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Universität Zürich Rechtswissenschaftliche Fakultät Masterarbeit Der Handel mit gestohlener Kunst: Darstellung der notwendigen Sorgfalt beim Kunsterwerb in der Schweiz bei Prof. Dr. iur. Helmut Heiss vorgelegt am 30. Mai 2014 von Lukas Brugger Bülachstrasse 11c 8057 Zürich [email protected] +41 79 284 1945 09 304 718 4. Semester Master FS 2014

Masterarbeit_Brugger Lukas

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Universität Zürich

Rechtswissenschaftliche Fakultät

Masterarbeit

Der Handel mit gestohlener Kunst: Darstellung der

notwendigen Sorgfalt beim Kunsterwerb in der

Schweiz

bei

Prof. Dr. iur. Helmut Heiss

vorgelegt am 30. Mai 2014 von

Lukas Brugger

Bülachstrasse 11c

8057 Zürich

[email protected]

+41 79 284 1945

09 – 304 – 718

4. Semester

Master

FS 2014

Page 2: Masterarbeit_Brugger Lukas

II

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................ VII

Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... VIII

Materialienverzeichnis ............................................................................................................... XVI

A. EINLEITUNG .......................................................................................................................... 1

B. DER ERWERB EINES KUNSTWERKS IM SCHWEIZERISCHEN RECHT ............................ 4

I. Die Problematik .................................................................................................................... 4

II. Kunst als Kulturgut und als kulturelles Erbe ...................................................................... 4

1. Definition der UNESCO ................................................................................................... 4

2. Definition nach dem Kulturgütertransfergesetz ................................................................ 6

3. Kriterien zur Erkennung von Kulturgütern ........................................................................ 6

III. Der Erwerb eines Kunstwerks ............................................................................................. 8

1. Der rechtsgeschäftliche Erwerb eines Kunstwerks .......................................................... 8

a) Allgemeines ............................................................................................................. 8

b) Der Erwerb im Zuge einer Auktion ........................................................................... 9

c) Sonderfall schweizerisches Kulturgut ..................................................................... 10

aa) Unveräusserlichkeit von kulturellem Erbe ....................................................... 10

aaa) Schweizerisches kulturelles Erbe ............................................................ 10 bbb) Sonderfall ausländisches kulturelles Erbe ............................................... 11

bb) Erschwerter Erwerb von einfachem Kulturgut ................................................. 12

aaa) Der Erwerb von einfachem Kulturgut ...................................................... 12 bbb) Rechtfertigung des Erwerbs von Kulturgut .............................................. 13

2. Der originäre Erwerb eines Kunstwerks ......................................................................... 14

a) Allgemeines ........................................................................................................... 14

b) Der gutgläubige Erwerb ......................................................................................... 15

aa) Bei beweglichen Sachen ................................................................................. 15

bb) Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen 16

cc) Unterscheidung bei Werken der Kunst ............................................................ 17

dd) Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs ....................................................... 17

c) Die Ersitzung .......................................................................................................... 18

aa) Allgemeines .................................................................................................... 18

bb) Die Rolle in der Praxis .................................................................................... 19

Page 3: Masterarbeit_Brugger Lukas

III

IV. Die Verteidigung gegen Herausgabeansprüche ............................................................... 20

1. Herausgabeansprüche des ursprünglichen Eigentümers ............................................... 20

a) Besitzrechtsklage und Vindikation bei einfacher Fahrnis ........................................ 20

b) Rückforderungsrecht bei Kulturgütern .................................................................... 21

c) Exkurs: Rückforderungsrecht von ausländischen Staaten ...................................... 22

d) Fristen .................................................................................................................... 22

2. Verteidigungsmöglichkeiten des Besitzers..................................................................... 23

3. Lösungsrecht ................................................................................................................. 24

a) Allgemeines ........................................................................................................... 24

b) Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises ....................................................... 25

c) Der Regress gegen den Verkäufer ......................................................................... 25

V. Zwischenfazit ...................................................................................................................... 26

C. SORGFALT DES ERWERBERS BEIM KUNSTKAUF ......................................................... 28

I. Die Regulierung des Kunsthandels ................................................................................... 28

1. Gründe der Regulierung des Kunsthandels ................................................................... 28

2. Selbstregulierung im Kunsthandel ................................................................................. 29

3. Positivrechtliche Sorgfaltspflichten durch das KGTG ..................................................... 30

a) Erhöhte Anforderungen an im Kunsthandel professionell tätige Personen ............. 31

b) Praktische Aufbewahrungspflicht für private Erwerber ........................................... 32

4. Drittwirkung der erhöhten Sorgfalt für private Erwerber? ............................................... 32

II. Nachforschung bei verdächtigen Umständen .................................................................. 33

1. Die Bedeutung des guten Glaubens .............................................................................. 33

a) Die Bedeutung im Kunsterwerb .............................................................................. 33

b) Der gute Glauben im Allgemeinen .......................................................................... 33

c) Der gute Glaube in einem Rechtsgeschäft ............................................................. 34

aa) Gegenstand und Zeitpunkt des guten Glaubens ............................................. 34

bb) Bösgläubigkeit durch mangelnde Aufmerksamkeit .......................................... 34

d) Der gute Glaube im Zuge einer Auktion ................................................................. 35

e) Der gute Glaube bei der Ersitzung ......................................................................... 36

aa) Gegenstand des guten Glaubens.................................................................... 36

bb) Zeitpunkt des guten Glaubens ........................................................................ 36

2. Umstände als Anlass zu erhöhter Sorgfalt ..................................................................... 38

Page 4: Masterarbeit_Brugger Lukas

IV

a) Keine allgemeine Erkundigungspflicht .................................................................... 38

b) Besondere Umstände zu erhöhter Sorgfalt ............................................................ 38

c) Erhöhte Anforderungen bei Waren zweifelhafter Herkunft ...................................... 39

aa) Gefährdete Geschäftsbranche ........................................................................ 39

aaa) Luxusauto-Occasions-Handel ................................................................. 39 bbb) Antiquitätenhandel .................................................................................. 39

bb) Übertragener Gegenstand als Kriterium .......................................................... 40

cc) Branchenkenntnis des Erwerbers ................................................................... 40

3. Sorgfalt im Kunstmarkt .................................................................................................. 42

a) Der Kunstmarkt als gefährdete Geschäftsbranche? ............................................... 42

aa) BGE 123 II 134 ............................................................................................... 42

bb) Kritik ............................................................................................................... 43

cc) Ein Kulturgut zur Sicherung eines Bankkredits................................................ 43

aaa) Sachverhalt und Entscheidung im BGE 131 III 418................................. 43 bbb) Nichtbeachtung ausländischer Ausfuhrbestimmungen ............................ 45 ccc) Kritik ....................................................................................................... 45

b) Qualifikation der Sorgfalt im Kunstmarkt ................................................................ 46

aa) Absage an den gesamthaft riskanten Markt .................................................... 46

bb) Unterscheidung in Teilmärkte ......................................................................... 47

III. Beispiele und Zwischenfazit .............................................................................................. 48

D. DIE NACHFORSCHUNGSMASSNAHMEN ......................................................................... 50

I. Traditionelle Massnahmen zur Provenienzerkundigung ................................................. 50

1. Ausstellung einer Verfügungsberechtigung ................................................................... 50

2. Die Nachfrage bei einem Sachverständigen .................................................................. 51

II. Die Konsultation von Registern im Internet ...................................................................... 52

1. Allgemeines ................................................................................................................... 52

2. Die Datenbanken ........................................................................................................... 53

a) Art Loss Register ................................................................................................... 53

aa) Geschichte ...................................................................................................... 53

bb) Arbeitsweise ................................................................................................... 53

b) Interpol und ICOM Red List .................................................................................... 55

c) Nationale Datenbanken und weitere Informationsquellen ....................................... 56

d) Funktionen und Relevanz....................................................................................... 56

3. Geeignetheit .................................................................................................................. 57

a) Öffentliche und private Register ............................................................................. 57

Page 5: Masterarbeit_Brugger Lukas

V

b) Zugänglichkeit für Privatpersonen .......................................................................... 58

c) Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität ............................................................ 59

aa) Anspruch auf Vollständigkeit ........................................................................... 59

bb) Anspruch auf Aktualität ................................................................................... 61

d) Publizität ................................................................................................................ 61

aa) Vorschlag der Publizität für Kulturgüterregister ............................................... 61

bb) Kritik ............................................................................................................... 62

III. Schlussfolgerungen und Zwischenfazit ............................................................................ 63

E. DER «FALL MALEWITSCH» UND DIE WÜRDIGUNG DER KONSULTATION EINES

REGISTERS ......................................................................................................................... 65

I. Vorbemerkungen zum «Fall Malewitsch» ......................................................................... 65

1. Rechtsnatur der erforderlichen Sorgfalt und Beweislast ................................................ 65

a) Massgebliche Sorgfalt als Obliegenheit .................................................................. 65

b) Beweislast .............................................................................................................. 66

2. Eignung der Nachforschungsmassnahme ..................................................................... 67

a) Eignung der Massnahme ....................................................................................... 67

b) Kausalitätserfordernis bei Unterlassung ................................................................. 68

II. Der «Fall Malewitsch» ........................................................................................................ 69

1. Sachverhalt des BGE 139 III 305 .................................................................................. 69

a) Ausgangssachverhalt ............................................................................................. 69

b) Umstände des Erwerbs .......................................................................................... 70

aa) Vorgeschichte zum Erwerb ............................................................................. 70

bb) Der Zustand des Gemäldes und die Marktsituation ......................................... 71

c) Getätigte Nachforschungsmassnahmen des Erwerbers ......................................... 71

aa) Echtheitsprüfung und Zutragung eines Gerüchts ............................................ 71

bb) Konsultation und Nachfrage bei offiziellen Behörden ...................................... 71

2. Entscheidung des Gerichts ............................................................................................ 72

aa) Vorbemerkungen ............................................................................................ 72

bb) Entscheidung .................................................................................................. 73

aaa) Beweiswürdigung der Umstände durch das Bundesgericht .................... 73 bbb) Würdigung der Nachforschungsmassnahmen durch das Bundesgericht 74 ccc) Entscheidung des Bundesgerichts .......................................................... 75

cc) Rückweisung an das Obergericht Zürich......................................................... 75

3. Würdigung des Entscheids BGE 139 III 305 .................................................................. 76

a) Vorbemerkungen ................................................................................................... 76

Page 6: Masterarbeit_Brugger Lukas

VI

b) Ein Gerücht als verdächtiger Umstand ................................................................... 76

aa) Annahmen des Gerichts ................................................................................. 76

bb) Kritik ............................................................................................................... 77

c) Bösgläubigkeit durch Unterlassung der Nachfrage bei einer Kunstkennerin ........... 79

aa) Annahmen des Gerichts ................................................................................. 79

bb) Kritik ............................................................................................................... 79

d) Beurteilung nach aktuellem Recht .......................................................................... 81

III. Würdigung der Registerkonsultation ................................................................................ 82

1. Registerkonsultation als Marktstandard im Kunsthandel ................................................ 82

2. Konsultation eines Registers nach KGTG...................................................................... 82

a) Gesetzliche Ausgangslage ..................................................................................... 82

b) Exkurs: Konsultationspflicht im UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 .................. 83

c) Lehre und Rechtsprechung der Schweiz ................................................................ 84

3. Konsultation eines Registers und die Vermutung des guten Glaubens .......................... 85

a) Vermutung des guten Glaubens bei Konsultation eines Registers ......................... 85

b) Ergebnis: Konsultationsobliegenheit für private Erwerber....................................... 86

IV. Zwischenfazit ...................................................................................................................... 87

F. GESAMTERGEBNIS ............................................................................................................ 89

ANHANG A: PARLAMENTARISCHE INITIATIVE ULRICH FISCHER ....................................... 90

ANHANG B: EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG ................................................................... 98

Page 7: Masterarbeit_Brugger Lukas

VII

Abkürzungsverzeichnis

a.A. anderer Ansicht

a.a.O. am angegebenen Ort

ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs. Absatz

AJP Aktuelle Juristische Praxis

Art. Artikel

AS Amtliche Sammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Aufl. Auflage

BBl. Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft

BGE Amtliche Sammlung der Bundesgerichtsentscheide

bspw. beispielsweise

bzw. beziehungsweise

E. Erwägung

ff. und folgende

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fn. Fussnote

Hrsg. Herausgeber

h.L. herrschende Lehre

i.S.d. Im Sinne des/der

i.V.m. in Verbindung mit

Kap. Kapitel

KUR Zeitschrift für Kunst und Recht

Lit. litera

m.w.H. mit weiteren Hinweisen

N Randnote

NZZ Neue Zürcher Zeitung

Rz. Randziffer

SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung

SJ Semaine judiciaire

ZBJV Zeitschrift des bernerischen Juristenvereins

SZIER Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

Vgl. vergleiche

z.B. zum Beispiel

Ziff. Ziffer

ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht

Page 8: Masterarbeit_Brugger Lukas

VIII

Literaturverzeichnis

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turgüterverkehr)

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1572181.html>

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RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts)

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Page 11: Masterarbeit_Brugger Lukas

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Page 16: Masterarbeit_Brugger Lukas

XVI

Materialienverzeichnis

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1970 und UNIDROIT-Konvention 1995, herausgegeben vom Bundesamt für Kultur, Bern

1998 (zitiert: Bericht der Arbeitsgruppe über den internationalen Kulturgütertransfer)

Botschaft über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen

Kulturgütertransfer (KGTG) vom 21. November 2001, BBl. 2002, 535 (zitiert: Botschaft

zum KGTG)

Checkliste «Kulturgut» gemäss Kulturgütertransfergesetz des Bundesamts für Kultur (BAK) vom

April 2013, aufrufbar: <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/index.html?lang=de>

(05.03.2014) (zitiert: Checkliste «Kulturgut» BAK)

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Mai 2005, aufrufbar: <http://www.cinoa.org/index.pl?id=2273> (12.04.2014) (zitiert: Code

of Ethics CINOA)

Code of Ethics for Museums vom International Council of Museums (ICOM) vom 8. Oktober 2004,

<http://icom.museum/fileadmin/user_upload/pdf/Codes/code_ethics2013_eng.pdf>

(11.04.2014) (zitiert: Code of Ethics ICOM)

Entwurf zur Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer vom Eidgenössischen Depar-

tement des Inneren vom 30. Juni 2004 (auf persönliche Nachfrage; liegt dem Verfasser

vor) (zitiert: Entwurf zur Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer)

Erläuternde Wegleitung «neue Regeln im Kunsthandel», Eine Wegleitung zum Kulturgütertrans-

fergesetz für Kunsthandel und Auktionswesen, Bundesamt für Kultur (BAK) vom 4. Juli

2013, aufrufbar: <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/04401/index.html?lang=de>

(20.05.2014) (zitiert: Wegleitung «Neue Regeln im Kunsthandel» des Bundesamts für

Kultur)

Ethikcode des Verbandes schweizerischer Antiquare und Kunsthändler (VSAK) vom 27. Mai

2000, aufrufbar unter: <http://www.vsak.org/site_de/ethik.html> (12.04.2014) (zitiert:

Ethikcode VSAK)

Parlamentarische Initiative 01.450 vom Nationalrat ULRICH FISCHER vom 4. Oktober 2001, zurück-

gezogen am 4. März 2003 (auf persönliche Nachfrage; im Anhang) (zitiert: Parlamentari-

sche Initiative 01.450)

Page 17: Masterarbeit_Brugger Lukas

1

A. Einleitung

1 Der Erwerb von Kunstwerken, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Besitzverhält-

nisses dem Eigentümer1 unrechtmässig abhandengekommen sind, stellt eine in der Öf-

fentlichkeit seit jeher sehr kontrovers aufgenommene Komponente des internationalen

Kunsthandels dar. Zahlreich sind die ins Licht der Aufmerksamkeit gerückten Fälle von

sogenannter Raub-, und Beutekunst, bei denen es sich um Kunst- und Kulturgüter han-

delt, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs den Besitzer gewechselt haben.2 Zudem

vergeht kaum eine Woche, in der nicht von einem neuen, spektakulären Kunstdiebstahl

oder von der Entdeckung eines verschollen geglaubten Werks berichtet wird.

2 Prominentestes Beispiel der jüngsten Vergangenheit stellt der «Fall Gurlitt» dar, bei

dem mehr als 1200 Gemälde von namhaften Künstlern wie Van Gogh, Chagall oder

Monet durch die Staatsanwaltschaft Augsburg konfisziert wurden.3 Bei einigen dieser

Werke handelt es sich um noch nie veröffentlichte bzw. nicht bekannte Kunstwerke,

während bei anderen hauptsächlich die Frage der Provenienz aufgeworfen wird, bei der

festgestellt werden muss, woher die Werke stammen und ob sie früheren Eigentümern

abhandengekommen sind.4 Ein weiteres bekanntes Beispiel ist die Rückgabe des

Werks «Goldene Adele» (Bildnis der Adele Bloch-Bauer I) von Gustav Klimt an die Er-

ben der ursprünglichen jüdischen Besitzer durch die Republik Österreich.5 Besonders

deutlich werden hier die oft starken öffentlichen Interessen an der (Nicht-)Rückgabe von

Kunst, wenn sie als für die Geschichte eines Staates als so wichtig anerkannt werden,

dass private Interessen in den Hintergrund gedrängt werden.

3 Die Schweiz steht als einer der bedeutendsten Kunsthandelsplätze der Welt dabei im

Zentrum des Kunst- und Kulturgütertransfers.6 Über lange Zeit hinweg galt die Schweiz

als sehr liberal bezüglich der Möglichkeiten, Eigentum an einem Kunstwerk zu erlangen,

1 Die in der vorliegenden Arbeit aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung verwendete

männliche Form beinhaltet in jedem Fall implizit auch die weibliche Form. 2 Im Allgemeinen spricht man bei Raubkunst von gestohlenen und konfiszierten Kunstwerken

durch die Nationalsozialisten in von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Als Beutekunst be-zeichnet werden die von den Alliierten entwendeten Kunstgegenstände auf ehemaligem deutschem Boden im Zuge des Kampfes gegen Nazi- Deutschland. Für die Unterscheidung siehe GLAUS/STUDER, 171.

3 Vgl. zum Ganzen: BAUMGARTNER/GYR/LAHRTZ, <http://www.nzz.ch/aktuell/panorama/ein-monstroeser-fund-gibt-raetsel-auf-1.18179309> (20.04.2014).

4 Vgl. SCHOCH, viele Fragen des Rechts, NZZ vom 07.11.2013; Erste Klagen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Bayern sind von Erben aus den Vereinigten Staaten von Amerika bereits eingereicht worden, Gurlitt Bild: New Yorker klagt Deutsch-land und Bayern, Die Presse vom 15.03.2014, <http://diepresse.com/home/kultur/kunst/1575356/GurlittBild_New-Yorker-klagt-Deutschland-und-Bayern?_vl_backlink=/home/index.do> (15.03.2014). Durch testamentarische Verfügung vermachte Gurlitt, nach seinem Tod im Mai 2014, die gesamte Sammlung dem Kunstmuseum Bern. Zum Zeitpunkt des Verfassens die-ser Abhandlung ist es unklar, wie das Kunstmuseum Bern etwaigen Restitutionsansprüchen entgegentreten wird, vgl. LAHRTZ/GERNY, <http://www.nzz.ch/aktuell/panorama/wie-ein-blitz-aus-heiterem-himmel-1.18297793> (10.05.2014); vgl. zu diesem Thema auch NZZ vom 25.05.2014, <http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/mit-der-sammlung-gurlitt-stehen-wir-am-anfang-einer-neuen-diskussion-1.18308466> (25.05.2014).

5 Für eine genaue Auseinandersetzung siehe: WELSER RUDOLF/RABL CHRISTIAN, Der Fall Klimt: Die rechtliche Problematik der Klimt-Bilder im Belvedere, Wien 2005.

6 Bericht der Arbeitsgruppe über den internationalen Kulturgütertransfer, 5 und 90; vgl. BI-

SCHOFF, 31 m.w.H.

Page 18: Masterarbeit_Brugger Lukas

2

da von einem Erwerber keine besonderen Erkundigungspflichten bezüglich der Herkunft

des Werks verlangt wurden.7

4 Neben der hauptsächlich aus politisch-historischen Gründen geführten Debatte um die

Restitution solcher Kunstwerke erfährt der internationale Kunstmarkt eine in letzter Zeit

immer mehr an Bedeutung gewinnende ökonomisch-juristische Relevanz. Der illegale

Transfer kultureller Güter wird hinter dem illegalen Drogenmarkt bereits als weltweit

zweitprofitabelster Schwarzmarkt und als wichtiger Umschlageplatz für Geldwäscherei

anerkannt.8 Umso überraschender erscheint es, dass der Kunstmarkt – im Gegensatz

zu beispielsweise den Geldwäschereibestimmungen im Finanzmarkt – eine nur sehr ge-

ringe Regulierungsdichte kennt.9

5 Ein grosser Teil dieser Probleme sind die charakteristischen Merkmale des Kunstmark-

tes, welcher sich allgemeinhin durch Inhomogenität, Vertraulichkeit, Diskretion und eine

sehr ausgeprägte Internationalität auszeichnet.10 Die Akteure sind dabei so vielfältig wie

der Kunstmarkt selbst. Kunsthändler, Sammler, Auktionshäuser, Museen, Staaten sowie

Künstler haben oft diametral entgegen gesetzte Interessen, die auf dem Handelsplatz

durch die «Ware» Kunst in Einklang gebracht werden müssen.

6 Einige Probleme, wie vor allem das von der Öffentlichkeit vorgebrachte Unverständnis

über die oft sehr langwierigen Prozesse zur Herausgabe von gestohlenen Kunstwerken,

sind darauf zurückzuführen, dass spezifische Regelungen über den Kunstmarkt bereits

auf nationaler Ebene fehlen und sich darüber hinaus die internationale Rechtslage als

äusserst komplex und vielschichtig darstellt.

7 Dennoch erfreut sich der Kunstmarkt heute ungebremster Beliebtheit. In Zeiten unsiche-

rer Finanzmärkte scheint die Akquisition von Kunst eine ernstzunehmende Alternative

zu anderen, teils hochspekulativen Investitionsvehikel zu sein.11 Man denke beispiels-

weise an den Verkauf der Werke «Three studies of Lucien Freud» von Francis Bacon

um die Rekordsumme von 142,4 Mio. $ durch das Auktionshaus Christie’s am 12. No-

vember 2013.12 Die Rentabilität bei Kunstwerken kann mitunter ohne weiteres mit an-

derweitigen Investitionen verglichen werden.13

8 Unter den zahlreichen Themen, die im Spannungsfeld von Kunst und Recht Aufmerk-

samkeit verdienten, versucht die vorliegende Masterarbeit, den Fokus auf den Erwerb

7 Lange hatte die Schweiz den Ruf die Drehscheibe des illegalen Kulturgütertransfers zu sein,

RASCHER, Dubiose Geschäfte sind keine Kunst, 164; bereits zu Zeiten des zweiten Weltkriegs spiele die Schweiz als Handelsplatz sowohl für jüdische Verfolgte, die sich durch den Verkauf von Kunstwerken Liquidität für die Flucht beschaffen wollten, als auch für Nazis eine wichtige Rolle. Diese Kategorie von Kunstwerken wird als «Fluchtkunst» bezeichnet, siehe GLAUS/STUDER, 172.

8 Vgl. ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 46 ff. m.w.H.; RASCHÈR, Kulturgüterhandel und Glo-balisierung, 8; BISCHOFF, 67 f. m.w.H.

9 SIEHR, Kulturgüterschutz, Rz. 154. 10 SCHACK, N 129 ff. m.w.H.; BISCHOFF, 67 f. m.w.H. 11 GRATWOHL, <http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/oelgemaelde-und-goldbarren-im-

betonbunker-1.18232647> (20.03.2014). 12 Bacon Gemälde erzielt Rekordpreis, Zeit Online vom 13.11.2013,

<http://www.zeit.de/kultur/2013-11/auktion-bacon-gemaelde-erzielt-rekordpreis> (03.03.2014).

13 So konnte sich beispielsweise das Umsatzvolumen von Werken des französischen Impressi-onismus zwischen 1988 bis 1990 durch Ankäufe japanischer Investoren verdreifachen, GONZÁLEZ, 21.

Page 19: Masterarbeit_Brugger Lukas

3

von Kunstwerken zu legen. Es soll nachfolgend behandelt werden, welche Risiken den

Erwerb von originalen Kunstwerken aus rechtlicher Sicht in der Schweiz begleiten. Da-

bei stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Kunstwerk als bewegliche körperliche Sa-

che unter jeglichen Umständen erworben werden kann, selbst wenn es als prägend und

äusserst wichtig für die Identität eines Staates gilt oder es einem ehemaligen Eigentü-

mer entwendet wurde. Diese Frage wird reflexartig meist negativ beantwortet, doch die

genaue Ausgestaltung der Anforderungen der innerstaatlichen Rechtsordnungen in Be-

zug auf den Erwerb von Kunstwerken wirft eine Vielzahl von Problemen auf und es be-

darf daher einer differenzierten Antwort.

9 In Zeiten ständiger Aufrufbarkeit von Informationen durch das Internet stellt sich zudem

die Frage, wie sich die notwendige Sorgfalt beim Kunsterwerb entwickelt hat und wei-

terhin entwickeln wird. Daher setzt sich die vorliegende Abhandlung insbesondere mit

der Betrachtung auseinander, unter welchen Umständen ein Kunsterwerber besondere

Vorsicht walten muss und welche Möglichkeiten ihm zur Provenienzerkundigung zur

Verfügung stehen. Den zentralen Ausgangspunkt bildet dabei der Erwerb eines Kunst-

werks in der Schweiz, das dem ursprünglichen Eigentümer gestohlen worden ist. Zu

diesem Zwecke wird jeweils angenommen, dass das Kollisionsrecht die Anwendung des

schweizerischen Rechts vorsieht.

10 Auf Fragen bezüglich der Fälschung von Kunst wird hingegen in der vorliegenden Arbeit

nicht eingegangen. Auch behandelt diese Arbeit nur teilweise und lediglich zur Erörte-

rung die Aspekte von Herausgabeansprüchen aus Sicht (ehemaliger) Eigentümer eines

Kunstwerks.

11 Ebenso widmet sich die vorliegende Abhandlung nicht dem Thema der Rückgabe von

während des Zweiten Weltkriegs konfiszierten und entwendeten Kunstwerken. Die An-

merkungen, die diesbezüglich getätigt werden, sollen einzig dem Verständnis der Kom-

plexität des Kunstmarkts dienen. Für eine genauere Auseinandersetzung mit diesen

Themen wird auf die Spezialliteratur verwiesen.14

14 Für Fragen die Fälschung von Kunst betreffend siehe: SANDMANN MELANIE, Die Strafbarkeit

der Kunstfälschung, Augsburg 2004. Für Fragen der Restitution siehe: SCHÖNEBERGER BEAT, Restitution von Kulturgut, Bern 2009. Für die Rückerstattung von während der Zeit der Natio-nalsozialisten siehe: ARMBRUSTER VON STAFÄ UND RÜCKSCHLIKON THOMAS, Rückerstattung der Nazi-Beute: Die Suche, Bergung und Restitution von Kulturgütern durch die westlichen Alliier-ten nach dem Zweiten Weltkrieg, Zürich 2007.

Page 20: Masterarbeit_Brugger Lukas

4

B. Der Erwerb eines Kunstwerks im schweizerischen Recht

I. Die Problematik

12 Von antiken Rechtsgrundsätzen an – bis zur Begründung moderner Rechtsordnungen –

kannte der Eigentümer einer Sache unterschiedliche Verteidigungsansprüche gegen

den ungewollten Verlust seines Besitzes.15 Wäre die Problematik unfreiwillig abhanden

gekommener Kunstwerke einzig auf den Diebstahl und die Herausgabe gegenüber dem

Dieb reduziert, würde sich die Auseinandersetzung mit dem Kunstrecht als Spezialthe-

matik erübrigen und die allgemein gültigen Normen des Sachenrechts bzw. Strafrechts

würden sich als ausreichend erweisen.16

13 Der Kunstmarkt jedoch ist, wie das Kunstwerk an sich, nur schwer in das allgemeine

Rechtsgefüge integrierbar.17 Trotz der Fälle des sogenannten «art napping», bei denen

es sich um eine ernst zu nehmende Kategorie des organisierten Verbrechens handelt,18

liegt der Fokus der juristischen Komplexität bei entwendeten Kunstgütern weniger beim

Dieb selbst (diese Frage liesse sich ohne grössere Schwierigkeiten lösen), sondern

beim Dritterwerber. Dieser steht vor der Anschaffung des Kunstwerks meist in keinem

direkten Verhältnis zum Eigentümer. Insbesondere beruht die Begründung eines

Rechtsverhältnisses zum Eigentümer in aller Regel nicht auf deliktischem Handeln,

sondern auf gutgläubigem Erwerb.19 Der Erwerber eines Kunstwerks sieht sich im

Kunstmarkt regelmässig mit dem Problem konfrontiert, ein Werk zu erwerben, welches

mit Rechtsmängeln behaftet ist und welches ihm unter Umständen nicht übertragen hät-

te werden dürfen. Neben der derivativen Erwerbsart bestehen bspw. durch den Erbgang

und die Schenkung weitere Arten, die dem Dritten ein solch belastetes Eigentum ver-

schaffen.

14 Im Folgenden wird versucht auf diese Fragen aus Sicht des Erwerbers einzugehen. Zur

rechtlichen Beurteilung dieser Ausgangsfrage wird besonderes Augenmerk auf die Er-

werbsfähigkeit von Kunstgütern an sich, sowie auf die Modalitäten und Voraussetzun-

gen deren Anschaffung gelegt. Eine Analyse der Rechtsstellung des Erwerbers wäre

unzweifelhaft unvollständig, würde nicht ebenfalls auf die Herausgabeansprüche eines

(ehemaligen) Eigentümers, dem ein Kunstgegenstand gestohlen oder entwendet wor-

den ist, eingegangen. Daher werden in einem gesonderten Teil die Verteidigungsan-

sprüche des Erwerbers gegenüber solcher Herausgabeklagen behandelt.

II. Kunst als Kulturgut und als kulturelles Erbe

1. Definition der UNESCO

15 Die meisten Staaten haben heute Gesetze erlassen, die ihr kulturelles Erbe und beson-

ders wichtige Kulturgüter mit einem höheren Schutz versehen, als dies bei «normalen»

Gegenständen der Fall ist. Darüber hinaus bestehen zahlreiche internationale Konven-

15 Für die historischen Grundlagen siehe WIESER, 4 ff.; BK-STARK, ZGB, Einleitung, 4 ff. 16 THORMANN, Rz. 1 ff. 17 SCHULZE, Einführung, Rz. 3. 18 Hierbei werden Kunstwerke, ähnlich dem Namensgeber Kid napping, entwendet, um sie spä-

ter gegen Lösegeld entweder den betroffenen Personen oder den Versicherungen zurückzu-geben, RASCHÈR-KKR, Kap. 6 Rz. 4.

19 WIESER, 2 f.

Page 21: Masterarbeit_Brugger Lukas

5

tionen und Übereinkommen20 sowie Richtlinien,21 die den Transfer von Kulturgütern und

deren Rückbringung in die Ursprungsstaaten regeln. Wichtigstes Instrumentarium bildet

dabei die UNESCO-Konvention über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der

rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14.11.197022 (hier-

nach: UNESCO-Konvention), welche vielen Staaten als Grundlage der Gesetzeserlas-

sung diente.

16 Gemäss der UNESCO-Konvention kann ein Gegenstand dann als Kulturgut bezeichnet

werden, wenn ein Staat ihm aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie,

Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besondere Bedeutung

zuschreibt.23 Darüber hinaus muss das Gut einer der elf aufgeführten Kategorien des

Art. 1 lit. a bis k UNESCO-Konvention angehören. Bilder, Gemälde, Zeichnungen oder

Originale der Bildhauerkunst bzw. Skulpturen können zum Beispiel dann als Kulturgut

bezeichnet werden, wenn sie ein Gut von künstlerischem Interesse für einen Mitglieds-

staat darstellen.24

17 Neben dem Kulturgut verwendet die UNESCO-Konvention den Begriff des kulturellen

Erbes als eine mit erhöhtem Schutz auszustattende Kategorie für Werke der Kunst. Als

kulturelles Erbe gilt nach dem Abkommen jenes Kulturgut, das durch die individuelle

oder kollektive Schöpferkraft von Angehörigen des betreffenden Staates – oder von im

betreffenden Staat ansässigen Ausländern oder Staatenlosen geschaffen wurde – und

für den Staat bedeutsam ist.25

18 Da die UNESCO-Konvention von 1970 keine unmittelbare Wirkung im innerstaatlichen

Recht entfaltet,26 obliegt es den Mitgliedstaaten, den Begriff des Kulturguts und des kul-

turellen Erbes – unter Beachtung der in der Konvention enthaltenen Begriffsbestimmun-

gen – zu definieren.27

20 Beispielsweise die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte

Kulturgüter, im Originaltitel: UNIDROIT Convention of June 24, 1995 on Stolen or Illegally Ex-ported Cultural Objects, International Legal Materials 34 (1995), 1330 ff.; Washington Con-ference Principles On Nazi-Confiscated Art, verabschiedet im Zusammenhang mit der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington DC, 3. Dezember 1998.

21 Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, ABl. L 74/74.

22 823 United Nations Treaty Series 231; nichtamtliche deutsche Übersetzung in: UNESCO-Konvention 1970 und UNIDROIT-Konvention 1995, Bericht der Arbeitsgruppe über den inter-nationalen Kulturgütertransfer, Anhang B.

23 Vgl. Art. 1 UNESCO-Konvention. 24 Vgl. Art. 1 lit. g UNESCO-Konvention. 25 Vgl. Art. 4 lit. a UNESCO-Konvention, daneben werden in Art. 4 UNESCO-Konvention weitere

Kategorien des kulturellen Erbes angeführt. 26 GEISINGER-MARIÉTHOZ, 285 f.; RASCHÈR/BAUEN/FISCHER/ZEN-RUFFINEN, Kulturgütertransfer,

224 ff. 27 O’KEEFE, 34 ff.; CARDUCCI, 218 f. geht von einer «notion mixte» aus, welche besagt, dass ein

Kulturgut sowohl in die nationale als auch in die konventionsrechtliche Qualifikation subsu-miert werden muss, um den Schutz der Konvention zu erhalten.

Page 22: Masterarbeit_Brugger Lukas

6

2. Definition nach dem Kulturgütertransfergesetz

19 Die Schweiz hat mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den internationalen Kultur-

gütertransfer28 (hiernach: KGTG) sowie der Verordnung über den internationalen Kul-

turgütertransfer29 (hiernach: KGTV) am 1. Juni 2005 die Mindestvorgaben der UNE-

SCO-Konvention in das innerstaatliche Recht umgesetzt.30

20 Gemäss Art. 2 Abs. 1 KGTG gilt als Kulturgut «ein aus religiösen oder weltlichen Grün-

den für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft be-

deutungsvolles Gut, das einer der Kategorien nach Artikel 1 der UNESCO-Konvention

1970 angehört».

21 Für Werke des kulturellen Erbes der Schweiz hält Art. 3 Abs. 1 KGTG fest: «Kulturgüter

im Eigentum des Bundes, die von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe sind,

werden im Bundesregister eingetragen»31.

22 In der schweizerischen Lehre wird somit eine mehrstufige Unterscheidung getroffen: Ein

Kunstwerk ist so lange ein gewöhnliches Fahrnis, bis es durch richterlichen Spruch, in

Anwendung der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 1 KGTG, zu einem «einfachen» Kultur-

gut erhoben wird.32 Damit ist das Kunstwerk neu den entsprechenden Normen als leges

speciales unterworfen. Steht hingegen ein Kulturgut im Eigentum des Bundes und wur-

de es in einem Kulturgüterverzeichnis vermerkt, so handelt es sich, durch einen Verwal-

tungsakt, schliesslich um «kulturelles Erbe», womit ein gutgläubiger Erwerb als res extra

commercium ausgeschlossen ist.33

3. Kriterien zur Erkennung von Kulturgütern

23 Während der Status des kulturellen Erbes – verliehen durch die Eintragung in das Bun-

desregister – eindeutig ist, stellt die Qualifikation eines Werkes als Kulturgut die angeru-

fenen Richter regelmässig vor grosse Probleme.34 Da die grundsätzliche Möglichkeit

des Erwerbs von der rechtlichen Qualifikation des Kunstwerks abhängt, ist es für den

Erwerbenden erheblich, sich darüber im Klaren zu sein, welcher Kategorie der potentiel-

le Kaufgegenstand angehört.

24 Der augenscheinliche Grund der Unbestimmtheit des Kulturgutbegriffs liegt in der Defi-

nitionslosigkeit der Kunst selbst. Als substanzielle Verfassungsgarantie schützt der offe-

ne Kunstbegriff in der schweizerischen Bundesverfassung vor staatlicher Definition der

28 Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer vom 20. Juni 2003 (SR.444.1),

BBl. 2003, 4475. 29 Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer vom 13. April 2005 (SR. 444.11), AS

2005, 1883. 30 WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 501. 31 Einige Tage vor Abschluss der vorliegenden Arbeit (am 21. Mai 2014) hat der Bundesrat eine

Verordnung über das Kulturgüterverzeichnis des Bundes erlassen. Diese Verordnung wird zweifellos Gegenstand zukünftiger Auseinandersetzungen mit der Eintragung von Kulturgü-tern sein, vgl. hierzu: <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/04387/index.html?lang=de> (26.05.2014).

32 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 5; GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 2 N 2.

33 FOËX, 18 ff.; ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 3 ff.; HONSEL, Das Kulturgütertrans-fergesetz und das Privatrecht, 276.

34 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 3; FISCHER, 288 f.

Page 23: Masterarbeit_Brugger Lukas

7

«richtigen» Kunst.35 Dennoch enthält die vom Bundesamt für Kultur (BAK) veröffentlich-

te «Checkliste Kulturgut» einige Kriterien, anhand welcher auf den Kulturgutcharakter

eines Gegenstands geschlossen werden soll.36

25 In dieser Checkliste wird beispielhaft angeführt, unter welchen Annahmen ein Gegen-

stand, der unter eine der Kategorien der UNESCO-Konvention von 1970 fällt, als bedeu-

tungsvoll gilt. Diese Annahmen gehen von einer Bedeutung für die jeweilige UNESCO

Kategorie aus, wenn der Gegenstand: in einem Museum ausgestellt wird/bzw. ausstel-

lungsfähig ist; sein Abhandenkommen einen Verlust für das kulturelle Erbe darstellen

würde; für die Öffentlichkeit von grossem Interesse ist; relativ selten ist bzw. in der Lite-

ratur erwähnt wird.37

26 Nachdem der Legalbegriff des Kulturguts eine sehr weite Dimension von Werken künst-

lerischen Schaffens umfasst und die Bedeutung nicht auf rein subjektive Wertschätzung

reduziert werden kann, ist nach schweizerischer Lehre von einer objektivierten Bedeu-

tung für Geschichte, Kunst oder Wissenschaft auszugehen.38

27 Bei der Qualifikation eines Gegenstands als Kulturgut ist von Fall zu Fall anhand von

Indizien zu entscheiden, ob ein solches vorliegt. Dabei bildet beispielweise der hohe

Marktwert nur ein bedingt ausschlaggebendes Kriterium, da dieser häufig eine Moment-

aufnahme der Nachfrage darstellt. Hingegen kann die Seltenheit eines Werks ein wich-

tiges Indiz für die Feststellung darstellen, ob dem Gegenstand der Status eines Kultur-

guts beigemessen werden sollte. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob ein objek-

tiv spürbarer Nachteil für ein Kunstfeld resultierte, stünde das entsprechende Werk nicht

mehr zur Verfügung.39 Je seltener dabei das Werk für das entsprechende Gebiet ist,

desto eher kann eine Vermutung für die kulturelle Bedeutung angenommen werden. Die

kulturelle Bedeutung sollte jedoch längerfristig ausgerichtet sein, womit eine eher zu-

rückhaltende Anerkennung des «Sonderstatus Kulturgut» angebracht erscheint.40 Abzu-

lehnen ist daher die Annahme des Eidgenössischen Departements des Inneren, dass

im Zweifelsfall vom Kulturgutcharakter eines Objekts auszugehen ist.41

28 Für den Erwerber ist eine Feststellung a priori, ob es sich um Kulturgut, kulturelles Erbe

oder einen einfachen Gegenstand handelt, nur in den seltensten Fällen möglich. Selbst

bei professionell im Kunsthandel tätigen Personen dürfte sich die Einschätzung des Ge-

genstands auf Vermutungen beschränken.42 Die – nicht abschliessende – Liste der ar-

chäologischen Kulturgüter der Schweiz ist dabei nur bedingt hilfreich.43

35 MEYER/HAFNER, St. Galler Kommentar zu Art 21 BV, N 3; MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem

Eigentum an Kunst, 1268. 36 Im Originaltitel: Checkliste «Kulturgut» gemäss Kulturgütertransfergesetz (KGTG), herausge-

geben vom Bundesamt für Kultur im April 2013. 37 Checkliste «Kulturgut» BAK in fine. 38 GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 2 N 11 ff.; ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgü-

ter, 4; BSK ZGB II 2007 STARK/ERNST, Art. 934 N 17 ff.; FISCHER, 288. 39 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 4. 40 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 4. 41 Entwurf zur Verordnung über den internationalen Kulturgütertransfer, 14; ähnlich auch FI-

SCHER, 288. 42 Dennoch kann auf den Charakter des «kulturellen Erbes» durch Einsichtnahme in das Bun-

desverzeichnis für Kulturgüter geschlossen werden, sofern das Kaufobjekt aufgeführt wird. 43 Aufrufbar unter : <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/04385/index.html?lang=de>

(13.04.2014).

Page 24: Masterarbeit_Brugger Lukas

8

III. Der Erwerb eines Kunstwerks

1. Der rechtsgeschäftliche Erwerb eines Kunstwerks

a) Allgemeines

29 Der Erwerb eines Kunstwerks – ob einfache Fahrnis oder Kulturgut – setzt, nach den

allgemeinen Regeln des Sachenrechts, entweder ein gültiges Rechtsgeschäft oder ei-

nen Erwerb ex lege voraus. Während sich der erste Fall dadurch auszeichnet, dass der

Erwerb auf die Übertragung der dinglichen Rechte eines Vorgängers zurückzuführen ist

(derivativer Erwerb), fehlt im zweiten Fall ein solcher Übergang.44 Der Erwerb von Sa-

chen ohne einen rechtsgeschäftlichen Übergang (wie etwa ein Kaufvertrag) wird als ori-

ginärer Erwerb bezeichnet, wobei im Zusammenhang mit Kunstgegenständen insbe-

sondere der gutgläubige Erwerb und die Ersitzung zu nennen sind.45

30 Das schweizerische Recht verlangt in Art. 714 Abs. 1 ZGB für den rechtsgeschäftlichen

Eigentumserwerb ein gültiges Rechtsgeschäft sowie die Übertragung des Besitzes vom

Veräusserer auf den Erwerber.46

31 Teilweise vertreten Lehre und Rechtsprechung die Ansicht, dass neben dem Verpflich-

tungsgeschäft als Grundvoraussetzung auch ein dinglicher Vertrag, mit dem der Wille

zur Eigentumsübertragung erklärt wird, vorliegen muss, um den rechtsgültigen Erwerb

einer Fahrnis zu erlangen.47 Ein anderer Teil der Lehre wiederum lehnt diese Konzepti-

on ab und spricht sich einzig für die Gültigkeit des Grundvertrags und der Übertragung

des Besitzes als Voraussetzungen aus.48 Dieser Lehrstreit ist jedoch im Kontext des

Kunsthandels von untergeordneter Bedeutung, da Probleme meist nicht in der formellen

Gültigkeit des Vertrags, sondern in der fehlenden materiellen Verfügungsberechtigung

des Veräusserers angesiedelt sind.49

32 Die Voraussetzung der Übertragung des Besitzes vom Veräusserer auf den Erwerber

wird durch das in der Schweiz nach ständiger Rechtsprechung gültige Traditionsprinzip

näher bestimmt.50 Diesem zufolge bedarf es für die Besitzübertragung eines effektiven

Übergangs der Sache, um das Grundgeschäft zu erfüllen.51 Die Anwendung dieses

Prinzips führt in rein innerstaatlichen Sachverhalten selten zu Problemen.52 Für das in-

ternationale Privatrecht hingegen ist die Frage, ob der Erwerb eines Kunstwerkes von

dem Recht des Staates, in dem gemäss dem Traditionsprinzip der Übergang der Sache

stattgefunden hat, geregelt wird, von grösster Bedeutung. Es hängt gemäss dem Tradi-

44 SCHMID/HÜRLIMAN-KAUP, Sachenrecht, Rz. 1088; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 4 f.

m.w.H. 45 Dazu weiter hinten Rz. 57 ff. 46 HEBERLEIN/BREITENSCHMID/BELSER/BIENZ, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Art.

714 N 5; BAUMAN/LAURANT, KUKO ZGB, Art. 714 N 1 ff.; ein Teil der Lehre sieht als dritte Vo-raussetzung die Verfügungsberechtigung des Veräussernden, vgl. MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1271; SCHÖNENBERGER, 90; SCHMIDT-GABIN, 576.

47 So z.B. BSK ZGB II-SCHWANDER 2011, Art. 714 N 5 f.; STEINAUER, Droits réels II, Rz. 2013 ff.; BGE 114 II 45 E. 4e.

48 So z.B. REY, Rz. 1688 ff. 49 MÜLLER-CHEN/RENOLD-KKR, Kap. 6 Rz. 139. 50 Vgl. BGE 132 III 155 m.w.H. 51 GUHL/KOLLER, 340; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 5. 52 Ausnahmen bilden hier Probleme der Traditionssurrogate, auf die jedoch vorliegend nicht

eingegangen wird, vgl. TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 7. m.w.H.

Page 25: Masterarbeit_Brugger Lukas

9

tionsprinzip von dem Recht des Staates ab, in dem die Sache übergeben wurde, um zu

eruieren, ob ein effektiver Besitzübergang stattgefunden hat.53

33 Für das Eintreten des effektiven Eigentumswechsels wird neben der Übertragung der

Sache auch das Vorhandensein eines gültigen Rechtsgeschäfts, des sogenannten

Grundgeschäfts, verlangt. Durch das im Sachenrecht bestehende Kausalitätsprinzip ist

die Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts zwingende Voraussetzung für den Eigen-

tumserwerb.54

b) Der Erwerb im Zuge einer Auktion

34 Der Erwerb eines Werkes auf dem Kunstmarkt findet bekanntermassen in grossem

Ausmass über Auktionen statt. Dies mag einerseits mit der Anonymität begründet wer-

den, die Kommissionskäufe bei Versteigerungen erlauben – der wahre Käufer bleibt

meist unbekannt. Andererseits entspricht der gezahlte Preis bei einer Versteigerung e-

her dem aktuellen Marktwert als der Preis von einem Direktverkäufer. Letzterer kennt

häufig eine Wiederverkaufsmarge von 50%.55 Die beherrschenden weltweit agierenden

Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s hingegen kennen einen Aufpreis von maximal

20%.56 Schliesslich spielt auch der faszinierende Ablauf der Überbietung eines Miter-

werbendes im Zuge einer Auktion eine nicht zu unterschätzende Rolle, die diese Art des

Kaufes so attraktiv machen.57

35 Sofern schweizerisches Recht auf die Versteigerung Anwendung findet, werden die

Modalität und der Ablauf einer solchen durch die Art. 229 ff. OR geregelt. Der Kaufver-

trag kommt bei einer freiwilligen öffentlichen Versteigerung gemäss Art. 229 Abs. 2 OR

dadurch zustande, dass der Verkäufer den Zuschlag für das höchste Angebot erklärt.58

36 Der übliche Versteigerungsvorgang bei Kunstwerken läuft in einem mehrstufigen Ver-

fahren ab: Sobald der Eigentümer des Gegenstands diesen verkaufen will, wendet er

sich an das Verkaufshaus, das eine erste Einschätzung des Wertes vornimmt.59 Aus

rechtlicher Sicht handelt es sich bei der Geschäftsbeschaffung durch das Auktionshaus

um eine Stellvertretung im Sinne der Art. 32 ff. OR.60 Nach vorläufigem Vertragsab-

schluss erfasst das Haus den zu versteigernden Gegenstand in den Versteigerungska-

talogen, um eine höchstmögliche Publizität des Kaufobjekts zu erreichen. Die potentiel-

len Ersteigerer haben nun die Möglichkeit, Genaueres über die Beschaffenheit des Ob-

jekts in Erfahrung zu bringen, bevor die eigentliche Versteigerung stattfindet.61

37 Das Eigentum geht bei der Versteigerung von beweglichen Sachen nach Art. 235 Abs.

1 OR mit Zuschlag auf den Ersteigerer über. Mit dem Zuschlag wird somit einerseits die

53 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1270. Auf diese Frage kann jedoch vor-

liegend nicht eingegangen werde. Vgl. jedoch Anmerkungen hinten Rz. 44 ff. 54 BAUMAN/LORANT, KUKO ZGB, Art. 714 N 2 ff. 55 CONTRERAS, 721. 56 Verkaufsbedingungen Christie’s, aufrufbar unter:

<https://www.christies.com/LotFinder/AbsenteeBidding/ImportantInfo.aspx?docCode=COB&saleid=23182> (15.05.2014).

57 BECKER, Rz. 1. 58 BSK OR I-RUOSS/GOLA, Art. 229 N 3. 59 Über externe oder interne Experten, dazu hinten Rz. 245 f. 60 Ausführlich hierzu: BECKER, Rz. 163 ff. 61 BECKER, Rz. 45.

Page 26: Masterarbeit_Brugger Lukas

10

Perfektion des Verpflichtungsgeschäfts als auch der dingliche Vollzug konsumiert.62 Die

Bezahlung des Kaufpreises hat dabei in der Regel bar oder nach den Versteigerungs-

bedingungen zu erfolgen (Art. 233 OR).

38 Als Handelsgut kann ein Kunstwerk grundsätzlich Gegenstand sämtlicher Verträge

sein.63 Es stellt sich jedoch die Frage, wie mit einem Kunstwerk zu verfahren ist, wenn

dieses unter die Bestimmungen über das Kulturgut bzw. das kulturelle Erbe subsumiert

wird.

c) Sonderfall schweizerisches Kulturgut

39 In vielen Fällen nehmen Gegenstände der Kunst einen für die Gesellschaft derart wich-

tigen Platz ein, dass eine Behandlung als gewöhnliche Sache mit den juristischen Aus-

prägungen des Eigentumbegriffs (bspw. die Zerstörung oder der Ausschluss der öffent-

lichen Zugänglichkeit) schlicht unmöglich ist.64 Besonders stark kommen diese Überle-

gungen bei dem kulturellen Erbe zum Ausdruck, weshalb sie einer eigenen juristischen

Qualifikation unterstehen.

aa) Unveräusserlichkeit von kulturellem Erbe

aaa) Schweizerisches kulturelles Erbe

40 Gegenstände des kulturellen Erbes gelten nach Art. 3 Abs. 2 KGTG als res extra com-

mercium, wodurch sie nach Eintragung «weder ersessen noch gutgläubig erworben

werden können (lit. a), der Herausgabeanspruch nicht verjährt (lit. b), sowie die definiti-

ve Ausfuhr aus der Schweiz verboten ist (lit. c)». Während diese Norm augenscheinlich

auf den originären Eigentumserwerb abstellt, scheint die Frage des derivativen Erwerbs

nicht explizit geregelt. Ein Vertrag über den Eigentumsübertrag von schweizerischem

kulturellen Erbe ist als widerrechtlich i.S.d. Art. 20 OR und damit nichtig zu erachten,

wenn sein Gegenstand oder der Abschluss mit dem vereinbarten Inhalt gegen objekti-

ves Recht verstösst.65 Voraussetzung für die Nichtigkeit ist einzig, dass die Rechtsfolge

ausdrücklich im betreffenden Gesetz genannt wird.66 Um den Status des kulturellen Er-

bes zu erlangen, bedürfen Kulturgüter, wie bereits erwähnt, der Eintragung als solche

im Bundesverzeichnis. Dieses stellt ein öffentliches Register im Sinne des Art. 9 ZGB

dar, wodurch die Eigentumsübertragung nicht den allgemeinen, sondern spezifischen

Vorschriften folgt.67

41 Der Botschaft zum KGTG ist das erklärte Ziel der Verunmöglichung des rechtsgültigen

Eigentumserwerbs an im Verzeichnis eingetragenen Objekten in der Schweiz und im

Ausland zu entnehmen.68 Dementsprechend ist, nach dem Willen des Gesetzgebers,

62 BSK OR I-RUOSS/GOLA, Art. 235 N 1. 63 FISCHER/KUPRECHT/RASCHÈR, Compliance im Kulturgüterhandel, 507. 64 Vgl. WEIDNER, 33 f.; Wobei das Spannungsverhältnis zwischen Eigentum von Privaten und öf-

fentlichen Interessen nicht als restlos geklärt angesehen werden kann, vgl. weiter hinten Rz. 52.

65 Wobei es nicht relevant ist, ob es sich um Bundesrecht oder um kantonales Recht handelt, BGE 119 II 222 E. 2, 224; vgl. GUHL/KOLLER, 42.

66 BGE 117 II 47 E. 2a, 48 m.w.H. 67 GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 3 N 8. 68 Botschaft zum KGTG, BBl. 2002, 535, 576.

Page 27: Masterarbeit_Brugger Lukas

11

der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 KGTG dahingehend zu verstehen, dass jeglicher Erwerb

von eingetragenen Kulturgütern nichtig ist.69

42 Die Eintragung ins Bundesverzeichnis bewirkt somit, dass das Werk dem Handel als res

extra commercium effektiv entzogen wird.70 Da der Veräusserer dem Erwerber das Ei-

gentum des verkauften Kulturguts nicht verschaffen kann, haftet er nach Kaufrecht für

den Rechtsmangel nach Art. 196a OR bis zur absoluten Verjährung nach 30 Jahren ab

Vertragsschluss.71 Ein rechtsgültiger Erwerb von schweizerischem Kulturgut in der

Schweiz ist somit ausgeschlossen, solange der Vermerk im Verzeichnis besteht.72

bbb) Sonderfall ausländisches kulturelles Erbe

43 Umstritten ist die Frage, ob ausländisches kulturelles Erbe unter die Bestimmungen

über die Extrakommerzialität bei eingetragenen schweizerischen Kulturgütern zu sub-

sumieren ist. Die herrschende Lehre geht dabei davon aus, dass dies nicht der Fall ist.

Gelangt ein ausländisches eingetragenes Kulturgut (bzw. kulturelles Erbe) in die

Schweiz, ist davon auszugehen, dass der Erwerb eines solchen unter den Vorausset-

zungen über das «einfache Kulturgut» möglich ist.73

44 Grund für diese Annahme ist, dass mit der Verbringung des Gegenstandes in die

Schweiz die lex rei sitae die anzuwendenden Normen über den Erwerb bestimmt.74 Die

Schutzmassnahmen, die für das eingetragene Kulturgut gelten, werden jedoch als Ho-

heitsakt dem öffentlichen Recht des ausländischen Staates zugerechnet.75 Die Anwen-

dung von ausländischem öffentlichem Recht wird in der Schweiz nur ausnahmsweise

und äusserst zurückhaltend über Art. 19 IPRG angewendet.76 Da die Registrierung als

kulturelles Erbe dem öffentlichen Recht zugerechnet wird und eine Eintragung sich aus-

schliesslich auf inländisches kulturelles Erbe bezieht, ist davon auszugehen, dass aus-

ländisches eingetragenes Kulturgut nicht als res extra commercium in der Schweiz gilt

und somit dem Handel nicht gänzlich entzogen ist.77

45 Werke des ausländischen kulturellen Erbes verlieren jedoch durch die Verbringung nicht

jeglichen Schutz, der ihnen im Ausland zuerkannt wurde. Prinzipiell kommt ihnen der

Schutz des einfachen Kulturguts im Sinne des Art. 934 Abs. 1bis ZGB zu.78 Andererseits

kann eine ausländische Registrierung nicht in jedem Fall zu einem erhöhten Schutz in

der Schweiz führen.

69 SCHMIDT-GABAIN, 577 f. 70 SIEGFRIED, 135 f.; ausführlich hierzu SPRECHER, 5 ff. 71 SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, 132. 72 Vgl. Art. 3 Abs. 3 KGTG; für Gründe zur Streichung aus dem Verzeichnis siehe SIEGFRIED,

137 f. 73 BSK IPRG-FISCH, Art. 100 N 76; für eine geschichtliche Auseinandersetzung siehe SIEHR,

Claims for the restitution of looted art, 70 ff. 74 SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, 135 f. m.w.H. 75 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 9. 76 BSK IPRG-FISCH, Art. 100 N 74 ff; ZK-HEINI, Art. 100 IPRG N 32 f.; a.A. MÜLLER-CHEN, Ent-

wicklungen im internationalen Sachenrecht, 276 ff. m.w.H. 77 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 9; SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, 136;

ausführlich SIEGFRIED, 73 ff.; BSK IPRG-FISCH, Art. 100 N 75; ZK-HEINI, Art. 100 IPRG N 31; a.A. MÜLLER-CHEN, Entwicklungen im internationalen Sachenrecht, 276 ff. m.w.H.

78 Ausführlich hierzu ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 11.

Page 28: Masterarbeit_Brugger Lukas

12

46 Für die Frage, ob ausländisches Kulturgut in der Schweiz den gleichen Schutz erhält

wie im Ausland, wird weniger auf die Eintragung in einem ausländischen Register (diese

kann mehr oder weniger willkürlich entstehen), sondern auf eine «objektivierte Bedeu-

tung» des Kulturguts abgestellt.79 Eine ausländische Eintragung entfaltet in der Schweiz

somit keine unmittelbare Wirkung und sieht sich somit dem gleichen Schicksal wie das

der einfachen Kulturgüter ausgesetzt.80

bb) Erschwerter Erwerb von einfachem Kulturgut

aaa) Der Erwerb von einfachem Kulturgut

47 Kunstwerke, die nicht als kulturelles Erbe, sondern als einfache Kulturgüter im Sinne

des Art. 2 Abs. 1 KGTG qualifiziert wurden, sind zwar mit den erhöhten Anforderungen

des KGTG und des ZGB ausgestattet, dem Handel jedoch nicht gänzlich entzogen. Dies

geht bereits aus dem KGTG hervor, das die Übertragbarkeit von Kulturgütern davon ab-

hängig macht, dass die übertragende Person annehmen darf, dass das Werk weder ge-

stohlen, gegen den Willen des Eigentümers abhandengekommen, noch rechtswidrig

eingeführt wurde.81

48 Die Anforderungen des Gesetzes stellen daher nicht auf die Handelbarkeit von Kultur-

gütern an sich ab, sondern haben zum Ziel, einzig den Handel mit Kunstgütern einzu-

schränken, die dem ursprünglichen Eigentümer unfreiwillig abhandengekommen, oder

unrechtmässig importiert worden sind.82 Es widerspräche dem Willen des Gesetzge-

bers, die Übertragbarkeit von Kunstwerken zu verunmöglichen, abgesehen vom Falle

der rechtswidrigen Veräusserung. Der Handel mit solchen Objekten soll durch besonde-

re Informations- und Aufklärungspflichten erschwert werden.83

49 Kulturgüter, die im Eigentum des Bundes stehen, stellen jedoch nur eine kleine Zahl der

potenziell für den Kunstmarkt infrage kommenden Kunstgegenstände dar. Die überwie-

gende Mehrheit der Kunst- und Kulturgüter in der Schweiz (sowie auch im Ausland) be-

finden sich im Eigentum von privaten Kunstsammlern, Museen oder Stiftungen.

50 Für die Regelung von Kulturgütern in Privatbesitz sind in der Schweiz grundsätzlich die

Kantone zuständig.84 Da eine Bundeskompetenz für die Eintragung von Eigentum von

79 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 11. In der Praxis ergeben sich jedoch äusserst

komplexe Abgrenzungsfragen, unter welchen Umständen ein schweizerischer Richter über-haupt auf die kulturelle Bedeutung eines ausländischen Kulturguts schliessen kann. Die in der Botschaft zum KGTG enthaltene Definition wonach «Wichtig ist, welche Funktion und Be-deutung das Objekt für eine Gemeinschaft und ihre kulturelle Identität besitzt» (Botschaft KGTG, 572) ist für die Beantwortung dieser Fragen dabei nur bedingt sachdienlich.

80 Gleiches gilt prinzipiell für die Frage ob schweizerisches kulturelles Erbe im Ausland erwor-ben werden kann. SIEHR zufolge sollte ein ausländischer Erwerb von eingetragenem schwei-zerischem kulturellem Erben anerkannt werden, wenn der Gegenstand wieder in die Schweiz gebracht wird. Denn, da ein ausländisches eingetragenes kulturelles Erbe in der Schweiz er-worben werden kann, gilt gleiches auch im Ausland für schweizerisches kulturelles Erbe. Eine «Nichtanerkennung würde dazu führen, dass der gutgläubige Erwerber «enteignet» wird, oh-ne Ansprüche gegen seinen Verkäufer zu haben», vgl. SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgü-ter, 136 m.w.H.; ebenfalls GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 3 N 13.

81 Art. 16 Abs. 1 KGTG. 82 GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 16 N 1. 83 Botschaft zum KGTG, 558. 84 Art. 69 Abs. 1 BV; SPRECHER, 5 ff.; Botschaft zum KGTG, 556.

Page 29: Masterarbeit_Brugger Lukas

13

Privaten nicht in das KGTG aufgenommen wurde, sind die Kantone befugt, Kulturgüter

in die jeweiligen kantonalen Verzeichnisse einzutragen, jedoch nur mit Einwilligung des

privaten Eigentümers.85 Es kann daher weder die dauernde Ausfuhr von Kulturgut in

privatem Eigentum vom Bund verhindert, noch eine Genehmigung für die vorüberge-

hende Ausfuhr verlangt werden.86 Die Möglichkeit der Kantone, die Ausfuhr von im Ei-

gentum Privater stehenden Kulturgüter zu verhindern, ist in der Praxis dadurch einge-

schränkt, dass eine Umgehung der kantonalen Ausfuhrbestimmungen sehr leicht mög-

lich ist, da die Verbringung in einen anderen Kanton (oder ins Ausland) nur durch Zoll-

massnahmen verhindert werden kann. Diese jedoch sind nach Art. 133 BV Sache des

Bundes, womit die Kantone, zumindest im internationalen Kontext, auf die Hilfe des

Bundes angewiesen sind.87

51 Darüber hinaus schränkt ein absolutes kantonales Ausfuhrverbot (Art. 4 Abs. 2 KGTG)

die Eigentumsgarantie erheblich ein. Bei einem besonders schweren Eingriff handelt es

sich um eine materielle Enteignung, wodurch der Kanton gemäss Rechtsprechung

Schadensersatzpflichtig wird.88

bbb) Rechtfertigung des Erwerbs von Kulturgut

52 Die Frage nach der Rechtfertigung der Erwerbsfähigkeit von Kunst mündet, je länger

eine solche Diskussion geführt würde, unweigerlich in philosophischen Abhandlungen

über die kollektive oder individualistische Wertschätzung und die Auswirkung von Wer-

ken künstlerischen Schaffens. Um den Rahmen der vorliegenden Abhandlung mit dieser

– zweifellos äusserst interessanten – Auseinandersetzung nicht zu sprengen, be-

schränkt sich dieser Abschnitt auf die Feststellung, dass nach heutiger Auffassung «e-

her das Privateigentum in seiner individualistisch-persönlichkeitsbezogenen Form ge-

genüber einem sich vordrängenden Kollektivismus geschützt werden muss, als umge-

kehrt»89.

53 Dennoch ist zu konstatieren, dass sich zwischen den individuellen eigentumsbezogenen

und den kulturell-gesellschaftlichen Interessen an der Zugänglichkeit von Kunst ein

fortwährendes Spannungsverhältnis einstellt.90

54 In den letzten Jahren wurde zudem der internationale Kulturgüterschutz von zwei

rechtspolitischen Prinzipien dominiert. Das sogenannte Prinzip der Substanzerhaltung

kultureller Güter verlangt einen weitreichenderen Schutz von Kulturgütern durch die

Herkunftsländer. Damit verbunden ist insbesondere die Rückgabe von entwendeten

bzw. ausgeführten Kulturgütern.91 Als wohl bekanntestes Beispiel dient den Kunstnatio-

nalisten die im Ägyptischen Museum Berlin ausgestellte «Büste der Nofretete». Als

1913 mit der Genehmigung der ägyptischen Behörden ausgeführtes Kulturgut gibt die

weltbekannte Plastik seit jeher Anlass zu politischen Verstimmungen zwischen der Ara-

85 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b KGTG; SIEGFRIED, 57. 86 WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 514 f. 87 RASCHÈR, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 112. 88 SIEGFRIED, 142 m.w.H. insbesondere auf BGE 113 Ia 368 = Pra 78 (1989) Nr 159; WEBER,

Unveräusserliches Kulturgut, 35 f. m.w.H. 89 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1269; vgl. BK-MEIER-HAYOZ, Art. 641-

654 systematischer Teil, N 337. 90 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1269, m.w.H. 91 ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 32 f.; THORMANN, Rz. 56 ff.

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14

bischen Republik Ägypten und der Bundesrepublik Deutschland – insbesondere weil die

ägyptischen Behörden anführen, über den damaligen Wert der Büste in abenteuerlicher

Weise getäuscht worden zu sein.92 Dennoch kann unter diesem Prinzip auch für eine

Verwehrung der Rückführung plädiert werden, indem beispielsweise Kulturgut erst dann

wieder rückgeführt wird wenn «der berechtigte Kulturgüterträger wieder für eine sichere

Verwahrung bieten kann»93 Aus der durch Kriegswirren und Terroranschlägen verur-

sachten Zerstörung von Kulturgütern (insbesondere im Irak, Afghanistan und andere

Staaten aus dem Nahen Osten und Afrika)94 wird der Schluss gezogen, dass Kulturgü-

ter nicht nur in «sicheren» Länder («safe haven» meist in Westeuropa) erworben wer-

den können, sondern dass sich eine solche Verbringung auch verpflichtend aufdrängt.95

55 Eine abweichende Meinung wird hingegen unter dem sogenannten Prinzip des kulturel-

len Internationalismus verstanden. Nach dieser Strömung muss ein Kulturgut, das an

einem bestimmten Ort oder für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe gefertigt wurde,

nicht unter jeglichen Umständen an diesem Ort verweilen.96 Der weitreichende liberali-

sierte Verkehr von Kulturgütern trägt, nach Ansicht dieser Strömung, zur Völkerverstän-

digung und dem gemeinsamen Schutz von akquiriertem Menschheitswissen.97 Diese

Ansicht anerkennt auch die Bedürfnisse privater Sammler, Museen und sonstige Erwer-

ber auf dem internationalen Kunstmarkt.98

56 Für den Zweck der vorliegenden Arbeit kann im Ergebnis festgehalten werden, dass der

Erwerb von Kulturgütern aus heutiger Sicht prinzipiell möglich ist, selbst wenn die

rechtspolitische Diskussion keineswegs als abgeschlossen betrachtet werden kann.

Insbesondere mit Hinblick auf die Zugänglichkeit der Öffentlichkeit an Kunst und den

Kulturgüterschutz wird dieses Themenfeld weiterhin politische und gesellschaftliche

Kontroversen aufwerfen.

2. Der originäre Erwerb eines Kunstwerks

a) Allgemeines

57 Neben dem derivativen Erwerb nach Art. 714 Abs. 1 ZGB kennt die schweizerische

Rechtsordnung eine Mehrzahl an Möglichkeiten, Eigentum an einer Sache zu erwerben.

Dazu gehören insbesondere die Aneignung, der Fund, die Zuführung, die Verarbeitung,

Verbindung und Vermischung sowie die Ersitzung. Dieser sogenannte originäre Erwerb

zeichnet sich dadurch aus, dass er sich unabhängig von einem Recht des Vorgängers

vollzieht.99

92 So soll der deutsche Archäologe Ludwig Borchert die Büste bei der Entdeckung 1912 mit

Tonerde versehen haben, um über den wahren Wert der Antiquität hinwegzutäuschen, vgl. BARTETZKO, <http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/rueckgabeforderung-indiana-jones-jagt-nofretete-1572181.html> (20.05.2014).

93 ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 33. 94 Siehe für eine detaillierte Darstellung aktueller «Kulturkrisenherde» SIEHR, Internationaler

Rechtsschutz von Kulturgütern, 55 ff; WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kultur-gütertransfer, 495 f.

95 ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 33. 96 ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 33. 97 THORMANN, Rz. 60 f. 98 ANTON, Illegaler Kulturgüterverkehr, 33. 99 TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 4.

Page 31: Masterarbeit_Brugger Lukas

15

58 Eine besondere Stellung nimmt der Erwerb einer Sache von einer nicht zur Übertragung

befähigten Person ein. Die Frage, ob es sich beim sogenannten gutgläubigen Erwerb

um eine Art des originären oder des derivativen Erwerbs handelt, ist in der Lehre um-

stritten.

59 Die systematische Einordnung – unter der Marginale Übertragung – im Kapitel des deri-

vativen Erwerbs sowie die Erlangung des Besitzes einzig durch Übergabe durch den

bisherigen Besitzer100 und der daraus resultierenden Eigentumsfiktion, veranlasst einen

Teil der Lehre, den gutgläubigen Erwerb unter den derivativen Erwerb zu stellen.101

60 Demgegenüber geht ein anderer Teil der Lehre davon aus, dass der gutgläubige Er-

werb, trotz der Einordnung des Art. 714 Abs. 2, originärer Natur ist. Dies wird mit dem

römischen Rechtsgrundsatz des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet be-

gründet, wonach ein Veräusserer ein Recht, das er nicht hat, niemandem übertragen

kann.102 Dieser Lehrmeinung zufolge ist originärer Erwerb ein solcher, der nicht durch

den Rechtsübertrag des Vorgängers begründet wird.103

61 Die Problematik der Einordnung des bona fide Erwerbs ist jedoch grossteils theoreti-

scher Natur, da das ZGB in Art. 714 Abs. 2 die Regeln über den derivativen Erwerb für

anwendbar erklärt.104 Dies veranlasst einen dritten Teil der Lehre, eine Erwerbsart kraft

guten Glaubens – somit neben, bzw. zwischen dem originären und dem derivativen Er-

werb stehend – zu schaffen.105

62 Die vorliegende Arbeit schliesst sich der Lehrmeinung an, wonach der gutgläubige Er-

werb eine Unterart des originären Erwerbs darstellt. Die Subsumierung unter den recht-

geschäftlichen Erwerb wäre nicht sachgerecht, da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses

zwischen den Rechten des alten und des neuen Eigentümers keine Verbindung besteht

und das Eigentum nicht unbelastet übertragen werden kann.106 Der gutgläubige Erwerb

wird daher im vorliegenden Kapitel über den originären Erwerb behandelt.

b) Der gutgläubige Erwerb

aa) Bei beweglichen Sachen

63 Erhält der Erwerber eine bewegliche Sache von einem Veräusserer, der die Verfü-

gungsberechtigung über diese Sache nicht innehat, kann das Eigentum nicht übertra-

gen werden.107 Von diesem allgemeinen Grundsatz macht Art. 714 Abs. 2 ZGB dahin-

gehend eine Ausnahme, als der gute Glaube des Erwerbers die fehlende Verfügungs-

gewalt des Nichtberechtigten zu kompensieren vermag.108

100 Art. 922 ZGB, der für die Besitzübertragung keine Verfügungsberechtigung für das Eigentum

des Übertragenden voraussetzt. 101 Unter vielen: BK-OSTERTAG, Art. 933 ZGB N 2; BK-LEEMANN, Art. 714 ZGB N 54; ZK-

HOMBERGER, Art. 933 ZGB N 3 jeweils mit Verweisen. 102 LIVER, SPR V/1, 314 f.; BSK ZGB 2011-ERNST, Art. 933 N 44. 103 Unter vielen: STEINAUER, Droits réels II, Rz. 2067a; LIVER, SPR V/1, 314 f. 104 Vgl. ZK-HOMBERGER, Art. 933 ZGB N 3; ZK-HAAB/SIMONIUS, Art. 714 ZGB N 1. 105 So z.B. BK-STARK, Art. 933 ZGB N 88; ZK-HAAB/SIMONIUS, Art. 714 ZGB N 1; GUISAN, 177 f. 106 Vgl. ZK-HAAB/SIMONIUS, Art. 714 ZGB N 1. 107 Vgl. BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 53 nach dem bereits erwähnten Prinzip des nemo plus iuris

transferre potest quam ipse habet. 108 HEBERLEIN/BREITENSCHMID/BELSER/BIENZ, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, § 714

N 13.

Page 32: Masterarbeit_Brugger Lukas

16

64 Da sich der Erwerber im Falle einer Eigentumsübergabe ohne der benötigten Veräusse-

rungsbefugnis des Veräusserers einzig auf das Verfügungsgeschäft und den Erhalt des

Besitzes stützen kann, unterstellt Art. 714 Abs. 2 ZGB den Schutz im Eigentum den Re-

geln des Schutzes über den Besitz.109

bb) Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen

65 Das schweizerische Zivilgesetzbuch regelt den Erwerb von einem nicht zur Übertragung

Berechtigten unterschiedlich, je nachdem, wie ein Gegenstand in seine Verfügungs-

macht gekommen ist. Handelt es sich beim übertragenen Gegenstand um einen sol-

chen, der dem Veräusserer ohne Ermächtigung zur Übertragung anvertraut war, sieht

Art. 933 ZGB vor, dass derjenige in seinem Erwerb zu schützen ist, der eine bewegliche

Sache in gutem Glauben übertragen erhält.

66 Art. 934 Abs. 1 ZGB hingegen geht auf den Fall des Erwerbs von beweglichen Sachen

ein, die dem Veräusserer nicht anvertraut wurden, sondern dem Besitzer abhandenge-

kommen sind.110 Gemäss dieser Norm kann ein Besitzer, dem eine bewegliche Sache

gestohlen wurde, verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhandengekommen ist,

innerhalb von fünf Jahren gegenüber dem Empfänger die Herausgabe verlangen. Die

zeitlich begrenzte Möglichkeit des Rückgriffs auf die sogenannte Besitzrechts- oder

Fahrnisklage111 hat zur Folge, dass der gutgläubige Erwerber das Eigentum an einer un-

freiwillig abhandengekommener Sache nach Ablauf dieser Frist erwirbt.112

67 Die Unterscheidung zwischen anvertrauten und unfreiwillig abhandengekommenen Sa-

chen kommt daher insbesondere in der Unterscheidung zum Tragen, ob an einer Fahr-

nis unverzüglich (Art. 933 ZGB) oder erst nach Ablauf gewisser Fristen (Art. 934 ZGB)

Eigentum erlangt werden kann.

68 Als anvertraut gilt eine Sache, wenn sie mit Willen des wahren Berechtigten in den Be-

sitz des Verfügenden gelangt.113 Die Besitzübergabe an den späteren Veräusserer (der,

trotz Vermeidung des Ausdrucks im Gesetz, regelmässig als Besitzer auftritt)114 bedeu-

tet somit die freiwillige und bewusste Übertragung der Sache in der Meinung, dass der

Empfänger die Sache selbst oder eventuell den Erlös später zurückgebe.115

69 Das unfreiwillige Abhandenkommen hingegen zeichnet sich durch den Verlust des un-

mittelbaren Besitzes gegen den Willen des Eigentümers aus, wobei der Verlust eines

Vertrauensmanns, der mittelbaren Besitz an der anvertrauten Sache hat, ebenfalls an-

gerechnet wird.116 Im Zusammenhang mit Kunstwerken sind in der Praxis die im Gesetz

genannten Beispiele Diebstahl, Verlust sowie Raub (welcher nicht explizit angeführt

109 TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 9. 110 DOMEJ, KUKO ZGB, Art. 934 N 1. 111 Dazu hinten Rz. 85 ff. 112 BGE 109 II 319 E. 2, 322; BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 934 N 15; ZK-HAAB/SIMONIUS,

Art. 714 ZGB N 68; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 102 Rz. 9. 113 BK-OSTERTAG, Art. 933 ZGB N 4. 114 ZK-HOMBERGER, Art. 933 ZGB N 13. 115 PFISTER H.R., 122; vgl. ZK-HAAB/SIMONIUS, Art. 714 ZGB N 50; Kunstwerke werden häufig im

Rahmen von Leihverträgen an Museen oder sonstige Interessierte verliehen. Der Verkauf von dem anvertrauten Manuskript «Les cent-vignts journées de Sodome» war Gegenstand des BGer 5C.16/1998 vom 28.05.1998.

116 BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 934 N 4; DOMEJ, KUKO ZGB, Art. 934 N 4; ZK-HOMBERGER, Art. 934 ZGB N 3.

Page 33: Masterarbeit_Brugger Lukas

17

wird, jedoch unwiderlegbar als abhandengekommen im Sinne des Gesetzes gilt) am

häufigsten anzutreffen.117

cc) Unterscheidung bei Werken der Kunst

70 Der gutgläubige Erwerb von Kunst- und Kulturgütern nimmt an der zivilrechtlichen Un-

terscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen Teil.118 Kunst-

gegenstände, die (noch) nicht der Legaldefinition des KGTG entsprechen, wie bspw. ein

Kunstwerk eines street art Künstlers, können daher, nach Ablauf der fünfjährigen Gut-

glaubensfrist bzw. unverzüglich sofern es dem Veräusserer anvertraut worden ist, in das

Eigentum des Erwerbers übergehen.

71 Sind die Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 KGTG erfüllt und stellt ein Kunstwerk ein Kul-

turgut i.S.d. UNESCO-Konvention dar, ist ein gutgläubiger Erwerb erst nach Ablauf der

30-jährigen Frist des Art. 934 Abs. 1bis möglich.119 Wurde ein Kulturgut dem Veräusserer

hingegen anvertraut, so tritt der gutgläubige Erwerb unverzüglich ein.120

72 Anders verhält es sich mit Kulturgütern, die der Qualifizierung als schweizerisches kultu-

relles Erbes entsprechen. Diese können aufgrund ihrer Extrakommerzialität nicht gut-

gläubig erworben werden, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um anver-

trautes oder abhandengekommenes Kulturgut handelt.121 Für nicht im Bundesverzeich-

nis eingetragene Kulturgüter im Eigentum des Bundes, sowie sämtliche Kulturgüter im

Eigentum der Kantone gelten die oben genannten Regeln über den Erwerb von einfa-

chen Kulturgütern.122

73 Güter, bei denen eine Verletzung von Ausfuhrbestimmungen des jeweiligen Landes, in

dem sich das Kulturgut befindet, vorliegt, gelten nicht als abhandengekommen, da es

vom Willen des betroffenen Eigentümers abhängt, ob ein solches Gut ausgeführt wird

oder nicht.123

dd) Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs

74 Die Rechtfertigung des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers und des Untergangs der

dinglichen Rechte des (ehemaligen) Eigentümers liegt bei gewöhnlichen Fahrnissen im

Vertrauens- und im Verkehrsprinzip. Gemäss dieser Prinzipien gilt einerseits für den

Besitzer einer beweglichen Sache die Vermutung, der Eigentümer zu sein.124 Anderer-

seits wird der gute Glaube eines Erwerbers in die Veräusserungsbefugnis eines nichtbe-

117 Im Kunstmarkt spielen zusätzlich Fälle von rechtswidrigen Ausgrabungen eine sehr grosse

Rolle, auf die vorliegend jedoch nicht eingegangen wird, vgl. BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 934 N 17g mit Verweisen.

118 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 7; BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 17g. 119 SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, 133. 120 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 7. 121 WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 516; Art. 3 Abs. 2 lit. a

KGTG. 122 WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 516. 123 Wobei diesbezüglich strengere Anforderungen an den guten Glauben des Erwerbenden zu

stellen sind, BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 933 N 12e und Art. 934 N 17g. 124 Art. 930 Abs. 1 ZGB; ZK-HOMBERGER, Art. 930 ZGB N 1 f.; DOMEJ, KUKO ZGB, Art. 930 N 3 f.

Page 34: Masterarbeit_Brugger Lukas

18

rechtigten Besitzers einer Sache geschützt, wenn dieser Glaube nach objektiven Krite-

rien gerechtfertigt ist.125

75 Der sofortige Verlust der dinglichen Rechte des Eigentümers und des Schutzes des Er-

werbers wird bei anvertrauten Sachen damit begründet, dass der Eigentümer, durch

sein fälschlich gegebenes Vertrauen in den Vertrauensmann, einen willentlich geschaf-

fenen Rechtsschein zuliess.126 Gegenüber dem Eigentümer, dem eine Sache unfreiwillig

abhandenkommt und der nichts dazu tut, einen solchen Rechtsschein zu schaffen, lässt

sich ein unverzüglicher Eigentumsverlust jedoch nicht rechtfertigen.127 Daher tritt der

Verlust des Eigentums bei unfreiwillig abhandengekommenen Sachen erst nach Ablauf

der oben genannten Fristen ein.

c) Die Ersitzung

aa) Allgemeines

76 Neben dem gutgläubigen Erwerb kann eine Sache auch durch blossen Besitz in das Ei-

gentum einer Person übergehen. Die Voraussetzungen dafür werden in Art. 728 Abs. 1

ZGB festgehalten, welcher den guten Glauben – sowie den unangefochtenen und unun-

terbrochenen Besitz einer Sache während fünf Jahren vorschreibt. Seit Inkrafttreten des

Kulturgütertransfergesetzes am 1. Juni 2005 beläuft sich die Frist für die Ersitzung von

Kulturgütern auf 30 Jahre.128

77 Die Ersitzung ermöglicht den Erwerb von Eigentum an einer Sache einzig durch Zeitab-

lauf, wodurch der Mangel, dass die rechtliche und tatsächliche Herrschaft auseinander-

fallen, behoben wird.129

78 Neben der Anforderung des guten Glaubens muss sich die Sache während fünf Jahren

(im Falle von Kunstgegenständen, die keine Kulturgüter darstellen), bzw. 30 Jahren (im

Falle von Kulturgütern) ununterbrochen und unangefochten als Eigentum im Besitz des

Erwerbers befinden. Um der Voraussetzung des Eigentums im Besitz zu entsprechen,

muss sich der subjektive Wille des Besitzers (sogenannter animus domini des Ersit-

zungsprätendenten) darauf beziehen, die Sache als ihm gehörend zu besitzen.130 Der

Eigenbesitz ist, im Gegensatz zum unselbständigen Besitz, auch dann erfüllt, wenn nur

mittelbarer Besitz besteht.131 Ein Erwerber, welcher ein Kunstwerk verpfändet oder ei-

nem Museum als Leihgabe übergibt, verliert dementsprechend nicht die Möglichkeit,

das Eigentum des Werkes nach Fristablauf zu erlangen.132

79 Dem ununterbrochenen Besitz wird gemäss Art. 728 Abs. 2 ZGB auch dann Genüge

getan, wenn der Besitzer innert Jahresfrist ab dem Zeitpunkt des unfreiwilligen Verlusts

125 BK-STARK, Art. 933 ZGB N 1; BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 933 N 1; vgl. BK-OSTERTAG, Art.

933 ZGB N 1. 126 BK-OSTERTAG, Art. 934 ZGB N 1; ZK-HAAB/SIMONIUS, Art. 714 ZGB N 62 m.w.H. 127 BK-OSTERTAG, Art. 934 ZGB N 1. 128 Art. 728 Abs. 1ter ZGB. 129 LIVER, SPR V/1, 387; HEBERLEIN/BREITSCHMID/BELSER/BIENZ, Handkommentar zum Schwei-

zer Privatrecht, Art. 728 N 1; BK-LEEMANN, Art. 728 ZGB N 15. 130 REY, N 1999. 131 BK-LEEMANN, Art. 728 N ZGB 4 f.; LIVER, SPR V/1, 393. 132 Vgl. REY, Rz. 2000.

Page 35: Masterarbeit_Brugger Lukas

19

die Sache wiedererlangt.133 Unangefochten ist – während der Ersitzungszeit – der Be-

sitz des Ersitzenden, solange niemand auf dem Rechtswege (wobei gemäss Recht-

sprechung eine formelle Klage verlangt wird134) ein besseres Recht zum Besitz mit Er-

folg geltend macht.135

80 Der gutgläubige Ersitzungsbesitz muss während einer Dauer von fünf bzw. 30 Jahren

ausgeübt worden sein, wobei die Ersitzungsdauer eines Rechtsvorgängers – wenn die-

ser die Voraussetzungen der Ersitzung, wie insbesondere den guten Glauben erfüllt-, in

Anwendung des Art. 941 ZGB angerechnet werden kann.136

bb) Die Rolle in der Praxis

81 In der Praxis jedoch spielt die Ersitzung als Erwerbsart eine untergeordnete Rolle. Ins-

besondere wird das Eigentum in den meisten Fällen durch den gutgläubigen Erwerb

entweder zum Zeitpunkt der Übertragung des Besitzes (anvertraute Sachen, Art. 933

ZGB) oder durch Verwirkung der Eigentums- bzw. Besitzrechtsklage (bei abhandenge-

kommenen Sachen, Art. 934 ZGB) nach fünf bzw. 30 Jahren begründet.137 Diese Artikel

gehen somit als leges speciales vor.138

82 Der Ersitzung kommt jedoch eine wichtige Bedeutung zu, wenn das Grundgeschäft des

Erwerbs mangelhaft war.139 Wegen des Kausalitätsprinzips, welches ein gültiges

Rechtsgeschäft voraussetzt, geht das Eigentum auf den gutgläubigen Erwerber erst mit

Ersitzung (und der damit verbundenen Verwirkung der Herausgabeansprüche des Ver-

äusserers sowie des ehemaligen Eigentümers) über.140 Dies trifft beispielsweise auf Fäl-

le der Erbschaft, bei der ein Kunstwerk nach Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben

übergeht, der Erblasser jedoch zur Herausgabe verpflichtet war oder auf Fälle, wo der

gutgläubige Erwerb zum Zeitpunkt der Übertragung versagte, zu.141

83 Ersessen werden kann nur, woran Privateigentum erworben werden kann.142 Sachen,

die aufgrund öffentlicher Eigentumsbeschränkungen dem Verkehr entzogen sind, kön-

nen daher nicht ersessen werden.143 Dies trifft insbesondere auf herrenlose Naturkörper

und Altertümer von wissenschaftlichem Wert i.S.d. Art. 724 ZGB zu, die ohne Genehmi-

gung der zuständigen kantonalen Behörden nicht veräussert werden können.144 Gleich

verhält es sich mit Kulturgütern des kulturellen Erbes, die im Bundesverzeichnis einge-

tragen worden sind.145

133 BSK ZGB II 2011-SCHWANDER, Art. 728 N 5. 134 BGE 94 II 297, 309 und BGE 97 II 25, 35. Wobei auch Widerklagen und Einreden im von der

Gegenseite anhängig gemachten Prozess genügen, BSK ZGB II 2011-SCHWANDER, Art. 728 N 6.

135 LIVER, SPR V/1, 394. 136 BSK ZGB II 2011-SCHWANDER, Art. 728 N 9. 137 BSK ZGB II-SCHWANDER, Art. 728 N 1; HEBERLEIN/BREITSCHMID/BELSER/BIENZ, Handkommen-

tar zum Schweizer Privatrecht, Art. 728 N 2. 138 ZK-ZOBL, Art. 728 ZGB N 8. 139 BSK ZGB II-SCHWANDER, Art. 728 N 2 m.w.H. 140 LIVER, SPR V/1, 390. 141 LIVER, SPR V/1, 390; PFISTER W., 43. 142 D.h. ausschliesslich körperliche Sachen mit Ausschluss von Naturkräften und dem Privatrecht

entzogene Sachen, STEINAUER, Droits réels II, Rz. 2111a; REY, Rz. 1990 f. 143 BK-LEEMANN, Art. 728 ZGB N 18; LIVER, SPR V/1, 392 f. 144 BSK ZGB II 2011-SCHWANDER, Art. 728 N 3. 145 Art. 3 abs. 2 lit. a KGTG; REY, Rz. 1992.

Page 36: Masterarbeit_Brugger Lukas

20

84 Sonstige Kunstwerke können innert der Ersitzungsfrist von fünf bzw. 30 Jahren, wenn

es sich um Kulturgüter i.S.d. Legaldefinition des Kulturgütertransfergesetzes handelt, in

das Eigentum des Erwerbers übergehen. Dies trifft auf sämtliche Kulturgüter in den

Kantonen, in privater inländischer Hand sowie auf nicht im Bundesverzeichnis eingetra-

gene aber im Eigentum des Bundes befindliche Kulturgüter zu.146

IV. Die Verteidigung gegen Herausgabeansprüche

1. Herausgabeansprüche des ursprünglichen Eigentümers

a) Besitzrechtsklage und Vindikation bei einfacher Fahrnis

85 Eine zentrale Problematik des Vermögensrechts eines jeden Staates stellt die Frage

dar, ob ein gutgläubiger Käufer in seinem Besitz zu schützen ist, wenn er einen Gegen-

stand von einem nicht zur Übertragung berechtigten Verkäufer erworben hat, oder ob

der bisherige Eigentümer ihm die Sache abverlangen kann.147

86 Dem Eigentümer eines Kunstgegenstands wird gemäss Art. 934 ZGB der Eigentums-

verlust zugemutet, wenn der Erwerber gutgläubig war, den Besitz an der Sache erlangt

hat und das Grundgeschäft gültig war.148 War das Grundgeschäft nicht gültig, kommen

seitens des Erwerbenden nicht die Regelungen über den gutgläubigen Erwerb, sondern

die der Ersitzung zum Tragen.149

87 Der vormalige Eigentümer ist dem Verlust seines Eigentums jedoch nicht schutzlos ge-

genübergestellt. Ihm stehen im schweizerischen Recht zwei Klagen zur Verfügen. Er hat

gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB das Recht, eine Sache «von jedem, der sie ihm vorenthält,

herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren». Relevant sind

dabei das Eigentum des Klägers sowie die Frage, ob der Beklagte ein Recht hat, ihm

die Sache vorzuenthalten.150

88 Gemäss Art. 934 Abs. 1 ZGB kann ein Besitzer eine bewegliche Sache, die ihm gestoh-

len wurde, verloren ging oder auf sonstige Weise wider seinen Willen abhandenge-

kommen ist, während fünf Jahren von jedem Empfänger zurückfordern. Die Vorausset-

zungen der Besitzrechtsklage beziehen sich auf den Beweis des früheren Besitzes so-

wie das unfreiwillige Abhandenkommen.151 Aktivlegitimiert ist somit neben dem Eigen-

tümer einer Sache auch derjenige, der zum Zeitpunkt des Abhandenkommens selb-

ständiger oder unselbständiger Besitzer war.152

89 Die beiden Klagen sind im Prinzip deckungsgleich, da beide zur Rückgabe eines Ge-

genstands an den ehemaligen rechtmässigen Berechtigten führen. Der Unterschied liegt

jedoch in der rechtlichen Grundlage der Klage. Während sich die Vindikation nach Art.

641 Abs. 2 ZGB auf das vormalige Eigentum bezieht, liegt die Aktivlegitimation bei der

146 WEBER, Bundesgesetz über den Kulturgütertransfer, 515. 147 ERNST, Lösungsrecht und Singularsukzession, 839. 148 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1273. 149 Vgl. vorne Rz. 82. 150 BSK ZGB II-WIEGAND, Art. 641 N 42 ff. 151 BSK ZGB II-ERNST, Art. 934 N 11; BK-STARK, Art. 934 ZGB, N 15 m.w.H.; für den Begriff des

Abhandenkommens siehe vorne Rz. 66 ff. 152 STEINAUER, Droits réels I, Rz. 477 m.w.H.

Page 37: Masterarbeit_Brugger Lukas

21

Besitzrechtsklage nach Art. 934 ZGB im ehemaligen Besitz des Klägers und dem Ab-

handenkommen der Sache.153 Entscheidend für die häufigere Berufung auf die Besitz-

rechtsklage ist jedoch, dass der Besitz einfacher nachzuweisen ist als das Eigentum.154

90 Erhebt der Eigentümer vor Ablauf der jeweilig massgeblichen Frist die Fahrnisklage, so

schützt den aktuellen Besitzer sein gutgläubiger Erwerb nicht vor der Herausgabe – die

Fahrnisklage dringt durch.155 Der Erwerber eines Gegenstands, der einem anderen ge-

hört, erlangt das Eigentum erst dann, wenn die Verwirkung der Fahrnisklage eintritt.

Diese Lösung erscheint dadurch gerechtfertigt, dass der Verkehrssicherheit mit grösser

werdendem Zeitablauf mehr Bedeutung zukommt.156

b) Rückforderungsrecht bei Kulturgütern

91 Für einfache Kulturgüter nach der Legaldefinition des Art. 2 KGTG sieht Art. 934 Abs.

1bis ZGB vor, dass das Rückforderungsrecht des Eigentümers nach einer Frist von 30

Jahren verjährt. Neben dieser absoluten Frist besteht zusätzlich eine relative Frist von

einem Jahr, nachdem der ehemalige Besitzer erfahren hat, wo und bei wem sich das

Kulturgut befindet.

92 Die Gründe der verlängerten Rückforderungsmöglichkeit für Kulturgüter ergeben sich

aus der kulturellen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Bedeutung, die diesen «Ge-

genständen» zukommt. In der Botschaft zum KGTG wurde richtigerweise festgehalten,

dass die fünfjährige Rückforderungsfrist des Art. 934 ZGB, die für abhandengekomme-

ne Güter besteht, für Kulturgüter zu kurz ist.157 Zur Stärkung der Position des bestohle-

nen Kulturgutbesitzers und zur Eindämmung des illegalen Kulturgütertransfers wurde

mit Einführung des KGTG als wichtige Massnahme die Frist zur Rückforderung gemäss

Art. 934 Abs. 1bis ZGB von Kulturgütern von fünf auf 30 Jahre erhöht.158

93 Aktivlegitimiert ist, in Anlehnung an die Klageberechtigung der Besitzrechtsklage, neben

dem Eigentümer auch der selbständige oder unselbständige ehemalige Besitzer.159

Somit kann beispielsweise ein Museum als Verwahrer eines Kulturguts die Klage auf

Rückforderung innerhalb eines Jahres erheben, wenn es erfährt, wo und bei wem es

sich befindet.160

94 Für eingetragene Kulturgüter, die kulturelles Erbe der Schweiz darstellen, gilt die Rege-

lung der verlängerten Verwirkungsfrist jedoch nicht.161 Der gutgläubige Erwerb sowie die

Ersitzung sind gemäss Art. 3 Abs. 2 KGTG für kulturelles Erbe ausgeschlossen. Da das

Bundesverzeichnis für Kulturgüter ein öffentliches Register darstellt, kann ein Erwerber

sich nicht auf seinen guten Glauben berufen, da ihm das Wissen über das Vorhanden-

153 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 8 ff.; BSK ZGB II-ERNST, Art. 934 N 6 ff. 154 BSK ZGB II-ERNST, Art. 934 N 3; vgl. BK-MEIER-HAYOZ, Art. 641 ZGB N 81 ff. 155 BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 7. 156 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 31. 157 Botschaft zum KGTG, 546 f. 158 Botschaft zum KGTG, 557; neben der Verlängerung der Rückforderungsfristen setzt das

KGTG insbesondere bei verschärften Sorgfaltspflichten des Erwerbenden an, vgl. dazu hinten Rz. 138 ff.

159 Ausführlich hierzu: WIESER, 281 f. 160 FOËX, 25. 161 BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 17c.

Page 38: Masterarbeit_Brugger Lukas

22

sein des Eintrags zugerechnet wird.162 Der Herausgabeanspruch des Bundes für ab-

handengekommenes schweizerisches eingetragenes Kulturgut verjährt somit nie.163

c) Exkurs: Rückforderungsrecht von ausländischen Staaten

95 Wurde ein Kulturgut in der Schweiz erworben, das aus einem anderen Staat rechtswid-

rig ausgeführt wurde, hat dieser Staat gemäss Art. 9 Abs. 1 KGTG, das Recht, die

Rückführung des Kulturguts einzuklagen, wenn er nachweisen kann, dass das Kulturgut

von wesentlicher Bedeutung für sein kulturelles Erbe ist und es rechtswidrig ausgeführt

wurde.164

96 Voraussetzung für die Geltendmachung der Klage auf Rückführung von Kulturgut ist je-

doch nach Art. 7 Abs. 1 KGTG, dass die Schweiz eine staatsvertragliche Vereinbarung

mit dem betreffenden Staat geschlossen hat. Dabei ist insbesondere erforderlich, dass

der Vertragsstaat Gegenrecht gewährt.165

97 Die Klage des Vertragsstaates, mit dem eine bilaterale Vereinbarung geschlossen wur-

de, kann bis zu 30 Jahren nach der rechtswidrigen Ausfuhr von Kulturgut angestrebt

werden, jedoch verjährt der Anspruch ein Jahr nachdem die Behörden des Staates

Kenntnis erlangt haben, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet.166

98 Befand sich der Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs des Kulturguts in gutem Glauben

und wurde er zur Rückführung an den klagenden Vertragsstaat verpflichtet, kann er den

von ihm bezahlten Kaufpreis sowie die notwendigen und nützlichen Aufwendungen in

Form der Einrede geltend machen.167 Dabei steht ihm gemäss Art. 9 Abs. 6 KGTG bis

zur Bezahlung der Entschädigung das Retentionsrecht zur Verfügung.168

d) Fristen

99 Im Fall eines Erwerbs einer unfreiwillig abhanden gekommenen Sache, die kein Kultur-

gut i.S.d. Legaldefinition des KGTG darstellt, steht dem Eigentümer der Herausgabean-

spruch während der Verwirkungsfrist von fünf Jahren zur Verfügung. Diese Frist beginnt

mit dem Besitzverlust zu laufen und kann nicht unterbrochen werden.169 Da der erste

162 GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 3 N 8. 163 Art. 3 Abs. 2 lit. b KGTG; Diese Überlegungen treffen ebenfalls auf die Rückführungsklagen

von ausländischen Staaten zu: Wäre der Erwerb bzw. die Ersitzung von ausländischem kultu-rellen Erbes in der Schweiz möglich, käme sie den internationalen Verpflichtungen zur Rück-führung solcher Kulturgüter nicht nach, vgl. BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 17c.

164 Vgl. SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, 137 f., vgl. hierzu auch Art. 98 und 98a IPRG, BSK IPRG-FISCH, Art. 100 N 63.

165 Art. 7 Abs. 2 lit. c KGTG. Mit heutigem Datum hat die Schweiz mit den Staaten Italien, Peru, Griechenland, Kolumbien, Ägypten, Zypern und China solche bilateralen Verträge abge-schlossen, vgl. <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/04377/index.html?lang=de> (15.05.2014).

166 Art. 9 Abs. 4 KGTG. 167 Art. 9 Abs. 5 KGTG. 168 Vgl. hierzu ausführlich WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer,

505 f. 169 Die Bestimmungen über Stillstand und Unterbrechung der Verjährung sind somit nicht an-

wendbar, ZK-HOMBERGER, Art. 934 ZGB N 15; BK-STARK, Art. 934 ZGB N 28; vgl. ZivGer BS, SJZ 1955, 56; MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst 1274.

Page 39: Masterarbeit_Brugger Lukas

23

Besitzer nach einem unfreiwilligen Abhandenkommen in der Regel nicht gutgläubig ist,

muss der gutgläubige Besitz praktisch nie fünf Jahre dauern.170

100 Gemäss Art. 936 Abs. 1 ZGB kann eine Sache vom bösgläubigen Besitzer jederzeit

herausverlangt werden. Gegenüber einem solchen Erwerber tritt eine Verwirkung der

Klage somit nicht ein.171

101 In Bezug auf Kulturgüter sieht die Systematik des Art. 934 Abs. 1bis ZGB eine unter-

schiedliche Regelung in Bezug auf die Verjährungsfristen vor.172 Die einjährige Verjäh-

rungsfrist fängt in dem Moment zu laufen an, in dem Kenntnis über den Umstand des

Abhandenkommens sowie die Person des jetzigen Besitzers erlangt wurde. Diese Frist

beginnt bei jedem Besitzwechsel von neuem zu laufen, sobald der Klageberechtigte

Kenntnis über den neuen Besitzer erlangt.173

102 Die 30-jährige, absolute Verwirkungsfrist der Rückforderungsklage beginnt im Moment

des Abhandenkommens zu laufen, unabhängig von einer etwaigen Weitergabe von ei-

nem Besitzer zum nächsten, wobei die Art. 134 ff. ZGB zur Hinderung/Stillstand und Un-

terbrechung der Verjährung sowohl auf die einjährige, als auch auf die 30-jährige Frist

zutrifft.174

2. Verteidigungsmöglichkeiten des Besitzers

103 Der Erwerbende ist den Herausgabeansprüchen des Eigentümers nicht ohne Rechts-

mittel gegenübergestellt. Ein Herausgabeanspruch des Eigentümers kann dadurch ver-

hindert werden, dass der Beklagte mit einer Einrede des besseren Rechts durchdringt.

104 Hat bereits der Kläger die Sache bösgläubig erworben, kann er sie nicht herausfordern.

Hier macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen gut- oder bösgläubigen Beklag-

ten handelt.175 Ist dem gutgläubigen Beklagten die Sache vor Besitzzeit des Klägers un-

freiwillig abhandengekommen, steht ihm ein besseres Recht zu. Dem Klagenden steht

allenfalls in Replik die gleiche Einrede zu.176

105 Der gutgläubige Erwerber kann dem klagenden Eigentümer auch den originären Erwerb

(etwa Ersitzung oder Vermischung) als Verteidigung gegenüber den Herausgabean-

sprüchen entgegenhalten.177 Gemäss Art. 939 Abs. 1 ZGB kann der gutgläubige Erwer-

ber die Sache zurückhalten, bis etwaige notwendige und nützliche Verwendungen vom

Berechtigten geleistet wurden.178

170 STEINAUER, Droits réels II Rz. 2106; MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst,

1274 m.w.H. 171 BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 14. 172 BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 934 N 17i. 173 BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 934 N 17j; Die einjährige Verjährungsfrist ist jedoch nur gegen-

über dem gutgläubigen Erwerber relevant, gegenüber dem bösgläubigen besteht keine Ver-jährung.

174 BSK ZGB II 2011-ERNST, Art 934 N 17j. 175 HINDERLING SPR V/1, 497; Art. 936 Abs. 2 ZGB. 176 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 18. 177 ERNST, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, 7 f.; BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 934 N

12. 178 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 25.

Page 40: Masterarbeit_Brugger Lukas

24

3. Lösungsrecht

a) Allgemeines

106 Der gute Glaube schützt den Erwerber der Sache nicht vor der Herausgabe - insoweit

wird der gutgläubige einem bösgläubigen Erwerber gleichgestellt.179 Eine Ausnahme

hiervon macht das sogenannte Lösungsrecht des Art. 934 Abs. 2 ZGB. Im Falle einer

öffentlichen Versteigerung, eines Erwerbs auf dem Markt oder von einem Kaufmann,

der mit Waren der gleichen Art handelt, kann die Sache vom Eigentümer nur gegen

Vergütung des vom Empfänger bezahlten Preises abgefordert werden. Mit anderen

Worten kann davon gesprochen werden, dass dem Erwerber in Höhe des Kaufpreises

die Sache wirtschaftlich zugeordnet ist. Im Falle des Unterliegens in einem Rechtsstreit

muss er sich einzig gefallen lassen, dass die Sache in Natur gegen den Geldbetrag

ausgetauscht wird, den er beim Kauf gezahlt hat.180

107 Das schweizerische Lösungsrecht schafft im System des beinahe bedingungslosen

Herausgabeanspruchs des Eigentümers während fünf bzw. 30 Jahren eine Privilegie-

rung des gutgläubigen Erwerbers beim öffentlichen Kauf und trägt dem Verkehrsinte-

resse Rechnung.181 Im Kunsterwerb spielt das Lösungsrecht insbesondere beim Kauf

an einer öffentlichen Versteigerung und von einem Kunsthändler eine grosse Rolle.

108 Das Lösungsrecht steht demjenigen Erwerber zu, der einen Kunstgegenstand auf einer

öffentlichen Versteigerung erworben hat. In erster Linie sind dies sämtliche Zwangsver-

steigerungen sowie solche, die nach kantonalem öffentlichem Recht durchgeführt wer-

den, wie etwa die Versteigerung von Fundgegenständen. Daneben zählen jedoch auch

freiwillige private Versteigerungen (etwa Christies oder Sotheby’s) zu solchen, die ein

Lösungsrecht des Erwerbers begründen. Dabei ist es nicht erheblich, ob sie einer be-

hördlichen Bewilligung bedürfen – massgeblich ist einzig ob sie öffentlich angekündigt

worden sind und jedermann bieten kann.182

109 Neben der öffentlichen Versteigerung sieht Art. 934 Abs. 2 ZGB vor, dass das Lösungs-

recht demjenigen zusteht, der von einem Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art

handelt, einen Gegenstand in gutem Glauben erwirbt. Das ausschlaggebende Kriterium

liegt in der üblichen Geschäftstätigkeit des Verkäufers. Findet der Erwerb durch ein

Rechtsgeschäft statt, das als Teil der üblichen Geschäftstätigkeit des Verkäufers er-

scheint, so ist der Kauf von einem Kaufmann i.S.d. Gesetzesanforderung erfüllt.183 Un-

erheblich ist dabei, ob der Verkäufer im Handelsregister eingetragen ist oder dazu ver-

pflichtet wäre.184 Im Kunsthandel sind m.E. an den Kaufmann die gleichen Vorausset-

zungen zu stellen, wie an professionell im Kunsthandel tätige Personen im Sinne der

KGTV.185

179 ZK-HOMBERGER, Art. 934 ZGB N 14. 180 ERNST, Lösungsrecht und Singularsukzession, 843. 181 SCHMEINCK, 153. Das Lösungsrecht ist neben der Schweiz auch in einigen anderen Rechts-

ordnungen (darunter etwa Frankreich, Belgien sowie die Skandinavischen Staaten) in unter-schiedlicher Ausgestaltung bekannt, vgl. BSK ZGB II-ERNST, Art. 943 N 18.

182 ZK-HOMBERGER, Art. 934 ZGB N 24 m.w.H.; BK-STARK, Art. 934 ZGB N 36. 183 ZK-HOMBERGER, Art. 934 ZGB N 26. 184 BK-OSTERTAG, Art. 934 ZGB N 34. 185 Vgl. weiter hinten Rz. 144.

Page 41: Masterarbeit_Brugger Lukas

25

b) Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises

110 Gegenstand des Lösungsrechts ist der vom Beklagten gezahlte Preis für die Anschaf-

fung des Kunstwerks. Dazu gehören die Kosten des Vertrags, nicht jedoch eine eventu-

elle Wertsteigerung des Kaufgegenstands.186 Neben dem Kaufpreis steht dem gutgläu-

bigen Erwerber gemäss Art. 939 Abs. 1 ZGB der Anspruch auf Vergütung der notwen-

digen und nützlichen Verwendungen zu.

111 Durch den erheblich verlängerten Rückforderungsanspruch von 30 Jahren bei Kulturgut

stellt sich die Frage, ob die Rückerstattung des damalig bezahlten Kaufpreises als Aus-

gleich der Erwerber- und Eigentümerinteressen angesehen werden kann. ERNST spricht

sich in diesem Zusammenhang für einen Inflationsausgleich des Kaufpreises aus, um

dem Interesse des Erwerbenden entgegenzukommen.187 Dieser Forderung kann, nach

Sicht des Verfassers, beigepflichtet werden. Würde das Lösungsrecht die Höhe des zu

erstattenden Kaufpreises auf den damalig gezahlten Preis begrenzen, hätte der Erwer-

ber einen Realverlust zu beklagen. Unter diesen Umständen kann der vom Gesetz vi-

sierte Interessensausgleich nicht mehr aufrechterhalten werden.

112 Dieser Anspruch kann jedoch nur einredeweise geltend gemacht werden. Wird die Sa-

che ohne die Geltendmachung des Lösungsrechts zurückgegeben, wird ein Verzicht da-

rauf angenommen.188

113 Der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises steht neben dem gutgläubigen Käu-

fer auch seinen gutgläubigen Rechtsnachfolgern zu.189 Im Zusammenhang mit Kunst-

werken spielt diese Regelung eine wichtige Rolle, wenn ein etwaiger Erblasser ein Kul-

turgut gutgläubig erworben hat und es durch Singular- oder Universalsukzession in den

Besitz der Erben übergeht. Diese müssen – sofern sie gutgläubig ignorieren, dass es

sich um ein unrechtmässig erworbenes Kulturgut handeln könnte – bis zur Verwirkungs-

frist von 30 Jahren seit Erwerb des Erblassers, das Kulturgut nur dann herausgeben,

wenn der rechtmässige Eigentümer den bezahlten Erwerbspreis vergütet.190

c) Der Regress gegen den Verkäufer

114 Dem gutgläubigen Erwerber steht im Falle einer erfolgreichen Herausgabeklage des

ehemaligen Eigentümers nach ständiger Rechtsprechung nicht nur das Lösungsrecht

gegenüber dem Kläger zur Verfügung, sondern auch die Rechtsgewährleistung nach

Art. 192 ff. OR gegenüber dem Verkäufer.191

115 Gemäss Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 OR hat, im Falle des Durchdringens der Fahrnisklage

des ehemaligen Eigentümers und des damit verbundenen Besitzverlustes des Käufers,

der Verkäufer den bezahlten Kaufpreis samt Zinsen sowie die Prozesskosten zu erstat-

ten.192 Seit Inkrafttreten des KGTG sieht Art. 196a OR vor, dass die Klage auf Gewähr-

186 BSK ZGB II-ERNST, Art. 934 N 24. 187 BSK ZGB II-ERNST, Art. 934 N 24. 188 BK-OSTERTAG, Art. 934 ZGB N 38; BK-STARK, Art. 934 ZGB N 46. 189 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 41; a.A. GUISAN, 136. 190 Ausführlich hierzu: ERNST, Lösungsrecht und Singularsukzession, 845 ff. 191 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 45 wobei es nicht zwingend erforderlich ist, dass die Sache vom

Berechtigten herausverlangt wird, vgl. BGE 109 II 119 E. 2, 322 m.w.H. 192 Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 OR.

Page 42: Masterarbeit_Brugger Lukas

26

leistung nach einem Jahr ab Bekanntwerden des Mangels bzw. 30 Jahre nach Ver-

tragsabschluss verjährt.193

116 Die Hintergründe der verlängerten Haftung des Verkäufers sind wiederum in den Be-

sonderheiten des Kunstverkehrs zu suchen. Das bereits mehrfach erwähnte Ziel des

Gesetzgebers – die Verringerung des illegalen Kulturgütertransfers – wird primär mit

verlängerten Rückforderungsansprüchen umgesetzt. Ein gutgläubiger Erwerber muss,

wie bereits dargestellt, bis zu 30 Jahren damit rechnen, dass der Eigentümer des über-

tragenen Kulturguts mit der Herausgabeklage des Art. 934 Abs. 1bis ZGB durchdringt.

Davor schützt ihn auch sein guter Glaube nicht.

117 Die Botschaft zum KGTG will jedoch die Kosten einer Herausgabe von Kulturgut nicht

dem gutgläubigen Käufer alleine anhaften. Daher wurde die Möglichkeit, Ansprüche aus

Gewährleistung wegen Rechts- und Sachmängel geltend zu machen, auf ein bzw. 30

Jahre erhöht.194

118 Darüber hinaus soll die Attraktivität des illegalen Kulturgütertransfers dadurch stark

vermindert werden, dass der Verkäufer dem Risiko einer eventuellen Gewährleistung

ausgesetzt ist. Die Botschaft zum KGTG hält dazu fest: «Der Verkäufer dürfte sich um

mehr Sorgfalt im Geschäftsverhalten bemühen, wenn er oder sie um die Möglichkeit ei-

ner Klage des Käufers oder der Käuferin während 30 Jahren weiss»195.

119 Der Anspruch gegen den Verkäufer kommt aber nur insoweit in Betracht, als der Käufer

gegen den vindizierenden Eigentümer keinen Anspruch hat, oder von diesem keinen

Ersatz erhält.196 Obwohl im Gesetzestexte keine Aussagen über die genaue Ausgestal-

tung der verschiedenen Ansprüche des Erwerbenden getroffen werden, kann ausge-

schlossen werden, dass er den Kaufpreis zweimal zurückverlangen könne.197

V. Zwischenfazit

120 Kunstwerke stellen von Grund auf bewegliche Sachen dar, die sowohl erworben als

auch zurückgefordert werden können, wenn sie abhandengekommen sind. Das Ver-

hältnis zwischen Eigentümer und Erwerber wird im Prinzip von den gewöhnlichen sa-

chenrechtlichen Bestimmungen geprägt.

121 Fällt ein Kunstwerk jedoch unter die Definition des Kulturguts oder des kulturellen Er-

bes, gelten strengere Anforderungen an die Erwerbsfähigkeit. Unterschieden werden

muss zwischen «einfachen» Kulturgütern, die unter erschwerten Voraussetzungen er-

worben werden können und eingetragenen Werken des kulturellen Erbes, bei denen ein

Erwerb aufgrund ihrer Extrakommerzialität nicht möglich ist.

122 Für einen potentiellen Erwerber ist die Erkennbarkeit, ob es sich beim Kaufgegenstand

um eine «einfache» Sache, ein Kulturgut oder ein Gegenstand des kulturellen Erbes

193 Vgl. Art. 32 KGTG. 194 Botschaft zum KGTG, 605. 195 Botschaft zum KGTG, 605. 196 Art. 195 Abs. 1 Ziff. 2 OR; BSK OR I-HONSELL, Art. 195 N 4. 197 Wobei in der Lehre teils umstritten ist, ob es sich um einen Schadenersatz oder einen Berei-

cherungsanspruch handelt, vgl. Anmerkungen bei BK-STARK, Art. 934 ZGB N 45a.

Page 43: Masterarbeit_Brugger Lukas

27

handelt, grösstenteils nicht gegeben. Der Ausschluss der Erwerbsfähigkeit ist einzig für

Werke des kulturellen Erbes gerechtfertigt.

123 Ist ein Kunstwerk bzw. ein Kulturgut dem Eigentümer abhandengekommen, kann ein

Dritter an diesem Gegenstand nur Eigentum erwerben, wenn er zum Zeitpunkt des

Kaufs gutgläubig war und er durch Zeitablauf von fünf bzw. 30 Jahren gegenüber dem

vormaligen Eigentümer ein besseres Recht erwirbt.

124 Hat der ehemalige Eigentümer des Kunstwerks dieses dem Veräusserer anvertraut, fin-

det der Eigentumswechsel auf den Erwerber unverzüglich statt, sofern dieser gutgläubig

ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine einfache Fahrnis oder um

ein einfaches Kulturgut handelt. War das Grundgeschäft zwischen dem Verkäufer und

dem Erwerber ungültig, oder gelangen Werke der Kunst über die Erbschaft in den Be-

sitz des Erwerbers, so finden die Bestimmungen über die Ersitzung Anwendung.

125 Dringt der ehemalige Eigentümer mit der Vindikations-, bzw. Fahrnisklage durch und

war der Erwerber im Zeitpunkt des Kaufs gutgläubig, steht ihm das Lösungsrecht als In-

teressensausgleich zur Verfügung. Die aus diesem Recht resultierenden Ansprüche

sind jedoch nicht auf den damalig bezahlten Preis zu begrenzen, sondern sollten zu-

mindest einen Inflationsausgleich vorsehen.

Page 44: Masterarbeit_Brugger Lukas

28

C. Sorgfalt des Erwerbers beim Kunstkauf

126 Nachdem festgestellt wurde, dass die schweizerische Rechtsordnung den Erwerb von

Kunst- und Kulturgütern, die mit Rechtsmängeln behaftet sind, unter gewissen Umstän-

den zulässt, ist nun zu erfragen, unter welchen Umständen der Erwerber zu erhöhter

Sorgfalt veranlasst ist.

127 Im Kunsthandel haben dabei die Anforderungen sowohl an den Erwerber als auch an

den Veräusserer stetig zugenommen und resultierten in der Schweiz schliesslich in der

positivrechtlichen Festsetzung der Sorgfaltspflichten im Kulturgütertransfergesetz. Im

Folgenden soll nun der Bedeutung der Sorgfaltspflichten im Kunsthandel nachgegangen

werden, bevor auf die Umstände eingegangen wird, unter welchen der Erwerber ange-

halten ist, explizite Nachforschungen zur Beschaffenheit des betreffenden Werks anzu-

stellen.

I. Die Regulierung des Kunsthandels

1. Gründe der Regulierung des Kunsthandels

128 Seit einigen Jahren ist ein steigender Handel mit Kunst- und Kulturgütern sowohl in

quantitativer Hinsicht als auch in Bezug auf die erzielten Verkaufspreise zu beobachten.

Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Anlage in Kunstwerke in Anbetracht

des rauen und unsicheren Finanzmarktklimas als vergleichsweise sicher erscheint.198

Andererseits lässt der Kunstmarkt, wo mit Unikaten ein «Teil der Geschichte» erworben

werden kann, die Zahlungsbereitschaft der interessierten Käuferschaft ins scheinbar

Unendliche steigen.

129 Neben dem legalen Handel von Kunstgegenständen ist in den letzten Jahren auch ein

steigender illegaler Kunst- und Kulturgütertransfer zu beobachten. Durch die zuneh-

mende Überwachung der Finanzmärkte und der Finanzintermediäre gewinnen Berei-

che, die einer geringeren Regulierungsdichte unterliegen, für die Geldwäscherei und

andere kriminelle Geschäfte immer mehr an Bedeutung.199 Der Kunstmarkt bietet dafür

die bestmöglichen Voraussetzungen, nicht zuletzt da ein passionierter Sammler dem

immateriellen Wert oft weit mehr Bedeutung zumisst als der genauen Herkunft eines

Kunstwerks. Unter dem Begriff illegaler Kunst- und Kulturgüterhandel ist primär die

Übertragung ohne einen gültigen Rechtstitel zu verstehen, entweder weil das Kunstwerk

gestohlen wurde, oder weil das Kulturgut in Verletzung der gesetzlichen Ausfuhrbe-

stimmungen des Heimatstaates ausgeführt wurde. Dieser «Schwarzmarkt Kunsthandel»

ist dabei häufig mit Geschäften des Drogenhandels und der Geldwäscherei verbun-

den.200 Durch die Nachfrage von Kunstsammlern, Galerien, Museen und Händler wer-

198 So hat sich in den letzten Jahren das sogenannte «Art Banking» bei dem es sich um eine An-

lagestrategie im Bankkundengeschäft handelt, nicht nur bei den Grossbanken etabliert, vgl. BAUEN/ROUILLER, 453 ff.; Neben der Maecenas-Privatebank-Group in London, die als erste Bank ausschliesslich auf Art Banking spezialisiert war, treten auch andere Institute, wie bei-spielsweise das Unternehmen «Artbanking International», auf den Plan, siehe <http://www.artbankinginternational.com/-ber-Uns.html> (10.04.2014).

199 Richtlinie 97/3/EWG (a.a.O) Präambel Ziff. 13 f.; für die Begriffserklärung des sogenannten «art laundering» siehe THORMANN, Rz. 97 ff. m.w.H.

200 HUGHES/WRIGHT, 222 m.w.H.

Page 45: Masterarbeit_Brugger Lukas

29

den Geldwäschern und sonstigen Kriminellen ideale Voraussetzungen geboten, Waren

dubioser Herkunft anzubieten.201 Die Verschwiegenheit und das Vertrauen auf persönli-

che Kontakte tragen ihr Übriges dazu bei, den Kunstmarkt für solche Geschäfte anfällig

zu machen.202

130 Auch ist der Kunstmarkt knapp siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs

immer noch mit dem Problem der Raub- und Beutekunst konfrontiert. Einerseits konnte

die schwierige politische Konsensfindung zwischen den beteiligten Nachfolgestaaten

Deutschland und Russland die gewünschten und nötigen Ergebnisse für die Rückfüh-

rung entwendeter Kunstgüter während des Krieges noch nicht liefern.203 Andererseits

kommen immer mehr verschollen geglaubte Kunstwerke aus dieser Epoche über den

Handel in Umlauf. Begründet werden kann dies damit, dass viele Erben von Kunstnach-

lässen über die Herkunft der Werke oft nicht informiert sind. Ferner bieten auch neue In-

formationsquellen und die Aufarbeitung der Zeit ab 1933 den Nachkommen von enteig-

neten jüdischen und anderen politisch Verfolgten neue Möglichkeiten, über konfiszierte

oder abgepresste Kunstgegenstände ihrer Vorfahren zu erfahren.204

131 Diesen Problemen wird sowohl in der Schweiz – als auch auf internationaler Ebene –

mit erhöhten Erkundigungspflichten des Abnehmers begegnet. Die grundlegende Über-

legung hinter diesem Vorgehen ist, dass der illegale Kunsthandel an Anziehungskraft

verlieren würde, gäbe es keine legalen Absatzmöglichkeiten für gestohlene Kunstgü-

ter.205

2. Selbstregulierung im Kunsthandel

132 Durch die Gefahr, mit gestohlenen Gegenständen in Berührung zu kommen und

dadurch eventuell resultierenden Schadensersatzansprüchen gegenüberzustehen, ha-

ben die im Kunsthandel und Auktionswesen tätigen Personen und Unternehmen bereits

vor einigen Jahren Richtlinien und Ethikcodes erlassen, um dem Problem des illegalen

Kunst- und Kulturgütertransfers entgegenzutreten.

133 Im Museumswesen spielt es eine grosse Rolle, welche Kunstwerke ausgestellt und so-

mit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die negative mediale Berichterstat-

tung über die Anschaffung oder Ausstellung eines Werks, welches gestohlen wurde,

oder gar Raubkunst darstellt, kann gravierende Imageschäden für ein Museum ha-

201 Siehe Anmerkungen vorne Rz. 4 f. 202 FISCHER/KUPRECHT/RASCHÈR, Compliance im Kulturgüterhandel, 508; Darüber hinaus bieten

sich Kunstwerke, bedingt durch ihre Grösse, die leichte Transportfähigkeit und den oft sehr hohen Marktwert, besonders für den Schmuggel an.

203 Vgl. zum Ganzen: EVA STUMPF, Kulturgüterschutz im internationalen Recht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-russischen Beziehungen, Frankfurt am Main 2003; FARMER

WALTER I., Die Bewahrer des Erbes- Das Schicksal deutscher Kulturgüter am Ende des zwei-ten Weltkrieges Berlin 2002; LICHTENBERG MARIA, Rechtsfragen der Beutekunst am Beispiel des deutsch-russischen Verhältnisses, Frankfurt am Main 2008.

204 SCHOCH, Viele Fragen des Rechts, NZZ vom 07.11.2013. 205 FISCHER/KUPRECHT/RASCHÈR, Compliance im Kulturgüterhandel, 508; RASCHÈR, Kulturgüter-

transfer und Globalisierung, 84.

Page 46: Masterarbeit_Brugger Lukas

30

ben.206 Im Jahr 1986 wurde daher der als Selbstregulierung zu betrachtende Code of

Ethics for Museums vom International Council of Museums (hiernach: Code of Ethics

ICOM) erarbeitet.207

134 Dieser beinhaltet Minimum-Standards für eine ethische Führung von Museen. Neben

den allgemeinen Zielsetzungen (wie die Förderung und der Schutz von Kunst als Erbe

der Menschheit oder der internationalen Zusammenarbeit von Museen) sieht die Richtli-

nie vor, dass Museen sämtliche zum Schutz von Kulturgütern erlassenen nationalen

und internationalen Gesetze und Richtlinien befolgen sowie insbesondere dem illegalen

Kunst- und Kulturgüterhandel keinen Vorschub leisten.208

135 Der internationale Verband der Kunsthändler (Confédération internationale des Négoci-

ants en Œuvres d’Art; CINOA) kennt ebenfalls einen Code of Ethics (hiernach: Code of

Ethics CINOA) für die über 5000 angehörenden Kunsthändler. Dieser Code of Ethics

wurde insbesondere mit dem Ziel erstellt, den illegalen Handel und die unrechtmässige

Ausfuhr von gestohlenen antiken Objekten und Kunstwerken zu erschweren. In Ziffer 4

sieht der Code of Ethics CINOA vor: «The members will have to take all the necessary

measure to detect stolen objects and refer, among others, to registers that are published

to this effect and to use these judiciously»209.

136 Die nationale Vertretung des CINOA stellt der Verband Schweizerischer Antiquare und

Kunsthändler (VSAK) dar. Als offizielle Branchenvertretung kennt der VSAK seit 1998

einen Ethikcode, der den Mitgliedern eine ethische Berufsausübung vorschreibt, die

dem Ansehen des Verbandes nicht schaden.210 Insbesondere werden die Mitglieder

verpflichtet, sich zu erkundigen, ob der Verkäufer Eigentümer des Objekts ist oder über

das Objekt frei verfügen kann. Die Identität des Verkäufers ist festzuhalten, wobei der

Verband auch eine schriftliche Bestätigung des Verkäufers empfiehlt.211

3. Positivrechtliche Sorgfaltspflichten durch das KGTG

137 Neben den selbstregulatorischen Richtlinien der Branchenvertretungen haben sich auch

nationale Gesetzgeber der Problematik des illegalen Kunst- und Kulturgütertransfers

angenommen.

138 Mit dem Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 will der schweizerische Gesetz-

geber einen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Menschheit leisten und

Diebstahl, Plünderung und illegale Ein- und Ausfuhr von Kulturgut verhindern.212 Neben

dem Entzug der Verkehrsfähigkeit einiger Kunstgegenstände und der verlängerten Er-

werbs- bzw. Ersitzungsfrist bei anderen setzt das Gesetz in besonderem Masse bei der

Provenienzerkundigung an.

206 So setzt sich die Berichterstattung über das Leopold Museum Wien häufig mit der Raubkunst-

Debatte auseinander, vgl. JANDL, <http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/im-guten-glauben-1.684053> (10.04.2014).

207 Code of Ethics ICOM; ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 532 ff. 208 Ziff. 7 und Ziff. 8.5 Code of Ethics ICOM. 209 Code of Ethics CINOA Ziff. 4. 210 Ethikcode VSAK Ziff. 1 und Ziff. 7. 211 Ethikcode VSAK Ziff. 1. 212 Art. 1 Abs. 2 KGTG.

Page 47: Masterarbeit_Brugger Lukas

31

a) Erhöhte Anforderungen an im Kunsthandel professionell tätige Personen

139 Vor Inkrafttreten des Kulturgütertransfergesetzes kannte die Schweiz für Verkäufer kei-

ne speziellen Sorgfaltspflichten für die Übertragung von Kunstwerken. Die Provenien-

zerkundigung und die erhöhten Sorgfaltspflichten im Kunsthandel wurden dem Käufer

zugemutet, da sich dieser, um den Anforderungen des guten Glaubens zu entsprechen,

(sofern dies in Anbetracht der Umstände gerechtfertigt war) über die genaue Herkunft

des Werkes i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ZGB zu informieren hatte. Tat er dies nicht, war er der

praktischen Gefahr ausgesetzt, das erworbene Kunstwerk auch nach Ablauf der Fünf-

jahresfrist herausgeben zu müssen, da er unter die Bestimmungen der Bösgläubigkeit

fiel (Art. 936 Abs. 1 ZGB).213

140 Dies änderte sich mit Einführung spezieller Sorgfaltspflichten des Verkäufers im KGTG.

Art. 16 Abs. 1 KGTG sieht vor, dass die übertragende Person Kulturgut nur dann über-

tragen darf, wenn sie nach den Umständen annehmen darf, dass es weder gestohlen,

gegen den Willen des Eigentümers abhandengekommen, noch rechtwidrig eingeführt

worden ist. Demnach ist neben dem Erwerber auch die übertragende Person zu Sorgfalt

angehalten.214

141 Aus diesem Grundsatz ergeben sich für professionell im Kunsthandel und Auktionswe-

sen tätige Personen spezielle Sorgfaltspflichten.215 Gemäss Art. 16 Abs. 2 KGTG sind

diese Personen verpflichtet, die Feststellung der Identität sowie die Verfügungsberech-

tigung des Verkäufers über das Kulturgut schriftlich zu verlangen. Die Provenienz und

die Art der Beschaffung des Kulturguts, wie auch die Beschreibung und der Anschaf-

fungspreis des Kulturguts müssen in Büchern festgehalten werden, die über 30 Jahre

aufzubewahren sind.216

142 Zur Überprüfung der Identität des Verkäufers bzw. der einliefernden Person müssen

gemäss Art. 17 KGTV anhand beweiskräftiger Dokumente der Name, das Geburtsda-

tum, die Wohnsitzadresse sowie die Staatsangehörigkeit (bzw. die Firma sowie die Do-

miziladresse bei juristischen Personen) festgehalten werden.217

143 Darüber hinaus müssen im Kunsthandel und Auktionswesen tätige Personen als weite-

re Massnahme zur Bekämpfung des illegalen Kulturgütertransfers ihre Kunden über be-

stehende Ein- und Ausfuhrregelungen informieren.218 Die Fachperson kann sich von

dieser Obliegenheit nicht mit dem Einwand entlasten, sie habe die entsprechenden Ein-

oder Ausfuhrregelungen nicht gekannt.219

144 Als im Kunsthandel und im Auktionswesen tätige Personen gelten nach Art. 1 lit. e Ziff.

1 KGTV natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und Gesellschaften mit Sitz in

der Schweiz, die zum Eintrag in das Handelsregister verpflichtet sind und die entweder

213 SCHMIDT-GABAIN, 575. 214 SCHMIDT-GABAIN, 575; GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 16 N 3 ff.; FOËX, 20 f. 215 Wegleitung «Neue Regeln im Kunsthandel» des Bundesamts für Kultur, 3. 216 Art. 16 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 16 Abs. 3 KGTG; Auf eine Meldepflicht bei einem Angebot zum

Kauf von Kulturgut verdächtiger Herkunft wurde im KGTG jedoch verzichtet, WEBER, Bundes-gesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 523.

217 Vgl. Art. 17 KGTV. 218 Art. 16 Abs. 2 lit. b KGTG. 219 BERGER-RÖTHLISBERGER, Informationspflicht, Rz. 19.

Page 48: Masterarbeit_Brugger Lukas

32

Kulturgüter zum Zwecke des Wiederverkaufs für eigene Rechnung erwerben oder den

Handel mit Kulturgütern für fremde Rechnung besorgen.220

145 Erhöhte Anforderungen treffen ebenfalls die Institutionen des Bundes. Sie dürfen ge-

mäss Art. 15 Abs. 1 lit. a KGTG keine Kulturgüter erwerben oder ausstellen, die gestoh-

len worden oder dem Eigentümer auf sonstige Art und Weise abhandengekommen

sind.221 Zudem dürfen solche Institutionen keine Gegenstände des kulturellen Erbes ei-

nes anderen Staates ausstellen, wenn diese rechtswidrig ausgeführt wurden.222 Wird ei-

ner Bundesinstitution ein gestohlenes oder rechtswidrig ausgeführtes Kulturgut angebo-

ten, hat es gemäss Art. 15 Abs. 2 KGTG unverzüglich Meldung zu erstatten.

b) Praktische Aufbewahrungspflicht für private Erwerber

146 Durch den persönlichen Anwendungsbereich des KGTG auf professionell im Kunsthan-

del und Auktionswesen tätige Personen ist im Prinzip der private Erwerb von Kunst nicht

von den erhöhten Aufbewahrungspflichten relevanter Dokumente betroffen.

147 Dennoch bleibt die «normale Sammeltätigkeit» von den besonderen Sorgfaltspflichten

des KGTG, entgegen der Behauptung des Bundesamts für Kultur, nicht unberührt.223

Wer ausländisches Kulturgut besitzt, das rechtswidrig in die Schweiz eingeführt worden

ist, kann nach Art. 9 Abs. 1 KGTG bis zu 30 Jahre nach der rechtswidrigen Einfuhr vom

ausländischen Staat auf Rückführung geklagt werden.224 Im Falle eines gutgläubigen

Erwerbs des Besitzers entsteht gemäss Art. 9 Abs. 5 KGTG ein Anspruch auf Entschä-

digung, die dem Kaufpreis (sowie notwendigen und nützlichen Aufwendungen zur Be-

wahrung und Erhaltung) des Werkes entspricht.

148 Obgleich dem Gesetz keine Aufbewahrungspflicht der notwendigen Dokumente i.S.d.

Art. 16 Abs. 2 KGTG zu entnehmen ist, sind private Sammler somit in materieller Hin-

sicht in gleichem Masse betroffen wie die zur Dokumentation verpflichteten im Kunst-

handel und Auktionswesen tätigen Personen, wenn sie etwaige Ansprüche geltend ma-

chen wollen.225 Denn die Beweisführung fusst ohne Aufbewahrung der notwendigen

Dokumente in der Nichtgutheissung der Einrede.226

4. Drittwirkung der erhöhten Sorgfalt für private Erwerber?

149 Die im KGTG festgehaltenen erhöhten Sorgfaltspflichten gelten im Prinzip nur für Kul-

turgüter und schliessen damit a priori Kunstwerke, die nicht unter die Definition des Kul-

turguts fallen, aus. Auch finden die festgehaltenen Erkundigungspflichten auf personel-

ler Ebene nur auf professionell im Kunsthandel und Auktionswesen tätige Personen

Anwendung.

220 Auf natürliche und juristische Personen mit Wohnsitz bzw. Sitz im Ausland wird vorliegend

nicht eingegangen; vgl. Art. 1 lit. 3 Ziff. 2 KGTV. 221 Ausführlich GABUS/RENOLD, Commentaire LTBC, Art. 15 N 5 ff. 222 Art. 15 Abs. 1 lit. b KGTG. 223 Wegleitung «Neue Regeln im Kunsthandel» des Bundesamts für Kultur, 2. 224 Art. 9 Abs. 4 KGTG. 225 GUTZWILLER, 517 f. 226 Vgl. zum Beweisverfahren hinten Rz. 310 ff.

Page 49: Masterarbeit_Brugger Lukas

33

150 Die Rechtsgrundlage der Provenienzerkundigung ist, trotz der im KGTG neu statuierten

Sorgfaltspflichten, für den Erwerber weiterhin Art. 3 Abs. 2 ZGB. Für den Veräusserer

sowie für professionell im Kunsthandel und Auktionswesen tätige Personen hingegen

gilt Art. 16 Abs. 1 KGTG mitsamt den neuen Erkundigungspflichten als lex specialis.227

151 Ein Teil der Lehre sieht in den verschärften Anforderungen des Art. 16 Abs. 2 KGTG ei-

ne Konkretisierung des Art. 3 abs. 2 ZGB nicht nur für die übertragende Person, son-

dern auch, auf indirektem Wege, für den privaten Erwerber.228 Ob sich die positivrecht-

lich festgehaltenen Sorgfaltspflichten für professionell im Kunsthandel und Auktionswe-

sen tätige Personen – über die ratio legis hinaus – analog auch auf Privatpersonen er-

strecken, und ob einzig der Kauf von Kulturgut erhöhte Aufmerksamkeit erfordert, soll

nun erläutert werden.

II. Nachforschung bei verdächtigen Umständen

1. Die Bedeutung des guten Glaubens

a) Die Bedeutung im Kunsterwerb

152 Im vorher gehenden Kapitel wurde festgehalten, dass der potentielle Käufer ein Kunst-

werk, welches dem eigentlichen Eigentümer unfreiwillig abhandengekommen ist, nur

erwerben kann, wenn er gutgläubig war. Auch kann der Erwerber den Herausgabean-

sprüchen des eigentlichen Eigentümers nur entgegentreten, wenn er ein besseres

Recht – entweder durch gutgläubigen Erwerb oder durch Ersitzung – erworben hat.

Darüber hinaus steht ihm das Lösungsrecht nur zu, wenn er zum Zeitpunkt des Erwerbs

im guten Glauben war.

153 Dem Begriff des guten Glaubens kommt somit im Kauf von Kunst- und Kulturgütern eine

herausragende Bedeutung zu, wenn der Veräussernde das Werk nicht hätte übertragen

dürfen. Bevor auf die Umstände eingegangen wird, unter welchen der Erwerber an der

Verfügungsberechtigung des Verkäufers zweifeln muss, empfiehlt sich daher eine all-

gemeine Definition des guten Glaubens sowie eine systematische Einordnung in die

verschiedenen Problemfelder im Kunsterwerb.

b) Der gute Glauben im Allgemeinen

154 Gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB ist eine Person in ihrem guten Glauben geschützt, wenn sie

die Aufmerksamkeit walten lässt, die den Umständen entsprechend von ihr verlangt

werden darf. Dabei ist der gute Glaube prinzipiell vermutet.229

155 Der gute Glaube wird allgemeinhin als der sachlich begründete und entschuldbare Irr-

tum definiert.230 Die schweizerische Rechtsordnung kennt jedoch keinen umfassenden

Gutglaubensschutz, bis auf Fälle, wo dies das Gesetz vorsieht.231 Allen Fällen des im

227 SCHMIDT-GABAIN, 576. 228 So z.B. UHLMANN/MOSIMAN/MÜLLER-CHEN, Rz. 6; WEBER, Bundesgesetz über den internatio-

nalen Kulturgütertransfer, 523. 229 Art. 3 Abs. 1 ZGB. 230 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 20 f. 231 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 1 f.

Page 50: Masterarbeit_Brugger Lukas

34

Gesetz definierten Schutzes des guten Glaubens ist gemeinsam, dass die Annahme

über einen Sachverhalt oder ein Recht falsch war und dies auch bei Anwendung der

gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war.232 Dabei geht es bei der gebotenen Aufmerk-

samkeit um die Frage, wie derjenige, der sich auf seinen guten Glauben beruft, den

rechtserheblichen Tatbestand würdigt.233 Wenn dieser Irrtum entschuldbar ist, knüpft die

Rechtsordnung in einzelnen Fällen an die der Annahme zugrundeliegende anstelle der

echten Rechtslage an.234

c) Der gute Glaube in einem Rechtsgeschäft

aa) Gegenstand und Zeitpunkt des guten Glaubens

156 Hat der Verkäufer eines Gegenstandes die Verfügungsberechtigung über dieses nicht

inne, kann der gute Glaube des Erwerbers bewirken, dass das Eigentum, trotz des Um-

stands des Rechtsmangels, auf den Erwerber übergeht.235 Es wird jedoch vom Erwerber

verlangt, dass dieser die redliche Überzeugung hat, dass der Veräussernde die Über-

tragungsbefugnis über das gekaufte Werk besitzt.236

157 Beim gutgläubigen Erwerb nach Art. 933 und Art. 934 ZGB ist der Gegenstand des gu-

ten Glaubens somit die Verfügungsberechtigung des Veräusserers. Bei Fehlen der Ver-

äusserungsbefugnis vermag der gute Glaube diesen Rechtsmangel zu heilen.237

158 Der massgebliche Zeitpunkt des guten Glaubens ist dabei nach h.L. die Übertragung

des Eigentums.238 Eine nachträgliche Bösgläubigkeit bleibt unbeachtet und der Erwer-

ber bleibt im Sinne des Verkehrsinteresses in seinem Erwerb geschützt.239

bb) Bösgläubigkeit durch mangelnde Aufmerksamkeit

159 Trotz der Vermutung des guten Glaubens kann der Erwerber sich nicht auf sie berufen,

wenn er die von den Umständen geforderte Sorgfalt nicht hat walten lassen (Art. 3 Abs.

2 ZGB).240 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung «versagt der Gutglaubensschutz

nicht nur bei Bösgläubigkeit, sondern auch wenn die Unkenntnis des Erwerbers darauf

zurückzuführen ist, dass er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen

liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte»241.

160 Der Gleichstellung von mangelnder Aufmerksamkeit und Bösgläubigkeit liegt die Über-

legung zugrunde, dass eine Partei keinen Rechtsverlust hinnehmen soll, wenn die Ge-

genpartei nicht die Aufmerksamkeit hat walten lassen, die von ihr verlangt werden durf-

te. Beruft sich diese Partei jedoch fälschlicherweise auf ihren guten Glauben, handelt es

232 BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 933 N 28 m.w.H. 233 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 205. 234 PFISTER W., 96. 235 Siehe vorne Rz. 63 ff. 236 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1271. 237 BSK ZGB II 2007-STARK/ERNST, Art. 933 N 29. 238 BSK ZGB II-ERNST Art. 933 N 40; BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 112 m.w.H. 239 Nach dem Prinzip mala fides superveniens non nocet, STEINAUER, Droits réels I, Rz. 432;

BSK ZGB II-ERNST, Art. 933 N 40; BK-STARK, Art. 934 ZGB N 28. 240 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 104 ff. 241 BGE 122 III 1 E. 2a, 3.

Page 51: Masterarbeit_Brugger Lukas

35

sich um einen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben – ihr Vorgehen

wird damit als rechtsmissbräuchlich i.S.d. Art. 2 Abs. 2 ZGB gewertet.242

161 Es treten somit für denjenigen, der die von den Umständen geforderte Aufmerksamkeit

vermissen liess die gleichen Folgen ein wie bei Bösgläubigkeit.243 Dies bedeutet, dass

der Übergang des Eigentums in Fällen mangelnder Aufmerksamkeit bzw. Bösgläubig-

keit des Erwerbers nicht möglich ist und der Eigentümer die abhandengekommene Sa-

che jederzeit herausverlangen kann (Art. 936 ZGB).

d) Der gute Glaube im Zuge einer Auktion

162 Einer Person, die einen Kunstgegenstand auf einer öffentlichen Versteigerung erwirbt

und dabei gutgläubig ist, geniesst unter gewissen Umständen das Privileg des Lösungs-

rechts.244 Es stellt sich die Frage, wie sich ein solcher «öffentlicher Erwerb» auf die Gut-

gläubigkeit des Erwerbers auswirkt und welche Umstände ihn zu etwaigen Nachfor-

schungsmassnahmen anhalten sollten.

163 Unbestrittenermassen liegt der Grund für die Privilegierung in Form des Lösungsrechts

in der hohen Gewichtung des Verkehrsinteresses.245 Ob jedoch, wie BAUMANN vertritt,

davon ausgegangen werden kann, dass «der Erwerber bezüglich der Berechtigung des

Veräusserers […] keine besondere Aufmerksamkeit aufzuwenden hat; die Berechtigung

wird vom Gesetz geradezu vorausgesetzt»246, ist zweifelhaft.

164 Der Schutz desjenigen, der unter Umständen erworben hatte, die besonders vertrau-

enserweckend waren, ist in Bezug auf seinen guten Glauben zu erhöhen.247 Der Grund,

weshalb die Erwerbsart des öffentlichen Erwerbs bei einer Versteigerung (wie auch auf

einem Markt sowie von einem Kaufmann, der mit Waren gleicher Art handelt) einen be-

sonderen Schutz des Erwerbers schaffen, liegt darin, dass es sich dabei um einen be-

sonders unverdächtigen Erwerb handelt.248

165 Dennoch hängt es, nach Meinung der vorliegenden Arbeit, immer von den Umständen

ab, unter denen eine solche öffentliche Versteigerung stattfindet. Besonders bei den

grossen Auktionshäusern (wie etwa Sotheby’s und Christie’s) kann grundsätzlich davon

ausgegangen werden, dass eine fachkundige Person die Kunstwerke nicht nur auf

Echtheit, sondern auch in Bezug auf die Verfügungsberechtigung geprüft hat. DÜNKEL

hält hierzu fest: «Durch die Öffentlichkeit des Verfahrens und die Mitwirkung einer be-

sonders sachkundigen und autorisierten Versteigerungsperson gewinnt die öffentliche

Versteigerung jedoch ein so hohes Maß an Unverdächtigkeit, daß Umstände, die sonst

auffallend auf das fehlende Eigentum des Veräußerers hindeuten, in der Regel, nament-

lich wegen der Öffentlichkeit des Verfahrens, fehlen werden. Damit wird die Nachfor-

schungspflicht praktisch Gegenstandslos […]»249.

242 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 109; BK-STARK, Art. 933 N 48; BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegen-

nahme eines Kulturguts, 205. 243 BGE 113 II 397 E. 2a, 399. 244 Vgl. vorne Rz. 106 ff. 245 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 47, vgl. vorne Rz. 74. 246 ZK-BAUMANN, Art. 3 ZGB N 61. 247 BK-STARK, Art. 934 ZGB N 47. 248 PFISTER H. R., 131 m.w.H. 249 DÜNKEL, 50. Hervorhebung beigefügt; so auch KUNZE, 211.

Page 52: Masterarbeit_Brugger Lukas

36

166 Dass die Nachforschungspflicht praktisch wegfällt bedeutet nach der hier vertretenen

Meinung zwar, dass der Erwerber in stärkerem Ausmass darauf vertrauen kann, dass

der Versteigernde die Veräusserungsbefugnis zur Übertragung besitzt, jedoch nicht,

dass er per se von Nachforschungen befreit ist, will er sich auf seinen guten Glauben

berufen. Selbst wenn ein verstärktes Vertrauen aufgrund der Öffentlichkeit und die Hin-

zuziehung von Fachpersonen starke Indizien für den zu vermutenden guten Glauben

darstellen, hängt es in erheblichem Masse von den Umständen der Versteigerung ab,

ob der Erwerber zu Nachforschungen angehalten ist.250

e) Der gute Glaube bei der Ersitzung

aa) Gegenstand des guten Glaubens

167 In Fällen, wo der Ersitzung als Eigentumserwerbsart Bedeutung zukommt (bspw. wenn

das Grundgeschäft formell nicht gültig war oder im Falle eines Erbgangs),251 spielt die

Gutgläubigkeit des Ersitzungsprätendenten ebenfalls eine grosse Rolle.

168 Bei der Ersitzung nach Art. 728 ZGB bezieht sich der gute Glaube auf die «Unkenntnis

der Umstände (tatsächlicher oder rechtlicher Natur), die den Eigentumserwerb verhin-

dern»252. Dabei geht es um das Bewusstsein des Besitzers, dass er zum Besitz berech-

tigt ist und mit diesem keine Rechtsposition eines anderen verletzt.253

169 Der gute Glaube bezieht sich dabei nicht auf ein mangelndes dingliches Recht des Ver-

äusserers, sondern auf den Besitzer selbst. Der Besitzer ist dann gutgläubig, wenn er,

ohne sein Verschulden, nicht weiss, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.254 Er muss

mit anderen Worten nachvollziehbarerweise das Bewusstsein haben, dass er zum Be-

sitz berechtig ist und damit kein Recht eines anderen verletzt.255 Dabei muss der gute

Glaube über die gesamte Ersitzungszeit vorhanden sein.256 Das Prinzip des mala fides

superveniens non nocet findet bei der Ersitzung somit keine Anwendung.257

bb) Zeitpunkt des guten Glaubens

170 Es stellt sich die Frage, welche Anforderungen zu welchem Zeitpunkt von der ersitzen-

den Person verlangt werden können. Dabei ist an die Gutgläubigkeit während der Ersit-

zungszeit nicht der gleiche Massstab anzulegen wie an diejenige beim Erwerb.258

171 Zum Zeitpunkt des Erwerbs bestehen höhere Anforderungen an die Gutgläubigkeit als

während der Ersitzungsdauer, die sich je nach Kunstwerk entweder auf fünf oder auf 30

Jahre beläuft.259 Im Zusammenhang mit Kunstgütern ist zum Zeitpunkt des Erwerbs

(bspw. durch einen Verkauf, bei dem die iusta causa dahinfällt und die Ersitzung zur

250 Im Ergebnis auch BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 154. 251 Vgl. vorne Rz.82. 252 BK-MEIER-HAYOZ, Art. 661 ZGB N 4. 253 LIVER, SPR V/1, 395. 254 BK-LEEMANN, Art. 728 ZGB N 10. 255 LIVER, SPR V/1, 395. 256 BK-LEEMANN, Art. 728 ZGB N 11 f. 257 LIVER, SPR V/1, 395. 258 BK-MEIER- HAYOZ, Art. 661 ZGB N 25 m.w.H. 259 BSK ZGB-SCHWANDER, Art. 728 N 8.

Page 53: Masterarbeit_Brugger Lukas

37

Anwendung kommt) das Ausmass der Anforderungen an den guten Glauben denen des

gutgläubigen Erwerbs gleichgestellt.

172 Ein Teil der Lehre verlangt für die Ersitzung in jedem Fall das Bestehen der Gutgläubig-

keit zum Zeitpunkt des Erwerbs.260 Dieser Annahme ist jedoch nur bedingt zuzustim-

men. Denn, wie LIVER richtig festhält, kann sich der zum Zeitpunkt des Erwerbs fehlen-

de gute Glaube bspw. durch die Entstehung eines anderen Rechtsverhältnisses später

einstellen.261 Nach dieser Annahme entspricht der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs

zwar nicht den Anforderungen an den guten Glauben, jedoch wird dieser Umstand spä-

ter bereinigt. Selbst wenn Fallkonstellationen, bei denen sich der Erwerb desselben Er-

werbers auf zwei unterschiedliche, sukzessive Rechtsverhältnisse stützt, wohl selten

anzutreffen sind, so sind sie nicht vollkommen auszuschliessen. Denkbar wäre eine

Konstellation, in der der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs den Anforderungen der

Gutgläubigkeit nicht entsprach (bspw. durch mangelhafte Provenienznachforschung)

und der Kaufvertrag durch einen Formfehler mangelhaft war. Werden die Zweifel des

Erwerbers an der Verfügungsberechtigung des Verkäufers zu einem späteren Zeitpunkt

zerstreut, sei es durch Zusicherungen des Verkäufers oder durch eigene Nachforschung

(denen der Käufer i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ZGB objektiv Glauben schenken durfte und damit

den Anforderungen der Gutgläubigkeit entspricht), so fand der Zeitpunkt des Erwerbs in

Bösgläubigkeit statt; die Gutgläubigkeit (und somit der Beginn der Ersitzungsfrist) stellt

sich jedoch erst zu einem späterem Zeitpunkt ein.262

173 Während der Ersitzungsfrist fällt der gute Glaube des Ersitzenden nicht ohne weiteres

dahin, wenn sich der Eigentümer bei ihm meldet und von ihm die Herausgabe des

Werks verlangt.263 Es hängt von den Umständen ab, unter denen ein solcher Herausga-

beanspruch getätigt wird. Handelt es sich um eine eindeutige Rechtslage, in der der Er-

sitzungsprätendent in Anwendung der notwendigen Sorgfalt den Rechtsmangel hätte

erkennen müssen, so wird die Ersitzungsmöglichkeit bereits durch die blosse Geltend-

machung des Eigentümers zerstört.264 Bei nicht eindeutiger Rechtslage stellt insbeson-

dere der Beweis der Bösgläubigkeit (bzw. des Fehlens der Gutgläubigkeit) ein prakti-

sches Problem der Beweisführung dar. In Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ZGB obliegt es

der Person, die die Ersitzung des Ersitzungsprätendenten beanstandet, dies zu bewei-

sen.265

260 Vgl., BSK ZGB II-SCHWANDER, Art. 728 N 8; REY, Rz. 2005. 261 LIVER, SPR V/1, 396 mit Hinweis auf BGE 94 II 297. 262 Vgl. REICHEL, 45 f. der ein Beispiel der Bösgläubigkeit des Erblassers im Zeitpunkt des Er-

werbs nennt, wobei die Vertragserfüllung durch den gutgläubigen Erben geschieht. In diesem Fall sieht REICHEL die Bösgläubigkeit des Erwerbes als nicht schädlich für den Erwerb. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies auch für die Ersitzung gültig; a.A. SIEGFRIED, 82; PFISTER

W., 103 der bei Auseinanderfallen von Bösgläubigkeit und Gutgläubigkeit in unterschiedlichen Zeitpunkten den Beginn der Ersitzungsfrist selbst bei Bösgläubigkeit gefolgt von Gutgläubig-keit ausschliesst.

263 ZK-ZOBL, Art. 728 ZGB N 40. 264 LIVER, SPR V/1, 395 f.; ZK-ZOBL, Art. 728 ZGB N 40 jeweils m.w.H. 265 ZK-ZOBL, Art. 728 ZGB N 42; REY, Rz. 2004.

Page 54: Masterarbeit_Brugger Lukas

38

2. Umstände als Anlass zu erhöhter Sorgfalt

a) Keine allgemeine Erkundigungspflicht

174 Aufgrund des Vertrauensprinzips besteht gegenüber demjenigen, der als Besitzer einer

beweglichen Sache auftritt, die Vermutung, deren Eigentümer zu sein. Dies gilt im Sinne

des Verkehrsinteresses insbesondere bei sämtlichen Rechtsgeschäften.266 Der Erwer-

ber eines Gegenstands darf somit im Prinzip grundsätzlich darauf vertrauen, dass der-

jenige, der ein Kaufobjekt anbietet, auch zu dessen Übertragung befähigt ist.

175 Dementsprechend kennt das schweizerische Recht nach ständiger Rechtsprechung

keine allgemeine Erkundigungspflicht nach der Verfügungsberechtigung bei Rechtsge-

schäften. Bestehen jedoch Gründe zur Annahme, dass die Rechtsscheinposition durch

den Besitz und die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse auseinanderfallen, ist der Er-

werber angehalten, näherer Erkundigung anzustellen.267

b) Besondere Umstände zu erhöhter Sorgfalt

176 Der Grad der gebotenen Aufmerksamkeit, zu der der Erwerber angehalten ist, Nachfor-

schungen zu betreiben, beurteilt sich objektiv nach einem Durchschnittsmass an Auf-

merksamkeit, welches der Redliche unter den gegebenen Umständen anzuwenden

pflegt.268 Hierfür ist entscheidend, wie ein redlicher Dritter den Sachverhalt gewürdigt

hätte und welche Massnahmen er aufgebracht hätte.269 Dabei ist nach BAUMANN: «in

persönlicher Hinsicht […] objektivierend auf die Aufmerksamkeit des Durschnittsmen-

schen mit vergleichbarer Bildung und Funktion abzustellen, was immer auch den Einbe-

zug spezifischer Branchenkenntnisse beinhaltet»270.

177 Mit anderen Worten ist an der Veräusserungsbefugnis der übertragenden Partei zu

zweifeln, wenn die Modalitäten des Geschäfts oder die Übergabe das Misstrauen eines

redlichen Dritten hätten erwecken müssen. Dies ist anzunehmen, wenn beispielweise

die Übergabe in einem «dunklen» Hinterzimmer stattfindet und eine hohe Summe in bar

gezahlt wird, keine Kaufpreisquittung vorliegt oder sonstige relevante Dokumente feh-

len. Ferner können der schlechte Zustand des Kunstwerks (bspw. durch das Heraus-

schneiden aus dem Rahmen), die Reputation des Verkäufers bzw. des Vermittlers oder

der ungewöhnlich niedrige Preis Umstände zu Misstrauen bieten.271 Ebenfalls ist ein zu-

nehmendes Misstrauen geboten, wenn der Objektbeschrieb lückenhaft ist oder andere

Umstände vorliegen, wie der Druck des Verkäufers auf einen schnellen Geschäftsab-

schluss oder die Berechtigung zur Übertragung betont oder sogar überbetont.272

266 Vgl. vorne Rz. 74. 267 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 128, BSK ZGB II 2011-ERNST, Art. 933 N 36; BK-STARK, Art. 933

ZGB N 50; BGE 83 II 126 E. 1, 133 m.w.H. 268 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 122; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP Rz. 292; BGE 113 II 397 E. 2b, 399. 269 BK-HOFER, Art. 3 N 117 m.w.H.; WIESER, 88 f. m.w.H. 270 ZK-BAUMANN, Art. 3 ZGB N 50 m.w.H.; Zudem hält BAUMANN an einer sachlichen und einer

zeitlichen Komponente fest, die die konkreten Umstände des Sachverhalts bzw. die persönli-chen Umstände beinhalten.

271 MÜLLER-CHEN/RENOLD-KKR, Kap. 6 Rz. 148; KUNZE, 211. 272 GRELL, 158; BK-STARK, Art. 933 ZGB N 52a.

Page 55: Masterarbeit_Brugger Lukas

39

c) Erhöhte Anforderungen bei Waren zweifelhafter Herkunft

aa) Gefährdete Geschäftsbranche

aaa) Luxusauto-Occasions-Handel

178 Erstmals stellte das Bundesgericht in einem Entscheid von 1987 fest, dass im Auto-

Occasionshandel mit Luxusautomobilen eine Erwerberin wegen der Besonderheit des

von ihr betriebenen Geschäftes eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen hatte.273 Zu be-

handeln war im vorliegenden Fall die Frage, ob die Erwerberin, die Handel mit Autos der

Luxusklasse betrieb, den Anforderungen des guten Glaubens entsprach, nachdem sich

herausstellte, dass ein von ihr erworbenes Autos der Marke Ferrari in Paris gestohlen

worden war.

179 Im Wortlaut hielt das Bundesgericht wegweisend dazu fest: «Vorweg höhere Anforde-

rungen sind daher an jene Erwerbszweige zu stellen, in denen erfahrungsgemäss häu-

fig Gegenstände zum Kauf oder Tausch angeboten werden, die mit Rechtsmängeln be-

haftet sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn damit zu rechnen ist, dass angebotene

Sachen dem Berechtigten gegen seinen Willen – so durch Diebstahl – abhanden ge-

kommen sind; denn in derartigen Fällen hat der Berechtigte nicht dafür einzustehen,

dass ein falscher Rechtsschein entstanden ist, indem seine Sache in den Verkehr ge-

langte und durch den Gegeninteressenten erworben wurde. Auch wenn grundsätzlich

die Regel zutrifft, dass Art. 3 Abs. 2 ZGB keine allgemeine Erkundigungspflicht statuiert

und dass sich nur erkundigen muss, wer Grund zum Verdacht hat […] gilt dies deshalb

nur beschränkt für jene Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter

Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse aus-

gesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist»274.

180 Wenngleich mit diesem Prinzip des Bundesgerichts keine umfassende automatische

Erkundigungspflicht statuiert wird, ergibt sich eine Abklärungs- bzw. Erkundigungspflicht

hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräusserers nicht erst bei konkretem

Verdacht des Rechtsmangels, sondern bereits wenn aufgrund der Umstände Anlass zu

Misstrauen besteht.275

bbb) Antiquitätenhandel

181 Dass die erhöhten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten nicht auf den Auto-

Occasionshandel beschränkt sind, sondern generell auf Geschäftszweige, die dem An-

gebot von Waren zweifelhafter Herkunft in besonderem Masse ausgesetzt sind, wurde

mit dem Urteil BGE 122 III 1 aus dem Jahr 1996 bestätigt. In diesem Urteil bestätigte

das Bundesgericht die Bösgläubigkeit des Erwerbers einer antiken Waffensammlung,

welche in Genf gestohlen wurde. Dabei stellte es den Handel mit Antiquitäten ebenfalls

unter die Geschäftszweige, die eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangen.276

273 BGE 113 II 397 E. 3, 401. 274 BGE 113 II 397 E. 2b, 399 f. Hervorhebung beigefügt. 275 Vgl. BGE 122 III 1 E. 2a, 3; vgl. zu diesem Entscheid WALTER, Rechtsprechung, 747 f.; PFIS-

TER H.R., 211 f. 276 BGE 122 III 1 E. 2a, 4.

Page 56: Masterarbeit_Brugger Lukas

40

182 Der Erwerber war im vorliegenden Fall Kaufmann von Immobilien und Automobilen und

seit einigen Jahren Sammler von Antiquitäten und Waffen. Das Gericht entschied daher:

«Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es sich beim Beklagten nicht nur

um einen Kaufmann, sondern auch um eine Person handelt, die im Antiquitätenhandel

keineswegs unerfahren ist. Es rechtfertigt sich daher, im vorliegenden Fall an die nach

Art. 3 Abs. 2 ZGB gebotene Aufmerksamkeit erhöhte Anforderungen zu stellen»277.

183 Das Bundesgericht stellt somit für die erhöhten Anforderungen an die Aufmerksamkeit

des Erwerbers auf die Branche bzw. den Geschäftszweig ab. Da die Möglichkeit, ein

«riskantes» Rechtsgeschäft zu tätigen, diesen Geschäften immanent ist, kann der Ge-

schäftsbereich bewirken, dass dem Erwerber ein grundlegendes Misstrauen abverlangt

wird. Wird dieses durch die Umstände erweckt, muss der Erwerber Nachforschungen

betreiben, um den Anforderungen des guten Glaubens i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ZGB zu ent-

sprechen.278 Mit Geschäftszweigen, in denen in besonderem Masse mit dem Angebot

von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen zu

rechnen ist, ist dabei nichts anderes gemeint, als ein sachlicher Umstand, der geeignet

ist, das Mass der Aufmerksamkeit zu beeinflussen.279

bb) Übertragener Gegenstand als Kriterium

184 Bei der Feststellung, ob den Erwerber erhöhte Sorgfaltspflichten treffen, da das getätig-

te Geschäft der bundesgerichtlichen Definition der «risikoreichen Geschäftsbranche»

entspricht, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen auf einen solchen Bereich zu

schliessen ist.

185 BERGER-RÖTHLISBERGER stellt dazu richtig fest, dass dabei nicht auf die Person, die ein

solches Geschäft tätigt, sondern auf den übertragenen Gegenstand abzustellen ist.280

Würde alleine auf professionell tätige Personen abgestellt werden, um die Betätigung in

einer risikoreichen Geschäftsbranche abgestellt werden, würden beim Privatverkauf

(beispielsweise eines Autos) die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung etablier-

ten besonderen Sorgfaltspflichten nicht greifen.

186 Es ist daher nicht auf die Branche als solche, sondern auf den übertragenen Gegen-

stand abzustellen, um zu eruieren, ob ein «riskantes Rechtsgeschäft» getätigt wurde.281

cc) Branchenkenntnis des Erwerbers

187 Das Tätigwerden in einer gefährdeten Geschäftsbranche alleine begründet jedoch noch

keine umfassenden Erkundigungen über die Verfügungsberechtigung des Veräusse-

rers. Wenngleich vom Erwerber in solchen Branchen ein erhöhtes Misstrauen verlangt

werden kann, bedarf es der Inbetrachtziehung der gesamten Umstände des Einzelfalls

um festzustellen, ob ein Dritter an der Stelle des Erwerbers Gründe zum Zweifel an der

277 BGE 112 III 1 E. 2a, 5 f. 278 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 206. 279 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 206. 280 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 210; so auch SCHÖNENBERGER,

93. 281 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 214.

Page 57: Masterarbeit_Brugger Lukas

41

Verfügungsberechtigung des Veräusserers hatte. Nur diese können letztlich für den Um-

fang der verlangten Aufmerksamkeit massgeblich sein.282

188 Bereits im Urteil BGE 122 III 1 bestimmte das Bundesgericht, dass die erhöhte Sorg-

faltspflicht nicht auf den professionellen Händler beschränkt ist, sondern vielmehr die

Branchenkenntnis des Erwerbers für den eigenen Bedarf Grund zu erhöhter Informati-

onseinholungspflicht darstellen kann.283 Das Erfordernis zu erhöhter Aufmerksamkeit

kann somit auch von einer Person verlangt werden, die den Erwerb für den eigenen Be-

darf tätigt.

189 An eine Person, die über Branchenkenntnis verfügt und an eine Person, die in dem Ge-

schäftsfeld über keinerlei Erfahrung verfügt, ist dabei nicht der gleiche Massstab anzu-

wenden. Der Fachperson wird zugetraut, auf Unregelmässigkeiten besonders sensibili-

siert zu sein, sowie über das nötige Wissen und die Mittel zu verfügen, diese aufzude-

cken.284 Mit anderen Worten verschärft sich der Sorgfaltsmassstab mit steigender Fach-

und Sachkenntnis des Erwerbenden.285 Das Vergleichspaar für die Feststellung, ob der

Kunstkenner zu Nachforschungen verpflichtet war, ist somit ein Dritter, der mit gleichen

Kenntnissen den gleichen Umständen ausgesetzt war.

190 Ein «Kunstlaie» jedoch kann gewisse verdächtige Umstände, wie etwa den tiefen Preis

eines Kunstwerks oder den schlechten Zustand, schlechter dahingehend verstehen,

dass das Werk gestohlen wurde bzw. es sich beim Veräusserer nicht um die zur Über-

tragung befähigte Person handelt. Das Vergleichspaar ist somit in einem Dritten zu su-

chen, der über keine speziellen Kenntnisse im Kunstgeschäft verfügt und unter den

konkreten Umständen einen Erwerb vornehmen wollte.286 Waren die Umstände dahin-

gehend zu verstehen, dass Zweifel an der Befugnis des Verkäufers, das Werk übertra-

gen zu dürfen, entstehen hätten müssen, muss sich der Erwerber auf weitere Nachfor-

schungen einlassen, um sich auf den guten Glauben berufen zu können.

191 Der Anknüpfungspunkt der Anforderungen an die erhöhte Sorgfalt besteht nicht im Tä-

tigwerden im Kunstmarkt an sich, sondern an den speziellen Umständen der Akquisiti-

on. Diese sind erfahrungsgemäss bei Kunstkennern als besser bekannt anzunehmen

als bei Kunstlaien. Dennoch sind die Anforderungen an den guten Glauben eines Laien

höher, wenn er erkennt, oder hätte erkennen müssen, dass es sich bei einem Werk um

ein gestohlenes Kunstwerk handelt. Dies trifft insbesondere auf Fälle zu, die häufig und

ausführlich in den Medien erwähnt werden.287

282 UHLMANN/MOSIMANN/MÜLLER-CHEN, Rz. 7; BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 207. 283 vgl. vorne Rz. 182. 284 BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 141; GRELL, 157. 285 FISCHER/KUPRECHT/RASCHÈR, 509. 286 ZK-BAUMANN, Art. 3 ZGB N 50, vgl. vorne Rz. 176. 287 ARENDHOLZ, 226.

Page 58: Masterarbeit_Brugger Lukas

42

3. Sorgfalt im Kunstmarkt

a) Der Kunstmarkt als gefährdete Geschäftsbranche?

192 Wie in den vorhergehenden Ausführungen festgestellt, muss nach der bundesgerichtli-

chen Rechtsprechung in den «gefährlichen Geschäftsbranchen» in erhöhtem Masse mit

Waren zweifelhafter Herkunft gerechnet werden. Daher ist vom Erwerber von Grund auf

ein höherer Grad an Misstrauen zu verlangen, wenn er einen Gegenstand dieses Ge-

schäftszweiges erwirbt.

193 Das Bundesgericht hatte bis heute – soweit ersichtlich – noch nicht die Gelegenheit,

sich mit der Frage des konkreten Sorgfaltsmassstabs im Kunstmarkt auseinanderzuset-

zen.288 In der älteren Rechtsprechung wurde es jedoch als selbstverständlich erachtet,

dass der «Bilderhandel» zu den heiklen Geschäftszweigen gehöre. So führt das Ober-

gericht des Kantons Schaffhausen 1961 aus: «Es gibt gewisse Handelszweige, bei de-

nen das Angebot von Ware von seiten unrechtmäßiger Besitzer häufiger ist als in ande-

ren. Es kann hier erinnert werden an den Bilderhandel, an Trödlergeschäfte oder an den

Handel mit Altmetallen […]»289.

194 Der herrschende Teil der Lehre geht davon aus, dass neben dem Auto-Ocasssions-

und Antiquitätenhandel auch der Erwerb von Kunst unter die Kategorie fällt, in denen

ein grundsätzliches Misstrauen und somit eine erhöhte Sorgfalt verlangt werden

muss.290 So hält MÜLLER-CHEN stellvertretend fest: « […] Fehlen konkrete Verdachts-

momente, besteht im Grundsatz keine Erkundigungspflicht. Dies gilt aber nicht in Ge-

schäftsbereichen, welche dem Angebot von mit Rechtsmängeln behafteten Sachen in

besonderem Masse ausgesetzt sind. Dazu zählt gemäss Bundesgericht der Handel mit

Luxusoccasionen oder Antiquitäten. M.E. muss a fortiori auch der Kunsthandel dazu ge-

rechnet werden»291.

aa) BGE 123 II 134

195 Anlass zu dieser Meinung bieten sowohl MÜLLER-CHEN als auch WEBER mit einem

Rechtshilfeentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 1997.292 In diesem Fall musste

das Bundesgericht entscheiden, ob der Käufer sich auf seinen guten Glauben im Zuge

des Kaufs eines einige Monate zuvor in Frankreich gestohlenen Kunstwerks von Ale-

xandre-François Desportes berufen konnte. Im Wortlaut entschied das Bundesgericht:

«Le recourant n’a pas rendu vraisemblable […] qu’il aurait pris, avant la transaction, les

précautions élémentaires dont doit s’entourer la personne prudence qui acquiert un

œuvre d’art de grande valeur. En particulier, il n’a pas démontré avoir fait à temps

toutes les démarches nécessaires pour s’assurer de l’origine du tableau et de la régula-

rité de son importation en Suisse; il n’a pas fait examiner l’œuvre par un expert qui au-

288 Urteil des Bezirksgerichtes Meilen LB 110003 vom 21.12.2010, E. 4.2.1a. 289 Obergericht des Kantons Schaffhausen in: SJZ 1961 Heft 19, 304. 290 So die Anmerkungen bei WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer,

523; FISCHER/KUPRECHT/RASCHÈR, Compliance im Kulturgüterhandel, 510; WIESER, 96 Fn. 409 m.w.H.; GRELL, 158; WIEGAND, 830; SCHÖNENBERGER, 93; BECKER, Rz. 523.

291 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1272. 292 WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 523 f. Fn. 107; MÜLLER-

CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1272.

Page 59: Masterarbeit_Brugger Lukas

43

rait pu en certifier la provenance, ni pris les mesures idoines pour vérifier que l’œuvre

n’était ni volée ni perdue»293. Im Folgesatz fügt der Entscheid an: «En outre, les condi-

tions concrètes de la transaction, ainsi que le prix de vente – très inférieur à la valeur du

tableau – n’accréditent pas la thèse du recourant».

196 Der Erwerber – ein Geschäftsmann sowie Kunstkenner – handelte im vorliegenden Fall

mit ihm unbekannten Personen und das zu einem, vom Gericht nicht weiter ausgeführ-

ten, sehr niedrigen Preis.294 Die Formulierung des Bundesgerichts «en outre» lässt den

Schluss nahe, dass die Umstände der Transaktion – der Handel mit Unbekannten, der

sehr niedrige Preis sowie die Fachkenntnis des Erwerbers – ein im Kunstkauf von

Grund auf nötiges Aufmerksamkeitserfordernis hätte verstärken müssen.

bb) Kritik

197 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Meinung sind es jedoch genau diese Umstände,

die das Misstrauen des Käufers hätten erwecken müssen. Da dem Erwerber die Ver-

trautheit mit dem Kunstmarkt attestiert wurde, musste dieser den Umstand, dass der

Preis für das zum Erwerb angebotene Werk sehr niedrig war, richtigerweise dahinge-

hend verstehen, dass die Verfügungsberechtigung der Verkäufer – die ihm unbekannt

waren – weitergehender Nachforschungen bedürfte.

198 Ein redlicher Dritter, der mit der Branche in gleichem Masse vertraut wäre wie der Er-

werber, hätte den Kauf des Werkes unter diesen Umständen nicht ohne vorhergehende

Nachforschungsmassnahmen vollzogen.

199 Es ist dabei wichtig zu betonen, dass die Branchenvertrautheit desjenigen, der seinen

guten Glauben bestätigt wissen will, nicht nur in den «riskanten Geschäftsbereichen»

ausschlaggebend ist. WIEGAND geht davon aus, dass der gute Glaube ein individuelles

Kriterium ist, «weshalb auf den konkreten Fall und die handelnden Personen abzustel-

len ist. Lagen im Einzelfall Umstände vor, die Anlass zu erheblichen Zweifeln an dem

Anschein der [Verfügungs-] Berechtigung gaben, so kann das Nichteinholen von Erkun-

digungen die Gutgläubigkeit ausschliessen. Daraus ergibt sich die Annahme, von Er-

kundigungspflichten für ganze Geschäftszweige oder -typen an sich verfehlt ist»295.

200 Demnach ist unabhängig von der Frage, ob ein riskanter Geschäftsbereich vorlag, dem

Erwerber (der handelnden Person) aufgrund seiner Expertise der gute Glaube abzu-

sprechen, da er die Umstände (wie namentlich der niedrige Preis) dahingehend verste-

hen hätte müssen, dass an der Verfügungsberechtigung in höchstem Masse zu zweifeln

sei.

cc) Ein Kulturgut zur Sicherung eines Bankkredits

aaa) Sachverhalt und Entscheidung im BGE 131 III 418

201 Mit der Frage, welche Sorgfaltspflichten bei der Übertragung eines Kulturguts beachtet

werden müssen, beschäftigte sich das Bundesgericht im Fall Union de l’Inde contre

293 BGE 123 II 134 E. 6d, 142. 294 BGE 123 II 134 E. 6, 141 f. 295 WIEGAND, 829 f. Hervorhebung beigefügt.

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Crédit Agricole Indosuez.296 Dabei wurden der Bank zwei antike indische Goldmünzen

als Pfand zur Sicherung eines Kredits zweier Gesellschaften hinterlegt. Die beiden Ge-

sellschaften wurden kontrolliert durch den Enkel des letzten Herrschers des indischen

Fürstentums von Hyderabad. Die Indische Union machte geltend, sie sei durch die Lan-

desvereinigung 1950 Eigentümerin der beiden Münzen aus dem 17. Jahrhundert ge-

worden. 297 Die Bank habe dementsprechend das Pfandrecht an den Münzen nicht gut-

gläubig erwerben können, da die Ausfuhr gegen die Ursprungsbestimmungen Indiens

verstosse.298

202 Zuerst bestätigte das Bundesgericht in gängiger Praxis, dass, selbst wenn der Pfander-

werber gutgläubig war, er seine Gutgläubigkeit nicht geltend machen konnte, wenn er

beim Erwerb nicht die notwendige Sorgfalt hat walten lassen, die von ihm erwartet wer-

den konnte.299 Sodann stellte das Bundesgericht in Anwendung der ständigen Recht-

sprechung fest, dass in gefährdeten Geschäftsbranchen die erhöhte Aufmerksamkeit

nicht erst bei konkretem Verdacht des Rechtsmangels entsteht, sondern bereits, wenn

aufgrund der Umstände Anlass zu Misstrauen besteht.300

203 Da es sich bei der Pfandnehmerin um eine Bank handelte, der von Grund auf Sorgfalts-

pflichten im Umgang mit ihren Kunden auferlegt werden, stellte sich die Frage, ob sie an

der Verfügungsberechtigung der Pfandgläubiger hätte zweifeln müssen. In Anwendung

der Rechtsprechung und herrschender Lehre hält das Gericht hierzu fest, dass die Bank

bei der Pfandübertragung im Prinzip zu keinen umfassenden Provenienzerkundigungen

angehalten war, sondern sich auf die Eigentumsvermutung des Besitzers (Art. 930

ZGB) stützen konnte. Einzig bei speziellen Umständen, die Zweifel oder Misstrauen hät-

ten erwecken müssen, wären weitere Nachforschungen notwendig.301

204 Die erforderliche Aufmerksamkeit einer Bank in Bezug auf die Verfügungsberechtigung

einer Pfandgeberin wird dabei als hoch erachtet und entspricht der Aufmerksamkeit, die

im Bankgeschäft üblich ist.302 Wenn die Bank bei der Annahme von Sicherheiten die

Sorgfaltspflichten des Bankgeschäfts erfüllt, wie namentlich die Identifikation des Bank-

kunden, gilt sie als gutgläubig.303

205 Der dem Bundesgericht vorliegende Sachverhalt wurde zu Gunsten der Bank entschie-

den, die den von ihr verlangten Sorgfaltspflichten entsprechend handelte indem sie die

Identität der Kunden feststellte und dabei auf keine Umstände stiess, die zu weiterge-

henden Erkundigungen Anlass gaben.304

296 BGE 131 III 418. 297 BGE 131 III 418, 420. 298 Im Jahr 1972 unterstellte die Indische Union durch den «Antiquities and Art Treasures Act»

die Ausfuhr von Kulturgütern der Genehmigung der Regierung. 299 BGE 131 III 418 E. 2.3.1, 421. 300 BGE 131 III 418 E. 2.3.2, 422; dass es sich vorliegend um ein beschränktes dingliches Recht

und nicht um Eigentum handelt spielt für die Beurteilung des guten Glaubens keine Rolle, BSK ZGB II-BAUER, Art. 884 N 138.

301 BGE 131 III 418 E. 2.3.2, 422. 302 BGE 131 III 418 E. 2.3.3, 423. 303 BGE 131 III 418 E. 2.3.3, 423 mit Verweis auf die Vereinbarung über die Standesregeln zur

Sorgfaltspflicht der Banken (in casu VSB 03) und die Verordnung der Eidgenössischen Ban-kenkommission zur Verhinderung von Geldwäscherei (SR. 955.022).

304 BGE 131 III 418 E 2.3.4.

Page 61: Masterarbeit_Brugger Lukas

45

bbb) Nichtbeachtung ausländischer Ausfuhrbestimmungen

206 Die Beschwerdeführerin stützte sich im vorliegenden Entscheid auch darauf, dass die

Bank nicht überprüfte, ob die besagten Goldmünzen illegal aus der Indischen Union ex-

portiert wurden. Nach indischem Recht war eine solche Ausfuhr der Genehmigung der

Regierung unterstellt.305

207 Wie bereits ausgeführt, unterstellt die Schweiz die Anwendung von ausländischem öf-

fentlichen Recht dem Erfordernis der Ratifizierung einer bilateralen Vereinbarung mit

dem Herkunftsland, um dieses anzuwenden.306 Dies war zum Zeitpunkt der Übertragung

1988 nicht der Fall.307 Das Bundesgericht erachtete die Gutgläubigkeit der Bank, wie be-

reits angesprochen, somit als erwiesen, da die Bank in die Eigentumsvermutung des

Besitzes der Pfandgeberin vertrauen konnte, ohne eine eventuelle unrechtmässige Aus-

fuhr eines Kulturguts zu beachten.

ccc) Kritik

208 Der Bundesgerichtsentscheid ist bezüglich der angewandten Systematik, insbesondere

der Sorgfaltspflichten – nicht jedoch des Resultats – zu hinterfragen.

209 Wie bereits festgehalten, kommt es bei der Frage, ob eine erhöhte Sorgfalt aufgrund

des Tätigwerdens in einer risikoreichen Branche besteht, nicht auf die Person des Er-

werbenden oder Übertragenden, sondern auf den übertragenen Gegenstand an.308 Im

vorliegenden Fall erwarb die Bank ein Kulturgut zur Sicherung des Kredits. Da es sich

beim übertragenen Gegenstand um ein Kulturgut handelte, stellte das Bundesgericht in

einem ersten Schritt richtigerweise die Frage, ob der Erwerb des Gegenstands eine er-

höhte Aufmerksamkeit verlangte, da er einem risikoreichen Geschäftsbereich angehör-

te. Das Gericht stützt sich hiernach auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum An-

tiquitätenhandel, was anhand des übertragenen Gegenstands auch naheliegend und

richtig war.

210 Massgeblich für die Frage, ob die erforderte Sorgfalt angewandt wurde, sind jedoch

nicht – wie vom Bundesgericht angenommen – die Sorgfaltspflichten der Bankaktivität,

sondern die Würdigung der Umstände der Übertragung. Wie bereits erwähnt, ist anhand

eventueller verdächtiger Umstände (wie bspw. die Beschaffenheit der Münzen, oder der

durch due-diligence der Bank durchgeführte Wert) zu ermitteln, ob der Erwerber die ver-

langte Sorgfalt aufgebracht hat.309

211 Dennoch hat das Bundesgericht die Gutgläubigkeit der Bank bejaht, da sich diese kon-

form den bankenrechtlichen Vorschriften über die Identifikation des Pfandgebers erkun-

digt hat und keine Zweifel an der Verfügungsberechtigung feststellen konnte.310 Dabei

305 Vgl. vorne Rz. 201. 306 Vgl. vorne Rz. 96. 307 Bis zum heutigen Datum wurde mit Indien keine solche Vereinbarung geschlossen, vgl. vorne

Anmerkung zu Rz. 97. 308 Vgl. vorne Rz. 184 ff. 309 Vgl. vorne Rz. 191. 310 Vgl. BSK ZGB II-BAUER, Art. 884 N 139.

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ist jedoch zu erfragen, ob die Feststellung der Identität des Vertragspartners überhaupt

geeignet sein kann, an der Verfügungsberechtigung zu zweifeln.311

212 Wie aus den nicht publizierten Erwägungen des Entscheids (E. 4.1-4.3) hervorgeht, hat

die Bank eigene Nachforschungen bezüglich der Verfügungsberechtigung getroffen. So

wurde der Enkel und Eigentümer der beiden Gesellschaften in Australien von einem

Bankvertreter besucht, um festzustellen, dass die Münzen seinem Grossvater (Mir Os-

man Ali Khan, der letzte Herrscher des Fürstenstaats Hyderabad) gehörten. Darüber

hinaus waren die beiden Goldmünzen bereits 1987 Gegenstand einer vielfach öffentlich

beworbenen Auktion, bei der sie vom Auktionator als Sicherheit für die anfallenden Ge-

bühren akzeptiert wurden.312 Es ergibt sich somit aus den Umständen, dass die Bank

keine konkreten Zweifel an der Verfügungsberechtigung des Pfandgebers hätte haben

können – sie ist daher i.S.d. Art. 884 Abs. 2 ZGB in ihrem guten Glauben zu schützen.

213 Nach der hier vertretenen Meinung ist bei der Übertragung eines Kulturguts bezüglich

der Frage, ob Zweifel an der Verfügungsberechtigung bestehen hätten sollen, nicht auf

die Sorgfaltspflichten der Bankbranche zu achten, sondern auf die konkreten Umstände

des Einzelfalls. Hätten die Umstände Zweifel an der Verfügungsberechtigung aufkom-

men lassen müssen – was sie in concreto nicht taten – wäre die Bank angehalten ge-

wesen, weitere Nachforschungen zu betreiben – unabhängig davon, ob sie den Erkun-

digungspflichten des Bankgeschäfts Genüge getan hat oder nicht.313

b) Qualifikation der Sorgfalt im Kunstmarkt

aa) Absage an den gesamthaft riskanten Markt

214 Etwas konkreter – wenn auch nicht explizit – hat sich das Bundesgericht in einem 2013

erschienenen Entscheid mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Kunstmarkt eine risi-

kobehaftete Geschäftsbranche darstellt, die von Grund auf erhöhte Sorgfaltspflichten

verlangt.314

215 Der Klagende behauptete, die erhöhte Aufmerksamkeit des Erwerbers begründe sich

bereits aus dem Umstand, dass der Kunstmarkt ganz allgemein einen Geschäftsbereich

darstelle, in dem in erhöhtem Masse mit Waren zweifelhafter Herkunft zu rechnen ist.315

216 Das vorinstanzliche Obergericht Zürich hatte sich bereits mit dieser Frage auseinander-

gesetzt und definierte den betreffenden Markt, gestützt auf ein Gutachten als «Verkauf

von Werken der klassischen Moderne aus der Sowjetunion im Westen vor der Wen-

de»316.

311 BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 212. 312 Zum Ganzen RENOLD, The Swiss Supreme Court‘s Decision on the Giant Antique Mogul Gold

Coins, 364. 313 So auch RENOLD, The Swiss Supreme Court‘s Decision on the Giant Antique Mogul Gold

Coins, 364; BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 212. 314 Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem BGE 139 III 305 («Der Fall Malewitsch»)

siehe weiter hinten Rz. 323 ff. 315 BGE 139 III 305 E. 5.2.1, 314. 316 BGE 139 III 305 E. 5.2.1, 314.

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217 Gestützt auf das Gutachten wird der Markt – nach damaligen Kenntnisstand – von den

Vorinstanzen nicht als ein Markt bezeichnet, auf dem es ein besonderes Mass an An-

gebot von Waren zweifelhafter Herkunft gab. Da es sich nach Auffassung des Bundes-

gerichts hierbei nicht um einen allgemeinen Erfahrungssatz317, sondern um eine Frage

der Beweiswürdigung handelt, ging es nicht abschliessend auf die Frage ein, ob der

Kunstmarkt (bzw. der Markt für russische Kunst der klassischen Moderne) einen «ris-

kanten Geschäftsbereich» darstellt.318 Es ist gemäss Bundesgericht auch nicht notwen-

dig, einen solchen allgemeinen Erfahrungssatz für Teile des Kunstmarkts aufzustel-

len.319

218 Obwohl das Bundesgericht nicht abschliessend auf die Frage einging, ob der Kunst-

markt eine Geschäftsbranche darstellt, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Her-

kunft in besonderem Masse ausgesetzt sind, kann ein wichtiger Schluss in Bezug auf

die Qualifikation des Kunstmarkts gezogen werden. Denn die Unterstellung des gesam-

ten Kunstmarkts unter die strengeren Anforderungen an die Sorgfalt des Erwerbenden

wird vom Gericht zu Recht verneint.

bb) Unterscheidung in Teilmärkte

219 Wie richtigerweise vom Bundesgericht erkannt wird, handelt es sich beim Kunstmarkt

nicht um einen einheitlichen Gesamtmarkt, sondern vielmehr um verschiedene Teil-

märkte.320

220 Zweifellos ist der Erwerbende bei der Anschaffung von einem Kunstwerk eines relativ

unbekannten modernen Künstlers in geringerem Masse dem Risiko ausgesetzt, die

Rechte eines anderen zu verletzen, als bei Werken von Picasso oder Paul Klee.321

Durch ihren – finanziellen wie kollektionistischen – Wert ist diese zweite Kategorie von

Werken (die jedoch ebenfalls nicht als abgeschlossen definierbar betrachtet werden

kann) besonders anfällig, Gegenstand von Diebstahl oder Raub zu werden.322 Auch fal-

len diese Werke (wie beispielsweise ein Original Rembrandt) meist unter die Definition

des Kulturguts oder des kulturellen Erbes. Kulturgüter stellen, aufgrund ihres Alters,

darüber hinaus häufig Antiquitäten dar, bzw. stellen Antiquitäten in vielen Fällen eine

Untergruppe von Kulturgütern dar.323

221 Der herrschenden Lehre, wonach der Kunstmarkt gesamthaft als risikoreiche Ge-

schäftsbranche qualifiziert wird, kann dennoch nicht zugestimmt werden. Denn selbst

wenn die Gefahr, dass es sich beim Kaufobjekt um einen Gegenstand mit Rechtsman-

gel handelt, auf die Kategorie der Kulturgüter bzw. der Alten Meister zutrifft, so ist für die

Kategorie der modernen Kunst ein Generalverdacht auf zweifelhafte Herkunft nicht an-

317 Vgl. BGE 130 III 182 E. 5.5.2, 192; BGE 107 II 269 E. 2b, 274 f.; BK-WALTER, Art. 8 ZGB N

99 ff. 318 BGE 139 III 305 E. 5.2.1, 314 f. 319 BGE 139 III 305 E. 5.2.1, 315 mit Verweis auf WIESER, 148 f. und BERGER-RÖTHLISBERGER,

Sorgfalt, 96 f. 320 So auch BISCHOFF, 3 f. m.w.H. 321 Ähnlich auch BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 149. 322 BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 149 m.w.H. bezeichnet das Risiko, dass es sich bei «älte-

ren Kunstwerken» und Antiquitäten um Waren zweifelhafter Herkunft handelt gar als noto-risch.

323 BECKER, Rz. 523.

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48

gebracht, handelt es sich doch um nichts anderes als gewöhnliche Sachen im Sinne der

Systematik des KGTG.324

222 Auf die Frage, ob der Kunstmarkt einen gefährdeten Geschäftsbereich darstellt, muss in

Bezug auf die Frage des guten Glaubens des Erwerbers jedoch nicht abschliessend

eingegangen werden. WIEGAND hält dazu richtig fest: «Ein solcher Generalverdacht ist

in Anbetracht der individuellen Natur des Gutglaubensschutzes und der Funktion der

Erkundigungsobliegenheit nicht sachgerecht»325.

III. Beispiele und Zwischenfazit

223 Der potentielle Erwerber eines Kunstwerks ist im heutigen Kunstmarkt vermehrt dem

Risiko ausgesetzt, ein Kunstwerk zu erwerben, welches mit Rechtsmängeln behaftet ist.

Der sogenannte «Schwarzmarkt Kultur» wird als einer der wichtigsten Schwarzmärkte

weltweit bezeichnet.

224 Besonders kritisch wird der illegale Transfer von Kulturgütern gesehen, da das staatli-

che Bewusstsein über die Bedeutung der Erhaltung der eigenen sowie der fremden kul-

turellen Identität stark zugenommen hat. In der Schweiz sieht das KGTG seit 2005 posi-

tivrechtliche Sorgfaltspflichten für die Übertragung von Kulturgütern vor.

225 Dennoch kann der Kunstmarkt nicht als Markt bezeichnet werden, auf dem der Erwer-

ber von Vornherein in erhöhtem Masse davon ausgehen muss, der Veräussernde hätte

keine Verfügungsberechtigung oder das Werk sei mit Rechtsmängeln behaftet. Mit an-

deren Worten stellt der Kunstmarkt keinen gesamthaft «riskanten Geschäftsbereich»

dar.

226 Es hängt jeweils von den speziellen Umständen des Einzelfalls ab, welche Sorgfalt ein

Erwerber an den Tag legen muss, um als gutgläubig zu gelten. Dabei müssen insbe-

sondere drei Kriterien für die Bestimmung beigezogen werden. Wie aus den vorausge-

gangenen Ausführungen abzuleiten ist, sind die Person des Erwerbers, die Beschaffen-

heit des Kaufgegenstands sowie die Art der Akquisition dafür ausschlaggebend, ob der

Erwerbende zu Nachforschungsmassnahmen angehalten ist, um sich auf den guten

Glauben berufen zu können.

227 Handelt es sich beim Erwerber um eine Person, der besondere Kenntnisse («Bran-

chenvertrautheit») zugerechnet werden müssen, ist zu erwarten, dass sie verdächtige

Umstände, wie beispielsweise, dass ein dem Kaufobjekt ähnliches Bild in einschlägigen

Fachzeitschriften als gestohlen publiziert wurde, zum Anlass nehmen muss, Näheres

über die Verfügungsberechtigung des Veräusserers in Erfahrung zu bringen.

228 Für einem Kunstlaien (ohne Branchenvertrautheit) ist eine von Grund auf erhöhte Sorg-

falt jedoch nicht zu verlangen. Einzig bei Umständen, die auch ein branchenunvertrauter

Dritter dahingehend verstanden hätte, dass an dem Rechtsschein des Besitzes des

Veräusserers zu zweifeln ist, sind Nachforschungen erforderlich, um den Anforderungen

des guten Glaubens zu entsprechen.

324 Vgl. vorne Rz. 22. 325 WIEGAND, 830 wobei er davon ausgeht, dass im Kunstmarkt eine Ausnahme vom Grundsatz

des Vertrauens in die Verfügungsberechtigung gerechtfertigt ist. Diese Annahme wird in der vorliegenden Arbeit nicht geteilt.

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49

229 Bei in den öffentlichen Medien häufig erwähnten Kunstdiebstählen kann und muss je-

doch auch vom Laien eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt werden. Ein Kunstlaie kann

sich beispielsweise nicht auf seinen guten Glauben berufen, wenn ihm das aus dem

Kunsthistorischen Museum Wien gestohlene Saliera Gefäss zum Erwerb angeboten

wird, da die Berichterstattung über diesen Kunstdiebstahl – wohl wegen der kulturellen

Bedeutung sowie den geschätzten Wert – in sämtlichen internationalen Medien omni-

präsent war.326

230 Das zweite Kriterium zur Feststellung, welche Sorgfalt der Erwerber aufbringen muss,

stellt die Beschaffenheit des Kunstgegenstands dar. Handelt es sich um ein Kunstwerk

eines modernen Künstlers, muss ein Erwerber grundsätzlich in geringerem Ausmass

(wobei es nicht ausgeschlossen ist) davon ausgehen, dass der Veräussernde die Ver-

fügungsberechtigung nicht besitzt. Bei Erwerb von Werken Alter Meister hingegen darf

vom Erwerbenden grundsätzlich verlangt werden, das erhöhte Risiko mit Inbetracht zu

ziehen, dass es die Rechte eines Dritten verletzt könnte.

231 Schliesslich kommt es als drittes Kriterium erheblich auf die Umstände der Übertragung

des Kunstwerks an, ob und wann der Erwerber an der Verfügungsberechtigung des

Veräusserers zweifeln muss. Wird ein Kunstwerk (sei es moderne Kunst oder gar ein

Kulturgut) im Zuge einer Auktion übertragen, so kann der Erwerber (mit oder ohne

Branchenkenntnis) grundsätzlich davon ausgehen, dass die Verfügungsberechtigung

beim Auktionator bzw. beim Veräusserer vorhanden ist.

232 Findet der Verkauf hingegen durch einen privaten Kunsthändler statt und sind Umstän-

de gegeben, die an der Veräusserungsbefugnis objektive Zweifel hervorrufen, so wird

die Eigentumsvermutung durch den Besitz abgeschwächt. Um den Anforderungen des

guten Glaubens zu entsprechen, hat ein Erwerber daher Nachforschungen anzustellen,

um die Zweifel in die Verfügungsberechtigung zu zerstreuen.

326 Vgl. hierzu: Sorgen um den Zustand der «Saliera», NZZ vom 13.05.2003,

<http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/article8UPMZ-1.251654> (15.04.2014).

Page 66: Masterarbeit_Brugger Lukas

50

D. Die Nachforschungsmassnahmen

233 Nachdem in den vorhergehenden Ausführungen festgestellt worden ist, dass der Käufer

bei der Akquisition eines Kunstwerks dem Risiko ausgesetzt sein kann, belastetes Ei-

gentum zu erwerben, stellt sich nun die Frage, welche konkreten Massnahmen ergriffen

werden können, um den Anforderungen des guten Glaubens zu entsprechen.

234 Die internationale Vernetzung und Globalisierung ist dabei auch am Kunstmarkt nicht

spurlos vorübergegangen. Neben den traditionellen Nachforschungsmassnahmen, wie

etwa die Nachfrage bei einem Kunstexperten oder die Ausstellung eines Echtheitszerti-

fikats, entstehen insbesondere durch das Internet neue Informationsbeschaffungsmög-

lichkeiten.

235 Im vorliegenden Kapitel soll daher in einem ersten Schritt auf die zur Verfügung stehen-

den Provenienzerkundigungsmethoden eingegangen werden, bevor die Möglichkeiten

präsentiert werden, die durch die «neuen Medien» geboten werden. Schliesslich soll auf

die Frage der Geeignetheit dieser Massnahmen im Kunstmarkt eingegangen werden.

I. Traditionelle Massnahmen zur Provenienzerkundigung

1. Ausstellung einer Verfügungsberechtigung

236 Die traditionellste Methode des Nachweises, ob es sich bei einem Kaufobjekt um ein

gestohlenes oder sonstig mit Rechtsmängeln behaftetes Kunstwerk handelt, stellt zwei-

felsohne die Nachfrage beim Verkäufer selbst dar.

237 Dabei handelt es sich bei einer gesprochenen Versicherung des Verkäufers, die Verfü-

gungsberechtigung über das Kunstwerk zu besitzen, jedoch verständlicherweise um

keinen unumstössliche Nachweis des guten Glaubens des Erwerbers, sondern einzig

um einen Hinweis, der ihn, nach Massstab eines redlichen Dritten, in seinem guten

Glauben bestätigt oder zu weiteren Nachforschungen veranlassen muss.327

238 Ähnlich formuliert sieht der Code of Ethics for Museums vom International Council of

Museums (ICOM) vor, dass die Museen Kunstobjekte ausschliesslich dann in ihren Be-

stand aufnehmen dürfen, wenn die übertragende Person einen gültigen Erwerbstitel vor-

legen kann.328

239 Mit Einführung des Kulturgütertransfergesetzes wurde diese Verpflichtung zumindest für

Kulturgüter positivrechtlich festgehalten.329 Art. 16 Abs. 2 lit. a KGTG verpflichtet jede im

Kunsthandel und Auktionswesen tätige Person, neben der Identität des Verkäufers auch

eine schriftliche Erklärung über die Verfügungsberechtigung über das Kulturgut zu ver-

langen.

240 Ein Teil der Lehre erachtet es darüber hinaus als sinnvoll, vom Verkäufer generell ein

Ursprungszertifikat über das Kunstwerk zu verlangen. MÜLLER-CHEN hält dazu fest:

«Dies käme dem seriösen Kunsthandel zu Gute, da er sich einerseits gegen die

schwarzen Schafe abgrenzen, andererseits auch höhere Preise verlangen könnte.

327 Vgl. BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 67 f. 328 Code of Ethics ICOM Ziff. 2.3. 329 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1272.

Page 67: Masterarbeit_Brugger Lukas

51

Schliesslich wäre es auch ein Werbeargument für die Qualität des Kunsthandelsplatz

Schweiz»330.

241 Für eine ähnliche Lösung tritt auch HANISCH ein, indem er einen «Stammbaumbrief»331

für Kunstgegenstände von besonderer Bedeutung verlangt. Dieser Brief soll die ur-

sprüngliche Herkunft sowie sämtliche Erwerbsvorgänge authentisch bezeugen.332 Die

Kompetenz für die Ausstellung eines solchen Briefes könnte dabei, nach HANISCH, den

Verbänden des privaten Kunsthandels überlassen werden. Für Anforderungen an die In-

ternationalität könnten Vereinbarungen durch die Conféderation Internationale des

Négotians en Oeuvres d’Art (CINOA) oder vom International Council of Museums (I-

COM) getroffen werden.333 Wer diesen Brief bei einem Erwerb vom Veräusserer nicht

verlangt, handelt als grob fahrlässig im Sinne des Gutglaubensschutzes.334

242 Der Vorschlag eines Stammbaums für Kulturgüter wird von SCHMEINCK richtigerweise

zwar als grundsätzlich wirkungsvoll, jedoch praktisch schwer durchführbar bezeichnet.

Da ein Kulturgut in der Regel häufig den Eigentümer gewechselt hat (und nicht selten in

verschiedenen Staaten nach den dort gültigen Rechtsvorschriften übertragen wurde), ist

die genaue Herkunftsforschung mit hohen technischen, personellen und nicht zuletzt

auch finanziellen Aufwendungen verbunden.335 Während die Erstellung eines solchen

Stammbaums für Staaten wie die Schweiz oder Deutschland, die dem sogenannten Lis-

tenprinzip336 für Kulturgüter folgen, nicht zu einer höheren Belastung der Behörden füh-

ren würde, könnte für Staaten, die ein solches Eintragungssystem nicht vorsehen, die

Ausarbeitung von Herkunfts- und Übertragungszertifikaten mit hohen Kosten verbunden

sein.337

243 Die Kosten für die Anschaffung eines solchen Stammbaums würden von der Partei ge-

tragen werden müssen, die einer Veräusserung entgegenblickt, während sich die Pflich-

ten des Erwerbers einzig auf die Verlangung des Stammbaumbriefs beschränken. Es ist

daher davon auszugehen, dass sich die finanziellen und zeitlichen Mehraufwände im

Verkaufspreis niederschlagen würden.338

2. Die Nachfrage bei einem Sachverständigen

244 Als eine weitere klassische Methode der Nachforschung, ob es sich bei einem Kunst-

werk um einen gestohlenen oder sonstig mit Rechtsmängeln behafteten Gegenstand

handelt, kommt die Nachfrage bei einer mit der Materie vertrauten Person in Betracht.

Diese Möglichkeit wird dabei entweder vom Verkäufer selbst (bspw. durch die Sachver-

330 MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, 1273. Wobei nicht angeführt wird, wel-

che Anforderungen an ein solches Zertifikat zu stellen sind, oder wer dieses auszustellen hat. 331 Teilweise auch «Kunstobjekt-Brief» genannt, vgl. ANTON, Guter Glaube im internationalen

Kunsthandel, 704 ff. 332 HANISCH, 223; ebenfalls grundsätzlich für die Einführung GRELL, 159; SCHMEINCK, 151. 333 HANISCH, 224. 334 HANISCH, 224. 335 SCHMEINCK, 151 f.; ähnlich auch GRELL, 159. 336 Vgl. hinten Rz. 292. 337 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 286 f.; a.A. SCHMEINCK, 151 f. die ge-

nerell hohe Kosten bei der Einführung eines solchen Systems feststellt. 338 SCHMEINCK, 152.

Page 68: Masterarbeit_Brugger Lukas

52

ständigenpräsenz im Zuge einer Auktion eines bekannten Hauses) oder durch einen

vom Erwerber beauftragten Spezialisten geboten.

245 Im Zuge einer Auktion bei einem grösseren Auktionshaus wird dabei das Kunstwerk auf

allfällige Rechtsmängel üblicherweise intern geprüft. Sobald jedoch Zweifel an der Be-

schaffenheit des Kunstwerks entstehen (dies betrifft neben der Verfügungsberechtigung

des Verkäufers auch insbesondere die Echtheit des Werks sowie der geschätzte Wert),

werden externe Spezialisten beigezogen.339

246 Aufgrund des Fachwissens können unabhängige Wissenschaftler, Kunsthistoriker oder

Archäologen meist in kürzester Zeit (bzw. unverzüglich) feststellen, ob die Provenienz

eines Werks gewisse Gefahren im Erwerb birgt – sei es, dass es das Eigentum eines

andern ist oder durch Missachtung von Kulturgüterrechtsbestimmungen des Herkunfts-

lands.340 Daneben bietet der sachverständige Kunstkenner oft den Vorteil, dass er ne-

ben den rechtlichen auch auf branchenspezifische Risiken hinweisen kann. Zu denken

ist dabei an den Erwerb eines Kunstwerks, welches bekanntermassen politisch Verfol-

gen während der Herrschaft der Nationalsozialisten geraubt wurde. Selbst wenn ein sol-

ches Werk rechtsgültig übertragen werden könnte, weil der Veräusserer beispielsweise

gutgläubigen Besitz daran erworben hat, kann der Kunstexperte auf die moralische

Komponente eines solchen Kaufs hinweisen.341

247 Das Testat eines Sachverständigen auf die Provenienz eines Kunstgegenstands stellt

dabei einen ersten und oft ausschlaggebenden Hinweis auf die notwendigen Sorg-

faltsobliegenheiten des Erwerbers zur Erfüllung seiner Gutgläubigkeit dar.342

II. Die Konsultation von Registern im Internet

1. Allgemeines

248 Neben den traditionellen Nachforschungsmethoden entstanden in den letzten Jahren

immer mehr Informationsquellen, die umfangreiche eigene Recherchen des Erwerbers

ermöglichen. Dabei spielt die Erkundigung im Internet die grösste Rolle, da sie eine um-

fangreiche Suche erlaubt, die sowohl zeitlich als auch finanziell zumutbar erscheint.

Ginge man von einer variablen Provenienzerkundigungsobligenheit (zumindest der pro-

fessionell im Kunsthandel Beteiligten) aus, könnte die Konsultation von Internetdaten-

banken und –verzeichnissen über die Gutgläubigkeit des Erwerbers entscheiden.343 Ob

diese Massnahmen geeignete Mittel der Provenienzerkundigung darstellen und ob die

Konsultation in der Festigung der Gutgläubigkeit des Erwerbers resultiert soll anhand

der verfügbaren Informationsquellen hinterfragt werden.

339 BOLL, Panelgespräche, 168 f. 340 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 674. 341 Vielen nicht auf Kunst spezialisierten Erwerbern ist die «Vergangenheit» der Kunstwerke ins-

besondere in Verbindung mit dem zweiten Weltkrieg nachvollziehbarerweise nicht bewusst. Selbst wenn der Erwerb oft keine rechtlichen Probleme aufwirft, kann die Resonanz aus der Politik bzw. der Medien mit schwerwiegenden persönlichen Folgen des Erwerbers verbunden sein.

342 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 674. 343 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 684.

Page 69: Masterarbeit_Brugger Lukas

53

249 Die folgenden Auseinandersetzungen beziehen sich dabei in erster Linie auf Kunstwer-

ke, bei denen der Veräusserer keine Verfügungsberechtigung zur Übertragung besitzt

weil sie dem rechtmässigen Eigentümer abhandengekommen sind. Auf die Spezialthe-

matiken des Erwerbs von Raubkunst sowie die unrechtmässige Ausführung von Kultur-

gut wird hingegen nur am Rande eingegangen.344

2. Die Datenbanken

a) Art Loss Register

250 Die grösste und wichtigste Datenbank für gestohlene Kunstwerke stellt das Art Loss

Register345 dar, bei dem es sich um eine 1991 von verschiedenen Vertretern des Kunst-

handels (Auktionshäuser, Händler, Vereinen etc.) gegründetes internationales Sammel-

register handelt.346 Aktuell sind nach eigenen Angaben mehr als 300 000 gestohlene

Werke registriert, wobei jedes Jahr etwa 10 000 neu hinzukommen.347 Im Bestand fin-

den sich dabei aktuelle gestohlene Kunstwerke, wie auch eine eigene Rubrik der «Holo-

caust Related Items».

aa) Geschichte

251 Die Gründung des Art Loss Registers geht auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit

zwischen Versicherungen und Auktionshäusern zurück, die in grossem Ausmass von

der schnellen Feststellung der wahren Eigentümer und der Provenienz eines Kunst-

werks profitieren.348 Neben den wichtigsten Auktionshäusern Christie’s und Sotheby’s,

sowie den Versicherungen Hogg Group, Lloyd’s und Nordstern war die Einführung eines

internationalen Registers massgeblich der Stiftung IFAR349 (International Foundation for

Art Research) zu verdanken.350 Bei diesem gemeinnützigen Unternehmen mit Sitz in

New York handelt es sich um die älteste Organisation, die Informationen zu Kunst- und

Kulturgutdiebstählen bereits seit 1969 zusammenträgt. Die Zusammenarbeit der IFAR

mit den verschiedenen Akteuren des internationalen Kunstmarkts resultiere in der

Gründung des Unternehmens International Art and Antique Loss Register Ltd. mit Sitz in

London, an der die genannten Unternehmen als Anteilsinhaber beteiligt sind.351

252 Neben ihrem Engagement im Art Loss Register veröffentlicht die IFAR vierteljährlich un-

ter dem Titel IFAR Journal aktuelle Informationen über Echtheit, Eigentum und Dieb-

stahl an Kunstgegenständen.352

bb) Arbeitsweise

253 Als weltweit umfangreichste Datenbank für gestohlene Kunstwerke kommt dem Art Loss

Register eine herausragende Bedeutung in der Zusammenarbeit mit Strafverfolgungs-

344 Vgl. Verweise auf die Spezialliteratur in den Anmerkungen zu Rz. 11 und Rz. 44. 345 <http://www.artloss.com/en.> (28.03.2014). 346 GLAUS/STUDER, 168; <http://www.artloss.com/about-us/our-history> (28.03.2014). 347 <http://www.artloss.com/services/loss-registration> (28.03.2014). 348 SEEGERS, 289. 349 <http://www.ifar.org/> (28.03.2014). 350 SEEGERS, 289. 351 <http://www.artloss.com/about-us/our-history> (29.03.2014). 352 ARENDHOLZ, 240; GLAUS/STUDER, 168.

Page 70: Masterarbeit_Brugger Lukas

54

behörden und interessierten Privatpersonen zu. Da diese Zusammenarbeit unabdinglich

für die effektive Bekämpfung des illegalen Kunst- und Kulturgütertransfers ist, arbeitet

das Art Loss Register diskret mit Ermittlungsgruppen wie beispielsweise dem Art Crime

Team des FBI oder der italienischen Arbeitsgruppe Comando Carabinieri per la Tutela

del Patrimonio Culturale (bekannt als Carabinieri Art Squad) zusammen.353 Dabei

kommt es entweder durch Anfrage eines Interessierten oder durch eigenes Tätigwerden

des Art Loss Registers zu Rechercheaktivitäten.

254 Letzterem ist es unter Anderem zu verdanken, dass ein Werk von Erich Brauer, welches

1982 aus einer Hamburger Galerie gestohlen wurde, bei einem Wiener Auktionshaus

einige Tage vor der Versteigerung 1999 wiederentdeckt wurde, nachdem der Fall von

den Ermittlungsbehörden bereits ad acta gelegt worden war.354

255 Daneben wird ein erheblicher Teil des Tätigwerdens des Art Loss Registers durch

Suchanfragen begründet. Dabei handelt es sich um die Anfragen von Auktionshäusern,

Händlern, Museen, Ermittlungsbehörden oder kaufinteressierte Privatpersonen. Die vom

Anfragenden erbrachten Informationen über die Beschaffenheit des Werks (bspw. der

Künstler, das Motiv des Werks, die Epoche etc.) werden nach Entrichtung der Gebühr

mit dem Bestand des Registers verglichen. Die Gebühr beläuft sich bei der Einzelnach-

frage aktuell auf 95 US-$.355 Die Komplexität der Herkunft von Kunstwerken erfordert,

dass alle Suchanfragen professionell überprüft werden. Falls ein Gegenstand als ge-

stohlen gemeldet wird, werden die Details der Person, die die Überprüfung veranlasst

hat, den Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.356 Die über diese Weise an die Ermitt-

lungsbehörden weitergeleiteten Informationen tragen für die Auffindung von gestohlen

gemeldeten Kunstwerken in höchstem Masse bei.357 Bei dieser sogenannten Ad-hoc-

Nachfrage ermöglicht im Durchschnitt jede 10. Nachfrage die Identifizierung von Die-

besgut.358

256 Damit ein gestohlenes Kunstwerk in das Art Loss Register aufgenommen wird, bedarf

es der Eintragung durch den Geschädigten. Die Eintragung kann, nach der Entrichtung

einer Eintragungsgebühr von aktuell 25 US-$ pro Werk359, neben dem Eigentümer bei-

spielweise auch von der Versicherung oder der zuständigen Polizeistelle vorgenommen

werden. Dabei ist die genaue Beschreibung des Werks (Motiv, Signatur, etwaige Män-

353 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 689. Die italienische Carabinieri Art

Squad gilt als professionellste Sondereinheit für die Auffindung von gestohlenen Kunstwer-ken. Die letzte medial vielbeachtete Aktion wurde Anfang April 2014 beendet, als die Öffent-lichkeit über die Auffindung von zwei Werken von Paul Gauguin und Pierre Bonnard bei ei-nem Fiat Mitarbeiter unterrichtet wurde. Dieser hatte sie für knappe 20 Euro bei einer Fund-sachen-Auktion der italienischen Bahn erworben siehe: <http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/italien-gestohlene-bilder-von-gauguin-und-bonnard-sichergestellt-12876686.html> (03.04.2014).

354 SEEGERS, 291; weitere Beispiele unter Mithilfe des Art Loss Registers aufgefundene Werke unter: <http://www.zeit.de/2000/50/Kalte_Kohle> (30.03.2014).

355 vgl. zum Prozedere: <http://www.artloss.com/services/searching> (30.03.2014). 356 <http://www.artloss.com/services/troubleshooting#anchor1> (03.04.2014). 357 So werden der Grossteil der Kunstdiebstähle im Kanton Zürich durch Hinweise des Art Loss

Registers gelöst, FELDER WALTER, Kantonspolizei Zürich Abteilung Vermögensdelikte I, auf persönliche Anfrage.

358 SEEGERS, 290. 359 <http://www.artloss.com/services/loss-registration> (30.03.2014).

Page 71: Masterarbeit_Brugger Lukas

55

gel, Restaurationsmerkmale etc.) für eine spätere Identifikation massgeblich entschei-

dend.360

257 Die Eintragungsfähigkeit wird all jenen Werken zugesprochen, die sogenannte «uni-

quely identifiable items» darstellen.361 Es spielt daher keine Rolle, ob es sich bei dem

Kunstwerk um ein Kulturgut i.S.d. Legaldefinition der Schweiz oder der UNESCO han-

delt. Zudem wird vom Art Loss Register kein Mindestwert für das einzutragende Werk

verlangt.362

b) Interpol und ICOM Red List

258 Neben dem Art Loss Register kommen den Webseiten von Interpol im grenzüberschrei-

tenden Kunst- und Kulturgüterhandel eine wichtige Bedeutung zu. In den unterschiedli-

chen crime areas der Internetseite von Interpol wird den Kunstgütern ein eigens verwal-

teter Bereich gewidmet.363 Neben den jüngsten Diebstählen werden auf dieser Seite

auch Ermittlungserfolge in Fällen des Kunstdiebstahls publiziert, die Interpol zugetragen

wurden.364

259 Der Kreis der Personen, denen Zugriff auf die von Interpol geführten Listen abhanden-

gekommener Kunstgüter gewährt wird, ist im Gegensatz zum Art Loss Register jedoch

beschränkt. Durch die ursprüngliche Zwecksetzung als Koordinationsbehörde ist der

Zugang zu den Interpol-Datenbanken primär für Exekutivbehörden vorgesehen. Dane-

ben wird jedoch auch anderen öffentlichen Organisationen durch spezielle Befugnisse

der Zugang ermöglicht. Schliesslich ist der Teil, der online abrufbar ist, meist für die Öf-

fentlichkeit bestimmt und einsehbar.365

260 Die Daten über die gestohlenen Kunstwerke werden dabei von den Behörden jener

Staaten, in denen die Werke gestohlen worden waren, eingebracht.366 Die Daten über

ein in Russland gestohlenes Kunstwerk müssen daher erst an Interpol übermittelt wer-

den, bevor sie in der Datenbank aufscheinen.

261 Ebenfalls grosse Bedeutung kommt der ICOM Red List zu, wobei es sich um eine Auf-

listung aktuell gefährdeter Kulturgüter handelt. Der International Council of Museums (I-

COM) legt dabei den Fokus hauptsächlich auf Kulturgüter des Altertums aus dem Na-

hen Osten, Afrika, Asien sowie Südamerika.367 Bei dieser Liste handelt es sich in erster

Linie um den Versuch, den illegalen Kulturgütertransfer einzudämmen.

360 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 690. 361 <http://www.artloss.com/services/loss-registration> (30.03.2014). 362 Wenngleich der ungefähre Wert des Kunstwerks ungefähr 1000 Euro darstellen sollte. Den-

noch wird dem Kriterium «uniquely identifiable» weit mehr Bedeutung zugemessen, LENONO-

RA PHILLIPS (auf persönliche Anfrage beim Art Loss Register). Zuvor betrug der Mindestwert 1500 Euro, ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 689.

363 <http://www.interpol.int/Crime-areas/Works-of-art/Works-of-art> (28.03.2014). 364 ARENDHOLZ, 241. 365 Zur Übersicht über die verschiedenen Zugänglichkeiten: <http://www.interpol.int/Crime-

areas/Works-of-art/Works-of-art> (30.03.2014). 366 Interpol fact sheet aufrufbar unter: <http://www.interpol.int/Crime-areas/Works-of-art/Works-

of-art> (30.03.2014). 367 <http://icom.museum/resources/red-lists-database/> (30.03.2014).

Page 72: Masterarbeit_Brugger Lukas

56

c) Nationale Datenbanken und weitere Informationsquellen

262 Neben den internationalen und grenzüberschreitenden Datenbanken bestehen zusätz-

lich auf nationaler Ebene Verzeichnisse, die über gestohlene Kunstwerke informieren. In

Deutschland bietet die von der Bundesrepublik und den Bundesländern betriebene Ko-

ordinierungstestelle Magdeburg über die Internetseite Lost Art368 die Möglichkeit, über

Raubkunst sowie andere abhandengekommene Kunstwerke Informationen einzuholen.

Hierbei liegt der Fokus jedoch klar auf entwendeten Kunstwerke der NS-Zeit. Die

USA369 und Belgien370 unterhalten ähnliche Internetseiten.

263 Ein Beispiel für die Aktualität der Frage nach der Provenienz von Kunstgegenständen

stellen die kanadischen Bemühungen dar, innert Zehnjahresfrist ab 2014 eine nationale

Datenbank zu schaffen, die Werke aus kanadischen Galerien und Museen erfassen, die

womöglich Raubkunst darstellen, oder die in sonstiger Weise mit dem zweiten Weltkrieg

in Verbindung stehen.371

264 Darüber hinaus stehen in den meisten Ländern die lokalen Polizeibehörden für Erkundi-

gungen über gestohlene Werke zur Verfügung.372 In Österreich besteht beispielsweise

auf dem Internetportal des Bundesministeriums für Inneres eine öffentlich zugängliche,

mit Bildern versehene Fahndungsliste von aktuell als gestohlen gemeldeter Kunstwer-

ke.373

265 Ebenfalls treten im Internet in den letzten Jahren vermehrt private Internetseiten zu

Nachforschungen über gestohlene Kunstwerke auf den Plan. Bei Internetplattformen

wie kunstdiebstahl.de374 handelt es sich um Bemühungen, die Information über einen

Kunstdiebstahl möglichst rasch an sämtliche Personen (Händler, Galerien etc.), die da-

mit in Berührung kommen könnten, weiterzuleiten. Neben offiziellen, bzw. von der

Kunstwelt zumindest offiziell anerkannten Quellen zur Provenienzerkundigung bestehen

in der Welt der social media auch immer mehr Internetseiten mit Kunsthandelbezug. Als

Beispiel genannt werden kann Kunstpedia375, das sich neben der Förderung auch mit

der Herkunft von Kunstwerken in Form von kostenlos abrufbaren Blogs, Foren und Arti-

keln beschäftigt.

d) Funktionen und Relevanz

266 Die Funktionen der Datenbanken können wie folgt beschrieben werden: In erster Linie

dient die Katalogisierung von gestohlenen Kunstwerken der Abschreckung gegen Dieb-

stahl. Indem Register wie Art Loss zur Registrierung und der Ausweitung der Überprü-

fung ermutigen, werden dem Dieb die Risiken seines (potentiellen) Handelns aufgezeigt

368 <http://www.lostart.de/Webs/DE/Start/Index.html> (28.03.2014). 369 <http://www.fbi.gov/about-us/investigate/vc_majorthefts/arttheft/arttheft> (28.03.2014). 370 <http://www.stolenart.be/> (28.03.2014). 371 The Globe and Mail vom 09.02.2014, <http://www.theglobeandmail.com/arts/art-and-

architecture/stepping-up-the-hunt-for-nazi-looted-art-in-canada/article16747834/> (03.04.2014).

372 Für eine Liste mit Verweisen auf die jeweiligen Internetseiten siehe: <http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04371/04400/index.html?lang=de> (28.03.2014).

373 <http://www.bmi.gv.at/cms/bk/_fahndung/_fndg.aspx?b=KU_WE> (28.04.2014). 374 <http://www.kunstdiebstahl.de/kdneu/info/wasist.html> (30.03.2014). 375 <http://www.kunstpedia.com/> (28.03.2014).

Page 73: Masterarbeit_Brugger Lukas

57

oder eine starke Verunsicherung hervorgerufen, wenn er das Werk bereits gestohlen

hat. Dabei ist generell ein hoher Grad an Publizität zu empfehlen, denn je schneller ein

Diebstahl der breiten Öffentlichkeit bekannt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Heh-

ler und Gelegenheitshändler abgeschreckt werden.376

267 Neben der Abschreckung dient das Register der Wiederentdeckung von Kunstwerken.

Dabei werden die Kataloge der Auktionshäuser und Kunsthändler regelmässig auf in

der Datei enthaltene Kunstwerke durchsucht. Darüber hinaus bietet das Art Loss Regis-

ter durch die Funktion als Anlaufstelle für jeglichen Verdacht auf unrechtmässige Eigen-

tümerschaft eine due-diligence für Kunstverkäufer und Erwerber.377

268 In der Praxis wurde mithilfe der verschiedenen Register eine Vielzahl von Kunstwerken

den rechtmässigen Eigentümern zurückgegeben. Alleine dem Art Loss Register wird die

Auffindung und Rückgabe von 5.500 Kunstobjekten mit einem Marktwert von insgesamt

über 320 Millionen US-$ seit 1991 zugesprochen.378

3. Geeignetheit

269 Bevor auf die Frage eingegangen werden kann, ob die Konsultation von Internet-

Registern und Online-Datenbanken nach heutigem Rechtsverständnis eine obligatori-

sche Massnahme im Kunsterwerb darstellt, ist die Geeignetheit der verschiedenen Re-

gister zu prüfen.

a) Öffentliche und private Register

270 Die vorhergehend vorgestellten Register und Datenbanken können in zwei Kategorien

unterschieden werden. Die erste Kategorie beinhaltet die öffentlichen Register, die wie-

derum in nationale (beispielweise das Lostart Register der Bundesrepublik Deutschland)

und internationale (Interpol) Verzeichnisse unterteilt sind. Die öffentlichen Register

zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder von einer zentralen Stelle der öffentli-

chen Verwaltung, von den Polizeibehörden oder, im Falle von Interpol, durch eine

grenzüberschreitende Behörde geführt werden.379

271 Die zweite Kategorie stellen die privaten Register wie das Art Loss Register oder das

IFAR dar. Die Finanzierung dieser Register erfolgt ausschliesslich durch die Anteilsin-

haber und die Gebühren der Suchanfragen. Ausserdem unterstehen sie keiner direkten

staatlichen Aufsicht.380

272 Der überwiegende Teil der Eintragungen findet in die privaten Register statt. Dies ver-

mag in Anbetracht der Interessenslage auch nicht zu verwundern. Wie bereits erwähnt,

gingen die ersten Anstrengungen, gestohlene Kunstwerke als solche zu identifizieren

und die wahren Eigentümer festzustellen, auf Initiativen von Auktionshäusern und Ver-

sicherern in Zusammenarbeit mit privaten Vereinen zurück. Aufgrund der immer häufi-

geren und aufwendigeren Schadensfälle waren es besonders die Eigeninteressen von

376 GLAUS/STUDER, 167. 377 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 689. 378 BRISENO, 22 f.; <http://www.artloss.com/about-us/our-company> (28.03.2014). 379 ANTON, Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 679. 380 <http://www.artloss.com/about-us/our-history> (03.04.2014).

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58

Auktionshäusern und Versicherungen an der Aufklärung von Kunstdiebstählen, die eine

Forcierung der Anstrengungen zu einfacheren Recherchemöglichkeiten schuf.381

273 Neben den privaten Interessen besteht zweifelsohne seit jeher ein öffentliches Interesse

an der Aufklärung von Kunstdiebstählen, nicht zuletzt da der gestohlene Gegenstand oft

dem kulturellen Erbe eines Staates oder der Staatengemeinschaft angehört und die Auf-

findung von abhandengekommener Gegenständen dem Generalauftrag der Polizeibe-

hörden entspricht. Die Zusammenarbeit mit privaten Registern, allen voran dem Art

Loss Register in London, ist für die polizeilichen Ermittlungen zur Auffindung gestohle-

ner Kunstwerke unabdinglich. Die Kantonspolizei Zürich übermittelt daher sämtliche zu-

getragenen Meldungen über Kunstdiebstähle automatisch sowohl an Interpol als auch

an das Art Loss Register.382 Ein zusätzlicher Grund, wieso Eintragungen in privaten Re-

gistern häufiger vorkommen ist, dass die Eintragung in öffentliche Register das Sach-

verständnis der zuständigen Behörden verlangt. In Hinblick auf die Vielzahl an potentiel-

len öffentlichen Registern für unterschiedliche Kategorien von Kunstwerken (einfaches

Kunstwerk, Raubkunst, kulturelles Erbe etc.) kann die Eintragung mit einem erheblichen

zeitlichen und personellen Aufwand der Behörden verbunden sein.

b) Zugänglichkeit für Privatpersonen

274 Als potentielle Informationsquelle stellt die Einsichtnahme in Register einen für den Er-

werber vertretbaren ökonomischen und zeitlichen Aufwand dar.383 Die Kosten einer Ein-

zelnachfrage384 sind dabei nicht nur für den Sammler mit Branchenkenntnis (von dem

verlangt werden kann, dass er über höhere finanzielle Mittel und Expertise verfügt),

sondern auch für den «Gelegenheitskäufer» vertretbar.

275 Der zeitliche Aufwand bei der Provenienzerkundigung über ein Kunstwerk beläuft sich

auf ungefähr zwei Werktage für eine erste Feststellung, ob das Kunstwerk als gestohlen

gemeldet ist.385 Selbst für genauere Herkunftsrecherchen haben online Services den

Vorteil, dass meist professionelle Teams (und nicht einzelne Kunstexperten) aus der

ganzen Welt beigezogen werden können. Das Art Loss Register bietet eine solche

Dienstleistung unter der Bezeichnung «Provenance Research» an.386 Solche zusätzli-

chen Leistungen der Online Anbieter sind jedoch mit höheren Kosten verbunden als die

einfache Anfrage.

276 Damit ein etwaiger Registerbeizug für die Bestimmung des guten Glaubens eines Er-

werbers überhaupt als potentielle Nachforschungsquelle infrage kommt, muss es dem

Erwerber zugänglich sein, wie dies beim Art Loss Register, gegen Entrichtung der Ge-

bühr, der Fall ist. Bereits in den 1980er Jahren vermochte CREWDSON die Wichtigkeit

dieser Voraussetzung anhand des Beispiels der Metropolitan Police in London aufzu-

zeigen. Als eine der ersten Polizeibehörden weltweit besass das Londoner Police De-

381 Vgl. SEEGERS, 289. 382 FELDER WALTER, Kantonspolizei Zürich Abteilung Vermögensdelikte I, auf persönliche Anfra-

ge. Das Zugriffsrecht von Interpol auf die schweizerische Fahndungsliste RIPOL wird aus-drücklich in Art. 5 lit. g RIPOL-Verordnung angeführt (SR. 361.0).

383 SCHMEINCK, 151; WIESER 100. 384 Vgl. vorne Rz. 255. 385 <http://www.artloss.com/services/troubleshooting> (04.04.2014). 386 <http://www.artloss.com/services/provenance-research> (04.04.2014).

Page 75: Masterarbeit_Brugger Lukas

59

partement ein Computerverzeichnis für gestohlene Kunstwerke. CREWDSON hält dazu

fest: «There is a computer system operated by the Metropolitan Police in London, but a

number of factors severely limit its effectiveness. […] as a matter of policy the Metropoli-

tan Police have not permitted any direct access to the information on the computer to

non-police persons or bodies». In Bezug auf die Öffentlichkeit von solchen Registern

hält er fest: « […] it is surely time to put computer technology to work in tracing stolen

objects wherever the criminal network attempts to re-sell or dispose of them»387.

277 Aus polizeiinternen Gründen wurde (und wird) die Einsichtnahme der Öffentlichkeit und

damit jedem potentiellen Erwerber nicht gestattet. Sobald ein Erwerber feststellen will,

ob das potentielle Kaufobjekt in London als gestohlen gemeldet ist, muss er sich an die

Metropolitan Police wenden, die daraufhin eine Übereinstimmungsprüfung vornimmt.388

278 Diese Überlegungen gelten neben der Nachfrage bei den nationalen Polizeibehörden im

Prinzip auch für internationale öffentliche Register wie Interpol. Seit dem Jahr 2009 ist

zumindest für das Internetportal gestohlener Kunstgütern von Interpol eine begrüssens-

werte Änderung zu beobachten. Die Einsicht, dass dem illegalen Kunst- und Kulturgü-

terhandel und der Gefahr für Erwerber, mit Waren unbestimmter Herkunft in Berührung

zu kommen, einzig auf internationaler Ebene und durch grösstmögliche Öffentlichkeit

begegnet werden kann, hatte zur Folge, dass Teile des Archivs öffentlich zugänglich

gemacht wurden.389

c) Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität

aa) Anspruch auf Vollständigkeit

279 Neben der Anforderung, dass die Einsicht einer Datenbank für Privatpersonen nicht von

vornherein ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, welche materiellen Eigenschaften

das zu konsultierende Register erfüllen muss.

280 Als erstes notwendiges Kriterium an eine öffentlich zugängliche Datenbank stellt sich

das Vollständigkeitserfordernis. Aufgrund der hohen Anzahl an potentiell brauchbaren

Registern ist dabei von der Grundannahme auszugehen, dass der Erwerber für Zwecke

seiner Gutgläubigkeit ein Register zu konsultieren hat, welches das Kunstobjekt auch

tatsächlich enthalten könnte.390 So ist beispielsweise die ausschliessliche Nachfrage

beim amerikanischen FBI von vornherein nicht geeignet, die Gutgläubigkeit des Erwer-

bers zu bestärken, wenn das infrage stehende Kunstwerk offensichtlich keine Verbin-

dung zu den USA aufweist.391 Aus rechtlicher Sichtweise würde eine solche Massnah-

387 CREWDSON, 112. 388 <http://content.met.police.uk/Article/London-Stolen-Arts-

database/1400011390417/1400011390417> (04.04.2014). 389 Mittelung des Bundesamts für Kultur vom 28.09.2009 aufrufbar unter:

<https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=29224> (04.04.2014). 390 WIESER, 100. 391 Gleiches gilt auch für die Nachfrage beim Lostart Registers der Bundesrepublik Deutschland,

wenn das Kunstobjekt nachgewiesenermassen nicht während des zweiten Weltkriegs be-schlagnahmt wurde: WIESER, 100.

Page 76: Masterarbeit_Brugger Lukas

60

me der erforderlichen Kausalität zur möglichen Entdeckung der fehlenden Veräusse-

rungsbefugnis nicht entsprechen.392

281 Dem Vollständigkeitserfordernis steht bei öffentlichen Registern, wie denen der Polizei-

stellen, die begrenzte räumliche und sachliche Wirkungsdimension entgegen. Die Da-

tenbank der Metropolitan Police London enthält beispielsweise ausschliesslich Informa-

tionen über Kunstdiebstähle, die im Grossraum London verübt worden sind, oder die der

Metropolitan Police von anderen Polizeistellen gemeldet worden ist.393

282 Sachlich beschränkt sich der Inhalt der Datenbanken oft auf einzelne Typen von Kunst-

werken. Im Jahr 1983 war die Londoner Datenbank bezeichnenderweise auf Gemälde,

Ikonen und Teppiche beschränkt.394 Wie bereits mehrfach aufgezeigt wurde, handelt es

sich bei Werken der Kunst um einen derart allgemeinen Sammelbegriff, dass eine klas-

sifizierende Typisierung unmöglich ist und in keinem Fall abschliessend vorgenommen

werden könnte. Ohne der kontroversen Frage nach dem Sein der Kunst («Was ist

Kunst?») nachgehen zu wollen, soll einzig aufgezeigt werden, dass durch die be-

schränkte Aufnahme von Gegenständen, die nicht den «klassischen» Kunstformen

(Gemälde, Plastik, Fotographie etc.) entsprechen, auch der Vollständigkeitsanspruch

des Registers abnimmt.

283 Selbst in den «klassischen» Formen, wie beispielweise bei Gemälden, bestehen sowohl

künstlerisch als auch rechtlich erhebliche Unterschiede. Wie in den vorhergehenden

Ausführungen dargestellt, bedarf die Qualifikation als kulturelles Erbe häufig der Eintra-

gung in ein nationales Verzeichnis. Einfachen Kulturgütern wird hingegen aufgrund der

Legaldefinition der Sonderstatus des Kulturguts zugesprochen.395

284 Eine trennscharfe Unterscheidung dieser rechtlichen und tatsächlichen Qualifikationen

ist indes unmöglich und erheblich vom Einzelfall abhängig. Daraus folgt, dass wenn ein

Register sich ausschliesslich mit der Erfassung einer Kunstgattung (bspw. ausschliess-

lich kulturelles Erbe) unter Ausschluss der anderen befasst, dieses Register bis auf die

Gattung, die es behandelt, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Es ist

dementsprechend nicht nur erforderlich, dass die Verantwortlichen des Registers sich

mit der Frage beschäftigen, ob ein ihnen zugetragener Diebstahl die Erfordernisse der

Datenbank erfüllt, sondern dass auch der Erwerber vor Inanspruchnahme von Such-

dienstleistungen weiss, mit welcher Art von Kunstwerk er es zu tun hat.396

285 Da die Strafermittlungsbehörden bei der Wiederauffindung von gestohlen gemeldeten

Kunstwerken auf die Mithilfe von Kunstexperten und einer grösstmöglichen grenzüber-

schreitenden Öffentlichkeit angewiesen sind (nicht zuletzt, da die Informationen an die

betreffenden Kunsthändler gelangen müssen), werden die Daten in der Regel sowohl

an Interpol als auch an private Verzeichnisse weitergeleitet.397

392 Vgl. hinten Rz. 319 ff. 393 CREWDSON, 112. 394 CREWDSON, 112. 395 So auch die Schweiz, vgl. vorne Rz. 21 f. 396 Vgl. vorne Rz. 28. 397 Vgl. vorne Rz. 273.

Page 77: Masterarbeit_Brugger Lukas

61

bb) Anspruch auf Aktualität

286 Neben der Vollständigkeit muss ein Register auch dem Anspruch der Aktualität ent-

sprechen, damit ein potentieller Erwerber vertrauenswürdige Informationen aus der

Nachfrage erzielt.398 Dabei spielt es eine grosse Rolle, welche Daten in welchem Zeit-

raum an die Registerverantwortlichen übermittelt werden.

287 Wie bereits angesprochen, erhöhen sich die Erfolgschancen auf die Wiederfindung ei-

nes entwendeten Kunstwerks, je schneller die Informationen an die breite Öffentlichkeit

gelangen.399 Keine Rolle spielt es dabei, ob die Informationen über den Diebstahl zuerst

den zuständigen Strafverfolgungsbehörden oder einem privaten Register übermittelt

worden sind. Im Falle eines an der Wiederauffindung interessierten Eigentümers400 wird

dies ohnehin in den meisten Fällen parallel stattfinden- nicht zuletzt da aus versiche-

rungstechnischen Gründen häufig eine polizeiliche Anzeige notwendig ist.401

288 Heute kann sowohl den privaten, als auch den öffentlichen Registern der Anspruch auf

Aktualität zugesprochen werden, nicht zuletzt weil seit 1990 sukzessive sämtliche ehe-

mals kommunistische Staaten Interpol beigetreten sind.402

d) Publizität

aa) Vorschlag der Publizität für Kulturgüterregister

289 Neben der Zugänglichkeit von Privatpersonen sowie dem Anspruch auf Vollständigkeit

und Aktualität stellt sich die Frage, ob ein Register für gestohlene Kunst- und Kulturgü-

ter auch der Anforderung der Publizität genügen muss, um eine effektive Massnahme

für die Feststellung des guten Glaubens bieten zu können.

290 Unter dem Publizitätsprinzip wird nach schweizerischer Lehre verstanden, dass dingli-

che Rechte für Zwecke der Rechts- und Verkehrssicherheit für Dritte erkennbar sein sol-

len. Bei beweglichen Sachen begründet dabei grundsätzlich der Besitz eine Vermutung

des Eigentums.403 Bei Immobilien reicht der blosse Besitzanschein hingegen nicht aus.

Daher wird dem Publizitätserfordernis bei Immobilien durch die Eintragung der Rechte

im Grundbuch Rechnung getragen und die Informationen über Eigentum und Eigentü-

mer für jedermann öffentlich gemacht.404 Die positive Rechtskraft des Grundbuchs be-

wirkt gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB die Vermutung des Rechts für denjenigen, der als Ei-

gentümer eingetragen ist.405

398 SCHMEINCK, 150. 399 Vgl. vorne Rz. 266, wobei es auch immer auf die Präzision der Angaben ankommt. 400 Es wird vorliegend nicht von Falle eines Versicherungsbetrugs ausgegangen. 401 GLAUS/STUDER, 145; so auch FELDER WALTER, Kantonspolizei Zürich Abteilung Vermögens-

delikte I, auf persönliche Anfrage. 402 Am Beispiel Russlands, welches am 27.09.1990 beitrat:

<https://web.archive.org/web/20111017121350/http://www.interpol.int/Member-countries/Europe/Russia> (08.04.2014). Aktuell gibt es 188 Mitgliedsstaaten bei Interpol.

403 TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 87 Rz. 8 f.; Für die Beziehung öffentliche Register und guter Glaube siehe BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 49 ff.

404 TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 88 Rz. 2 ff. 405 BK-STARK, Art. 937 ZGB N 11; eine ähnliche Publizitätswirkung kommt neben dem Grund-

buch dabei auch dem Handelsregister in Anwendung des Art. 933 OR zu vgl. BSK OR II-

Page 78: Masterarbeit_Brugger Lukas

62

291 Einige Vertreter der Lehre treten auch bei Kunstgütern für eine Publizitätswirkung durch

Eintragung in ein Verzeichnis ein. In Bezugnahme auf Kulturgüter könnte nach KOHLS

die Eintragung eines besonders schützenswerten Kulturguts in ein solches Register ei-

ne ähnliche Wirkung wie der öffentliche Glaube des Grundbuchs entfalten.406 Dabei

müsste ein solches Register die Publizitätswirkung gegenüber Dritten entfalten, damit

sich ein potentieller Erwerber nicht mehr darauf berufen kann, er habe von der Eigen-

schaft des Kulturguts keine Kenntnis gehabt.407

bb) Kritik

292 Die Idee einer publizitätsähnlichen Wirkung von Verzeichnissen ist zumindest für Kul-

turgüter nicht neu. Sie besteht grundsätzlich in jedem Staat, in dem ein Kunstwerk erst

durch Eintragung den Status eines Kulturguts oder kulturellen Erbes erhält. Dies ist ne-

ben der Schweiz auch beispielsweise in Deutschland der Fall. Mit der Kulturgüterver-

zeichnis-Verordnung vom 15. Oktober 2008408 setzte die deutsche Bundesregierung ein

öffentliches Register für Kulturgüter um, denen in der Bundesrepublik Deutschland be-

sondere historische Bedeutung zukommt.

293 Ein erhebliches Problem eines mit Publizitätswirkung ausgestatteten Registers für Kul-

turgüter stellt wiederum die materielle Ausgestaltung dar. Aus den bereits vorher ange-

führten Schwierigkeiten, die sich bei der Qualifikation als Kulturgut ergeben, wäre es

dem Kampf gegen den illegalen Kunsthandel nur bedingt dienlich, wenn der potentielle

Erwerber auf ein Verzeichnis mit Publizitätswirkung vertrauen könnte, welches aus-

schliesslich auf Kulturgüter begrenz ist.409

294 Die Publizitätswirkung eines Registers ist untrennbar mit der Anforderung verbunden,

dass dieses von einer öffentlichen Stelle geführt wird. Privaten Registern ist dement-

sprechend die Publizität, vergleichbar mit der des Grundbuchs oder des Handelsregis-

ters, von vornherein verwehrt.410 Die räumliche Wirkungsdimension eines öffentlichen

Registers ist in jedem Fall auf den jeweiligen Staat begrenzt.411

295 Auch bleibt im internationalen Verhältnis offen, wie ein solches öffentliches Register von

einer anderen als einer nationalen Behörde geführt werden soll. KOHLS schlägt hierfür

die Anerkennung oder Schaffung eines internationalen Registers (er verweist auf das

Art Loss Register) vor.412 Die Publizitätswirkung (oder eine der Publizitätswirkung ähnli-

ECKERT, Art. 933 N 5 ff.; BSK OR I-WATTER, Art. 460 N 4; GUISAN, 102; BK-STARK, Art. 933 ZGB N 69.

406 KOHLS, 163; für eine ähnliche Registerlösung tritt auch HANISCH mit dem bereits erwähnten Stammbaumbrief ein, vgl. vorne Rz. 241.

407 KOHLS, 163. 408 Verordnung über das Verzeichnis wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgüterrückgabege-

setz vom 15.10.2008 (BGBl. I S. 2002). 409 Vgl. vorne Rz. 284. 410 Vgl. BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 158. 411 Die innerstaatliche Wirkung von ausländischen Ausfuhrverboten und Entzug der Kommerziali-

tät bei Kulturgüter stellt eine Eigenproblematik dar, auf die vorliegend nicht eingegangen wer-den kann. Vgl. Anmerkungen vorne zu Rz. 43 ff.

412 KOHLS, 163.

Page 79: Masterarbeit_Brugger Lukas

63

che Ausgestaltung) kann jedoch, zumindest nach schweizerischem Verständnis, nicht

losgelöst vom innerstaatlichen System der Eintragung betrachtet werden.

296 Im schweizerischen Recht gelten die vorhergehend beschriebene Publizität des Grund-

buchs und die damit verbundenen Vermutung des Eigentums nicht absolut. Fallen der

formelle Eintrag und die Rechtswirklichkeit auseinander, steht demjenigen, der durch

einen ungerechtfertigten Eintrag in seinen Rechten verletzt wurde (bzw. jedem, der ein

schutzwürdiges Interesse auf Berichtigung hat) die sogenannte Grundbuchberichti-

gungsklage des Art. 975 ZGB zur Verfügung.413 Wird durch eine solche Anfechtung je-

doch der gutgläubige Verkehr beeinträchtigt (bspw. wenn ein gutgläubiger Dritter ein

dingliches Recht in Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des Grundbucheintrags erwirbt),

ist der gutgläubige Dritte nach dem sogenannten Prinzip des öffentlichen Glaubens ge-

mäss Art. 973 Abs. 1 ZGB in seinem Erwerb zu schützen.414 Dabei kann sich ein gut-

gläubiger Erwerber nicht auf die positive Wirkung des Grundbuchs berufen, wenn er die

notwendige Sorgfaltsflicht nicht hat walten lassen.415

297 Selbst unter der Annahme, dass die nationalen Kulturgüterbestimmungen über Ausfuhr

und Eigentum an eine international angelegte Datenbank übermittelt werden – diesem

Gedankengang scheint KOHLS zu folgen – ist eine Publizitätswirkung in den betreffen-

den Staaten alleine schon angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechts-

ordnungen in Bezug auf den Erwerb von Kulturgütern, sowie den Modalitäten einer

eventuellen Eintragung äusserst schwierig umsetzbar.

298 Nach Meinung der vorliegenden Abhandlung ist die Publizität keine unabdingliche Vo-

raussetzung für die Qualifizierung eines Registers als vollwertige Nachforschungsmass-

nahme. Denn für die Feststellung der Gutgläubigkeit kommt es auf die Vornahme oder

Unterlassung der gebotenen Nachforschungsmassnahme an. Sofern das zu konsultie-

rende Register neue Erkenntnisse für die Beschaffenheit des Objekts erbringt (mit ande-

ren Worten kausal für die Frage nach der Veräusserungsbefugnis ist), wird die Gut- o-

der Bösgläubigkeit des Erwerbers anhand der Tatsache bestimmt, ob dieser eine Kon-

sultation vorgenommen hat oder nicht.416

III. Schlussfolgerungen und Zwischenfazit

299 Einem potentiellen Erwerber von Kunst bieten sich heute viele Möglichkeiten, über die

Beschaffenheit seines Anschaffungsobjekts Informationen in Erfahrung zu bringen. Da-

bei sind die infrage kommenden Methoden hinsichtlich der erwünschten Informationen

zu differenzieren. Will der Erwerber über die Echtheit oder die möglicherweise moralisch

brisante Vergangenheit des Bildes unterrichtet werden, ist weiterhin die Nachfrage bei

einem Experten anzuraten.

300 Ist hingegen die Verfügungsberechtigung des Veräusserers Gegenstand der Nachfor-

schungen, bietet sich neben den «klassischen» Provenienzerkundigungsmethoden die

Konsultation von Internet-Datenbanken in besonderem Ausmass an. Insbesondere in

413 TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 94 Rz. 29 f. 414 Für eine detaillierte Auseinandersetzung siehe: TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Kap. 94 Rz. 30 ff. 415 BGE 127 III 440 E. 2c, 443 m.w.H. 416 Dazu weiter hinten, Rz. 395 ff.

Page 80: Masterarbeit_Brugger Lukas

64

den letzten Jahren sind sowohl die Anzahl an solchen Registern, als auch die Anzahl

der Einträge stark gestiegen.

301 Damit die Nachfrage bei einem Internetregister geeignet ist, die Gutgläubigkeit des Er-

werbers zu erwirken, sind jedoch gewisse Anforderungen zu beachten. Das Register

muss erstens für Privatpersonen zugänglich sein. Ebenfalls müssen sowohl die Anfor-

derungen der Vollständigkeit als auch der Aktualität des Registers bezüglich als gestoh-

len gemeldeter Kunstwerke erfüllt sein.

302 Diesen Anforderungen werden dabei private Register besser gerecht als öffentliche.

Durch die Sammlung von Verlustmeldungen aus der ganzen Welt ist die die grösstmög-

liche Vollständigkeit der Informationen über abhandengekommener Werke dem Art Loss

Register zuzusprechen. Dabei wird vom Art Loss Register auch nicht unterschieden, ob

es sich um ein Kulturgut oder ein einfaches Werk der Kunst handelt, während öffentliche

Register häufig auf bestimmte Arten von Kunstwerken beschränkt sind. Zudem wird

durch die automatische Weiterleitung von nationalen Ermittlungsbehörden auch die Ak-

tualität gewahrt.

303 Sofern ein Register die Anforderungen von Zugänglichkeit für Privatpersonen, Vollstän-

digkeit und Aktualität erfüllt, ist eine Publizitätswirkung des Registers, wie Teils von der

Lehre gefordert, nicht erforderlich.

Page 81: Masterarbeit_Brugger Lukas

65

E. Der «Fall Malewitsch» und die Würdigung der Konsultation eines Registers

304 Wenngleich die Möglichkeiten des Zugriffs auf Informationen durch internationale Da-

tenbanken über gestohlene und verschollene Kunstwerke stetig zugenommen hat – und

noch zunehmen wird – bleibt die Frage bestehen, ob und in welchem Ausmass sich die

Konsultation eines solchen Registers auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers auswirkt.

305 Im vorliegenden Kapitel soll daher auf den Zusammenhang zwischen der Konsultation

eines Registers und der Gutgläubigkeit des Erwerbenden eingegangen werden. Zuvor

soll jedoch auf einen aktuellen Bundesgerichtsentscheid eingegangen werden, der

sämtliche in dieser Arbeit angesprochenen Problemfelder des Erwerbs von Kunstwer-

ken behandelt sowie die aktuelle Tendenz der Rechtsprechung wiedergibt.

I. Vorbemerkungen zum «Fall Malewitsch»

1. Rechtsnatur der erforderlichen Sorgfalt und Beweislast

a) Massgebliche Sorgfalt als Obliegenheit

306 Die für den guten Glauben erforderliche Sorgfalt ergibt sich aus dem Mass an Aufmerk-

samkeit, das von einer Person nach den Umständen verlangt werden darf.417 Dabei

handelt es sich nach herrschender Lehre jedoch nicht um eine Pflicht zur Sorgfalt, die

einklagbar wäre, sondern um eine Obliegenheit.418

307 Eine Rechtspflicht liegt gemäss Lehre dann nicht vor, wenn «bei Unterlassung nicht die

üblichen Folgen einer Pflichtverletzung eintreten»419. Insbesondere entsteht kein An-

spruch auf gerichtliche Durchsetzung und kein Anspruch auf Schadensersatz.420 Wird

die den Umständen entsprechend anzuwendende Sorgfalt vernachlässigt, handelt es

sich dementsprechend um eine Obliegenheitsverletzung, die in einem Rechtsnachteil

resultiert – die Gutgläubigkeit des Prätendenten wird verneint.421 Es handelt sich mit an-

deren Worten um ein «Verschulden gegen sich selbst»422.

308 Die unter der Bezeichnung «Sorgfaltspflichten» statuierten Massnahmen des Art. 16

KGTG für im Kunsthandel tätige Personen stellen daher Obliegenheiten dar.423 Hat so-

mit der Verkäufer eines Kulturguts die von ihm zu verlangende Sorgfaltsobliegenheit

nicht walten lassen, muss er sich gefallen lassen, dass der Kaufvertrag rückabgewickelt

werden kann und er zur Rückerstattung des Kaufpreises (sowie eventueller Busszah-

lungen) angehalten ist.424

309 Der Erwerber eines Kunstgegenstands hat ebenfalls die Nachteile aus seiner mangeln-

den Sorgfalt zu tragen. Er bleibt in einem etwaigen Herausgabeanspruch des berechtig-

417 Nach Art. 3 Abs. 2 ZGB, vgl. vorne Rz. 154 ff. 418 BSK ZGB I-HONSELL, Art. 3 N 35; BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 113 jeweils m.w.H. 419 VON THUR/PETER, 12. 420 SCHWENZER, Rz. 4.27. 421 SCHWENZER, Rz. 4.27. 422 BSK ZGB I-HONSELL, Art. 3 N 35. 423 BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 115. 424 SCHMIDT-GABAIN, 578.

Page 82: Masterarbeit_Brugger Lukas

66

ten Dritten schutzlos, wenn er die mangelnde Verfügungsberechtigung durch die gebo-

tene Aufmerksamkeit hätte erkennen können – mit anderen Worten wenn er bösgläubig

ist.425 Ebenfalls steht ihm, wie bereits erwähnt, in diesem Falle das Lösungsrecht nicht

zu.426

b) Beweislast

310 Gemäss Art. 8 ZGB muss derjenige, der ein Recht aus einem Tatbestand ableitet, die-

sen auch beweisen. Für den guten Glauben sieht Art. 3 Abs. 1 ZGB jedoch eine Vermu-

tung für dessen Bestehen vor. Daraus erschliesst sich nach herrschender Lehre, unter

dem Begriff «Beweislastumkehr», dass nicht das Vorhandensein, sondern das Fehlen

des guten Glaubens von demjenigen zu beweisen ist, der sich auf das Fehlen beruft.427

311 Für die Widerlegung der Gutglaubensvermutung stehen dem Kläger mehrere Möglich-

keiten zur Verfügung. Erstens kann er beweisen, dass der Beklagte nicht in gutem

Glauben gewesen ist. Dabei handelt es sich um eine innere Tatsache, die nur anhand

von Indizien, denen zufolge die Person über das Vorhandensein des Rechtsmangels

wusste, erbracht werden kann.428 Zweitens steht dem Kläger durch Art. 3 Abs. 2 ZGB

die Möglichkeit offen, zu beweisen, dass der beklagte Erwerber den Rechtsmangel hät-

te erkennen müssen.429 Schliesslich besteht die Möglichkeit, den guten Glauben des

Erwerbenden dadurch zu zerstören, dass das Fehlen anderer Tatbestandsvorausset-

zungen (wie insbesondere das Nichtvorliegen des Rechtsscheintatbestands) bewiesen

wird.430

312 Ein Teil der Lehre vertritt jedoch die Ansicht, dass eine gutgläubige Person den Nach-

weis erbringen muss, dass sie genügend aufmerksam war.431 Dieser Meinung liegt die

Überlegung zu Grunde, dass sich die Vermutung des guten Glaubens des Art. 3 Abs. 1

ZGB nicht auf die gebotene Aufmerksamkeit des Art. 3 Abs. 2 ZGB bezieht.432 Demnach

obliege es der Partei, die sich auf den guten Glauben beruft, nachzuweisen, dass und

welche Nachforschungen sie angestellt hat, um allfällige Rechtsmängel aufzudecken.433

313 HOFER hält dem entgegen, dass die Absicht des Gesetzgebers durch die Schaffung des

Art. 3 Abs. 2 ZGB darin lag, eine zusätzliche Widerlegungsmöglichkeit der Gutglau-

bensvermutung zu schaffen. Zudem passe die Frage, ob die Vermutung auch die gebo-

tene Aufmerksamkeit umfasse, konzeptuell nicht zur Systematik des Gesetzes.434

314 Dieser letztgenannten Meinung ist zuzustimmen. Die Vermutung des guten Glaubens

gilt im schweizerischen Recht insbesondere aus Überlegungen der Rechts- und Ver-

425 Vgl. BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 129 f.; ZK-BAUMANN, Art. 3 ZGB N 2b; GRELL, 159. 426 Vgl. vorne Rz. 106 ff. 427 Unter vielen: BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 97 m.w.H.; im Speziellen für den Kunstmarkt WIESER,

294 f. 428 Als klassisches Beispiel nennt die Lehre, dass die Bösgläubigkeit dadurch bewiesen wird,

dass sich die Person gegenüber einer Dritten über ihr Wissen zum Rechtsmangel äussert, vgl. BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 105.

429 Zum Ganzen BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 105. 430 BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 106. 431 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 208. 432 KOLLER, Rz. 180; BSK ZGB I-HONSELL, Art. 3 N 29. 433 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 208. 434 BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 108; ähnlich auch BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 87 und N 117.

Page 83: Masterarbeit_Brugger Lukas

67

kehrssicherheit.435 Entgegen der Annahme BERGER-RÖTHLISBERGERS, die bei riskanten

Rechtsgeschäften die Vermutung des guten Glaubens nicht durch den Verkehrsschutz

gerechtfertigt sieht,436 wird dem Kläger durch die Umstände, die beim Erwerber Zweifel

hätten hervorrufen müssen, einzig die Beweislast erleichtert. Unrichtig ist es daher, in

riskanten Rechtsgeschäften, davon auszugehen, dass den Erwerbenden von Grund auf

keine Gutglaubensvermutung treffe. In sämtlichen Rechtsgeschäften (somit «riskanten

Geschäftsbranchen sowie beim Kunsthandel – der, wie bereits ausgeführt, nicht als ge-

samthaft riskanter Geschäftsbereich zu sehen ist) kann sich der Erwerber grundsätzlich

auf die Vermutung seines guten Glaubens berufen. Er muss dafür jedoch den Grundtat-

bestand beweisen. Einzig wenn dieser feststeht, resultiert die Vermutung des guten

Glaubens.437 Würde die Vermutung des guten Glaubens sich nicht auch auf die gebote-

ne Aufmerksamkeit erstrecken, wäre die Vermutung darüber hinaus ihres Sinnes entho-

ben und wertlos.438 Es obliegt, im Sinne des Art. 8 ZGB, weiterhin dem Kläger, nachzu-

weisen, ob und inwiefern der Beklagte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die den Um-

ständen gemäss von ihm verlangt werden durften.439 Diese Beweislast muss auch für

die Umstände gelten, aus denen der Kläger ableitet, der Beklagte könne sich nicht auf

seinen guten Glauben berufen.440

315 Derjenige, der die nötige Aufmerksamkeit bei einem Rechtsgeschäft vermissen liess,

gilt als bösgläubig. Terminologisch wird jedoch von einem Teil der Lehre vertreten, dass

zwischen einer «tatsächlichen Bösgläubigkeit», die den bösen Glauben im engeren Sinn

umfasst und der «normativen Bösgläubigkeit», die sich darauf bezieht, dass sich der

«böse Glaube» des Beklagten einzig daraus ergibt, dass er nicht genügend aufmerk-

sam war, unterschieden werden sollte.441

2. Eignung der Nachforschungsmassnahme

a) Eignung der Massnahme

316 Sofern der Erwerber zu erhöhter Sorgfalt veranlasst ist, hat er Nachforschungen anzu-

stellen, um einen Tatbestand als erfüllt zu sehen, der eine Berufung auf die Vermutung

des guten Glaubens ermöglicht. Unter einer Vielzahl von potentiellen Massnahmen liegt

es dem Erwerber offen, diejenigen zu tätigen, die ihm geeignet erscheinen, den Rechts-

anschein der Veräusserungsbefugnis des Übertragenden zu überprüfen.

317 Dabei kann, im Streitfalle, der Richter – aus ersichtlichen Gründen – nicht jede vom Er-

werber subjektiv als ausreichend betrachtete Massnahme als solche anerkennen, um

435 Vgl. vorne Rz. 74 f. 436 BERGER-RÖTHLISBERGER, Entgegennahme eines Kulturguts, 209. 437 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 96; BK-STARK, Art. 934 ZGB N 15. 438 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 117. 439 ZK-BAUMANN, Art. 3 ZGB N 15 d. 440 Urteil des Bezirksgerichtes Meilen LB 110003 vom 21.12.2010, E. 3.3; Dazu zählt namentlich

auch, ob der Erwerber von einem Berechtigten oder von einem Nichtberechtigten erworben hatte, vgl. OGer ZH LB130029 vom 06.08.2013, E. 3.2 ff; Die UNIDROIT-Übereinkunft von 1995 sieht, anders als das Schweizer Recht, die Beweislast gemäss Art. 4 Abs. 1 für denjeni-gen vor, der sich auf seinen guten Glauben beruft, vgl. WIESER, 294.

441 Vgl. Anmerkungen bei BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 109 f. Diese Unterscheidung spielt jedoch keine praktische Relevanz.

Page 84: Masterarbeit_Brugger Lukas

68

den guten Glauben als erwiesen zu betrachten. Es sind die Umstände des Einzelfalls zu

würdigen. Auf dieser Grundlage ist zu beurteilen, ob der Gutgläubige weitere Nachfor-

schungen hätte vornehmen müssen.442 Der angerufene Richter hat nach Art. 4 ZGB die

Würdigung der Umstände, wo das Gesetz dies vorsieht, nach Recht und Billigkeit zu

treffen, um die individuelle und konkrete Interessenslage unter sachlichen Gesichts-

punkten zu prüfen.443 Dies trifft auf die Würdigung der Umstände gemäss Art. 3 Abs. 2

ZGB zu.444

318 Im Bereich des Gutglaubensschutzes sind grundsätzlich keine Billigkeitsentscheidungen

zu fällen, sondern es ist eine freie Beweiswürdigung vorzunehmen.445 Dabei sind grund-

sätzlich sämtliche erhebliche Umstände zu beachten. Daraus folgt, dass nicht alle Um-

stände, sondern einzig die wesentlichen bzw. bedeutsamen Umstände in die Ermes-

sensentscheidung des Richters einfliessen müssen.446 Die Massnahme muss – ähnlich

dem Beweis im Beweiswürdigungsverfahren – grundsätzlich ein gewisses Mass an ei-

gener Überzeugungskraft besitzen, um ausschlaggebend für die Betrachtung des Sach-

verhalts zu sein.447 Die Massnahme muss daher mit anderen Worten geeignet sein, den

guten Glauben des Erwerbers zu beweisen.

b) Kausalitätserfordernis bei Unterlassung

319 Eng mit der Frage verbunden, welche Nachforschungsmassnahme geeignet ist, eine

Berufung auf den guten Glauben zu ermöglichen, ist diejenige nach den Konsequenzen

einer Nachforschungsunterlassung. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtspre-

chung versagt der gute Glaube nur dann, wenn betreffende Vorkehrungen vermutlich

zur Entdeckung der fehlenden Veräusserungsverfügung geführt hätten.448

320 Ein Teil der Lehre hingegen verneint ein Kausalitätserfordernis zwischen den Nachfor-

schungen und der Aufdeckung des Rechtsmangels.449 Nach dieser Ansicht wird «der

Rechtsschein bereits durch die Verdachtsmomente zerstört […], welche Anlass zu den

Nachforschungen geben sollten»450. Aus dieser Annahme wird der Schluss gezogen,

dass die Unterlassung der gebotenen Nachforschungen selbst dann zur Bösgläubigkeit

des Erwerbers führt, wenn diese nicht zur Erkennung des Rechtsmangels geführt hät-

ten.

442 BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 116. Wobei es sich bei dieser Frage um ein Werteurteil handelt; vgl.

BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 103 und N 116. 443 BK-MEIER-HAYOZ, Art. 4 N 9 f. 444 BK-MEIER-HAYOZ, Art. 4 ZGB N 64. 445 ZK-BAUMANN, Art. 3 N 52. 446 BK-MEIER-HAYOZ, Art. 4 N 46. 447 BK-WALTER, Art. 8 N 56 m.w.H. 448 BGE 100 II 8 E. 4b, 16 m.w.H.; vgl. BK-STARK, Art. 933 ZGB N 51; BK-OSTERTAG, Art. 933

ZGB N 23; BSK ZGB I-HONSELL, Art. 3 N 34 f.; BK-HOFER, Art. 3 ZGB N 122 ff. 449 BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 145 ff. m.w.H.; MÜLLER-CHEN, Die Crux mit dem Eigentum

an Kunst, 1272; ebenfalls MÜLLER-CHEN/ RENOLD-KKR, Kap. 6 Rz. 147. Ähnlich auch Piotet, der verlangt, dass der Erwerber Die gebotene Sorgfalt beweist, ohne dass sie zur Überzeu-gung geführt hätte, der Veräussernde habe die Verfügungsberechtigung nicht inne, PIOTET, 83 f.

450 BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt, 147 m.w.H.

Page 85: Masterarbeit_Brugger Lukas

69

321 Nach der hier vertretenen Auffassung ist dem von der herrschenden Lehre verlangten

Kausalitätserfordernis beizupflichten. Im Grunde ist diesem Erfordernis nichts anderes

zu entnehmen als dass dem Erwerber nicht das Unterlassen einer Handlung vorgewor-

fen werden kann, die zu keinen neuen Erkenntnissen geführt hätte.451 Es handelt sich

bei solchen Handlungen insofern um nicht erforderliche (unwesentliche) Nachforschun-

gen, als ihr Aufwand nicht durch einen korrelierenden Informationszuwachs gerechtfer-

tigt ist.452 Die von BERGER-RÖTHLISBERGER geforderte Verneinung der Gutgläubigkeit

bei Unterlassung der gebotenen Nachforschungen steht dem denn auch nicht entgegen.

Würde jedoch das Kausalitätserfordernis zwischen der unterlassenen Nachforschung

und der Entdeckung des Rechtsmangels fehlen, würde die Unterlassung von unwesent-

lichen Nachforschungen zur Bösgläubigkeit führen. Im klar sachwidrigen Umkehrschluss

würde dies bedeuten, dass die Beachtung von unwesentlichen Nachforschungen zur

Gutgläubigkeit des Erwerbers führt bzw. führen könnte.453

322 Wie jedoch mehrfach aufgezeigt, können unter einer Würdigung der gesamten, bedeu-

tenden Umständen des Einzelfalls zweifelhafte Umstände durch andere Rechtsschein-

verstärkende Umstände «ausgeglichen» werden.454 Gleiches ist auch von Nachfor-

schungsmassnahmen anzunehmen. Das Kausalitätsprinzip ist, nach der hier vertrete-

nen Meinung, in Bezug auf die Konsultation von Registern dahingehend zu verstehen,

dass die Unterlassung der Nachfrage dann nicht zur Verneinung der Gutgläubigkeit

führt, wenn die Konsultation nicht zu neuen Erkenntnissen über die Verfügungsberech-

tigung geführt hätte. Neben der Konsultation von Registern gelten diese Überlegungen

auch für sämtliche andere Nachforschungsmassnahmen, wie namentlich die «traditio-

nellen Methoden» der Nachfrage bei einem Sachverständigen oder beim Verkäufer

selbst.

II. Der «Fall Malewitsch»

1. Sachverhalt des BGE 139 III 305

a) Ausgangssachverhalt

323 Im Juli 1989 erwarb der spätere Beklagte (es handelt sich dabei um den bekannten

Zürcher Kunstsammler Werner Merzbacher)455 das Gemälde «Diener mit Samowar»

des russischen Avantgardekünstlers Kasimir Malewitsch von einer Genfer Galerie.456

451 WIESER, 103. 452 Vgl. dazu BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 114: «Aufmerksamkeit bezeichnet ein hohes Mass dieses

Aufwandes. Aber auch der Aufmerksame begrenz seinen Aufwand und klärt nicht alles Mögli-che ab. Er nimmt eine (zwar nur entfernte) Gefahr der Unkenntnis und des Irrens in Kauf».

453 Für eine konkrete Sachverhaltsanwendung dieser Problematik siehe «Der Fall Malewitsch» hiernach.

454 BK-JÄGGI, Art. 3 ZGB N 129. 455 Vgl. Kunstsammler nach Diebstahl-Gerücht in der Kritik, NZZ vom 25.06.2013.

<http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/kunstsammler-nach-diebstahl-geruecht-in-der-kritik-1.18105330> (15.05.2014).

456 BGE 139 III 305, 305 f.; im Englischen ist das Werk bekannt unter «Footman with Samovar» aus dem Jahr 1914 in der Schaffensphase des Kubofuturismus von Malewitsch, vgl. JOSI, 15.

Page 86: Masterarbeit_Brugger Lukas

70

324 2004 reichte ein Kunstsammler aus St. Petersburg Klage auf Herausgabe des Gemäl-

des beim Bezirksgericht Meilen ein. Er behauptete, das Werk sei aus der elterlichen

Sammlung in einer St. Petersburger Privatwohnung 1978 im Zuge eines gezielten

Raubüberfalls entwendet worden.457 Der Kläger machte erstinstanzlich sowohl die Klage

auf Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) als auch die Besitzrechtsklage (Art. 934 ff. ZGB)

geltend. Im späteren Verfahren beschränkte sich die Anspruchsgrundlage auf die Be-

sitzrechtsklage gemäss Art. 934 ff. ZGB.458

325 In erstinstanzlichem Urteil wies das Bezirksgericht Meilen mit Entscheid vom 21. De-

zember 2010 die Klage ab.459 Dem Gericht zufolge konnte der Kläger nicht nachweisen,

dass Merzbacher vom Diebstahl wusste. Ebenso wenig gelang ihm der Beweis, dass

der Erwerber nicht die notwendige Sorgfalt an den Tag legte, um davon auszugehen,

dass er vom Diebstahl hätte wissen müssen.460 In Berufung an das Obergericht Zürich

wies das Gericht die Klage mit Entscheid vom 5. April 2012 ab.461 Es stellte fest, dass

der Beklagte im Zeitpunkt des Kaufs die geeigneten Massnahmen traf, um seiner Sorg-

faltspflicht nachzukommen. Er wird daher nicht als bösgläubig angesehen, womit einer

Herausgabe nicht stattzugeben sei.462

326 Mit 15. Mai 2012 erhob der Kläger Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht. Die-

ses setzte sich sodann mit der Frage auseinander, ob der Entscheid des Obergerichts

aufzuheben und ob das Gemälde vom Beklagten herauszugeben sei - allenfalls mit

Rückweisung an das Obergericht des Kanton Zürich.463

b) Umstände des Erwerbs

aa) Vorgeschichte zum Erwerb

327 Merzbacher tätigte im Jahr 1988 eine Reise in die damalige Sowjetunion, wo er unter

anderem die Kunstsammlung der Familie des Klägers in St. Petersburg (damalig Lenin-

grad) besuchte. Der Kläger bringt im Verfahren diesbezüglich vor, dass Merzbacher

beim Besuch der Sammlung über den Diebstahl des Bildes «Diener mit Samowar» un-

terrichtet wurde, sowie eine ihm beigezogene Expertin (im Entscheid die Expertin H.)

sich ebenfalls dahingehend äusserte.464

328 Im Mai 1989 (somit zwei Monate vor dem Kauf des Erwerbers) trat ein Genfer Auktions-

haus vom Kauf des streitgegenständlichen Gemäldes zurück. In Abklärung der Gründe

des Vertragsrücktritts nahm Merzbacher Kontakt mit dem Auktionshaus auf. Dieses be-

stätigte den Rücktritt und brachte als Grund vor, die Beziehungen zu den sowjetischen

457 Urteil des Bezirksgerichtes Meilen LB 110003 vom 21.12.2010, E. II.2. 458 BGE 139 III 305 E. 3, 306. 459 Urteil des Bezirksgerichtes Meilen LB 110003 vom 21.12.2010. 460 Urteil des Bezirksgerichtes Meilen vom 21.12.2010 E. 7.2; vgl. auch HÜRLIMANN,

<http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/gutglaeubiger-kunstsammler-1.16881593> (12.05.2014).

461 OGer ZH LB 110003 vom 05.04.2012. 462 OGer ZH LB 110003 vom 05.04.2012 E. 10. 463 BGE 139 III 305, 306. 464 BGE 139 III 305 E. 5.1, 312.

Page 87: Masterarbeit_Brugger Lukas

71

Behörden nicht gefährden zu wollen, da das Bild illegal aus der Sowjetunion exportiert

worden war.465

bb) Der Zustand des Gemäldes und die Marktsituation

329 Rechtserheblich sind in einem ersten Schritt die tatsächlichen Umstände, unter denen

das Gemälde «Diener mit Samowar» vom Beklagten erworben wurde. Merzbacher er-

warb dieses von einer Genfer Galerie in Kommission um 1.05 Mio USD. Die hinter der

Veräusserung stehende Person blieb ihm während des gesamten Erwerbprozesses un-

bekannt, was in den damaligen Marktverhältnissen nicht unüblich war.466

330 Das umstrittene Gemälde befand sich zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits seit mehre-

ren Jahren in einem Banktresor und war in schlechtem Zustand. Zudem war es dem

Erwerber von der Galerie ungerahmt verkauft worden. Das Obergericht stellte zum

Sachverhalt weiterhin fest, dass es zum Zeitpunkt des Erwerbs 1989 selten war, dass

Originalgemälde von Malewitsch auf den Markt gelangten.467

331 Die Galerie, von der Merzbacher das Gemälde erwarb, hatte zum damaligen Zeitpunkt

keinen schlechten oder unseriösen Ruf gehabt, befand sich jedoch in finanziellen

Schwierigkeiten. Die Galerie wies zwar keinen direkten Bezug zu russischer Kunst auf,

hatte jedoch – über eine Expertin einer kooperierenden Galerie – bereits hochpreisige

Verkäufe russischer Gemälde getätigt.468

c) Getätigte Nachforschungsmassnahmen des Erwerbers

aa) Echtheitsprüfung und Zutragung eines Gerüchts

332 Vor dem Erwerb liess Merzbacher das ihm zum Kauf angebotene Werk Malewitschs auf

Echtheit prüfen. Die beigezogene Kunstexpertin H. bestätigte, als Kennerin der russi-

schen Avantgarde, die Echtheit des Gemäldes. Die Prüfung des Bildes fand in der Bank

statt, in der das Gemälde seit einigen Jahren eingelagert war. Zudem teilte die Expertin

dem Erwerber im Zuge der Prüfung des Werkes ein ihr zugetragenes Gerücht mit, dass

sich ein gestohlenes Bild Malewitschs auf dem Markt befände. Sie bezog sich dabei je-

doch nachgewiesenermassen weder auf das ihr zur Prüfung vorgelegte Werk- nament-

lich das Gemälde «Diener mit Samowar»-, noch erteilte sie dem Erwerber diesbezüglich

einen Rat.469

bb) Konsultation und Nachfrage bei offiziellen Behörden

333 Der Erwerber stellte neben der Echtheitsprüfung durch die Kunstexpertin H. eine Mehr-

zahl von Erkundigungen an, die vom Gericht auf ihre Geeignetheit überprüft wurden.

Merzbacher liess, vor Kaufvertragsschluss, eine Verfügungsberechtigung der hinter der

Kommissionärin stehenden Person einholen. Die Kommissionärin bestätigte, dass der

Veräussernde der einzige und alleinige Besitzer des Bildes sei. Das Gemälde befände

465 BGE 139 III 305 E. 5.1, 313. 466 BGE 139 III 305, 306. 467 Zum Ganzen: BGE 139 III 305 E. 5.1, 312 f. 468 BGE 139 III 305 E. 5.1, 312. 469 BGE 139 III 305 E. 5.1, 312.

Page 88: Masterarbeit_Brugger Lukas

72

sich seit mehreren Jahren in einem Banktresor, womit die Bank seit mehreren Jahren

die Identität des Eigentümers kenne.470 Zudem wurde im Kaufvertrag von der Kommis-

sionärin die Echtheit des Bildes garantiert und festgehalten, dass sie als Verkäuferin be-

rechtigt sei, das Eigentum am Gemälde im Sinne der Art. 641 ff. ZGB zu übertragen.471

334 Als Massnahmen, die jedoch mangels Nachweis nicht ins Beweisverfahren des Oberge-

richts aufgenommen wurden, führte Merzbacher an, er habe bei Interpol angefragt, ob

das Gemälde als gestohlen gemeldet wurde, woraufhin ihm eine negative Antwort erteilt

wurde. Die Sowjetunion war 1989 jedoch nicht Mitglied von Interpol.472 Zudem habe sich

die Kommissionärin D. bei der sowjetischen Botschaft in Bern telefonisch über das Bild

erkundigt, wobei sich keine Hinweise auf Rechtsmängel ergeben hätten.473

2. Entscheidung des Gerichts

aa) Vorbemerkungen

335 Da der Erwerb des Gemäldes 1989 stattfand und die Klage im Jahr 2004 eingereicht

wurde, bestand die einzige Möglichkeit des Klägers, mit der Besitzrechtsklage durchzu-

dringen, im Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers im Sinne des Art. 936 Abs. 1

ZGB, da die Fünfjahresfrist längst abgelaufen war. Der Kläger konnte sich nicht auf die

verlängerten Rückforderungsfristen bei Kulturgütern gemäss Art. 934 Abs. 1bis ZGB

stützen, da der Erwerbsvorgang vor dem 1. Juni 2005 stattgefunden hatte, und das

KGTG (Art. 33 KGTG) somit keine Anwendung fand.474

336 Bevor auf materiell-rechtliche Aspekte des Schweizer Rechts eingegangen werden

konnte, stellte das Bundesgericht fest, dass gemäss Art. 100 Abs. 2 IPRG die soge-

nannte lex rei sitae auf den konkreten Sachverhalt zutreffe, da der Streitgegenstand in

der Schweiz erworben wurde und sich im Zeitpunkt des Verfahrens noch in der Schweiz

befand. Die Herausgabeklage richtete sich somit (als Ausübung eines dinglichen

Rechts) nach Schweizer Recht.475

337 Die Aktiv- und Passivlegitimation des Klägers bzw. des Beklagten wurden vom Bundes-

gericht bestätigt, weshalb auf diese Fragen vorliegend nicht eingegangen wird. Das

Gemälde wurde der Familie des Klägers nachgewiesenermassen im Jahr 1978 gestoh-

len, womit die Aktivlegitimation als Erbe als erwiesen angesehen wurde.476 Ebenso war

unbestritten, dass Merzbacher das Werk 1989 erworben hatte und sich zum Verfah-

renszeitpunkt in seinem Besitz befand.477

470 BGE 139 III 305 E. 5.1, 313. 471 BGE 139 III 305 E. 5.1, 313. 472 BGE 139 III 305 E. 5.1, 313, vgl. dazu vorne Rz. 288. 473 BGE 139 III 305 E. 5.1, 313. 474 BGE 139 III 305 E. 3.2.1, 307. 475 BGE 139 III 305 E. 3.1, 307. 476 BGE 139 III 305 E. 4.1, 309 f. 477 Bzw. sich immer noch in der Schweiz befindet, BGE 139 III 305 E. 3.1, 307.

Page 89: Masterarbeit_Brugger Lukas

73

bb) Entscheidung

aaa) Beweiswürdigung der Umstände durch das Bundesgericht

338 Das Bundesgericht sah in dem Auftreten der Kommissionärin D. und in der Tatsache,

dass der eigentliche Verkäufer dem Erwerber unerkannt blieb keine Umstände, unter

denen davon ausgegangen werden musste, dass es sich um ein möglicherweise mit

Rechtsmängeln behaftetes Werk handelte. Es sei unter damaligen Verhältnissen üblich

gewesen, ein Kunstgeschäft in diesen Modalitäten abzuschliessen, womit die Einwände

des Beschwerdeführers nicht durchdrangen.478

339 Ebenfalls stellte der schlechte Zustand des Gemäldes zum Zeitpunkt des Verkaufs kei-

nen Anhaltspunkt dar, um vom Erwerber ein erhöhtes Misstrauen in die Verfügungsbe-

rechtigung der Verkäuferin zu verlangen. Es konnte weder nachgewiesen werden, dass

das Bild aus seinem Rahmen geschnitten wurde, noch dass ein redlicher Verkäufer ei-

nen solchen Gegenstand nicht in solchem Zustand zum Kauf angeboten hätte. Die Tat-

sache, dass das Gemälde in einem Banksafe verwahrt wurde, stellte laut Bundesgericht

ebenfalls keinen Grund dar, an der Seriosität des Verkäufers zu zweifeln.479 Gleich ver-

hält es sich mit der Vorbringung des Klägers, die Galerie hätte sich in finanziellen

Schwierigkeiten befunden und sei nicht auf den Verkauf russischer Avantgardekunst

spezialisiert. Das Bundesgericht wies dieses Argument mit der Begründung ab, es

handle sich dabei um einen unzulässigen Pauschalverdacht, der dem Beklagten nicht

zu Last gelegt werden könne.480

340 Die Behauptung des Klägers, der Preis von 1,05 Mio USD sei unverhältnismässig tief

gewesen, wurde vom Bundesgericht ebenfalls nicht geteilt. Mit Verweis auf die Feststel-

lung eines bezirksgerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachtens stellte das Bundesge-

richt fest, dass dies nicht der Fall war und der Verkaufspreis als angemessen betrachtet

werden durfte.481

341 Schliesslich stellte auch die Kenntnis Merzbachers um die illegale Ausfuhr des Gemäl-

des aus der Sowjetunion keinen Verdachtsmoment für die fehlende Veräusserungsbe-

fugnis der Galerie dar, da eine legale Ausfuhr auch für den Berechtigten nicht möglich

gewesen wäre.482

342 Das Bundesgericht sieht es jedoch als erwiesen an, dass die Umstände, unter denen

die Kunstkennerin H. dem Erwerber das Gerücht mitgeteilt hatte, wonach sich ein ge-

stohlenes Malewitsch-Bild auf dem Markt befände, Merzbacher dazu verleiten hätten

müssen, an der Verfügungsberechtigung der Galerie in höchstem Masse zu zweifeln.

Als frei zu prüfende Rechtsfrage stellte das Bundesgericht fest, wie der Erwerber das

von der Kunstkennerin H. geäusserte Gerücht verstehen durfte und musste. Es kam

dabei zum Schluss, dass das genannte Gerücht «ernsthaft und konkret genug war, um

478 BGE 139 III 305 E. 5.2.5, 318. 479 BGE 139 III 305 E. 5.2.5, 318 f. 480 BGE 139 III 305 E. 5.2.5, 319. 481 BGE 139 III 305 E. 5.2.5, 319 f. 482 BGE 139 III 305 E. 5.2.5, 319 m.w.H.

Page 90: Masterarbeit_Brugger Lukas

74

beim Beschwerdegegner einen hinreichenden Verdacht zu wecken und ihn zu verstärk-

ter Vorsicht anzuhalten»483.

bbb) Würdigung der Nachforschungsmassnahmen durch das Bundesgericht

343 Nachdem das Bundesgericht festgestellt hatte, dass der Erwerber durch die Mitteilung

des Gerüchts dazu angehalten gewesen wäre, nähere Nachforschungen zu treffen, um

sich auf seinen guten Glauben berufen zu können, ging es der Frage nach, ob die von

Merzbacher getätigten Massnahmen ausreichend waren, um ihm den Grad der Auf-

merksamkeit zuzusprechen, die angesichts der Umstände erforderlich waren.

344 Die Bestätigung, dass die hinter dem Verkauf durch die Kommissionärin stehende Per-

son alleinige Besitzerin und Eigentümerin des Bildes sei, sowie die Zusicherung im

Kaufvertrag, dass das Eigentum des Gemäldes übertragen werden könne, wurde vom

Gericht als nicht ausreichend anerkannt, um die Zweifel des Erwerbers zu zerstreuen.

Das Gericht führt dazu aus: «Dazu sind sie [die Bestätigungen- Anm.] zu rudimentär

und unbestimmt und sie erschöpfen sich in unbelegten und in für den Beschwerdegeg-

ner nicht nachprüfbaren Behauptungen von D. oder des hinter ihr stehenden, anonym

bleibenden Verkäufers, dessen Angaben von D. übernommen wurden»484.

345 Die Nachfrage des Erwerbers beim Auktionshaus, das vom Erwerb des «Diener mit

Samowar» abgesehen hatte, betrachtete das Bundesgericht nicht als Vorsichtsmass-

nahme, da über den Gesprächsinhalt des Erwerber mit dem Vertreter des Auktionshau-

ses nichts Genaues bekannt geworden ist. Die Information, dass das Auktionshaus vom

Kauf abgesehen hatte, weil die sowjetischen Behörden einer Ausfuhr nicht zustimmten,

hätten, laut Bundesgericht, den Erwerber nicht in seinem Vertrauen in die Veräusse-

rungsbefugnis stärken können, sondern sein Misstrauen in den möglichen Rechtsman-

gel erhöhen müssen. Laut Bundesgericht hätte «Die angebliche Auskunft […] einzig das

zusätzliche Verdachtsmoment entkräftet, das durch den Rückzug eines renommierten

Auktionshauses vom Kauf bzw. der Aufnahme des Gemäldes in eine Auktion entstehen

musste»485.

346 In Bezug auf die Nachfrage bei Interpol hielt das Bundesgericht, wie bereits das Ober-

gericht des Kantons Zürich fest, dass auf eine Abklärung im Beweiserfahren, ob der Er-

werber, wie von ihm behauptet, Nachfragen angestellt hätte, verzichtet werden konnte.

Die Sowjetunion war 1989 noch nicht Mitglied von Interpol und die Nachfrage beim

Bundesamt für Polizei ergab, dass das Gemälde weder bei Interpol, noch beim Art Loss

Register verzeichnet war. Aus diesen Gründen wäre eine Nachfrage in jedem Fall ohne

Erfolg geblieben.486 Einem ähnlichen Argument folgte das Gericht auch bei der Beurtei-

lung der Frage, ob die telefonischen Erkundigungen bei der sowjetischen Botschaft in

Bern als ausreichende Vorsichtsmassnahme betrachtet werden könne. Die bereits im

Beweisverfahren nicht einwandfrei erbrachten Nachweise für ein solches Gespräch so-

wie die Tatsache, dass die Auskünfte der Botschaft nicht die deliktische Herkunft des

Werkes ans Tageslicht bringen hätten müssen, würdigte das Bundesgericht dahinge-

483 BGE 139 III 305 E. 5.2.4, 315 ff. 484 BGE 139 III 305 E. 5.3.1, 321. 485 BGE 139 III 305 E. 5.3.2, 322. 486 BGE 139 III 305 E. 5.3.3, 322 f.

Page 91: Masterarbeit_Brugger Lukas

75

hend, dass sie keine ausreichenden Nachforschungsmassnahmen des Erwerbers dar-

stellt.487

ccc) Entscheidung des Bundesgerichts

347 Das Bundesgericht äussert sich in Erwägung 5.4.3. sodann zu der Massnahme, die der

Erwerber hätte tätigen müssen, um den Anforderungen an den guten Glauben im vor-

liegenden Sachverhalt zu entsprechen. Es hält dazu fest, es «wäre kaum eine Mass-

nahme näher gelegen, als H. oder eine andere sachverständige Person um nähere

Auskünfte über dieses Gerücht bzw. um entsprechende Recherchen zu bitten»488. Da-

bei handelt es sich hierbei um eine geeignete und zumutbare Massnahme, um die feh-

lende Verfügungsberechtigung der Galerie zu konstatieren. Durch die Unterlassung die-

ser Massnahme, bei der es, laut Bundesgericht, nicht auf das hypothetische Ergebnis

ankommt, hat der Beklagte nicht die Sorgfalt aufgebracht, um sich auf seinen guten

Glauben berufen zu können.489

348 Zusammenfassend stellt das Bundesgericht schliesslich fest, dass das Misstrauen, das

durch die Erwähnung des Gerüchts über ein gestohlenes Malewitsch-Bild hätte entste-

hen müssen, nicht durch die vom Erwerber angestrengten Nachforschungen entkräftet

werden konnte. Der Erwerber kann sich somit nicht auf seinen guten Glauben berufen,

da er nicht die Aufmerksamkeit aufbrachte, die die Umstände von ihm verlangten.490

cc) Rückweisung an das Obergericht Zürich

349 Das Bundesgericht wies die Klärung der Frage, ob Merzbacher das Kunstwerk von ei-

nem Nichtberechtigten erworben hatte, an das Obergericht des Kantons Zürich zurück.

Dieses beschäftigte sich mit der Frage, ob die hinter dem Verkauf stehende Person be-

reits als Verfügungsberechtigte zu qualifizieren war.

350 Das Obergericht kam zum Schluss, dass dies der Fall war. Nachdem das Gemälde

«Diener mit Samowar» aus nicht feststehenden Gründen in die Schweiz gelangt war,

fällt nach der lex rei sitae der Inhalt und die Ausübung sämtlicher dinglicher Rechte in

die Anwendung des Schweizer materiellen Rechts. Dieses lässt insbesondere die Ei-

gentumsvermutung des Art. 930 ZGB für den Besitzer des Gemäldes, welches sich in

einem Banksafe befand, entstehen.491

351 Es oblag, gemäss dem Obergericht Zürich, dem Kläger, nicht nur die Bösgläubigkeit

des Erwerbers, sondern auch den Erwerb von einem Nichtberechtigten darzutun. Da

der Beweis der fehlenden Berechtigung des Veräusserers nicht erbracht werden konnte,

blieb die Eigentumsvermutung des Verkäufers bestehen. Die Besitzrechtsklage konnte

somit nicht durchdringen, da der Erwerber bereits von einer Person erworben hatte, die

zur Übertragung befähigt war.492

487 BGE 139 III 305 E. 5.3.4, 323 f. 488 BGE 139 III 305 E. 5.4.3, 326. 489 BGE 139 III 305 E. 5.4.3, 326 f. 490 BGE 139 III 305 E. 5.4.3, 327. 491 OGer ZH LB130029 vom 06.08.2013 E. 3.2 f. 492 OGer ZH LB130029 vom 06.08.2013 E. 3.4.

Page 92: Masterarbeit_Brugger Lukas

76

3. Würdigung des Entscheids BGE 139 III 305

a) Vorbemerkungen

352 Der unter dem «Fall Malewitsch» betitelte Rechtsstreit, der zum Zeitpunkt der Verfas-

sung dieser Abhandlung bereits die zweite Dekade seines Bestehens erreicht hatte,

wirft ein ambivalentes Bild auf den Erwerb von Kunstwerken in der Schweiz.

353 Obwohl nach der hier vorliegend vertretenen Meinung das Resultat des Obergerichts

des Kantons Zürich zu begrüssen ist, wonach der Erwerber das Bild bereits von einem

Berechtigten gekauft hatte und einem Rückforderungsanspruch des ehemaligen Eigen-

tümers nicht stattgegeben werden musste, werfen die vom Bundesgericht im BGE 139

III 305 aufgestellten Erwägungen eine Vielzahl von Fragen auf. Sollten die vom Bun-

desgericht entwickelten Kriterien auch in künftigen Urteilen beibehalten werden, stünde

der Kunsthandel der Schweiz vor gravierenden Veränderungen.

b) Ein Gerücht als verdächtiger Umstand

aa) Annahmen des Gerichts

354 Besondere Aufmerksamkeit verdienen in einer ersten Analyse die Umstände, unter de-

nen das Bundesgericht die erhöhte Sorgfalt des Erwerbers begründet sieht. Es stellte

dazu (nach der hier vertretenen Meinung richtigerweise) fest, dass Merzbacher zum

Zeitpunkt des Kaufs nicht von der deliktischen Herkunft des Gemäldes wusste. Das Ge-

richt betrachtete anschliessend die Umstände, unter denen der Kommissionsverkauf

stattgefunden hatte und stellte fest, dass der Preis nicht auffallend niedrig gewesen war

und der schlechte Zustand nicht auf einen Rechtsmangel des Geschäfts schliessen las-

sen konnte.

355 Das Bundesgericht sieht es jedoch als erwiesen an, dass die Umstände, unter welchen

Merzbacher das Gerücht durch die Kunstexpertin H. erfahren hatte, einen Bezug zwi-

schen dem Bild und dem Gerücht über dessen Rechtsmangel entstehen hätte lassen

müssen. Es führt dazu aus: «Dazu ist von Bedeutung, dass er das Gerücht nicht aus ir-

gendeiner Quelle vernommen hat, sondern von einer Kunstexpertin, die er als seine

Vertrauensperson zur Prüfung der Echtheit des Gemäldes «Diener mit Samowar» aus-

gesucht hatte. Sie erwähnte das Gerücht auch nicht irgendwann, sondern im Rahmen

einer Beratung über ein konkretes Gemälde von Malewitsch. Insoweit durfte und musste

der Beschwerdegegner davon ausgehen, dass sie ihm nicht irgendwelche unhaltbaren

Gerüchte erwählen wird, die mit dem Gegenstand ihres Gesprächs nichts zu tun haben,

sondern mit der Information einen Zweck verfolgte und sie selber der Meinung war,

dass das fragliche Bild Gegenstand des Gerüchts sein könnte. Wäre sie nicht dieser

Auffassung gewesen, so hätte sie keinen Anlass gehabt, ihm das Gerücht überhaupt

mitzuteilen, oder dann nur in dem Sinne, dass zwar ein Gerücht zirkuliere, er sich davon

aber keinesfalls verunsichern lassen solle, da es aus diesem oder jenem Grund ausge-

schlossen sei, dass das Bild «Diener mit Samowar» gemeint sei»493.

493 BGE 139 III 305 E. 5.2.4, 317, Hervorhebung beigefügt.

Page 93: Masterarbeit_Brugger Lukas

77

356 Unbestritten ist, dass die Kunstexpertin H. dem Erwerber keinen ausdrücklichen Hin-

weis gab, dass das Gemälde gestohlen sein könnte. Der Inhalt des Gerüchts bezog sich

einzig auf die Information, dass sich ein gestohlenes Malewitsch-Bild auf dem Markt be-

fände. Dennoch sieht das Bundesgericht den Bezug zwischen dem Gerücht und dem

vorliegenden Gemälde einwandfrei als erwiesen an. Insbesondere stützt sich das Ge-

richt auf die Seltenheit des Angebots von Werken des russischen Künstlers in der Zeit

vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. Im Wortlaut fügt das Bundesgericht an: «Ein Be-

zug zwischen der Mitteilung des Gerüchts und dem streitgegenständlichen Bild ergibt

sich somit ohne weiteres aus den Umständen. Dies gilt umso mehr, als es nach den

obergerichtlichen Feststellungen selten war, dass ein Originalgemälde von Malewitsch

auf dem Markt angeboten wurde. Das Gerücht konnte sich demnach nicht ebenso gut

auf unzählige andere Werke Malewitschs beziehen, die gerade im Handel waren»494.

bb) Kritik

357 Die Annahme des Bundesgerichts, dass die mit der Prüfung des Werks beauftragte

Kunstkennerin dem Erwerber das Gerücht nur zugetragen hatte, weil sie implizit eine

Verbindung zu dem geprüften Bild herstellen wollte scheint fragwürdig, insbesondere

weil es eine Vielzahl an möglichen Gründen gibt, ein solches Gerücht zu nennen. Die

als Rechtsfrage vom Bundesgericht aufgestellten Interpretationen erweisen sich, nach

der vorliegend vertretenen Meinung, als prekär, sollten sie auf künftige Sachverhalte

angewendet werden.

358 Als allgemeiner Erfahrungssatz muss ein Erwerber, entgegen den Annahmen des Bun-

desgerichts, ein ihm zugetragenes unbestimmtes Gerücht dahingehend verstehen, dass

es sich nicht um das Kaufobjekt handeln könne. Denn, will eine Expertin einen Bezug zu

dem ihr vorgelegten Bild herstellen, äussert sie diesen auch explizit. Wird einem Erwer-

ber bei der Prüfung eines Gemäldes dessen Echtheit bestätigt und ein Gerücht über

den Diebstahl eines Gemäldes des selben Künstlers zugetragen, ohne auf das geprüfte

Bild Bezug zu nehmen, zerstreuen sich seine etwaigen Bedenken in Bezug auf das vor-

liegende Bild zu Recht. Denn, mit der beiläufigen Erwähnung des Gerüchts, ohne Be-

zugnahme auf das geprüfte Bild, deutet eine Kunstexpertin an, dass dieses Gerücht

nicht ernsthaft und konkret genug sei, um den Verdacht des Erwerbers zu erwecken, es

könne sich dabei um das geprüfte Bild handeln. Er wird in seinem Glauben gestärkt, ein

echtes (somit auch ohne Rechtsmangel) Kunstwerk zu erhalten. Denn implizit sagt die

Kunstkennerin mit der Nichtbezugnahme auf das vorliegende Werk aus, dass sie nicht

in der Lage sei, zu beurteilen, ob es gestohlen sei. Es handelt sich bei einem solchen

beiläufig erwähnten, unbestimmten Gerücht um nichts Weiteres als eine Zusatzinforma-

tion, aus der der Erwerber nicht schliessen musste, dass es weiterer Nachforschungen

bedürfe, um sicher zu gehen, dass das Werk nicht gestohlen sei.

359 Selbst unter der Annahme, dass bei einem kunstvertrauten Erwerber der Verdacht ent-

standen wäre, es könne sich beim genannten Bild um das Kaufobjekt handeln, hätte

sich das Misstrauen in dem Moment zerstreut, als die Expertin nicht explizit auf dieses

Bild Bezug genommen hatte.

494 BGE 139 III 305 E. 5.2.4, 317 f.

Page 94: Masterarbeit_Brugger Lukas

78

360 Der Umstand, dass es zu dem damaligen Zeitpunkt selten war, dass sich ein Bild des-

selben Künstlers auf dem Markt befand, vermag nichts daran zu ändern, dass Informa-

tionen zum konkreten Gemälde nicht vorhanden waren bzw. vermittelt wurden. Die et-

waigen Bedenken, die beim Erwerber entstehen, wenn ihm ein solches Gerücht zuge-

tragen wird müssen sich folgerichtig ausschliesslich auf mögliche zukünftige oder ande-

re Akquisitionen und nicht auf das echtheitszertifizierte in Rede stehende Bild beziehen.

361 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden: Wird dem Erwerber im Zuge einer

Echtheitsprüfung ein unbestimmtes Gerücht mitgeteilt, wonach sich ein gestohlenes Bild

des Künstlers auf dem Markt befände, ist dieses, entgegen der Meinung des Bundesge-

richts, so zu verstehen, dass es sich nicht um das geprüfte Bild handeln könne. Im Um-

kehrschluss muss der Erwerber ein Gerücht erst dann als Anlass zu erhöhter Vorsicht

nehmen, wenn es einen konkreten Bezug auf das zur Prüfung vorgelegte Bild gibt.

362 Ob im vorliegenden Malewitsch-Fall die Erwähnung des Gerüchts konkrete Zweifel des

Erwerbers hätten wecken müssen stellt dabei eine Frage der Sachverhalts- und Be-

weiswürdigung dar. Das Bundesgericht stützt sich dabei auf die – nicht einwandfrei er-

wiesenen – Aussagen der Kunstexpertin im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens vor

dem Bezirksgericht Meilen.495 Es kommt dabei zum Schluss, dass der Erwerber die ge-

äusserten Bedenken nicht anders verstehen konnte, als dass es sich bei dem Gerücht

um das Bild «Diener mit Samowar» handle.

363 Im Resultat ist das Ergebnis des Bundesgerichts durchaus vertretbar. Jedoch liegt der

Grund, weshalb der Erwerber erkennen musste, dass es sich beim Gegenstand des Ge-

rüchts um sein Bild handeln könnte, in der Würdigung der Umstände und nicht in dem

vom Bundesgericht angenommenen Erfahrungssatz, wonach ein Gerücht nur geäussert

wird, weil der Äussernde implizit einen Bezug zum vorliegenden Bild herstellen will. Ein-

zig wenn ein konkreter Bezug zum vorliegenden Bild entsteht (bzw. entstehen sollte),

kann davon ausgegangen werden, dass ein Gerücht den Erwerber zu erhöhter Sorgfalt

anhalten kann. Letztlich darf nicht vernachlässigt werden, dass es sich bei einem Ge-

rücht um die unsicherste Form der Information handelt. Es empfiehlt sich daher, die An-

forderungen restriktiv auf die Fälle zu begrenzen, in denen ein konkreter Zusammen-

hang mit dem zu erwerbenden Bild besteht.

364 Würde der bundesgerichtlichen Argumentation, wonach ein Gerücht nur genannt wird,

wenn implizit ein Bezug zu einem Bild hergestellt wird, Folge geleistet, ergäbe sich aus

jedem Gerücht die Verpflichtung (bzw. Obliegenheit), umfangreiche (häufig auch sehr

kostspielige) Nachforschungen zu betreiben. Nach der hier vertretenen Ansicht muss

sich jedoch aus den konkreten Sachverhaltsfeststellungen schliessen lassen, ob sich

495 So führte die Zeugin H. aus, dass sie dem Erwerber gesagt habe «Dass er – falls er daran in-

teressiert sei, das Gemälde zu kaufen, dann sollte er herausfinden, ob dem so ist und «Ich habe ihm [dem Beklagten] das Gleiche gesagt: dass es echt ist, doch dass ich denke, es ge-be ein Gerücht, wonach das Gemälde gestohlen worden war und dass er das nachprüfen sollte» sowie «Ich erinnere mich nicht, ob ich ihm genau gesagt habe, dass dies das Gemäl-de sei, aber ich sagte ihm, es gäbe ein Gemälde, das angeblich – in Russland gestohlen worden war und dass er sorgfältig sein und Recherchen betreiben sollte» (Urteil des Bezirks-gerichts Meilen vom 21.12.2010, E. 2.2.6).

Page 95: Masterarbeit_Brugger Lukas

79

ein konkreter Zusammenhang aus den Umständen und damit eine Obliegenheit zur

Nachforschung ergeben.496

c) Bösgläubigkeit durch Unterlassung der Nachfrage bei einer Kunstkennerin

aa) Annahmen des Gerichts

365 Nachdem das Gericht festgestellt hat, dass der Erwerber zu weiteren Nachforschungen

verpflichtet ist, um sich auf seine Gutgläubigkeit berufen zu können, verneinte es sämtli-

che von Merzbacher vorgenommenen Massnahmen und verlangte, dass er sich bei der

Kunstkennerin H. Näher über das Gerücht erkundigt. Es führt dazu aus, es «wäre kaum

eine Massnahme näher gelegen, als H. oder eine andere sachverständige Person um

nähere Auskunft über dieses Gerücht bzw. um entsprechende Recherchen zu bitten»

und fügte an: «Auf das hypothetische Ergebnis solcher Nachforschungen kommt es

hingegen insofern nicht an, als es durchaus sein kann, dass die Nachforschungen das

Gerücht und dessen Bezug auf das Bild «Diener mit Samowar» nicht erhärtet hätten.

Der Beschwerdegegner hätte sich dann auf diese Auskünfte verlassen dürfen, selbst

wenn sie objektiv falsch gewesen wären. Hätten sich seine Bedenken deswegen zer-

streut und auch zerstreuen dürfen, so wäre sein guter Glaube zu schützen gewesen, da

er alle gebotene Sorgfalt zur Abklärung des Gerüchts aufgewendet hat»497.

bb) Kritik

366 Das Gericht versagt dem Erwerber die Berufung auf seinen guten Glauben, weil dieser

sich nicht bei der Kunstkennerin H. (oder einer anderen erfahrenen Person) über das

Gerücht erkundigt hat. Stossend ist dabei, dass vom Bundesgericht nicht geprüft wurde,

ob die Nachforschungen (auf die sich der Erwerber hätte einlassen sollen) voraussicht-

lich zur Entdeckung der mangelnden Verfügungsberechtigung des Veräusserers geführt

hätten. Vielmehr wurde für die Gutgläubigkeit des Erwerbers verlangt, dass er sich bei

einer Kunstkennerin irgendwelche Auskünfte über das Gerücht verschaffen hätte müs-

sen, unabhängig davon ob sie neue Erkenntnisse erbracht hätten.

367 Die Nachforschungsmassnahmen müssen jedoch – wie das Bundesgericht selbst aner-

kennt - objektiv dazu geeignet sein, den Mangel in der Verfügungsbefugnis zu entde-

cken.498 Dies war jedoch nicht der Fall. Da der Expertin das Gerücht lediglich zugetra-

gen worden war, und sie nicht in der Lage gewesen wäre, festzustellen, ob das Gerücht

zutreffend war, kann m.E. nicht davon ausgegangen werden, dass die verlangte Erkun-

digung bei der Kunstexpertin H. objektiv dazu geeignet gewesen wäre, den Mangel in

der Verfügungsbefugnis zu erkennen.499

496 Im «Fall Malewitsch» kann davon ausgegangen werden, dass die Aussagen der Kunstexper-

tin – sofern man ihnen Glauben schenkt – vom Erwerber dahingehend zu verstehen sind, dass es sich um das konkrete Bild handelt. Dies ist jedoch eine Frage der Sachverhaltswürdi-gung und kann nicht mit der Rechtsannahme begründet werden, dass ein Gerücht nur ge-nannt werde, um einen Bezug zum Gemälde herzustellen – wenngleich auch beide Methoden im vorliegenden Fall zum gleichen Ergebnis führen.

497 BGE 139 III 305 E. 5.4.3, 326. 498 BGE 139 III 305 E. 5.4.2, 325. 499 So auch PFORTMÜLLER, <http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunsthandel-auktionen/wenn-mit-

geruechten-der-serioese-kunsthandel-zersetzt-wird-1.18208806> (12.05.2014).

Page 96: Masterarbeit_Brugger Lukas

80

368 Das Argument, dass der Erwerber bei Interpol angefragt hatte, ob das Gemälde in der

Liste der als gestohlen gemeldeten Kunstwerke verzeichnet sei, wies das Bundesgericht

mit folgender Begründung ab: «selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass es sich

bei einer Anfrage an Interpol um ein grundsätzlich taugliches Abklärungsmittel gehan-

delt hätte, so wäre diese Massnahme nach Erhalt eines negativen Ergebnisses für sich

alleine ungenügend gewesen, um das Gerücht als widerlegt erachten zu dürfen, denn

es kann verschiedenste Gründe geben, wieso das Gemälde bei Interpol nicht verzeich-

net war»500.

369 Es ist zwar richtig, dass eine Nachfrage bei Interpol, wie auch beim Art Loss Register

1989 (damit vor dem Fall des Eisernen Vorhangs) in Bezug auf Kunstwerke der russi-

schen Moderne ergebnislos geblieben wäre. Unklar jedoch bleibt, wieso das Bundesge-

richt die Nachfrage bei einer Kunstkennerin der Konsultation eines Registers vorzieht,

wenn beide nachgewiesenermassen nicht zwingend zur Entdeckung der fehlenden Ver-

äusserungsbefugnis des Verkäufers geführt hätten. Nach Ansicht des Verfassers kann

somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachfrage bei der Expertin H. die feh-

lende Verfügungsberechtigung des Veräusserers ans Tageslicht gebracht hätte. Die

Annahme, dass die Kunstkennerin H. den Erwerber an eine weitere Kunstexpertin wei-

terempfohlen hätte, stellt eine hypothetische Vermutung dar, die als spekulatives Ele-

ment nicht in die Kausalitätserfordernis der Nachforschungsmassnahmen miteinbezo-

gen werden sollte.

370 Schliesslich ist aus systematischer Sicht zu hinterfragen, wo das Vergleichspaar der er-

forderlichen Aufmerksamkeit desjenigen liegt, der sich auf seinen guten Glauben beru-

fen will. Das Bundesgericht geht dabei in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass

«einzubeziehen ist insbesondere eine in der betreffenden Branche herrschende Ver-

kehrsübung, wobei allenfalls übliche Nachlässigkeiten nicht zu einer Herabsetzung der

Sorgfaltsanforderungen führen können»501. SCHACK kritisiert diesbezüglich, dass es sich

bei der erforderlichen Sorgfalt weniger um ein vergleichendes als um ein normatives

Element handelt.502 Zwar wird vom Bundesgericht richtigerweise der anzuwendende

Sorgfaltsmassstab des Jahres 1989 angewandt. Inwiefern die Sorgfaltsmassnahmen

des Erwerbers (Konsultation von Interpol, Aushändigung einer Verfügungsberechtigung

etc.) nicht den normativen Anforderungen der damaligen Rechtsauffassung entsprochen

hat, lässt das Bundesgericht jedoch offen. Gesamthaft ergibt sich ein Bild, in dem Merz-

bacher eine Vielzahl von potentiell geeigneten Nachforschungen tätigte, die über das

hinausgehen, was im Jahr 1989 üblich war.503

371 Das Bundesgericht hält dem eine Massnahme entgegen, die, wie soeben abgehandelt,

nicht geeignet (somit nicht kausal) für die Entdeckung der fehlenden Verfügungsberech-

tigung des Verkäufers war. Richtigerweise hätte das Bundesgericht zum Ergebnis

kommen müssen, dass keine der zumutbaren Nachforschungsmassnahmen geeignet

gewesen wäre, den Diebstahl (bzw. die fehlende Verfügungsberechtigung des Verkäu-

500 BGE 139 III 305 E. 5.3.3, 323. 501 BGE 139 III 305 E. 3.2.2, 308 m.w.H. 502 SCHACK, Panelgespräche, 162. 503 PFORTMÜLLER, <http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunsthandel-auktionen/wenn-mit-

geruechten-der-serioese-kunsthandel-zersetzt-wird-1.18208806> (15.04.2014).

Page 97: Masterarbeit_Brugger Lukas

81

fers) aus dem Jahr 1978 in St. Petersburg zu entdecken. Selbst wenn dieses Ergebnis

unbefriedigend erscheinen mag, muss daran erinnert werden, dass eine Massnahme

zeit- und aufwandsökonomisch zumutbar sein muss, um vom Erwerber verlangt werden

zu können.504 Zweifelsohne hätte der Erwerber so lange Nachforschungen betreiben

können, bis er an eine Person gelangt wäre, die den Diebstahl (bzw. den Rechtsman-

gel) kannte. Dies kann jedoch, nach der Meinung des Verfassers, aus finanziellen und

zeitlichen Gründen nicht vom Erwerber verlangt werden und geht über das hinaus, was

einem auf Rechtssicherheit basierenden Sorgfaltsmassstab im Kunsterwerb entspricht.

d) Beurteilung nach aktuellem Recht

372 Da der vom Bundesgericht beurteilte Sachverhalt mehr als 20 Jahre zurückliegt, stellt

sich die Frage, wie ein solcher Entscheid unter Anwendung heutiger gesetzlicher Aus-

gangslage zu beurteilen wäre. Würde das Malewitsch-Bild unter gleichen Umständen

heute erworben, ergäben sich folgende Überlegungen: Erstens fänden die Bestimmun-

gen des KGTG und des modifizierten ZGB Anwendung, sofern es sich bei dem Bild um

ein Kulturgut handelt. Davon ist, nach der Meinung des Verfassers, auszugehen. Als

Gemälde fällt es unter eine der in der UNESCO-Konvention aufgeführten Kategorien.505

Ebenfalls muss davon ausgegangen werden, dass das Bild «bedeutungsvoll» für die

russische Kunst sei und es einen Verlust für Kunst und Wissenschaft bedeuten würde,

stünde es nicht mehr zur Verfügung.506

373 Würde es sich gar um russisches Kulturelles Erbe handeln, stünde zudem eine Rück-

forderungsklage im Raum. Prinzipiell steht somit dem ehemaligen russischen Eigentü-

mer (bzw. der Russischen Föderation sofern es unrechtmässig ausgeführt wurde) die

Rückforderungsklage für den Zeitraum von 30 Jahren zur Verfügung.507 Die staatliche

Rückführungsklage gemäss Art. 9 KGTG setzt jedoch voraus, dass die Schweiz eine bi-

laterale Vereinbarung mit dem betreffenden Staat getroffen hat. Dies ist jedoch mit der

Russischen Föderation mit heutigem Datum nicht der Fall.508

374 Zweitens stünde einer Rückforderung (unter Bezahlung des gezahlten Kaufpreises nach

dem Lösungsrecht) weiterhin die Tatsache entgegen, dass der Käufer das Gemälde von

einem Berechtigten erworben hat. Gelingt es dem Kläger nicht, die Nichtberechtigung

des Verkäufers zu beweisen, bestünde die einzige Möglichkeit, das Kunstwerk zurück-

zufordern, im Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers. Diese Komplikation ist das

Resultat der Systematik des ZGB, der auch für Werke der Kunst zwischen anvertrauten

und abhandengekommenen Sachen unterscheidet.

375 Sofern das Gericht in der Beweiswürdigung davon ausgeht, dass ein genanntes Ge-

rücht konkret genug war, um einen Bezug zu dem Bild herzustellen, stellt sich die Frage

nach der Geeignetheit der Nachforschungsmassnahmen. Aus heutiger (wie bereits da-

maliger) Sicht stellen die Nachforschungsmassnahmen Alternativen dar, die auf ihre

Zumutbarkeit und Kausalität zu überprüfen sind. Diese Arbeit interessiert dabei beson-

504 Vgl. vorne Rz. 269 ff. 505 Art. 1 lit. g UNESCO-Konvention 1970. 506 Vgl. vorne Rz. 27. 507 Vgl. vorne Rz. 95 ff. 508 Vgl. Anmerkungen vorne Rz. 97.

Page 98: Masterarbeit_Brugger Lukas

82

ders der Zusammenhang von Konsultation eines Registers und die Auswirkungen auf

den guten Glauben. Hiervon ist nun zu handeln.

III. Würdigung der Registerkonsultation

1. Registerkonsultation als Marktstandard im Kunsthandel

376 Die schnelle und praktisch weltweite Aufrufbarkeit des Internets ist für die Kunstbran-

che, wo Geschäfte nicht selten unerwartet und zügig abgeschlossen werden, zu einem

wichtigen Werkzeug im Handel geworden. Neben den grossen Auktionshäusern Chris-

tie’s und Sotheby’s müssen sämtliche redliche Händler aus praktischen Gründen über

die Eigentumsverhältnisse eines Werks Bescheid wissen, das ihnen zum Verkauf zuge-

tragen wird.

377 Die Konsultation von einschlägigen Datenbanken (insbesondere des Art Loss Regis-

ters) vor der Versteigerung eines Kunstwerks entspricht dabei für professionelle Kunst-

händler dem Marktstandard und ist eine wichtige Massnahme, um Diebesgut oder Na-

ziraubkunst auszuschliessen.509 Diese als Marktstandard definierten Vorschriften finden

in den Kunsthandelsverbänden in Form von Richtlinien und Ethikcodes Niederschlag.

378 Der internationale Verband der Kunsthändler (CINOA) sieht in seinem Code of Ethics

vor: «The members will have to take all the necessary measure to detect stolen objects

and refer, among others, to registers that are published to this effect and to use these

judiciously»510.

379 Die schweizerischen Antiquare und Kunsthändler haben die Konsultation des Art Loss

Registers auch im Zuge der selbstregulatorischen Richtlinien vorgesehen. Der Ethik-

code des Verbands Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler sieht vor, dass gege-

benenfalls durch Anfrage beim Art Loss Register zu prüfen ist, ob ein Objekt weder ge-

stohlen, noch als widerrechtlich exportiert gemeldet worden ist.511 Darüber hinaus sieht

Ziff. III.1 des Codes vor, dass bei Objekten, deren Ankaufswert 25‘000 CHF übersteigt,

eine Nachfrage beim Art Loss Register in London obligatorisch ist.512

2. Konsultation eines Registers nach KGTG

a) Gesetzliche Ausgangslage

380 Seit Inkrafttreten des KGTG am 1. Juni 2005 kennt die Schweiz eine positivrechtliche

Festsetzung von Sorgfaltspflichten im Kunsthandel. Die in Art. 16 KGTG festgehaltenen

Sorgfaltspflichten (Feststellung der Identität, Buchführungspflichten etc.) gelten jedoch,

wie bereits gesehen, nur für professionell im Kunsthandel und Auktionswesen tätige

Personen und sofern Kulturgut übertragen wird.513 Für private Erwerber hingegen ist ei-

ne erhöhte Sorgfalt (mit Ausnahme der Aufbewahrung von wichtigen Dokumenten, die

aus praktischen Gründen auch von Privaterwerbern beachtet werden müssen) einzig

509 VON BRÜHL, Sorgfaltspflichten von Auktionshäusern, 155. 510 Code of Ethics CINOA, Ziff. 4. 511 Ethikcode VSAK Ziff. 1. 512 Ethikcode VSAK Ziff. 3.1. 513 Im Sinne des Art. 1 lit. e KGTV, vgl. vorne Rz. 139 ff.

Page 99: Masterarbeit_Brugger Lukas

83

über die Rechtsprechung im Zusammenhang Art. 3 Abs. 2 ZGB abzuleiten und ist er-

heblich von den Umständen des Einzelfalls abhängig.514

381 Die Provenienzprüfung sollte dabei für professionell im Kunsthandel und Auktionswesen

tätige Personen auch die Konsultation eines Registers beinhalten, selbst wenn das Ge-

setz und die Verordnung dies nicht explizit vorsehen. Da, wie bereits aus den vorge-

henden Ausführungen beschrieben, die Konsultation des Art Loss Registers als Markt-

standard im seriösen Kunsthandel zu betrachten ist und darüber hinaus die selbstregu-

latorischen Richtlinien eine solche Konsultation explizit vorsehen, ist davon auszuge-

hen, dass die Konsultation eines Registers implizit zu den in Art. 16 KGTG Sorgfalts-

pflichten zuzuzählen ist.515

382 Für private Erwerber sieht das Kulturgütertransfergesetz hingegen keine Vorschriften

über die Konsultation von Registern vor. In der Anfangsphase der Ausarbeitung des

Kulturgütertransfergesetzes wurde (wohl wegen der aufkommenden Praxisrelevanz des

Art Loss Registers) der Zusammenhang zwischen der Konsultation eines Registers und

dem guten Glauben des Erwerbers aufgegriffen. So sah der Gegenentwurf zum KGTG

des Nationalrats ULRICH FISCHER in Art. 4 vor: «Insbesondere wird der gute Glaube

vermutet, wenn der Empfänger beim Erwerb des Kulturgutes eine anerkannte Aus-

kunftsstelle angefragt hat, und keine Diebstahlsmeldung für das von ihm erworbene Kul-

turgut vorlag»516.

383 Weder in der heutigen Fassung des Gesetzes, noch in der Botschaft zum KGTG findet

sich ein solcher Verweis wieder. Es stellt sich daher die Frage, ob eine solche Vermu-

tung implizit angenommen werden kann oder ob die Konsultation eines Registers ein

nicht geeignetes Mittel darstellt, um den guten Glauben eines Erwerbers zu vermuten.

384 Zudem stellt sich die Frage, ob und wie sich die Konsultation eines Registers auf den

guten Glauben eines Erwerbers auswirkt, wenn der Gegenstand kein Kulturgut im Sinne

der Legaldefinition des KGTG darstellt.

b) Exkurs: Konsultationspflicht im UNIDROIT-Übereinkommen von 1995

385 Das UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 über gestohlene und rechtwidrig ausgeführte

Kulturgüter von 1995 nimmt ebenfalls explizit auf den Zusammenhang zwischen der

Konsultation eines geeigneten Verzeichnisses und dem guten Glauben eines Erwerbers

Stellung. Selbst wenn die Schweiz diesem Abkommen mit heutigem Datum noch nicht

beigetreten ist, liesse sich eine vollkommene Ausserachtlassung dieser im internationa-

len Kunsthandel überaus bedeutsamen Konvention nicht rechtfertigen.517

514 Vgl. vorne Rz. 150 ff. 515 Vgl. hiervor Rz. 376 ff. 516 Art. 4 Parlamentarische Initiative 01.450 eingereicht am 04.10.2001 von ULRICH FISCHER (im

Anhang). 517 Zwar wurde die UNIDROIT-Konvention im Jahr 1996 von der Schweiz unterzeichnet, darauf-

hin jedoch noch nicht ratifiziert: SCHÖNENBERGER, 86; SIEHR formuliert im Zusammenhang mit der UNIDROIT-Konvention: «Diesem Übereinkommen gehört die Zukunft. Vielleicht wird in einigen Jahren auch in der Schweiz die Zeit für eine Ratifikation dieses Übereinkommens reif sein», SIEHR, Internationaler Rechtsschutz von Kulturgütern, 70; ähnlich der schweizerischen sah auch JAEGER die Situation der Europäischen Staaten vor Ratifikation: «Der Unidroit-Vorschlag liegt zur Diskussion bereit. Erfahrungsgemäß ist die Resonanz auf eine Rechtsver-

Page 100: Masterarbeit_Brugger Lukas

84

386 Im Wortlaut sieht Art. 4 Abs. 4 des UNIDROIT-Übereinkommens vor: «Zur Prüfung der

Frage, ob der Besitzer mit gebührender Sorgfalt gehandelt hat, werden alle für den Er-

werb erheblichen Umstände berücksichtigt, namentlich die Eigenschaften der Parteien

und das gezahlte Entgelt, sowie die Tatsache, ob der Besitzer in einem vernünftiger-

weise zugänglichen Verzeichnis gestohlener Kulturgüter nachgeschlagen hat, sowie

sonstige diesbezügliche Auskünfte und Unterlagen, die er vernünftigerweise hätte er-

langen können und ob er Organisationen zu Rate gezogen hat, zu denen er Zugang ha-

ben konnte, und ob er jeden anderen Schritt unternommen hat, den eine vernünftige

Person unter denselben Umständen unternommen hätte»518.

387 Die explizite Erwähnung der Konsultation von öffentlich zugänglichen Registern in der

UNIDROIT-Konvention auch für private Erwerber (im Gegensatz zu professionell im

Kunsthandel tätige Personen) stellte 1995 ein Novum dar. In Bezug auf professionelle

Kunsthändler und Auktionshäuser kann die Festschreibung der Registerkonsultation be-

reits 1995 als «Kodifikation eines international gültigen Sorgfaltsmaßstabs beim Erwerb

von Kulturgütern» bezeichnet werden.519

388 Nicht ersichtlich hingegen ist, wieso SCHÖNENBERGER annimmt, dass die Schweiz die

«genau gleichen Sorgfaltspflichten» wie die UNIDROIT-Konvention kennt.520 Zwar lässt

sich diese Annahme grundsätzlich für die professionell im Kunsthandel und Auktions-

wesen tätigen Personen in Verweis auf die gesetzlichen (Art. 16 KGTG) und selbstregu-

latorischen Sorgfaltspflichten (Ethikcodes) durchaus rechtfertigen; auf private Erwerber

trifft dies jedoch nicht unbedingt zu.521 Der entscheidende Unterschied zwischen den

schweizerischen Normen zum Kulturgüterschutz und der UNIDROIT-Konvention liegt

darin, dass die Konvention neben professionellen auch privaten Erwerbern diese Sorg-

falt grundsätzlich zumutet.522

c) Lehre und Rechtsprechung der Schweiz

389 Ein Teil der Lehre geht bei der Frage, wie sich die vereinfachte Zugänglichkeit von Re-

gistern auf den Erwerb von Kunstgütern auswirkt, von einer Konsultationspflicht insbe-

sondere des Art Loss Registers aus. WEBER führt dazu aus: «Der Käufer gilt als gut-

gläubig, wenn er sich genügend nach der Herkunft des Objekts erkundigt. Die Konsulta-

tion von internationalen Datenbanken über gestohlene Kunstwerke (Art Loss Register,

einheitlichung auf seiten der innerstattlichen Gesetzgeber schleppend und zögerlich. Kurz- bis mittelfristig wird eine Lösung über Rechtsvereinheitlichung daher nicht erreicht werden können. Es ist daher auf Bestehendes zurückzugreifen», JAEGER, 159.

518 Unter dem Begriff des Besitzers ist nach der UNIDROIT-Übereinkunft von 1995 gemäss Art. 3 Abs. 1 derjenige zu verstehen, der zur Rückgabe eines gestohlenen Kulturguts verpflichtet ist. Hervorhebung beigefügt.

519 SCHÖNENBERGER, 92. 520 SCHÖNENBERGER, 92. 521 So auch RASCHÈR, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 86 f. 522 Dies geht bereits aus Art. 4 Abs. 1 hervor, der demjenigen Besitzer einen Anspruch auf

Rückerstattung des Kaufpreises (Lösungsrecht) einräumt, der zur Rückgabe eines Kulturguts verpflichtet ist wenn er den Anforderungen an die Gutgläubigkeit entspricht.

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85

Interpol-Datenbank) ist dafür nach heutiger Praxis unumgänglich»523. Differenzierter

formuliert ARENDHOLZ: «Zwar ist ein Kaufinteressent nicht zur Durchsicht dieser Ver-

zeichnisse verpflichtet, er kann sich hierdurch aber hinsichtlich seiner Gutgläubigkeit

absichern. Kann er nachweisen, dass er in verschiedenen Registern […] erfolglos re-

cherchiert hat, kann dies zumindest ein Indiz für seine Gutgläubigkeit darstellen. Umge-

kehrt kann bei einem Erwerber, der in kein derartiges Register Einblick genommen hat,

leichter eine Missachtung der erforderlichen Sorgfalt angenommen werden»524.

390 Die Sorgfalt des privaten Erwerbers richtet sich, wie vorhergehend ausgeführt, nicht

nach dem KGTG, sondern nach den Vorschriften in Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2

ZGB. Es liegt demnach prima facie an der Rechtsprechung, die notwendige Sorgfalt von

privaten Erwerbern zu bestimmen und dabei die Frage zu beantworten, ob eine Regis-

terkonsultation verlangt werden kann.

391 Das Bundesgericht geht in ständiger Rechtsprechung, wie bereits mehrfach erwähnt,

nicht von einer generellen Erkundigungspflicht über die Verfügungsmacht des Ver-

äusserers aus.525 Das Bundesgericht hat sich – soweit ersichtlich – auch noch nicht ex-

plizit mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Konsultation eines Registers für die Gut-

gläubigkeit im Kunstkauf erforderlich ist. Im «Fall Malewitsch» wurde die Konsultation

der Interpol-Datenbank zwar als grundsätzlich geeignete Massnahme bezeichnet, wur-

de aber insoweit als unzureichend erachtet, als die Sowjetunion im Jahr 1989 noch kei-

ne Daten an die internationale Behörde weiterleitete.526

392 Die Unterlassung der Nachforschungsobliegenheiten kann jedoch allenfalls in der Ver-

neinung der Gutgläubigkeit des Erwerbers resultieren, wenn die konkreten Sachver-

haltsumstände eine Nachforschung verlangten.527 Dies gilt grundsätzlich auch für die

Konsultation von Internetverzeichnissen und sonstigen Registern, die Information über

die Provenienz von Kunstgegenständen erbringen können.

3. Konsultation eines Registers und die Vermutung des guten Glaubens

a) Vermutung des guten Glaubens bei Konsultation eines Registers

393 Als Obliegenheit besteht zwar keine Pflicht zur Erkundigung bei einem Register, eine

Unterlassung kann jedoch im Resultat dazu führen, dass der Erwerber sich nicht auf

seinen guten Glauben berufen kann, wenn die Konsultation neue Erkenntnisse über den

Rechtsmangel erbracht hätte. Umgekehrt vermag die Vornahme der Konsultation die

Vermutung entstehen zu lassen, der Erwerber habe mit der Sorgfalt gehandelt, die von

ihm verlangt werden konnte.

394 Einzige Voraussetzung für die Entstehung der Vermutung des guten Glaubens ist dabei

die Geeignetheit der getätigten Massnahme. Wie bereits ausgeführt, ist die Konsultation

523 WEBER, Juristischer Rat, 7. Ebenfalls MÜLLER-CHEN/RENOLD, KKR, Kap. 6 N 154; WIESER 100

f.; WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, 523 f.; MÜLLER-KATZENBURG, 329 ff.

524 ARENDHOLZ, 225 f. 525 Zuletzt bestätigt durch BGE 139 III 305 E. 3.2.2, 308, vgl. vorne Rz. 175. 526 Vgl. vorne Rz. 346. 527 Vgl. vorne Rz. 319 ff.

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eines Registers dann eine geeignete Massnahme, die Verfügungsberechtigung des

Veräusserers und einen etwaigen Rechtsmangel zu erkennen, wenn das Register den

Anspruch auf Vollständigkeit, Aktualität und die Zugänglichkeit für Privatpersonen erhe-

ben kann. Dies ist insbesondere beim Art Loss Registers und bei der Interpol-

Datenbank der Fall.528

395 Sofern in Bezug auf die Sorgfaltspflichten beim Erwerb von Kulturgütern angenommen

wird, dass die Konsultation eines Registers die Vermutung des guten Glaubens entste-

hen lässt, erübrigt sich die Frage, ob für Kunstwerke, die nicht unter die Legaldefinition

des Kulturguts fallen, Überlegungen zutreffen. Denn die Konsultation eines geeigneten

Registers lässt eine generelle Vermutung auf die Gutgläubigkeit entstehen, die sich

nicht auf gewisse Gegenstände der Kunst beschränkt. Hat somit der Erwerber eines

Kunstwerks (Kulturgut oder einfache Sache im Sinne der rechtlichen Qualifikation) ein

geeignetes Register konsultiert, entsteht die Vermutung seines guten Glaubens.

396 In Bezug auf den «Fall Malewitsch» muss aufgrund des in dieser Arbeit vertretenen An-

satzes, die Konsultation des Art Loss Registers sowie der Interpol Datenbank aus heuti-

ger Sicht ausreichen, um eine starke Vermutung der Gutgläubigkeit des Erwerbers zu

erwirken. Dies lässt sich nicht zuletzt damit begründen, dass mit heutigem Datum die

Russische Föderation Teil von Interpol ist und die Daten über Diebstähle an das Art

Loss Register übermittelt.529 Zudem kann die Nachfrage bei einer Kunstexpertin aus

heutiger Sicht nicht die einzige zu erwartende Massnahme sein, um die Verfügungsbe-

rechtigung eines Verkäufers zu überprüfen, bzw. das Nichtvorhandensein einer Dieb-

stahlsmeldung zu konstatieren.

397 Wenngleich das Kulturgütertransfergesetz die Vermutung des guten Glaubens bei Kon-

sultation eines Registers nicht erwähnt, ist somit implizit davon auszugehen, dass die

Systematik des Gutglaubensschutzes eine solche Vermutung entstehen lässt.

398 Nach der Meinung des Verfassers ist eine explizite Erwähnung der Vermutung des gu-

ten Glaubens bei der Nachfrage eines geeigneten Registers im KGTG zwar nicht not-

wendig, dennoch ergäbe sich eine gewisse Klarstellung der Rechtssicherheit für den

Kunsthandel. Besonders vor dem Hintergrund der durch den «Fall Malewitsch» verur-

sachten Unsicherheit im Kunsterwerb wäre eine solche Erwähnung im Gesetz zweifels-

ohne sachdienlich.

b) Ergebnis: Konsultationsobliegenheit für private Erwerber

399 Nach Meinung des Verfassers kann es bei der Konsultationsobliegenheit eines Regis-

ters zudem keinen Unterschied spielen, ob es sich beim Erwerber um einen im Kunst-

geschäft erfahrenen oder um einen «Laien» handelt. Denn, wurde das Misstrauen über

die Verfügungsberechtigung des Verkäufers geweckt, besteht die naheliegendste Mas-

snahme darin, Nachforschungen zu betreiben.530 Aufgrund der leichten Aufrufbarkeit,

528 Vgl. vorne Rz. 301 ff. 529 Vgl. dazu vorne Rz. 288. 530 Ähnlich auch THORMANN, Rz. 246; a.A. SIEHR, International art trade N 330, Draft Art. 5 Abs. 2

im Wortlaut: «if the unintentional loss has been registered with an international register of sto-len works of art and the person obliged to return the work of art is an art dealer, professional collector, museum or any other institution collecting works of art, that person is conclusively

Page 103: Masterarbeit_Brugger Lukas

87

der ständigen Zugänglichkeit und der geringen Kosten ist die Konsultation insbesondere

des Art Loss Registers von Kunstkennern wie auch von Laien zu erwarten.531

400 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Konsultation eines Registers aus heutiger Sicht

als Sorgfaltsobliegenheit zu qualifizieren ist. Zwar werden die erhöhten Sorgfaltsoblie-

genheiten im KGTG ausschliesslich in Zusammenhang mit professionellen Kunsthänd-

lern genannt, jedoch kann dies nicht bedeuten, dass ein privater Erwerber von Nachfor-

schungen ausgeschlossen ist, sobald sein Misstrauen hätte geweckt werden müssen.

Die Nachforschung bei verdächtigen Umständen ergibt sich beim Privaterwerber, wie

bereits gesehen, jedoch nicht aus dem KGTG sondern aus der allgemeinen Definition

des guten Glaubens im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ZGB.532

401 Der Unterschied zwischen einem Erwerber, der über Kunstkenntnisse verfügt und ei-

nem Erwerber, der über keine speziellen Vorkenntnisse verfügt, liegt einzig darin, wie

die Umstände zu würdigen sind, unter welchen der Erwerb stattgefunden hat.533 Bei ei-

nem Kunstkenner kann davon ausgegangen werden, dass sein Misstrauen bereits unter

Umständen erweckt werden müsste, unter denen ein Laie noch keine berechtigten

Zweifel an der Verfügungsberechtigung des Verkäufers erkennt. Wurde das Misstrauen

jedoch geweckt, sind sowohl vom Kunstkenner als auch vom Kunstlaien grundsätzlich

die gleichen Nachforschungsmassnahmen zu verlangen, um sich auf den guten Glau-

ben berufen zu können.

IV. Zwischenfazit

402 Ist der Erwerber zu erhöhter Sorgfalt angehalten, weil die Umstände ein gewisses Miss-

trauen in die Verfügungsberechtigung des Verkäufers hervorrufen sollten, hat er Nach-

forschungen anzustellen. Es handelt sich bei den anzustellenden Massnahmen jedoch

um keine Pflicht, sondern um eine Obliegenheit, die allenfalls im Resultat bewirkt, dass

sich der Erwerber nicht auf seinen guten Glauben berufen kann.

403 Wird eine Massnahme unterlassen, bedeutet dies noch nicht automatisch die Vernei-

nung der Gutgläubigkeit des Erwerbers. Einzig wenn die unterlassene Massnahme

vermutlich zur Entdeckung des Rechtsmangels geführt hätte wirkt sich eine Unterlas-

sung auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des Prätendenten aus. Mit anderen Worten wird

somit für die Würdigung einer Massnahme sowie für die Folgen einer Unterlassung auf

die Kausalität der Massnahme abgestellt.

404 Der im Urteil BGE 139 III 395 zum «Fall Malewitsch» aufgestellte Grundsatz, wonach

ein unbestimmtes Gerücht beim Erwerber automatisch den Zweifel hervorrufen muss,

es könnte sich um ein von ihm erworbenes Kunstwerk handeln, bürdet dem Kunster-

treated as having known that the work of art has been stolen». Der Ansatz, wonach einzig die professionell im Kunsthandel tätigen Personen die Obliegenheit der Konsultation zukommt, kann in dieser Arbeit nicht geteilt werden.

531 So ergibt beispielsweise auch die Suche nach gestohlener Kunst über «Google» eine direkte Weiterleitung zum Art Loss Register.

532 Vgl. vorne Rz. 150 ff. 533 Vgl. vorne Rz. 227 f.

Page 104: Masterarbeit_Brugger Lukas

88

werb nicht absehbare Lasten auf, die richterlicher Klarstellung bedürfen. Wird einem

Erwerber ein Gerücht zugetragen, muss auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt

werden, um zu beurteilen, wie er dieses zu verstehen hat. Nicht jedes Gerücht wird ge-

nannt, um einen Bezug zu einem spezifischen Kunstwerk herzustellen. Schliesslich ist

die Begründung, erhöhte Aufmerksamkeit bei einem Kunstwerk walten zu lassen, das

im Zusammenhang mit einem unbestimmten Gerücht steht, zurückhaltend zu bewerten,

da es sich bei einem Gerücht um die unbestimmteste Form von Information handelt.

405 Weder das Bundesgericht noch das Gesetz – anders als noch in den Parlamentari-

schen Initiativen vor Einführung des KGTG – äussern sich explizit zu der Frage, ob die

Konsultation eines Registers heutzutage ausreichend ist, um den guten Glauben des

Erwerbers zu vermuten. Dennoch ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung davon

auszugehen, dass eine Massnahme dann ausreicht, wenn sie einen zumutbaren Auf-

wand für den Erwerber darstellt und geeignet ist, den Rechtsmangel zu entdecken. Die

Konsultation des Art Loss Registers und anderer Internetverzeichnisse sind nach heuti-

gem Verständnis nicht nur geeignete Massnahmen, sondern zudem jedem Erwerber

zumutbar.

406 Die Konsultation eines geeigneten Registers beim Kunsterwerb lässt somit, aus heuti-

ger Sicht, die Vermutung des guten Glaubens entstehen. Sie ist neben den professionell

im Kunsthandel tätigen auch den privaten Erwerbern zuzumuten. Aufgrund der entstan-

denen Unsicherheit im Kunsterwerb in Bezug auf die Vermutung des guten Glaubens

wäre eine positivrechtliche Festhaltung im KGTG sachdienlich und wünschenswert.

Page 105: Masterarbeit_Brugger Lukas

89

F. Gesamtergebnis

Die vorliegende Masterarbeit wurde im Frühjahrssemester des Jahres 2014 an der

Rechtswissenschaftlichen Fakultät Zürich bei Prof. Dr. iur. Helmut Heiss verfasst. Sie

versucht, auf die aktuellen Probleme des Kunsterwerbs in der Schweiz einzugehen. Der

Kunstmarkt war, und ist, seit jeher in hohem Masse dem Diebstahl und folglich dem Er-

werb von gestohlenen Werken ausgesetzt. Das Risiko, ein gestohlenes Werk zu erwer-

ben, steht dabei dem beständigen Verlangen entgegen, ein «Stück Geschichte» von

unschätzbarem Wert zu erwerben.

Aus der vorliegenden Abhandlung können für den Kunsterwerb in der Schweiz folgende

Schlüsse gezogen und Thesen erstellt werden:

1: Das mehrstufige rechtliche Unterscheidungssystem von Kunstwerken in der Schweiz

bringt für einen potentiellen Erwerber erhebliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Er-

kennung der Erwerbsfähigkeit mit sich. Der Ausschluss des rechtsgeschäftlichen Er-

werbs lässt sich einzig bei Werken des kulturellen Erbes rechtfertigen.

2: Das Lösungsrecht bietet dem Erwerber grundsätzlich ein wichtiges Instrumentarium,

seine finanziellen Interessen im Falle eines Erwerbs vom Nichtberechtigten zu wahren.

Die Höhe des Lösungsrechts sollte jedoch, aufgrund der bis zu 30-jährigen Fahrnisver-

folgung des ehemaligen Eigentümers, zumindest einen Inflationsausgleich vorsehen.

3: Das Vorhandensein von vollständigen, aktuellen und durch Privatpersonen aufrufba-

ren Registern im Internet ermöglicht jedem Erwerber, Informationen darüber einzuholen,

ob ein Kunstwerk als gestohlen gemeldet wurde. Es spielt keinen Unterschied, ob der

Erwerber über besondere Kenntnisse im Kunstbereich verfügt oder nicht. Die Konsulta-

tion eines Registers ist zu verlangen, sobald der Erwerber Zweifel an der Verfügungsbe-

rechtigung des Verkäufers hat oder haben sollte.

4: Die Konsultation eines Internetregisters, wie insbesondere des Art Loss Registers

und der Interpol-Datenbank über gestohlene Kunstwerke, lässt die Vermutung des gu-

ten Glaubens entstehen. Es wäre sachdienlich, eine solche Vermutung positivrechtlich

im Kulturgütertransfergesetz festzuhalten.

5: Der Kunstmarkt stellt keinen gesamthaft «riskanten Geschäftsbereich» dar. Beim Er-

werb von Kunstwerken ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der als Verkäufer Auf-

tretende die Verfügungsberechtigung über das Kaufobjekt besitzt. Einzig bei konkreten

Umständen ist der Erwerbende verpflichtet, Nachforschungen zu tätigen.

6: Bei verdächtigen Umständen ist vom Kunstkenner eine höhere Sensibilität zu verlan-

gen, als vom Kunstunerfahrenen. Verfügt die erwerbende Person über spezielle Kunst-

fachkenntnisse ist somit ein strengerer Massstab anzulegen als bei einer Person, die

über keine Vorkenntnisse verfügt.

Page 106: Masterarbeit_Brugger Lukas

90

Anhang A: Parlamentarische Initiative Ulrich Fischer

Parlamentarische Initiative

Fischer

Erlass eines Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgüter-transfer (KGTG)

Gestützt auf Art. 160, Abs. 1 der Bundesverfassung und Art. 21bis des Geschäftsverkehrsgesetzes reiche ich folgende parlamentarische Initiative in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs ein:

Der Bundesrat beabsichtigt, den eidg. Räten die Ratifizierungder UNESCO-Konvention von 1970 zu beantragen. Da diese Konvention nicht direkt an-wendbar ist, muss ein Umsetzungsgesetz erlassen werden. Nachdem der Vernehmlassungsentwurf des Eidg. Departementes des Innern vom Okto-ber 2000 in vielen Teilen nicht zu befriedigen vermag, beantrage ich, im Sinne von Art. 21bis, Abs. 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes den beilie-genden Entwurf zum Beschluss zu erheben:

Bundesgesetz über den Transfer von Kulturgütern (KGTG)

_______________________________________________________________

_

Ingress

...

Allgemeine Bestimmungen

Gegenstand und Geltungsbereich

Art. 1

Dieses Gesetz regelt die Rückgabe gestohlener Kulturgüter sowie die Ein- und Ausfuhr

besonders schutzwürdiger Kulturgüter.

Es ist anwendbar auf in der Schweiz gelegene, gestohlene Kulturgüter sowie auf die Aus-

fuhr und Einfuhr gemäss Art. 10 staatsvertraglich aufgelisteter, besonders schutzwürdiger

Kulturgüter. Es regelt deren Rückgabe an den rechtmässigen Eigentümer.

Page 107: Masterarbeit_Brugger Lukas

91

Begriffe

Art. 2

Als Kulturgut gilt jeder Gegenstand gemäss Art. 1 der Unesco-Konvention vom 14. No-

vember 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Ein-

fuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut.

Als besonders schutzwürdiges Kulturgut gilt ein Gegenstand, der für Archäologie, Vorge-

schichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft von herausragender Bedeutung

und wesentlicher Teil des kulturellen Erbes eines Landes ist.

Als gestohlen gilt ein Kulturgut, wenn es dem Eigentümer gegen seinen Willen abhanden

gekommen ist und die Aneignung den Tatbestand einer strafbaren Handlung gegen das

Vermögen gemäss dem schweizerischen Strafgesetzbuch erfüllt.

Als anerkannte Auskunftsstelle gilt eine vom Bundesrat anerkannte staatliche oder pri-

vate Organisation, welche Daten über gestohlene Kulturgüter systematisch und unver-

züglich dem Publikum auf zuverlässige, einfache und kostengünstige Art zugänglich

macht. Der Bundesrat erlässt eine Liste der anerkannten Auskunftsstellen.

Rückgabe gestohlener Kulturgüter

Klage auf Herausgabe

Art. 3

Der Eigentümer oder der Besitzer, dem der Eigentümer das Kulturgut anvertraut hat,

kann ein gestohlenes Kulturgut während zehn Jahren von jedem gutgläubigen Empfänger

zurückfordern. Vom bösgläubigen Empfänger kann das Kulturgut jederzeit zurückgefor-

dert werden.

Ist das Kulturgut öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann,

der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann es dem ersten und

jedem späteren gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten

Preises und gegen Ersatz seiner inzwischen geleisteten Aufwendungen zur Pflege und

Erhaltung des Kulturgutes zurückgefordert werden.

Guter Glaube

Art. 4

Als gutgläubig gilt ein Empfänger, wenn er das Kulturgut mit der Aufmerksamkeit erwor-

ben hat, die nach den Umständen von ihm verlangt werden darf. Das Vorliegen des guten

Glaubens einer Person wird im Sinne von Art. 3 ZGB vermutet.

Insbesondere wird der gute Glaube vermutet, wenn der Empfänger beim Erwerb des Kul-

turgutes eine anerkannte Auskunftsstelle angefragt hat, und keine Diebstahlsmeldung für

das von ihm erworbene Kulturgut vorlag.

Ersitzung

Art. 5

Die Frist für die gutgläubige Ersitzung eines Kulturgutes gemäss Art. 728 ZGB beträgt

zehn Jahre.

Page 108: Masterarbeit_Brugger Lukas

92

Gerichtsstand

Art. 6

Für Klagen auf Herausgabe des gestohlenen Kulturgutes sind die schweizerischen Gerich-

te gemäss Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, Lugano-Übereinkommen

und Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen zuständig.

Ein- und Ausfuhrregelungen für besonders schutzwürdige Kulturgüter

2. Abschnitt: Ausfuhr von besonders schutzwürdigen Kulturgütern

Verzeichnis der schweizerischen, besonders schutzwürdigen Kulturgüter

Art. 7

Das Bundesamt für Kultur führt ein Verzeichnis der besonders schutzwürdigen Kulturgü-

ter der Schweiz, die sich im Eigentum der schweizerischen Eidgenossenschaft befinden

und deren Ausfuhr aus der Schweiz einen erheblichen Verlust für das kulturelle Erbe der

Schweiz bedeuten würde.

Die Kantone können verlangen, dass besonders schutzwürdige Kulturgüter, die auf ihren

Gebieten liegen, in das Verzeichnis aufgenommen werden.

Das Amt veröffentlicht das Verzeichnis. Der Datenschutz ist zu gewährleisten.

Kantone oder private Personen können gegen die Aufnahme eines Kulturgutes im Ver-

zeichnis innert sechs Monaten beim Departement des Innern Beschwerde erheben.

Ausfuhrbewilligung

Art. 8

Für die endgültige Ausfuhr von registrierten Kulturgütern aus der Schweiz ist eine Bewilli-

gung des Bundesamtes für Kultur einzuholen. Die Bewilligung zur Ausfuhr von registrier-

tem Kulturgut in Privatbesitz darf nur verweigert werden, wenn die schweizerische Eidge-

nossenschaft oder ein Kanton bereit ist, das Kulturgut zum Verkehrswert, bei Verkauf ins

Ausland zum vereinbarten Kaufpreis zu erwerben. Über die Bewilligung, resp. die Über-

nahme ist innert einer Frist von sechs Monaten seit dem Antrag zur Bewilligung der Aus-

fuhr zu entscheiden.

Die vorübergehende Ausfuhr von Kulturgütern, die im Verzeichnis erfasst sind, nament-

lich zum Zweck der Forschung, Konservierung oder Ausstellung, ist bewilligungspflichtig.

Das Bundesamt für Kultur entscheidet über die Erteilung der Bewilligung innert dreissig

Tagen; andernfalls gilt die Bewilligung als erteilt. Das Bundesamt für Kultur trifft die not-

wendigen Vorkehren für die unbehelligte Rückführung.

Rückführungsansprüche

Art. 9

Der Bundesrat macht gegenüber andern Staaten Rückführungsansprüche auf Kulturgut

geltend, das im Verzeichnis aufgeführt ist und ohne Bewilligung aus der Schweiz ausge-

führt wurde. Allfällige Entschädigungen und Kosten gehen zu Lasten des bisherigen Ei-

gentümers, wenn er grundlos unterlassen hatte, die notwendige Ausfuhrbewilligung ein-

zuholen, in allen anderen Fällen zu Lasten der schweizerischen Eidgenossenschaft oder

des Kantons.

Page 109: Masterarbeit_Brugger Lukas

93

3. Abschnitt: Einfuhr ausländischer, besonders schutzwürdiger Kulturgüter

Abschluss eines Staatsvertrags

Art. 10

Zur Sicherung besonders schutzwürdiger Kulturgüter kann die Eidgenossenschaft Staats-

verträge über die Einfuhr und Rückführung solcher Kulturgüter der Vertragsstaaten ab-

schliessen.

Inhalt des Staatsvertrags

Art. 11

Der Abschluss von Staatsverträgen ist an folgende inhaltliche Mindestanforderungen zu

knüpfen:

1. Gegenstand der Vereinbarung ist die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern im Sinne

von Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes.

2. Das besonders schutzwürdige Kulturgut muss auf einer Liste erfasst sein, welche

das mit einer Ausfuhrsperre belastete Kulturgut konkret beschreibt und mit einer

Abbildung versieht. Diese Liste bildet einen integrierten Bestandteil des Staatsver-

trages. Im Staatsvertrag ist die Behörde zu bezeichnen, welche für Ausfuhrge-

nehmigungen zuständig ist.

3. Zum Schutz noch nicht erfassbarer archäologischer oder ethnologischer Kulturgü-

ter können in der Liste auch Ausgrabungs- und mögliche Fundstätten aufgenom-

men werden. Diese sind geographisch genau zu bezeichnen.

4. Der Vertragsstaat muss Gegenrecht garantieren.

5. Ausnahmesituationen gemäss Art. 12 Abs. 3 Buchstabe c sind im Staatsvertrag

Rechnung zu tragen.

Voraussetzungen der Rückführung

Art. 12

Wurde ein Kulturgut, das in der in Art. 11 Ziff. 2 genannten Liste enthalten ist, ohne Be-

willigung der zuständigen Behörde in die Schweiz eingeführt, so kann es der Vertrags-

staat vom Besitzer zurückfordern. Der klagende Staat hat nachzuweisen, dass das auf

der Liste aufgeführte Kulturgut ein besonders schutzwürdiges Kulturgut im Sinne von Art.

2 Abs. 2 ist und ohne Bewilligung ausgeführt wurde. Das gleiche gilt für Kulturgüter, die

nachweislich aus einer in der Liste bezeichneten Ausgrabungs- oder Fundstätte stammen.

Ist der Besitzer gutgläubig, so ist eine Rückforderung nur gegen volle Entschädigung zu-

lässig.

Der Rückforderungsanspruch ist vom Richter abzuweisen, sofern

a) sich das Kulturgut aufgrund einer temporären, bewilligten Einfuhr in der Schweiz be-

findet; oder

b) der Erwerber nachweist, dass die Ausfuhr des Kulturgutes aus dem Vertragsstaat

rechtmässig erfolgt ist; oder

c) der Erwerber nachweist, dass das Kulturgut im Zeitpunkt des Erwerbs oder des Rück-

forderungsanspruchs infolge ausserordentlicher Umstände in der Erhaltung gefährdet

war. Ausserordentliche Umstände liegen vor, wenn die Erhaltung des Kulturgutes

Page 110: Masterarbeit_Brugger Lukas

94

durch Ereignisse im ausländischen Staat, namentlich kriegerische Handlungen, Na-

turkatastrophen, staatliche Massnahmen oder mangelnde Schutzvorkehrungen ge-

fährdet ist.

Verjährung und Modalitäten des Rückforderungsanspruchs

Art. 13

Der Rückforderungsanspruch verjährt innert eines Jahres, seit dem der klagende Staat

von der unrechtmässigen Einfuhr des Kulturgutes in die Schweiz und der Person des Be-

sitzers Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch nach zehn Jahren seit der Ausfuhr aus

dem klagenden Staat.

Eine nach Art. 12 Abs. 2 zu gewährende Entschädigung ist vom klagenden Staate zu ent-

richten. Bis zur Bezahlung hat der Besitzer ein Retentionsrecht an der Sache.

Gerichtsstand

Art. 14

Zur Beurteilung der Rückforderung sind die schweizerischen Gerichte gemäss Art. 6 die-

ses Gesetzes zuständig.

4. Kapitel: Rückgabezusage

Rückgabezusage

Art. 15

Wird Kulturgut aus einem anderen Staat für eine Ausstellung in einem Museum oder einer

anderen kulturellen Einrichtung in der Schweiz vorübergehend ausgeliehen, so kann das

Bundesamt für Kultur dem Verleiher die Rückgabe zu einem festgesetzten Zeitpunkt

rechtsverbindlich zusagen. Das Kulturgut muss nach Abschluss der Ausstellung dem Ver-

leiher zurückerstattet werden.

Wirkungen

Art. 16

Der Rückgabezusage können keine Rechte von Dritten entgegengehalten werden.

Bis zur Rückgabe an den Verleiher sind gerichtliche Klagen auf Rückführung, Arrestverfü-

gungen, Pfändungen und Beschlagnahme unzulässig.

5. Kapitel: Sorgfaltspflicht des Kunsthandels und Auktionswesens

Sorgfaltspflichten

Art. 17

Kunsthändler und Auktionatoren treffen bei Erwerb oder Entgegennahme eines Kulturgu-

tes die nach den Umständen erforderlichen und zumutbaren Abklärungen.

Der Kunsthändler oder Auktionator ist verpflichtet, die Identität des Verkäufers festzu-

stellen und von diesem eine schriftliche Erklärung über dessen Verfügungsberechtigung

über das Kulturgut zu verlangen.

Bei Kulturgütern, deren Ankaufspreis über CHF 25'000.— liegt, muss in jedem Fall eine

anerkannte Auskunftsstelle angefragt werden, ob das betreffende Kulturgut als gestohlen

gemeldet ist.

Page 111: Masterarbeit_Brugger Lukas

95

Aufzeichnungspflichten

Art. 18

Der Kunsthändler oder Auktionator macht Aufzeichnungen, die in geeigneter Weise fest-

halten, dass er seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Diese geben Aufschluss über

- den Namen und die Anschrift des Verkäufers oder Einlieferers

- die Beschreibung des Kulturgutes

- den Ankaufspreis.

Vorbehalten bleiben Aufzeichnungs- und Buchführungsvorschriften nach weiteren Erlas-

sen des Bundesrechts.

6. Kapitel: Strafbestimmungen

Art. 19

Mit Haft oder Busse wird bestraft, wer vorsätzlich

a. keine Ausfuhrbewilligung gemäss Art. 8 dieses Gesetzes einholt,

b. als Kunsthändler oder Auktionator die Sorgfaltspflichten nach Art. 17 Abs. 2

und 3 dieses Gesetzes verletzt;

c. als Kunsthändler oder Auktionator seine Aufzeichnungspflichten nach Art. 18

dieses Gesetzes verletzt.

In leichten Fällen kann von der Bestrafung abgesehen werden.

Strafverfolgung und -beurteilung ist Sache der Kantone.

7. Kapitel: Zollfreilager

Einfuhr und Lagerung im Zollfreilager

Art. 20

Die Lagerung von besonders bedeutsamem Kulturgut im Sinne dieses Gesetzes in einem

schweizerischen Zollfreilager gilt als Einfuhr für die Zwecke dieses Gesetzes. Vorbehalten

bleiben besondere zoll- und steuerrechtliche Bestimmungen, insbesondere Bestimmungen

der Mehrwertsteuer.

8. Kapitel: Prozessuale Regelungen

Vorsorgliche Massnahmen

Art. 21

Vorsorgliche Massnahmen gemäss kantonalem Prozessrecht bleiben vorbehalten.

9. Kapitel: Schlussbestimmungen

Vollzug

Art. 22

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

Page 112: Masterarbeit_Brugger Lukas

96

Verbot der Rückwirkung

Art. 23

Dieses Gesetz ist nicht rückwirkend. Insbesondere findet es keine Anwendung auf Er-

werbsvorgänge, die vor dessen Inkrafttreten stattfanden.

Änderung bisherigen Rechtes

Artikel 728 Absatz 1bis (neu)

Die Ersitzungsfrist für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 des Bundesgesetzes vom ...

über den Kulturgütertransfer beträgt zehn Jahre. Vorbehalten bleibt Artikel 20 des Bun-

desgesetzes vom 26. Juni 1998 über die Archivierung.

Artikel 934 Absatz 1bis (neu)

Das Rückforderungsrecht für gestohlene Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 des Bundes-

gesetzes vom ... über den Kulturgütertransfer verjährt ein Jahr, nachdem der Eigentümer

Kenntnis erlangt hat, wo und bei wem sich das Kulturgut befindet, spätestens jedoch

zehn Jahre nach dem Abhandenkommen.

Art. 24 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Begründung

Die Pa.Iv. wird eingereicht, bevor der Bundesrat den eidg. Räten einen Entwurf zur glei-

chen Materie unterbreitet hat. Die Initiative ist somit in Übereinstimmung mit Art. 21bis,

Abs. 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes zu behandeln.

Der vorliegende Entwurf wurde durch eine Expertengruppe unter der Leitung von Prof.

Dr. iur. Frank Vischer, emeritierter Professor für Privatrecht an der Universität Basel,

ausgearbeitet.

Folgende Gründe haben den Initianten dazu veranlasst, den vorliegenden Gegenentwurf

zum Entwurf des EDI einzureichen:

1. Der Gegenentwurf ist mit 24 Artikeln wesentlich kürzer und konziser als die Ver-

nehmlassungsvorlage.

2. Die Vernehmlassungsvorlage lässt wichtige Fragen, namentlich im Bereich der

Einfuhr und Rückführung von Kulturgütern (2. Kapitel, 2. und 3. Abschnitt) offen.

Der Gegenentwurf beantwortet die heiklen Fragen in diesem Bereich klar.

3. Der Vernehmlassungsentwurf will zwar nach Art. 1 Abs. 2 unter anderem Dieb-

stahl und Plünderung von Kulturgut verhindern, schweigt sich jedoch über die

Rückgabe gestohlener Kulturgüter aus und beschränkt sich auf die Regelung von

Ein- und Ausfuhr von Kulturgut. Diese gravierende Lücke wird im Gegenentwurf

geschlossen. Dieser enthält ein Kapitel mit ausdrücklichen Regelungen über die

Rückgabe gestohlener Kulturgüter (Art. 3 bis 6).

4. Im Gegenentwurf fallen nicht nur besonders schutzwürdige Objekte4 unter die

Bestimmungen über die Rückgabe gestohlener Kulturgüter, sondern jegliches Kul-

Page 113: Masterarbeit_Brugger Lukas

97

turgut, das im Sinne des Gesetzes gestohlen wurde. Angesichts des Unrechtsge-

halts von Diebstahl ist in diesem Bereich ein strenges Regime angezeigt.

5. Im Bereich der Ein- und Ausfuhrregelungen ist es demgegenüber angezeigt, den

gesetzlichen Geltungsbereich vernünftig zu beschränken, indem die einschlägigen

Bestimmungen (Art. 7 bis 14) auf besonders schutzwürdiges Kulturgut gemäss

Art. 2, Abs. 2 beschränkt werden.

6. Der Gegenentwurf enthält hinsichtlich der Einfuhr ausländischer, besonders

schutzwürdiger Kulturgüter die notwendigen Bestimmungen (Art. 10 bis 14) zur

Gewährleistung von Transparenz und Rechtssicherheit. Vor allem die Liste beson-

ders schutzwürdiger Kulturgüter (Art. 11, Ziff. 2) legt klar fest, welche Objekte

von der betreffenden Regelung erfasst werden können. Zum Schutz noch nicht er-

fassbarer archäologischer oder ethnologischer Kulturgüter können auch Ausgra-

bungs- und mögliche Fundstätten in solche Listen aufgenommen werden, müssen

aber geographisch genau bezeichnet werden (Art, 11, Abs. 3). Dadurch wird der

Schutz archäologischer und ethnologischer Kulturgüter im Vergleich zum Ver-

nehmlassungsentwurf verstärkt.

7. Die Rückgabezusage (Art. 15), d.h. die Immunität von Leihgaben namentlich vor

Beschlagnahme, ist für Museen von eminenter Bedeutung. Im Gegensatz zur Ver-

nehmlassungsvorlage verzichtet der Gegenentwurf auf die nicht zweckdienlichen

Voraussetzungen einer Rückgabezusage.

8. Der Gegenentwurf nimmt den Kunsthandel und das Auktionswesen in Pflicht (Art.

17 und 18). Im Gegensatz zur Vernehmlassungsvorlage verzichtet er jedoch auf

unverhältnismässige bürokratische Belastungen und nimmt Abstand von rechts-

staatlich nicht vertretbaren Regelungen, wie sie namentlich in Art. 18 des Ver-

nehmlassungsentwurfs enthalten sind. Wo dies sachlich gerechtfertigt ist, verfährt

der Gegenentwurf mit den Kunsthändlern und Auktionatoren sehr streng (Art. 17,

Abs. 2 und 3).

9. Der Gegenentwurf sieht von einer bürokratischen Aufblähung beim Vollzug des

Gesetzes ab. Er verzichtet auf die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehene

„Zentralstelle“. Vielmehr werden verschiedene Funktionen administrativer und in-

formativer Art dem bestehenden Bundesamt für Kultur zugewiesen.

10. Der Gegenentwurf sieht massvolle Strafbestimmungen vor. Er beschränkt sich auf

den Bereich Übertretungen und auf die strafrechtliche Sanktionierung von klar

umschriebenen Pflichten. Gravierende Verfehlungen, wie namentlich Diebstahl,

Hehlerei und Unterschlagung von Kulturgütern, werden durch entsprechende

Bestimmungen im Strafgesetzbuch abgedeckt.

Der Gegenentwurf ist kurz, klar und ausgewogen. Er fördert Transparenz und Rechtssi-

cherheit, ist lösungsorientiert und hält sich an sachliche Kriterien. Er verzichtet auf eine

unverhältnismässige staatliche Administrierung und Kriminalisierung des Kulturgüterbe-

reichs sowie auf eine bürokratische Aufblähung des Vollzugs. Er trägt der Zielsetzung der

UNESCO-Konvention bei der Umsetzung in das staatliche Recht vollumfänglich Rechnung.

29. September 2001

Page 114: Masterarbeit_Brugger Lukas

98

Anhang B: Eigenständigkeitserklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende schriftliche Arbeit selbstständig und nur unter

Zuhilfenahme der in den Verzeichnissen oder in den Anmerkungen genannten Quellen ange-

fertigt habe. Ich versichere zudem, diese Arbeit nicht anderweitig als Leistungsnachweis ver-

wendet zu haben. Eine Überprüfung der Arbeit auf Plagiate unter Einsatz entsprechender

Software darf vorgenommen werden.

30. Mai 2014 Lukas Brugger