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VON MICHAEL BEUGHOLD ¥ Bielefeld. Welche der zwei un- erreichten Bachschen Ewigkeits- werke ergreift einen hörend mehr oder nachhaltiger: die di- rektere schlagkräftige Johannes- passion oder die von einzigarti- ger, ausladend kontemplativer Größe nach Matthäus? In die- sem Jahr konnte der Bielefelder Musikfreund sie in der Oetker- halle beide hören. Im Langzeit-Turnus der Tra- ditionschöre ging der Musikver- ein die (mittlerweile auch nur gut besuchte) Großtat Matthäus- passion an, wobei sein künstleri- scher Leiter Wolfgang Helbich darauf aus war, den dreieinvier- tel Stunden langen Konzert- abend so gewissermaßen passio- niert-kurzweilig wie möglich auszugestalten. Dafür, also den Dreiklang von Evangelisten-Erzählung, arioser Betrachtung und choraler Kom- mentierung in 17 Szenen drama- tisch aufzuladen, riskiert dieser Affektmusiker im chorischen Aufriss voller Aplomb und poin- tierter Tempi etwas. Vieles glückt seiner darauf gut einge- stellten Hundertschaft (Ko-Ein- studierung Bernd Wilden) sehr wirkungsvoll, das rasant bild- hafte „Sind Blitze, sind Donner“ als Paradebeispiel. Zuweilen mochte Bachs doppelte, sprich: auch orchestral zweichörig ange- legte Herausforderung ihren Tri- but hinsichtlich letzter Abstim- mungs-Präzision fordern; so wiesen das vielschichtige Wun- derwerk des Eingangschores (auch textlich vage) und der erste Chorbeschluss „O Mensch, bewein“ einige Un- schärfen auf. Umso stärker das Bild im zwei- ten Teil. Hier saß das Wechsel- spiel aus vehementer Zuspit- zung der Turbae und durchdach- ter Auffächerung der Choräle, zeigte Helbichs Chor gerade auch dort, wo Wut und Häme der Volksmenge und ein sanft ab- geklärter Musizierfluss der im- mer neu beleuchteten Passions- lieder unvermittelt aufeinander folgen, sein gestalterisches Po- tenzial. Der Schluss-Grabgesang atmete reiche Klangkultur. In harmonischer Helle hatte sich im ersten Teil der Passion die Kinderkantorei Bielefeld unter Simultanleitung Ruth M. Seilers eingefügt. Immer wieder auf- merken ließ im zweigeteilten Un- terbau der Bielefelder Philhar- moniker, wie barock ausgefeilt und beredt in den obligaten Trio- oder Quartettsätzen agiert wurde; aber auch solistische In- dividualität wie die der Vorgei- ger Simon Monger (kristallklar) und Ursula Esch (erzgeigerisch) in den einschlägigen Alt- bzw. Bass-Glanzlichtern gehörte zu den Qualitäten. Die Solisten waren an zwei zentralen Positionen der Pas- sion nicht ganz optimal gewählt. Jörn Lindemanns heller, einfar- biger Evangelisten-Tenor sprach in der Höhe leider nicht so an, wie es seiner erlebten poin- tierten Textgestaltung vokal ent- sprochen hätte. Besser lagen ihm die ariosen Teile des er- krankt ausgefallenen Stimmkol- legen. Und Bassist Sebastian Pil- grim klang in den Christus-Wor- ten bei Nachdruck eher gewöhn- lich als von nobler Größe. Mit welch sonorer Würde und Ausdruckskraft gab dage- gen Matthias Gerchen Petrus und Pilatus Singgestalt und den Bass-Arien zwischen energiege- ladener Koloratur („Gebt mir meinen Jesum wieder“) und strömender Empfindungstiefe am Grabe Erfüllung. Überzeu- gend der Sopran Helen Rohr- bachs, überragend Altistin Ma- reike Braun, wie sie in facetten- reicher Klarstimmigkeit jedem barockmusikalischen An- spruch, ob klangbildhaft („Trop- fen meiner Zähren“) oder ex- pressiv („Ach, Golgatha“), pas- sioniert ruhevoll („Erbarme dich“) oder bewegt stilisiert (in der Geißelungs-Arie) glänzend gerecht wurde. n - d - r - s r - e r - s t - - ¥ Bielefeld. „Face Tomorrow“, Indie-Rockband aus Rotter- dam, stellt am Mittwoch, 27. April, im Forum ihre vierte Scheibe vor. Daneben treten Max Lewis und Mirza Ramic auf, ein amerikanisches Indie- Electronic-Duo, das sich „Arms and Sleepers“ nennt. Das Kon- zert beginnt um 21 Uhr. Reiche Klangkultur E Mit dramatischen Akzenten Musikverein führte Bachs Matthäuspassion auf Indie-Rock im Forum BI9

Lokale Kultur NR. 96, DIENSTAG, 26. APRIL 2011 BI9 … · 2011-04-26 · ist ein Entertainer, der es liebt, im Rampenlicht zu stehen. Da-beigibterLebensweisheiten,rot-zige Kommentare

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Page 1: Lokale Kultur NR. 96, DIENSTAG, 26. APRIL 2011 BI9 … · 2011-04-26 · ist ein Entertainer, der es liebt, im Rampenlicht zu stehen. Da-beigibterLebensweisheiten,rot-zige Kommentare

VON MELANIE GIESELMANN

¥ Bielefeld. Es gibt sie noch:echte Rock’n’Roller. Die kana-dische Band „Danko Jones“um den gleichnamigen Gitar-risten und Frontmann schertsich nicht umMarktmechanis-men oder Veröffentlichungs-zwänge, sie setzt lieber auf aus-gedehnte Touren, bei denenausschweifende Gitarrenriffsund rhythmische Beats immernochambestenankommen.

Am Samstagabend präsen-tierte Danko Jones neben altenund neuen Stücken vor allemsich selbst und begeisterte damitdas Publikum im kleinen Saal.

Bereits seit 1996 spielen sieauf kleinen und großen Bühnen,erste Erfolge feierten sie mit ih-rer Single „Bounce“, mit der sie2000 für einen kanadischenJuno Award nominiert waren.

Zwei Jahre später folgte daserste komplette Studioalbum„Born a Lion“, mit anschließen-der Tour und Festivalauftrittenbei „Rock am Ring“ und „Rockim Park“. Sie selbst nennen sichRock’n’Roller, ihre Musik klingtnach „Kiss“ und „AC/DC“, ent-hält daneben aber auch Ele-mente aus dem Punk und Metal.

Acht Jahre nach ihrem letztenBesuch in Bielefeld sind sie nunmit der aktuellen Platte „Belowthe Belt“ zurück. Wären sienicht so lange weggewesen,müssten sie nun nicht im klei-nen Saal spielen, den Jones als„Klo“ bezeichnet, sondern wür-den in der großen Halle einewilde Party feiern. Danko Jonesist ein Entertainer, der es liebt,

im Rampenlicht zu stehen. Da-bei gibt er Lebensweisheiten, rot-zige Kommentare und vulgäreAnspielungen zum Besten,bleibt auf seine Art aber stetssympathisch.

Die kleine Besetzung mit Gi-tarre, Bass (John Calabrese) undSchlagzeug (Dan Cornelius) er-zeugt einen klaren Sound. Ihreexakte Spielweise trennt die In-strumente deutlich voneinan-der ab, und mit dem gut ver-ständlichen Gesang von DankoJones entsteht so ein rhythmus-lastiger Rock’n’Roll, der die Zu-schauer zum Mitklatschen undTanzen animiert. Auch in derletzten Reihe nickt jeder Kopfim Takt.

Nach gut einer Stunde ver-lässt die Band die Bühne, um in„Rock’n–Roll-Tradition“ zu-rückzukommen und noch ei-nige Songs zu spielen.

Ein Ritual, das Danko Jonesfür „Bullshit“ hält, es aber liebt,wenn die Fans immer und im-mer wieder seinen Namen ru-fen. Für die letzten Songs „She’sDrugs“ und „My Mother Raiseda Devil Child“ legt er sich nocheinmal kräftig ins Zeug, um diemusikalische Ego-Show abzu-runden.

Die Fans hätten zum Schlussgerne andere Stücke gehört,doch standen die nicht auf derSetliste, wie Jones mit einem Au-genzwinkern bemerkt.

VON MICHAEL BEUGHOLD

¥ Bielefeld.Welche der zwei un-erreichten Bachschen Ewigkeits-werke ergreift einen hörendmehr oder nachhaltiger: die di-rektere schlagkräftige Johannes-passion oder die von einzigarti-ger, ausladend kontemplativerGröße nach Matthäus? In die-sem Jahr konnte der BielefelderMusikfreund sie in der Oetker-halle beide hören.

Im Langzeit-Turnus der Tra-ditionschöre ging der Musikver-ein die (mittlerweile auch nurgut besuchte) Großtat Matthäus-passion an, wobei sein künstleri-scher Leiter Wolfgang Helbichdarauf aus war, den dreieinvier-tel Stunden langen Konzert-abend so gewissermaßen passio-niert-kurzweilig wie möglichauszugestalten.

Dafür, also den Dreiklang vonEvangelisten-Erzählung, arioserBetrachtung und choraler Kom-mentierung in 17 Szenen drama-tisch aufzuladen, riskiert dieserAffektmusiker im chorischenAufriss voller Aplomb und poin-tierter Tempi etwas. Vielesglückt seiner darauf gut einge-stellten Hundertschaft (Ko-Ein-studierung Bernd Wilden) sehrwirkungsvoll, das rasant bild-hafte „Sind Blitze, sind Donner“als Paradebeispiel. Zuweilenmochte Bachs doppelte, sprich:auch orchestral zweichörig ange-legteHerausforderung ihren Tri-but hinsichtlich letzter Abstim-mungs-Präzision fordern; sowiesen das vielschichtige Wun-derwerk des Eingangschores(auch textlich vage) und dererste Chorbeschluss „OMensch, bewein“ einige Un-schärfen auf.

Umso stärkerdas Bild im zwei-ten Teil. Hier saß das Wechsel-spiel aus vehementer Zuspit-zung derTurbae und durchdach-ter Auffächerung der Choräle,zeigte Helbichs Chor gerade

auch dort, wo Wut und HämederVolksmengeundein sanftab-geklärter Musizierfluss der im-mer neu beleuchteten Passions-lieder unvermittelt aufeinanderfolgen, sein gestalterisches Po-tenzial. Der Schluss-Grabgesangatmete reiche Klangkultur. Inharmonischer Helle hatte sichim ersten Teil der Passion dieKinderkantorei Bielefeld unterSimultanleitung Ruth M. Seilerseingefügt. Immer wieder auf-merken ließ im zweigeteilten Un-terbau der Bielefelder Philhar-moniker, wie barock ausgefeiltund beredt in den obligatenTrio- oder Quartettsätzen agiertwurde; aber auch solistische In-dividualität wie die der Vorgei-ger Simon Monger (kristallklar)und Ursula Esch (erzgeigerisch)in den einschlägigen Alt- bzw.Bass-Glanzlichtern gehörte zuden Qualitäten.

Die Solisten waren an zweizentralen Positionen der Pas-sion nicht ganz optimal gewählt.Jörn Lindemanns heller, einfar-biger Evangelisten-Tenorsprach in der Höhe leider nichtsoan, wie es seiner erlebten poin-tierten Textgestaltung vokal ent-sprochen hätte. Besser lagenihm die ariosen Teile des er-krankt ausgefallenen Stimmkol-legen. Und Bassist Sebastian Pil-grim klang in den Christus-Wor-ten bei Nachdruck eher gewöhn-lich als von nobler Größe.

Mit welch sonorer Würdeund Ausdruckskraft gab dage-gen Matthias Gerchen Petrusund Pilatus Singgestalt und denBass-Arien zwischen energiege-ladener Koloratur („Gebt mirmeinen Jesum wieder“) undströmender Empfindungstiefeam Grabe Erfüllung. Überzeu-gend der Sopran Helen Rohr-bachs, überragend Altistin Ma-reike Braun, wie sie in facetten-reicher Klarstimmigkeit jedembarockmusikalischen An-spruch, ob klangbildhaft („Trop-fen meiner Zähren“) oder ex-pressiv („Ach, Golgatha“), pas-sioniert ruhevoll („Erbarmedich“) oder bewegt stilisiert (inder Geißelungs-Arie) glänzendgerecht wurde.

MusikalischeEgo-Show„Danko Jones“ imRinglokschuppen

VON RAINER SCHMIDT

¥ Bielefeld.Diese Band hat sichaufgemacht, das Vorurteil, Jazzsei nicht unterhaltsam, mit allerHärte zu bekämpfen. Ein Saxo-phonist bläst einige fragende, ge-dehnte Töne in den Bühnen-raum des Bunkers und beginntdann, glühendes Blei zu spu-cken. Schlagzeug und Bass legeneine Art Reggae-Rhythmusdrunter, dem die Schluffigkeitausgezogen worden ist.

Nun kommt ein zweiter Blä-ser dazu, auch er ausgerüstet mitdem kompakten, für direkte At-tacken aufs Trommelfell so ge-

eigneten Altsaxophon. Wie seinKollege scheint er eine Mengevon der freien, harten SpielweiseOrnette Colemans zu halten,und die geben sie den Neugieri-gen am Bühnenrand jetzt zuzweit. Kommen hier noch di-verse E-Gitarren aus dem Off?Nein, das ist Toby Mc Laren, derPianist des Quintetts aus Lon-don, der sein Rhodes-Piano miteiner Batterie von Verzerrernund Klangverbiegern gekoppelthat, Wah-Wah-Pedale tritt, da-zwischen rasch an Knöpfchendreht und sich nach und nachins engagierte Kopfnicken einesTechno-DJs hineinsteigert.

Auch Bassist Liran Doninsteuert schrille, sich quer le-gende Klänge bei. Das kollektiveAbgehen hat „Led Bib“ im ach-ten Jahr ihres Bestehens, seit sichdie jungen Musiker an der Unitrafen genauso verinnerlicht wiedas aufmerksame Aufeinander-Hören. In scheinbar gegenläufi-gen Rhythmen treffen sie sichauf gleichsam magische Weiseimmer wieder. Auch die Klang-collage aus außerirdisch gluck-senden Tönen, die etwa den Bas-sisten zu einem Steptanz auf sei-nen Effektpedalen zwingt, gerätspannungsreich musikalisch.Die Verwirrung ist auf Seiten

der Band, jedenfalls wenn manSchlagzeuger Mark Holub Glau-ben schenkt, dem Sprecher undVorsteher der Gruppe. Mit uner-wartetem Akzent räsonniert deraus New Jersey stammende Mu-siker über ein Drumkit, daswächst. Oder einen Hocker, derden Schlagzeuger Richtung Büh-nenboden sinken lässt.

Nicht nur den Raum, auch dieZeit können die fünf Musikerverbiegen, wie sich in den aus-ufernden Improvisationen deszweiten Sets zeigt, die kompaktwirken und Haken und Steigei-sen zu Momenten des Wiederer-kennens bieten.

¥ Bielefeld. „Face Tomorrow“,Indie-Rockband aus Rotter-dam, stellt am Mittwoch, 27.April, im Forum ihre vierteScheibe vor. Daneben treten

Max Lewis und Mirza Ramicauf, ein amerikanisches Indie-Electronic-Duo, das sich „Armsand Sleepers“ nennt. Das Kon-zert beginnt um 21 Uhr.

ReicheKlangkultur

Jonesmages,wennsie seinenNamenrufen

Trommelfellattacken: Die Altsa-xophonisten Chris Williams undChrisGrogan. FOTO: RAINER SCHMIDT

LiebtdasRampenlicht: DerunterhaltsameDanko Jones. FOTO: ANDREAS ZOBE

MitdramatischenAkzenten

Musikverein führteBachsMatthäuspassion auf

KrachmitWiedererkennungswertDie klangstarken „LedBib“ imBunkerUlmenwall

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