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Manifeste Osteoporose Informationen für Betroffene und Interessierte Herausgegeben vom Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. Dachverband der Osteoporose Selbsthilfegruppen

Manifeste Osteoporose Layout 1 17.10.12 14:34 Seite 1 ... · PDF fileVorwort 2 Liebe Leserinnen und Leser, kontinuierliche Veröffentlichungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben

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Manifeste Osteoporose

Informationen für Betroffene und Interessierte

Herausgegeben vom Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. Dachverband der Osteoporose Selbsthilfegruppen

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Liebe Leserinnen und Leser,

kontinuierliche Veröffentlichungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben dazu beigetragen, dass die Krankheit Osteoporose in der Öffentlichkeitbekannt geworden ist. Viele Menschen wissen, dass vorbeugende Maßnahmeninsbesondere im Bereich der Bewegung und Ernährung dazu beitragen, dasRisiko zu vermindern, an einer Osteoporose zu erkranken. Großer Aufklä-rungsbedarf besteht jedoch nach wie vor darin aufzuzeigen, dass auch nach ei-nem Knochenbruch viele Maßnahmen erfolgreich sein können, die die Situa-tion der Patienten stabilisieren und verbessern und insbesondere auch Folge-brüche verhindern sollen.

Derzeit besteht leider immer noch die verbreitete Meinung, dass nach einemKnochenbruch „alles zu spät“ sei, man nun wohl „nichts mehr machen könne“.Eine fatale Einstellung für die Patienten. Neben den eigenen Ängsten undZweifeln finden sie oftmals keine Unterstützung im familiären Umfeld, denn„Osteoporose ist ja eine Alterserkrankung, die wie die Falten im Gesicht ein-fach zum Älterwerden dazugehört.“ Doch das ist falsch! Osteoporose ist einebehandelbare Erkrankung – auch nach einem Knochenbruch.

Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen Basiswissen zum Thema Mani festeOsteoporose (Osteoporose nach dem ersten Knochenbruch ohne angemessenesEreignis) vermitteln. Und wir möchten Sie motivieren und unterstützen in Ihren Bestrebungen, der Erkrankung entgegen zu wirken. Das Risiko für Folge brüche kann reduziert werden.

Aktiv – mit Lebensfreude älter werden – trotz Osteoporose!

Ihr Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V.

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Inhaltsverzeichnis

Erste Schritte nach der Diagnose 4Manifeste Osteoporose 6Tagebuch einer Betroffenen 8Der erste Knochenbruch – kein Grund zur Verzweiflung 9Oberschenkelhalsbruch 11Wirbelkörperbrüche 12Stabilisierung der Wirbelsäule: Vertebro- und Kyphoblastie 14Stabilisierung der Wirbelsäule: Orthesen 15Schmerzen 16Körperliche Veränderungen 17Aktiv im Umgang mit Osteoporose 18Hilfe zur Selbsthilfe 19Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. 20

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Erste Schritte nach der Diagnose

Häufig wird eine Osteoporose erst nach einem Knochenbruch diagnostiziert. Bei ei-nem Knochenbruch ohne ein angemessenes Ereignis (wie zum Beispiel ein heftigerSturz oder ähnliches) besteht nämlich der Verdacht, dass eine Osteoporose vorliegt.

Osteoporose ist eine chronische Erkrankung. Erfährt man die Diagnose, ist man erst einmal geschockt, muss sich mit dieser Tat-sache auseinandersetzen. Viele Fragen stehen im Raum: Warum gerade ich? Wiegeht es nun weiter? Hat der Arzt mir auch alles gesagt? Was muss ich tun und wasdarf ich nicht mehr tun?

Frakturhäufigkeit bei Frauen und Männern in den Lebensabschnitten

Altersabhängige Häufigkeit von Frakturen unterschied-licher Lokalisation

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Nutzen Sie die Chance,sich aktiv mit der Erkran-kung Osteoporose aus-einander zu setzen. Fra-gen Sie Ihren Arzt oder eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe. Nur wer seine Krank-heit kennt, weiß, wie er damit umgehen kann. Mit zunehmendem Wissen über dasKrankheitsbild der Osteoporose werden Ihr Arzt, Ihr Apotheker, Ihre Familie und auchdie Selbsthilfegruppe immer mehr zu wichtigen Verbündeten.

Osteoporose ist kein unabwendbares Schicksal.Noch vor 20 Jahren galt Osteoporose als eine schicksalshafte Alterserkrankung.Heute ist sie als eine gut diagnostizierbare und gut behandelbare Krankheit einzu-stufen. Vorhandene Behandlungsmöglichkeiten sind nicht nur in frühen Stadien derOsteoporose erfolgreich, sondern senken auch bei der manifesten Osteoporose dasRisiko, erneut Knochenbrüche zu erleiden.

Beispiel eines modernen DXA-Gerätes zur Messung der Knochen-dichte im Bereich der Lendenwirbelsäule und Hüfte

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Manifeste Osteoporose

Der Begriff „manifest“ bedeutet im Medizinischen: deutlich sichtbar ge-worden. Als manifeste Osteoporose bezeichnet man die Erkrankung, wennals sichtbare Folge der Osteoporose mindest ein osteoporosebedingterKnochenbruch aufgetreten ist.

Osteoporose ist definiert als einesystemische Skeletterkrankung miteiner erniedrigten Knochenmasseund einer Störung der Mikroarchi-tektur des Knochengewebes mitdadurch bedingter Erhöhung derKnochenbrüchigkeit und steigen-dem Bruchrisiko.

Bereits bei Abnahme der Kno-chendichte um eine Standardab-weichung steigt das relative Bruch-risiko. Osteoporose ist eine chroni-sche Krankheit. Das Auftreten einesBruches weist auf ein bereits fort-geschrittenes Stadium der Erkran-kung hin. Wie auch bei anderenchronischen Erkrankungen findetsich bei osteoporosebedingtenKnochenbrüchen eine deutliche Zu-nahme im höheren Lebensalter.Knochenbrüche treten insbeson-dere am Oberschenkelhals, Hand-gelenk, Oberarm und Wirbelkör-pern auf.

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Spongiöser Knochen: oben normale zusammenhängende und vernetzte Kno-chenbälkchen, unten Knochenschwundmit Unterbrechung des trabekulärenNetzwerkes (schwere Osteoporose)

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Die Stadieneinteilung der Osteoporose erfolgt laut Weltgesundheitsorgani-sation (WHO) anhand des Knochendichte-Messergebnisses oder der stattge-fundenen Knochenbrüche:

n der „Normalwert“ entspricht dem Standardwert von 30-jährigen± 1 Standardabweichung = höchster Knochendichtewert (peak bone mass)

n als Osteopenie bezeichnet werden –1 bis –2,5 Standardabweichungenn als manifeste Osteoporose gelten Patienten mit weniger als –2,5 Standard-

abweichungen und mit Knochenbruch

Hinweis: Die Messwerte werden bei der Knochendichtemessung mittels standardisiertem DXA-Gerät als T-Score bzw. T-Wert im Messprotokoll angegeben. Der früher verwandte Z-Wert stellte denVergleich der gemessenen Knochendichte mit dem jeweiligen Alterskollektiv dar.

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Typische Knochenbruchstellen bei Osteoporose

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Tagebuch einer Betroffenen

Die Angst nach dem Knochenbruch

Ilona K. (58) aus Seddiner See in Brandenburg ist verunsichert. Osteoporose ist be-reits vor 8 Jahren bei ihr diagnostiziert worden. Sie hatte unerträgliche Rücken-schmerzen, trotzdem war es ein langer Weg, bis ihre Wirbelkörperbrüche erkanntwurden. Eine Odyssee durch viele Facharztpraxen liegt hinter ihr.

Dass sie durch die Einbrüche der Wirbelkörper um 8 cm kleiner geworden ist, hatsie erschreckt. Die Erleichterung, dass nun eine eindeutige Diagnose gefunden ist,ist schnell einer neuen Verunsicherung gewichen. Bereits kurz nach der Diagnosewurden erneute Wirbelkörperbrüche festgestellt. Angst, Hilflosigkeit und immerwieder der sorgenvolle Gedanke „Dieser Prozess muss doch zu stoppen sein!“

Der behandelnde Orthopäde verordnet ein Stützkorsett, das täglich getragen wer-den muss, um weitere Einbrüche zu vermeiden. An medikamentöser Therapie erhältIlona K. Kalzium und Vitamin D. Ihre Frage, ob Osteoporose nicht aufzuhalten odergar heilbar sei, wird verneint. Das Stützkorsett sei für sie die optimale Versorgung.

Ilona K. schließt sich einer Selbsthilfegruppe an und wird kurze Zeit später sogarGruppenleiterin. Ihr Wissensdurst, immer mehr über Osteoporose zu erfahren undsich mit anderen Betroffenen auszutauschen, ist groß. Sie will aktiv sein, Eigenver-antwortung übernehmen, endlich aus der Unsicherheit über die eigene Erkrankungheraustreten.

Heute kennt sie die unterschiedlichsten therapeutischen Möglichkeiten, weiß, dasses knochenaufbauende Medikamente gibt. Hat viel über knochenfreundliche Er-nährung und den gezielten Einsatz von Bewegung erfahren.

Das Gespräch mit dem behandelnden Arztfällt ihr trotzdem schwer. Es ist eine starkeÜberwindung, erneut die eigenen Zweifelüber die Ausschließlichkeit der verordnetenTherapie zu äußern.

Doch Ilona K. hat beschlossen, nicht lockerzu lassen. Sie will mit ihrer Erkrankung aktivumgehen. Die bestmöglichen therapeutischenMaßnahmen nutzen. Gespräche mit anderenBetroffenen sowie Informationsveranstaltun-gen machen ihr Mut und stärken das Selbstbe-wusstsein.

Der Weg zu einer optimalen Therapie kannmanchmal genauso lang und beschwerlich seinwie der Weg zu einer eindeutigen Diagnose.

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Sprechen Sie ausführlich mit Ihrem Arzt über die Diagnose!

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Der erste Knochenbruch – kein Grund zur Verzweiflung

Vorrangiges Ziel der Vorbeugung und Thera-pie der Osteoporose ist die Vermeidung einesBruches. Häufig wird die Diagnose Osteopo-rose aber erst nach Auftreten einer erstenFraktur (Bruch) gestellt.

Ursache hierfür ist, dass Osteoporose in derRegel in der Frühphase der Erkrankung keineBeschwerden verursacht. Ein langer schlei-chender, anfangs unbemerkter Verlaufspro-zess ist in Gang gekommen.

Doch auch nach einem Knochenbruch istOsteoporose behandelbar und das Risiko ei-nes weiteren Knochenbruchs kann durch einekonsequente individuelle Behandlung, Ver-meidung von Osteoporose-Risiken und vonSturzgefahren erheblich verringert werden.

Empfehlungen zur Behandlung der Osteoporose nach einem Knochenbruch:n Bei allen Patienten mit einem Bruch ohne angemessenes Ereignis sollte mög-

lichst noch während des stationären Aufenthaltes der Verdacht auf eine Osteo-porose diagnostisch abgeklärt werden.

n Bei bruchbedingten Schmerzen sollte nach dem WHO-Stufenschema einSchmerztherapieplan zur wirksamenBehandlung aufgestellt und vomHausarzt weitergeführt werden. BeiWirbelkörpereinbrüchen sollte dieMöglichkeit eines operativen Eingriffsdurch eine Kypho- oder Vetebroplastienur bei chronisch anhaltendenSchmerzen, nach Ausschöpfung allerkonservativer Therapiemöglichkeitendiskutiert werden.

n Ein individuelles Gymnastikprogramm(Osteoporose-Funktionstraining) sollteaufgestellt und eingeleitet werden zurStärkung der Muskulatur, Verbesse-rung der Koordination und Senkungdes Sturzrisikos.

Typische Radiusfraktur (Unterarmfraktur) durch Sturz

Rosi Mittermaier mit einer BfO-Gymnastikgruppe auf dem Welt-osteoporosetag 2003 in München

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n Basistherapie mit täglich 800 – 2000 IE (International Einheiten) Vitamin D3oral (Einnahme über den Mund) oder eine entsprechende Dosis in anderenZeitabständen (z. B. 20000 IE als Kapsel alle 2 – 3 Wochen)

n Basistherapie mit einer täglichen Zufuhr von ca. 1000 mg Kalzium über die Ernährung (ggfs. ergänzende Einnahme von Medikamenten). Die Gesamt-zufuhr Kalzium täglich nicht über 1500 mg.

n Vor Entlassung des Patienten aus dem stationären Aufenthalt sollte der Basis-therapie ein spezifisches Osteoporose-Medikament (Bisphosphonate, Raloxifenoder Strontiumranelat) hinzugefügt werden. Bei Magen- und Darmbeschwer-den kann alternativ ein intravenöses Bisphosphonat (z. B. Ibandronat 3 mg invierteljährlichen, Zolendronat 5 mg in jährlichen Abständen) gegeben werden.

n Alternativ zu obigen knochenabbauhemmenden Medikamenten können dieknochenaufbaufördernden Medikamente (Teriparatid oder Parathormon sub-kutan täglich mit einem Pen) verabreicht werden. Die Zulassung für die Behandlung der manifesten Osteporose der postmenopausalen Frau und desMannes liegt vor.

n Nach Entlassung des Patienten soll die eingeleitete Therapie vom Hausarztfortgeführt und überwacht werden. 2-jährliche DXA-Kontrolle zur Beurteilungdes aktuellen Knochenbruchriskos, Messung möglichst immer mit demselbenGerät. Liegt das Knochenbruchrisiko für einen 10-Jahreszeitraum über 30 %wird eine Fortführung der Therapie empfohlen.

Literatur:Empfehlungen zur Behandlung der Osteoporose nach den „National Osteoporosis Foundation Guide-lines“; Osteoporose: Prävention – Diagnostik – Therapie, Prof. Dr. Reiner Bartl, 4. vollständig neu über -arbeitete und erweiterte Auflage, Thieme Verlag

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Kalziumreiche Ernährungist ein wichtiger Bestandteilder Osteoporose-Therapie

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Oberschenkelhalsbruch

Der Oberschenkelhalsbruch ist die mit Abstand schwerwiegendste Folgeder Osteoporose und betrifft vor allem ältere Patientinnen und Patientennach dem 70. Lebensjahr.

Oberschenkelhalsbrüche haben die gravierendsten Konsequenzen, da sie in derRegel operativ versorgt werden müssen und oft mit einer Gehbehinderung ver-bunden sind. 20% der Patienten sterben auch heute noch im ersten Jahr nach einemOberschenkelhalsbruch.

Die operative Versorgung richtet sich nach dem Frakturtyp. Aus Gründen einerfrühzeitigen Mobilisierung (Beweglichkeit) wird oft die Implantation einer Total- Endoprothese bevorzugt.

Die Rehabilitation muss besonders auf Bewegungskoordination, Muskeltrainingund Vermeidung von Stolperfallen und Sturzrisiken achten. Vor allem bei unge-bremstem Sturz auf die Seite, mit Aufprall des ungeschützt unter der Haut liegen-den Oberschenkelhalsknochens auf hartem Untergrund, steigt das Risiko eines Ober-schenkelhalsbruches um ein Vielfaches.

Einen wirksamen Schutz stellen handflächengroßeKunststoffschalen dar, die in die Unterwäsche eingearbei-tet sind und beim Sturz auf die Seite die Aufprallenergieflächenhaft verteilen. (Hinweis: Kunststoffhartschalen sindüber den Sanitätsfachhandel als Hüftprotektoren erhält-lich.)

Die Ausheilung einer Oberschenkelhalsfraktur dauert un-gefähr 4 – 8 Monate.

Bei einer Endoprothese ist das Bein nach 3 Monaten vollbelastungsfähig.

Versorgung beidseitiger proximalerFemurfrakturen mit Endoprotheserechts und proximalem Femurnagel(PFNa) links

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Wirbelkörperbrüche

Der Wirbeleinbruch ist quasi derosteoporotische Bruch schlecht-hin. Meist tritt er ohne erkennbareUrsache auf (z.B.beim Heben einesGegenstandes oder beim Bücken).Auch Rippenbrüche können so er-folgen.

Jedem sonstigen Knochenbruchgeht ein Sturz oder Unfall voraus. Da-her ist die Abgrenzung zwischen ei-nem typisch osteoporotischen und einem „normalen“ Knochenbruchaufgrund eines angemessenen Unfall-ereignisses häufig nicht leicht undeindeutig zu treffen.

Selbst der Wirbelbruch muss nichtimmer Folge einer Osteoporose sein,sondern kann natürlich ebenso durcheinen Unfall oder heftigen Sturz oderauch andere Erkrankungen wie z. B.Wirbelkörpermetastasen bedingt sein.

Manchmal verursachen die erstenWirbeleinbrüche keine starken Schmer-zen – also keine Warnsignale – und

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MRT der Brust- und Lendenwirbel-säule mit Nachweis von multiplenteils frischen Wirbelkörperfrakturen(Knochenmarködem!) und Einengungdes Wirbelkanals (Th11 und L1).

Frakturformen des proximalen Oberschenkels und gängige operative Verfahren

Oberschenkel-halsfraktur

Hemiallo-Arthroplastik

Total-endoprothese

Zugschrauben proximaler Femornagel

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dynamischeHüftschraube

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werden daher zunächst auch nichtals solche erkannt! Das ist fatal,weil das Risiko für weitere Wirbel-einbrüche bereits nach dem erstenWirbeleinbruch um das 4– 5-facheund mit jedem weiteren Bruchweiter sehr stark ansteigt.

Meistens verursacht jedoch dieFraktur eines oder mehrer Wirbel-körper (Sinterungen) einen plötzli-chen, stechenden und anhalten-den Schmerz, wird aber häufig miteiner Muskelzerrung, einem Band-scheibenvorfall oder sogar Herzin-farkt verwechselt.

Je nach Form des jeweiligen Wir-beleinbruchs unterscheidet man„Keilwirbel“, „Plattwirbel“ und„Fischwirbel“. Keil-, Fisch- undPlattwirbel treten bevorzugt imBrustwirbelbereich (BWS), Fisch-und Plattwirbel im Lendenwirbel-säulenbereich (LWS) auf.

Wirbelkörperbrüche bzw. -ein-brüche (sogenannte Sinterungen)treten besonders häufig im oberenund mittleren Bereich der Wirbel-säule auf.

Neben der Höhenminderung der eingebrochenen Wirbelkörperkommt es mit zunehmender An-zahl von Wirbeleinbrüchen sowohlzu einer verstärkten Verkrümmung(Kyphosierung) der gesamten Wir-belsäule („Witwenbuckel“) als

Die verschiedenen osteoporotischen Formen der Wirbelkörperbrüche

Häufigkeit der Wirbelkörper-frakturen in Abhängigkeit

von der Höhe der Wirbel

Normaler Wirbelkörper Keilwirbel

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auch zu einer deutlichen Abnahme der Kör-pergröße, die im Extremfall bis zu 20 cm undmanchmal noch mehr betragen kann.

Eine operative Versorgung oder gar einemehrwöchentliche Immobilisation im Gips-bett ist nicht nötig, da die Gefahr einerQuerschnittlähmung nicht gegeben ist.

Nach einer akuten Phase (1 Woche) mitgelockerter Bettruhe und Schmerztherapiebeginnt die Phase mit leichter Bewegung(möglichst im Wasser) sowie physikalischerTherapie und Rehabilitation. Die Ausheilungeiner Wirbelkörperfraktur benötigt ungefähr2 – 4 Monate.

Vertebro- und Kyphoplastie

Beide invasiven Methoden könnenheute als effektiv eingestuft werden,um schmerzhafte osteoporotischeWirbelkompressionsfrakturen zu be-handeln, die auf eine konventionelleSchmerztherapie nicht ansprechen.

Laut DVO haben Studien der letz-ten Jahre gezeigt, dass eine Verte-bro- oder Kyphoplastie in den erstenMonaten nach dem Eingriff vorüber-gehend zu einer besseren Schmerz-linderung führt als eine konventio-nelle Schmerztherapie, falls diese inden ersten Wochen nach der Frakturnicht ausreichend wirksam war. DieKyphoplastie ist kostspieliger, bein-haltet aber die Möglichkeit einer ge-ringfügigen Aufrichtung des Wirbel-körpers. Qualitativ gute Studienzu Langzeitnutzen und Langzeit-risiko sind derzeit nicht ausrei-chend vorhanden.

Versorgung zweier eingebrochener Wirbelkörper mittels Vertebroplastie

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Der sogenannte „Witwenbuckel“

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Stabilisierung der Wirbelsäule durch Orthesen

Die Orthesenversorgung (Stützmieder) gehört sowohl zu den orthopädi-schen Maßnahmen als auch zur Schmerzbekämpfung nach Wirbelbrüchen.

Dabei ist zu beachten, dass Wirbelsäulenbeschwerden bei Osteoporose erst akutnach Wirbelfrakturen und dann chronisch durch den dadurch hervorgerufenen Ge-staltwandel (verstärkte Brustkyphose – Krümmung der Brustwirbelsäule), Steilstel-lung oder seltener Hyperlordose der LWS (Verkrümmung der Lendenwirbelsäule),Hyperlordose der HWS (Verkrümmung der Halswirbelsäule) auftreten.

Welche Anforderungen sind an eine Osteoporoseorthese zu stellen?n Verbesserung der Statikn Akzeptanz der Orthese durch den Patienten:

– Wirksamkeit (Schmerzlinderung)– Schnelle und einfache Anlegbarkeit – Tragekomfort: keine Beeinträchtigung der Atmung, kein Druck auf dieschmerzempfindlichen Knochenvorsprünge

n keine negative Beeinflussung der Funktion der Rumpfmuskulatur (Inaktivität).

Wie lange sollte eine elastische Osteoporosebandage getragen werden?n Nach frischer Wirbelfraktur mit starken Schmerzen anfangs ständig,n dann stundenweise bei besonderen Belastungen wie Gartenarbeit, Einkaufen,

großem Hausputz, Reisen.Nach erfolgreicher umfassender Behandlung mit Verbesserung der Knochenstruk-tur und -stabilität, Ausbleiben neuer Frakturen und deutlicher Schmerzlinderungkann die Bandage nach zwei bis drei Jahren, eventuell auch etwas früher, ganz weg-gelassen werden.

Eine elastische Rumpforthese mit oder ohne Geradhalter stellt neben der medi-kamentösen und Bewegungstherapie einen wichtigen Baustein in der Komplexbe-handlung besonders der schmerzhaften Osteoporose dar. Starre Korsette führen zuweiterer Inaktivität der Rumpfmuskulatur, verstärken damit die Osteoporose undwerden außerdem von den meist älteren Patienten nicht toleriert und damit nichtgetragen.

Eine Orthesenversorgung bei Osteoporosen ohne Wirbelfrakturenwird eindeutig nicht empfohlen. i

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Schmerzen

Schmerzen bei Osteoporose, besonders Rücken- und Kreuzschmerzen, tre-ten trotz häufig geäußerter anderer Meinung erst nach Wirbelkörperbrü-chen oder -einbrüchen auf. Dabei findet man aber auch immer wieder Pa-tienten mit osteoporosebedingten Wirbelkompressionen (Einbrüchen), diekeine Schmerzen haben und nie hatten.

Schmerzen bei Osteoporose und ihre Ursachen: n akute Schmerzen durch Brüche, n Form- und Gefügestörungen im Knochen (auch Nervenversorgung) oder Kno-

chenhaut (Wirbelsinterung und Mikrofrakturen), n Muskel- und Muskel-Sehnenansatz-Schmerzen und Fascettengelenkschmerzen

durch die Fehlstellung der Wirbelsäule, n Rippenrand-Beckenkamm-Schmerz und Druck im Oberbauch durch Rumpfver-

kürzung und Krümmung der Wirbelsäule.

Folgen der Osteoporoseschmerzen sind: Schonung des Bewegungsapparates unddamit Schwächung der Muskulatur, durch diese Inaktivität weiterer Abbau von Kno-chensubstanz und Verstärkung bzw. Chronifizierung der Schmerzen. Wie bei jedermit starken Schmerzen einhergehenden Erkrankung kommt es auch bei der Osteo-porose zu starker psychischer Beeinflussung der Patienten (Angst, depressive Re-aktionen, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit). Diese psychischen Abläufe beeinflus-sen über das vegetative Nervensystem wiederum das Ausmaß der Schmerzen.

Eine komplexe Osteoporosetherapie beinhaltet ne-ben der medikamentösen Therapie eine Schmerz-behandlung, die psychologische Betreuung, ortho-pädisch-chirurgische Maßnahmen und Steigerungder körperlichen Aktivität. Opiate sind nur in denersten Wochen nach einem frischen stark schmerz-haften Wirbelbruch empfehlenswert.

Zur Schmerzbehandlung stehen physikalisch-bal-neologische Maßnahmen, Akupunktur, Infiltrati-onstherapie, Bewegungstherapie und psychologi-sche Betreuung zur Verfügung.

Bewegungstherapie imWasser

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Vergleich zwischen normaler und osteoporotischer Körperhaltung

Körperliche Veränderungen

Solange die Osteoporose noch keine Knochenbrüche verursacht hat, ist sie durchäußere Betrachtung des Patienten nicht feststellbar. Der Verlust an Knochensub-stanz kann bei Verdacht auf Osteoporose nur mit Hilfe einer Knochendichte-Messung (DXA) festgestellt werden.

Die Folgen eines bereits aufgetretenen Knochenbruchs sind dagegen für den Arzt – und natürlich auch für den Patienten – offensichtlich. Knochenbrüche sindz.T. äußerst schmerzhaft (mit Einschränkung z. B. bei Wirbelkörpereinbrüchen), sieführen zu eingeschränkten Funktionen des gebrochenen Skelettanteils, im Extrem-fall zum völligen Ausfall. Typische Bruchstellen bei Osteoporose sind der Ober-schenkelhals und Wirbelkörper. Natürlich können die Knochen aber auch an ande-ren Stellen brechen. Häufig sind Rippenbrüche, Unterarm- und Oberarmbrüche.

Sind bereits mehrere Wirbelbrüche aufgetreten, so kann durch eine klinische Un-tersuchung, das heißt durch die Betrachtung des Körpers von außen, anhand derkörperlichen Veränderungen, eine osteoporotische Erkrankung festgestellt werden:n Körpergröße:

Durch Messung der Körpergröße wird die durch Wirbelbrüche verursachteSchrumpfung erfasst. Die Verkürzung des Rumpfes zeigt sich unter anderemdaran, dass Arme und Beine im Verhältnis zur Rumpfgröße zu lang wirken.

n Tannenbaum-PhänomenBei stark ausgeprägter Osteoporose entstehen außerdem Hautfalten im Rückenbereich, die die charakteristische Form eines Tannenbaumes haben.

n SpitzbauchSchließlich bewirkt die Verkürzung der Wirbelsäule auch die Verkürzung desBauchraumes, so dass die inneren Organe nach vorne ausweichen, was zu einem „Spitzbauch“ führen kann.

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Aktiv im Umgang mit Osteoporose

n Studien dokumentieren, dass Muskeltraining und knochenfreundliche Ernährung auch im hohen Lebensalter rasch und günstig auf den Knocheneinwirken. Die Wirkung dieser Maßnahmen ist allerdings auf die Dauer derDurchführung begrenzt. Das bedeutet: nur die kontinuierliche Durchfüh-rung von Maßnahmen im Bereich Ernährung und Bewegung sind wirklicherfolgreich. Konsequentes Verhalten ist entscheidend.

n Vitamin D und Kalzium als kontinu-ierliche Basistherapie:– Vitamin D3 – tägliche Einnahme von800 – 2000 Einheiten oder einer gleich-wertigen Dosis in anderen Zeitabständen.– Kalzium – tägliche Zufuhr von 1000 bismaximal 1500 mg, wobei sich der Bedarfgut durch kalziumreiche Ernährung undMineralwässer abdecken lässt.

n Osteoporose Risikofaktoren kennenund meiden (auch oder gerade bei einerbereits diagnostizierten Osteoporose) –fordern Sie dazu auch die Risikofrage-bögen des BfO an.

n Sturzvorbeugung: Betreiben Sie aktiveSturzvorbeugung, denn wer Stürze vermeidet, vermeidet Knochenbrüche.

Gestalten Sie zum Beispiel Ihr Zuhause mit möglichst wenigenStolperfallen.n Befolgung des Behandlungskonzeptes:Halten Sie konsequent das mit Ihrem Arzt besprochene

Behandlungskonzept ein. Stellen sich bei der Verabrei-chung Probleme oder Nebenwirkungen ein oder haben Sie

Fragen, scheuen Sie sich nicht diese unverzüglich zu klä-ren. Nur eine eingehaltene Therapieabsprache kann

zum gewünschten Erfolg führen.

Kalziumreiche Lebensmittel

Regelmäßige Bewegung ist immerwichtig, in jedem Alter.

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Hilfe zur Selbsthilfe

Wer, wenn nicht der Betroffene selbst, weiß am besten, was Hilfe und Erleichterungschafft? Dies ist einer der wichtigsten Gründe, warum immer mehr Selbsthilfe-gruppen entstehen.

Mitglieder von Selbsthilfegruppen überwinden leichter die passive, manchmalfast lähmende Phase nach der Diagnosestellung Osteoporose. Wertvolle Tipps undRatschläge können weitergegeben werden, die auch Ihnen helfen werden.

Im August 1987 haben Betroffene und Ärzte den Bundesselbsthilfeverband fürOsteoporose gegründet. Seitdem entstanden im BfO bundesweit über 300 Selbst-hilfegruppen mit rund 15 000 Mitgliedern.

Damit ist der Verband ein bundesweit präsenter Ansprechpartner für Osteopo-rose-Betroffene und hilft Ihnen, Hilfe zur Selbsthilfe zu praktizieren. In den Grup-pen können sich die Patienten austauschen, ihre Problemediskutieren und durch ihre eigenen Aktivitäten ihren Zustandverbessern.

Viele der örtlichen Gruppen organisieren darüber hinausVortragsveranstaltungen und Aktionstage, um in der gesam-ten Breite auf Möglichkeiten der Vorbeugung aufmerksamzu machen.

Das wöchentliche Angebot von Osteoporose-Funktions-training mit speziell qualifizierten Übungsleitern ist einewichtige Aktivität jeder BfO Selbsthilfegruppe.

ImpressumHerausgeber: Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. (BfO)Kirchfeldstraße 149, 40215 DüsseldorfTel. (0211) 30 13 14-0, Fax (0211) 30 13 [email protected], www.osteoporose-deutschland.deRedaktion: Gisela KlattWissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. med. Reiner Bartl, Kaufingerstr. 15, 80331 MünchenTelefon (089) 2 00 01 43-50, Telefax (089) 2 00 01 43-55www.osteoporose-bartl.deProf. Dr. med. habil. Jürgen FrankeLayout: Hildegard Nisticò, [email protected]: DRUCK-Kultur MünchenFotos: Fotolia, Reiner Bartl (aus R. Bartl: „Osteoporose“,4. Aufl., Thieme-Verlag), privat, Zeichnungen: Karin BaumAktualisierte Neuauflage 2012

Osteolino, der Knochenfreund, sagt schon den Kindern, wie gesunde Ernährung aussehen soll.

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Informationsmaterial (beim BfO erhältlich):n Osteoporose Risikotestn Osteoporose-Adressverzeichnisn Osteoporose – Das Gesundheitsmagazin, 4 x jährlich

Geschäftsstelle: Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V.Kirchfeldstr. 149, 40215 DüsseldorfTelefon (0211) 30 13 14-0, Telefax (0211) 30 13 14-10info@osteoporose-deutschland.dewww.osteoporose-deutschland.de

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