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LAND. LEBEN. LUST Montag, 6. März 2017 Eßlinger Zeitung 8 Ideenreich Ausrangierte Lattenroste, Wollreste, Kronkorken, schön geformte Steine oder Kalenderblätter: Was manche achtlos liegen lassen, hebt Martina Döffinger auf. „Ich bin eine Jägerin und Sammlerin“, sagt die Künstlerin, die im Kinderhaus Agapedia arbeitet. Mit immer neuen Ideen animiert sie die Mädchen und Jungen zum Basteln. Mit „Tony“ hat sie eine Figur kreiert, die den Beschenkten ein Lächeln ins Gesicht zaubert – hierzulande ebenso, wie in Frankreich, Japan, den USA oder Indien. Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos) E in schmaler, gestrickter Schlauch, der Hals und Kopf von Hand ge- filzt, zwei aufgeklebte Äuglein, eine Wuschelfrisur aus schwarzer Wolle sowie eine Kette und ein Ring aus Metall – fertig ist der Schlüsselan- hänger Tony. „Die Kinder, die re- gelmäßig zu uns ins Haus kommen, wollten unbedingt stricken“, erzählt Martina Döffinger. Da es aber Zeit und Geduld braucht, das Spiel mit Stricknadeln und Wolle zu erlernen, suchte sie nach einem kindgerech- ten Hilfsmittel. Auf der Stuttgarter Bastelmesse entdeckte sie schließ- lich einen speziellen Ring, ähnlich der guten alten Strickliesel, mit dem das Stricken kinderleicht von der Hand geht. „Wenn man mit Kindern bastelt oder handarbeitet, muss es relativ einfach gehen, und man muss schnell einen Erfolg sehen“, weiß die Künstlerin, die mal Arzthelferin gelernt hat. D a Martina Döffinger aber „schon immer mit Kindern arbeiten wollte“, ging sie gemeinsam mit ih- rem Mann Peter nach Kanada, um „Performing Arts“ zu studieren. „Dort sind wir nicht nur theoretisch ausgebildet worden, sondern haben auch Puppenspiel, Clownerie, Mu- sical und vieles mehr gelernt.“ Wie- der zurück in Deutschland träumte das Ehepaar „von einem Haus, in dem man mit Kindern arbeiten kann“. Martina und Peter Döffinger hatten Glück. Denn just in jenen Jah- ren gründete Jürgen Klinsmann seine Kinderstiftung Agapedia und 1996 schließlich in Esslingen das gleichnamige Kinderzentrum, in dem das Ehepaar von Beginn an ar- beitet. T äglich kommen 30 bis 60 Kin- der in die Ulmer Straße und erleben dort, wie sie ihre Frei- zeit sinnvoll gestalten können. Sie proben für ihren Auftritt im Kinderzirkus, spielen und machen Sport miteinander oder üben sich im künstle- risch-kreativen Gestalten. „Da viele Kinder jeden Tag kommen, bin ich gefordert, mir immer was Neues aus- zudenken“, erzählt Martina Döffinger, deren Ding schon immer die Schrift war. „Ich habe Texte ge- schrieben und sie ver- schenkt. Denn das ist dann ein sehr persönliches Ge- schenk.“ So findet man auch heute im großen Werk- und Bastelraum des Kinderhauses kleine, mit fein geschwungenen Buch- staben beschriebene Ka- cheln. Durch eine Magnet- folie auf der Rückseite eig- nen sie sich, um Notizen an einer Pinnwand festzuhalten. Sie werden ebenso zugunsten von Agapedia verkauft wie die lustigen „Tonys“, selbst gebastelte Lesezeichen, Notizbücher oder pop- pig bemalte Sprossen von Latten- rosten, die Martina Döffingers Ide- enreich im Kinderhaus zieren und sich auch gut als Dekoobjekte im Garten machen. Natürlich hat sich die Freizeitgestalterin auch eine kindgerechte Ver- sion der Pinnwandmagnete ausgedacht. „Wenn ich ir- gendein neues Material oder eine neue Technik entde- cke, überlege ich immer, wie sich das so vereinfachen lässt, dass auch Kinder da- ran Spaß haben.“ So kam sie auf die Idee, dass sich Pinnwandkacheln prima mit buntem Papier bekle- ben lassen. Auch das, so lernen die Kinder, lässt sich mit Stempeln oder Druck- vorlagen und ein bisschen Farbe ganz einfach selbst herstellen. D ie bunt gemusterten Pa- pierstücke eigenen sich auch prima, um ein Notiz- buch für die beste Freundin zu bekleben. „Den Kindern ist es sehr wichtig, andere zu beschenken“, berichtet die Künstlerin. „Das kann ich sehr gut nachvollziehen, denn ich verschenke auch gerne etwas“ – am liebsten na- türlich was Selbstgemachtes. Beim Basteln und Werkeln ler- nen die Mädchen und Jungen so ganz nebenbei, „dass Handarbeit etwas sehr Wertvolles ist. Und ihre Sinne werden geschult.“ Zwar liefert Martina Döffinger immer wieder neue Ideen. „Mir ist es aber wichtig, dass die Kinder mit dem Material spielen und selbst Dinge ausprobie- ren können.“ Wenn etwas auf An- hieb mal nicht so gelingt oder man es einfach nicht so schön findet, gibt sie Tipps, wie die Sache doch noch zu retten ist. N achdem die Künstlerin in Stutt- gart den Strickring entdeckt hatte, tüftelte auch sie erst einmal, was sich damit alles machen lässt. Als Martina Döffinger in ihrem un- erschöpflichen Fundus an Bastelma- terial schließlich einige kleine, hand- gefilzte Kugeln entdeckte, war der „Tony“ geboren. Der entwickelte sich im Kinderzentrum Agapedia schnell zum Renner. „Ein Tony geht immer, auch wenn man sich schon vorher bei den Proben für den Kin- derzirkus total ausgepowert hat“, er- zählt die Freizeitpädagogin. Und er ist bei Mädchen und Jungs gleicher- maßen beliebt. „Auch Kinder mit Handicap können ihn basteln.“ Zu- dem macht „Tony“ Werbung für Agapedia und spült Geld in die Kasse. Wenn sich die Heizungsfirma Buderus alle zwei Jahre auf einer Messe in Frankfurt präsentiert, darf Agapedia dort gegen eine Spende die Tony-Figuren verteilen. „Die Kun- den sind total begeistert, weil sie so ein nettes Mitbringsel für ihre Kinder daheim haben.“ So reist „Tony“ in- zwischen um die ganze Welt. Martina Döffinger hat immer wieder neue Ideen. So werden die Leisten ausrangierter Lattenroste zu poppigen Dekoobjekten. Die „Tony“-Köpfe werden von Hand gefilzt. Statt im Müll landen Kronkorken als Magnete an der Pinnwand. Collagen aus selbst gestaltetem Papier zieren ein Notizbuch.

Martina Döffinger hat immer wieder neue Ideen ... - AGAPEDIA€¦ · seine Kinderstiftung agapedia und 1996 schließlich in esslingen das gleichnamige Kinderzentrum, in dem das ehepaar

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Page 1: Martina Döffinger hat immer wieder neue Ideen ... - AGAPEDIA€¦ · seine Kinderstiftung agapedia und 1996 schließlich in esslingen das gleichnamige Kinderzentrum, in dem das ehepaar

land. leben. lust Montag, 6. März 2017Eßlinger Zeitung8

IdeenreichAusrangierte Lattenroste, Wollreste, Kronkorken, schön geformte Steine oder Kalenderblätter: Was manche achtlos liegen lassen, hebt Martina Döffinger auf.

„Ich bin eine Jägerin und Sammlerin“, sagt die Künstlerin, die im Kinderhaus Agapedia arbeitet. Mit immer neuen Ideen animiert sie die Mädchen und Jungen zum Basteln.Mit „Tony“ hat sie eine Figur kreiert, die den Beschenkten ein Lächeln ins Gesicht zaubert – hierzulande ebenso, wie in Frankreich, Japan, den USA oder Indien.

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

ein schmaler, gestrickter schlauch,der Hals und Kopf von Hand ge-

filzt, zwei aufgeklebte Äuglein, eineWuschelfrisur aus schwarzer Wollesowie eine Kette und ein Ring ausMetall – fertig ist der schlüsselan-hänger tony. „die Kinder, die re-gelmäßig zu uns ins Haus kommen,wollten unbedingt stricken“, erzähltMartina döffinger. da es aber Zeitund Geduld braucht, das spiel mitstricknadeln und Wolle zu erlernen,suchte sie nach einem kindgerech-ten Hilfsmittel. auf der stuttgarterbastelmesse entdeckte sie schließ-lich einen speziellen Ring, ähnlichder guten alten strickliesel, mit demdas stricken kinderleicht von derHand geht. „Wenn man mit Kindernbastelt oder handarbeitet, muss esrelativ einfach gehen, und man mussschnell einen erfolg sehen“, weißdie Künstlerin, die mal arzthelferingelernt hat.

da Martina döffinger aber „schonimmer mit Kindern arbeiten

wollte“, ging sie gemeinsam mit ih-rem Mann Peter nach Kanada, um„Performing arts“ zu studieren.„dort sind wir nicht nur theoretischausgebildet worden, sondern habenauch Puppenspiel, Clownerie, Mu-sical und vieles mehr gelernt.“ Wie-der zurück in deutschland träumtedas ehepaar „von einem Haus, indem man mit Kindern arbeitenkann“. Martina und Peter döffingerhatten Glück. denn just in jenen Jah-ren gründete Jürgen Klinsmann

seine Kinderstiftung agapedia und1996 schließlich in esslingen dasgleichnamige Kinderzentrum, indem das ehepaar von beginn an ar-beitet.

täglich kommen 30 bis 60 Kin-der in die ulmer straße und

erleben dort, wie sie ihre Frei-zeit sinnvoll gestalten können.sie proben für ihren auftrittim Kinderzirkus, spielen undmachen sport miteinanderoder üben sich im künstle-risch-kreativen Gestalten.„da viele Kinder jeden tagkommen, bin ich gefordert,mir immer was neues aus-zudenken“, erzählt Martinadöffinger, deren dingschon immer die schriftwar. „Ich habe texte ge-schrieben und sie ver-schenkt. denn das ist dannein sehr persönliches Ge-schenk.“ so findet manauch heute im großenWerk- und bastelraum desKinderhauses kleine, mitfein geschwungenen buch-staben beschriebene Ka-cheln. durch eine Magnet-folie auf der Rückseite eig-nen sie sich, um notizen aneiner Pinnwand festzuhalten.sie werden ebenso zugunstenvon agapedia verkauft wie dielustigen „tonys“, selbst gebasteltelesezeichen, notizbücher oder pop-pig bemalte sprossen von latten-

rosten, die Martina döffingers Ide-enreich im Kinderhaus zieren undsich auch gut als dekoobjekteim Garten machen. natürlichhat sich die Freizeitgestalterinauch eine kindgerechte Ver-sion der Pinnwandmagneteausgedacht. „Wenn ich ir-gendein neues Material odereine neue technik entde-cke, überlege ich immer,wie sich das so vereinfachenlässt, dass auch Kinder da-ran spaß haben.“ so kamsie auf die Idee, dass sichPinnwandkacheln primamit buntem Papier bekle-ben lassen. auch das, solernen die Kinder, lässt sichmit stempeln oder druck-vorlagen und ein bisschenFarbe ganz einfach selbstherstellen.

die bunt gemusterten Pa-pierstücke eigenen sich

auch prima, um ein notiz-buch für die beste Freundinzu bekleben. „den Kindernist es sehr wichtig, andere zubeschenken“, berichtet dieKünstlerin. „das kann ichsehr gut nachvollziehen,denn ich verschenke auchgerne etwas“ – am liebsten na-türlich was selbstgemachtes.

beim basteln und Werkeln ler-nen die Mädchen und Jungen so

ganz nebenbei, „dass Handarbeitetwas sehr Wertvolles ist. und ihre

sinne werden geschult.“ Zwar liefertMartina döffinger immer wiederneue Ideen. „Mir ist es aber wichtig,dass die Kinder mit dem Materialspielen und selbst dinge ausprobie-ren können.“ Wenn etwas auf an-hieb mal nicht so gelingt oder manes einfach nicht so schön findet, gibtsie tipps, wie die sache doch nochzu retten ist.

nachdem die Künstlerin in stutt-gart den strickring entdeckt

hatte, tüftelte auch sie erst einmal,was sich damit alles machen lässt.als Martina döffinger in ihrem un-erschöpflichen Fundus an bastelma-terial schließlich einige kleine, hand-gefilzte Kugeln entdeckte, war der„tony“ geboren. der entwickeltesich im Kinderzentrum agapediaschnell zum Renner. „ein tony gehtimmer, auch wenn man sich schonvorher bei den Proben für den Kin-derzirkus total ausgepowert hat“, er-zählt die Freizeitpädagogin. und erist bei Mädchen und Jungs gleicher-maßen beliebt. „auch Kinder mitHandicap können ihn basteln.“ Zu-dem macht „tony“ Werbung füragapedia und spült Geld in dieKasse. Wenn sich die Heizungsfirmabuderus alle zwei Jahre auf einerMesse in Frankfurt präsentiert, darfagapedia dort gegen eine spende dietony-Figuren verteilen. „die Kun-den sind total begeistert, weil sie soein nettes Mitbringsel für ihre Kinderdaheim haben.“ so reist „tony“ in-zwischen um die ganze Welt.

Martina Döffinger hat immer wieder neue Ideen. So werden die Leisten ausrangierter Lattenroste zu poppigen Dekoobjekten.

Die „Tony“-Köpfe werden von Hand gefilzt. Statt im Müll landen Kronkorken als Magnete an der Pinnwand. Collagen aus selbst gestaltetem Papier zieren ein Notizbuch.