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Z Kardiol 90: Suppl 6, VI/105 – VI/111 (2001) © Steinkopff Verlag 2001 Miralem Pasic Matthias Bauer Roland Hetzer Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen vation of the native aortic valve and concomitant surgery of the mitral valve. Reconstruction or replace- ment of the mitral valve is mainly based on the classical indications. Preservation of the native aortic valve and reconstruction of the mitral valve in patients with Marfan syndrome is possible but the long- term results are still unknown. Key words Marfan syndrome – cardiovascular manifestations – surgical treatment Zusammenfassung Das Marfan- Syndrom ist eine erbliche Binde- gewebserkrankung, die mit einer erhöhten Inzidenz von kardiovas- kulären Komplikationen verbun- den ist. Wir beschreiben unsere Erfahrungen bei der chirurgischen Behandlung von 243 Patienten mit Marfan-Syndrom. Bezüglich der Behandlung der anuloaortalen Ektasie zeigen wir unsere Ergeb- nisse bei der Verwendung der klas- sischen Operationsmethoden nach BentallDeBono und Cabrol. Neure Operationsmethoden wie die Ver- fahren nach David und Yacoub werden kritisch gewertet und eine eigene Modifikation zum Klappen erhaltenden Ersatz der Aorta ascen- dens wird vorgestellt. Bei einer großen Zahl von Patienten waren Operationen wegen der Manifestetion des Mar- fan-Syndroms im Bereich der distal der Aorta ascendens gelegenen Aortensegmente, der Mitralklappe und der Trikuspidalklappe erfor- derlich. Die Indikation zur Rekon- struktion bzw. zum Ersatz der Mit- ralklappe wird weitgehend entspre- chend den klassischen Kriterien gestellt. Die Langzeitresultate des Erhalts der nativen Aortenklappe sowie der Mitralklappenrekon- struktion sind noch nicht vorhan- den. Schlüsselwörter Marfan-Syn- drom – kardiovaskuläre Manifesta- tionen – chirurgische Behandlung Prof. Dr. Dr. M. Pasic () · Dr. M. Bauer Prof. Dr. R. Hetzer Deutsches Herzzentrum Berlin Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Augustenburger Platz 1 13353 Berlin, Germany Tel.: +49-30/4593-2018 Fax: +49-30/4593-2018 E-Mail: [email protected] Marfan syndrome and valvular disease Summary Marfan syndrome is a hereditary disease of the connective tissue with increased mortality mostly due to changes of the car- diovascular system. We describe our experience with the surgical treatment of 243 patients with Mar- fan syndrome and cardiovascular complications. We report the results of treatment of annulo-aor- tal ectasia using the classical surgi- cal methods of Bentall DeBono and Cabrol and the method for preser- Einleitung Das Marfan-Syndrom ist eine erbliche Bindegewebser- krankung, die mit einer Inzidenz von 4 – 6 Fälle pro 100.000 der Bevölkerung auftritt [15]. Im natürlichen Verlauf verstirbt die Hälfte der Patienten bis zu einem durchschnittlichen Alter von 32 Jahren. 90 % der Todes- fälle treten infolge kardiovaskulärer Komplikationen ein [9, 13]. Neben dem kardiovaskulärem System kann das Marfan-Syndrom auch das Muskel- und Skelettsystem, die Augen, die Lunge, die Haut und die Dura befallen. Der Vererbungsmodus ist autosomal-dominat. Etwa 75 % der Patienten mit Marfan-Sysndrom haben eine positive Familienanamnese bezüglich der Erkrankung. Bei den übrigen Patienten ist eine neu auftretende Spon-

Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

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Page 1: Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

Z Kardiol 90: Suppl 6, VI/105 – VI/111 (2001)© Steinkopff Verlag 2001

Miralem PasicMatthias BauerRoland Hetzer

Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

vation of the native aortic valve andconcomitant surgery of the mitralvalve. Reconstruction or replace-ment of the mitral valve is mainlybased on the classical indications.Preservation of the native aorticvalve and reconstruction of themitral valve in patients with Marfansyndrome is possible but the long-term results are still unknown.

� Key words Marfan syndrome –cardiovascular manifestations –surgical treatment

� Zusammenfassung Das Marfan-Syndrom ist eine erbliche Binde-gewebserkrankung, die mit einererhöhten Inzidenz von kardiovas-kulären Komplikationen verbun-den ist. Wir beschreiben unsereErfahrungen bei der chirurgischenBehandlung von 243 Patienten mitMarfan-Syndrom. Bezüglich derBehandlung der anuloaortalenEktasie zeigen wir unsere Ergeb-nisse bei der Verwendung der klas-

sischen Operationsmethoden nachBentallDeBono und Cabrol. NeureOperationsmethoden wie die Ver-fahren nach David und Yacoubwerden kritisch gewertet und eineeigene Modifikation zum Klappenerhaltenden Ersatz der Aorta ascen-dens wird vorgestellt.

Bei einer großen Zahl vonPatienten waren Operationenwegen der Manifestetion des Mar-fan-Syndroms im Bereich der distalder Aorta ascendens gelegenenAortensegmente, der Mitralklappeund der Trikuspidalklappe erfor-derlich. Die Indikation zur Rekon-struktion bzw. zum Ersatz der Mit-ralklappe wird weitgehend entspre-chend den klassischen Kriteriengestellt. Die Langzeitresultate desErhalts der nativen Aortenklappesowie der Mitralklappenrekon-struktion sind noch nicht vorhan-den.

� Schlüsselwörter Marfan-Syn-drom – kardiovaskuläre Manifesta-tionen – chirurgische Behandlung

Prof. Dr. Dr. M. Pasic (�) · Dr. M. BauerProf. Dr. R. HetzerDeutsches Herzzentrum BerlinKlinik für Herz-, Thorax- undGefäßchirurgieAugustenburger Platz 113353 Berlin, GermanyTel.: +49-30/4593-2018Fax: +49-30/4593-2018E-Mail: [email protected]

� Marfan syndrome and valvulardisease

� Summary Marfan syndrome is ahereditary disease of the connectivetissue with increased mortalitymostly due to changes of the car-diovascular system. We describeour experience with the surgicaltreatment of 243 patients with Mar-fan syndrome and cardiovascularcomplications. We report theresults of treatment of annulo-aor-tal ectasia using the classical surgi-cal methods of Bentall DeBono andCabrol and the method for preser-

Einleitung

Das Marfan-Syndrom ist eine erbliche Bindegewebser-krankung, die mit einer Inzidenz von 4 – 6 Fälle pro100.000 der Bevölkerung auftritt [15]. Im natürlichenVerlauf verstirbt die Hälfte der Patienten bis zu einemdurchschnittlichen Alter von 32 Jahren. 90% der Todes-

fälle treten infolge kardiovaskulärer Komplikationen ein[9, 13]. Neben dem kardiovaskulärem System kann dasMarfan-Syndrom auch das Muskel- und Skelettsystem,die Augen, die Lunge, die Haut und die Dura befallen.Der Vererbungsmodus ist autosomal-dominat. Etwa75% der Patienten mit Marfan-Sysndrom haben einepositive Familienanamnese bezüglich der Erkrankung.Bei den übrigen Patienten ist eine neu auftretende Spon-

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tanmutation des verantwortlichen Gens anzunehmen[20]. Das Gen für das Marfan-Syndrom wurde von Kai-nulainen 1990 auf dem Chromosom 15 lokalisiert [11].Dieses Gen kodiert das Fibrillin, das Hauptprotein derMikrofibrillen, die die elastischen Fasern bilden.

Die elastischen Fasern sind ein wesentlicher Bausteinder Aortenwand. Durch die fehlerhafte Bildung der elas-tischen Fasern kann es im Verlaufe der Erkrankung imBereich der gesamten Aorta zu Aneurysmabildungenkommen (Abb. 1, 2). Schwere Komplikationen wie Aor-tendissektionen und -rupturen können bereits in jun-gem Lebensalter eintreten. Die histologischen Befundefür eine strukturell schwer gestörte Gefäßwandarchitek-tur sind für Marfan-Patienten charakteristisch. Die Aor-tenwandpräparate dieser Patienten zeigen einen erheb-lichen Verlust und eine Fragmentation elastischer Fasernsowie eine ausgeprägte zystische Medianekrose [23]. DieAortenwand verliert dadurch ihre normale Elastizität[10].

Bis zur Bestätigung durch die molekularbiologischeAnalyse wird die Diagnose Marfan-Syndrom aufgrund

der klinischen Befunde des Patienten gestellt. Die Krite-rien für die Diagnosestellung wurden von Pyeritz undMcKussick erstellt [17]. Auf dieser Grundlage entstand1986 die Berliner Nosologie [1], die 1996 durch die Gen-ter Nosologie [8] abgelöst wurde. Zur Erstellung derDiagnose werden die Patienten auf das Vorliegen von 15Haupt- und 15 Nebenkriterien nach einem standardi-sierten Untersuchungsablauf evaluiert. Bei negativerFamilienanamnese müssen zu Diagnosestellung zweiHauptkriterien aus zwei unterschiedlichen Organsyste-men sowie die zusätzliche Beteiligung eines drittenOrgansystems vorliegen. Kardiovaskuläre Hauptkrite-rien sind die anuloaortale Ektasie, die Aortenklappen-insuffizienz und das Auftreten einer Dissektion der Aortaascendens. Nebenkriterien sind Mitralklappenprolaps,Dilatation der A. pulmonalis vor dem 40. Lebensjahr,Verkalkung des Mitralanulus vor dem 40. Lebensjahrund Dilatation und Dissektionen der thorakalen undabdominellen Aorta vor dem 50. Lebensjahr.

Die klinische Erfahrung zeigt, dass regelmäßige Ver-laufskontrollen zur Erfassung kardiovaskulärer Mani-festationen und frühe medikamentöse und chirurgischeInterventionen den Krankheitsverlauf günstig beeinflus-sen und Komplikationen vermeiden können.

Patienten und Methode

Die Erfahrungen des Deutschen Herzzentrums Berlinstützen sich auf die chirurgische Behandlung von 243

VI/106 Zeitschrift für Kardiologie, Band 90, Supplement 6 (2001)© Steinkopff Verlag 2001

Abb. 1 Typische Aneurysmabildung im Bereich der Aortenwurzel mit unauffälligerdistaler Aorta ascendens

Abb. 2 Die Aortographie des Befunds von Abb. 1 zeigt den dilatierten proximalenTeil der Aorta ascendens mit anuloaortaler Dilatation und Aorteninsuffizienz. DerPfeil zeigt eine Regurgitation des Kontrastmittels durch die Aortenklappe in denlinken Vetrikel

Page 3: Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

Patienten mit Marfan-Syndrom, im Alter von 5 – 75 (imMittel 43) Jahre, 64 weiblich, 179 männlich, die im Zei-traum von 1986 bis 2001 an unserer Einrichtung operiertwurden.

Bei diesen Patienten wurden folgende Aortenersatz-operationen durchgeführt (Tabelle 1):

Tabelle 1 Durchgeführte Aortenersatzoperationen

Operation Anzahl

Aorta ascendens 86Aorta ascendens und Aortenbogen 17Aortenbogen 3Aorta descendens 5Aorta descendens und Aortenbogen 6Aorta thoracoabdominalis 5Infrarenale Bauchaorta 4

Im Bereich der Aorta ascendens und der Aortenklappewurden folgende Operationsverfahren angewendetTabelle 2):

Tabelle 2 Angewendete Operationsverfahren im Bereich ascendens/Aortenklappe

Operationsverfahren Anzahl

Aortenklappenersatz 22Implantation eines Klappen tragenden Konduits (gesamt) 103Bentall 76Cabrol 25Einseitiger Cabrol 2Klappen erhaltende Eingriffe (gesamt) 7David-Operation 1Modifizierte David-Operation 6Komplexe Operationen (gesamt) 7Homograft 4Bentall-Revision 2Revision eines falschen Aneurysmas nach Aorta-ascendens-Ersatz 1

Bei 82 Patienten führten wir im Bereich der Mitralklappefolgende Operationen durch (Tabelle 3):

Tabelle 3 Durchgeführte Operationen im Bereich der Mitralklappe

Operation Anzahl

Mitralklappenrekonstruktion (gesamt) 50Gerbode 21Paneth 13Kombination individueller Rekonstruktionstechniken 16Primärer Mitralklappenersatz 23Mitralklappenersatz nach Rekonstruktion 9

Bei insgesamt 26 Patienten war eine Trikuspidalklap-penrekonstruktion erforderlich (Tabelle 4):

Tabelle 4 Trikuspidalklappenrekonstruktionen

Trikuspidalklappenrekonstruktion Anzahl Patienten

DeVega 11Kay 15

Bei 42 Patienten waren Folgeoperationen in weiterenAortensegmenten oder am Herzen erforderlich (Tabelle5):

Tabelle 5 Folgeoperationen

Häufigkeit Anzahl Patienten

Einmal 24Zweimal 15Viermal 2Sechsmal 1

Ursachen für die weiteren Operationen waren im Einzel-nen Folgende (Tabelle 6):

Tabelle 6 Ursachen weiterer Operationen

Ursachen Anzahl

Neue Aortenaneurysmen oder Dissektionen 16Mitralklappeninsuffizienz 10Aortenklappenprothesenendokarditis 3Falsches Aneurysma der Aorta 3Aortenklappenprothesendegeneration 4Myokardversagen 6

Bei 6 Patienten wurde im Krankheitsverlauf eine Herz-transplantation erforderlich. Bei 2 Patienten erfolgtediese Operation nach Mitralklappen- und Aorta-ascen-dens-Ersatz, bei 2 Patienten im Verlauf nach Ersatz derAorta ascendens und bei 2 Patienten nach sukzessivemErsatz der gesamten Aorta. Aktuell sind noch 5 dieser 6Patienten am Leben. Ein Patient starb in einer auswärti-gen Klinik infolge einer akuten Typ-B-Dissektion. Bei 2Patienten war nach der Herztransplantation ein Aorta-ersatz wegen Aneurysmabildung erforderlich.

Diskussion

Zur Behandlung der Manifestationen des Marfan-Syn-droms am Herzen und der Aorta sind verschiedene Ope-rationsverfahren etabliert (Abb. 3). Die 1968 von Bentallund DeBono [2] eingeführte Methode zum Ersatz deraneurysmatisch erweiterten Aorta und Aortenwurzelmittels eines klappentragenden Konduits und Reim-plantation der Koronararterien wird in der Folgezeitauch bei Patienten mit Marfan-Syndrom verwendet [4]

M. Pasic et al. VI/107Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

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(s. Abb. 3). Das Problem bei der klassischen Bentall-Technik besteht, besonders bei Patienten mit Marfan-Syndrom, in der Gefahr der Bildung von falschen Aneu-rysmen im Bereich des Aortenanulus (Abb. 4) und derKoronarostien (Abb. 5). Deshalb empfiehlt sich beidiesen Patienten die von Kouchoukos [12] eingeführteButton-Technik, bei der die Ostien der Koronararterienmit einem schmalen Streifen Aortenwand exzidiert unddann mit der Aszendensprothese anastomosiert werden.Allerdings kann bei dieser Technik die Kontrolle einerBlutung im Bereich des linken Koronarostiums Schwie-rigkeiten bereiten.

Bei sehr großem Durchmesser der Aortenwurzel mitweit vom Anulus abgerückten Koronarostien, wie esbeim Marfan-Syndrom typisch ist, stellt auch die Cabrol-Technik [3] eine vorteilhafte Methode dar (s. Abb. 3).Durch Verbindung der Koronarostien mit einer Gefäß-

prothese, die dann Seit-zu-Seit mit der Klappen tragen-den Aorta-ascendens-Prothese verbunden wird, vermei-det man jegliche Spannung an den Koronarostien, die beider direkten Anastomosierung der Koronarostien mitder Prothese entstehen kann (s. Abb. 3). Allerdings ver-bietet diese Methode einen straffen Protheseneinschluss,weil es sonst zur Kompression der Bypassbrücke kom-men würde. Auch sind Verläufe beschrieben worden beidenen es zu einer Stenose oder einer Okklusion desGraftschenkels zum rechtskoronaren Ostiums kam [21](Abb. 6).

VI/108 Zeitschrift für Kardiologie, Band 90, Supplement 6 (2001)© Steinkopff Verlag 2001

Abb. 3 Die Methode der Kompositegraft-Implantation beinhaltet den Aorten-klappeneratz mit Ersatz der Aorta ascendens. Die Koronarostien können direkt in dieProthese implantiert werden. Eine Variante ist die Verbindung der Koronarostienüber eine zusätzliche Prothesenbrücke die dann mit der Aszendensprotheseanastomosiert wird

Abb. 4 Pseudoaneurysma der Aortenwurzel nach Kompositegraft-Implantation

Abb. 5 Bildung eines Aneurysmas im Bereich des Koronarostiums mit konsekuti-vem Verschluss

Abb. 6 Stenose der linken Kranzarterie (Pfeil) nach Kompositegraft-Implantationmit Verwendung einer Prothesenbrücke für die Koronarostien (Cabrol-Methode)

Page 5: Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

Um die Probleme der Cabrol-Technik mit der rechtenKranzarterie zu vermeiden, beschrieb Svensson [19] eineTechnik, bei der nur die linke Koronararterie mit einemProthesenarm angeschlossen und die rechte Koronar-arterie direkt in der Button-Technik mit der Aszendens-prothese anastomosiert wird.

Der langfristige Erfolg chirurgischer Maßnahmen beiPatienten mit Marfan-Syndrom ist abhängig vom Aus-maß, in dem es gelingt, das potenziell von der Bindege-websschwäche betroffene Gewebe – also die Aortenwur-zel, den Aortenklappenanulus und die Aortenklappe – zuersetzen oder zu stabilisieren. Operationsverfahren wiedie Aorta-aszendens-Reduktionsplastik, Aneurysma-excision und End-zu-End-Anastomosen und separaterAortenklappenersatz sowie der getrennte Ersatz vonAortenklappe und der Aorta ascendens, zeigen deshalbunbefriedigende Ergebnisse mit hohen Rezidiv- undhohen Reoperationsraten [5, 22] (Abb. 7).

Als Alternativen zur Kompositegraft-Operation wur-den in jüngerer Zeit Verfahren eingeführt, die die Aortaascendens bis zum Aortenklappenanulus ersetzen, aberdie native Aortenklappe erhalten (Abb. 8). Die David-Operation [7] kann bei Patienten mit anuloaortaler Ekta-sie, nur leichter Aortenklappeninsuffizienz und einermorphologisch unauffälligen Aortenklappe verwendetwerden. Bei der Operation wird die gesamte aneurysma-tisch verändete Aortenwand einschließlich der Sinusvalsalvae resiziert. Eine Gefäßprothese wird mit dreiLängsinzisionen versehen, in deren Bereich die Reim-

plantation der Aortenklappenkommissuren erfolgt.Zusätzlich wird mit einem Teflonstreifen der Aorten-klappenanulus im nonkoronaren Bereich gerafft. DieKoronararterien werden in der Button-Technik mit derAszendensprothese anastomosiert.

Bei der von Sarsam und Yacoub [18] vorgeschlagenenOperationsmethode wird in ähnlicher Weise vorgegan-gen, allerdings wird hier auf die zusätzliche Raffung desAortenklappenanulus verzichtet.

Diese Verfahren können bei bikuspider Aorten-klappe, makroskopisch degenerierten Aortentaschen-klappen und einem auf bereits über 40 mm dilatiertenAortenklappenanulus nicht angewendet werden [6].

An unserer Einrichtung wird derzeit in ausgewähltenFällen eine Modifikation der David-Operation durchge-führt, bei der neben den klassischen Schritten der David-Methode eine Graft-Inklusionstechnik Anwendung fin-det, die Koronarostien also nicht in der Button-Technikanastomosiert werden. Dieses Verfahren erleichtert dieBlutstillung und kann ggf. mit der Anlage eines Cabrol-Shunts bei anders nicht beherrschbarer Blutung ergänztwerden (Abb. 9).

Die Langzeitergebnisse dieser Operationsverfahrensind noch nicht absehbar. Allerdings kann, da beim Mar-fan-Syndrom auch die Taschenklappen der Aorten-klappe vom Fibrillindefekt mitbefallen sind, das spätereAuftreten einer Aortenklappeninsuffizienz nicht ausge-schlossen werden.

Die Indikation für einen Eingriff im Bereich der Aortaascendens und der Aortenklappe ist allgemein gegeben,wenn der Durchmesser der Aorta ascendens 5,0 cm über-schreitet bzw. wenn eine Durchmesserprogression vonmehr als 1cm pro Jahr bei Verlaufskontrollen festgestelltwird oder wenn eine hochgradige Aortenklappeninsuffi-zienz vorliegt, die die linksventrikuläre Funktion kom-promittiert [14, 20].

Bei einer Vielzahl von Patienten macht sich dieRekonstruktion oder der Ersatz der Mitralklappe erfor-derlich. Pathoanatomische Veränderungen im Bereichder Segel (floppy mitral valve), der Sehnenfäden (Elon-

M. Pasic et al. VI/109Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

Abb. 7 Entstehung eines Auneurysmas (A) des proximalen Anteils der aorta ascen-dens nach suprakoronarem Ersatz der Aorta ascendens (G)

Abb. 8 Schematische Darstellung der David-Operation mit Ersatz der Aortaascendens unter Erhalt der nativen Aortenklappe

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gation, Ruptur) oder des Mitralklappenanulus (Dilata-tion, Verkalkung) führen zum Mitralklappenprolaps undim späteren Verlauf zur Mitralklappeninsuffizienz. EinMitralklappenprolaps unterschiedlichen Ausmaßes istbei etwa 70% aller Marfan-Patienten zu beobachten [16].Es wird kontrovers diskutiert, ob der Mitralklappenanu-lus bei Eingriffen im Bereich der Aorta ascendens routi-nemäßig in gleicher Sitzung stabilisiert werden sollte,um dem Patienten eine spätere Reoperation zu ersparen.

Generell wird die Indikation zur Rekonstruktion bzw.zum Ersatz der Mitralklappe weitgehend entsprechendden klassischen Indikationen bei Nicht-Marfan-Patien-ten gestellt. Die Rekonstruktionsmethode wird danachausgewählt, welche Komponente des Mitralklappenap-parats pathologisch verändert ist. Dabei kommen auchKombinationen der klassischen Rekonstruktionsverfah-

ren zur Anwendung. Ist eine Mitralklappenrekonstruk-tion aufgrund der Pathomorphologie oder der Gewebe-qualität nicht möglich, muss die Klappe ersetzt werden.

Schlussfolgerungen

Eine kausale Therapie der kardiovaskulären Komplika-tionen ist bei Patienten mit Marfan-Syndrom nicht mög-lich. Regelmäßige Verlaufskontrollen ermöglichen risi-koarme elektive Eingriffe zum Ersatz der erkranktenAortensegmente. Ein Erhalt der nativen Aorten- oderMitralklappen ist möglich, aber die Langzeitresultatesind noch unklar.

VI/110 Zeitschrift für Kardiologie, Band 90, Supplement 6 (2001)© Steinkopff Verlag 2001

Abb. 9 Der Pfeil zeigt einen funktio-nierenden Cabrol-Shunt mit Kontrast-mittelübertritt zwischen der Prothesen-ummantelung und dem rechten Vorhof

Page 7: Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

M. Pasic et al. VI/111Marfan-Syndrom und Herzklappenerkrankungen

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