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Stereoselektive Synthesen
meso-Verbindungen, Stiefkinder oder Lieblingskinderder stereoselektiven Synthese?Reinhard W. Hoffmann*
AngewandteChemie
Stichw�rter:Asymmetrische Induktion · meso-Verbindungen · StereoselektiveSynthesen · Synthese-methoden
Eine symmetrische Anordnungchiraler Elemente ist kein Problem
in der Architektur, wohl aber in derstereoselektiven Synthese!
R. W. HoffmannAufs�tze
1128 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 0044-8249/03/11510-1128 $ 20.00+.50/0 Angew. Chem. 2003, 115, Nr. 10
1. Einleitung
meso-Verbindungen? Der Name weckt Erinnerungen andas Grundstudium der organischen Chemie, als Weins�ure inder Einf�hrungsvorlesung behandelt wurde. meso-Weins�ure(1) ist eine der vier verschiedenen Substanzen mit derKonstitution von Weins�ure (Schema 1). Sie ist diejenige
Verbindung, die eine Konformation 1a mit einer Symmet-rieebene oder eine Konformation 1b mit einem Inversions-zentrum aus der Menge der frei zug�nglichen Konformatio-nen erreichen kann (Schema 2). Die Symmetrie der meso-Weins�ure geht darauf zur�ck, dass es zwei stereogeneZentren mit identischem Substitutionsmuster, aber entgegen-gesetzter Konfiguration gibt. Die Beitr�ge der beiden stereo-genen Zentren zum Cotton-Effekt kompensieren sich, unddamit ist meso-Weins�ure optisch inaktiv.
Ist diese Eigenschaft mehr als eine �berfl�ssige Kuriosit�t,die man sich merken sollte? Einigen Lesern f�llt vielleichtein, dass vor hundert Jahren gerade diese Eigenschaften von
meso-Verbindungen das Schl�sselargument lieferten, dasEmil Fischer zur Konfigurations-Zuordnung der Zuckernutzte (Schema 3). Diese Erkenntnisse und der Weg dazu
sind wahrlich eine Kulturleistung der chemischen Wissen-schaft.[1]
Dar�ber hinaus gerieten und blieben die meso-Verbin-dungen f�r lange Zeit in Vergessenheit, bis die enantioselek-tive Synthese in den Blickpunkt des Interesses r�ckte. Daherwerfen wir kurz einen Blick auf die stereochemischenAspekte der Reaktionen vonmeso-Verbindungen. Was ergibtsich, wenn eine meso-Verbindung, z.B. das Anhydrid 2, miteinem achiralen Reagens an einer der beiden zueinanderspiegelsymmetrisch angeordneten (d.h. enantiotopen) Car-bonylgruppen reagiert (Schema 4)? Durch diese Reaktionwird die Symmetrie der meso-Verbindung gebrochen und esentsteht das chirale Produkt 3. Aus Symmetrie-Gr�nden ist
[*] Prof. Dr. R. W. HoffmannFachbereich ChemiePhilipps-Universit,t MarburgHans-Meerwein-Straße, 35032 Marburg (Deutschland)Fax: (+49)6421-282-5677E-mail: [email protected]
COOHCCCOOH
H OHHHO
COOHCCCOOH
OHHHO H
COOHCCCOOH
H OHHHO
COOHCCCOOH
OHHHO H
COOHCCCOOH
OHHH OH
D-Weinsäure
Schmp.: 172–174
L-Weinsäure
172–174
rac-Weinsäure
210–212
meso-Weinsäure
147 °C
= (R,R)-(+)= (S,S)-(–) 1Traubensäure
Schema 1. >berblick ?ber die verschiedenen Weins,uren.
HOOC
COOH
OHOHH
HHOOC
COOHOHH
HO H
·
1a 1b
Schema 2. Symmetrische Konformationen der meso-Weins,ure.
CHOCHOHCHOHCCH2OH
H OH
COOHCCHOHCCOOH
H OH
OHHD-Xylose
(Konfiguration bekannt)
(Konfiguration unbekannt zum Zeitpunkt des Experiments)
optisch aktiv
Oxidation
Xylarsäure
optisch inaktiv = meso
(daraus folgt Konfiguration an C-2)
Schema 3. Konfigurationszuordnung an C-2 der Xylose auf der Grund-lage der Symmetrie von Xylars,ure.
Das Methoden-Arsenal der stereoselektiven Synthese scheint nachmehr als einem Vierteljahrhundert intensiver Entwicklung voll aus-gereift zu sein. Im Einklang damit wird auch das Potenzial, dasmeso-Verbindungen in der stereoselektiven Synthese zukommt, klar erkannt.Es ist deswegen &berraschend, dass die Anwendung von meso-Ver-bindungen in der stereoselektiven Synthese in keiner Weise diesemPotenzial entspricht, denn ironischerweise ist die Synthese von meso-Verbindungen selbst ein Problem der stereoselektiven Synthese – einProblem, f&r dessen L*sung die heutigen Methoden nur bedingt hilf-reich sind. In diesem Aufsatz werden die Strategien vorgestellt, die sichf&r die Synthese komplizierterer meso-Verbindungen eignen, derenstereogene Zentren einen Abstand > 1,4 haben. Hierbei werden auchmeso-Verbindungen mit mehr als vier stereogenen Zentren ber&ck-sichtigt. Die Kriterien zur Bewertung der verschiedenen Strategien undderen Kombinationen in der Synthese werden herausgestellt.
Aus dem Inhalt
1. Einleitung 1129
2. Die klassische Synthese vonmeso-Verbindungen 1131
3. Die unterschiedlichenZugangswege zu meso-Verbindungen 1131
4. Der bidirektionale Weg 1132
5. Die konvergenteVorgehensweise 1136
6. Lineare Synthesen 1139
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1129Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 0044-8249/03/11510-1129 $ 20.00+.50/0
die Reaktionsgeschwindigkeit an jeder der Carbonylgruppenvon 2 identisch. Insofern entsteht das Produkt 3 als Racemat.
Wenn eine meso-Verbindung in gleicher Weise mit einemenantiomerenreinen chiralen Reagens umgesetzt wird, ent-stehen diastereomere Produkte. Als Beispiel dient die inSchema 5 vorgestellte Reaktion des meso-Anhydrids 2 mit
einem chiralen Alkoholat 4.[2] Die entstehenden Produkte 5und 6 sind enantiomerenrein und fallen in einem Verh�ltnisan, das durch kinetische Racematspaltung bestimmt wird (1:1f�r das Magnesiumalkoholat; 6:1 f�r das Lithiumalkoholat).Da die Produkte zueinander diastereomer sind, lassen sie sicheinfach trennen.
Dieser Prozess entspricht voll und ganz der klassischenRacematspaltung. Wie dort ist man im Allgemeinen nur aneinem der diastereomeren Produkte interessiert. Insofernkann nur maximal 50% des Ausgangsmaterials in dasgew�nschte Produkt �berf�hrt werden. Fischli et al. wiesendarauf hin, dass meso-Verbindungen in diesem Punkt dankdes „meso-Tricks“ vorteilhafter sind.[3] Denn ausgehend voneiner meso-Verbindung ist es in vielen F�llen mDglich, dasunerw�nschte Produkt-Diastereomer in die Ausgangs-meso-Verbindung zur�ckzuf�hren. Dadurch kann praktisch die
Gesamtmenge einer meso-Verbindung in das gew�nschteEnantiomer des Produkts �berf�hrt werden.
Nat�rlich kann man nicht nur eine klassische Racemat-spaltung mit einem enantiomerenreinen „Spaltungsreagens“auf meso-Verbindungen anwenden. Weit vorteilhafter ist dieAnwendung der kinetischen Racematspaltung,[4] die eineeffektive Differenzierung zwischen den beiden enantiotopenfunktionellen Gruppen einer meso-Verbindung ermDglicht.So kann man in vielen F�llen in einem Einstufen-Prozess eineinziges Produkt in hoher Ausbeute und hoher Enantiome-renreinheit erreichen. Ein Beispiel ist in Schema 6 gegeben.[5]
Dieses vorteilhafte Verfahren wurde �ber die letztenJahre zunehmend entwickelt und h�ufig in Ebersichtenzusammengefasst.[6] Dabei zeigt sich, dass eine breitereAnwendung dieser Methode durch unsere F�higkeiten be-grenzt wird, die notwendigen meso-Verbindungen zuersteinmal herzustellen. Die heutzutage in der Synthese ein-gesetzten meso-Verbindungen sind typischerweise kleineMolek�le wie 7–13[7–13] mit 2–4 – h�ufig benachbarten –Stereozentren (Schema 7).
meso-Verbindungen mit mehr als vier stereogenen Zent-ren oder meso-Verbindungen mit nicht benachbarten Stereo-zentren sind aber wegen ihrer stofflichen Eigenschaften, z.B.ihremAuftreten in bevorzugten Konformationen,[14] durchausvon Interesse. Die Hauptanwendung solcher meso-Verbin-dungen liegt jedoch in ihrer Enantiotopos-selektiven De-symmetrisierung, die einen raschen Zugang zu enantiome-renreinen Zwischenprodukten mit langen Sequenzen vonStereozentren erDffnet. Gemessen an diesem Potenzial sind
Reinhard W. Hoffmann studierte an der Uni-versit�t Bonn Chemie und promovierte beiB. Helferich (1951–1958). Auf ein zweij�hri-ges Postdoktorat an der Pennsylvania StateUniversity folgte ein zweites Postdoktorat beiG. Wittig an der Universit�t Heidelberg. An-schließend habilitierte er sich 1964 an derUniversit�t Heidelberg. 1967 wurde Hoff-mann an die TH Darmstadt berufen. 1970nahm er eine Professur f6r organische Che-mie an der Universit�t Marburg an; seit2001 ist er emeritiert. Er lehrte zudem anzahlreichen Universit�ten weltweit als Gast-professor.
OO OO
O OHO
BnOOCO
OOOH
COOBn
XMgO COOBn
2 3 ent-3
+
1 : 1
Schema 4. Reaktion eines meso-Anhydrids mit einem achiralen Alko-holat.
O O
OPG OOHHO
OHHO
H H O
O
PGOPGO
N N
O
BnBn
OAcAcO
O
O
O
H
H
OH
OH
HO
HO
OPG
OHO
7 8 9
10 11 12
13
Schema 7. H,ufig in der Synthese eingesetzte meso-Verbindungen: 7;[7]
8 ;[8] 9 ;[9] 10 ;[10] 11;[11] 12 ;[12] 13.[13]
OO OO
O OHO
BnOOCO
OOOH
COOBn
XMgO COOBn
2 5 6
Ph
PhPh
H+, Ac2O
4+
oder
Schema 5. Reaktion eines meso-Anhydrids mit einem chiralen Alkoholat.
OO OO
O O
HO OOO
OHOH
O
O OTi
OH
H
PhPh
Ph Ph
Ph Ph
OiPr
OiPr
99 : 12
+
Schema 6. Kinetische Racematspaltung zur Desymmetrisierung einermeso-Verbindung.
R. W. HoffmannAufs�tze
1130 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
die Methoden zur Synthese derartiger meso-Verbindungenunterentwickelt. Wir geben hier einen Eberblick �ber dieStrategien zur Synthese von meso-Verbindungen, derenstereogene Zentren einen Abstand > 1,4 haben, wobei auchmeso-Verbindungen mit mehr als vier stereogenen Zentrenber�cksichtigt werden. Dieser Eberblick will nicht umfassendsein, sondern illustriert die Vorgehensweise und Problememit Beispielen unter anderen auch aus unserer eigenenForschungsgruppe. Es ist unsere Absicht, die Kriterienherauszustellen, nach denen man die verschieden Strategienund deren Kombinationen in der Synthese kompliziertermeso-Verbindungen bewerten kann.
2. Die klassische Synthese von meso-Verbindungen
meso-Verbindungen sind symmetrisch. Insofern sind siedurch eine paarweise symmetrische Bindungsbildung (Sche-ma 8, Gl. (1)) oder durch Reaktionen an zwei symmetrischangeordneten homotopen Gruppen (Schema 8, Gl. (2)) zu-g�nglich. Im letzteren Fall kann die Zwischenstufe 14 alsRacemat eingesetzt werden.
Der klassische Zugang zu meso-Verbindungen durch einesyn-Addition an ein p-Bindungssystem umfasst auch Diels-Alder-Additionen und alle analogen Cycloadditions-Reak-tionen (z.B. Photo-[2þ2]-Cycloadditionen, Oxy-Allyl-Cyc-loadditionen), sofern jeder der Reaktionspartner C2v-Sym-metrie hat oder eine Konformation mit C2v-Symmetrieerreichen kann. Die generalisierte Cycloaddition in Schema 9zeigt, dass zwei Produkte, das exo- 15 und endo-Cycloaddukt17, gebildet werden kDnnen. Die exo/endo-Selektivit�t[15] istein wichtiger Aspekt in der Synthese, wird hier aber nichtweiter behandelt, da sowohl das endo- als auch das exo-Produkt meso-Verbindungen sind (Schema 9). Die auf dieseWeise zug�nglichen meso-Verbindungen 15, 17 sind cyclisch.Wenn man eine Ringbindung, die durch die Symmetrieebenedes Molek�ls geschnitten wird, Dffnet, gelangt man zuoffenkettigen meso-Verbindungen, z.B. 16 und 18.
Eine eingehendere Diskussion dieser klassischen Chemieist hier nicht angezeigt. Wenn man ber�cksichtigt, dasscyclische oder offenkettige meso-Verbindungen mit einemAbstand der stereogenen Zentren von > 1,4 oder meso-Verbindungen mit � vier benachbarten Stereozentren nor-malerweise nicht zug�nglich sind, dann fallen einzelne Aus-nahmen besonders ins Auge (Schema 10).[16]
3. Die unterschiedlichen Zugangswege zu meso-Verbindungen
Man braucht also andere Vorgehensweisen, wenn man zukomplizierteren meso-Verbindungen gelangen will. Grund-s�tzlich gibt es drei MDglichkeiten, kompliziertere meso-Verbindungen wie 19 aufzubauen (Schema 11): So kann man
von einer einfachen meso-Verbindung ausgehen und sie anbeiden Enden gleichzeitig erweitern, indem man die zus�tz-lichen Stereozentren in symmetrischer Weise aufbaut (bidi-rektionaler Weg). Die Herausforderung bei dieser Vorge-hensweise liegt darin, in einem einzelnen SyntheseschrittStereozentren entgegengesetzter Konfiguration aufbauen zum�ssen. Dies schließt die Verwendung von chiralen Reagen-tien, chiralen Katalysatoren oder chiralen Auxiliaren aus,sodass lediglich eine Substrat-Kontrolle der asymmetrischenInduktion angewendet werden kann.
Als weitere Option kann man die gew�nschte meso-Verbindung konvergent aufbauen. Dazu braucht man zweikonstitutionell identische, aber zueinander enantiomere Bau-steine, die beide in hoher Enantiomerenreinheit verf�gbar
COOH
COOH
COOH
COOH
HO
HOOC HH
OH
HO
COOH
HOOC
COOHO
HOOCCOOH
HHHO
14
cis
cis-Dihydroxylierung
trans trans-Dihydroxylierung über Epoxid
(1)
(2)
Schema 8. Klassischer Zugang zu meso-Verbindungen durch Additionan prochirale Alkene.
X
X
X
X
COORCOOR
OX COOR
ROOC XO
X
X COORCOOR
O
X COOR
ROOC XO
COOR
COOR
15 16
17 18
exo
endo
Schema 9. Klassischer Zugang zu meso-Verbindungen ?ber die Diels-Alder-Addition.
ROOC COOR
O
O O
O
O O
H HROOC COOR
+ 5 kbar
95 %
Schema 10. Doppelte Diels-Alder-Addition zu einer meso-Verbindungmit neun stereogenen Zentren.
O
O
O
O
Ar
OO
Ar
O
O
O
O
Ar
OO
Ar
O
O
O
O
Ar
OO
Ar
19
Konvergent aus zwei zueinander enantiomeren
Endbausteinen
Linear vom einen Ende her
Divergent aus einemzentralen Baustein
Schema 11. Prinzipielle Zugangswege zu meso-Verbindungen.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1131Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
sein m�ssen; diese werden dann verbunden. Solange dieVerkn�pfungsregion des Zielmolek�ls keine stereogenenZentren aufweist, ist diese Vorgehensweise erfolgreich.M�ssen in der Verkn�pfungsregion dagegen mehrere stereo-gene Zentren aufgebaut werden wie bei 19, wird dieseVorgehensweise problematisch. Denn beim Aufbau derStereozentren kommt es h�ufig zu einer entgegengesetztenasymmetrischen Induktion der beiden zueinander enantio-morphen Enden des Molek�ls.
Nat�rlich bleibt immer die MDglichkeit eines linearenAufbaus des Zielmolek�ls ausgehend von einem der Enden.In diesem Fall ist es vorteilhaft, den Ausgangsbausteinenantiomerenrein einzusetzen. Damit kDnnen beim schritt-weisen Aufbau der weiteren Stereozentren alle verf�gbarenMethoden der stereoselektiven Synthese eingesetzt werden.Allerdings muss man die Stereozentren so aufbauen, dass amEnde eine symmetrische Verbindung resultiert, die meso-Verbindung.
In der Praxis werden f�r die Synthese von meso-Ver-bindungen h�ufig Elemente aller drei Strategien genutzt.Hier wollen wir diese drei Vorgehensweisen mit Beispielenbelegen und die damit verbundenen Vor- und Nachteilediskutieren.
4. Der bidirektionale Weg
Durch bidirektionale Kettenverl�ngerung eines symmet-rischen Molek�l kann ein rasches Fortschreiten einer Syn-these erreicht werden, da jeweils zwei Ger�stbindungen ineinem einzigen Schritt gebildet werden. Dies wurde inEbersichten von Poss und Schreiber[17] und Magnuson[18]
zusammengefasst, die den bidirektionalen Aufbau von C2-symmetrischen und auch s-symmetrischen Molek�len be-schreiben. Ersteres ist einfach, aber nur das Letztgenanntef�hrt zumeso-Verbindungen. Ausgangsverbindungen kDnnenkleine meso-Verbindungen sein, die selbst entweder durcheinen klassischen Ansatz oder aber in einer nichtstereose-lektiven Synthese erhalten werden. Letzteres trifft beispiels-weise f�r den bidirektionalen Aufbau einermeso-Verbindungdurch Schreiber und Goulet zu (Schema 12).[19]
Die Ausgangsverbindung meso-Dialdehyd 20 wurdedurch eine nichtstereospezifische Reaktion und eine an-schließende Diastereomerentrennung erhalten. Die Additionvon Vinylmagnesiumchlorid an 20 verlief auch nichtstereo-spezifisch. An diesem Punkt aber konnte die thermodynami-sche Kontrolle genutzt werden, um eine stereochemischeinheitliche meso-Verbindung 22 durch Epimerisierung desvon 21 abgeleiteten Dialdehyds zu erhalten. Der nachfolgen-de bidirektionale Ger�staufbau lieferte 23, das durch Wittig-Umlagerung unter Substrat-induzierter asymmetrischer In-duktion zum meso-Polyol-Derivat 24 umgesetzt wurde.
Der Ausgangspunkt f�r eine bidirektionale Kettenver-l�ngerung muss nicht notwendigerweise eine meso-Verbin-dung wie 20 sein. Es gen�gt, wenn die Ausgangsverbindung s-Symmetrie hat wie der Alkohol 25. Seine Eberf�hrung inTolytoxin (30) war ein Meilenstein in der Synthese-Entwick-lung (Schema 13).[20] Hierbei wurde ein gezielter Zugang zurkomplizierten meso-Verbindung 28 geschaffen und ihre ab-
schließende Umwandlung in ein enantiomerenreines Produktgezeigt.
Die Synthesefolge begann mit dem Alkohol 25. DessenHydroxygruppe steuerte[21] die Epoxidierung so, dass dasmeso-Bisepoxyd 26 mit einer Selektivit�t von 15:1 gebildetwurde. Anschließend wurden die Arylringe in b-Ketoester-Systeme umgewandelt. Deren 1,3-syn-selektive Reduktionergab das Tetraol 27 mit einer Diastereoselektivit�t von 12:1.
MeO OMeOHO O
MeO OMeOH
MeO OMe
O O OH O OH O OTIPS
MeO OMe
O OH OH O OH OH OTIPS
O O O O O O OTIPSTBSTBS TBS TBS
OH O O O O O OHTIPSTBSTBS TBS TBS
OH O O O O O O
OMe OMe OMe OMe OMe OMe OMeOMe
25
26
27
28
29
30
[VO(OiPr)3]
tBuOOH
(–)-(Ipc)2B-Allyl
5 Stufen
Tolytoxin
Schema 13. Bidirektionale Synthese von Tolytoxin ?ber ein meso-Polyol-Derivat.
O O O OO
TMSOTf
O O O O
O3 NaBH4
2120
O O O O
22
OHHO
O O O OOO
23
O O O O
24
OHOH
CH2=CHMgCl
Epimer.
82 %
nBuLi
95 %
14 %
74 %
Schema 12. Bidirektionale Synthese eines meso-Polyol-Derivats.
R. W. HoffmannAufs�tze
1132 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
Schließlich wurde das Produkt zum meso-Dialdehyd 28 alsEndpunkt eines bidirektionalen Ger�staufbaus umfunktio-nalisiert. Danach wurde 28 mit (�)-(Ipc)2B-Allyl umgesetzt,wobei das Diol 29 mit > 98% Enantiomeren�berschuss (ee)unter Reagens-Kontrolle (Diastereoselektivit�t des Reagens)erhalten wurde. Eine Chemodifferenzierung der Endgruppenließ sich durch Acetonid-Bildung unter thermodynamischerKontrolle erreichen, wobei das all-syn-Acetonid entstand.Der Abschluss der Synthese des Tolytoxins (30) verliefproblemlos.
Eindrucksvolle Beispiele f�r die Synthese von kompli-zierten Molek�len mit (verdeckter) s-Symmetrie finden sichunter den Synthesestrategien f�r Rifamycin S. Dessen Ansa-Kette zwischen C-19 und C-27, 31, hat eine Symmetrieebene(Schema 14). Effektive Synthesen von Rifamycin kDnnendeswegen vorteilhaft �ber meso-Verbindungen des Typs 31und eine anschließende Endgruppen-Differenzierung gef�hrt
werden. Dies wurde mit einer bidirektionalen Strategie vonStill und Barrish gezeigt (Schema 15).[22] Die Hydroborierungdes symmetrischen Bisallylalkohols 32 etablierte vier weiterestereogene Zentren unter Subrat-vermittelter asymmetri-
scher Induktion (Selektivit�t meso/rac= 5:1). Das Triol 33wurde in das Substrat 34 �berf�hrt. Die anschließende zweitebidirektionale Hydroborierung ergab das Pentaol 35mit einermeso/rac-Selektivit�t von 4:1.
Ein anderer großer Fortschritt in den Synthesebem�hun-gen zum Rifamycin S ist die Synthese des Rifamycin-Bau-steins 42 von Harada et al. (Schema 16).[23] Ausgangspunktwar der s-symmetrische tert-Butylsilyl(TBS)-gesch�tzte Al-kohol 36. Dessen bidirektional verlaufende diastereoselektiveHydroborierung ergab dasmeso-Diol 37mit einer Selektivit�tvon 13:1. Die nachfolgende Oxidation f�hrte zum maskierten
Dialdehyd 38. Danach folgte wieder eine bidirektionaleGer�sterweiterung durch Crotylierung mit dem E-Crotylbo-ronat 39. Diese Reaktion verlief unter hoher asymmetrischerInduktion von den Stereozentren in a-Stellung zu denAldehyd-Funktionen.[24] Die resultierende meso-Verbindung40 mit sieben benachbarten Stereozentren wurde einemumst�ndlichen Schutzgruppen-Austausch zu 41 unterzogen.Dies ermDglichte eine Differenzierung der enantiotopenDiol-Einheiten in 41 durch kinetische Racematspaltung beider Bildung eines Menthon-Derivats, wobei eine Selektivit�tvon 4.5:1 erreicht wurde. Bis zu diesem Symmetrie-brechen-den Schritt wurden alle Stereozentren durch Substrat-ver-mittelte asymmetrische Induktion bei einer bidirektionalenVorgehensweise hergestellt.
Die Eleganz dieser Synthese wird deutlich, wenn man dieSynthese von Harada et al. (Schema 16) der fr�heren Syn-these des Rifamycin-Bausteins 50 von Born und Tammgegen�berstellt (Schema 17).[25] Tamm war sich auch derverdeckten s-Symmetrie der Zwischenstufe 31 bewusst. Erging deswegen vom meso-Diester 43 aus, brach allerdingsschon im ersten Schritt die Symmetrie durch eine Schweine-leber-Esterase-katalysierte Hydrolyse, die zwischen denenantiotopen Estergruppen differenzierte. Der resultierende
OH OHOH OHOHOH
AcO
MeO
O
NHO
O
OH
O
O
O
OH
31
19
192727
Rifamycin S
Schema 14. Symmetrie in der Ansa-Kette von Rifamycin S.
OHOTrTrO
BH2
OH OHOH
33
OTrTrO
OH OHOH
34
TrO OTrBH2 OH OHOH
35
OHOH
OTrTrO
32
1) 9 Stufen
1)
2) BH3,
3) HOO–
90 %d.r. 5:1
38 % 76 %, d.r. 4:1
2) BH3,
3) HOO–
Schema 15. Doppelte Hydroborierung in einer bidirektionalen Syntheseder Ansa-Kette des Rifamycins.
OTBS OH OHOTBS
O OHHO
OTBS
OB
O
OH OHOTBS
OH OHOH OHOBn
Me3SiO
OH OOH OOBn
OH OO OO
36 37 38
40 41
42
39
4 Stufen
5 Stufen
Schema 16. Bidirektionale Synthese der Ansa-Kette des Rifamycinsdurch eine doppelte Crotylborierung.
MeO OMe
O OOH
MeO OH
O OOH BnO OOTBSPD
HO OOHTBSPD
O OO
O OHO
OAr
O O OO
OAr
O
O
LiO
OH OO
OAr
O
ArO
O
43 44 45
4746
48 49
50
O
LiO
PLE 5 Stufen
5 Stufen
Schema 17. Sequenzieller bidirektionaler Aufbau der Ansa-Kette vonRifamycin.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1133Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
Halbester 44 wurde in das Keton 45 �berf�hrt,durch dessen Reduktion das zentrale pseudo-stereogene Zentrum unter Substrat-vermittelterasymmetrischer Induktion aufgebaut wurde. An-schließend wurde 46 in den Aldehyd 47 �ber-f�hrt. Eine einseitige Kettenverl�ngerung wurdedurch die Aldol-Addition unter hoher asymmet-rischer Induktion von den in 47 vorhandenenStereozentren erreicht.[26] Der erhaltene b-Hy-droxyester 48 wurde erneut in mehreren Schrit-ten (Schutzgruppenwechsel und Umfunktionali-sierung) umgesetzt, um den Aldehyd 49 zuerhalten. Die erneute Kettenverl�ngerung durchAldol-Addition, jetzt an der anderen Seite,f�hrte zum Zielmolek�l 50.
Auch Born und Tamm nutzten eine bidirek-tionale Strategie. Aber sie f�hrten die Kettenver-l�ngerungen nacheinander durch, sodass zahlrei-che Schutzgruppen-Wechsel notwendig wurden.Harada et al. f�hrten die Synthese �ber diemeso-Verbindung 18. Sie erreichten eine gleichzeitigeKettenverl�ngerung an beiden Enden. Man darfspekulieren, dass die Addition eines Lithium-enolats an 38 oder einen �quivalenten Aldehydwohl nicht an beiden Aldehydfunktionen gelun-gen w�re, denn das zun�chst gebildete Aldold�rfte sich mit der zweiten Aldehydgruppe zueinem unreaktiven Halbacetal stabilisiert haben.Insofern erwies sich die Borierung, die Haradaet al. eingesetzt hatten, als gute Wahl, denn Halbacetalereagieren ebenfalls mit Crotylboronaten, wenngleich rechtlangsam.
Die Lehre aus diesen beiden Synthesen ist die Folgende:Der bidirektionale Weg zu meso-Verbindungen kann dannbeschritten werden, wenn die reaktiven Enden der Vorstufenicht miteinander wechselwirken. Ein derartiges unabh�ngi-ges Reaktionsverhalten trifft f�r die beiden Aldehydfunk-tionen immeso-Dialdehyd 51 zu, der als Ausgangsverbindungf�r unsere bidirektionale Synthese von 56 diente (Sche-ma 18).[27] Die Synthese begann mit einer bidirektionalenMukaiyama-Aldol-Addition an den Dialdehyd 51, die mitSelektivit�t von 6:1 das meso-Dialdol 52 ergab. Nach demSch�tzen der Hydroxygruppen als pMB-Ether konnte dasabgeleitete Dicyclohexylborenolat bidirektional an den Al-dehyd 53 addiert werden. Dies ergab dasmeso-Bisaldol 54miteiner Selektivit�t von 5:1. Die nachfolgende 1,3-anti-selektiveTriacetoxyborhydrid-Reduktion ergab das meso-Tetraol 55wiederum durch simultane Umsetzung an beiden Enden desMolek�ls. 55 ließ sich glatt in das meso-Quinquedioxan 56�berf�hren. Der rasche Fortgang dieser Synthese belegt dieEffizienz, die ein bidirektionales Vorgehen bei der Synthesevonmeso-Verbindungen mit vielen Stereozentren ermDglicht.
Um es noch einmal zu sagen, die bidirektionale Syn-thesestrategie gelingt dann, wenn die reaktiven Endgruppender Zentral-Einheit nicht miteinander in Wechselwirkungtreten. Diese Bedingung war nicht erf�llt, als wir die meso-Verbindung 57 durch einen bidirektionalen Aufbau herstellenwollten (Schema 19).[28] Der Plan bestand darin, 59 �ber diemeso-Diiod-Verbindung 58 zum Zielmolek�l 57 in jeweils
bidirektionalen Schritten zu entwickeln. Dermeso-Diester 59wurde durch eine Claisen-Umlagerung des Propions�urecro-tylesters 60 erhalten. Seine zweifache Reduktion zum meso-Diol 61 war problemlos, nur versagt nach der Oxidation von61 zum Dialdehyd 62 die vorgesehene bidirektionale Wittig-Reaktion (Schema 20).
Offensichtlich traten die reaktiven Endgruppen in 62 inWechselwirkung. Insofern blieb uns wie Born und Tamm,nichts anderes �brig, als die Kettenverl�ngerung nacheinan-der durchzuf�hren (Schema 21), was sicherlich nicht effizient
O OO O
pMP
OTMS
OH OHO O OH OHO OO O OO
pMPpMP
O OO OO O
pMPpMB pMB
O OpMB
O OO O
pMP
O OO OOH OHpMB pMB pMBpMB
O OO O
pMP
OH OHO OOH OHpMB pMB pMBpMB
O OO O
pMP
O OO OOH OHpMB pMB pMBpMB
OH OHO OOH OHOH OHOH OH
pMP
OOpMB
51 52
54
55
O OO OO OO OO O
pMP56
53 53
BF3ïOEt2
pMBOC(NH)CCl3, CF3SO3H
63 %, isoliert
69 %
cHex2BCl, NEt3
Me4N+ (AcO)3BH–72 %
5 : 1
Aceton
96 %
H2, [Pd(OH)2] / C48 %
+
6 : 1
+
90 %
MeOC(CH3)=CH2
Schema 18. Bidirektionale Synthese von oligo-Dioxanylmethanen mit s-Symmetrie.
Schema 19. Retrosynthese f?r die meso-Verbindung 57.
O
O
MeOOMe
O
O
HO
OH
O
O
60 59
61 62
4 Stufen
Schema 20. Synthese von meso-Dimethylsuccindialdehyd.
R. W. HoffmannAufs�tze
1134 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
ist. In 58 waren die Endgruppen des Molek�ls weit genugvoneinander entfernt, um eine bidirektionale Fortsetzung derSynthese bis zum Ende zu ermDglichen. So konnte 58 in denBisallylborons�ureester 63 �berf�hrt werden. Dessen bidi-rektionale Verl�ngerung mit Formalehyd gelang unter Sub-strat-vermittelter asymmetrischer Induktion (A1,3-Span-nungs-Kontrolle)[29] zum Diol 64. Nach dem Sch�tzen derHydroxygruppen wurde der Dialdehyd 65 synthetisiert, derCarbonylgruppen in einem 1,6-Abstand enth�lt. Somit sinddie Aldehydgruppen offensichtlich weit genug voneinanderentfernt, um eine bidirektionale Cuprat-Addition zum Diol66 unter Felkin-Anh-Bedingungen zu ermDglichen. Das Diol66 wurde problemlos in die Zielverbindung 57 �berf�hrt(Schema 22). Ein �hnlichen Zugang zu einer weiteren meso-Verbindung mit sechs unmittelbar benachbarten Stereozent-ren ist in Lit. [30] beschrieben.
Cyclische Systeme mit s-Symmetrie werden �blicherwei-se nicht als meso-Verbindungen bezeichnet. Es gibt jedochkeinen Unterschied, was die Synthesestrategien betrifft. Einbidirektionaler Syntheseansatz ausgehend von einem s-
symmetrischen Baustein ist in der Regel der KDnigsweg.Beispielsweise wandelten Spivey et al. das Epoxid 67 in den b-Cyanoalkohol 68 um.[31] Unter dem steuernden Einfluss derterti�ren Hydroxygruppe gelang die Epoxidierung der beidenSymmetrie-�quivalenten Doppelbindungen zum meso-Epo-xid 69. Anschließende bidirektionale ger�sterweiternde Re-aktionen mit Trimethylaluminium ergab das meso-Triol 70(Schema 23).
Ein weiteres Beispiel (Schema 24) ist die Synthese von 76,einer Vorstufe f�r die Synthese von Polyether-Antibiotika.Nelson et al.[32] �berf�hrten das racemische Epoxid 71 ineinemReaktionsschritt in die zentro-symmetrische und daherachirale Verbindung 72. Dieser Schritt entspricht einer derklassischen Routen zu meso-Verbindungen (Schema 8), denndas Epoxid 71 wird unter Inversion der Konfiguration
geDffnet. Die gleichzeitig erfolgende Acetal-Bildung platziertdie beiden Methoxygruppen in 72 axial unter thermodyna-mischer Kontrolle. Ausgehend von 72 verlief die weitereSynthese danach bidirektional: Die Reaktion mit Propargyl-trimethylsilan ergab 73 unter axialer Einf�hrung der Allen-Einheiten. Deren oxidativer Abbau ergab den Dialdehyd 74,der durch Reaktion mit Dimethylsulfoxoniumylid 75 lieferte.Diese Reaktion gelang unter asymmetrischer Induktion vonden vorhandenen Stereozentren mit einer Selektivit�t von20:1. Die Symmetrie des zentro-symmetrischen Epoxids 75wurde anschließend durch eine enantioselektive Epoxid-Hydrolyse gebrochen.[33] So konnten durch kinetische Race-
HO
OH
TBSO
OH
TBSO I HO I
I
I
61
58
TBSCl
NaH75 %
Swern Ph3P=CHI
50 %
HF
CH3CN90 %
TPAP
NMO
Ph3P=CHI
66 %
oxid.
Schema 21. Sequenzielle bidirektionale Synthese der meso-Diiod-Ver-bindung 58.
I
IO
BO
ClCH2
OBO
OB
O
HO
OH
TBSO
OTBS
O
OTBSO
OTBS
TBSO
OTBS
HOOH
OMeO
O
O
O
58 63
64
65
57
66
1) nBuLi, –110 oC
2)
CH2O (gasförmig)
THF, –50 oC
ca. 50 %
TBSCl
Imidazol
90 %
1) O3
2) Ph3P
99 %
Me2CuLi
75 %
Bu4N+ F–
PyH+ TosO–66 %
Schema 22. Bidirektionale Synthese eines meso-Bisdioxanylethans.
OEt2AlCN
CN
OH
CN
OH
OO
Me3AlCN
OHOHHO
67 68 69
70
[VO(acac)2]
tBuOOH
98 % 87 %
88%
Schema 23. Symmetrische Synthese eines bicyclischen meso-Triols.
O
OO
O
O
MeOH
HOMe
O
O
H
H
··
O
O
H
H
OO
O
OH
H
O
O
PPTS
MeOH
SiMe3
Me3SiOTf
NaH
O
OH
H
OO
O
71 72
73
76
74
75
rac 85 %
1) O3
2) Me2S
98 %92 %
Me3SO+ I–
75% ca. 98 %
Schema 24. Synthese eines zentro-symmetrischen Brevetoxin-Bausteins.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1135Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
matspaltung die beiden enantiotopen Enden des Molek�lsunter Bildung des gew�nschten Zwischenprodukts 76 diffe-renziert werden. Dieser Weg zu 76 ist viel k�rzer als einefr�her verwendete Reaktionsfolge, die nicht die latenteSymmetrie der Zielstruktur nutzte.[34]
5. Die konvergente Vorgehensweise
In einem Projekt zur Synthese eines konformativ pr�or-ganisierten flexiblen b-Schleifen-Mimetikums[35] untersuch-ten wir zun�chst das meso-Diol 77 hinsichtlich seiner kon-formativen Eigenschaften.[36] Die Stereozentren in Verbin-dung 77 sind nicht benachbart; ihr weitester Abstand ist> 1,4. Da die Bindung, die der geometrische Ort desInversionszentrums ist, nicht mit Stereozentren verbundenist, bot sich eine konvergente Vorgehensweise an (Sche-
ma 25), bei der zwei zueinander formal enantiomere Bau-steine 78 und 79 verbunden werden.
Die unerfreuliche Aufgabe, zwei zueinander im Wesent-lichen enantiomere Bausteine herstellen zu m�ssen, wird indiesem Fall dadurch gemildert, dass 78 und 79 selbst einelatente Symmetrieebene haben. Sie kDnnen deswegen beidedurch eine Endgruppen-differenzierende Desymmetrisierungeinermeso-Verbindung wie 80 gewonnen werden. 80 ist leichtdurch Reduktion des meso-2,4-Dimethylglutars�ureanhyd-rids 81 zug�nglich (Schema 26).
Die Desymmetrisierung von 80 ließ sich durch eineLipase-katalysierte Acetylierung erreichen, wobei das Mo-noacetat 82 in 62% Ausbeute mit 87% ee erhalten wurde.L�ngere Reaktionszeiten f�hren vermutlich zu einem hDhe-ren ee-Wert f�r 82, allerdings zu Lasten der Ausbeute.[37] Wirsahen keinen Sinn darin, diese Option zu nutzen, denn dieEnantiomerenreinheit w�rde bei der Vereinigung der beiden
Bausteine 78 und 79 ohnehin gem�ß dem Prinzip vonHoreau[38] ansteigen. Insofern nutzten wir 82 mit 87% ee alsAusgangspunkt f�r die Gewinnung der Bausteine 83 (ent-spricht 79) und 85 (entspricht 78 ; Schema 27).
Hierzu wurde das 82 direkt zum gew�nschten Aldehyd 83oxidiert. Um in die quasi-enantiomere Reihe zu gelangen,wurden die Schutzgruppen an den Enden von 82 so getauscht,dass 84 erhalten wurde, eine MDglichkeit, die durch dielatente Symmetrie der Verbindungen erDffnet wird. DieUmwandlung von 84 in den Baustein 85 war danach prob-lemlos mDglich. Die beiden quasi-enantiomeren Bausteinewurden anschließend durch eine E-selektive Julia-Lythgoe-Olefinierung verkn�pft, wobei wie in Schema 28 ausgef�hrtdas Zielmolek�l 77 erhalten wurde.
Damit erwies sich bei der Synthese von 77 eine kon-vergente Vorgehensweise als effizient, da beide zueinanderquasi-enantiomere Bausteine 83 und 85 in enantio-divergen-ter Weise aus dem einfachenmeso-Diol 80 gewonnen werdenkonnten und die Verkn�pfungsregion im Zielmolek�l keinestereogenen Zentren enthielt. Wenn diese Bedingung nichterf�llt ist wie im Zielmolek�l 86, dann ist der Erfolg einerkonvergenten Vorgehensweise bei der Synthese nicht vor-hersehbar. Dennoch lag es nahe, Verbindung 86 in einerkonvergenten Synthese ausgehend von 87 und ent-87 alsEndgruppen zu gewinnen, wobei der zentrale Dioxan-Ringim Zuge dieser Verkn�pfung aufgebaut werden musste(Schema 29).[39]
Sicherlich ist es m�hselig, sowohl 87 als auch ent-87 ingetrennten – allerdings identischen – Reaktionsfolgen ausge-hend von (S)- und (R)-Qpfels�uredimethylester �ber Frater-Alkylierung, Boran-Reduktion, regioselektive Acetalisierungund Oxidation aufzubauen (Schema 30). F�r die Verkn�p-fung der beiden Bausteine und den Aufbau des zentralen
Schema 25. Retrosynthese des l,ngerkettigen meso-Diols 77.
OO O OHHO
OAcHO OAcAcO
LiAlH4
MeOAc
81 80
82
77 %
Schweine- Pankreas-Lipase
62 %, 87 % ee +38 %
meso
Schema 26. Enzymatische Desymmetrisierung eines meso-Diols.
OAcHO
OHOTIPS SPhOTIPS SO2PhOTIPS
OAcOTIPSClK2CO3
MeOH82 83
8584
95 %
95 %
MeSO2Cl
NEt3
PhSLi
92 %
mCPBA
92 %
PCC
100 %Imidazol
Schema 27. Synthese zweier enantio-komplement,rer Bausteine auseiner Ausgangsverbindung.
SO2PhOTIPS
OAcO
HO
OH
OTIPS
OAcAc2O
NEt3
NaHg
MeOH
HCl EtOH
83
85
77
nBuLi
90 %
86 % 91 % 62 %
Schema 28. Konvergente Synthese eines offenkettigen meso-Diols.
R. W. HoffmannAufs�tze
1136 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
Dioxan-Rings fassten wir eine Aldol-Addition zwischen 88und 87 ins Auge. Dabei m�ssen in der Verkn�pfungsregionzun�chst zwei (im Endeffekt drei) Stereozentren aufgebautwerden, und darin liegt das Problem.
Sowohl der Aldehyd 87 als auch das Keton 88 habenstereogene Zentren, von denen eine asymmetrische Induk-tion auf die Bildung der aufzubauenden Stereozentrenausgehen kann. Die Konfiguration der Stereozentren in 88und ent-87 ist entgegengesetzt, wobei offen bleibt, welchenEinfluss das hat. So ist es nicht bekannt, ob die asymmetrischeInduktion, die von den beiden Bausteinen ausgeht, dazuf�hrt, dass die Substrat- und Reagens-Kontrolle gleichsinnig(matched) oder gegensinnig (mismatched) ist.[40] Im letztge-nannten Fall w�rde eine niedrige Diastereoselektivit�t resul-tieren. Selbst in einer „Matched-Situation“ kann es sein, dassdie Bildung der Stereozentren in der nicht gew�nschtenKonfiguration bevorzugt ist. Insofern gleicht der konvergenteWeg zu 86 einem Lotteriespiel. Es bleibt lediglich dieHoffnung, dass unter der Vielzahl der Varianten f�r stereo-selektive Aldol-Additionen[41] eine ist, die den Aufbau derStereozentren in dem von uns gew�nschten Sinne ermDglicht.
Die Synthese wurde angegangen, indem ent-87 in 88umgewandelt wurde (Schema 31).[39] Da die relative Kon-figuration der Stereozentren am zentralen Ring von 86 einanti-Aldol 89 als Vorstufe verlangt, wurde 88 in ein E-Enolborinat �berf�hrt, das bei der Addition an 87 ein einzigesProdukt in 89% Ausbeute ergab. Das erhaltene Produkt warein anti-Aldol, aber wir hatten keine MDglichkeit heraus-zufinden, ob es sich dabei um die erw�nschte Verbindung 89oder um das unerw�nschte Aldol 90 handelt. Das Aldolwurde dessen ungeachtet durch eine 1,3-syn-Reduktiongefolgt von einer Acetalisierung in das Terdioxan �berf�hrt.Auf dieser Stufe legte ein Vergleich der experimentellen mitden berechneten 3JH,H-Kopplungskonstanten nahe, dass essich bei der erhaltenen Verbindung wohl um das gew�nschte86 handelt.
R�ckblickend zeigt sich, dass f�r die Synthese von 86 einekonvergente Vorgehensweise erfolgreich war, wenn auch
sicherlich mit viel Gl�ck, da das stereochemische Ergebnisder Aldol-Addition nicht vorhersagbar war. Diese Situation�hnelt der bei konvergenten Naturstoffsynthesen auftreten-den Situation, wenn stereogene Zentren in dem Schrittaufgebaut werden m�ssen, bei dem große Komponenten mitvielen stereogenen Zentren vereinigt werden. Wenn von denEinzelkomponenten eine asymmetrische Induktion ausgeht,f�hrt das zu einer problematischen Situation,[24,42] die manmDglichst vermeiden sollte.
Es dr�ngt sich die Frage auf, warum bei achiralen meso-Verbindungen eine konvergente Synthese nicht durch dieKupplung eines Racemats der Endbausteine erreichen wer-den kann? Das Problem liegt in den bisher verf�gbarenMethoden der stereoselektiven Synthese, die noch nicht soweit entwickelt sind, dass bei einem solchen Vorgehen einehinreichende meso/d,l-Selektivit�t erzielt werden kann. Dieswird am Beispiel der meso-Verbindungen 93 und 94 deutlich(Schema 32).
O
O
O
Ar
O
OO
Ar
O
O
O
O
Ar
OO
Ar
+ ? +
ent-878786
konvergent
Schema 29. Retrosynthese eines meso-Terdioxans.
MeOOCCOOMe
OHO O
Ph
HHO
O O
Ph
HO
H3B·SMe2
ent-87
PhCH(OMe)2
TosOH
DMP
63 % 60 %
87 %
Schema 30. Synthese der enantiomerenreinen Bausteine.
O O
Ph
HO
O O
Ph
HO
O O
Ph
HO
O O
Ph
HO
OO
Ph
HOH
OMeO O
Ph
HO
OO
Ph
HO
H H
O O
Ph
HO
OO
Ph
HOH
89 90
87
86
ent-87 88
EtMgBr TPAP
NMO
64 %
cHex2BCl
DIBAL
TosOH
77 % 78 %
oder
NEt3
Schema 31. Konvergente Synthese eines meso-Terdioxans.
OO
X
OO
OO
OO
OO
OO
OO
OO
OO
X X X X
92
93 94
meso/D,L-Selektivität?
Diastereoseiten-Selektivität?
Z-selektive Kupplung
meso
+
cis-Addition
+
(diastereotope Seiten der Doppelbindung)
rac-91
meso-I meso-II≅ Dulcit ≅ Allit
D,L
Schema 32. Hypothetischer Zugang zu einer meso-Verbindung durch Z-selektiveKupplung eines Racemats.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1137Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
Um diese meso-Verbindungen durch eine Kupplung vonracemischen 91 zu erhalten, m�ssen viele verschiedeneSelektivit�ten gleichzeitig gemeistert werden. Eine Kupplungder Komponenten 91 scheint z.B. durch eine McMurry-Reaktion (X=O), eine Olefin-Metathese (X=CH2) odereine Oxidation (X=PPh3) denkbar. In diesem Schritt stelltsich das zentrale Problem der meso/d,l-Selektivit�t. Da beider Verkn�pfung eine Doppelbindung gebildet wird, mussdar�ber hinaus die Konfiguration der entstehenden Doppel-bindung, E oder Z, gesteuert werden. Nehmen wir einmal an,dass es mDglich ist, eine Z-selektive Kupplung zu 92 zuerreichen. Selbst dann bleibt noch das Problemeiner Diastereoseiten-selektiven Funktionalisie-rung der Doppelbindung in 92, um entweder zu 93(meso-I) oder 94 (meso-II) zu gelangen, was letzt-lich lDsbar scheint.[43, 44]
Das Hauptproblem bei der hypothetischenEberf�hrung von rac-91 in 93 oder 94 ist eindeutigdie meso/d,l-Selektivit�t. Die Chancen hierf�r sindschlecht, da bei der Verdopplung eines Racematswie das von 91 in einer Kupplungsreaktion norma-lerweise keinerlei meso/d,l-Selektivit�t beobachtetwird. Genau dies ist die Grundlage f�r den Test vonHoreau zur Bestimmung der Enantiomerenrein-heit.[38] Allerdings gab es bisher auch keine geziel-ten Bem�hungen, meso/d,l-Selektivit�ten f�r eineAnwendung in der Synthese zu optimieren.
Die meso/d,l-Selektivit�t bleibt auch dann dasHauptproblem, wenn es gel�nge, die Bausteine 91in einer E-selektiven Weise zu 95 zu verkn�pfen(Schema 33). Sofern man auf diese Weise Verbin-dung 95 erh�lt, ist der n�chste Reaktionsschritt derbeispielsweise eine Epoxidierung der homotopenSeiten der Doppelbindung zu einem racemischenEpoxid ohne eine stereochemische Implikation.[45]
Diese ergibt sich erst bei der nachfolgenden Sffnung desEpoxids, wobei ein Diastereotopos-differenzierender nucleo-philer Angriff nDtig ist, um entweder zu 93 (meso-I) oder zu94 (meso-II) zu gelangen. Auch die Selektivit�t der RingDff-nung ist ein bisher unerforschtes Gebiet der stereoselektivenSynthese.
Den eben diskutierten hypothetischen Vorgehensweisenwaren die (erw�nschte) meso-selektive Kupplung der End-gruppen und der Aufbau der Stereozentren in der Verkn�p-fungsregion zwei getrennten chemischen Operationen zuge-wiesen. Bei einer Pinakol-Kupplung von 91 w�ren beide
Aufgaben in einem Schritt vereinigt (Schema 34). AllerdingskDnnen bei der Pinakol-Kupplung insgesamt sechs verschie-dene Kupplungsprodukte anfallen. Die Entwicklung derMethoden der stereoselektiven Synthese hat noch nicht denStand erreicht, der die gleichzeitige Steuerung der dreiverschiedenen Selektivit�ts-Arten ermDglicht, welche beidieser Kupplung eine Rolle spielen. Eine davon ist dieeinfache Diastereoselektivit�t (3,4-syn- gegen�ber 3,4-anti-Selektivit�t). Um eine meso-Verbindung wie 93 oder 94 zuerhalten, bedarf es einer 3,4-anti-Anordnung, und genau dieswird in den meisten beschriebenen Pinakol-Kupplungsreak-tionen nicht beg�nstigt.[46, 47]
Der Mangel an meso-selektiven Kupplungen von Race-maten spiegelt sich beispielsweise in der sonst spektakul�renSynthese einse aufgeweiteten Cubans durch großen Trenn-aufwand und gravierende Substanzverluste wider.[58] Die hierdeutlich werdenden L�cken im Methoden-Arsenal der ste-reoselektiven Synthese machen verst�ndlich, weswegen einekonvergente Synthese von meso-Verbindungen immer nochauf die Nutzung eines Paars enantiomerenreiner Ausgangs-verbindungen entgegengesetzter Konfiguration angewiesenist.
OO
X
OO
O
O
OO
OO
OO
OOX
OO
O
OX
X OO
O
OX
X
95
93 94
E-selektive Kupplung
meso D,L
meso/D,L-Selektivität?cis-Addition
+
Diastereoseiten-Selektivität?
+
(homotope Seiten der Doppelbindung)
(diastereotope Positionen für nucleophilen Angriff)
rac-91
rac !
meso-I meso-II≅ Dulcit ≅ Allit
Schema 33. Hypothetischer Zugang zu einer meso-Verbindung durch E-selektiveKupplung eines Racemats.
Schema 34. Hypothetischer Zugang zu einer meso-Verbindung durch Pinakol-Kupp-lung eines Racemats.
R. W. HoffmannAufs�tze
1138 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
6. Lineare Synthesen
Der lineare Zugang zu stereochemisch anspruchsvollenmeso-Verbindungen ist wie jede lineare Synthese zun�chstunattraktiv, da er im Allgemeinen eine hDhere Zahl anSyntheseschritten verlangt als eine konvergente Vorgehens-weise. ImGegenzug hat die lineare Synthese den Vorteil einerhDheren Planungssicherheit und – im Falle von meso-Ver-bindungen – den Vorteil, dass es hinsichtlich der einzuset-zenden Methoden keine Einschr�nkungen gibt. Dabei ist essogar vorteilhaft, enantiomerenreine Ausgangsstoffe einzu-setzen. Dann kann das gesamte Methoden-Arsenal derstereoselektiven Synthese, einschließlich chiraler Reagentien,chiraler Katalysatoren und chiraler Auxiliare eingesetztwerden, um die stereogenen Zentren in der Zielstrukturaufzubauen. Insofern �berrascht es nicht, dass unter denvielen Synthesen der Ansa-Kette des Rifamycin S (31)[42]
lineare Vorgehensweisen �berwiegen.Sowohl die Vorteile als auch die Nachteile einer linearen
Synthese kDnnen anhand der Synthese von Verbindung 96[48]
aufgezeigt werden, die mit Verbindung 86 verwandt ist. Wiebereits ausgef�hrt, war das stereochemische Resultat bei derSynthese von 86 nicht vorhersagbar, und ein zuverl�ssigerBeweis der relativen Konfiguration des Produkte konntenicht erbracht werden. Wir begannen daher eine lineareSynthese von 96, mit der auch die Strukturzuordnung von 86abgesichert werden konnte. Der im nachstehenden Schemaskizzierte Syntheseplan ist zwar insgesamt linear, enth�lt aberauch bidirektionale und konvergente Elemente (Schema 35).
Der Plan sieht als Ausgangsstoffe die enantiomerenreinenVerbindungen 97 und 98 definierter Konfiguration vor,obwohl die Zielstruktur 96 achiral ist. Die Synthese gingvom (R,R)-Weins�uredimethylester (99), der in das bekannteBisisopropenyldioxan 100 umgewandelt wurde (Sche-ma 36).[49] Anschließend konnten die beiden n�chsten stereo-genen Zentren durch eine bidirektionale Hydroborierungzum Diol 101 aufgebaut werden. Wegen der C2-Symmetrievon 101 sind die beiden Enden des Molek�ls homotop.Deswegen treten beim einseitigen Sch�tzen einer Hydroxy-gruppe zu 102 keine stereochemischen Probleme auf.
Hier beginnt die lineare Synthese (Schema 37): Die freieHydroxygruppe in 102 wird in eine Sulfonfunktion umge-wandelt, um eine Julia-Lythgoe-Olefinierung zu ermDglichen.So f�hrte die Reaktion des Sulfons 103 mit 97 zu einem E-Alken 104, das noch geringe Mengen des Z-Isomers enthielt.Letzters ist im nachfolgenden Schritt, der Dihydroxylierungunreaktiv und muss daher nicht entfernt zu werden. Eineeinfache Dihydroxylierung von 104, bei der nur eine Substrat-vermittelte asymmetrische Induktion zum Zuge kommt,
gelang nur mit niedriger Diastereoselektivit�t. Jetzt kommendie Vorteile einer Synthese in der enantiomerenreinen Reihezum Tragen: eine asymmetrische Dihydroxylierung, d.h. eineReagens-Kontrolle der Diastereoselektivit�t, kann erfolgen.Unter den Bedingungen einer asymmetrischen Dihydroxylie-rung wurde das Produkt 105 mit einer Selektivit�t von 10:1erhalten. Dass dem im Eberschuss gebildeten Diastereomerdie Formel 105 zukommt, folgte aus der anschließendenUmwandlung in das symmetrische meso-Hexaol 106 unddessen Umsetzung in das Terdioxan 96 (Schema 38).[48]
Die Synthese von 96 zeigte, dass eine lineare Vorgehens-weise in der enantiomerenreinen Reihe zuverl�ssig ist undstereochemisch definiert durchgef�hrt werden kann, aber sieist sehr viel aufw�ndiger. Das Kennzeichen einer solchenlinearen Synthese ist, dass jedes stereogene Zentrum imZielmolek�l mit einer definierten Absolutkonfiguration auf-gebaut wird, sodass am Schluss eine symmetrische Verbin-dung erhalten wird.
Eine solche Vorgehensweise ist dann interessant, wenndie Zahl der (r�umlich getrennten) Stereozentren in deraufzubauenden meso-Verbindung niedrig ist. Dies gilt bei-spielsweise f�r die meso-Diaminopimelins�ure 110, einerVerbindung, der anhaltendes Interesse zukommt (Sche-ma 39).[50] Zwei Synthesen,[51] in denen die beiden Stereozent-
O O
HO
OO
H O
H H pMBO O
HOOH
O
OOH
OH
96 97 98
2 8 2 85
+5
Schema 35. Retrosynthese zum linearen Aufbau eines meso-Terdioxans.
MeOOCCOOMe
OH
OH HO
OHO
O
O
O
HO
OH
O
BF3·OEt2
O
O
O
O
HO
OpMB
100 101
102
99
CH3SO2Cl
NEt3, DMAP
1) Et2BH
2) H2O2, NaOH
98 % 50 %
MeMgI
63 %
pMBBr
NaH
78 %
Schema 36. Lineare Synthese ?ber C2-symmetrische Zwischenstufen.
O
O
HO
OpMB
OpMBO
TosCl
O
O
TosO
OpMB
O
O
PhSO2
OpMB
O
O
SO2
OpMBOHpMBO
Ph
O
O OpMBpMBO
102
103
104
97
NEt3, DMAP
99 %
PhSO2Na
NaI, DMF
83 %
1) nBuLi
2)
95 %
NaHg
74 %
Schema 37. Aufbau von Zwischenstufen f?r eine lineare Synthese einesmeso-Terdioxans.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1139Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
ren unabh�ngig voneinander aufgebaut werden, sind nach-stehend dargestellt (weitere Synthesen siehe Lit.[52]).
In der einen Synthese stammt das erste stereogeneZentrum aus nat�rlicher Glutamins�ure. Die Ausgangsver-bindung 107wurde in den a,b-unges�ttigten Amino-Ester 108�berf�hrt. Danach wurde das zweite stereogene Zentrumdurch asymmetrische Hydrierung mit einem chiralen Kataly-sator aufgebaut, d.h. unter Reagens-Kontrolle der Diaste-reoselektivit�t. In der zweiten Synthese wurde zun�chst dasAminos�ure-Derivat 109 aus einer nat�rlichen Aminos�uresynthetisiert. Anschließend wurde eine chiral-katalysierteEn-Reaktion eingesetzt, um das zweite stereogene Zentrumaufzubauen. Beide Synthesen sind typische Beispiele daf�r,dass ein zweites Stereozentrum in einer meso-Verbindungunabh�ngig von der Konfiguration des ersten (r�umlichgetrennten) Stereozentrums aufgebaut werden kann.
Wenn eine weitreichende (d.h. > 1,5) asymmetrischeInduktion erfolgt, kann auf die Reagens-Kontrolle der
Diastereoselektivit�t verzichten werden. In diesem Fall kanndie lineare Synthese einer meso-Verbindung auch ausgehendvon einem Racemat durchgef�hrt werden. Dies ist inSchema 40 bei der Synthese des meso-Diols 112 aus demracemischen Halbacetal 111 gezeigt.[53]
Abk%rzungen
Bn BenzylBoc tert-Butyloxycarbonylcod 1,4-Cyclooctadien(DHQD)2PHAL Hydrochinidin-(1,4-phthalazindiyldiether),
chiraler Ligand f�r die asymmetrischeDihydroxylierung[55]
DIBAL DiisobutylaluminumhydridDMAP 4-DimethylaminmopyridinDMF N,N-DimethylformamidDMP Dess-Martin-Periodinan[54]
DPTBS tert-ButyldiphenylsilylDuPHOS Chiraler Ligand f�r asymmetrische Hy-
drierungen[56]
Ipc IsopinocampheylMCPBA m-Chlorperbenzoes�ureNMO N-Methylmorpholin-N-oxidPCC PyridiniumchlorochromatPG SchutzgruppePLE Schweineleber-EsterasepMB p-MethoxybenzylpMP p-MethoxyphenylPPTS Pyridinium-p-toluolsulfonatPy PyridinSwern Swern-Oxidation[57]
TBS tert-ButyldimethylsilylTIPS TriisopropylsilylTf TrifluormethansulfonylTMS TrimethylsilylTos p-MethylphenylsulfonylTPAP TetrapropylammoniumperruthenatTr TriphenylmethylZ Benzyloxycarbonyl
Die in dieser 5bersicht beschriebenen Ergebnisse unserereigenen Arbeitsgruppe basieren auf einer nachhaltigen F*rde-rung durch den Fonds der Chemischen Industrie, die DeutscheForschungsgemeinschaft und die Volkswagen-Stiftung.
Eingegangen am 14. Juni 2002 [A542]
[1] F. W. Lichtenthaler, Angew. Chem. 1992, 104, 1577 – 1593;Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1992, 31, 1541 – 1556.
[2] M. Ohtani, T. Matsuura, F. Watanabe, M. Narisada, J. Org.Chem. 1991, 56, 4120 – 4123.
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[4] H. B. Kagan, J. C. Fiaud, Top. Stereochem. 1988, 18, 249 – 330.[5] D. Seebach, G. Jaeschke, J. Org. Chem. 1998, 63, 1190 – 1197.
O
O OpMBpMBO
O
O OpMBpMBO
O
O OpMBpMBOOH
OH
OH
OH
OH OHOH
OH OH
OH O OO
O O
O
104
105
106 96
OMe
(DHQD)2PHAL
K2OsO4, K3[Fe(CN)6]
TosOH (CH2SH)2
PyH+OTos–
10 : 174 %
91 % 70 %
Schema 38. Abschließende Schritte einer linearen Synthese einesmeso-Terdioxans.
tBuOOC
NHBoc
tBuOOC
Boc2N
COOMe
NHZ
ROOC
Boc2N
COOR
NHZ
COOH
HOOC
H2N
COOH
NH2
ROOC
HO
COOR
NHZPhS
COOR
NHZPhS
ROOC
O
NCu
N
OO
Ph Ph
TfO–
107 108
110109
H2/[RhI(cod)],
DuPHOS94 %
42 %
3 Stufen
+
Schema 39. Synthesewege zu meso-Diaminopimelins,ure.
O
OH
OH OH
111 112
MeTi(OiPr)3
73 %, d.r. 4.2:1
Schema 40. Lineare Synthese eines meso-Diols unter Nutzung einer1,5-asymmetrischen Induktion.
R. W. HoffmannAufs�tze
1140 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
[6] a) R. S. Ward, Chem. Soc. Rev. 1990, 19, 1 – 19; b) M. Ohno, M.Otsuka, Org. React. 1989, 37, 1 – 55; c) H.-J. Gais, Methods Org.Synth. (Houben-Weyl) 4th ed. 1952–, Bd. E21a, 1995, S. 589 –643; d) E. Schoffers, A. Golebiowski, C. R. Johnson, Tetrahe-dron 1996, 52, 3769 – 3826; e) D. M. Hodgeson, A. R. Gibbs,G. P. Lee, Tetrahedron 1996, 52, 14361 – 14384; f) P. Chiu, M.Lautens, Top. Curr. Chem. 1997, 190, 1 – 85; g) M. C. Willis, J.Chem. Soc. Perkin Trans. 1 1999, 1765 – 1784; h) E. N. Jacobsen,Acc. Chem. Res. 2000, 33, 421 – 423; i) M. Lautens, C. Do-ckendorff, K. Fagnou, A. Malicki,Org. Lett. 2002, 4, 1311 – 1314.
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mann, Chem. Rev. 1989, 89, 1841 – 1860.[30] R. W. Hoffmann, K. Menzel, Eur. J. Org. Chem. 2001, 2749 –
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[37] a) Y.-F. Wang, C.-S. Chen, G. Girdaukas, C. J. Sih, J. Am. Chem.Soc. 1984, 106, 3695 – 3696; b) C. J. Sih, S.-H. Wu, Top. Stereo-chem. 1989, 19, 63 – 125.
[38] a) V. Rautenstrauch, Bull. Soc. Chim. Fr. 1994, 131, 515 – 524;b) I. Fleming, S. K. Ghosh, J. Chem. Soc. Chem. Commun. 1994,99 – 100.
[39] R. W. Hoffmann, G. Mas, T. Brandl, Eur. J. Org. Chem. 2002,3455 – 3464.
[40] S. Masamune, W. Choy, J. S. Petersen, L. R. Sita, Angew. Chem.1985, 97, 1 – 31; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1985, 24, 1 – 30.
[41] C. J. Cowden, I. Paterson, Org. React. 1997, 51, 1 – 200.[42] I. Paterson, M. M. Mansuri, Tetrahedron 1985, 41, 3569 – 3624.[43] Siehe auch T. K. M. Shing, E. K. W. Tam, V. W-F. Tai, I. H. F.
Chung, Q. Jiang, Chem. Eur. J. 1996, 2, 50 – 57.[44] Eine derartige Kupplung racemischer Bausteine I wurde von uns
als Zugang zur meso-Verbindung IV in Betracht gezogen (A.Pletsch, Diplomarbeit Universit�t Marburg 2001). Eine Struk-turzuordnung der Kupplungsprodukte II und III w�re �ber eineKupplung des enantiomerenreinen Bausteins I mDglich, dieausschließlich zu II f�hrt. Die Bem�hungen, IV wie in Sche-ma 41 gezeigt aufzubauen, wurden aufgegeben, nachdem unseine Z-selektive Kupplung der Bausteine nicht gelang.
[45] P. KDll, J. Kopf, J. O. Metzger, W. Schwarting, M. Oelting,Liebigs Ann. Chem. 1987, 199 – 204.
[46] Siehe Beispielsweise: B. K. Banik, Eur. J. Org. Chem. 2002,2431 – 2444.
[47] Ausnahme: R. Yanada, N. Negero, K. Yanada, T. Fujita,Tetrahedron Lett. 1997, 38, 3271 – 3274.
[48] T. Brandl, R. W. Hoffmann,Eur. J. Org. Chem. 2002, 2613 – 2623.[49] D. S. Matteson, E. C. Beedle, A. A. Kandil, J. Org. Chem. 1987,
52, 5034 – 5036.[50] R. J. Cox, J. Durston, D. I. Roper, J. Chem. Soc. Perkin Trans. 1
2002, 1029 – 1035, zit. Lit.[51] a) W. Wang, C. Xiong, J. Yang, V. Hruby, Synthesis 2002, 94 – 98;
b) Y. Gao, P. Lane-Bell, J. C. Vederas, J. Org. Chem. 1998, 63,2133 – 2143.
O
O
rac-I
IV
X
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
OH
OH O
O
+
meso-III
rac-II
Diastereoseiten-selektive Dihydroxylierung
Schema 41. Kupplung eines Racemats als potenzielle Route zu einermeso-Verbindung.
meso-VerbindungenAngewandte
Chemie
1141Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142
[52] a) R. M. Williams, C. Yun, J. Org. Chem. 1992, 57, 6519 – 6527;b) F. A. Davis, V. Sirirajan, J. Org. Chem. 2000, 65, 3248 – 3251;c) J. L. Roberts, C. Chan, Tetrahedron Lett. 2002, 43, 7679 – 7682.
[53] a) K. Tomooka, T. Okinaga, K. Suzuki, G. I. Tsuchihashi,Tetrahedron Lett. 1987, 28, 6335 – 6338; b) E. M. Flamme,W. R. Roush, J. Am. Chem. Soc. 2002, 124, 13644 – 13645.
[54] D. B. Dess, J. C. Martin, J. Am. Chem. Soc. 1991, 113, 7277 –7287.
[55] H. C. Kolb, M. S. VanNieuwenhze, K. B. Sharpless, Chem. Rev.1994, 94, 2483 – 2547.
[56] M. J. Burk, J. E. Feaster, W. A. Nugent, R. L. Harlow, J. Am.Chem. Soc. 1993, 115, 10125 – 10138.
[57] A. J. Manusco, S.-L. Huang, D. Swern, J. Org. Chem. 1978, 43,2480 – 2484.
[58] P. Manini, W. Amrein, V. Gramlich, F. Diederich,Angew. Chem.2002, 114, 4515 – 4519; Angew. Chem. Int. Ed. 2002, 41, 4339 –4343.
R. W. HoffmannAufs�tze
1142 Angew. Chem. 2003, 115, 1128 – 1142