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Neue DIVSI Studie: So denken Meinungsführer über das Internet DIVSI Beirat vorgestellt: Seine Ziele, Schwerpunkte, Aktivitäten Roman Herzog ist DIVSI Schirmherr Festlicher Senatsempfang im Hamburger Rathaus 3/2012 DIVSI magazin www.divsi.de

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Neue DIVSI Studie:So denken Meinungsführer über das Internet

DIVSI Beirat vorgestellt:Seine Ziele, Schwerpunkte, Aktivitäten

Roman Herzog ist DIVSI SchirmherrFestlicher Senatsempfang im Hamburger Rathaus

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DIVSI magazin

www.divsi.de

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Berlin, Mitte September. Ein nettes italienisches Restaurantin der Friedrichstraße, drei Menschen an einem Ecktisch.Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Roman Herzog (Nudeln) be-spricht mit DIVSI-Direktor Matthias Kammer (Salat) und mir(Thunfisch) verschiedene Punkte anlässlich eines Senats-empfangs, den Bürgermeister Olaf Scholz in Hamburggeben wird. Festlicher Anlass: Der siebte Präsident der Bun-desrepublik Deutschland wird dort offiziell als Schirmherrdes DIVSI vorgestellt.

Ausgewogen, präzise und durchdacht umreißt der ProfessorEckpunkte für seine Rede im Rathaus der Hansestadt. Ge-legentlich kommen wir dazu, diese Gedanken zu ergänzen.Und ich beobachte fasziniert die Art, in der dieser höchst zu-vorkommende ältere Gentleman sich Notizen macht. Dabeierstaunt mich nicht das WIE - akkurat, eine eher kleine dafürgestochene Handschrift. Das WO ist überraschend. Er nutzteinen gebrauchten normalen Briefumschlag mit Sichtfens-ter. Alles wird beschrieben. Auch die exakt 1,5 Zentimeterschmale Fläche zwischen Rand und Fenster.

Natürlich registriert unser künftiger Schirmherr meinenBlick. Er legt den Schreiber aus der Hand und lächelt: „EineMarotte von mir. Ich nutze für Notizen immer die Umschläge,in denen die Bank mir meine Kontoauszüge schickt.“

Und ich denke, man lernt nie aus in Sachen Spartricks. Undich denke weiter, welch’ eine Wohltat, wenn eine so bedeu-tende Persönlichkeit so herrlich normal-menschlich ist.

Sieben Wochen später, 5. November im Hamburger Rat-haus. Roman Herzog ist neuer DIVSI Schirmherr. Er begeis-tert die Gäste mit einer Rede, die auf dem kleinen Umschlagihren Anfang nahm. Lesen Sie alles über das Ereignis abSeite 4.

Inhalt

4 Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Roman Herzog:Neuer Schirmherr für DIVSI

8 Wer gestaltet das Netz?DIVSI Meinungsführer-Studie vorgestellt

10 Vier Thesen zur aktuellen Situation im Netz-Diskurs

12 Error 40, Nullen und riesengroße Chancen25 Zitate aus der Meinungsführer-Studie

14 So bringen wir Entscheider zum RedenVertrauen ist die Grundlage für jedes gute Gespräch

15 Der DIVSI Beirat hat seine Arbeit aufgenommenBrücke zwischen Forschung und Wirtschaft, Labor und Gesellschaft

18 Die Mitglieder des Beirats, ganz persönlichDarum engagieren wir uns im DIVSI

19 News – Wichtiges auf den Punkt gebracht

20 Chancen und Risiken der Digitalisierung Zwingend notwendig: Ein einheitliches Datenschutzniveau in Europa

22 2012 hat neue Standards gesetztWas wir alle von der US-Wahl lernen können

24 Training in Sachen Internet„Stiftung Digitale Chancen“ geht erfolgreich neue Wege

26 Aktuelle Bücher, Impressum

Web: www.divsi.de

E-Mail: [email protected]

Öffentlichkeitsarbeit:

E-Mail: [email protected]

Tel.: + 49 40 226 369 895

Wissenschaftliche Leitung:

Joanna Schmölz

E-Mail: [email protected]

Tel.: + 49 40 226 369 896

Anschrift:

DIVSI

Mittelweg 142

20148 Hamburg

Haben Sie Fragen oder wünschen Sie weitere Informationen?So erreichen Sie das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI):

Parallel dazu hat das Deutsche Institut für Vertrauen und Si-cherheit im Internet seinen Beirat vorgestellt. Zwei Frauen,drei Männer – fünf fachlich anerkannte Experten für all’ jeneFragen und Problemstellungen, mit denen DIVSI sich be-schäftigt (ab S. 15).

Mit großem Interesse wurde bundesweit die gerade in Berlinvorgestellte „DIVSI Meinungsführer Studie“ aufgenommen.In bewährter Zusammenarbeit mit dem SINUS-Instituthaben wir untersuchen lassen, wie es Meinungsführer inDeutschland mit dem Internet halten. Sicher finden die Er-gebnisse nicht überall ungeteilten Beifall, sorgen dafürumso mehr für rege Diskussionen. Wesentliche Fakten überdiese wissenschaftliche Untersuchung finden Sie ab S. 8.

Was bietet diese dritte Ausgabe des DIVSImagazin außer-dem? Geballte Frauen-Power auf höchstem Niveau.

IBM-Chefin Martina Koederitz bringt ihre Gedanken zu„Chancen und Risiken der Digitalisierung“ nachdrücklich aufden Punkt (S. 20).

Kerstin Plehwe, Vorsitzende der Initiative ProDialog, nimmtunter besonderem Blickwinkel Stellung zur Entscheidungin den USA: Die Bedeutung des Online-Wahlkampfs (S.22).

Jutta Croll, Stiftung Digitale Chancen, schildert, wie mobileEndgeräte älteren Menschen helfen könnten, bequem in dasInternet einzusteigen (S.24). Ich wünsche Ihnen informative Unterhaltung mit dem neuen„DIVSI magazin“. Und leiste mir abschließend eine Wieder-holung aus dem Vorwort des letzten Heftes: Wenn es Ihnengefällt – erzählen Sie es weiter. Im anderen Fall sagen Siebitte mir Bescheid.

Jürgen Selonke Chefredakteur DIVSI magazin

Von Fensterumschlägen, Verantwortung und Frauenpower

Weisungsrechte irgendeiner Seite gestörte Zusammenarbeitzwischen dem Institut und mir, genauer gesagt das gegen-seitige Einander-Zuwerfen von Fragen, Antworten und ganzbesonders Anregungen, bei dem jede Seite zwar von ihrerwissenschaftlichen Vorprägung ausgeht, insgesamt aberdoch peu à peu ein einheitliches Bild der Probleme unddenkbaren Lösungen herauskommen soll.“

Aus Arbeitsergebnissen und Studien des DIVSI zu Fragenunseres digitalen Zeitalters ließen sich Schwerpunkte füralle anderen Fachgebiete ableiten. Herzog: „Ich selbst musswohl meinem ganzen Zuschnitt entsprechend von den sichaufdrängenden verfassungsrechtlichen Fragen ausgehen –nicht weil ich der Meinung wäre, dass ausgerechnet Rechts-fragen im Zentrum unserer Problematik lägen, sondern weilmich meine Erfahrungen gelehrt haben, dass man den ethi-schen Fragen, die sich uns heute stellen, sehr gut beikommt,wenn man den Blick immer wieder vergleichend auf die ver-fassungsrechtliche Nachbarschaft schweifen lässt.“

Der siebte Präsident der Bundesrepublik in seiner Rede wei-ter: „Ich will ein paar Schlagworte nennen, die allen seit langem bekannt sind, im Zeitalter der neuen Informations-techniken aber möglicherweise ein ganz anderes Gesichtbekommen. Wichtigste Grundlage für ein Tätigwerden auf

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Festlicher Senatsempfang im Rathaus derFreien und Hansestadt Hamburg

Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Roman Herzog ist seit dem5. November Schirmherr des DIVSI. Aus diesem Anlasshatte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zueinem Empfang in das Rathaus geladen. BürgermeisterOlaf Scholz betonte dabei: „Mit den Begriffen Vertrauen undSicherheit werden zwei der zentralen Wertedimensionenadressiert, die nicht nur für das Internet, sondern für moderne hochkomplexe Gesellschaften insgesamt vonhoher Relevanz sind. Ich begrüße es insofern sehr, dass dieDeutsche Post dem Institut die Ressourcen bereitstellt, sichmit derart grund-legenden Fragen zu befassen. Und ichfreue mich, dass sich Bundespräsident Prof. Dr. RomanHerzog bereit erklärt hat, als Schirmherr dieser Initiativemit darüber nachzudenken, was notwendig ist, um Ver-trauen und Sicherheit im weltweiten Netz zu gewährleisten.“

Roman Herzog formulierte in seiner ersten Rede als DIVSI-Schirmherr grundsätzliche Gedanken zu Risiken, Chancenund zur Ethik des digitalen Zeitalters. Eingangs machte erdeutlich, was nach seiner Meinung mit „diesem schönenTitel“ gemeint sei: „Die gleichberechtigte und durch keinerlei

Roman Herzog ist Schirmherr des DIVSI

Risiken, Chancen und die Ethik des digitalen Zeitalters

diesem Gebiet dürfte die verfassungsrechtlich garantierteMeinungsfreiheit sein. Da es aber nicht immer um die Äu-ßerung und Verbreitung von Meinungen gehen wird, kommtdas sogenannte Hauptfreiheitsrecht, die allgemeine Hand-lungsfreiheit, hinzu, die in der Sprache des GrundgesetzesFreiheit der Persönlichkeitsentfaltung heißt. Am anderenEnde der Fahnenstange, wo es um die Grenzen der neu ge-wonnenen Handlungsmöglichkeiten geht, dürften vor allemdas vom Bundesverfassungsgericht aus Menschenwürdeund Persönlichkeitsschutz hergeleitete informationelleSelbstbestimmungsrecht, aber auch das sogenannte Per-sönlichkeitsrecht stehen. Und dazwischen dürfte uns bei un-serer Arbeit immer wieder das Prinzip derVerhältnismäßigkeit begegnen, dessen Sinn freilich mit derVokabel Übermaßverbot besser getroffen würde.“

Die aufgeworfenen Fragen seien nur vordergründig juristi-scher Natur. Herzog: „Bei Licht betrachtet, passen sieebenso gut auf die ethische Seite unserer Probleme – obwohl sie dort natürlich zu etwas anderen Antworten führen können. Vor allem aber sind die Grundsätze, auf diewir bei ihrer Formulierung zurückgreifen, nicht entfernt sohandfest, wie es auf den ersten Blick scheint. Keiner der Begriffe, weder Meinungsfreiheit noch geistiges Eigentumnoch erst recht das Persönlichkeitsrecht, gelten nach demGrundgesetz schrankenlos; jedem einschlägigen Verfas-sungsartikel ist vielmehr ein Satz beigegeben, der Einschränkungen oder Durchbrechungen „durch Gesetz“zulässt. Wir haben also die merkwürdige Lage, dass sich fastbei jeder einzelnen Frage Positionen gegenüber stehen, diesich gegenseitig einschränken, dass diese einschränkendeWirkung aber durch Gesetz sowohl verschärft als auch reduziert werden kann.“

Verfassungsrechtlich stelle uns dieser Befund schon fast vordie Quadratur des Kreises. Prof. Herzog: „Auf die Ethik über-tragen, deren Stringenz ja noch geringer als die des Rechtsist, bedeutet das, dass nicht mehr die Quadratur des Kreises,sondern – um im Bild zu bleiben – die Umformung der Kugelin einen Kubus gefordert ist. Man kann das Ganze aber aucheinfacher ausdrücken: Die Ethik des digitalen Zeitalterskann von der bisher gültigen Ethik zwar das eine oder an-dere lernen, sie wird aber in vielen Fragen ganz neue, bisherunbegangene Wege gehen müssen.“

Der einzige Fixpunkt in diesem Zusammenhang sei die Unverletzlichkeit der Menschenwürde: „Von allen uns berüh-renden Grundrechten ist sie das einzige, das unter keinenUmständen zur Disposition des Gesetzgebers steht.“

Roman Herzog ging dann auf den Schlüsselbegriff des all-gemeinen Persönlichkeitsrechts ein: „Thematisch liegenbeide Grundrechte tatsächlich nahe beieinander. In ihrerverfassungsrechtlichen Absicherung unterscheiden sie sichjedoch gravierend: Die Menschenwürde braucht sich über-haupt keine gesetzlichen Eingriffe gefallen zu lassen, diePersönlichkeitsentfaltung dagegen kann fast durch jedes

halbwegs begründbare Gesetz reglementiert, ja einge-schränkt werden. Uns, bei unserer Thematik, ist damit weniggeholfen. Wir werden uns wohl irgendwann entscheidenmüssen, und ich vermute stark, dass dann die unein-schränkbare Menschenwürde den Sieg davon tragen wird.Sie wird je länger desto mehr das Leitmotiv unserer Arbeitsein.“

Allerdings reiche es heute nicht mehr aus, dass irgendeinmenschliches oder technisches Verhalten irgendwann vonirgendeinem Gericht für menschenwürdefeindlich erklärtwird. Der Schutz müsse vielmehr in dem Augenblick funk-tionieren, in dem er notwendig wird, und dazu werde sehrhäufig der Betroffene selbst gefordert sein. Roman Herzog

nannte hierfür zwei Beispiele: „Erstens die Vorsicht jedesMenschen bei der Preisgabe persönlicher Daten gegenüberden großen Netzen, die ein ganz großes Thema zu werdenscheint, und zweitens, sehr viel weniger bedacht, seine Er-ziehung zu einem starken, widerstandsfähigen Individuum,das nicht beim ersten Eingriff in seine Persönlichkeitssphärebereits einknickt, sondern die Eingriffe so gut wie möglichmit Selbstbewusstsein ins Leere laufen lässt.“

Der neue DIVSI-Schirmherr äußerte sich auch zu den Wir-kungen der modernen Informationstechniken auf die demo-kratische Willensbildung: „Hier gilt es allerdings zuunterscheiden; denn an die ordnungsmäßige Durchführungvon Wahlen, aber auch – etwa – von plebiszitären Entschei-dungen, die zu Gesetzesanträgen oder gar zu Gesetzes-beschlüssen führen sollen, sind ganz andere Maßstäbe an-zulegen als an massenhafte Meinungsäußerungen in digitaler Form, die ja eher mit Massendemonstrationen zuvergleichen sind.“

Die Diskussion über politische Fragen und die Stellung-nahme zu ihnen in digitaler Form stünden auf einem ganz

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anderen Blatt. Herzog: „Sie müssen zumindest grundsätz-lich frei sein, und es ist für demokratische Verantwortungs-träger im allgemeinen ja auch ausgesprochen nützlich, aufdiesem Wege zu erfahren, nicht was das Volk, was aber zu-mindest relevante Teile des Volkes denken – auch wenn esin der Regel keine Mehrheit ist. Zusammen mit den „eige-nen“ Wählern eines Politikers können sie ja immer noch eineMehrheit ausmachen. Dass es Beispiele gibt, die man zuRecht mit dem schönen neudeutschen Wort „Shitstorm“ be-legt, weiß ich natürlich auch. Aber da verweise ich auf vorherGesagtes: In der digitalen Welt braucht man vielleicht dochetwas mehr Selbstbewusstsein, etwas mehr psychische Ab-härtung, als das in manchen Lehrbüchern der Demokratiesteht. Ich für meinen Teil habe schon Massenbriefaktionen,die mich erreichten, nur sehr bedingt zur Kenntnis genom-men, und das müsste sich eigentlich auch mit Shitstormsmachen lassen.“

Roman Herzog räumte ein, dass er nicht glaube, alle Facet-ten des Internets selbst schon berührt oder gar durchschautzu haben. Klar sei ihm jedoch: „Die Geheimheit der Privat-sphäre des Menschen, die in unserem Kulturkreis seit Jahr-hunderten ein wesentlicher Bestandteil seiner Personalitätist, ist neuen Gefährdungen ausgesetzt, die zum Anlass ganzneuer Überlegungen gemacht werden müssen. Und da hilft

Jürgen Gerdes, Vorstand BriefDeutsche Post

Stete Wachsamkeitgefordert"Die ungeheure Dynamik, mit derdas Internet sich weiter entwickelt,erfordert stete Wachsamkeit. Beider Frage nach der Sicherheit pral-len derzeit zwei völlig konträre Mei-

nungen aufeinander. Die einen geraten in Hysterie, dieanderen reden alle Gefahren klein. Der verständlicheWunsch nach Kontrolle darf jedoch nicht so weit gehen,dass wir die neuen Geschäftschancen im Web - und damitdie Chancen auf Erhalt und Ausbau des Wohlstands füralle - verpassen. Deshalb brauchen wir jetzt eine allseitsrespektierte Persönlichkeit, die beide Ansprüche wertfreigegeneinander abwägt und dabei auch immer den Blickauf unser Grundgesetz nicht verliert. Niemand könntedies überzeugender tun als Alt-Bundespräsident RomanHerzog. Denn das Internet stellt uns in der Tat vor Fragenvon Verfassungsrang.“

„Auch in der digitalen Gesellschaft geht es nicht ohne Vertrauen als eine wesent-liche Ressource des Zusammenlebens und des Wirtschaftens. Deswegen ist eswichtig, dass die digitale Wirtschaft sich um ihre Vertrauenswürdigkeit und umdie Sicherheit ihrer Geschäftsmodelle kümmert. Hierfür müssen wir strukturelleVoraussetzungen schaffen. Die vier wichtigsten aus meiner Sicht:

Erstens: Unternehmerische Verantwortung. Das muss am Anfang stehen. Hier inHamburg waren und sind die Kaufleute stolz darauf, ein Geschäft per Handschlagzu besiegeln. Diese Tradition müssen wir übersetzen in die Zeit, in der ein Maus-klick den Handschlag zunehmend ersetzt. Der Aufbau einer unternehmerischenVertrauenskultur ist Teil des Gesamtgeschäfts und Bedingung des nachhaltigenErfolgs.

Zweitens: Brancheninterne Selbstkontrolle. Gerade in einem technologisch hoch-komplexen Feld hat es keinen Sinn, immer auf den Staat zu warten, der die Dingeregelt. Die Digitalbranche tut gut daran, eigenständige Kodizes und Institutionenihrer Durchsetzung zu schaffen. Und der Staat tut gut daran, entsprechendeSpielräume zu gewähren.

Drittens: Aufgeklärte Kunden. Hier geht es um Kompetenz und um Transparenz.Wir stehen als Gesellschaft insgesamt vor der Aufgabe, die für die digitale Gesellschaft notwendigen Kulturtechniken schon in der Schule zu vermitteln. Esreicht nicht aus, die Geschäftsbedingungen eines Webshops oder eines sozialenNetzwerks bloß zu veröffentlichen. Sie müssen auch verstehbar sein und verstan-den werden. Hier sind zivilgesellschaftliche Initiativen eine willkommene Ergän-zung, die sich um die entsprechenden Informationen und Angebote kümmern.

Viertens: Klare Spielregeln. Wenn wir unternehmerischer Verantwortlichkeit undSelbstregulierung den Vorzug geben, dann darf das nicht heißen, dass wir unsdahinter verstecken. Zu der Governance-Struktur gehört deshalb natürlich auch,dass der Staat klare Regeln normiert und Grenzen definiert. Wir sollten ver-suchen, das diskursiv mit den Betroffenen und der Branche zu schaffen, aber eswird auch Konflikte um Interessen und Schutzgüter geben, die nicht diskursiv lösbar sind. In solchen Fällen muss der demokratisch legitimierte Gesetzgebertätig werden. Zugleich aber muss der Staat auch aufpassen, dass er die Markt-teilnehmer nicht entmündigt.

Hamburg jedenfalls ist sich seiner Verantwortung als Kaufmanns- und als Medienstadt für diese Fragen sehr wohl bewusst. Deshalb sind wir engagiert mitKreativität und Freude dabei, die digitale Ordnung des 21. Jahrhunderts mit zugestalten. Das geht nur, wenn wir auf eine intelligente und flexible Governance-Struktur setzen. Einen Beitrag dazu kann sicherlich auch das Institut für Ver-trauen und Sicherheit im Internet leisten.“

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz:

Ohne Vertrauen geht es nicht

es auch wenig, dass manche von diesen Risiken in Ansätzenauch schon bisher bestanden haben. Schon die veränderten Gefährdungszahlen könnten ja den Eingriff in eine ganz neueEpoche bedeuten.“

Ebenso klar sei ihm auch dies geworden: „In jedem Fall istdie Einstellung der Menschheit zur Information dabei, sichschlicht und einfach umzudrehen – und das nun wirklichzum ersten Mal in der Geschichte. Bisher hatte der Menschbei allem, womit er sich beschäftigte, unter einer deprimie-renden Informationsknappheit zu leiden. Das Zeitalter, indas wir hinein gehen, wird demgegenüber durch ein depri-mierendes Überangebot an Informationen charakterisiertsein. Salopp ausgedrückt: Bisher hatte die Menschheit rich-tige Informationen zu suchen, in Zukunft wird sie eher fal-sche, ungeeignete Informationen auszusondern haben.“

DIVSI-Direktor Matthias Kammer abschließend im Hambur-ger Rathaus: „Prof. Herzog hat angekündigt, als ‚aktiverSchirmherr’ agieren zu wollen. Etwas Besseres ist für dasInstitut und unsere Arbeit kaum denkbar. Wir freuen uns aufseine sicher auch kritischen Gedanken und sind sehr froh,dass er uns ab sofort mit seinem reichen Erfahrungsschatzals Wissenschaftler, Politiker, Verfassungsrichter und ehe-maliger Bundespräsident zur Seite stehen wird. Unsere digitale Welt mit allen ihren großen Chancen und Möglich-keiten wird auch zukünftig eine Vielzahl rechtlicher Pro-blemstellungen aufwerfen. Sie müssen gelöst werden, umdas Vertrauen ins Internet und die Sicherheit jeden Nutzerszu gewährleisten. Durch die Einbindung unseres neuenSchirmherrn erhoffe ich mir gerade auf diesem Feld wert-volle Anregungen.“

Fortsetzung von Seite 5Risiken, Chancen und die Ethik des digitalen Zeitalters

Olaf Scholz begrüßte die Gäste im Kaisersaal des Rathauses

Ausschnitte aus seiner Festrede im Rathaus

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Von Matthias Kammer

Hamburg - Die jetzt vorgelegte DIVSI Meinungsführer-Studie„Wer gestaltet das Internet?“ stellt einen bedeutenden undklar umrissenen Personenkreis in den Fokus. Wiederum inbewährter Zusammenarbeit mit dem renommierten SINUS-Institut haben wir bundesweit auf wissenschaftlicher Basisermitteln lassen, wie es Meinungsführer in Deutschland mitdem Netz halten.

Diesem grundsätzlichen Ansatz sind wir sehr detailliertnachgegangen. Erstmals liegen jetzt auch Antworten zu bis-

lang kaum oder sogar überhaupt nicht gestellten Fragenvor: Wie gut kennen sich Meinungsführer im Netz aus? Wieschätzen sie ihre Einflussmöglichkeiten ein? Wie werden Sicherheits- und Freiheitsbedürfnisse bewertet? WelcheChancen, Konfliktfelder und Risiken erwachsen daraus?

In aufwändigen persönlichen Gesprächen wurden dazu füh-rende Repräsentanten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft,Medien, Öffentlicher Dienst, Wissenschaft, Verbände undweitere Vertreter der Zivilgesellschaft interviewt. Das Ergebnis ist eine breite Palette von Einsichten mit überra-schenden Aussagen.

Wer gestaltet das Netz?DIVSI Meinungsführer-Studie: Neue Anstöße für wichtige Diskussionen

Warum hat DIVSI diese Studie initiiert?

Die Antwort liegt in unserer selbst for-mulierten Arbeitsgrundlage. Uns gehtes darum, einen offenen und transpa-renten Dialog über Vertrauen und Sicherheit im Netz zu organisieren undmit neuen Aspekten zu beleben. Umdieser Aufgabe gerecht zu werden,wollen wir der Öffentlichkeit aktuelleFakten liefern, die dann als Basis fürbreite Diskussionen sorgen können.

Mit unserer mittlerweile bundesweitbekannten und anerkannten „Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit imInternet“ haben wir bereits zu Beginn dieses Jahres ein wichtiges Dokument präsentiert. Diese Studieuntersuchte, welche Motivationen undEinstellungen die in Deutschland lebenden Menschen in ihrem Verhält-nis zum Internet bestimmen und welche Erwartungen sie hinsichtlichSicherheit und Datenschutz haben.

Die Meinungsführer-Studie geht hiereinen Schritt weiter und noch tiefer inbestimmte Details. Aus den Ergebnis-sen der Untersuchung lassen sich vierwesentliche Aussagen ableiten, die ichhier kurz anreiße:

* Privatwirtschaftliche Unterneh-men sind Treiber aktueller Ent-wicklungen im Netz. Unternehmensind damit nicht nur Akteure, dieAngebote bereitstellen, sondernauch diejenigen, die die Regelnbestimmen und kontinuierlich verändern.

* Keiner ist mehr offline. Das Internet gewinnt in immer mehrLebensbereichen an Bedeutung.Online- und Offline-Sphärendurchdringen sich zunehmend.Die beiden Zustände lassen sichimmer weniger voneinander unterscheiden.

* Eine Gesamtverantwortung für„das Internet“ wird von den Mei-nungsführern strukturell wederals möglich betrachtet noch ge-wollt. Ihre Lösung besteht darin,

Matthias Kammer ist seit November 2011Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet(DIVSI).

die Verantwortung zu großen Teilen an den Nutzer weiter zu reichen.

* Es wird immer schwieriger, fürden Verhandlungsraum Internetgenerell gültige Regelungen undgegenseitige Vereinbarungen zutreffen. Der Diskurs bewegt sichvon einer rein technologi-schen Perspektive zuneh-mend zu einer Frage nachder „digitalen Kultur“.

Dr. Silke Borgstedt, beim SINUS-Institut Direktorin für die Sozial-forschung und dort verant-wortlich für die Studie, nimmt aufden folgenden Seiten dieses„DIVSI magazins“ ausführlich zumFazit der Untersuchung Stellung.

Kennern unserer ersten Studiefällt sicher unmittelbar auf, dassdie Aussagen der Meinungsführerzum Teil einen deutlichen Kontrastzu den im letzten Jahr ermitteltenEinstellungen und Handlungswei-sen der Bevölkerung bilden. 39 Pro-zent der in Deutschland lebendenMenschen waren demnach „Digi-tale Outsider“.

Ein Widerspruch zu der aktuellen Stu-die? Nein. Denn aus Sicht derjenigen,die das Internet gestalten, leben auchsie in einer Umgebung, die fortwährendstärker von der Online-Welt geprägtwird. Die Bewertung von Erkenntnissendieser Form wird aus unserer Sichtwertvolle Impulse für zukünftige Dis-kussionen geben.

Sicherlich wird das Deutsche Institutfür Vertrauen und Sicherheit im Inter-net mit den vorgelegten Ergebnissennicht überall ungeteilten Beifall finden.Das aber kann und darf uns nicht daranhindern, auch möglicherweise unwill-kommene Fakten zur Diskussion zustellen. Die Studie soll – fernab jederVordergründigkeit und Effekthascherei– eine Basis liefern, die dazu beitragenkann, unsere vernetzte Welt vertrau-enswürdiger und sicherer zu machen.

Die jetzt vorgelegte Untersuchung wirdderzeit durch das SINUS Institut nochzu einer bundesweit repräsentativenStudie ausgebaut. Diese Arbeit willDIVSI zur CeBIT 2013 präsentieren.

Die neue DIVSI-Studie wurde jetzt in Berlinvorgestellt. Sie kann kostenfrei beim Insti-tut abgerufen oder unter www.divsi.de/pu-blikationen herunter geladen werden.

mehr, so wie man auch nicht bewusst „im Stromnetz“ ist oder „die Wasserleitungbenutzt“. Es ein System, das im Hintergrund schnurrt und nur auffällt, wenn esausfällt. Den Menschen ist entsprechend kaum bewusst, wie weitreichend sie ei-gentlich digitalisiert sind.

Die Internet-„Nutzung“ selbst wird somit zunehmend unsichtbar, da sie immerweniger als Mensch-Maschine-Kommunikation erfolgt, sondern auf untereinan-der vernetzte Geräte zurückgegriffen wird. Im „Internet der Dinge“ wird vermeint-lich nur ein Auto gestartet, aber in Wirklichkeit der Bordcomputer angeworfen.

Die Verantwortung bleibt beim Nutzer hängen –keiner will sie ihm abnehmen

Die Gespräche mit Meinungsführern aus Politik/Verwaltung, Wirtschaft, Zivilge-sellschaft, Medien und Wissenschaft haben gezeigt, wie facettenreich, konflikt-geladen und leidenschaftlich die Chancen und Risiken des Internets debattiertwerden. Dabei geht es nicht nur um konkret zu verhandelnde Positionen. Häufiggeht es zunächst einmal darum, eine gemeinsame Sprache zu finden und mitei-nander „auf Augenhöhe“ zu diskutieren. Der Diskurs ist teilweise gelähmt durchgegenseitig unterstellte mangelnde Kompetenzen und jeweils eigene Priorisie-rungen und Ziele; gleichzeitig wird ein enormer Zeitdruck empfunden, Verant-wortlichkeiten verbindlich zu verteilen, um die bestehende Patt-Situationaufzulösen.

Eine Gesamtverantwortung für „das Internet“ wird strukturell weder als möglichbetrachtet noch gewollt. Die Lösung besteht somit darin, die Verantwortung zugroßen Teilen an den Nutzer weiter zu reichen. Zwar wird betont, dass es Grenzender Eigenverantwortung gibt; wo diese aber beginnen, verbleibt im Unklaren undist Teil der „Verhandlungsmasse“ im aktuellen Netz-Diskurs.

Die Politik sieht ihre Aufgabe in der Schaffung eines Rechtsrahmens, um ebendiese Verantwortungsverteilung zu definieren, nimmt aber ein Umsetzungspro-blem aufgrund der aktuellen „Kräfteverhältnisse“ (Unternehmen vs. Politik) undder begrenzten lokalen Reichweite von Entscheidungen wahr. Zudem ist sie denGeschwindigkeiten der analogen Demokratie unterworfen.

Die Macht liegt bei den Machern: Marktführende Unternehmen prägen die Verhaltensregeln

Nahezu alle Meinungsführer aus Politik/Verwaltung, Medien, Zivilgesellschaftund Wissenschaft sehen privatwirtschaftliche Unternehmen klar als Treiber ak-tueller Entwicklungen im Netz. Unternehmen sind damit nicht nur Akteure, dieAngebote bereitstellen, sondern auch diejenigen, die die Regeln bestimmen undkontinuierlich verändern. Dies wird zunehmend relevant, da immer mehr Berei-che onlinebasiert sind und verschiedene Anbieter zu Infrastrukturdienstleisternwerden, zu denen es kaum noch Alternativen gibt. Auffallend ist hierbei, dass fastalle Meinungsführer aus diesen Sektoren eine deutliche Konzentration auf nurwenige globale Player wahrnehmen, die das Netz „unter sich aufgeteilt haben“.Das heißt, es wird klar unterschieden zwischen Wirtschaft in der Gesamtheit und„den ganz großen Vier“.

Meinungsführer aus der Wirtschaft betonen hingegen die „Macht des Konsumen-ten“, ohne die sie gar nicht erfolgreich agieren könnten. Sie sehen den eigenenEinflussbereich als Ergebnis von Angebot und Nachfrage auf einem hart um-kämpften Markt, der Gefahr läuft, durch zu viele Regelungen eingeschränkt zuwerden. Aus ihrer Sicht geht dies zu Lasten des Nutzers, der lernen müsse, selb-ständig zu agieren und nicht vor sich selbst beschützt werden sollte.

Die folgende Abbildung veranschaulicht die jeweiligen Beziehungen der Akteureuntereinander:

Wirtschaft und Politik sind somit die prominentesten Einflussgrößen. Sie stehenim Zentrum und sind die wichtigsten Bezugspunkte für die anderen Akteure. DieArt und Weise, wie Politik und Wirtschaft „das Netz aushandeln“ und wer jeweilsdie Oberhand hat, wird insbesondere von den Medien, aber auch von der Wissen-schaft kontinuierlich verfolgt. Vertreter der Zivilgesellschaft haben gleichsambeide Akteure im Blick und sind Berater und Impulsgeber für die Politik (aberauch kritische Korrektoren), da für sie vor allem die Rechte und Freiheiten derBürger im Mittelpunkt stehen, die sie durch den Staat gewahrt sehen möchten.Vertreter der Zivilgesellschaft stehen innerhalb des aktiv gestaltenden Kerns derNetz-Entscheider, da sie sich als integralen Teil der Netzkultur betrachten. Me-dien und Wissenschaft stehen außerhalb des Systems, sie beobachten und ordnenein. Die Wissenschaft betrachtet ihre eigene Rolle allerdings deutlich aktiver: Siemöchte beraten, mahnen und Aufgaben an Wirtschaft und Politik verteilen, wirdvon diesen aber nicht gesehen. Die Spannungsverhältnisse zwischen Politik undWirtschaft im Internet-Diskurs ähneln in ihrer Struktur anderen gesellschaftli-chen Konfliktfeldern. Auch bezüglich Finanzkrise oder Energiewende kreisen dieEntscheidungen rund um Regulierung, Selbstverpflichtung, Kostenverantwortungund Bürgerinteressen. Die Debatte um Vertrauen und Sicherheit im Internet kannsomit auch als symptomatisch für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik be-trachtet werden.

Das Internet gibt es nicht (mehr)

Das kleine Zeitfenster für grundlegende Weichenstellungen in punkto Vertrauenund Sicherheit im Internet ist vor allem dadurch bedingt, dass es „das Internet“

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Von Dr. Silke Borgstedt

Keiner ist mehr offline –Leben ohne Internet ist eineIllusion

Alle Meinungsführer betonen, dass dasInternet in immer mehr Lebensberei-chen an Bedeutung gewinnt und sichOnline- und Offline-Sphären dabei zu-nehmend durchdringen, so dass mandiese beiden „Zustände“ immer weni-ger voneinander unterscheiden kann.

In diesem Zusammenhang erscheintes durchaus plausibel, dass viele Ak-teure das Problem digitaler Gräbennicht als Herausforderung sehen, son-dern als eine Situation, die sich von al-lein auflöst. Dies geschieht aber nichtetwa durch die demographische Ent-wicklung oder eine digitale Bildungs-explosion. Dies geschieht vielmehr

durch die Tatsache, dass die Menschenschon in kurzer Zeit nicht mehr „ins In-ternet“ gehen (müssen), weil die meis-ten Alltagshandlungen ohnehin onlinegesteuert sind. Die Tatsache, online zusein, bedeutet immer weniger, einenComputer hochzufahren und sich ir-gendwo einzuwählen.

Online zu sein wird demnach zu einerSelbstverständlichkeit und ist keineAktivität oder Zustandsbeschreibung

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Vier Thesen zur aktuellen Situation im Netz-Diskurs

nicht mehr lange geben wird. Aus die-sem Grund kann man gar nicht mehrvom „Internet an sich“ sprechen, son-dern muss alle Themenbereiche undAufgabenfelder künftig immer auch inihrer Online-Dimension denken. Es istdaher nicht verwunderlich, dass es denAkteuren kaum möglich und sinnvollerscheint, Spannungsverhältnisse wiez.B. Sicherheit vs. Freiheit oder Ver-trauen vs. Kontrolle pauschal für dasInternet als Ganzes zu definieren. Dasbedeutet aber auch, dass es immerschwieriger wird, für den Verhand-lungsraum „Internet“ generell gültigeRegelungen und gegenseitige Verein-barungen zu treffen.

Dies zeigt umso mehr, dass die Ent-wicklungen im „Kampf um das Inter-net“ einen wesentlichen Einflussdarauf haben, wie wir in Zukunft lebenwerden und welche Rolle die digitaleInfrastruktur darin spielt. Die themati-sierten Konfliktfelder machen deutlich,dass sich der Diskurs von einer reintechnologischen Perspektive zuneh-mend zu einer Frage nach der „digita-len Kultur“ bewegt.

Es geht im Unterschied zu vorausge-henden technologischen Revolutionennicht nur darum, wie neue „Lebensver-einfachungen“ sinnvoll in die beste-henden wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Strukturen integriert wer-den können, sondern um die Defini-tionsmacht für zentrale Werte einerGesellschaft. Die Langwierigkeit undKomplexität demokratischer Entschei-dungsprozesse und die notwendige Fokussierung auf die nationalstaatlichebzw. europäische Ebene lassen dieSpielräume für die Politik als begrenzterscheinen. Gleichzeitig wird – insbe-sondere seitens der Bevölkerung – gerade bei der Politik ein großer Teilder Verantwortung für Vertrauen undSicherheit im Internet gesehen.

Aktuell wirkt im Internet jedoch dienormative Kraft des Faktischen: Werschon mal da ist und sich etabliert hat,bestimmt die Spielregeln – denn dort,wo Freiräume existieren, kann man vielgestalten.

Dr. Silke Borgstedt (*1975) ist amSINUS-Institut Direktorin für die Sozial-forschung.

Medien

Wissenschaft

Zivil-gesellschaft

Wirtschaft

Politik/Öffentlicher

Sektor

Beschreiben/analysieren Entscheiden/umsetzen

Geringfügigebis mittelstarkeBeobachtung

IntensiveBeobachtung

Zentrales Diskurssystem

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Die Aufmerksamkeit der Meinungsführer auf Vertreter der anderen Bereiche ist deutlichausdifferenziert. Wirtschaft, Politik/Öffentlicher Sektor und Zivilgesellschaft bilden daszentrale Diskurssystem mit einem Entscheidungs- und Handlungsfokus, während Wis-senschaft und Medien vorwiegend beschreibend und analysierend tätig sind.

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„IT ist ja kein Selbstzweck, sondern dient natürlich dazu, dieVerwaltungsprozesse zu verschlanken und/oder Prozessemöglich zu machen, die bisher ohne Technik nicht möglichwaren.“

Ansiedlung Netzpolitik

„Wenn ich mir jetzt einfach überlege, mit wem ich im Bun-destag oder in der Bundesregierung oder in der zweiten Ebeneder Bundesregierung, also auf Staatssekretärs-Ebene, überdiese Themen reden würde, fällt mir exakt so viel ein [formtmit den Händen eine große Null]. Also noch mal fürs Band:Null. Es gibt niemanden.“

„Das Problem sind auch die Politiker in Deutschland. Alsodie Leute, die jetzt z.B. im Bundestag sitzen, die verstehendas ja auch gar nicht unbedingt so gut.“

„Sehr wenige Personen sind in den Aufsichtsbehördenüberhaupt aktiv und kennen sich aus. Ich wette, diekönnte man in Deutschland an zwei Händen abzählen.“

Macht und Gefahr

„Wo wären wir ohne Apple, YouTube und andere Unterneh-men? Da bin ich positiv eingestellt, was Wirtschaft angeht.Wirtschaft bringt uns nach vorne. Wenn Unternehmen amEnde auch Gewinn machen, investieren sie und entwickelnGeschäftsmodelle. Das ist immer grundsätzlich positiv. Eswird aber dann bedenklich, wenn es Geschäftsmodelle gibt,die auf eine zu starke Dominanz hinauslaufen und die nichtgenügend Schutzvorschriften zugunsten der User haben.“

„Da muss man schon aufpassen, dass wir nicht am Endeganz wenige Unternehmen weltweit haben, die sehr strikteVorgaben machen und durch ihre Geschäftspolitik Einflussauf die Gestaltung des Internets nehmen.“

„Ich finde die Lösungen, die teilweise in Aussicht gestelltwerden, nämlich staatliche Kontrolle, gefährlich. Und völligunangebracht. Ich will nicht, dass der Innenminister michschützt bei meinen Geschäften.“

Chancen

„Ich sehe durch das Internet unglaubliche Potenziale,nicht nur für neue Geschäftsmodelle, wie wir sie jetzt inunserem Unternehmen verwirklicht sehen, sondern auchfür existierende Unternehmen, das Internet für sich imHinblick auf Prozessoptimierung, im Hinblick auf dieNeugestaltung von Kundenbeziehungen zu nutzen unddamit sich selbst letzten Endes neu zu erfinden.“

„Ich bin persönlich davon überzeugt, dass das Internet eineder prägendsten Veränderungen in den 100 Jahren – ich willjetzt nicht von Jahrtausenden sprechen, aber sicherlich inder Generation, in der ich jetzt unterwegs bin und in der

Die DIVSI Meinungsführer-Studie vermittelt durch eine Viel-zahl von Zitaten einen besonders präzisen Eindruck über dieGedankenwelt der interviewten Persönlichkeiten. Diesewörtlich übernommenen Aussagen – wie zugesagt immerohne direkte Namensnennung – ziehen sich wie ein roterFaden durch die insgesamt sechs Kapitel. Natürlich sinddies sämtlich ganz subjektive Äußerungen, die im Einzelfalldurchaus auch Anlass für heftige Diskussionen sein können. Die nachstehende Zusammenfassung wurde mit Zitaten ausallen Kapiteln erstellt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit. Lesen Sie, was Meinungsführern zu ganz unter-schiedlichen Stichworten einfiel.

Grundsätzliches

„Im Grunde genommen geht es darum, das Internet als Ge-schenk zur Jahrtausendwende zu begreifen. Man kann die-ses Geschenk annehmen und damit pfleglich umgehen oderman kann es kaputt machen, indem man damit nicht pfleg-lich umgeht. Und das Recht spielt hier eine wichtige Rolle,aber auf keinen Fall die wichtigste oder wesentliche Rolle,sondern es ist immer ein Zusammenhang von Recht, Wirt-schaft, Technik und Sozialem.“

„Wenn Sie heute Inhalte ins Netz stellen, die nicht ver-netzt sind, fallen die durchs Netz, haben keinen Wert.Wenn Menschen heute arbeiten, die nicht vernetztsind, fallen die durchs Netz, haben keinen Wert. Dasheißt, die ganze Wertevorstellung der Menschen ver-ändert sich durch dieses Internet.“

Online/Offline

„Also wer glaubt, dass er wirklich 100 Prozent offline wäre, istgenauso bekloppt wie jemand, der glaubt, dass er 100 Prozentonline wäre.“

„In absehbarer Zukunft wird für den Großteil der Gesell-schaft ohnehin gelten, dass es das Internet gar nicht gibt,sondern wir in ganz unterschiedlicher Art und Weise aufDienstleistungen online zugreifen. Und uns wird vielfach garnicht klar sein, dass das jetzt das Internet mal war.“

Verantwortung und Vertrauen

„Das zieht sich überall durch, diese Frage nach Verantwor-tung – Verantwortungsübernahme. Und für diesen Diskursist es einfach vielleicht noch nicht weit genug. Also dafürmuss man ja auch eine gewisse Vorbildung haben, um ihnführen zu können.“

„Unser Ansatz ist ja, dass wir versuchen möchten,den Menschen die Eigenverantwortung beizubringen,was im Klartext heißt, wir möchten die Menschen sokompetent machen, dass sie von sich wissen, wie siesich im Netz zu verhalten haben, und welche Gefah-ren eben tatsächlich auch im Netz da sind, um dannumso besser die Chancen nutzen zu können. Unddas kann man natürlich mit der Politik schon sehrstark beeinflussen, weil man ja beispielsweise dasThema Chancen und Gefahren des digitalen Zeital-ters auch mit auf die Stundenpläne packen kann, undnatürlich auch sagen muss, in der Schule muss sowas entsprechend gelernt und vermittelt werden,weil das einfach zum Leben der Menschen dazuge-hört, und die Schule die Aufgabe hat, die Menschenauf ihr Leben vorzubereiten.“

„Ich glaube, dass das Thema Vertrauen und Sicherheit im In-ternet fürchterlich überstrapaziert wird. Und zwar insbeson-dere durch ein Tandem aus Medien und Politik, mit einer Prisekulturellem Sicherheitsbedürfnis der Deutschen. Also, dasThema Sicherheit und Vertrauen und Gefahren und Risikenist Teil unserer kulturellen Identität. Ich glaube, dass das einThema ist, dass aus diesem genannten Tandem heraus sehrstark zumindest konstruiert ist.“

„Das ganze Internet funktioniert nur, wenn ich entweder einGrundvertrauen habe oder auch Blauäugigkeit, das kannman jetzt sehen wie man will. Kontrollieren kann ich es garnicht.“

Beteiligung

„Was für uns ganz wichtig ist, ist das Thema Beteiligung. Ichglaube, dass das Internet eine ganz große Chance ist, diese Lückezwischen Politik und Bürger wesentlich zu verkleinern.“

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Error 40, Nullen und riesengroße Chancen

Und was meinen SIE dazu: 25 Zitate aus der DIVSI Meinungsführer-Studie

nächsten wird das mehr verändern als alles andere. Dasheißt, eine riesengroße Chance. Und zwar geht das ja eigent-lich in alle Bereiche des Lebens, von der Arbeit über die Un-terhaltung, über die Art wie Menschen miteinanderkommunizieren, alles verändert sich.“

Probleme

„Und das Netz läuft natürlich Gefahr, durch Interessierte verre-gelt zu werden und dadurch immer mehr Spielräume, die eshat, und auch qualitative Spielräume für mehr Demokratie aufsSpiel setzt, um den Preis von mehr Sicherheit und Kontrolle, dervielleicht nur ein sehr relativer ist.“

„Für mich ist Facebook, als Beispiel, genau das Gegenteilvon Internet. Es ist eigentlich der Tod des Internets, wennman das so will. Also eine Bedrohung fürs Internet. Ein ab-geschlossener Raum, wo auch ganz explizit Strategien ver-folgt werden, dass man möglichst nicht mehr aus dieserWelt rauskommt.“

Eigenverantwortung

„Es gibt eine Menge Menschen, die sagen, also pass mal auf, mitmeiner Kreditkarte bezahle ich im Internet nicht. Die geben aber inNeapel in jedem Ristorante die Kreditkarte für eine halbe Stunde ausder Hand, so dass die im Hinterraum Kopien machen können ohneEnde. Also da sind die Leute, die auf der einen Seite mit ihrer indi-viduellen Paranoia �Hilfe Internet, ich bezahle nicht mit der Kredit-karte� unterwegs sind. Aber auf der anderen Seite, wenn sie dasphysisch unter Kontrolle haben, Pizzeria in Neapel, haben sie dasGefühl, sie haben es im Griff.“

„Wenn ich gerade schon von Datenschutz rede, muss ichauch ganz klar sagen, die Naivität bei vielen Nutzern, wasden wirtschaftlichen Mechanismus dahinter angeht, ist auchextrem groß. Viele Nutzer fragen sich halt nicht, warum be-zahle ich hier kein Geld?“

„Genauso wie Menschen, wenn sie über die Straße gehen, nachlinks und rechts gucken müssen, um sicherzustellen, dass sienicht von einem Auto überfahren werden, ist es auch ihre Auf-gabe, sich kundig zu machen, bevor sie im Internet Geschäftemachen.“

„Wenn Sie betrunken mit dem Auto gegen eine Laterne fah-ren, dann tragen Sie auch die Verantwortung und könnennicht sagen: 'Tschuldigung, ich bin doch nur der Endnutzervon Opel.“

„Das meiste ist halt ERROR-40. Kennen Sie nicht? Na, Fehler40. Das heißt, der Fehler sitzt 40 cm vor dem Monitor.“

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Von Joanna Schmölz

Hamburg – Parallel zur Übernahme der Schirmherrschaft durch Bundespräsidenta.D. Prof. Dr. Roman Herzog hat DIVSI ein weiteres wichtiges Gremium benennenkönnen. Der Beirat wurde institutionalisiert. Ihm gehören an: Prof. Dr. ClaudiaEckert als Vorsitzende, Prof. Dr. Miriam Meckel, Thomas Götzfried, Dr. BernhardRohleder sowie Harald Lemke (eine ausführliche Vorstellung dieses Quintetts fin-den Sie auf den folgenden Seiten).

DIVSI-Direktor Matthias Kammer: „Ich freue mich sehr, dass wir diese fünf be-deutenden Persönlichkeiten für unsere Arbeit gewinnen konnten. Mit dieser Be-setzung ist es uns gelungen, führende Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft undVerband in unser Institut einzubinden. Ich bin überzeugt, dass wir aus diesemKreis wertvolle Anregungen für DIVSI erhalten werden, deren Wirkung weit überdas Alltagsgeschäft hinausreicht. Der Beirat wird absolut unabhängig agieren.“

Im Rahmen der konstituierenden Sitzung in Hamburg herrschte Einigkeit überdie grundsätzlichen Aufgabenstellungen. Demnach soll der Beirat „den Direktorbei der Zielentwicklung, der Schwerpunktsetzung und der Aktivitätenplanung be-raten“. Dabei wird das Gremium auch eigene interdisziplinäre Forschungsansätzeentwickeln und diese in die Arbeit des DIVSI einfließen lassen.

Matthias Kammer: „Wir werden dadurch unsere Forschungsarbeit noch weitervorantreiben können und die Themenvielfalt erhöhen. Gleichzeitig erreichen wir,dass diese Ansätze aus verschiedenen ökonomischen und gesellschaftlichenBlickwinkeln erfolgen. Idealerweise wird der Beirat eine Brücke zwischen For-schung und Wirtschaft, zwischen Labor und Gesellschaft sein.“

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Der DIVSI Beirat hat seine Arbeit aufgenommen

Wertvolle Anregungen erwartet

Ziel: Eine Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft, zwischen Labor und Gesellschaft

Joanna Schmölz (* 1976) studierte Medienkultur und Politische Wissen-schaft an der Universität Hamburg undarbeitete zeitweise als freie Journalistin.Seit 1998 war sie in der IT-Branche tätig.Im November 2011 kam Schmölz als wis-senschaftliche Leiterin zum DIVSI.

Von Ariane Hoffmann

„Sie sind also die Dame von DIVSI, diemich interviewen möchte – sind Sieaber mal groß!“ – nach kurzer Aufklä-rung darüber, dass ich nicht von DIVSIkomme, sondern vom SINUS-Institut,das im Auftrag von DIVSI diese Studiedurchführt, und ich nur so groß bin,weil ich eine enorme Vorliebe für HighHeels habe, sind wir schon „mitten-drin“. Mein Interviewpartner ist ersteinmal beruhigt, dass er mit seinen1,90 Meter dann doch auf jeden Fallnoch größer ist als ich, und von SINUShat er ja auch schon gehört.

Und diese gesellschaftlichen Milieus,die wir da entwickelt haben, findet eräußerst interessant. Sein Büro ist im-posant, mindestens so groß wie meinWohn- und Esszimmer zusammen, undan der Wand hängt ein beeindrucken-des Gemälde – „TIEFROT“, das ich mir genauer ansehen muss.

So unterhalten wir uns erst einmalüber die Malerin und ihr Werk, und icherfahre nicht nur die Hintergründe zuBild und Künstlerin, sondern schoneine ganze Menge über meinen Ge-sprächspartner. Das ist nicht nur sehranregend, sondern auch enorm wichtigin zweierlei Hinsicht:

Zuerst einmal: das „Eis“ ist gebrochen,mein Gesprächspartner hat soweit Ver-trauen zu mir gefasst, dass wir in die„Tiefen“ des Interviews einsteigen kön-nen. Denn Vertrauen (und Sicherheit)ist nicht nur Thema dieses Interviews –Vertrauen ist auch Grundlage für eingutes Gespräch.

Nur wer Vertrauen gefasst hat, ist auchbereit über Dinge zu sprechen, die ihmmöglicherweise unangenehm sind,oder die nicht unbedingt politisch kor-

rekt sind, beziehungsweise nicht gänz-lich mit den Corporate GovernanceGrundsätzen des jeweiligen Unterneh-mens übereinstimmen. Aber genau daswollen wir ja: ehrliche Antworten, un-verblümte Meinungen und ganz per-sönliche Einschätzungen.

Zweitens: je mehr ich gleich zu Beginnüber meinen Interviewpartner erfahre,über ihn als Person, was ihn bewegt,was ihm wichtig ist – desto besser kannich im Gespräch auf ihn eingehen. Rei-chen Stichworte, und er erzählt frei,ohne zu weit vom Thema abzukom-men? Oder sind klare Fragestellungenwirksamer? Welche Reizwörter sollteich vermeiden? Welche „Tonlage“ istangebracht?

Es hilft mir zudem einzuschätzen, wieich seine Aussagen zu verstehen habe– was ist möglicherweise doch andersgemeint als es gesagt wird? SpontaneAussagen des Gesprächspartners, inseiner ganz eigenen Diktion haben je-denfalls oberste Priorität. Das ist einwichtiges methodisches Prinzip der„non-direktiven Exploration“.

Doch es bleibt nicht viel Zeit für denAufbau dieser Vertrauensbasis, unddieses Entree gestaltet sich nichtimmer so problemlos wie gerade ge-schildert. Nicht in jedem Fall findetsich so schnell ein Sujet, das sich auf-greifen lässt – also fix umsehen und in„Bond-Manier“ erfassen, was beson-dere Relevanz für den Interviewpartnerhat. Und nicht jeder lässt sich auf einenkurzen Smalltalk ein.

Eines muss ich an dieser Stelle festhal-ten: der Topmanager mit dem übervol-len Terminkalender, der keine Zeit fürein ausführliches Gespräch findet, istwohl eine Mär. Ich habe im Zuge dieserStudie nur Menschen getroffen, ob aus

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oderMedienwelt, die unserem Interview ihreganze Aufmerksamkeit gewidmethaben, und die sogar Zeit für ein paarnette und persönliche Worte hatten. Es war in jeder Hinsicht eine hoch in-teressante Studie – Danke an alle Ge-sprächspartner!

So bringen wir Entscheider zum Reden

Vertrauen ist die Grundlage für jedes gute Gespräch

Ariane Hoffmann (* 1970) ist Senior Research Consultant bei SINUS. Die Diplom- Betriebswirtin studierte Markt-und Meinungsforschung an der Hoch-schule für Gestaltung, Technik und Wirt-schaft Pforzheim. Davor absolvierte sieeine Ausbildung zur Bankkauffrau. Von2008 bis 2010 hat sie zudem noch wäh-rend ihrer Berufstätigkeit am Institut fürSozialwissenschaften der UniversitätStuttgart System- und Handlungs-theorien sowie Organisations- und Arbeitstheorie vertieft.Ariane Hoffmann war sechs Jahre Leite-rin Marktforschung und Kundenanalysebei debitel Telekommunikation bevor sieauf Institutsseite wechselte. Seit 2004 arbeitet Ariane Hoffmann für Sinus,davon drei Jahre in Paris. Sie ist schwer-punktmäßig für Unternehmen der Branchenbereiche Telekommunikation,Energieversorgung, Automotive, Finanz-dienstleistungen, Healthcare und Ver-lagswesen forschend und beratend tätig,begleitet aber auch Forschungsaufträgeaus dem sozialwissenschaftlichen undkirchlichen Bereich.

DIVSI-Direktor Matthias Kammer (hinten)mit den Beirats-Mitgliedern Dr. BernhardRohleder, Prof. Dr. Miriam Meckel, Prof. Dr.Claudia Eckert und Harald Lemke (v.l.)

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Claudia Eckert (* 1959) ist Leiterin desLehrstuhls „Sicherheit in der Informatik“an der TU München sowie Leiterin desFraunhofer AISEC (Angewandte und Inte-grierte Sicherheit) in München. Ihr Diplomin Informatik erwarb sie an der Uni Bonn,1993 promovierte und 1999 habilitierte siean der TU München zur Thematik „Sicher-heit in verteilten Systemen“. Ihre For-schungs- und Lehrtätigkeiten finden sichin den Arbeitsgebieten Betriebssysteme,Middleware, Kommunikationsnetze sowieInformationssicherheit. Eckert ist Vize-Präsidentin der Gesellschaft für Informatik(GI) und Mitglied in wissenschaftlichenBeiräten, u.a. im Verwaltungsrat des Deut-schen Forschungsnetzes (DFN), OFFIS,Bitkom sowie der wissenschaftlichenKommission der Einstein-Stiftung Berlin.Außerdem berät sie Ministerien und die öffentliche Hand auf nationaler und inter-nationaler Ebene bei der Entwicklung vonForschungsstrategien und der Umsetzungvon Sicherheitskonzepten.

Miriam Meckel (*1967) ist Professorin fürCorporate Communication und geschäfts-führende Direktorin am Institut für Me-dien- und Kommunikationsmanagementder Universität St. Gallen und Beraterin fürKommunikationsmanagement und PublicAffairs. Sie studierte Publizistik- und Kom-munikationswissenschaft, Sinologie, Poli-tikwissenschaft und Jura an den Universi-täten Münster und Taipei, Taiwan. Nach dem Studium war sie 10 Jahre alsJournalistin für öffentlich-rechtliche undkommerzielle Sender tätig. 1999 wurde sieals Professorin für Publizistik- und Kom-munikationswissenschaft an die Univer-sität Münster berufen und übernahm alsGeschäftsführende Direktorin die Leitungdes Instituts für Kommunikationswissen-schaft. 2001 wurde Miriam Meckel Staats-sekretärin im Geschäftsbereich desMinisterpräsidenten des Landes Nord-rhein-Westfalen zunächst als Regierungs-sprecherin, später als Staatssekretärin fürEuropa, Internationales und Medien. AlsMitglied der internationalen Jury der Development Gateway Foundation bei derWeltbank hat sie den Development Gate-way Award ("Petersberg Prize in IT for Development") mitentwickelt, der jährlichverliehen wird.

Thomas Götzfried (* 1966) studierte Inge-nieur-Informatik an der Fachhochschuleund der Universität in Frankfurt. Direkt imAnschluss an sein Studium gründete er1987 die Firma Softwareservice Goetzfried,ein Dienstleistungsunternehmen für Unternehmensberatung und Entwicklungindividueller Software-Lösungen. ThomasGötzfried arbeitete bis 1999 als Projektlei-ter in Großprojekten seines Unternehmensmit. Aufgrund des starken Wachstumswurde das Unternehmen zum 1. Juli 2000in die Goetzfried Aktiengesellschaft um-firmiert und Thomas Götzfried in den Vor-stand berufen. In dieser Funktion begleiteteer den Aufstieg seines Unternehmens zueinem der führenden Service-Dienstleisterfür IT-Personal und Ingenieure in Deutsch-land. 2006 hat die Münchner Allgeier Holding AG 100 Prozent der Aktien der Goetzfried AG erworben. Thomas Götzfriedwar unter Führung von Allgeier bis zum 31. Dezember 2010 Vorstandsvorsitzender.Zum 1. Januar 2011 wurde er in den Auf-sichtsrat der Goetzfried AG bestellt undübernimmt dort den Vorsitz. Weiterhin ister seit 1. Januar 2011 Vorstand der All-geier Management AG und Mitglied desExecutive Committee der Allgeier Gruppe.

Claudia Eckert

Vertrauen und Sicherheitsteigern

Die Verschmelzung der physikalischenWelt mit der IT-gestützten, virtuellenwird sich in der Zukunft weiter verstär-ken. Es entsteht der so genannteCyber Space, mit einer Vielzahl vonneuen Möglichkeiten, um zentrale ge-sellschaftliche Herausforderungen,wie die alternde Gesellschaft, die zu-nehmende Ressourcenknappheit oderauch die Unterstützung selbstbe-stimmter Mobilität zu meistern. Insbe-sondere für eine hoch-technologisierteWirtschaftsnation wie Deutschland istIKT eine Schlüsseltechnologie für Innovationen und der Festigung desWirtschaftsstandorts.

Mit der Stiftungsprofessur Cyber Trusthat DIVSI einen wichtigen Schritt getan,dieses Zukunftsthema in einer ex-zellenten Umgebung, nämlich in derFakultät für Informatik an der Tech-nischen Universität München, bear-beiten zu können. Es soll dabei aucheine Brücke zwischen den ingenieur-wissenschaftlichen, den betriebswirt-schaftlichen (Risikomanagement) undden gesellschaftlichen Ansätzen zumUmgang mit Risiken und zum Aufbauvon Vertrauen geschlagen werden.Cyber Trust insgesamt umfasst tech-nologische, organisatorische, aber auch

Miriam Meckel

Gutes für die Demokratie

Die Protestwelle um die US-Regulie-rungen SOPA und PIPA zum Schutzgeistigen Eigentums hat gezeigt, wiestark die Netzcommunity gewordenist und wie einflussreich sie agierenkann. So sieht sie aus, die Weiterent-wicklung der Demokratie in Zeitenvon Social Media und Crowdsourcing.Niemand wird dieses Rad zurückdre-hen, und das ist gut so. Wenn Men-schen ohne technische und rechtlicheZugangshürden ihre Meinung zu poli-tischen Fragen kundtun können, istimmer etwas Gutes für die Demokra-tie erreicht. Mit Einschränkungen die-ser Möglichkeit und der mit ihrverbundenen fundamentalen Rechtemüssen wir vorsichtig umgehen.Wenn eine Maßnahme nicht notwen-dig und angemessen ist, darf es keineRegulierung geben. Zensurla lässtgrüßen.

Das bedeutet aber nicht, dass es garkeine Diskussion über Regulierungmehr geben darf. Wer glaubt, dassFreiheit im Internet sich allein aus denMarktkräften ergibt, glaubt an die Frei-heit von Google, Facebook und Ama-zon. Er glaubt nicht an die Freiheit desEinzelnen und sein Recht auf Mei-nungsäußerung, Persönlichkeits-schutz, Privatsphäre und Eigentum.Wir müssen uns fragen, wie die digitaleInfrastruktur unseres Leben aussehensoll, damit alle Freiheiten gesichert

Thomas Götzfried

Unverzichtbarer Bestandteil

Als Diplom-Informatiker des Ab-schlussjahrgangs 1984 spielte das In-ternet in den ersten zehn Jahrenmeines Berufslebens keine Rolle, weiles noch nicht außerhalb der Wissen-schaftswelt existierte. Zurückblickendkomme ich aus der Steinzeit der ITKund bin mitten in den Strudel einerZeitmaschine geraten. In unvorstellbarkurzer Zeit hat das Web zunächstmeine Fachwelt und dann auch sämt-liche privaten Bereiche erobert undmein Leben in vielfältiger Weise beein-flusst und verändert. Für meine Kinderdagegen war das Internet schon immerda, als ein nicht wegzudenkendes In-strument des täglichen Gebrauchs.

Unabhängig davon, ob hineingewach-sen oder hineingeboren – das Internetist für uns alle unverzichtbarer Be-standteil des Lebens geworden – imprivaten Alltag, wie im Betrieb meinesmittelständischen Unternehmens.

Funktioniert unsere Gesellschaft über-haupt noch Offline? Kann oder sollteman sich dem Internet entziehen?Meine Antwort auf diese Fragen lautet:„Nein“. Umso mehr erstaunt war ich,aus der DIVSI Studie zu erfahren, dass27 Millionen Menschen in unseremLand, die Möglichkeiten des Internetsnicht nutzen und somit ein großer Gra-ben unsere Gesellschaft spaltet. Dasvon der Deutschen Post ins Leben ge-rufene DIVSI Institut, als Forum für deninterdisziplinären Dialog, übernimmt indiesem Kontext eine wichtige gesell-schaftspolitische Aufgabe.

Die Ansätze des DIVSI sind vielfältig,aber klar im Grundsatz: Vertrauen und

kulturelle Maßnahmen zur Steigerungvon Vertrauen in IKT-basierte Systemeund Abläufe. Diese Aufgabenstellungist von immenser Bedeutung für dieGesellschaft, aber auch für den Wirt-schaftsstandort Deutschland. Das mitder Nutzung der IKT Systemen einher-gehende Risiko muss methodisch er-fasst und quantifiziert werden und esmüssen Prozesse und Verfahren ent-wickelt werden, um Risiken zu mini-mieren und um mit den verbleibendenRisiken verantwortungsvoll umzuge-hen. Es geht letztlich darum, Wege zufinden, wie Vertrauen und Sicherheit indiese neue Welt gesteigert werdenkönnen. Das hat sich auch DIVSI zumZiel gesetzt und deshalb unterstützeich die Arbeit des Instituts.

Sicherheit sind von wesentlicher Be-deutung, damit alle Menschen Mitglie-der der digitalen Gesellschaft werdenund von den Vorteilen des Internetsprofitieren. Vertrauen und Sicherheitsind unmittelbar mit Freiheit verbun-den. So stellt sich das DIVSI auch derFrage, wo die Grenzen der Freiheit imInternet sind und wie das Gleichge-wicht zwischen Sicherheit und Freiheitgewährleistet werden kann. Dabei giltes ferner, die unterschiedlichen Weltender Digital Outsiders und die der DigitalImmigrants und Digital Natives einan-der anzunähern.

Die gestellten Herausforderungen sinddabei weniger technischer Art. Zu lösensind politische, soziale, wirtschaftlicheoder psychologische Aufgaben. Ichwünsche mir, dass alle Bürger dieChancen des Internet für ihr Lebenohne Angst nutzen. Sie sollten die Risi-ken beherrschen, wo diese beherrsch-bar sind und geschützt werden, wo diesnicht der Fall ist. Dafür leiste ich als Bei-ratsmitglied sehr gern meinen Beitrag.

werden, von denen der Einzelneebenso profitiert wie die Gesellschaftim Ganzen. Sich den Detailfragen derSicherung von Freiheit im und für dasNetz zu widmen, ist schon Zumutunggenug. Es lohnt nicht, sich im AngriffAndersdenkender zu erschöpfen.

DIVSI will auf wissenschaftlicher Basismithelfen, mehr Transparenz in all dieDiskussionen und Probleme rund umdas Netz zu bringen. Eine Arbeit, dienur zu begrüßen ist. Deshalb habe ichmich bereit erklärt, im Beirat mitzuwir-ken.

Die Mitglieder des Beirats, ganz persönlich:

Darum engagierenwir uns im DIVSI

Die großen, epochalen Revolutionenvollzogen sich bislang in Jahrzehnten,auch in Jahrhunderten. Die digitale Re-volution vollzieht sich in wenigen Jah-ren. Sie stellt vieles auf den Kopf undbraucht vor allem zweierlei: Begleitungund Vermittlung. Begleitung im Sinneder bewussten und gezielten Gestal-tung der aktuellen Veränderungen.Und Vermittlung im Sinne einer allge-mein verständlichen Erklärung dessen,was derzeit im Zuge der Digitalisierunggeschieht.

Hier kann DIVSI Lücken schließen,Wissen schaffen und durchaus auchOrientierung geben. Und dafür enga-giere ich mich.

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kunde überreicht. Der Umfang dieserFörderung beläuft sich auf 3,5 Millio-nen Euro.

Das BKA zu CybercrimeMit steigenden Zahlenist zu rechnen

Wiesbaden – Das BKA hat das „Bun-deslagebild 2011“ in Sachen Cyber-crime vorgestellt. „Die Intensität derkriminellen Aktivitäten im BereichCyber Crime und damit das für jedenInternetnutzer bestehende Gefähr-dungspotenzial hat weiter zugenom-men", sagte BKA-Präsident JörgZiercke .

Weiterhin werden neben den Zugangs-daten im Bereich des Onlinebankingsalle Arten der digitalen Identität illegaleingesetzt. Die aus Sicht des BKA zu-nehmende Fokussierung auf das Ziel-feld „Mobile Endgeräte“ zeigt, dass dieTäter die sich ergebenden Tatgelegen-heiten, sei es in der Verwendung alsTeil eines Botnetzes oder auch beimDiebstahl aller Arten von Daten, er-kannt haben. Sicherheitsmaßnahmenwerden sehr schnell durch Schadsoft-ware überwunden.

Grundsätzlich registriert das BKA ver-mehrt auch Kriminelle ohne spezifi-sche Fachkenntnisse. Die agieren beiihren Straftaten arbeitsteilig zusam-men. Täter begehen heute teilweisenicht mehr nur selbst die Straftaten imeigentlichen Sinne. Sie bieten auch diezur Begehung von Straftaten erforder-lichen Schadprogramme oder kom-plette kriminelle Infrastrukturen in deneinschlägigen Foren der UndergroundEconomy global zum Kauf oder zurMiete an.

Die von den verschiedenen Facettendes Phänomens Cybercrime ausge-henden Gefahren sind in ihrem Aus-maß und in ihren Ausprägungen

Bewerbungsfrist abgelaufenSichtung für DIVSI-Stiftungslehrstuhl

München – Die Bewerbungsfrist fürden Lehrstuhl Cyber-Trust an der TUMünchen, eine DIVSI-Stiftung, ist ab-gelaufen. Den Vorsitz der Berufungs-kommission hat Prof. Hans Schlichter.Mitglied der Kommission ist auch Prof.Dr. Claudia Eckert. Die DIVSI-Stiftungergänzt ihre bestehende Professur fürSicherheit in der Informatik. DIVSI-Direktor Matthias Kammer wird in diesem Gremium als Gast ohne Stimm-recht mitwirken.

Auch das erste Treffen der Kommissionzur Sichtung der Bewerbungen ist bereits erfolgt. Der endgültige Be-rufungsbericht soll bis Ende Januar2013 der Hochschulleitung übergebenwerden. Damit könnte das OrdinariatCyber-Trust im Februar seine Arbeitaufnehmen. Die Professur ist für sechsJahre ausgeschrieben.

Gemäß der Ausschreibung soll die Stif-tungsprofessur Brücken zwischen deningenieurwissenschaftlichen Ansätzen,den betriebswirtschaftlichen Ansätzen(Risikomanagement) und den gesell-schaftlichen Ansätzen zum Umgangmit IT-Risiken schlagen. Es gehtdarum, neue Methoden und Technolo-gien zu erforschen, mit deren Hilfe dieRisiken im Umgang mit moderner In-formationstechnologie zu fassen sind.Die TU München und DIVSI stimmenüberein, dass die Lösung dieser Auf-gabe nur interdisziplinär erfolgen kann.

Jürgen Gerdes, Vorstand Brief derDeutschen Post, hatte im Beisein vonBundesinnenminister Dr. Hans-PeterFriedrich, Staatssekretär Franz JosefPschierer, dem Beauftragten der baye-rischen Staatsregierung für IT, sowieProf. Dr. Helmut Krcmar, Dekan derFakultät Informatik, die Stiftungsur-

aller-dings nur schwer zu bewerten.Nach Einschätzung des BKA wird derBe-reich Cybercrime in den kommen-den Jahren ein weiter wachsendesProb-lem darstellen.

Initiative ProDialogJugend 2012 –Gestalte Deine Zukunft!

Berlin – Bereits zum 4. Mal veranstal-tete die überparteiliche Initiative Pro-Dialog das Internationale Demo-kratie-Symposium. In diesem Jahrrichtete das Forum für den interdiszip-linären Austausch über grundlegendeHerausforderungen für unsere Demo-kratie den Fokus auf junge Menschen.Unter dem Motto „Jugend 2012 – Gestalte Deine Zukunft!“ wurden Chan-cen und Herausforderungen neuer Beteiligungsmöglichkeiten diskutiertund konkrete Handlungsoptionen anhand von Best Practice Beispielenaus den verschiedenen Bereichen politischen und zivilgesellschaftlichenEngagements erarbeitet.

Insgesamt 120 Jugendliche ab Klas-senstufe 9 arbeiteten mit profiliertenExperten und Pädagogen aus der poli-tischen Bildung, durchlebten Beteili-gungsformen in Workshops unddiskutierten zum Abschluss mit Ent-scheidungsträgern aus der Politik .

Ziel des Symposiums war es, Jugend-lichen Partizipationsstrukturen und -verfahren kreativ aufzuzeigen. „Diefrühzeitige Heranführung von Jugend-lichen an Partizipation ist ein wichtigerGrundstein für eine lebendige demo-kratische Gesellschaft. Mit diesem Sym-posium will die Initiative ProDialog Jugendlichen die Möglichkeit geben,„die Zukunft demokratisch mit zu ge-stalten“ so die Vorsitzende KerstinPlehwe.

NEWS

Bernhard Rohleder (* 1965) ist Hauptge-schäftsführer des BITKOM e.V. seit dessenGründung im Jahr 1999. Er studierte Poli-tikwissenschaft an der Universität desSaarlandes und später am Pariser Institutd'Etudes Politiques. Rohleder promoviertean der FU Berlin zum Dr. rer. pol.. Seineberufliche Laufbahn begann er mit Statio-nen bei der ZF Friedrichshafen GmbH inSaarbrücken, dem Presseverlag Ploetz inBerlin und dem brandenburgischen Wirt-schaftsministerium in Potsdam. 1994 kamer als Pressesprecher und Assistent derGeschäftsführung zum Fachverband Infor-mationstechnik im VDMA und ZVEI, Frank-furt/Main. Drei Jahre später übernahmRohleder dort die Position des Stellvertre-tenden Geschäftsführers und kurz daraufjene des Geschäftsführers. 1997 wurde erparallel zum Generalsekretär des europäi-schen Spitzenverbands der IT-Branche,Eurobit, mit Sitz in Brüssel und Frankfurtberufen. Er fusionierte Eurobit im Jahr2000 mit dem europäischen Verband derkommunikationstechnischen Industrie zurneuen Spitzenorganisation Digital Europeund vertrat die deutsche Hightech-Bran-che anschließend im dortigen Vorstand.Rohleder ist Mitglied in der Enqu�te-Kom-mission des Deutschen Bundestages „In-ternet und digitale Gesellschaft“.

Bernhard Rohleder

Lücken schließen, Wissenschaffen

Fühlen wir uns immer wohl, wenn wirim Internet unterwegs sind? Wundernwir uns zuweilen, weshalb persönlicheDaten in Online-Formularen auftau-chen, bevor wir auch nur das erste Feldausgefüllt haben? Weshalb erscheintbei Spiegel Online Werbung zu genaujenen Produkten, die wir zuletzt in On-line-Shops gesucht haben?

Wenn wir über Sicherheit und Ver-trauen in der digitalen Welt sprechen,geht es nicht nur um Facebook undGoogle. Es geht um ein diffuses Un-wohlsein, um Unverständnis und vieleFragezeichen. Wer weiß was übermich? Wie erhalte und erlange ich Sou-veränität über mein digitales Handeln?Habe ich überhaupt noch die Hoheitüber mein digitales Ich?

Die digitale Welt stellt alles auf denKopf, was uns in den letzten Jahrhun-derten geprägt. Selbst grundlegendeDaseinsmerkmale sind in Frage ge-stellt. "Ich denke, also bin ich?" - Im di-gitalen Raum mit seinen virtuellenIdentitäten, all den Fakes und Kunstfi-guren eine Feststellung, die aus derZeit gerutscht zu sein scheint.

DIVSI hat hier noch keine Antworten,aber DIVSI macht sich auf die Suche.Was eine saubere Analytik insbeson-dere seiner gesellschaftlichen Aspekteangeht, so ist das Internet TerreBlanche. Ja, es gibt Umfragen und tau-sendfach essayistische Versuche. Aberechte Empirie und aussagekräftigeAnalyse - Fehlanzeige.

Harald Lemke (* 1956) ist seit Juli 2010Sonderbeauftragter für E-Government undE-Justice bei der Deutschen Post. Von2003 bis 2008 arbeitete er im Range einesStaatssekretärs als CIO für Hessen. Es wardas erste Mal überhaupt, dass in einemBundesland eine solche Position einge-richtet wurde. Zwischenzeitlich war LemkeBerater für McKinsey&Company. 2002/2003 arbeitete er als IT-Direktor des BKAin Wiesbaden und war dort u.a. zuständigfür die Einführung von INPOL-neu. Er ge-hört der Enquete-Kommission Internetund digitale Gesellschaft des Bundestagesan und leitet dort die Projektgruppe „Zu-gang, Struktur und Sicherheit im Internet“.

Harald Lemke

Gesucht: Position der BalanceAls Informatiker bin ich der IT zu Hauseund habe sie schon längst in meinLeben integriert. Um so mehr bin ichdavon überwältigt, welche fundamen-talen Auswirkungen diese Technologieauf Gesellschaft und Wirtschaft hat.Insbesondere interessiert mich dieFrage, wie viel Sicherheit wir im Inter-net brauchen, um die Freiheit im Netzzu schützen und wo der Punkt beginnt,an dem Sicherheit in einengenden Pa-ternalismus und Bevormundung um-schlägt. Ich selbst suche noch diesePosition der Balance zwischen Freiheiteinerseits und Sicherheit andererseits.Die Arbeit im DIVSI hilft mir, die Netz-gesellschaft und ihre oft widersprüch-lichen Bedürfnisse in dieserentscheidenden Frage besser zu ver-stehen

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Dieses Szenario bietet Potenzial sowohl für die Wirtschaft, als auch für den Ein-zelnen – die Dynamik in den Weltmärkten, die Globalisierung und die zunehmendeVeränderungsgeschwindigkeit sind nur ein Indikator für künftige Entwicklungen.Gleichzeitig birgt es hohe Risiken – die Herausforderungen im Bereich Sicher-heitsanforderungen sind signifikant gestiegen.

Auch hier sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Unternehmens-Infrastruktu-ren werden heute im Schnitt 60.000 Mal pro Tag auf verschiedenstem Weg ange-griffen. Und die Konsequenzen gehen weit über die Unternehmensgrenzenhinaus.

Hinzu kommt, dass sich die Geschwindigkeit und Geschicklichkeit neuer Angriffesignifikant erhöht hat und einhergeht mit neuen Arten von Angreifern aus denBereichen Cybercrime und Wirtschaftsspionage.

Unser aktueller „IBM X-Force 2012 Mid-Year Trend and Risk Report“ vom Sep-tember 2012 zur Lage der IT-Sicherheit zeigt vor allem drei Gefahren:

• Browser-bezogene Exploits, mangelnder Passwortschutz in Social Media undUnsicherheiten bezüglich mobilen Geräten und „Bring-your-own-Device“-Programmen.

• Das Bedrohungsumfeld diversifiziert sich. Eine verstärkte Vernetzung, das„Internet der Dinge“, smarte und mobile Devices und der starke Trend zurFlexibilisierung sind heute zentrale Herausforderungen bei der Sicherung ver-traulicher Daten, auch deshalb, weil in einer vernetzten Welt jeder Sicher-heitsvorfall einen direkten wirtschaftlichen Schaden nach sich zieht – durchBeschädigung des Markenimages, sinkende Aktienwerte oder die Entblößungvertraulicher Informationen.

• Analog zu den Chancen und Potenzialen sind somit auch die Anforderungenan Sicherheit gestiegen. Sie zu definieren und nachhaltige Lösungen zu ent-wickeln, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Verantwortung hierfürmüssen Politik und Wirtschaft aber auch jeder einzelne über sein Handeln insozialen Netzwerken übernehmen.

Für die Zukunft wird es also immer wichtiger, integriert zu denken und die He-rausforderungen an IT Sicherheit ganzheitlich zu adressieren:

1. im Hinblick auf die innere Sicherheit – beim Datenschutz und den Zugriffs-rechten

2. im Hinblick auf die äußere Sicherheit: bei der Abwehr vom Spam Attackenund Hackerangriffen

3. im Bereich Security Operations: in der Prävention und zur Wahrnehmungunternehmensspezifischer Governance- und Compliance Richtlinien

4. in sozialen Netzwerken

Das Ziel ist dabei klar: Sicherheitsrisiken immer einen Schritt voraus zu sein undLücken erst gar nicht entstehen zu lassen.

Wenn wir das Potenzial der Digitalisierung für Wachstum und Wohlstand nutzenwollen, müssen wir Rahmenbedingungen und Regelwerke schaffen, die höchsteSicherheitsstandards gewährleisten. Dazu gehört ein einheitliches Datenschutz-Niveau in Europa, aber auch ein gesteigertes Bewusstsein von Unternehmen, ihre

Von Martina Koederitz

Digitalisierung, Social Media und Cloud Computing ermög-lichen heute völlig neue Geschäftsmodelle und sind wich-tige, neue Erfolgsfaktoren. Die Kommunikation überUnternehmens- und Ländergrenzen hinweg hat neue Di-mensionen erreicht. Viele Geschäftsmodelle werden durchdigitale Geschäftsprozesse erst ermöglicht – das schließt dieErschließung komplett neuer Wertschöpfungsketten ein. Diedadurch neu entstehenden Formen der Kooperation sindheute erst in Ansätzen erkennbar.

Durch die Vernetzung der Wirtschaft ist ein globales Ge-schäftsumfeld entstanden, das kontinuierliche Veränderun-gen in den Unternehmen erfordert. Integrierte globaleVolkswirtschaften haben Märkte mit neuen Möglichkeitenund Kompetenzquellen eröffnet. IT als „Enabler“ fördert In-novationen und schafft damit Arbeitsplätze. Die Potenzialefür Wachstum und Wohlstand sind enorm.

Gleichzeitig nimmt die Nutzung sozialer Netzwerke im öf-fentlichen, im privaten und im geschäftlichen Umfeld rasantzu. Milliarden von Einzelpersonen weltweit erzeugen eineimmer stärker wachsende Informationsflut. Sie machen ihrWissen, ihre Meinungen und ihre Beobachtungen in sozialenNetzwerken transparent und nutzen diese Daten im ge-

schäftlichen und privaten Umfeld. Mitarbeiter beeinflussendas Image ihres Unternehmens, denn ihr Engagement inWeb Communities wird nicht nur von (potenziellen) Kundenund Aktionären, sondern von ganz unterschiedlichen gesell-schaftlichen Gruppen wahrgenommen.

Über mobile Endgeräte, die sich im privaten Bereich, in Un-ternehmen und in Geschäftsprozessen immer mehr durch-setzen, findet Kommunikation in sozialen Netzwerken statt,unabhängig von Zeit und Ort. Die Zahlen sprechen für sich:

Allein in Deutschland nutzten 2011 bereits 70 Prozent derUnternehmen soziale Netzwerke mit steigender Tendenz,und ein Blick in die Zukunft der Arbeit zeigt:

• In den nächsten sechs Jahren werden die Menschen 80Prozent ihrer Arbeitszeit über sogenannte Collaboration-Tools zusammenarbeiten. Ein Grossteil der Arbeit wirdüber umfassend verbundene und transparente Prozesseabgewickelt werden. Dies erlaubt ganz neue Formen derIntegration externer Expertise. Flexibilität und Integra-tionsfähigkeit werden so zu einem Schlüsselkriteriumfür Leistung.

• Die erhöhte Flexibilität wird die Grenzen zwischen Ar-beit und Freizeit, zwischen privaten und dienstlichenGeräten und Daten zunehmend auflösen.

Chancen und Risiken der Digitalisierung

Zwingend notwendig: Ein einheitliches Datenschutz-Niveau in Europa

In sozialen Netzwerken ist wiederumjeder Einzelne gefordert, diszipliniertRegeln einzuhalten, sorgfältig abzuwä-gen, welche Inhalte er kommuniziert,und darüber nachzudenken, welcheKonsequenzen die von ihm generiertenInhalte haben könnten - für ihn selbst,sein Unternehmen und sein gesell-schaftliches und soziales Umfeld.Diese Erkenntnis gilt gleichermaßenauch für die reale Welt: Wer sich un-überlegt äußert, wer ungeschickt for-muliert, wer sich seiner Rolle undseiner Verantwortung für sein Unter-nehmen, seine Kollegen und das Ge-schäft nicht bewusst ist, kann – egal obin der realen oder der digitalen Welt –großen Imageschaden verursachen.

Dies setzt Wissen und Kompetenzenüber die Chancen und Risiken in einervernetzten Welt voraus - Leitlinien undAufklärung über die Rechte und Pflich-ten sowie sorgfältige Sicherheitsvor-kehrungen.

Martina Koederitz (*1964) ist seit Mai 2011Vorsitzende der Geschäftsführung der IBMDeutschland.

Verarbeitung, Speicherung und Kom-munikation von Informationen so zugestalten, dass die Vertraulichkeit, Ver-fügbarkeit und Integrität der Informa-tionen und Systeme in ausreichendemMaß sichergestellt ist. Politik und Wirt-schaft müssen im Dialog zu tragfähi-gen Lösungen kommen. Und auchSchulen und Bildungseinrichtungensind gefordert, unsere Kinder undjunge Menschen zum Thema Daten-schutz zu sensibilisieren.

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mit den Kandidaten oder Zugang zu ex-klusiven Fundraising-Events.

Am Ende steht also die Erkenntnis,dass der Online-Wahlkampf 2012durch die technische Weiterentwick-lung weiter an Bedeutung gewonnenhat, seine größten Vorteile allerdingsnicht in der Ansprache neuer Wählerausspielt, sondern in der Kontaktpflegeund in der Netzwerkarbeit der eigenenUnterstützer, die so für Offline-Aktivi-täten gewonnen und motiviert werden.So gibt letztendlich immer noch derpersönliche Kontakt mit dem Wahl-kampfhelfer an der Haustür oder dieEmpfehlung von Freunden und Be-kannten den Ausschlag für die Wahl-entscheidung, und nicht die E-Mail imPostfach. Unabhängig davon, wer dasRennen um das Weiße Haus gewinnt,zählt das Internet mit seinen techni-schen Weiterentwicklungen und deneinzigartigen Möglichkeiten, mit deneigenen Unterstützern in den Dialog zutreten, jedoch schon jetzt zu den Ge-winnern der Wahl.

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Was wir alle von der US-Wahl lernen können

Von Kerstin Plehwe

In Hinblick auf die Erschließung neuerTechniken und Methoden sind dieWahlkämpfe in den USA seit jeher Vor-bild für Kommunikationsexpertenweltweit. Im aktuellen Präsident-schaftswahlkampf richteten sich daherwieder alle Augen auf die Kampagnenvon Präsident Barack Obama und He-rausforderer Mitt Romney. Dabei lässtsich ablesen, dass das Internet weiteran Bedeutung gewonnen hat, seine Potenziale aber insbesondere in derVernetzung von Online- und Offline-Elementen entfaltet.

Schon der letzte US-Präsidentschafts-wahlkampf 2008 setzte neue Maßstäbefür nachhaltige und innovative Wahl-kampfarbeit. Barack Obama mobili-sierte über zehn Millionen Freiwillige,revolutionierte das Fundraising miteiner konsequenten Kleinspender-Strategie, registrierte 80 bis 100 Millio-nen YouTube-Aufrufe täglich und bautesich mit der Online-Plattform MyBa-rackObama.com mit über XX MillionenMitgliedern eine eigene Internetge-meinde auf. Durch den Einsatz des In-ternets konnte dabei unter dem Motto„Je persönlicher, desto besser“ ein le-bensnaher und dialogorientierterWahlkampf umgesetzt werden.

Neue Instrumente – gestei-gerte Dialogorientierung?

Seit dem letzten Wahlkampf sind vierJahre vergangen, in denen sich online-basierte Anwendungen teils rasantweiterentwickelt haben. Mit den ver-schiedenen Innovationen in der Online-

Barack Obama siegt im Online-Wahlkampf

2012 hat neue Standards gesetzt

Kerstin Plehwe (* 1967) ist Vorsitzendeder überparteilichen Initiative ProDialogsowie Gründerin des Internationalen Instituts für Politik und Gesellschaft. Dieehemalige Präsidentin des DeutschenDialogmarketing Verbands e.V. gilt alsengagierte Protagonistin einer glaub-würdigen, dialogischen und kunden-orientierten Kommunikation.Als Kommunikations- und Leadership-expertin hat sie zahlreiche Bücher geschrieben, hält Vorträge und ist eingern gesehener Gast in Rundfunk undFernsehen. Kerstin Plehwe lebt in Hamburg und Berlin und ist Mitbegrün-derin der ASTRAIA Female LeadershipFoundation.

Welt haben sich auch die Instrumenteverändert, die von den Wahlkämpfernbeider Parteien genutzt werden kön-nen. Während SMS im letzten Wahl-kampf noch eine viel genutzteInnovation waren, wurden sie in diesemWahlkampf fast vollwertig durch Face-book und den Microblogging-DienstTwitter ersetzt. So betont Barack Oba-mas Wahlkampfmanager, Jim Mes-sina, in einem Interview mit der NYTimes die rasante Weiterentwicklungsowie die gesteigerte Bedeutung bei-der Online-Tools im Vergleich zum Prä-sidentschaftswahlkampf 2008: „Twitterhat es damals bis zur Mitte des Wahl-kampfes gar nicht gegeben. Heute istes eines der wichtigsten Instrumente.Facebook hatte ein Zehntel der Größevon heute und wurde vor allem von jun-gen Leuten genutzt, die sich vernetzenwollten. Heute ist dort die Generation50 plus die am schnellsten wachsendeGruppe.“

Mit diesen neuen Tools standen beidenKandidaten im aktuellen Wahlkampfalso beachtliche Mobilisierungsma-schinen zur Verfügung. So kommtRomney aktuell auf 1,2 Millionen Twit-ter-Follower und auf 8,1 Millionen Fa-cebook-Fans. Dabei wird er allerdingsvon Amtsinhaber Obama in den Schat-ten gestellt, der mit seinen Nachrich-ten über 20 Millionen Twitter-Followerund 29 Millionen Facebook-Fans errei-chen kann. In Hinblick auf die Nutzungsind die einzelnen Online-Anwendun-gen jedoch differenziert zu betrachten.Zwar ist Twitter im Austausch zwischenPolitikern und Medienschaffenden einwichtiges Instrument, für die Anspra-che der Durchschnittswähler ist es al-lerdings von geringerer Bedeutung.Auch die Sozialen Netzwerke setzendie Kampagnenstrategen nicht primärein, um an neue Wähler heranzutreten,

denn vielmehr um aktive Unterstützerzu vernetzen, zu motivieren und überdie viralen Funktionen der SocialMedia in die Netzwerke der eigenenAnhänger hinein zu wirken.

Zugriff bis in die Taschender Unterstützer

Die gesteigerte Bedeutung des In-ternets im Wahlkampf wird auchdurch eine Studie des renommier-ten amerikanischen Meinungsfor-schungsinstitutes Pew Research deut-lich. Diese besagt, dass der aktuelleWahlkampf auf „four screens“ ent-schieden wird: Fernsehen, PCs aberauch – und das ist neu – den Tabletsund Smartphones. Der Absatz von Tab-lets nimmt insbesondere in den USArasant zu; zudem greifen 90 Prozentaller Tablet-Nutzer auf die Online-Aus-gaben von Nachrichtenmagazinen zuoder informieren sich auf dem mobilenGerät über die neuesten politischenund gesellschaftlichen Entwicklungen.Mobile Geräte stellen aber auch einenzusätzlichen Kanal für den Zugang zuVideoplattformen wie Youtube dar, unddamit steigt auch die Zahl derjenigenWähler, die die Wahlkampf-Spots derbeiden Kandidaten nicht klassischer-weise aus dem Fernsehen sondern nuraus dem Internet kennen.

Neben den Anwendungen hat sich alsoauch die Hardware weiterentwickelt.Die wichtigsten Innovationen sind hierdie bereits genannten Tablets undSmartphones, die wiederum Innovatio-nen der Software-Anwendungen nachsich ziehen. Getreu dem Motto das

„stationäre“ Internet war gestern und das„mobile“ Internet ist heute, konnten sichWähler und Unterstützer im aktuellenWahlkampf per App auf dem Laufendemhalten. Neben Newsticker-Funktionenbieten diese Möglichkeiten, sich mit Un-terstützern aus der Umgebung zu vernet-zen oder online Spenden zu tätigen. Damitreicht der Zugriff der Wahlkämpfer wort-

wörtlich bis in die Hosen-

taschen der Unterstützer. Die Apps ersetzendabei auch technologische Innovationen aus dem letzten Wahlkampf. WährendBarack Obama seine Unterstützer 2008 noch vor der Presse exklusiv per Text-nachricht über die Wahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten informierte,nutzte Romney die App „Who will be Mitt’s VP?“ und informierte seine Unterstüt-zer mittels dieser frühzeitig über Entwicklungen bei der Auswahl seines Vizeprä-sidentschaftskandidaten.

Verbindung Online-Offline

So wichtig die verschiedenen Online-Kanäle auch für die Ansprache und Mobili-sierung der Wähler sind, erst durch ihren cross-medialen Einsatz werden sie zuden erfolgsbringenden Instrumenten im Wahlkampf. Denn gerade in der Mög-lichkeit, Unterstützer online anzusprechen und so zu Offline-Aktivitäten zu akti-vieren, liegt der besondere Wert der Online-Kommunikation. Präsident Obamakann dabei auf seine im letzten Wahlkampf aufgebaute Graswurzel-Bewegung„Obama for America“ zurückgreifen, mit deren Hilfe er einen Verteiler von überzehn Millionen E-Mail-Adressen, und damit potenziellen Unterstützern, aufbaute. Wie im letzten Wahlkampf wurden die eigenen Unterstützer per E-Mail, Intranet-Seiten oder neuerdings Apps zur Mitarbeit an der Kampagne mobilisiert. Die Mit-glieder des „Online-Netzwerkes“ werden dann zu Unterstützern in derOffline-Welt, in der sie sich in Wahlkampfbüros engagieren, von zu Hause aus Te-lefonaktionen oder Wählerregistrierungen durchführen, im Straßenwahlkampfaktiv werden oder im persönlichen Umfeld für ihren Kandidaten werben. Nebender Motivation und Belohnung der Unterstützer in der Online-Welt, etwa durchden Zugang zu exklusiven Informationen aus der Kampagne, wurden Online-Un-terstützer auch offline für ihr Engagement belohnt, etwa durch ein Abendessen

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Jugendliche vor Herausforderungenstellen kann. Anders als vor dem hei-mischen PC, wo zumindest zeitweiseerwachsene Ansprechpartner in derNähe sein können, sind sie mit demmobilen Gerät eher auf sich allein ge-stellt und müssen selbstständig abwä-gen, wie sie sich verhalten und was sievon sich preisgeben. Der sichere und verantwortungsbe-wusste Umgang mit dem Medium In-ternet muss im Vordergrund stehen,Nutzer jeden Alters müssen damit ver-traut gemacht werden. Medienkompe-tenz im Umgang mit sozialen Medien –so genannte Social Media Literacy -

umfasst die Fähigkeit, die Wirkungendes eigenen medialen Handelns ein-schätzen und das Verhalten Anderer imNetz bewerten zu können.

Digitale Chancengleichheit ist nur zuerreichen, wenn diese Fragen ange-sprochen und in gemeinsamer Verant-wortung von Anbietern und NutzernAntworten darauf gefunden werden.

Internet-Flatrate ausgestattet sind. Das Angebot ist auf großes Interesse gesto-ßen. Aktuell sind insgesamt siebzig Geräte im Einsatz, die Nachfrage ist weitersteigend. Auskunftsdienste, Verkehrsnachrichten, Tagesgeschehen, aber auchNavigation und Wikipedia gehören zu den am häufigsten genutzten Angeboten. Unterstützt werden die Senioren je nach Einrichtung entweder durch ein Kurs-angebot oder durch eine regelmäßige Sprechstunde, bei der Funktionen erklärt,Anwendungen eingerichtet und Probleme erörtert werden können. Ganz unter-schiedlich sind die Erfahrungen und Vorkenntnisse der älteren Menschen, die amProjekt teilnehmen. Nach den ersten fünf Monaten wird aber bereits deutlich,dass denjenigen, die der neuen Technik bisher eher zurückhaltend gegenüber-standen, mit Touchscreen und kabellosem Internetzugang die ersten Schritteleichter fallen.

So erklärt eine 86-Jährige Teilnehmerin: „Ich habe mich schon mit achtzig Jahrenfür Computer interessiert, aber man hat mir abgeraten, das wäre Zeitverschwen-dung. Schade, dass ich nicht früher damit angefangen habe, dann wäre ich heuteschon weiter.“

Für die Laufzeit des Projektes haben sich die Teilnehmen-den bereit erklärt, der Stiftung von ihren Erfahrungen zuberichten und an den regelmäßigen Befragungen mitzuwir-ken. Nach Abschluss des Projektes im Sommer 2013 wirddie Auswertung der begleitenden Evaluation Erkenntnissedazu liefern, ob und wie man „Digitale Außenseiter“ mitmobilen Endgeräten für die Nutzung des Internets interes-sieren und vielleicht sogar begeistern kann.

Gegründet im Jahr 2002 von der Universität Bremen unddem Unternehmen AOL Deutschland, hat die Stiftung Digi-tale Chancen seither mit einem breiten Spektrum von Maß-nahmen ihre Aufgabe der Förderung der Internetnutzungund Medienkompetenz umgesetzt.

Einen Schwerpunkt bilden dabei Trainingsmaßnahmen fürhaupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende in Einrichtungender sozialen Arbeit und non-formalen Bildung, die ihre Ziel-gruppen – Menschen mit Migrationshintergrund, Menschenmit Behinderung, Menschen in ländlichen Regionen, Senio-ren sowie bildungsferne und sozial benachteiligte Jugend-liche und Erwachsene – mit dem Internet vertraut machenkönnen. Im Rahmen der vom Bundeswirtschaftsministe-rium finanzierten Initiative „Internet erfahren“ hat die Stif-tung von 2009 bis 2011 mit dem Training „InklusiveInterne“t mehr als 1.200 Multiplikatoren erreicht.

Im Mittelpunkt der Qualifizierung stand die Nutzung vonWeb 2.0-Anwendungen. Thematisiert wurden die Chancenund Potenziale, die darin liegen, Medieninhalte nicht nur zu konsumieren, son-dern auch selbst zu produzieren, aber auch die damit verbundenen Risiken. Ge-rade niedrigschwellige Angebote wie Blogs oder Bewertungen und Ratings, vorallem aber die Nutzung sozialer Netzwerke sind dazu geeignet, bisherige Nicht-nutzer für das Medium zu gewinnen. Das Social Web erfordert aber auch eineneue Form der Medienkompetenz. Klick & Surf-Kurse, die vor zehn Jahren sehrwichtig waren, werden den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht.

Mit dem Web in der Hosentasche eröffnen sich weitere Möglichkeiten. Doch esergibt sich auch eine völlig neue Nutzungssituation, die besonders Kinder und

Von Jutta Croll

Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Schritte im Netz, die erste E-Mail und die ersteSuchabfrage? Was war vor Facebook, YouTube und Skype?

Ein Leben ohne Internet können sich heute viele nicht mehr vorstellen. Für die meistenJüngeren ist das Internet ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags. E-Mails schreiben,Einkaufen, Reisen buchen und Behördengänge: Das alles erledigen schon seit einigenJahren viele Menschen online.

Anfang der 2000er Jahre lag die Zahl der Internetnutzer in Deutschland bei etwa 30 Pro-zent der Bevölkerung. Eine vorrangige Aufgabe bestand darin, Zugang zum Internet bei-spielsweise in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken und Jugendhäusern zuschaffen und so den Erwerb von Kenntnissen und erste Erfahrungen im Umgang mit demMedium zu ermöglichen. Seither haben sich das Internet und in der Folge unsere Gesell-schaft rasant verändert – die Zahl der Nutzer liegt heute bei etwa 75 Prozent, Wikipediahat die Encyclopedia Britannica in Frage gestellt. Mobiltelefone haben öffentliche Tele-fonzellen aus dem Stadtbild verdrängt, sind der Internetzugangsort in der Hosentaschegeworden und leisten als digitale Alltagsbegleiter wertvolle Dienste.

Durch soziale Netzwerke sind Menschen ständig über Stimmung, Aufenthaltsort und Ak-tivitäten ihrer Mitmenschen informiert und zu jeder Zeit an jedem Ort mit ihnen verbun-den. Seit das persönliche Profil im Internet Teil der eigenen Identität geworden ist undsoziale Beziehungen im Netz geknüpft und gepflegt werden, ist das 'Soziale Netz', dasso genannte Social Web, für viele unverzichtbar geworden.

Aber haben alle Menschen an diesen Entwicklungen teil oder vergrößern diese beste-hende soziale Unterschiede? Noch gibt es rund 20 Millionen Nichtnutzer in Deutschland,von denen allerdings nur ein geringer Teil zu den überzeugten Offlinern zählt. Die meistenstehen den neuen digitalen Medien neutral gegenüber.

Nach wie vor gilt, dass Medien Erfahrungsgüter sind. Es bedarf der positiven Erfahrung,dass es sich lohnt, sich mit dem Medium zu beschäftigen und eine Anfangsinvestition anfinanziellen Mitteln, vor allem aber an Zeit und persönlicher Motivation zu tätigen. Neu-artige Anwendungen und Endgeräte tragen dazu bei, diese Eintrittsschwelle zu senken. Tablet-PCs und Apps sind einfacher und intuitiver zu bedienen als herkömmliche PCs.Gerade für ältere Menschen können sie helfen, Probleme der Auge-Hand-Koordination,die häufig bei der Nutzung von Maus und Tastatur auftreten, zu vermeiden. Im Rahmeneines Modellprojektes erprobt die Stiftung Digitale Chancen derzeit, ob diese neuen mo-bilen Endgeräte die Akzeptanz von Senioren finden und Impulse in der Medienkompe-tenzarbeit mit älteren Menschen setzen können.

Die E-Plus Gruppe stellt dafür in Senioreneinrichtungen an vier Standorten in Deutsch-land für ein Jahr kostenlos anwenderfreundliche BASE Tabs zur Verfügung, die mit einer

Mobile Endgeräte als Einstiegshilfe für Senioren

Training in Sachen Internet

„Stiftung Digitale Chancen“ geht erfolgreich neue Wege

Jutta Croll ist Geschäftsfüh-rerin und Mitglied des Vor-stands der Stiftung DigitaleChancen, einer gemeinnützi-gen Organisation unter derSchirmherrschaft des BMWiund des BMFSFJ.Die Stiftung arbeitet an demZiel der digitalen Integrationvon Bevölkerungsgruppen,die bei der Internetnutzungbisher unterrepräsentiertsind. Sie entwickelt Projekteund innovative Strategien zurFörderung der Medienkompe-tenz.Jutta Croll hat von 1985bis1990 an der UniversitätGöttingen Deutsche Litera-turwissenschaft, Politikwis-senschaften und Publizistikstudiert und als Magistra Ar-tium abgeschlossen. Sie istals Wissenschaftlerin in ver-schiedenen Projekten zurNutzung von Medien und För-derung der Medienkompetenztätig und Mitglied verschiede-ner Projektbeiräte und Steue-rungsgruppen auf deutscherund europäischer Ebene.

Mit mobilen Endgeräten finden bisherige Digital Outsiders leichterZugang zum Internet. So eine erste Erkenntnis der "Stiftung DigitaleChancen". Dort läuft derzeit ein entsprechendes Test-Projekt.

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Bürger onlineDie Entwicklung der politischen Online-Kommunikation in Deutschland

Autoren: Martin Emmer, Gerhard Vowe, Jens Wolling Das Buch dokumentiert ein langfristiges Forschungsprogramm, das zwischen 2000 und 2010 ander TU Ilmenau und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt wurde. In diesemRahmen wurde in insgesamt sieben Befragungswellen die Nutzung des Internets durch die Deut-schen vor allem für ihre politische Kommunikation untersucht. In einer breit angelegten empiri-schen Studie über diesen Erschließungsprozess analysierten sie, wie sich innerhalb diesesZeitraums die Aneignung des Internets auf die politische Kommunikation der Nutzenden aus-wirkte. Drei Fragen standen dabei im Mittelpunkt: Wie nutzen Menschen das Internet für ihre po-litische Kommunikation? Wie verändert sich in diesem Prozess ihre politische Kommunikation

insgesamt? Wie sind diese Veränderungen zu erklären? Die Autoren untersuchten hierzu sowohl Informationsverhaltenwie das Lesen politischer Internetseiten als auch die interpersonale Online-Kommunikation sowie politische Partizipati-onsaktivitäten im Netz.UVK Verlagsgesellschaft: Konstanz, ISBN 978-3-86764-279-8, Preis: 39,00 Euro

machiavelli.netStrategie für unsere offene Welt

Autor: Philipp MüllerMachiavelli ist der ideale Pate für ein Buch über strategische Werkzeuge in einer sich radikalverändernden Welt. Mit seiner Analyse der neuen Situationslogik des beginnenden 16. Jahrhun-derts hat er dem Fürsten die richtige Strategie für politisches Handeln an die Hand gegeben.Heute, rund 500 Jahre später, kann der Pragmatismus und Realismus eines Machiavelli nur er-mutigen, sich auf die radikal neue Logik einer offenen Netzwerkgesellschaft einzulassen. DasBuch hebt die Diskussion über Offenheit, Internet, und Transparenz auf eine neue Ebene - aufeine Betrachtung der "Situationslogik" im aktuellen und historischen Kontext, jenseits von tech-nischen Spielereien, Hype-Begeisterung und Innovationsängsten. Der Autor hat Politikwissen-schaften, Jura und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der

Georgetown University studiert. Heute ist er Business Development Director für den öffentlichen Sektor bei der CSCDeutschland Solutions GmbH und Academic Dean an der University of Salzburg Business School (SMBS) der UniversitätSalzburg. Verlag: Scoventa; ISBN-10: 3942073048; ISBN-13: 978-3942073042 ; Preis:19,90 Euro

Von der Botschaft zur Bewegung Die 10 Erfolgsstrategien des Barack Obama

Autoren: Kerstin Plehwe mit Maik BohneMenschen überzeugen und begeistern – welcher Politiker, welches Unternehmen will das nicht? BarackObama hat dies nicht nur erfolgreich vorgemacht, sondern wurde auch zum Inbegriff eines neuen, authentischen Politikers. Mit seiner modernen undmutigen Art der Kommunikation und Kampagnenfüh-rung hat er auch Menschen überzeugt, die eigentlichmit Politik nichts zu tun haben wollten. Dieses Buch

filtert seine Erfolgsstrategien heraus und beantwortet die Kernfrage: Was könnenwir von ihm lernen? Mit kritischem Blick und hoher Expertise blicken die Autorenhinter die Kulissen des amerikanischen Wahlkampfes und zeigen der deutschenPolitik und Wirtschaft auf, wie sie von Obamas herausragender Kommunika-tions- und Kampagnenfähigkeit profitieren können.Verlag: Hanseatic Lighthouse; ISBN: 978-3-9812629-1-9; Preis: 19,90 Euro

Vertrauen und Sicherheit im NetzEine BITKOM-Studie

Drei Viertel der Internetnutzer fühlen sich im Web be-droht. Sie fürchten eine Infizierung ihres Rechners mitSchadprogrammen (62 Prozent) oder das Ausspähenund den Missbrauch persönlicher Daten (45 Prozent). Beiden Unternehmen betrachten 57 Prozent Angriffe aufihre IT-Systeme als reale Gefahr. Dennoch sind Daten-schutz und IT-Sicherheit in vielen Unternehmen nichtoptimal organisiert: Obwohl bereits 39 Prozent der Un-

ternehmen konkrete Angriffe auf die IT erlebt haben und 33 Prozent Erfahrungenmit Datenverlusten gemacht haben, sind Notfallpläne für derartige Vorfälle keineSelbstverständlichkeit. Besonders bei den Anwenderfirmen, die nicht selbst ausder IT- und Kommunikationsbranche kommen, haben nur 46 Prozent einen Not-fallplan für Datenverluste.Für die Studie wurden 1.008 Internetznutzer sowie 810 IT-Leiter, CIOs, Daten-schutzbeauftragte und Geschäftsführer befragt. Zusätzlich zu den Ergebnissenbeinhaltet die Studie wichtige Tipps, wie Privatnutzer ihre Daten und internetfä-higen Geräte besser schützen können. Zudem werden Handlungsempfehlungenfür Unternehmen gegeben, um bei Sicherheitsvorfällen in der IT besser gerüstetzu sein.

Die Studie „Vertrauen und Sicherheit im Netz“ ist das Ergebnis von zwei reprä-sentativen Befragungen von Aris im Auftrag des BITKOM. Sie kann bei BITKOMals PDF heruntergeladen werden.

Impressum

Herausgeber:Deutsches Institut für Vertrauen undSicherheit im Internet (DIVSI)Matthias Kammer, DirektorMittelweg 14220148 Hamburg

Chefredaktion:Jürgen Selonke (V.i.S.d.P)

Autoren: Dr. Silke Borgstedt, Jutta Croll, Prof. Dr. Claudia Eckert, ThomasGötzfried, Ariane Hoffmann, Matthias Kammer, Martina Koederitz,Harald Lemke, Prof. Dr. Miriam Meckel, Kerstin Plehwe, Dr. BernhardRohleder, Joanna Schmölz

Realisation: PubliKom KommunikationsberatungGmbH, Hamburg

Bildnachweis: Klaus Knuffmann, CSM Stock, private Archive, BfDI

Verbreitete Auflage:ca. 7.500 ExemplareAbgabe kostenlos

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