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Lombardei Francicorta

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Die Champagner Weinregion zwischen Mailand und Verona. WEINWELTEN von Maus und Bassler, unterhaltsame Texte und künstlerische Fotos

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lombardei franciacorta chardonnay und pinot sekt

franciacorta mit chardonnay und pinot

Italiens feinste Perlen

inspiration und handwerkliches können, dazu die erforderlichen finanziellen mittel − mit diesen zutaten hat das anbaugebiet franciacorta es geschafft, innerhalb weniger jahrzehnte zum qualitativ führenden schaumweinhersteller italiens aufzusteigen. der name des gebietes ist heute gleichzeitig synonym für ein anspruchsvolles festliches getränk, das keinen vergleich mit anderen berühmtheiten scheuen muss.

Ein Stückchen Papier, wenige Quadratzentimeter groß, in Gold und Grün gehalten, mit gezacktem Rand und milli-onenfach gedruckt, ist der ganze Stolz des achtzigjährigen Franco Ziliani und der Mitarbeiter des Weinguts Berluc-chi in Borgonato. Eine Briefmarke ist es, die eine Flasche Spumante und ein Weingut zeigt, dazu den Schriftzug Berlucchi 1961 – 2011. Dort nämlich, auf dem Weingut Berlucchi in Borgonato, einige Kilometer südlich des Iseo-Sees, fing alles an. Dort kelterte vor einem halben Jahrhun-dert der junge Franco Ziliani, der in der Champagne die Schaumwein-Herstellung erlernt hatte, den ersten italieni-schen Spumante, der im Champagner-Verfahren hergestellt wurde. Damals durfte man das noch so nennen.

Inzwischen haben die Franzosen diese Bezeichnung für alles, was nicht der Champagne entstammt, längst verbieten lassen. Aber heute würde auch jeder Erzeuger in der Francia corta auf den Begriff pfeifen. Viel lieber ist den stolzen Lombarden inzwischen die Herkunftsbezeich-nung Francia corta. Schließlich ist es doch eine viel größere Auszeichnung, wenn die eigene Gebietsbezeichnung zum Synonym für Spitzenqualität wird, als wenn man ständig Anleihen bei anderer Leute gutem Ruf nehmen muss. Mit der Sechzig-Cent-Briefmarke wurde erstmals überhaupt ein Weingut in Italien geehrt. Damit ist der Franciacorta quasi in den Rang eines Nationalheiligtums aufgestiegen.

Es ist aber auch ein edles Getränk. Die Regeln für die Erzeugung von Franciacorta sind mindestens ebenso streng wie die Vorschriften zur Champagner-Bereitung, sowohl,

was die Herstellung als auch, was die Lagerzeiten betrifft. Die Trauben dürfen nur aus genau definierten Lagen innerhalb der festgelegten Anbauzone kommen. Hier wie dort sind nur jeweils drei Rebsorten zugelassen, die allesamt zur Burgunderfamilie gehören. Maßgeblich sind in beiden Fällen der weiße Chardonnay und der rote Pinot Noir, der in Italien Pinot Nero heißt. Nur in der untergeordneten dritten Sorte unterscheiden sich Champagner und Francia-corta: In Frankreich ist der rote Pinot Meunier Dritter im Bunde, in der Franciacorta Pinot Bianco, also Weißbur-gunder. Eine kluge Wahl, denn Weißburgunder gerät in ganz Norditalien ungewöhnlich gut.

Die einzelnen Rebsorten werden getrennt vergoren und erst die fertigen Grundweine in der gewünschten Mischung zusammengefügt. Dieser Zusammenschnitt, die Cuvée, durchläuft die zweite Gärung in der Flasche. Damit der Wein wieder zu gären beginnt und die anmu-tig perlenden Bläschen entstehen, muss ihm als Initial-zündung Hefe mit etwas Zucker zugesetzt werden. Als Verschluss bekommen die Flaschen fürs Erste einen ganz gewöhnlichen Kronkorken. Auf die Schönheit kommt es in dem Moment nicht an, denn jetzt verschwinden die Flaschen erstmal für viele, viele Monate im Keller. Je länger nämlich die Hefe mit dem Wein, der jetzt ein Schaumwein ist, verbunden bleibt, desto feiner und dichter wird die Perlage und desto subtiler auch wird das Aroma.

Mindestens 18 Monate müssen die Standard-Cuvée oder der Rosé auf der Hefe liegen, 30 Monate ist das vor-geschriebene Minimum für den Franciacorta Mille simato, den Jahrgangsschaumwein. Volle fünf Jahre gar ruht der Franciacorta Riserva samt Hefe in der Flasche. Bevor er in die Welt entlassen wird, muss das feine Getränk sich in den letzten Wochen noch einer Bewegungskur unter-ziehen. Immer nur ein ganz kleines Ruckeln, wiederholt noch und noch, bis am Ende der Flaschenhals ganz nach unten geneigt ist und die Hefe sich dort unten sammelt. Kurz taucht der gläserne Hals in ein Eisbad, der Hefepfropf gefriert und wird sofort, wenn der Kronkork entfernt ist, durch den Druck der Kohlensäure herausgeschleudert.

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Das bisschen, was jetzt an Menge in der Flasche fehlt, wird wieder aufgefüllt. Bei dieser Gelegenheit entscheidet sich, wie trocken der Schaumwein sein wird. Unübersicht-lich groß ist die Anzahl der Bezeichnungen für ein voll-kommen trockenes Produkt, bei dem die Flasche nur durch einen Schluck ungesüßten Wein ergänzt wird: Auf der Flasche kann Dosaggio Zero stehen oder Pas Dosé, gebräuch-lich ist auch Non Dosé, Dosage Zero oder Brut Zero. Diese Art, den Schaumwein knochentrocken zu belassen, birgt hohe Risiken. Denn schon ein winziges Quäntchen Süße macht Wein geschmeidiger und gefälliger und ist vor allem auch imstande, leichte Unausgewogenheiten gnädig zu verdecken. Damit ein zuckerfreier Schaumwein mit Genuss zu trinken ist, muss er absolut makellos sein. Dem Wein noch die winzigste Zuckermenge zu verweigern, zeugt also von enormem Selbstbewusstsein des Winzers.

Ist die Flasche – gesüßt oder ungesüßt – aufgefüllt, kommt der richtige Korken zusammen mit dem Draht-körbchen, der Agraffe, auf die Öffnung. Der Franciacorta ist jetzt versandbereit. Ob man nun das ganze Verfahren als Méthode Champenoise bezeichnet oder, wie bei uns, als tra-ditionelle Flaschengärung oder eben als metodo classico, wie man in Italien sagt – eine aufwendige Art der Produktion ist es auf jeden Fall, was auch erklärt, dass so ein Schaum-wein nicht nur einen Wert, sondern auch seinen Preis hat.

Nenn einen Franciacorta nie Spumante

Die Italiener verliebten sich auf Anhieb in ihren neuen Luxus-Spumante. Ungeachtet des Preises wuchs die Nachfrage schneller als die Produktion. Jahr für Jahr wurden weitere Weinberge angelegt, und inzwischen liefern 2.500 Hektar Rebfläche das Ausgangsmaterial für die köstlichen Prickler – doch das ist immer noch weit weniger als ein Zehntel der Anbaufläche in der Champagne. Noch weitaus größer ist der Unterschied in der Ausbeute: Einer Jahresproduktion von rund zehn Millionen Flaschen in der Franciacorta stehen gewaltige 350 Millionen in der Cham-pagne gegenüber.

Kaum mehr als 100 Erzeuger produzieren in dem klei-nen, zur Provinz Brescia gehörenden Anbaugebiet west lich des Gardasees den Luxus-Spumante. Obwohl, Spumante soll man ja gar nicht sagen, das hören sie hier nicht gern. Eigentlich bezeichnet dieses Wort ja ganz korrekt und allgemein jede Art von Schaumwein. Darüber hinaus hört es sich für uns Liebhaber der italienischen Sprache schwungvoll und prickelnd an. Die aufs Image bedachten Franciacorta-Produzenten fürchten allerdings, dass es eher wie Krethi und Plethi klingt, weil unter der Bezeichnung so allerhand und nicht nur Gutes auf dem Markt ist – nicht anders als bei uns unter dem Begriff Sekt, der ebenfalls

Sanft und bezaubernd ist die Weinlandschaft der Franciacorta.

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Himmel und Hölle beinhalten kann. Franciacorta hat man den Edelschäumer also zu nennen, gefälligst.

Zu denen, die früh das Potenzial der Gegend erkannt haben, gehört Vittorio Moretti. 1977 gründete der Bauma-gnat in Erbusco das Franciacorta-Gut Bellavista. Schön ist die Aussicht von dort in der Tat. Sanft fällt die Landschaft zum Lago d’Iseo hin ab, dessen ausgleichender Wirkung zu verdanken ist, dass die Franciacorta von allzu üblen Temperaturschwankungen verschont bleibt. Denn in der kalten Jahreszeit mildert er die eisige Luft, die von Norden her einströmt, im Sommer schützt er vor der gleißenden Hitze der Po-Ebene. Drei Grad mehr im Winter, dafür drei weniger im Sommer – auf diese Weise ist das Franciacorta-Gebiet mit seinen Rebstöcken bestens geschützt gegen klimatische Extreme.

Luxus hinter hohen Toren

Harmonisch fügen sich Hügel, Rebzeilen und vereinzelte Gehöfte, dazu im Hintergrund die malerischen Ausläufer der Alpen zu einem angenehmen, wenngleich unspekta-kulären Ganzen. Der Iseo-See ist im Vergleich zum nahe gelegenen Gardasee deutlich kleiner und verfügt nicht über dessen touristische Infrastruktur. Weniger Hotels, weniger

Lokale, keine Nippes- und Nepp-Läden. Unaufgeregt und in sich ruhend wirkt die Gegend.

Grandezza zeigt sich häufig erst, nachdem man hohe Tore durchschritten hat und etwa das zum Moretti-Besitz gehörende luxuriöse Gästehaus L’Albereta betritt. Das emp-fängt die Besucher mit geradezu theatralischem Gepränge. In einer der Suiten gibt es gar ein echtes Himmelbett: Der Raum ist oben offen, man schläft im Luxusbett und doch unter freiem Himmel.

Es geht aber auch eine oder mehrere Nummern kleiner. Vom einfachen agriturismo, der Übernachtungsmöglichkei-ten auf dem Weingut bietet, über solide Mittelklassehäuser bis zum Luxus-Resort mit Wellness-Paradies ist alles ge-boten, um sich ein paar vergnügte und erholsame Tage zu machen. Vor allem Mailänder nutzen die Franciacorta gern zur Wochenend-Landpartie mit Wein und Wellness. Und ob das Domizil dabei mehr oder weniger komfortabel ist, ist vielleicht sogar zweitrangig. Was immer vom Feinsten ist, sind die Perlen im Glas.

Besonders fein perlen sie beim Satèn, einer echten Spe-zialität der Region. Der innovative Moretti war es, der dem Franciacorta-Spektrum diese Facette hinzufügte: Der Satèn ist ein rechter Mundschmeichler. Er besteht nur aus weißen Trauben, und der Kohlensäuregehalt ist im Vergleich zu den übrigen Franciacorta leicht reduziert. Da er aber wie

Jede einzelne Flasche wird in die Hand genommen und kräftig die Hefe aufgeschüttelt − doch nur mit Schutzhelm.

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Der Kohlensäurenebel kriecht nur für eine Zehntel­sekunde über die Flaschenöffnung.

Die Franciacorta ist kulinarisch zweigeteilt. In Seenähe werden Süßwasserfische als Spezialität serviert. Der Ort Clusane gilt als Hochburg der tinca al forno, mit Käse, Semmelbröseln und Kräutern gefüllte, mit Olivenöl be-träufelte und im Ofen gebratene Schleie, die mit Polenta serviert wird. Je weiter weg vom See, desto fleischlastiger werden die Speisen. Eine der Köstlichkeiten dort ist man-zo all’olio, eine stundenlang in Olivenöl gekochte Rinder-brust, die mit einer Sauce aus Zwiebeln, Karotten, Lauch und Sardellen serviert wird. In Deutschland sind die meisten Franciacorta-Künstler vertreten, ihre Weine sind in der Gastronomie eine gute Alternative zum Champag-ner, vor allem beim gut sortierten Italiener können Sie es ausprobieren. Wie in vielen Weinkarten sind auch hier die bekannten Marken am häufigsten zu finden. Im Fachhan-del und Internet gibt es für 20 bis 35 € eine breite Palette an Franciacorta, also lohnt sich das Ausprobieren.

genusstipp Mausempfehlungen für beschwingten Genuss

Barone Pizzini www.baronepizzini.itBellavista www.bellavistawine.itCa del Bosco www.cadelbosco.itEnrico Gatti www.enricogatti.itFerghettina www.ferghettina.itGuido Berlucchi www.berlucchi.itIl Mosnel www.ilmosnel.itLa Montina www.lamontina.itLe Marchesine www.lemarchesine.itMajolini www.majolini.itMonte Rossa www.monterossa.comRicci Curbastro www.riccicurbastro.itSan Cristoforo www.sancristoforo.euUberti www.ubertivini.itVilla www.villafranciacorta.itVilla Crespia www.arcipelagomuratori.it

jene ebenfalls lange in der Flasche reift, ist die sanfte Perla-ge schön dicht und rund und hinterlässt ein cremig-seidiges Gefühl im Mund.

Lieber Begleiter als Solist

Allzu oft bekommt Franciacorta nur die Rolle des Ape-ritifs vor einem Festmahl zugewiesen. Damit ist der prickelnde Wein im Grunde unterfordert. So sieht das jedenfalls Laura Gatti vom Weingut Ferghettina in Adro. Ihr Vater hat 1991 das Weingut neu gegründet, hat sich damit selbstständig gemacht, nachdem er 20 Jahre lang in einem anderen Franciacorta-Betrieb beschäftigt war. Die Jahresproduktion beträgt mittlerweile eine Viertelmillion Flaschen, der weitaus größte Teil entfällt dabei auf den Brut, eine Cuvée aus vornehmlich Chardonnay mit einem Fünf-Prozent-Anteil Pinot Nero. Gefragt, ob sie davon täglich trinke, sagt Tochter Laura Gatti, sichtlich erstaunt, wie man das überhaupt fragen kann: „Ma certo – aber ge-wiss doch!“ Denn der feine Schaumwein dient hier weniger als Aperitif für besondere Gelegenheiten, sondern ist der selbstverständliche tägliche Essensbegleiter.

Zum Hauptgericht darf es gern auch mal der Rosé sein, der bei Ferghettina zu 100 Prozent aus Pinot Nero besteht. Wieso der rosa ist und nicht rot, wo er doch ausschließlich aus roten Trauben gekeltert ist? Normalerweise machen sich die roten Trauben im fertigen Schaumwein unsichtbar.

Selbst wenn er zu 100 Prozent aus Pinot Nero, also aus-schließlich aus roten Trauben besteht, hat er in der Regel die Farbe von hellem Stroh. Denn mag auch die Beeren-haut tiefblau sein, das Fruchtfleisch und damit der Saft ist es nicht.

Werden die Trauben nur rasch gepresst und hat der Saft keinen Kontakt mit der Beerenhaut, bleibt die Flüssigkeit hell und klar. Erst wenn die Beerenschalen eine Weile im Saft liegen bleiben, geben sie Farbe an den Saft ab, der sich zuerst hellrosa und dann immer kräftiger rot färbt. Das ma-chen sich die Winzer bei der Herstellung von Rosé zunutze. Sobald die gewünschte Rosa-Färbung erreicht ist, wird der Most von den Beerenhäuten getrennt. Neben Farbe geben die Traubenschalen bei dieser Gelegenheit auch ein wenig Tannin an den Most ab, der Wein wirkt dadurch kraftvoller.

Auch bei Ca’ del Bosco, übersetzt: das Waldhaus, dem international renommiertesten Franciacorta-Produzenten, ist man überzeugt, dass der edle Schäumer ein idealer Spei-senbegleiter ist; so sehr, dass man ihn ohne Essen nicht mal zur Probe reichen mag. So geschehen bei einer umfassenden Verkostung auf dem Weingut. Seine Top-Cuvée Annama-ria Clementi 2002 rückte der Chef während der Probe nicht heraus, sondern präsentierte sie erst beim anschließenden Mahl: „Weil sie einfach am besten zum Essen passt.“ rz

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kurz eingeschenkt

Extremweinbau

Das Valtellina-Tal ist etwas ganz Besonderes: Die Weinreben kleben hier förmlich am Fels. Meist sind es winzige Parzellen auf terrassierten Weinbergen, die von Stützmauern gehalten werden, damit sie an den steilen Bergflanken nicht hinunter ins Tal rutschen. Dazu kommen ein raues Alpenklima und mit dem Nebbiolo eine zwar robuste, aber sehr spät reifende Hauptrebsorte.

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten floss der Wein aus dem Valtellina-Tal in Strömen und für kleines Geld durch die Kehlen der benachbarten Schweizer. Die Zeiten sind längst vorbei.

Die Rebfläche ist freilich deutlich zurückgegangen. Unter anderem, weil die jungen Lombarden der Landwirtschaft den Rücken kehrten und in die Städte zogen. Heute sind es nur noch zwei Dutzend Kellereien, die in aufwendiger Handar-beit die steilen Terrassen bearbeiten. Deshalb verdienen die Rotweine Valtellina Superiore und Valtellina Sforzato zu Recht das Prädikat Extremweinbauweine. Die ausdrucksstärksten Weine stammen aus den besonders sonnigen Einzellagen wie Grumello, Sassella und Inferno. Fruchtbomben sind diese Weine trotz viel Sonne aber nicht. Dafür sorgt die Rebsorte Nebbiolo mit ihrer präsenten Säure und markanten Gerbstof-fen. Geschmacklich geben die Weine eher die Kargheit der Landschaft wie auch das Grenzklima wieder.

Der dichteste Wein der Gegend, der Sforzato (sforzat, der Erzwungene), wird auf ganz besondere Art hergestellt. Die Winzer lassen nämlich einen Teil ihrer Trauben vor der Weiter verarbeitung erstmal für mehrere Wochen auf dem Dachboden antrocknen, um die Inhaltsstoffe zu konzentrie-ren. Des Weiteren wird er für etliche Monate im Holzfass ausgebaut. Übrigens kann sforzo auch mit sich Mühe geben übersetzt werden.

Schick und angesagt ist der Valtellina Superiore sicherlich nicht, auch wenn er seit etwa zehn Jahren etwas mehr beach-tet wird. Immerhin legen viele Mailänder und einige nostalgi-sche Schweizer auf ihrem Weg aus den Skigebieten einen kur-zen Stopp in Sondrio ein. So landen einige Kisten in den großen Kofferräumen zwischen Skischuhen und Designertaschen.

Schäumender Pinot Noir

Im Gegensatz zum Valtellina ist das Oltrepò Pavese eine sanfte Hügellandschaft, die sich südlich von Pavia bis zur Grenze zum Piemont und der Emilia erstreckt. Hier wird

mehr Pinot Noir angebaut als irgendwo anders in Italien. Die im Oltrepò verwendeten Spielarten des Pinot Noir eignen sich freilich nicht für große Rotweine, sie sind traditionell die Grundlage für die Sekterzeugung. Diese besitzt − wie auch im angrenzenden Piemont − einen großen Stellenwert. Denn das Oltrepò wurde wie das Piemont mehrere Jahrhunderte von den Sekt liebenden Savoyern regiert. Tradition hat auch die Geschäftsbeziehung mit der Nachbarregion: Die gro-ßen Erzeuger in der Lombardei verkaufen ihren Grundwein an Sektkellereien im Piemont und in Deutschland, wo er in großen Sektmarken verschwindet. Wenige Winzer setzten bisher konsequent auf hochwertige Flaschenweine oder Sekte in Eigenvermarktung. In jüngster Vergangenheit haben sie sich aber zusammengerauft, um mit dem Metodo-Clas-sico-Sekt Oltrepò Brut qualitative Zeichen zu setzen. Er wird ausschließlich nach Champagnerart in reiner Flaschengärung erzeugt. Selbstverständlich gibt es diesen auch als Rosé-Version aus 100 Prozent Pinot Noir.

Lugana klingt gut

Die Winzer des Oltrepò können schon ein bisschen neidisch auf ihre Kollegen vom süd- und südwestlichen lombardischen Teil des Gardasee sein. Denn dort hat es der Lugana − ein einfacher, fruchtiger Weißwein aus der Rebsorte Trebbiano di Lugana − bereits zu etwas gebracht. Sein Anbaugebiet ist das Hinterland des südlichen Gardasees von Desenzano bis Peschiera del Garda. Der Wein ist im Ausland angesagt, sogar angesagter als die nahe gelegenen Weißweine Garda Classico oder Bianco di Custoza. Besonders die Münchner lieben ihren Lugana, denn in der Bayernmetropole gehört er längst zum Alltag. Nun erobert er mit Rückenwind auch den Norden der Republik. Lugana ist unkompliziert und klingt irgendwie wie „sonniges Italien“ − damit ist alles gesagt!

lombardei

Oltrepò Pavese:Giorgi di Vistarino www.contevistarino.itMonsupello www.monsupello.it

Valtellina:Mamete Prevostini www.mameteprevostini.comNino Negri www.ninonegri.it

Lugana:Ca’ dei Frati www.cadeifrati.itOttella www.ottella.it

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in ligurien wachsen liebliche weiße unter dem milden einfluss des meeres. ihre kleine menge wird fast komplett vor ort getrunken, in der hauptstadt genua und von den vielen wandertouristen, die durch die beliebte landschaft cinque terre streifen. szenenwechsel − vom meer in die berge. so hoch wie im aostatal / valle d’aosta ist keine rebe in europa hinausgekommen. dort erzeugen eine handvoll kellereien meist spritzige weißweine aus einheimischen sorten. beide extreme verbindet lediglich, dass sie ans piemont grenzen.

Glücklich, wer in Ligurien dem Winzerberuf nachgeht, denn hier übersteigt die Nachfrage bei Weitem das Ange-bot. Die Kleinwinzer können sich noch so recken, aber aus den felsigen Terrassen der Riviera im kleinen Anbaugebiet Cinque Terre nördlich von La Spezia ist nicht mehr heraus-zuholen. Denn in diesen kleinen Parzellen fällt die Ernte-menge per se meist klein aus. In dem zweiten Anbaugebiet, den Colli di Luni, herrschen dagegen Anbaubedingungen wie in der angrenzenden Toskana, und die Winzer können den geplanten Ertrag pro Hektar einfahren. Was ernten die Winzer in Ligurien? Der Vermentino ist hier die Rebsor-te Nummer eins. Sie ist auch der Hauptbestandteil der Weißweine des dritten Weinanbaugebietes Riviera Ligure di Ponente, das sich westlich von Genua bis zur französi-schen Grenze erstreckt. Vermentino schmeckt in Ligurien nach mediterranen Kräutern, und bei seinem insgesamt weichen Geschmack hinterlässt er eine leicht salzige Note am Gaumen. Daneben ist die weiße Sorte Pigato eine rein ligurische Spezialität mit antiker Herkunft. Auch sie profi-tiert von den durch die Sonne aufgeheizten Terrassen ober-halb des Meeres, da sie dadurch ihr typisches Aroma von Kräutern und Feldblumen bei kräftigem Körper entwickeln kann. Das Meer drückt den Weinen seinen Stempel auf.

Eindeutig vom Bergklima geprägt sind die Weine dagegen im Aostatal. Was nicht verwundert, denn die

Trauben wachsen in den höchst gelegenen Weinbergen Europas. Wer über den großen St.-Bernhard-Pass die Alpen überquert, der aus dem nördlichen Piemont in die Schweiz führt, kann die Reben bewundern. Sie erstrecken sich auf Weinbergterrassen bis zu einer Höhe von 1.300 Me-tern und profitieren im Dreiländereck Italien, Frankreich und Schweiz von den weinbaulichen Einflüssen aller drei Länder. Denn hier macht ein besonderes Mikroklima den Weinbau überhaupt erst möglich: Da das Tal von hohen Bergen hufeisenförmig eingeschlossen ist, herrscht ein ver-gleichsweise trockenes Klima, die Berge bieten den Reben Schutz vor Wind und schlechtem Wetter, dennoch müssen sie extreme Winter und relativ heiße Sommer ertragen. Diese erlauben auch in den ungewöhnlichen Höhen die Erzeugung von kräftigen Rotweinen. Und wer einen Roten aus den Bergen probieren möchte, dem sei der Vin de la Sabla von Les Cretes aus den Sorten Barbera und den bei-den einheimischen Sorten Fumin und Petit Rouge empfoh-len. Es handelt sich freilich nur um eine kleine Menge, die in der kargen, abgelegenen Umgebung angebaut wird. Wie im benachbarten Schweizer Anbaugebaut Wallis ergeben die angebauten lokalen Weißweinsorten frischfruchtige Weine. Die aromareiche Rebsorte Petit Arvine und die eigenständige Sorte Blanc de Valdigne, die im Herkunfts-wein Blanc de Morgex et de la Salle am oberen Talende eingesetzt wird, liefern die ausdrucksstärksten Weißweine. Es sind meist helle, rassige und oft leicht perlende Weine mit zitrusartiger Frucht und einem Duft von Bergkräutern, was bei der Umgebung ja naheliegt.

Cinque Terre:Agricoltura Riomaggiore, Manarola, Corniglia, Vernazza

e Monterosso www.cantinacinqueterre.com

Vermentino Colli di Luni:Lambruschi Ottaviano www.ottavianolambruschi.com

Aostatal:La Crotta di Vegneron www.lacrotta.itLes Crêtes www.lescretesvins.itCave du Vin blanc de Morgex et de la Salle

www.caveduvinblanc.com

Ligurien und Aostatal: Grenzgebiete

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