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Mit 66 Abbildungen

Mit 66 Abbildungen - Amalthea · putzten Fiat Topolino anwarf und mit den Kindern für einen Tag zum Baden von Triest nach Grado fuhr – zwei Stunden Fahrt. Aber was für ein Ziel!

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  • Mit 66 Abbildungen

  • Für Valentin

    Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

    © 2019 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Elisabeth Pirker/OFFBEATUmschlagabbildungen: Cover: Café Secession, Grado (links), See-bad Grado (rechts)/Archive Scaramuzza, © iStock.com (Hintergrund); Rückseite: Werbung Pension Villa Reale/Archiv Villa Reale, Foto: Andreas SchwarzRezepthintergrund: cardboard_04 von raduluchian.comLektorat: Helene SommerHerstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten Gesetzt aus der 11,25/14,25 pt Minion ProDesigned in Austria, printed in the EUISBN 978-3-99050-129-0eISBN 978-3-903217-33-1

  • Inhalt

    1 Die Magie Grados 9Auf Spurensuche – eine Annäherung

    2 Die Tür, durch die kein Kaiser ging 15Flanieren in die Vergangenheit: Über den »vollsten Beifall« der Gäste aus dem Hause Habsburg, verruchte Begegnungen am dunklen Strand und eine kleine Schwindelei.

    3 »Für die Haut gibt’s nur die Adria« 25Warum Grado gesund ist, selbst wenn man stundenlang bis zu den Knien im Meer steht und plaudert. Und wie aus dem Fischerdorf überhaupt erst ein See- und Kurbad wurde.

    4 Alpenfloh und Butterstizzi 37Zwei Schwestern machen die Villen des Baron Bianchi zum Sommerziel für Adel und Bürgertum. Ein Stammhalter wird mit blauen Handtüchern gefeiert. Und in einen alten VW passen 45 Koffer.

    5 Eine »Naturgewalt« entdeckt Grado 54Eine Wiener Unternehmerstochter setzt sich ein Hotel in den Kopf, ihr Mann opfert seine Künstlerkarriere und die Pension Fortino wird zu einem der Flaggschiffe des Seebades.

  • 6 »Das Meer ist auf Dauer auch nicht abendfüllend« 62Der Schriftsteller Egyd Gstättner über die Entdeckung des vergessenen Secessionisten Josef Maria Auchentaller und die Entstehung seines historischen Grado-Romans.

    7 Schlafen in der Badewanne 70Karl Bianchi erzählt – vor fast 100 Jahren – über das 13-mal zerstörte Grado, über 23-jährige Ehen ohne Streit (+ 30 Tage) und über verrückt tanzende Kurgäste. Er hofft auch, dass »Grados Boden dereinst wieder zu Österreich gehören möge«.

    8 »Bin angekommen« 81Yves Saint Laurent schätzte die Villa Reale, Marc Chagall schickte Zeichnungen. Das Kochbuch der Hanni Schöffmann ist heilig. Gegen schlechtes Wetter gibt es eine Garantie. Und Scherentiere schreiben Zettel, ehe sie verspeist werden.

    9 Der Fischerbub und das Eis 96Einem kleinen Dorf im Friaul verdankt Grado gleich mehrere seiner Villen. Von denen es die meisten nicht mehr gibt. Wäre die Nichte Adele Bloch-Bauers nicht kränklich gewesen, gäbe es auch viele Kinderbücher nicht.

    10 Rückzugsort 105Was die Villa Erica mit der idyllischen Lagune zu tun hat, in der nicht nur Pier Paolo Pasolini einen Film drehte, guter Fisch serviert wird und kleine casoni vom früheren Haupterwerb der Gradeser zeugen.

    11 Ohrringe und andere Beweise 116Über bekannte und heimliche Affären, tragische Liebschaften und erheiternde Gspusis in Grados Villen. Und über ein Buch,

  • das zum gefragten Strand-Utensil wurde und ein Sittenbild seiner Zeit zeichnete.

    12 Feiern im »Saint Tropez« der Adria 129Grado war nicht nur nach der vorletzten Jahrhundertwende mondän – von der Callas bis zu großen Fußballstars verstanden es Gäste auch später, in der Villa Bernt gut zu essen und zu tanzen.

    13 »Beim dritten Kamin links« 141Warum Straßennamen und Hausnummern in Grado Nebensache sind. Wieso der Erzengel Michael Lilien trägt. Und in welcher Villa »Madonnina del Mare« auch schon zu hören war. Ein kleiner Rundgang.

    14 »Die Gradeser hassen Papier« 152Was wurde am 7. Juli 1897 eröffnet, und wenn wir schon dabei sind: Wie war an diesem Tag das Wetter? Es gibt vermutlich nichts, was Bruno Scaramuzza über Grado nicht weiß.

    15 »Die Schaukel steht immer noch« 158Wieso ein ebenso grandioser wie tröstlicher Eislauf-Olympiasieg auf Rollschuhen in Grado begann. Warum ein Formel-1-Weltmeister sich nicht erinnern will. Und weshalb ein Erzkomödiant nur Genuss und Glück verspürte.

    16 Rezepte aus dem Gradeser Zuhause 174Der Reisende, der an die Adria kam, hat nicht immer die italienische Küche gesucht – aber als er sie in Grado gefunden hat, wuchs sie ihm vor allem in den Villen an Herz und Magen.

  • 17 Villa Reale: Gesetztes Essen statt beliebigem Buffet 181Die Küche der Villa Reale hat einen weithin guten Ruf, die Rezepte sind ein wohlgehütetes Geheimnis. Aber für dieses Buch verrät Sabine Vianello einige besonders köstliche wie den Branzino in der Folie oder das Orangen-Tiramisu.

    18 Villa Erica: Der Klassiker auf dem Tisch 197Unbedingt ohne Tomaten zubereiten, aber vor allem: Sagen Sie nie Fischsuppe zu einem Gradeser Boreto. Auch wenn der Fisch auf dem Teller schwimmt. Fisch kommt auch noch in einigen anderen Erica-Varianten vor.

    19 Ville Bianchi: Die Vorfreude auf dem Menüständer 209Über Jahrzehnte Fixpunkt: Die abwechslungsreiche Küche und das Salat- und Nachspeisenbuffet. Matschkerer wussten schon am Morgen, worüber sie mittags und abends matschkern – und es doch genießen wollten.

    20 Ein bisschen Grado am Burgring 235Was ein Szegediner Hummerkrautfleisch mit Grado zu tun hat, und wie Starkoch Christian Domschitz im Wiener »Vestibül« auch für Gradeser Gäste Saltimbocca alla romana und grüne Minestrone zaubert.

    Die Villen in Grado – Chronologie 242

    Quellen und weiterführende Literatur 245

    Bildnachweis 247

    Dank 248

    Namenregister 249

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    1 Die Magie GradosAuf Spurensuche – eine Annäherung

    D er Burgschauspieler mit der markanten Stimme hat als Kind Sommer für Sommer bei Verwandten in Triest verbracht. Später wurde er Publikumsliebling im Haus am Ring oder bei den Festspielen in Reichenau. Als Synchronstimme von Ben Kingsley kennt ihn jeder, auch der größte Theatermuffel. Damals, in den 1950er-Jahren, war das für den kleinen Peter Matić noch weit weg. Für den Knaben aus dem Norden gab es im Sommer nur Sonne, Wind und Meeresluft im Süden. Und zwar am äußersten Zipfel der Adria, wo Italien auch heute noch so österreichisch ist. Ferien-höhepunkt war stets: Wenn der Triestiner Onkel den frisch ge -putzten Fiat Topolino anwarf und mit den Kindern für einen Tag zum Baden von Triest nach Grado fuhr – zwei Stunden Fahrt. Aber was für ein Ziel!

    Was der Bühnenstar in spe beim Planschen im seichten Wasser der oberen Adria nicht wissen konnte: Dass er Jahrzehnte später in den fünf gelben herrschaftlichen Villen, die den Strand von Grado damals schon überschauten, Urlaub machen würde. Was er zudem nicht wusste: Dass er mit der Urenkelin des Barons, der diese Ville Bianchi zur Jahrhundertwende bauen ließ, verwandt sein würde.

    Es ist eine typisch österreichische Geschichte. Und wer heute Grado besucht, reist in die österreichische Geschichte. Auch wenn die nicht Hauptzweck der Reise ist.

    Die meisten kommen mit Kind und Kegel zu Sonne und Sand. Der flach abfallende Strand, die »Cocco bello!«-Rufe der fliegenden Händler, die zur Labung Obstspieße verkaufen, das unvergleich-

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    liche Gelato auf der Promenade – Generationen verbinden damit Sommer pur. Später besuchen sie Grado oft auch dann noch, wenn die Kinder längst aus dem Haus und auf eigenen Urlaubswegen sind. Wege, die die groß gewordenen Kinder nicht selten wieder zurück an die obere Adria und in »ihr« Grado führen – der Bub, der dem Fiat Topolino seines Onkels entwuchs und Schauspieler sowie Grado-Reisender wurde, ist nur ein Beispiel von vielen.

    Was ist es aber, das diesen Kreislauf antreibt wie ein Perpetuum mobile? Was macht den Badeort für viele zu einem fast magischen Platz? Zu einem Immer-wiederkommen-Müssen? Zu einer Art Zuhause im Urlaub, nein: zum Zuhause? Oder, wie es ein anderer Schauspieler formuliert, Erwin Steinhauer, mit fast schnalzender Zunge: »Für mich waren das Friaul und Grado eine Zeit der Genüsse. Nur Genuss und Glück! Ich muss bald wieder hin.«

    Der Gradeser Künstler Gianni Maran spricht tatsächlich von der »Magie Grados«. Sie bestehe, sagt er, aus zumindest dreierlei: Da ist zum einen der Duft, der den Reisenden schon auf der kilometer-langen Brücke von Belvedere hinüber nach Grado einfängt. Dort, wo sich das flache Land mit seinen Pinien auftut für den ersten Blick über die breite Lagune hinüber zur Insel und der Silhouette der Stadt. Tief einatmen, und die Magie ist schon da, zaubert augenblicklich ein Stimmungstuch, in das man sich wohlig hüllt. Der zweite Stoff, aus dem die Magie Grados gewebt ist, das ist die ganz eigene Atmosphäre in den engen Gassen und winkeligen Durchgängen der Altstadt, dem centro storico mit seinen alten Steinhäusern, ebenso wie auf den schattigen Plätzen und den brei-ten Promenaden, entlang des Hafens und auf dem Weg zum Strand. Und zum Dritten besteht die Magie Grados aus etwas, das man zuerst vielleicht nur unbewusst wahrnimmt, dann langsam begreift und schließlich freudig-staunend spürt und erwidert: aus dem Lächeln, das überall in Grado wartet  – »nicht Lachen, es ist das Lächeln«, sagt der Künstler.

    Die Atmosphäre hat, da sind wir wieder beim Beginn, viel mit der österreichischen Geschichte des Badeortes zu tun. Und die

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    wird nirgendwo sichtbarer als in den Villen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert gebaut wurden. Einer Zeit, als Grado Teil des österreichischen Küstenlandes war – und das Mekka der Erholung-suchenden aus der Monarchie. Ihre Herberge waren vor allem die Villen. Die erwähnten Ville Bianchi nächst dem Strand, die ver-spielte Villa Reale oder die Villa Erica schräg gegenüber sind heute noch höchst lebendige Zeitzeugen der vergangenen Epoche, die in Grado in vielen Geschichten und Anekdoten weiterlebt. Und die viel zu diesem Zuhause-Gefühl im Urlaub beitragen.

    Grado verdankt seine Geburt übrigens Frauen. Und seiner guten Luft. Jetzt könnte man natürlich sagen, das ist banal, weil: Geht nicht alles auf der Welt kraft des Gebärens auf Frauen zurück? Und ein Seebad ohne gute Luft, wie soll das gehen? In Grado aber ver-hält es sich so: Das Fischerdorf auf der kleinen Insel gibt es schon ewig, und Fischerdörfer waren traditionell von Männern domi-niert. Von Fischern eben. Aber dass Grado vor mehr als einem Jahrhundert zum Seebad erblühte, zu einer Perle mit besagten Vil-len und mondänen Hotels, zu einem Kurort der Heilung und einem Badeort des Familienvergnügens – das ist vornehmlich auf Frauen zurückzuführen.

    Gewiss, es haben auch Männer das Zepter in der Hand gehabt. Männer aus Familien mit so klingenden Namen wie Scaramuzza, Degrassi, Marchesini und Marocco. Sie haben um die Wende zum vergangenen Jahrhundert als Bürgermeister Land aufschütten las-sen und Straßen gebaut, Bäume gepflanzt und Badeordnungen erlassen. Und der wichtigste Mann natürlich, der Kaiser in Wien, hat sowieso das Zepter in der Hand gehabt. Insofern nämlich, als er wohlwollend und großzügig das Werden des Seebades förderte. Nicht zu vergessen all die wohlhabenden Adeligen und Fabrikan-ten, die wunderschöne Häuser auf das immer größer werdende Land in der Lagune setzten – allen voran Baron Leonard Bianchi, der als Urvater Grados gelten kann (für die Geburt braucht es halt doch auch einen Vater). Aber auch er tat das für seine Frau, die an der Gradeser Luft genesen sollte, und für seine Kinder. Manch

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    andere wiederum taten es für ihre kränkelnden Kinder, die an ebendieser Luft tatsächlich gesundeten.

    Aber es waren starke Frauen, die in der Folge nicht nur in den Villen, sondern darüber hinaus in Grado den Laden schupften, wie man in Österreich sagen würde. Und zutiefst österreichisch, k. u. k.-österreichisch, das war Grado zu seiner Blütezeit. Die Geschichte der Wiener Fabrikantentochter Emma Scheid, ver-heiratet mit dem Secessionisten Josef Maria Auchenthaller, die mit ihrer kranken Tochter Maria nach Grado zog und die Pension Fortino bauen ließ, ist schon vor einiger Zeit aus der Versenkung geholt worden. Andere Geschichten belegen, dass nicht allein das Fortino am Beginn von Grados Aufstieg stand, sondern dass es davor und danach viele Villen  – und viele Frauen  – waren, die Grado zu dem machten, was es heute noch ist. Diese Geschichten sind Schätze, die kaum wo niedergeschrieben sind, sondern nur erzählt und weitergegeben werden, wenn man sich auf Spuren-suche begibt.

    So wird die Rede sein von den beiden Schwestern, die, stets in Schwarz gekleidet, vom Beginn bis weit in die zweite Hälfte des ver-gangenen Jahrhunderts mit dem Rad durch Grado und Umgebung fuhren, um ihre Ville Bianchi und das Seebad voranzubringen. Es wird die Rede sein von Emma Scheid natürlich, die, wie die Schwes-tern, tagein, tagaus für ihr Hotel und ihr Grado kämpfte. Es wird erzählt vom handgeschriebenen Kochbuch der Hanni Schöff-mann – ja, auch die Küche spielt eine entscheidende Rolle in der Geschichte Grados –, das wie ein wertvoller Schatz geheim gehalten wird bis heute. Sein manchmal üppiger (die Zutaten!) und immer geschmackvoller Inhalt eröffnete und eröffnet sich bis heute nur den Gästen der Villa Reale, deren aus Kärnten eingeheiratete Seele die Schöffmann war. Von der großen Maria Callas wird die Rede sein, die in den späten 1960er-Jahren mit dem ebenso großen Pier Paolo Pasolini in Grado einen Film drehte und dem Seebad einen neuen Aufschwung zum »St. Tropez der Adria« bescherte – die bei-den waren nur zwei von zahllosen prominenten Gästen, die seit

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    Sigmund Freud, Arthur Schnitzler und Otto Wagner dem Adria-Ort gesellschaftlichen Glanz verliehen. Von einer Baroness ist zu lesen, die die Familiengeschichte der Bianchi hütet und die von keinem Geringeren als vom Teenager Niki Lauda auf den Straßen in und um Grado Autofahren gelernt haben will – wer kann das schon von sich sagen? Zeitungszaren und internationale Fuß-baller – weil auch von Männern die Rede sein wird –, Wirtschafts-bosse, Filmschaffende, Schauspieler und Literaten, sie alle haben in Grado ihr zweites Zuhause gefunden.

    Und weil das alles nicht ohne Küche ging und geht, oder anders: Weil auch die Liebe zur Sommerfrische und zum Urlaubsort durch den Magen geht, wird auch von gutem Essen die Rede sein. In Grado wurde zu Zeiten des Österreichischen Küstenlandes vor-wiegend österreichisch, ungarisch und böhmisch gekocht. Der saf-tige Schweinsbraten und das Pilsner Bier waren nebst den Süß-speisen aus der Monarchie die kulinarischen Höhepunkte eines Tages in der Badeanstalt. Viel später kamen die Pasta und der Riso dazu, der Fisch, wie er an der Küste bereitet wird, die Muscheln und andere Meeresfrüchte. Heute wird dagegen vor allem in den Villen die italienische Küche serviert, nach der sich der Italien-Rei-sende so sehnt. Jene Küche also, die er in angeblich »typischen« italienischen Restaurants so selten bekommt, es sei denn, er sucht lange und vermeidet die ausgetretenen touristischen Pfade: Unauf-geregte, beständige, wirklich italienische Gerichte, die wohlfühlen lassen und Lust machen, sie zu Hause auszuprobieren. Wenn man nur das Rezept hätte! Ein paar dieser Rezepte werden wir vor-stellen  – denn wenn man Grado mit nach Hause nehmen kann, bleibt das Zuhause-Gefühl wach, das man an Grado so schätzt. Auch wenn man gerade nicht dort ist.

    Da sind wir dann doch wieder am Anfang: Das vorliegende Buch liefert keine chronologische Darstellung der Villen, ihrer Bewohner oder ihrer Gäste. Es ist keine lexikalische Auflistung und kein Who’s who in Grado. Und der kulinarische Teil ist kein Register der Gradeser Küche. Das Buch versucht nur eines: In einer bunten

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    Aneinanderreihung von Geschichten und Geschichte, von Erinnerungen und Anekdoten, von Erzählungen und verstaubten Dokumenten aus längst vergessenen Kartons und Kisten ein Bild zu malen. Dieses Bild soll nicht in Nostalgie ertrinken. Es will ein Gefühl und einen Zustand vermitteln oder wachrufen, je nachdem: Die Magie Grados, die den Besucher einfängt. Eine Magie, die den Gast spätestens beim zweiten Mal nicht mehr Besucher, sondern Heimkehrer sein lässt. Nach zu Hause, in sein Grado.

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    19 Ville Bianchi: Die Vorfreude auf dem Menüständer

    Über Jahrzehnte Fixpunkt: Die abwechslungsreiche Küche und das Salat- und Nachspeisenbuffet. Matschkerer wussten schon am Morgen, worüber sie mittags und abends matschkern – und es doch genießen wollten.

    G efühlte Ewigkeiten war es in den Ville Bianchi so: Am Mor-gen, wenn die Gäste aus den oberen Etagen der Villa Stella Maris oder aus den anderen Villen zum Frühstück kamen, das meist im Garten eingenommen wurde, machten sie noch einen kleinen Abstecher zum Eingang des Speisesaals  – dort lag auf einem Speisekartenständer aus Messing bereits der Plan für den pranzo. Auf dass man schon gedanklich fürs Mittagessen aus sechs primi piatti, vier secondi, contorni und dem Dessert-Buffet wählen konnte. Für den Nachmittag hielt es die Familie Grigolon, die das Haus und die Küche bis vor wenigen Jahren mit großer Leiden-schaft führte, genauso: Die Speisekarte für die cena, das Abend-essen, lag bereits aus, zweisprachig Italienisch-Deutsch, und die Aussicht auf Maltagliati al sugo di fasolari (Kurze Nudeln mit Herz-muschelsauce) und Tagliata di manzo con pomodori e Grana (Rindfleisch vom Grill mit Tomaten und Parmesan) ließ den vom Strand Heimkehrenden schon das Wasser im Mund zusammen-fließen. Am Abend war, wie sich das in Italien gehört, die Auswahl an Vor- und Hauptspeisen stets ein wenig größer. Zwar verstand niemand, warum auch ein Tomatensaft zu den Vor- und gerührte Eier zu den Hauptspeisen zählte, aber die Aussicht auf das üppige Salat- und Dessert-Buffet und die Freude auf die wechselnden Bei-lagen machten zusätzlichen Gusto vorab.

    Wobei der Bianchi-Gast stets in zwei Kategorien einzuteilen war  – und ist: Jener, dem das in der Küche Gezauberte einfach

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    mundet; und jener, der’s beim Disputieren über das Essen stets wie mit dem Wetter hält: Ganz passt es nie, und eigentlich könnte es immer besser sein. Darüber muss man sprechen. Und war es nicht vergangenes Jahr noch deutlich besser, und vor zwei Jahren erst?

    Die Köche in den Villen, die über viele Jahre dieselben blieben, nahmen es gelassen. Carlotta Grigolon, Hausherrin über so viele Jahre, auch. Alleine, dass die Bianchi-Gäste immer und immer wiederkamen  – und Vollpension buchten  –, war ja ein bisschen Ausweis dafür, dass die Köche so falsch nicht liegen konnten. Und eine Küche servierten, die viel zu dem schon mehrfach beschriebenen Zuhause-Gefühl in den Villen von Grado beitrug.

    So sind auch die Stimmen nach dem Wechsel der Betreiber der Villen einzuordnen: »Der neue Koch, ein Wahnsinn, das ist ja ganz was anderes«, sagen die einen; »na bitteschön, die alte Küche war auch nicht so schlecht, im Gegenteil«, monieren die anderen.

    Die Rezepte, die wir präsentieren dürfen, sind die von Carlotta Grigolon und ihrem Küchenteam hochgehaltenen und eigens für dieses Buch zur Verfügung gestellten. Sie haben die Küche der Vil-len und den Geschmack im Speisesaal über viele Jahre geprägt.

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    Capesante gratinateGratinierte Jakobsmuscheln

    Für diese immer beliebte, ein-fach und schnell zubereitete Vorspeise brauchen wir für 2  Personen 4  Esslöffel fein gehackte Petersilie, 80 Gramm Mehl zum Panieren, 50 Gramm Parmesan, Pfeffer, Salz, Oli-venöl, 2  Knoblauchzehen  – und natürlich 8  Jakobsmu-scheln in der Schale.Zunächst geben wir das Mehl, die Petersilie, den Parmesan, die klein geschnittenen Knoblauchzehen, ein bisschen Pfeffer und eine Prise Salz in eine Schüssel und fügen nur so viel Olivenöl hinzu, dass durch Umrühren eine Art schmierige Paste entsteht.Die Jakobsmuscheln haben wir entweder schon in der geöffneten Schale gekauft, oder wir müssen die Schalen mit einem stabilen Messer öffnen (an der Seite hineinstechen, halb öffnen und auf der Innenseite entlang der oberen Schale vorsichtig den Muskel der Muschel von der Schale lösen, damit wir nicht durch das Muschelfleisch schneiden). Wenn die Muschel geöffnet und aufgeklappt ist, das Muschelfleisch herausschälen, alles bis auf das weiße Fleisch und den orangen Rogen wegwerfen – die Schalen aber bitte aufheben! Muschelfleisch und Rogen unter fließendem Wasser abspülen (oft ist etwas Sand enthalten), die Schale säubern. Die Muscheln auf Küchenpapier trocknen, das Fleisch wieder in je eine Schalenhälfte legen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen und die Muscheln darauf ver-teilen. Dann die zuvor zubereitete Paste in die Muscheln füllen, sodass das Muschelfleisch weitgehend bedeckt ist. Ein bisschen Olivenöl darauf-träufeln.Das Backrohr bei 200 Grad Celsius vorheizen, dann das Blech auf mittlerer Höhe ins Rohr schieben. Die Muscheln bei dieser Temperatur 10–15 Minuten (eher mehr als weniger) gratinieren.

    Capesante (Kammmuscheln)

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    Bildnachweis

    Archiv Dr. Samsinger/Imagno/picturedesk.com (16, 75, 157), An-dreas Schwarz & Martha Brinek (17, 19, 82, 83, 91, 94, 106, 110, 127, 154, 161), Imagno/picturedesk.com (23, 32, 142), Sammlung Hubmann/Imagno/picturedesk.com (24, 79), Archive Scaramuzza (26, 29, 35, 59, 73, 77, 87, 99, 103, 107, 117, 135, 144, 147, 243), Rossetti privat (41, 43, 49, 51, 53), Auchentaller, Josef Maria/ÖNB-Bild-archiv/picturedesk.com (57), Egyd Gstättner (65), Archiv Villa Reale (81, 85), Sardines and the Angel (1967) by Bettina Ehrlich. By permission of Oxford University Press (101), Charlemont, Hugo/ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com (111), Cameraphoto/akg-images/picturedesk.com (123), Furlanut privat (131, 136), Votava/Imagno/picturedesk.com (139), Schuba privat (160, 162), P. Domenigg/TeamFilm/ORF/picturedesk.com (171), Maurizio Frullani (174), Gianni Maran (182, 190, 193, 194, 200, 202, 211, 214, 215, 241)

    Karte im Vorsatz: Stadtplan der Stadt Grado © Archiv Dr. Samsin-ger/Imagno/picturedesk.com

    Der Verlag hat alle Rechte abgeklärt. Konnten in einzelnen Fällen die Rechteinhaber der reproduzierten Bilder nicht ausfindig ge -macht werden, bitten wir, dem Verlag bestehende Ansprüche zu melden.

    SCHWARZ_Gusto auf Grado_LeseprobeSeiten aus Grado_eBookSeiten aus Grado_eBook-3Seiten aus Grado_eBook-4Seiten aus Grado_eBook-5

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