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7 70 6. lKechan/ische B%r@&sge auf &e eLektrische Leitf dh4gkeit vow Metallem ; vom A. MCchels Der EinfluB mechanischer Bearbeitung auf die elektrische Leitfahigkeit von Metallen hat in den letzten Jahren ziemlich vie1 Interesse gefunden. Die Deutung der verschiedenen Erscheinungen gab neuer- dings AnlaB zu einer lebhaften Kontroverse, ohne daB aber ein ausschlaggebendes Resultat errungen ware. Enige Unter- suchungen, die wir iiber den EinfluB hydrostatischer Drucke auf den elektrischen Widerstand vorgenommen haben, sind mit keiner der bisher erBrterten Theorien in Einklang zu bringen. Wir versuchen hier einen Beitrag zu liefern zur Theorie dieser Vorgange und es diirfte zweckmafiig sein, kurz die ver- schiedenen experimentellen Resultate zusammenzufassen und anzugeben, woran die bisherigen Theorien seheitern. Wir verteilen die Einfliisse in zwej Kategorien: A. Mechaaische Beanspruchung unterhalb der Elastizitiitsgrenze 1. Wird ein Metalldraht (vorliufig beschranken wir uns auf Drahte kristallinischer Struktur) einem einseitigen Zug unterworfen, so sinkt die Leitfahigkeit ') annahernd proportional der Belastung. Uber den transversalen Effekt differieren die Meinungen. So findet u. a. P. W. Bridgman bei Eisen auch in transversaler Richtung eine Zunahme, wahrend Tomlinson eine Abnahme findet.a) Im gro6en und ganzen weisen die Daten von Bridgman auf einen positiven Effekt hin. 2. Hydrostatischer Druck gibt im allgemeinen eine Leit- fahigkeitsvergr66erung (Untersuchungen von B r i d g m a n , Lu - 1) Vgl. u. a. W. Geias u. J. A. M. von Liempt, Ztschr. f. Metallk. 2) Vgl. Zuaammenstellung Handb. d. Phya. 13. S. 35. 18. S. 216. 1926.

Mechanische Einflüsse auf die elektrische Leitfähigkeit von Metallen

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6. lKechan/ische B%r@&sge auf &e eLektrische Leitf dh4gkeit vow Metallem ;

vom A. MCchels

Der EinfluB mechanischer Bearbeitung auf die elektrische Leitfahigkeit von Metallen hat in den letzten Jahren ziemlich vie1 Interesse gefunden.

Die Deutung der verschiedenen Erscheinungen gab neuer- dings AnlaB zu einer lebhaften Kontroverse, ohne daB aber ein ausschlaggebendes Resultat errungen ware. Enige Unter- suchungen, die wir iiber den EinfluB hydrostatischer Drucke auf den elektrischen Widerstand vorgenommen haben, sind mit keiner der bisher erBrterten Theorien in Einklang zu bringen.

Wir versuchen hier einen Beitrag zu liefern zur Theorie dieser Vorgange und es diirfte zweckmafiig sein, kurz die ver- schiedenen experimentellen Resultate zusammenzufassen und anzugeben, woran die bisherigen Theorien seheitern.

Wir verteilen die Einfliisse in zwej Kategorien:

A. Mechaaische Beanspruchung unterhalb der Elastizitiitsgrenze 1. Wird ein Metalldraht (vorliufig beschranken wir uns

auf Drahte kristallinischer Struktur) einem einseitigen Zug unterworfen, so sinkt die Leitfahigkeit ') annahernd proportional der Belastung. Uber den transversalen Effekt differieren die Meinungen. So findet u. a. P. W. B r i d g m a n bei Eisen auch in transversaler Richtung eine Zunahme, wahrend Tomlinson eine Abnahme findet.a) Im gro6en und ganzen weisen die Daten von B r i d g m a n auf einen positiven Effekt hin.

2. Hydrostatischer Druck gibt im allgemeinen eine Leit- fahigkeitsvergr66erung (Untersuchungen von Br idgman , Lu -

1) Vgl. u. a. W. Geias u. J. A. M. von Liempt, Ztschr. f. Metallk.

2) Vgl. Zuaammenstellung Handb. d. Phya. 13. S. 35. 18. S. 216. 1926.

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sanna, Lafay, Lisell u. a.).l) Ausgenommen sind die Metalle Li, Sr, Cs.

Angegeben wird, da8 auch hier die hde rung des Wider- sbandes annahernd proportional dem Drucke sein 8011. Dies letzte stimmt aber nicht mit unseren Resultatena) uberein.

Wir finden folgende Werte fur Platin. Tabel le 1

Druck in Kilo I 0-51,5 151,5--101,51 101,5-?51,5 '151,5-201,5 per cme I 201,5-2513

.~ __.____

21,95 15,57 i 3,705 3,68 pr-1 3,20 2, i0 2,67 1 T- 2,25

34,75 3,805 3,37 2,92 2,37 2,20 (Wir geben die mittleren Druckkoeffieienten zwischen den oberhalb

jeder Bolonne angegebenen Drucken [in Kilogrammen pro cm*J.) Aus diesen Daten folgt auch direkt, da6 unsere Resultate

nicht die allgemeine Meinung bestatigen, daB der Druck- koefiizient unabhangig ist von der Temperatur.

B. Belastung oberhalb der Elastisitiitsgrenze

Bei Kaltbearbeitung von Metallen oberhalb der elastischen Qrenze steigt der Widerstand, und zwar unabhangig von der Art der Bearbeitung, z. B. beim Ziehen und H&mmern.5)

Bei gewalzten Wolframstreifen erhielten Geiss und von L iemp t die gleiche Widerstandssteigerung parallel wie senkrecht der Wal~richtung.~) Gleichzeitig sinkt der Tempe- raturkoeffizient :

u=- " @ (Q = Widerstand). q d i

Geiss und von Liempt bewiesen, daB hier das Gesetz von Mathiasen gilt, da6 also CL x spez.Widerstand konstant bleibt.5)

1) Vgl. Zusammenstellung Handb. d. Phys. 13. S. 29. 2) Proc. Boy. Bead. Adam, The influence of pressure on the elec-

trical conductivity of platina. May 1927. 3) W. Geiss u. J. A. M. von Liempt , Ztsehr. f. Pys. 41. S .870 .

1927; E. Gruneisen nnd E. Goens , Ztschr. f. Pbys. 44. S. 638. 1927; K. Beeker , Ztsehr. f. Phys. 48. S. 226. 1927.

4) W. Geiss u. J. A. M. von Liempt , Ztschr. f. Metallk. a. a. 0. 5) W. Geiss u. J. A.M. von Liempt , Ztschr. f. Metallk. a. a. 0.

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172 A. Michels

Die allgemein herrschende Meinung, dab hydrostatische Drucke keine bleibende W-iderstandsanderung zur Folge haben, miissen wir wieder bestreiten. Wir fanden bei allen von uns untersuchten Metallen eine Hysteresiserscheinung und zwar, eigentiimlicherweise, wo Druckerhohung eine Widerstands- erniedrigung gab, wies die Hysteresis eine bleibende Wider- standserhohung auf.

Wie bekannt, wird diese Widerstandsanderung oberhalb der Elastizitatsgrenze von einem mechanischen Effekt begleitet, allgemein bekannt unter dem Namen ,,Verfestigung'l.

Nicht ohne Grund hat man versucht, die zwei Erschei- nungen miteinander in Zusammenhang zu bringen. Die Ver- festigungserscheinungen sind die folgenden:

1. Bei mechanischer Uberbeanspruchung steigt die FlieB- grenze.

2. Es entstehen Gitterdeformationen, begleitet von inneren Spannungen. Die Gitterdeformationen kijnnen nach der Me- thode von van Arke l rontgenographisch nachgewiesen werden, sie liegen bis oberhalb 0,2 Proz.')

3. Beim Ziehen von Metalldrahten richten sich die Kri- stallitene2)

Wenn man nun aber nach der Beanspruchung die Drahte gliiht, bekommen sie wieder allmahlich ihre normalen Eigen- schaften zuruck, die Gitterdeformationen verschwinden und p und cc bekommen ihren normalen Werts)

Es war hauptsachlich Becker , der versucht hat die Wider- standsanderung auf den EinfluB dieser Gitterdeformationen zuriickzufuhren. Es scheint uns aber, da6 es Ge i s s und von L i e m p t gelungen ist, zu beweisen, da6 die ErklBung von B e c k e r jedenfalls nicht alle Schwierigkeiten losen kann. Unter anderem ist doch bei Wolfram nach Anlassen auf 900° die rontgenographisch nachweisbare Deformation ganzlich ver- schwunden, also mindestens unterhalb l/, des anfanglichen Betrages heruntergedriickt (0,05 Proz. Deformation ist nach von A r k e l noch nachweisbar), wilhrend die h e r u n g in der

1) A. E. von Arkel , Physica 1925; K. Becker, a. a. 0. 2) E. Schmid u. G. Wassermann, Ztschr. f. Phys. 42. S. 779. 1927. 3) K. Becker, a. a. 0.; W. Geiss und J. A. M. von Liempt,

Ztschr. f. Metallk.

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Leitfdhigkeit nur erst um einen Bruchteil zuriickgegangen ist. Becke r gibt sogar an, da6 man weit iiber die Rekristallisations- grenze erhitzen mu6, wo doch sicher keine Spannungen in den Kristallen mehr da sind, bevor der elektrische Widerstand wieder ganz normal geworden ist. Zweitens: wenn man einen gezogenen Draht abboilj t , weist der Drahtkern keine Qitterdeformierung auf, wiihrend der elektrische Widerstand von Kern und Mantel ungefiihr der gleiche ist.') Mit der Verfestigung ist es ahnlich. Schmid t und Wasse rmann (a a 0.) fanden sogar fur einen Kern, der also keine rijntgenographisch nachweisbare Gitter- deformation besitzt, eine grij6ere Verfestigung wie fur die Randzone.

Andererseits scheint uns aber auch die Erklarung von Geiss und von L i e m p t nicht ausschlaggebend. Fuhren sie doch den Einflu6 auf eine ,,Elektronenbahndeformation" zuriick, es ist aher nicht kIar, wie miin sich diese EIektronenbahn- deformation denken sol]. Selbstverstandlich ksnn man nicht im voraus behaupten, dae, wenn deformierende Krafte im Gitter wirken, die Elektronenbahnen nicht geandert werden kbnnen, aber dann kann doch nicht diese Deformation der primare Effekt sein, sondern nur ein erzwungener, und wenn dann auch, wie Geiss und von L i e m p t behaupten, diese Krafte bereits lange verschwunden sind, rniissen entweder die Elek- tronen wieder ihre gewohnliche Bahn beschreiben oder sich in einem metastabilen Zustand bcfinden, wobei es recht un- wahrscheinlich ist, da8 sie darin unbestimmt lange beharren konnen, noch dazu bei Temperaturen bis oberhalb 2500O. Auch ist es nicht klar, wie dann der negative Druckeffekt zu kombinieren ist mit der positiven Hysteresis.

Einen dritten Erklarungsversuch gab Tammannma) E r glaubt die Ursache der Kaltbearbeitung nur in dem Richtungseffekt der Kristalliten suchen zu mussen. Auch dieser Versuch scheitert fur die Erklarung des Einflusses der allseitig an- greifenden Krafte, wie der hydrostatischen Driicke.

Genau die gleichen Einwande mussen wir gegen die Meinung von Bore l iu s e rhebe~~ .~ )

1) W.Geiseu. J.A.M.vonLiempt,Ztschr.f.Phys.46. 5.631. 1927. 2) G. Tammann, Metallographie. 3) G. Borel ius , Ann. d. Phys. 84. S. 909. 1927.

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B o r e l i u s meint, daB Kaltbearbeitung die freie Weglange fur ein Elektronengas herunterdriickt, wodurch eine Wider- standssteigerung erklarbar ware. Er schlieBt sich dabei den alteren Theorien der Elektronengasauffassung an, wo immer der positive Druckeffekt bei der Leitfahigkeit die Schwierigkeit bildet. Auch er lost die Frage nicht. Nur W i e n und Gri in- e ieen machen dazu einen Versuch. Fur eine Kritik dieser und alterer Theorien verweise ich auf W. H u m e Rot1iery.l)

Unserer Meinung nach muB man die Ursache nicht in einem einzigen Effekt suchen wollen, vielmehr gibt es hier wenigstens zwei ubereinander greifende Einfliisse, sowohl zur Erklarung der mechanischen Verfestigung, wie der Widerstandsanderung.

Bereits ziemlich lange kennt man eine rein mechanische Erscheinung, die auch darauf hinweist, dab bei der Verfestigung z wei verschiedene Ursachen eine Rolle spielen, namentlich der sogenannte ,,Bauschinger"-Effekt.

Noch vor kurzem ist hieriiber eine Yitteilung erschienen von S a c h s und Shoji.a)

Kurz zusammengefaflt, besteht dieser Effekt in folgendem: wenn man ein Material oberhalb der Elastizitatsgrenze (Sachs und Soyi nahmen hierfur Messing) auf Druck belastet, so tritt eine Verfestigung ein. Nach dieser Beanspruchnng gibt das Material fur Druck- und Zugbelastung keine symmetrischen Erscheinungen mehr, doch scheint es fur Zug weniger ver- festigt zu sein wie fur Druck. Umgekehrt wird eine Zug- uberbeanspruchung eine grijfiere Zugverfestigung geben. Wenn man das Material aber bei ziemlich niedriger Temperatur anlaBt, verschwindet die Unsymmetrie und stellt sich die Festig- keit fur beide gleich, und zwar auf einen Zwischenwert. Diese Erscheinung weist darauf hin, daB nach der Verfestigung an- fanglich Spannungen vorliegen, die beim Anlassen verschwinden. Andererseits bleibt nach Beseitigung der Spannungen eine Verfestigung bestehen. Die Verfestigung kann also nur teilweise zuriickgefiihrt werden auf innere Spannungen, zum groBten Teil aber auf eine skalare Deformation, die wir hier der Kurze halber ,,Verdichtung" nennen wollen.

1) W. Hume Rothery, ,,The Metallic State", Phil. Mag. (7) 4.

2) GI. Sachs u. A. Shoji, Ztschr. f. Phys. 46. S. 767. 1927. S. 1017. 1927.

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Die gleichen Ursachen scheinen auch bei den elektrischen Erscheinungen eine Rolle zu spielen. Einen Beweis hierfur geben von uns durchgefuhrte Untersuchungen uber den Einflu6 von Druck auf die elektrische Leitfahigkeit von Gold.]) Der Golddraht jedoch, der von uns untersucht worden ist, war ein hartgezogener Draht. Beim Ziehen nun kann man verschiedene Spannungen erwarten, sowohl Zugspannungen wie Druckspan- nungen. Wie wir uns die Spannungen vorzustellen haben lassen wir vorlaufig unbesprochen. Dies leuchtet aber ein: beim hydrost.atischen Druck werden die Zugspannungen ver- kleinert, die Druckspannungen vergrobert.

Dieser Einflu6 iiberlagert sich dem gewohnlichen Druck- einfluB. Nehmen wir als festgestellt .an, da6 Spannungen die Temperaturkoeffizienten erniedrigen, dann wird, wo Zugspan- nungen iiberwiegen, ein hydrostatischer Druck die Spannung herunterdrucken, also den Temperaturkoeffizienten ver- grobern , wenn aber die Druckspannungen iiberwiegen, sinkt der Temperaturkoeffizient. Welcher Fall vorliegt, ist im voraus nicht zu sagen. Wohl la6t es sich leicht denken, da6 bei niedrigem Anlassen, wenn also die Spannungen anfangen zu verschwinden, diese Verringerungen von Druck- und Zug- spannungen nicht proportional vor sich gehen, so daB der Temperaturkoeffizient sich iindern kann. Nun wirkt Druck widerstandserniedrigend, Temperatur widerstandserhohend, ein groBerer Temperaturkoeffizient wird sich deswegen ausdrucken in einem kleineren Druckkoeffizienten.

Unsere Tab. 2 und 3 weisen darauf hin, daB wirklich diem Erscheinung bei unserem gezogenen Golddraht vorliegt.

Tabel le 22)

per cmS 51,5 - 101,5

4,90 4,82

4,78 I 4,69 4,71 I 4,60

1) A. Michels, P. Guls and Miss C. Verand, Proc. A’dam.

2) Maximale Abweichung der Mittelwerte f 1,4 - Oct. 1926; A. Michels and P. Guls, Proc. Adam. Oct. 1927.

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Nach Aufnahme dieser Daten haben wir den Golddrabt auf eine Temperatur von 40° gebracht und wieder aufs neue den Druckkoeffizient bestimmt. Tab. 3 gibt die Resultate. Es

Tabe l l e 3

ergibt sich, da6 uberalI aber zwischen 200 und 250 Atmo- spharen der Druckkoeffizient sich merkbar geandert hat. Ztimal die maximale Anderung korrespondiert mit einer h e r u n g in 01 = - unweit von Es 1aBt sich aber im voraus sagen, daS, sobald die von dem hydrostatischen Druck erzeugten Druckvpannungen grijBer sind wie die an- fanglich vorliegende Zugspannung, und zumal wenn wir stellen- weise die BlieBgrenze uberschreiten, dieses Bild verschwinden mu6. Dies wird sich ausdrucken in einem allmghlichen Kon- stantwerden der Druckkoeffizienten bei verschiedenen Tempe- raturen. Eine Scrie Messungen bis 1000 Atmospharen (Tab. 4) bestatigt diese Vorhersage. Andererseits mu6 ein spannungs-

e A t

Tabe l l e 4 3

@ A P p=- - - . A e 106

- ._^_ __ ___ Druck

2,92

loses Material ein ganz anderes Bild geben. Hier mu6 das Material von Anfang der Druckanwendung an sofort den Charakter eines unreineren Materials aufweisen. Nit anderen Worten :

1) Maximale Abmeichung 4 -

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der Druckkoeffizient muB bei niedrigen Temperaturen kleiner sein wie bei hoheren. Unsere Tab. 1 gibt dieses Bild. Der Platindraht war ein sorgfaltig ausgegluhtes Material. Diese Daten beweisen also, daB wirklich die Spannungen eine Rolle spielen. Andererseits ist hiermit die Frage noch nicht ganz gelost, denn erstens: wie mug man sich diese Spannung vor- stellen und zweitens, was ist die skalare Erscheinung, die wir ,,Verdichtung" genannt haben? Es scheint uns nun, daB die einzige Miiglichkeit die Erscheinungen zu deuten, vorlaufig in der Richtung liegt, die uns S m e k a l gewiesen hat.l) Ein Ver- such, die skalare Verdichtung auf eine reine Kornverkleinerung zuruckzufiihren, scheint uns aussichtslos. Dann miiBte man sich doch denken, daB auch, wenn alle Spannungen verschwunden sind, durch entsprechendes Anlassen, eine Verkleinerung der Kristalliten, also eine Lockerung des Verbandes im Metall, eine groBere Festigkeit geben wiirde. Selbstverstandlich kann aber die Kornverkleinerung und deshalb eine VergrijBerung der totalen inneren Oberflache eine sekundke Erscheinung sein, die wir spater auch in Betracht ziehen miissen.

Wie bekannt, nimmt Smeka l an, dafl zwischen den Gitter- bausteinen kleine Defekte sind. Ohne daB wir auf seine Theorie zu weit zuriickgreifen, kinnen wir doch behaupten, daB zumal bei kristallitischer Struktur zwischen den Kristalliten dies leicht verstindlich istaz) Das Material wird wahrschein- lich zwischen den Kristalliten nicht ganz regellos liegen, aber aus Kristalliten bestehen, welche zu klein sind, um sie rontgenographisch nachzuweisen. Ob dies nun Korper sind von der GroBe der Gitterbausteine lo4 bis lo6 Gitterindivi- duen3), ist hier fur die Erklarung nicht von Bedeutung. Da diese Kristallite regellos orientiert durcheinander liegen, ist es unmijglich, daB sie schijn aneinander passen und es werden selbstverstandlich iiberall submikroskopisch kleine ungefiillte

1) Vgl. u. a. A. Smekal , Ztschr. f. techn. Phys. 7. S. 535. 1926.. 2) Der Hauptgedanke von Smekal ist aber, dal3 dies auch zutrifft

innerhalb der Kristallite und sogar auch in Einkristalldrahten. Wiewohl wir uns ihm ganz gerne dabei anschlie5en, wollen wir dies hier nicht in Betracht ziehen, da uns zurzeit noch keine Daten vorliegen uber Einkristalldriihte, wie sie von uns fur kristallitische Drahte gefunden sind.

3) Vgl. A. Smekal , a. a. 0. Annslen der Physik. IV. Folge. 86. 51

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Raume da sein. Sobald nun das Material belastet wird, werden iiberall Gitterdeformationen eintreten. Die Gitterindividuen nahern sich einander, aber nicht regelmagig, doch z. B. mebr da, wo die Kristallite einander mit Kanten und Ecken beruhren. Sobald die Deformation genugend grog und also die angehaufte Energie ausreichend wird, ist die Mijglichkeit da, daB irgend- ein Atom in die vorhandenen Raume entweicht, und eine Stelle besetzt, wie es sich am besten dem Gefiige anpassen kann; das FlieBen und die Verdichtung ist eine Tatsache geworden. Beim Abschwachen der angewendeten Krafte bleiben die Spannungen teilweise und die Verdichtung ganzlich bestehen. Wird nun das Material angelassen, dann bekommen die Atome mehr kinetische Energie, doch in dem Punkte, wo Spannungen vorliegen, war bereits potentielle Energie angehauft. Es versteht sich, daB die Deformation, die auf die Spannungen zuruckzufuhren ist , eine geringere thermische Energie zum Ausgleichen bedarf wie die Verdichtungsdeformation. Deshalb wird auch die Verdichtung erst bei vie1 hoherer Temperatur ruck- gangig wie der Spannungseffekt. Im AnschluB hieran ist es wohl bemerkenswert, dal3 wenn z. B. ein Stab kalt gezogen und und spiiter gegluht wird, die Rekristallisation da am starksten eingreift, wo die plastische Deformation die griiBte war. LaBt man das Material langere Zeit sich rekristallisieren, dann kiinnen auch die Hohlraume so stark anwachsen, daB sie mikroskopisch beobachtbar werden.

Zur Erklarung der Erscheinungen haben wir nur also zu postulieren, daB die drei Deformationen, Spannung, Verdichtung und Kornzerkleinerung, auf das elektrische Leitvermiigen ein- wirken. Wie wir uns das denken mussen,ist selbstverstandlich nicht ohne weiteres zu sagen, so lange derMechanismus der metallischen Elektrizitatsleitung unbekannt ist. Nur scheint es nicht leicht, die Erscheinungen in Einklang zu bringen mit der Auffassung einer Elektronenatmosphare als Ursache der elektrischen Leitung.

Die zweite iibliche Auffassung, bei der man annimmt, daB ein Elektron von einer Bahn in einem Atom auf eine solche in einem zweiten ubergeht, scheint eher eine Erklarung zuzu- lassen. Dann ware es miiglich folgenden Mechanismus sich zu denken, den wir aber nur als eine Art Arbeitshypothese aufgefaBt sehen wollen.

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Wenn die Atome ordnungsgemaB ihren Platz im Gitter einnehmen und keine Warmebewegung besitzen, wird sich unter dem EinfluB eines elektrischen Feldes ein stationarer nbergang der augeren Elektronen von Atom auf Atom ein- stellen k6nnen.l) Wie grog die Leitfahigkeit ist, hangt ledig- lich davon ab, ob die Distanz der Atome mehr oder weniger giinstig ist.

Thermische Bewegung wird dann selbstverstandlich stiirend wirken. Dies erklart den positiven Temperaturkoeffizient des Widerstandes. Wenn nun das Gitter homogen zusammen- gepreBt wird (hydrostatischer Druck), kann dies entweder der Lei- tung zur Hilfe kommen oder ihr entgegenwirken. Es ist nur die Frage, inwieweit die urspriingliche Distanz zwischen den Atomen kleiner oder groBer ist als das Optimum. J a es ist sogar mijglich, daB man ein Optimum iiberschreitet und die Leit- fahigkeit erst bis auf einen gewissen Druck steigt und danach abfallt, wie bei Cs von Br idgman gefunden ist. Es versteht sich nun aber auch, dab eine inhomogene Gitterdeformation im allgemeinen eine WiderstandsvergriiBerung zur Folge hat, andererseits la& es sich denken, daB die Temperaturerhijhung bei deformiertem Gitter weniger vergroBernd auf die Amplituden wirkeri wird, da die Atome sich unter dem EinfluB elastischer Kriifte befinden, und daher sinkt der Temperaturkoeffizient.

Anders liegt die Sache bei einer uberelastischen Be- anspruchung. Hier greifen die beiden Einfliisse, Verdichtung durch Herunterdrucken der S m e k alschen Raume und Korn- zerkleinerung ein. Wie bereits angegeben, mug die Verdich- tung verantwortlich gemacht werden fur die hijhere FlieB- grenze. Wenn sie auch die Ursache ist fur die Widerstands- vergriifierung, dann ware dies nur so zu deuten, daB die Hohlraume da, wo die Kristalliten einander beriihren und die Gitter nicht anschliegen, der grbBere zur Verfugung stehende Raum den Ubergang der Elektronen befdrdert.

Uns scheint es aber eher wahrscheinlich, daB hier die Ursache in der Kornzerkleinerung zu finden ist. Wo das Gitter nicht ideal zusammenschlieBt, also bei der inneren Oberflache, wird

1) Vgl. B a m e r l i n g h - O n n e s , Rapport sur nouvelles expbriences sur les supraconducteurs. Comm. Leiden, Suppl. 50.

51 *

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der ideale Ubergang der Elektronen gestort. Uberelastische Beanspruchung hat auch Bruch innerhalb der Kristallite zur Folge. Es vermohrt sich also die innere Oberflache und da- durch der Widerstand.

DaB obenstehender Mechanismus wirklich der richtige ist, ist schwer zu behaupten, solange der Mechanismus der Elek- trizitatsleitung an sich nicht sichergestellt ist. Wir wollen obenstehendes nur als eine Probe betrachtet sehen, die ver- schiedenen Ergebnisse miteinander in Einklang zu bringen.

Wohl sind aber fur die Unterteilung der Einflusse in zwei oder drei verschiedene

Deformation mit Spannungen, skalare Verdichtung, eventuell mit Kornzerkleinerung

starke Grunde anzufuhren. Leider sind die Daten, die uns bis jetzt aus unseren

Messungen zur Verfiigung stehen, nur wenig zahlreich. Das hier Mitgeteilte gibt uns aber einen Hinweis, in welcher Rich- tung die Experimente weiterzufuhren sind. Innerhalb kurzer Zeit hoffen wir nahere Resultate veroffentlichen zu konnen.

A m s t e r d am, 22. Mitteilung des ,,van der Waals-Fonds".

(Eingegangen 13. Mare 1928)