliche-konflikte/54592/china-xinjiang, abgerufen am 13.01.2020).
74 Andere Schreibweisen u. a. Urumqi, Urumtschi, Urumchi. 75 Castets, Rémy: China’s internal colony, in: Le Monde Diplomatique, März 2019, https://mondediplo.com/2019/03/10china-uygurs, abge- rufen am 04.02.2020. Für eine Zusammenstellung von Vorfällen siehe: Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: China: Situation of Uyghurs, April 2016, https://www.ecoi.net/en/file/local/1092057/90_1462195747_accord-2016-04- china-uyghurs.pdf, abgerufen am 04.02.2020, S. 51-64.
76 Chinesische Stellen gehen von Verbindungen zwischen international aktiven Terrororganisationen (East Turkistan Islamic Movement – ETIM, Turkistan Islamic Party – TIP) und Uiguren aus, die für Gewaltakte vor allem in Xinjiang, aber auch andernorts in der Volksrepublik verantwortlich sein sollen. Siehe Roul, Animesh: Al-Qaeda and Islamic State Reinvigorating East Turkistan Jihad, in: Terrorism Monitor (The Jamestown Foundation), Volume 17, Issue 10, 17.05.2019, https://jamestown.org/program/al-qaeda-and-islamic-state-reinvigorat- ing-east-turkistan-jihad/, abgerufen am 04.02.2020, sowie Pantucci, Raffaelo: Tiananmen Attack: Islamist Terror or Chinese Protest?, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume: 14, Issue: 1, 09.01.2014, https://jamestown.org/program/tiananmen-attack-islamist- terror-or-chinese-protest/, abgerufen am 04.02.2020, und Castets, Rémy: China’s internal colony, in: Le Monde Diplomatique, März 2019, https://mondediplo.com/2019/03/10china-uygurs, abgerufen am 04.02.2020.
77 Castets, Rémy: China’s internal colony, in: Le Monde Diplomatique, März 2019, https://mondediplo.com/2019/03/10china-uygurs, abgerufen am 04.02.2020; Amnesty International: „Justice, justice“: The July 2009 Protests in Xinjiang, China, 02.07.2010, https://www.amnesty.org/en/documents/ASA17/027/2010/en/, abgerufen am 05.02.2020. Für eine Zusammenstellung von Vorfällen siehe: Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: China: Situation of Uyghurs, April 2016, https://www.ecoi.net/en/file/local/1092057/90_1462195747_accord-2016-04-china-uyghurs.pdf, abgerufen am 04.02.2020, S. 51-64.
78 Dynon, Nicholas: The Language of Terrorism in China: Balancing Foreign and Domestic Policy Imperatives, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume XIV, Issue 1, 09.01.2014, https://jamestown.org/program/the-language-of-terrorism-in-china-balancing-foreign- and-domestic-policy-imperatives/, abgerufen am 04.02.2020.
79 Grose, Timothy: ‘Once Their Mental State Is Healthy, They Will Be Able to Live Happily in Society’. How China’s Government Conflates Uighur Identity with Mental Illness, ChinaFile, 02.08.2019, http://www.chinafile.com/reporting-opinion/viewpoint/once-their-mental- state-healthy-they-will-be-able-live-happily-society, abgerufen am 09.08.2019. Siehe auch Ramzy, Austin, und Buckley, Chris: The Xin- jiang Papers, ‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Detentions of Muslims, in: The New York Times, 16.11.2019, https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/16/world/asia/china-xinjiang-documents.html, abgerufen am 18.11.2019 sowie Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xinjiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020.
80 Auch in anderen Landesteilen Chinas stehen Uiguren unter staatlicher Kontrolle und Überwachung und werden mitunter staatlich diskri- miniert. Siehe hierzu z.B. Wang Yong: Labeled as “Terrorists”, Uyghurs Deprived of Basic Rights, Bitter Winter, 14.11.2019, https://bitter- winter.org/labeled-as-terrorists-uyghurs-deprived-of-basic-rights/, abgerufen am 24.01.2020.
5.2. Umerziehungslager
Seit 2014 führt China in Xinjiang eine Kampagne gegen gewalttätigen Terrorismus durch (Strike Hard Campaign against Violent Terrorism), die sich u. a. gegen Personen wendet, welche die Sicherheit des Staates, die ethnische Einheit und die soziale Stabilität bedrohen.82 Nach Chen Quanguos Amtsantritt als Xinjiangs neuer Parteisekretär im Jahr 2016 wurden die staatlichen Maßnahmen drastisch verschärft; u. a. wurden Umerziehungslager83 in großem Stil eingeführt. 84 Informationen über das Lagerwesen stammen von ehemaligen Insassen und den Verwandten Internierter oder wurden aus der Analyse offizieller Dokumente oder durch die Auswertung von Satellitenaufnahmen gewonnen. Auch gelangen einigen Reportern internationaler Medien verdeckte Recherchen vor Ort.85
Berichten zufolge begannen die Internierungen in Umerziehungslagern etwa im Frühjahr 2017.86 EndeMärz 2017 in Xinjiang veröffentlichte Vorschriften zur „De-Extremifizierung“ sehen vor, dass für des Extremismus Verdächtigte eine individuelle und zentralisierte Erziehung umgesetzt werden müsse. Eine von der Parteischule in Ürümqi im Juni 2017 veröffentlichte Untersuchung empfiehlt die Einrichtung von Umerziehungszentren (centralized transformation through education training centers) in allen Präfekturen und Kreisen Xinjiangs.87
Neue Lager wurden gebaut, bestehende Hafteinrichtungen und Polizeistationen ausgebaut, Supermärkte und öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Heime und Krankenhäuser umfunktioniert. 88 Nach öffentlichen Ausschreibungen hierfür wurden sie ähnlich wie Gefängnisse gestaltet, u. a. mit Mauern, Sicherheitszäunen, Stacheldraht, Sicherheitstüren und -fenstern, Überwachungstechnik, Wachtürmen und Einrichtungen für die Unterbringung bewaffneter Polizei. Der Wissenschaftler Adrian Zenz kommt anhand einer Analyse von Ausschreibungen zu Lagern zu dem Schluss, eine rasche Zunahme des Umfangs derartiger Maßnahmen im Jahr 2017 deute darauf hin, dass kurzfristig die Infrastruktur geschaffen werden sollte, um schätzungsweise bis zu mehrere Hunderttausend Menschen internieren zu können.89
81 U. S. Department of State: Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – China, 01.11.2019, https://www.ecoi.net/de/doku- ment/2019282.html, abgerufen am 16.01.2020; Congressional-Executive Commission on China, Hearing on The Communist Party’s Crackdown on Religion in China, 28.11.2018, https://www.cecc.gov/events/hearings/forced-labor-mass-internment-and-social-control- in-xinjiang, abgerufen am 22.10.2019.
82 Human Rights Watch: World Report 2020 – China, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/china-and- tibet, abgerufen am 30.01.2020; Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xin- jiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 11ff.
83 Bereits 2015 erklärte Zhang Yun, Parteisekretär von Xinjiangs Justice Department, dass 30% der Bevölkerung Xinjiangs umerzogen werden müssten (Chinese Human Rights Defenders: China: Massive Numbers of Uyghurs & Other Ethnic Minorities Forced into Re-edu- cation Programs, 03.08.2018, https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other-ethnic-minorities-forced-into- re-education-programs/, abgerufen am 14.02.2020).
84 Chen hatte zuvor die Autonome Region Tibet durch umfassende Sicherheitsmaßnahmen und Maßnahmen sozialer Kontrolle „befriedet“ (Zenz, Adrian, und Leibold James: Chen Quanguo: The Strongman Behind Beijing’s Securitization Strategy in Tibet and Xinjiang, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 17, Issue 12, 21.09.2017, https://jamestown.org/program/chen-quanguo-the-strongman- behind-beijings-securitization-strategy-in-tibet-and-xinjiang/, abgerufen am 14.02.2020).
85 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 270-272.
86 Human Rights Watch: China: Free Xinjiang ‘Political Education’ Detainees, 10.09.2017, https://www.hrw.org/news/2017/09/10/china- free-xinjiang-political-education-detainees, abgerufen am 14.02.2020; Around 120,000 Uyghurs Detained For Political Re-Education in Xinjiang’s Kashgar Prefecture, Radio Free Asia, 22.01.2018, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/detentions- 01222018171657.html, abgerufen am 14.02.2020.
87 Zenz, Adrian: New Evidence for China’s Political Re-Education Campaign in Xinjiang, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 18, Issue 10, 15.05.2018, https://jamestown.org/program/evidence-for-chinas-political-re-education-campaign-in-xinjiang/, abgerufen am 14.02.2020.
88 More Than One in 10 Residents of Xinjiang Township Held in Political ‘Re-Education Camps’, Radio Free Asia, 24.08.2018, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/township-08242018143331.html, abgerufen am 14.02.2020; Human Rights Watch: China: Free Xinjiang ‘Political Education’ Detainees, 10.09.2017, https://www.hrw.org/news/2017/09/10/china-free-xinjiang-political-educa- tion-detainees, abgerufen am 14.02.2020; Zenz, Adrian: New Evidence for China’s Political Re-Education Campaign in Xinjiang, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 18, Issue 10, 15.05.2018, https://jamestown.org/program/evidence-for-chinas-political-re- education-campaign-in-xinjiang/, abgerufen am 14.02.2020.
89 Zenz, Adrian: “Wash Brains, Cleanse Hearts”: Evidence from Chinese Government Documents about the Nature and Extent of Xinjiang’s Extrajudicial Internment Campaign, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 11, November 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains-
Die Regionalregierung Xinjiangs ergänzte im Oktober 2018 bestehende Vorschriften eines Antiterrorgesetzes von 2017 dahingehend, dass die Behörden als von extremistischem Gedankengut beeinflusst geltende Personen ohne Gerichtsverfahren in Trainingszentren unterbringen können um sie „zu erziehen und zu transformieren“. Behörden ab oder über der Kreisebene dürfen demnach derartige Zentren einrichten. Damit wurde die Internierung von Uiguren in Umerziehungslagern seit 2017 rückwirkend legalisiert.90
Eine Einweisung in die Lager erfolgt ohne Anklage oder gerichtliche Kontrolle auf unbestimmte Zeit. Familienangehörige können von Sippenhaft oder verschärfter staatlicher Kontrolle betroffen sein 91 . Freigelassene berichteten von mehrmonatiger Internierung. 92 Laut internen Anweisungen soll die Lagerhaft mindestens ein Jahr dauern.93 Insassen der Umerziehungslager, die sich uneinsichtig zeigen, können in reguläre Haft überführt und strafverfolgt werden.94
Neben den Lagern, welche die Insassen nicht verlassen dürfen, gibt es offene Einrichtungen, in denen Betroffene vor Ort tagsüber oder abends geschult werden. Teilnehmer können zum Schlafen oder um Mahlzeiten einzunehmen nach Hause. Die Teilnahme ist verpflichtend; wer sich nicht den Anforderungen gemäß verhält, kann in ein Lager eingewiesen werden. In offenen Einrichtungen werden vor allem Personen geschult, deren Familienangehörige sich in Umerziehungslagern oder im Ausland befinden, insbesondere Frauen und Ältere.95
Betroffener Personenkreis
Personen, deren Verhalten oder Kleidung aus Sicht der Behörden eine Nähe zu extremistischem Gedankengut vermuten lässt, droht eine Unterbringung in Umerziehungslagern. Anhand Dutzender Kriterien identifizieren die Behörden entsprechende Personen. Dazu zählen u. a. das Tragen traditioneller Kleidung; die Verhüllung des Gesichts; lange Bärte; die Körperhaltung während des Gebets; mit Henna gefärbtes Haar; das Beten in der Öffentlichkeit in Gruppen außerhalb von Moscheen; plötzliche Abstinenz von Alkohol oder vom Rauchen; im Dorf die Weigerung, den Parteisekretär oder Parteikader zu grüßen; der Besitz verbotener religiöser Medien; im Ausland lebende Angehörige sowie ein Studium im muslimischen Ausland oder Reisen dorthin.96 Personen, die Verbindungen zu bestimmten muslimischen Ländern97 haben (z.B. frühere Reisen, Studium oder Kontakt zu sich dort aufhaltenden Personen) laufen Gefahr, von den chinesischen Behörden befragt, interniert oder strafrechtlich verfolgt zu werden. Daneben können allerdings auch Personen, die Kontakt zu anderen Ländern
cleanse-hearts/, abgerufen am 29.11.2019; Zenz, Adrian: New Evidence for China’s Political Re-Education Campaign in Xinjiang, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 18, Issue 10, 15.05.2018, https://jamestown.org/program/evidence-for-chinas-political-re- education-campaign-in-xinjiang/, abgerufen am 14.02.2020.
90 U. S. Department of State: Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – China, 01.11.2019, https://www.ecoi.net/de/doku- ment/2019282.html, abgerufen am 16.01.2020; Dorloff, Axel: Umerziehungslager jetzt offiziell, tagesschau.de, 11.10.2018, https://www.tagesschau.de/ausland/chinas-umerziehungslager-101.html, abgerufen am 07.02.2020.
91 Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xinjiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 3.
92 Human Rights Watch: China: Free Xinjiang ‘Political Education’ Detainees, 10.09.2017, https://www.hrw.org/news/2017/09/10/china- free-xinjiang-political-education-detainees, abgerufen am 14.02.2020.
93 Zenz, Adrian: Wascht Gehirne, reinigt Herzen, in: FAZ vom 05.12.2019. 94 Chinese Human Rights Defenders: China: Massive Numbers of Uyghurs & Other Ethnic Minorities Forced into Re-education Programs, 03.08.2018, https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other-ethnic-minorities-forced-into-re-education-pro- grams/, abgerufen am 14.02.2020.
95 Ebd.; Authorities in Xinjiang’s Kashgar Detain Uyghurs at ‘Open Political Re-Education Camps’, Radio Free Asia, 09.05.2018, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/camps-05092018154928.html, abgerufen am 14.02.2020.
96 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 67; New Guidelines on Uyghur ‘Signs of Extremism’ Issued to Xinjiang Authorities, Radio Free Asia, 07.11.2017, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/guidelines-11072017153331.html, abgerufen am 14.02.2020; China's Mass Detention of Xinjiang's Ethnic Minorities Shows No Sign of Let-up, Radio Free Asia, 01.11.2017, https://www.rfa.org/english/news/uy- ghur/detention-11012017120255.html, abgerufen am 14.02.2020.
97 Eine offizielle Liste enthält die folgenden 26 Länder: Afghanistan, Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Indonesien, Irak, Iran, Jemen, Ka- sachstan, Kenia, Kirgisistan, Libyen, Malaysia, Nigeria, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Somalia, Südsudan, Syrien, Tadschikistan, Thai- land, Türkei, Turkmenistan, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate.
Auch zahlreiche Intellektuelle und Kulturschaffende wurden in Lager gebracht.99
Nicht nur Uiguren, sondern auch Angehörige anderer Turkvölker wie Kasachen und Kirgisen sowie Hui befinden sich in den Lagern.100 Nach einer Schätzung gibt es etwa 1.300 bis 1.400 Lager. Offizielle Angaben hierzu wie zur Zahl der Lagerinsassen wurden nicht veröffentlicht. Eine aktuelle Schätzung geht von 900.000 bis 1,7 Millionen Menschen aus, die interniert sind oder waren. 101 In ländlichen Gegenden mit überwiegend uigurischer Bevölkerung dürften sich zwischen 10% und 30% der Erwachsenen in Lagern und Gefängnissen befinden oder befunden haben.102 In ganz Xinjiang waren bzw. sind nach einer Schätzung von 2018 womöglich bis zu etwa 3,3 Millionen Menschen von den beiden Formen von Umerziehungsmaßnahmen betroffen (1,1 Millionen in Lagern, 2,2 Millionen in offenen Einrichtungen).103 Eine kasachische Nichtregierungsorganisation geht von etwa 10.000 internierten Kasachen aus.104 Aus einigen Gebieten wurde über Umerziehungs-Quoten berichtet, die von den lokalen Behörden erfüllt werden müssten.105 Berichten zufolge wurde eine unbekannte Zahl von Uiguren aus überfüllten Lagern in Gefängnisse in anderen Provinzen verlegt.106
98 Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xinjiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 4, 15.
99 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 273f.
100 Ebd., S. 3f, 15, 263. 101 Das entspricht zwischen 7,7 und 15,4% der erwachsenen Bevölkerung der turksprachigen Minderheiten und der Hui (Zenz, Adrian: “Wash Brains, Cleanse Hearts”: Evidence from Chinese Government Documents about the Nature and Extent of Xinjiang’s Extrajudicial Internment Campaign, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 11, November 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains-cleanse-hearts/, abgerufen am 29.11.2019). Auch andere Schätzungen bewegen sich in dieser Größenordnung. Siehe z.B. Human Rights Watch: World Report 2020 – China, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/china-and-tibet, abgerufen am 30.01.2020; Amnesty International: Human Rights in Asia-Pacific: Review of 2019, China, https://www.amnesty.org/en/docu- ments/asa01/1354/2020/en/, abgerufen am 31.01.2020, S. 17; Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 3f.
102 Zenz, Adrian: “Wash Brains, Cleanse Hearts”: Evidence from Chinese Government Documents about the Nature and Extent of Xinjiang’s Extrajudicial Internment Campaign, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 11, November 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains- cleanse-hearts/, abgerufen am 29.11.2019.
103 Chinese Human Rights Defenders: China: Massive Numbers of Uyghurs & Other Ethnic Minorities Forced into Re-education Programs, 03.08.2018, https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other-ethnic-minorities-forced-into-re-education-pro- grams/, abgerufen am 14.02.2020.
104 Introvigne, Massimo: Die Tragödie der kasachischen Muslime in China: Gefangen, gefoltert, zum Schweigen gebracht, Bitter Winter, 07.03.2019, https://de.bitterwinter.org/die-tragoedie-der-kasachischen-muslime-in-china-gefangen-gefoltert-zum-schweigen-gebracht/, abgerufen am 30.01.2020.
105 Nearly Half of Xinjiang Village’s Residents Sent to ‘Political Re-Education Camps’: Official, Radio Free Asia, 14.06.2018, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/half-06142018132115.html, abgerufen am 14.02.2020.
106 U. S. Department of State: Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – China, 01.11.2019, https://www.ecoi.net/de/doku- ment/2019282.html, abgerufen am 16.01.2020.
In den Lagern werden in einem allerdings begrenzten Umfang Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. Die Insassen müssen vor allem Chinesisch lernen. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch der Umerziehung der Betroffenen. Sie werden politisch indoktriniert, müssen Loblieder auf die Kommunistische Partei singen und Vorschriften auswendig lernen. Es kommt zu Misshandlungen und Folter durch Lagerpersonal gegenüber Insassen, zu Zwangsarbeit, Nahrungsentzug und zur zwangsweisen Verabreichung von Medikamenten. Fehlverhalten und als religiös eingestuftes Verhalten werden bestraft. Die Unterbringung und die Bewachung ähneln Verhältnissen in Gefängnissen. Es gibt keine Intimsphäre, alle Bereiche, selbst sanitäre Anlagen werden mit Kameras überwacht. Auch gibt es Berichte von mehreren Todesfällen in den Lagern, deren Hintergründe unklar sind oder die auf schlechte Haftbedingungen oder mangelnde medizinische Versorgung zurückgeführt werden.107 Personen, die aus den Lagern entlassen wurden, berichteten von einem hohen psychischen Druck u. a. durch erzwungene Selbstbezichtigungen sowie von Selbstmordversuchen.108
Offizielle Reaktionen
In Vorzeigeeinrichtungen wird wohl für die Weltöffentlichkeit ein entschärftes Bild der Situation gegeben. Die Auswertung von Satellitenbildern legt nahe, dass in für einen Besuch ausgewählten Einrichtungen Monate zuvor die für Gefängnisse typischen Befestigungen wie Wachtürme und Stacheldraht abgebaut wurden. Jüngste Berichte über staatlich streng überwachte und gesteuerte Besuchsreisen ausländischer Reporter in Xinjiang stützen diese Darstellung. Eine ungehinderte und unabhängige Berichterstattung über die Lager war und ist nicht möglich.113
107 Zenz, Adrian: “Wash Brains, Cleanse Hearts”: Evidence from Chinese Government Documents about the Nature and Extent of Xinjiang’s Extrajudicial Internment Campaign, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 11, November 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains- cleanse-hearts/, abgerufen am 29.11.2019; Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 15, 263; Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xinjiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 4, 35ff; Thum, Rian: What Really Happens in China’s ‘Re-education’ Camps, in: The New York Times, 15.05.2018, https://www.nytimes.com/2018/05/15/opinion/china- re-education-camps.html, abgerufen am 14.02.2020; Inside the camps where China tries to brainwash Muslims until they love the party and hate their own culture, in: South China Morning Post, 17.05.2018, http://www.scmp.com/news/china/policies-politics/arti- cle/2146612/inside-camps-where-china-tries-brainwash-muslims-until, abgerufen am 14.02.2020.
108 Zenz, Adrian: Wascht Gehirne, reinigt Herzen, in: FAZ vom 05.12.2019. 109 Zenz, Adrian: New Evidence for China’s Political Re-Education Campaign in Xinjiang, in: China Brief (The Jamestown Foundation), Volume 18, Issue 10, 15.05.2018, https://jamestown.org/program/evidence-for-chinas-political-re-education-campaign-in-xinjiang/, abgerufen am 14.02.2020.
110 Batke, Jessica: What Satellite Images Can Show Us about ‘Re-education’ Camps in Xinjiang, ChinaFile, 23.08.2018, http://www.china- file.com/reporting-opinion/features/what-satellite-images-can-show-us-about-re-education-camps-xinjiang, abgerufen am 14.02.2020.
111 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 62.
112 Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommis- sion.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 269.
113 Human Rights Watch: World Report 2020 – China, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/china-and- tibet, abgerufen am 30.01.2020; Zenz, Adrian: “Wash Brains, Cleanse Hearts”: Evidence from Chinese Government Documents about the Nature and Extent of Xinjiang’s Extrajudicial Internment Campaign, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 11, November 2019, http://www.jpolrisk.com/wash-brains-cleanse-hearts/, abgerufen am 29.11.2019; Seytoff, Alim, und Lipes, Joshua: Skeptical Scholar Says Visit to Xinjiang Internment Camps Confirms Western Media Reports, Radio Free Asia, 28.09.2019, https://www.rfa.org/eng-
Von der New York Times veröffentlichtes vertrauliches Material (Xinjiang Papers) enthält geheime Reden Xi Jinpings und anderer hochrangiger Funktionäre, interne Anweisungen u. a. zum Umgang mit Uiguren, die nach ihren internierten Angehörigen fragen, und Ermittlungen über Verstöße lokaler Beamter gegen Regelungen zum Lagerwesen. Es zeigt, dass Xi Jinping 2014 zwar nicht direkt die Einrichtung von Umerziehungslagern, wohl aber eine umfassende Bekämpfung des radikalen Islams in Xinjiang anordnete. Auch gibt es Hinweise auf Pläne, die Einschränkungen des Islams auf andere Landesteile auszudehnen.114
Investigativ-Journalisten zugespielte vertrauliche Dokumente der KPCh aus den Jahren 2017 und 2018 beschreiben, wie die Internierung insbesondere von Uiguren in Umerziehungslagern in Xinjiang organisiert wurde. Die China Cables genannten Papiere geben Anleitung zur Gestaltung des Lagerlebens und zur strengen Überwachung der Uiguren in den Lagern und außerhalb. Sie bestätigen im Wesentlichen die Berichte von Beobachtern und ehemaliger Lagerinsassen.115
Der stellvertretende Parteisekretär der Kommunistischen Partei Chinas in Xinjiang und Gouverneur der Autonomen Region, Shohrat Zakir, erklärte am 9. Dezember 2019, alle „Studenten“ hätten die als Zentren zur Fortbildung und Deradikalisierung bezeichneten Einrichtungen verlassen. Staatsmedien zufolge hätten sie Anstellungen gefunden und führten ein „glückliches Leben“. Zahlen oder Belege legte er nicht vor. Wie schon anlässlich einer ähnlichen Verlautbarung im Juli 2019, bezweifeln Beobachter diese Darstellung.116
Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die in großem Stil eingeführte Umerziehung mit einem System von Zwangsarbeit verbunden wird. Diese soll einerseits dazu dienen, die Betroffenen ihrer eigenen Kultur und Religion zu entfremden und ihre Loyalität gegenüber der KPCh zu fördern. Andererseits soll sie als Beitrag zur Reduzierung von Armut in der Region, verbunden mit umfassender Überwachung und Inhaftierung, Stabilität fördern und Terrorismus bekämpfen helfen. Umerziehungslagern sind Produktionsstätten u. a. der Textilindustrie angegliedert, in denen Internierte arbeiten müssen. Auch werden in einem zahlenmäßig nicht benennbaren Ausmaß Personen aus den Lagern entlassen, um in Fabriken u. a. der Baumwoll- bzw. Textilindustrie 117 zu arbeiten, die derzeit verstärkt in der Region errichtet werden. Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang von Zwangsarbeit.118
5.3. Strafverfolgung
Im Juni 2018 erlassene Richtlinien zu Gerichtsverfahren und Strafen für terroristische Straftaten stellen klar, dass Personen, die Kleidung oder Symbole tragen, die Terrorismus oder Extremismus fördern, oder die terroristische Inhalte im Internet veröffentlichen oder fördern, strafrechtlich verfolgt werden.119
lish/news/uyghur/scholar-08292019164346.html, abgerufen am 30.08.2019; Ordonez, Victor et. al.: 'Nightline' granted rare tour of Chi- nese 'vocational' centers where Muslim citizens are allegedly held as prisoners, abc News, 29.08.2019, https://abcnews.go.com/Interna- tional/nightline-granted-rare-tour-chinese-vocational-centers-muslim/story?id=65248173, abgerufen am 30.08.2019.
114 Ramzy, Austin, und Buckley, Chris: The Xinjiang Papers, ‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Deten- tions of Muslims, in: The New York Times, 16.11.2019, https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/16/world/asia/china-xinjiang- documents.html, abgerufen am 18.11.2019.
115 Der Lagerstaat, in: SZ vom 25.11.2019; Geheimsache Gulag, in: SZ vom 25.11.2019. 116 Human Rights Watch: World Report 2020 – China, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/china-and- tibet, abgerufen am 30.01.2020; China Claims All Xinjiang Detainees Have ‘Graduated,’ Drawing Skepticism From Experts, Exile Groups, Radio Free Asia, 09.12.2019, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/graduation-12092019154443.html, abgerufen am 30.01.2020.
117 China produzierte 2018/2019 etwa 22% der Baumwolle weltweit, davon stammten etwa 84% aus Xinjiang (Lehr, Amy K., und Bechrakis, Mariefaye: Connecting the Dots in Xinjiang, Oktober 2019, https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publication/Lehr_Connec- tingDotsXinjiang_interior_v3_FULL_WEB.pdf, abgerufen am 04.02.2020, S. 2-4).
118 Human Rights Watch: World Report 2020 – China, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/china-and- tibet, abgerufen am 30.01.2020; China Claims All Xinjiang Detainees Have ‘Graduated,’ Drawing Skepticism From Experts, Exile Groups, Radio Free Asia, 09.12.2019, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/graduation-12092019154443.html, abgerufen am 30.01.2020; Zenz, Adrian: Beyond the Camps: Beijing's Grand Scheme of Coercive Labor, Poverty Alleviation and Social Control in Xinjiang, CECC Hear- ing Testimony, October 17, 2019, 17.10.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/documents/Be- yond%20the%20Camps%20CECC%20testimony%20version%20(Zenz%20Oct%202019).pdf, abgerufen am 17.12.2019; Lehr, Amy K., und Bechrakis, Mariefaye: Connecting the Dots in Xinjiang, Oktober 2019, https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publica- tion/Lehr_ConnectingDotsXinjiang_interior_v3_FULL_WEB.pdf, abgerufen am 04.02.2020.
119 U. S. Department of State: Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – China, 01.11.2019, https://www.ecoi.net/de/doku- ment/2019282.html, abgerufen am 16.01.2020.
17 Länderreport China
Nach offiziellen Daten der chinesischen Regierung wurden 2017 21% aller Verhaftungen und fast 13% aller Anklagen Chinas in Xinjiang verzeichnet, wo nur etwa 1,5% der Bevölkerung des Landes lebten. Die Zahlen deuten darauf hin, dass viele Insassen der nicht zum System der regulären Strafverfolgung zählenden Umerziehungslager von den Lagern aus in Haft genommen wurden und so zu dem Anstieg der Haftzahlen beitrugen.120
Seit 2014 wurden laut einem im März 2019 veröffentlichten Strategiepapier der chinesischen Regierung zu Xinjiang „1.588 gewalttätige und terroristische Banden zerschlagen, 12.995 Terroristen festgenommen, 2.052 Sprengsätze sichergestellt, 30.645 Personen wegen 4.858 illegaler religiöser Aktivitäten bestraft und 345.229 Exemplare illegalen religiösen Materials beschlagnahmt“. Seit 1990 habe es 30 Gewaltvorfälle, den letzten 2016121, gegeben. Dabei seien insgesamt 458 Menschen getötet und mindestens 2.450 verletzt worden. Mit dem Papier rechtfertigt die Regierung ihre international kritisierten Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus, Separatismus und Terrorismus in der muslimischen Bevölkerung Xinjiangs.122
5.4. Diskriminierung
Die Verfassung verbietet die Diskriminierung von Bürgern wegen ihres Glaubens. Die Diskriminierung von Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt u. a. wegen ihrer Religionszugehörigkeit ist gesetzlich verboten. In der Praxis werden muslimische ethnische Minderheiten wie Uiguren, Hui und Kasachen jedoch wegen ihres Glaubens staatlich diskriminiert. In den Bereichen Arbeit und Wohnen und der unternehmerischen Betätigungsmöglichkeiten werden uigurische Muslime auch gesellschaftlich diskriminiert. Uiguren finden in der Volksrepublik oft nur schwer Hotelzimmer, da Gäste der örtlichen Polizei gemeldet werden müssen und Hoteliers Probleme mit den Behörden vermeiden wollen. Welche Motive Diskriminierungen im konkreten Einzelfall zugrunde liegen, ist häufig unklar, da oft nicht zwischen der ethnischen und der religiösen Zugehörigkeit und der Kultur Betroffener unterschieden wird.125
5.5. Sinisierung
Im Unterschied zu den Hui sprechen viele Uiguren kein oder wenig Chinesisch; auch gibt es vergleichsweise wenige interethnische Heiraten. Versuche, die Uiguren an die chinesische Kultur zu assimilieren, blieben bis heute weitgehend erfolglos. Uiguren sehen chinesische Bemühungen, die Vorherrschaft der Zentralregierung in Xinjiang durchzusetzen, als immer stärker wirkende Einschränkung ihres Glaubenslebens und als Bestrafung für
120 CHRD: Criminal Arrests in Xinjiang Account for 21% of China’s Total in 2017, 25.07.2018, https://www.nchrd.org/2018/07/criminal-ar- rests-in-xinjiang-account-for-21-of-chinas-total-in-2017/, abgerufen am 14.02.2020.
121 Human Rights Watch erwähnt uigurischen Tätern zugeschriebene gewaltsame Vorfälle in Xinjiang und anderen Landesteilen in den fünf Jahren bis 2018, nennt aber keine Einzelheiten (Human Rights Watch: “Eradicating Ideological Viruses”, China’s Campaign of Repression Against Xinjiang’s Muslims, 09.09.2018, https://www.hrw.org/sites/default/files/report_pdf/china0918_web.pdf, abgerufen am 14.02.2020, S. 3).
122 Blanchard, Ben: China says 13,000 'terrorists' arrested in Xinjiang since 2014, Reuters, 18.03.2019, https://www.reuters.com/article/us- china-xinjiang/china-says-13000-terrorists-arrested-in-xinjiang-since-2014-idUSKCN1QZ08T, abgerufen am 07.02.2020.
123 Chinas Führung verfolgt seit Jahrzehnten die gezielte Ansiedlung von Han-Chinesen in Xinjiang, was zu einem deutlichen Anstieg ihres Anteils an der Bevölkerung führte. Die offizielle Statistik geht von 9,5 Millionen Han-Chinesen in der Region aus. Nicht erfasst werden die mehr als 2,7 Millionen Han, die in paramilitärischen Einrichtungen, sogenannten Produktionsbrigaden (Bingtuan) leben, sowie Han mit zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnissen (Castets, Rémy: China’s internal colony, in: Le Monde Diplomatique, März 2019, https://monde- diplo.com/2019/03/10china-uygurs, abgerufen am 04.02.2020; Shi-Kupfer, Kristin: China – Xinjiang, Bundeszentrale für politische Bil- dung, 17.12.2017, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54592/china-xinjiang, abgerufen am 13.01.2020).
124 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 77; Shi-Kupfer, Kristin: China – Xinjiang, Bundeszentrale für politische Bildung, 17.12.2017, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54592/china-xinjiang, abgerufen am 13.01.2020.
125 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 2f, 5, 10, 34-36, 60, 76.
ihren Widerstand gegen die chinesische Bevormundung. Die chinesische Führung wiederum begreift die Reaktionen der Uiguren als religiösen Extremismus, der die Einheit des Landes gefährdet und deswegen bekämpft werden muss.126
Das Antiterrorgesetz der Region Xinjiang verbietet u. a. das Tragen langer Bärte, die Bedeckung des Gesichts, die Ausweitung der Halal-Praxis auf Bereiche außerhalb von Nahrungsmitteln sowie Einflüsse des Islams auf die Familienplanung, auf Hochzeiten, Begräbnisse oder das Erbrecht. Auch verschiedene Verordnungen schränken die Religionsausübung ein. Beispielsweise dürfen Minderjährige nicht an religiösen Aktivitäten teilnehmen. Auch dürfen Kindern keine Namen gegeben werden, die mit dem Islam in Verbindung gebracht werden. 127 Die Verwendung der arabischen Begrüßungsformel „assalamu alaykum“ wurde verboten 128 . 2018 begann eine Kampagne, die sich gegen die Verbreitung von nach muslimischem Recht erlaubten (Halal-) Produkten und Werbung für sie im öffentlichen Raum richtet.129 Gelegentlich wurden Muslime genötigt, Schweinefleisch zu essen und Alkohol zu trinken.130 Manchmal wurden muslimische Staatsbedienstete und Schüler genötigt, das Fastengebot während des Fastenmonats Ramadan zu brechen.131
In einer seit 2017 laufenden Kampagne (Three News) soll die uigurische Alltagskultur an die der Han-Chinesen angepasst werden. U. a. wurden uigurischen Frauen chinesische moderne Mode und Kosmetik nahegebracht und Familien wurden dazu gedrängt, ihre traditionellen Wohnungseinrichtungen zu modernisieren und durch chinesische Einrichtungs- und Stilelemente zu ersetzen.132
Verschiedene Berichte deuten darauf hin, dass parallel zu der Internierung Hunderttausender Angehöriger muslimischer Minderheiten auch die Kinder Betroffener in großem Umfang und systematisch in staatlichen Einrichtungen wie Waisenhäusern oder Internaten untergebracht werden; dies auch in Fällen, in denen Verwandte bereit wären, sich um die Kinder zu kümmern. Dort werden sie in einem Chinesisch sprechenden Umfeld ggf. bereits ab dem Vorschulalter an die Kultur der chinesischen Mehrheit assimiliert und, wie uigurische Stimmen befürchten, ihrer eigenen Kultur entfremdet. Behörden ließen entsprechende Einrichtungen, teils ähnlich gesichert wie die Umerziehungslager, in kurzer Zeit bauen oder ausbauen.133
126 Lee, Raymond: Muslims in China and their Relations with the State, Al Jazeera Centre for Studies, 26.08.2015, http://stud- ies.aljazeera.net/en/reports/2015/08/2015826102831723836.html, abgerufen am 02.01.2020.
127 U. S. Department of State: 2018 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 21.06.2019, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/CHINA-INCLUSIVE-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-RE- PORT.pdf, abgerufen am 11.09.2019, S. 61-63.
128 Byler, Darren: ‘China’s Government Has Ordered a Million Citizens to Occupy Uighur Homes. Here’s What They Think They’re Doing’’, ChinaFile, Asia Society, 24.10.2018, http://www.chinafile.com/reporting-opinion/postcard/million-citizens-occupy-uighur-homes-xin- jiang, abgerufen am 14.02.2020.
129 Siehe auch Abschnitt 4. Byler, Darren: ‘The Future of Uyghur Cultural – and Halal – Life in the Year of the Pig,’ SupChina, 06.02.2019, https://supchina.com/2019/02/06/uyghur-cultural-and-halal-life-in-the-year-of-the-pig/, abgerufen am 04.02.2020; Kuo, Lily: Chinese authorities launch 'anti-halal' crackdown in Xinjiang, in: The Guardian, 10.10.2018, https://www.theguard- ian.com/world/2018/oct/10/chinese-authorities-launch-anti-halal-crackdown-in-xinjiang, abgerufen am 04.02.2020.
130 Chinese Officials Force Muslims to Drink, Eat Pork at Festival, Radio Free Asia, 06.02.2019, https://www.rfa.org/english/news/uy- ghur/festival-02062019140637.html, abgerufen am 04.02.2020; Xinjiang’s Kashgar University Students, Teachers Forced to Give Up Mus- lim Dietary Restrictions, Radio Free Asia, 06.11.2018, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/halal-11062018155848.html, abgerufen am 04.02.2020; Byler, Darren: ‘The Future of Uyghur Cultural – and Halal – Life in the Year of the Pig,’ SupChina, 06.02.2019, https://sup- china.com/2019/02/06/uyghur-cultural-and-halal-life-in-the-year-of-the-pig/, abgerufen am 04.02.2020.
131 Yan, Sophia: China’s Uighur Muslims Forced to Eat and Drink as Ramadan Celebrations Banned, in: The Telegraph, 01.06.2019, https://www.telegraph.co.uk/news/2019/06/01/chinas-uighur-muslims-forced-eat-drink-ramadan-celebrations/, abgerufen am 04.02.2020.
132 Hoshur, Shohret, und Lipes, Joshua: Uyghurs in Xinjiang Ordered to Replace Traditional Décor With Sinicized Furniture, Radio Free Asia, 09.01.2020, https://www.rfa.org/english/news/uyghur/furniture-01092020165529.html, abgerufen am 10.01.2020; Grose, Timothy: Beautifying Uyghur bodies, MCLC Resource Center (Ohio State University), 12.10.2019, https://u.osu.edu/mclc/2019/10/12/beautifying- uyghur-bodies/, abgerufen am 10.01.2020.
133 Human Rights Watch: China: Xinjiang Children Separated from Families, 15.09.2019, https://www.hrw.org/news/2019/09/15/china- xinjiang-children-separated-families, abgerufen am 17.09.2019; Congressional-Executive Commission on China: Annual Report 2019, 18.11.2019, https://www.cecc.gov/sites/chinacommission.house.gov/files/CECC%202019%20Annual%20Report.pdf, abgerufen am 09.01.2020, S. 16; Human Rights Watch: China: Xinjiang Children Separated from Families, 15.09.2019, https://www.hrw.org/news/2019/09/15/china-xinjiang-children-separated-families, abgerufen am 24.01.2020; Zenz, Adrian: Break Their Roots: Evidence for China’s Parent-Child Separation Campaign in Xinjiang, in: Journal of Political Risk, Vol. 7, No. 7, July 2019, http://www.jpolrisk.com/break-their-roots-evidence-for-chinas-parent-child-separation-campaign-in-xinjiang/, abgerufen am 24.01.2020.
Neben der Kontrolle ihres kulturellen und religiösen Lebens ist die uigurische Bevölkerung in Xinjiang im Alltag einer allgegenwärtigen willkürlichen Überwachung u. a. mittels moderner Technik unterworfen. Manche Beobachter sprechen von Xinjiang als einem „Freiluft-Gefängnis“. 134 Mitunter muss man täglichen oder wöchentlichen Zeremonien beiwohnen, bei denen die chinesische Flagge gehisst wird, auch gibt es Treffen zur politischen Indoktrination und Sprachunterricht in Chinesisch. 135 Moscheen wurden geschlossen oder abgerissen, für den Zugang zu Moscheen wurden Sicherheitsmaßnahmen eingeführt wie Personenkontrollen an den Eingängen und Überwachungskameras.136 Persönliche Daten einschließlich Stimm- und DNA-Proben wurden erhoben. Zudem überwachen tausende Parteikader Uiguren bei Besuchen in ihren Wohnungen. Ein System von Polizeistationen und Kontrollstellen wurde ausgebaut, Zehntausende neue Stellen im Sicherheitsbereich wurden besetzt.137
Behörden in Xinjiang nutzen eine Software namens Integrated Joint Operations Platform (IJOP), die mittels der Analyse großer Datenmengen automatisch Personen identifiziert, die potenziell eine Bedrohung der Sicherheit darstellen können. Daten umfassen neben Bilddaten und Autokennzeichen von Überwachungskameras (teils mit Gesichtserkennung), Ausweisnummern, IP-Adressen, Auslandsreisen, Kontakte zu verdächtigen Personen, die ethnische Zugehörigkeit und Sozialdaten. Informationen zur Lebensweise, zu persönlichen Einstellungen und zur religiösen Praxis werden bei Hausbesuchen von Regierungsbediensteten erhoben.138 So besuchen im Rahmen eines 2016 begonnenen „Becoming Family“ genannten staatlichen (und aktuell weitergeführten139) Programms mehr als 100.000 Parteikader und Staatsbedienstete uigurische Familien regelmäßig und leben kurzzeitig mit ihnen. Sie geben Unterstützung im Alltag und indoktrinieren ihre „Gastgeber“, die diese Besuche wohl nicht ablehnen können, politisch.140 2017 trugen chinesische Behörden in Xinjiang systematisch biometrische Daten von allen Personen i