32
Aus dem Inhalt: Januar | 1/2018 www.pfarrverein-baden.de Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e.V. Wie war es? Rückblick auf die Reformationsdekade 2008 –2017 Es hat sich gelohnt! – Ergebnisse der Reformationsdekade in Baden, über die wir uns freuen können Mein Jahr mit Martin Luther – Erfahrungen mit dem Reformationsjubiläum. Ein Essay 500 Jahre Reformation – Ein Zwischenruf aus Rom Aus dem Pfarrverein Aus der Pfarrvertretung Supervisionsrichtlinien Aus der Landeskirche Seniorenkolleg 2018 Freud und Leid 500 JAHRE REFORMATION

Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e .V. · Thema Mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen hatte Martin Luther 1517 einen bemerkenswerten Beitrag zur Refor

Embed Size (px)

Citation preview

Thema

Aus dem Inhalt:

August 2015

Aus dem Inhalt:

Januar | 1/2018www.pfarrverein-baden.de

Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e.V.

Wie war es? Rückblick auf die

Reformationsdekade 2008–2017Es hat sich gelohnt! –

Ergebnisse der Reformationsdekade in Baden, über die wir uns freuen können

Mein Jahr mit Martin Luther –Erfahrungen mit dem Reformationsjubiläum.

Ein Essay

500 Jahre Reformation –Ein Zwischenruf aus Rom

Aus dem Pfarrverein

Aus der PfarrvertretungSupervisionsrichtlinien

Aus der LandeskircheSeniorenkolleg 2018

Freud und Leid

500 JAHREREFORMATION

gut ins Reformationsjubiläum passen. Daszugespitzte Resümee könnte folglich lau-ten: Alles war umsonst. Dieses „umsonst“wünschen wir Ihnen für das schon begon-nene neue Jahr. Steckt dieses Adverbnicht in unserer Jahreslosung? Umsonstmögen Sie alle durch Ihr engagiertes Tunnicht nur Spender von „Lebenswasser“werden, sondern dann und wann und öfterauch Empfänger von „Quellwasser“ mittenim pastoralen Alltag.

Für das Tandem in der Schriftleitung

Ihr

Liebe Leserin, lieber Leser!

Pfarrvereinsblatt 1/2018

D ie Gottesdienste zum Reformati-onsjubiläum am 31. Oktober im ver-

gangenen Jahr waren – was man so hör-te, las und selbst erlebte – übervoll, alshätte sich das protestantische Gewissenhellwach geregt und die Evangelischen zuHauf in die Gottesdienste getrieben. Wirwidmen die erste Nummer unserer Pfarr-vereinsblätter noch einmal dem Reforma-tionsjubiläum und wollen auf dasselbe unddie ganze Dekade zurückblicken. Dazukönnen Sie drei recht unterschiedlicheBeiträge lesen: Einen aus der Feder unse-res landeskirchlichen Beauftragten für dasReformationsjubiläums, der ein positiveBilanz für Baden konstatiert, einen zwei-ten aus dem evangelischen Rom, der sichkritisch mit dem Gewesenen auseinander-setzt, und schließlich einen dritten, deruns essayistisch durch das vergangeneJubiläumsjahr führt und anregt, selbst eineigenes Resümee zu ziehen. Zu diesenthematischen Beträgen finden Sie Aktuel-les aus unserer Pfarrvertretung und dieEinladung zum nächsten Pfarrsenioren-konvent. Ein Nachruf und eine Rezensionvollenden unser erstes Pfarrvereinsblattdieses neuen Jahres.

Mag kann nach den tieferen Gründen fra-gen, warum eigentlich so viele Evangeli-sche am Reformationsjubiläum höhe-punktgerecht in die Kirche geströmt sind?Vielleicht ist das ja unbegründeter undgrundloser geschehen, als wir denken,und dann könnte dies gut protestantischzu dem Grundlosen und „gratis“ der Gna-de Gottes korrespondieren und auch ganz

Hinweis auf die übernächste AusgabeDie übernächste Ausgabe 3-4/2018 widmet sichdem Thema „Dritter Weg am Ende? –Kirchliches Arbeitsrecht wohin?“Ihre Beiträge senden Sie am besten als Word-Dateibis spätestens zum05. Februar 2018an die Schriftleitung. Die kommende Ausgabe 2/2016 zum Thema „Sing a new song – Neue Lieder braucht die Kirche“befindet sich bereits in Vorbereitung.

Editorial

2

Thema

M it der Veröffentlichung seiner 95Thesen hatte Martin Luther 1517

einen bemerkenswerten Beitrag zur Refor-mation geleistet. Mit der 500. Wiederkehrdieses Ereignisses war der evangelischenKirche ein riesiger Zimmermannsnagel indie Wand geschlagen worden, an demsich vieles aufhängen ließ. In unserer Lan-deskirche ist es uns im Kontext der ekd-weiten Reformationsdekade gelungen,sehr vieles an ihm aufzuhängen, was unsgut getan hat. Hier nun keine Gesamtwer-tung dieses Prozesses aber doch zumin-dest ein kurzes Resümee sehr erfreulicherErgebnisse der Reformationsdekade im Überblick:

In den zurückliegenden vier Jahren habenwir bei uns in Baden auf allen kirchlichenEbenen einige tausend Veranstaltungenund Projekte realisiert, die im engerenoder weiteren Sinne dem Thema „Refor-mation“ gewidmet waren. Damit nehmenwir mit unserem Engagement in SachenReformationsjubiläum im EKD-Maßstaballein schon im Blick auf die Quantität un-serer Angebote eine Spitzenstellung ein.Würde man sämtliche Zeitungsberichteüber unsere vielen badischen Veranstal-

tungen im Rahmen des Gedenkens an500 Jahre Reformation zusammentragen,sie würden etliche Aktenordner füllen. ImZusammenhang mit der Reformationsde-kade in Baden ist uns über Jahre hinwegeine bis zuletzt immer noch zunehmendeMobilisierung unserer Mitglieder undvieler tausend ehrenamtlich und beruf-lich engagierter Mitarbeiterinnen undMitarbeiter gelungen. In Gemeinden, Be-zirken, kirchlichen Diensten und im Re-ligionsunterricht war das Thema „Refor-mation“ und vieles, was sich sinnvoll mitihm verbinden lässt, in vielfältiger Weisepräsent. In welcher Fülle an Formaten undInhalten sich dies in der Praxis niederge-schlagen hat, das ist in diesem Rahmennicht einmal andeutungsweise darstellbar.

BASISIORIENTIERUNGEin Faktum aber lässt sich in einem ein-

zigen Satz zusammenfassen: Die Gestal-tung der Reformationsdekade in Badenwar ganz deutlich basisorientiert. Dazuhatten die landeskirchlichen Dienste, teilskooperierend, teils einander ergänzend,eine Fülle von Materialsammlungen undGestaltungshilfen für Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in den Gemeinden, Kir-chenbezirken und im Religionsunterrichterstellt. Weitere Beratungsangebote undFördermaßnahmen kamen hinzu. Die de-zentral an der Basis durchgeführtenVeranstaltungen und Projekte wurdenin ausgewogener Weise ergänzt durch

Es hat sich gelohnt ...Ergebnisse der Reformationsdekade in Baden, über die wir uns freuen können

Pfarrvereinsblatt 1/2018

❚ Der landeskirchliche Beauftragte für dieReformationsdekade Wolfgang Brjanzewzieht eine kurze Bilanz für das vergangeneReformationsjubiläum. Sein Resümeefällt insgesamt sehr positiv aus.

3

4 Pfarrvereinsblatt 1/2018

zentrale landeskirchliche Angeboteund Großprojekte.

Es ist beeindruckend, mit wie viel Einfalls-reichtum und Tatkraft die Gemeinden undKirchenbezirke die mit dem Reformations-jubiläum verbundenen Chancen genutztund ansprechende Angebote für zum Teilganz unterschiedlicheZielgruppen entwickeltund umgesetzt haben.

ÖKUMENEVon Anfang an hatten wir in Baden bei

der Gestaltung der Reformationsdekadeökumenische Schwerpunkte gesetztund die anderen Konfessionen im Lande,insbesondere die Katholische Kirche,nicht nur grundsätzlich zum Mitmacheneingeladen, sondern auch schon sehr frühganz konkret in die Planung und Durch-führung vieler Projekte mit einbezogen.Vor allem die flächendeckend in den Ge-meinden vor Ort und zentral gemeinsammit unseren ökumenischen Partnern ge-stalteten Versöhnungs- und Dankgottes-dienste haben, entsprechenden Rückmel-dungen zufolge, viele Teilnehmende sehrberührt. In zahlreichen anderen Projektenwurde gemeinsam aber aus unterschied-licher Perspektive auf 500 Jahre Reforma-tion zurückgeblickt. Darüber hinaus wurdemiteinander über aktuelle und künftigeMöglichkeiten des gemeinsamen Zeug-nisses und Dienstes in der Welt nachge-dacht. Und es wurde fröhlich miteinandergefeiert. Zahlreiche lokale Festivitätenund regionale Angebote wie z.B. Bezirks-kirchentage und Festwochen boten dazureichlich Gelegenheit. Am Reformations-tag 2017 wurde vielerorts in ökumeni-

schen Gottesdiensten feierlich die ChartaOecumenica als Grundlage eines gere-gelten Miteinanders zwischen den ver-schiedenen Konfessionen neu unterzeich-net. An zentraler Stelle geschah dies auchim Rahmen eines von Landesbischof Jo-chen Cornelius-Bundschuh und Erzbi-schof Stephan Burger gehaltenen abend-

lichen Tauferinnerungs-gottesdienstes in der vollbesetzten KarlsruherStadtkirche. Auf vielenEbenen kam es während

der Reformationsdekade zu freundschaft-lichen Begegnungen mit Partnern aus derweltweiten Ökumene.

THEMATISIERUNG CHRISTLICHER KERNINHALTEZahlreiche Angebote im Rahmen der

Reformationsdekade haben wichtige Ker-ninhalte des christlichen Glaubens the-matisiert. Wo dies in allgemein verständ-licher Weise geschehen ist, haben Men-schen wieder oder ganz neu entdeckenkönnen, dass ein Nachdenken und Disku-tieren über existenzielle Fragen im Hori-zont der biblischen Botschaft ihnen etwas„bringt“. In diesem Sinne hat das Refor-mationsjubiläum dazu beigetragen, Theo-logie über den akademischen Bereich hin-aus auch wieder dort zu verorten, wo sienach evangelischem Verständnis unbe-dingt hingehört, nämlich in die Gemeinde.

Durch die Diskussion über zentrale Glau-bensfragen wurde vielerorts nicht nur dastheologische Basiswissen erweitert, son-dern außerdem die theologische Sprach-fähigkeit gefördert.

Dezentrale und zentrale Veranstaltungen haben sichsehr gut ergänzt

Pfarrvereinsblatt 1/2018

THEOLOGIE UND BIBELDie Reformationsdekade hat im Rah-

men geeigneter Angebote einen wichti-gen Beitrag geleistet zur Vermittlunggrundlegender Informationen im Blickauf Geschichte und Theologie der Re-formation. Im 16. Jahrhundert war beimRingen um die Erneuerung der Kirchezumeist unter Berufung auf die HeiligeSchrift argumentiert worden. Schon alleinaus diesem Grunde war es bei vielen Ver-anstaltungen zum Refor-mationsgedenken uner-lässlich gewesen, sichgründlich mit der Bibel zubeschäftigen. Für manchewar das die Begegnung mit einem ihnenbis dato kaum bekannten Buch und ein er-ster Schritt, mit ihm vertraut zu werden.Hinzu kam noch das bewusst in den Ge-samtzusammenhang des Reformationsju-biläums gestellte Erscheinen der neuenrevidierten Lutherbibel. Es bot auf seineganz eigene und vielfältig genutzte WeiseAnlass zu Veranstaltungen, bei denen dasBuch der Bücher und das reformatorischePrinzip des „sola scriptura“ (allein dieSchrift) in besonderer Weise im Mittel-punkt standen.

KIRCHLICHE VERBUNDENHEITFÖRDERNDE ELEMENTEDie Tatsache, dass Gott seine Kirche

konfessionsübergreifend immer wiedermit wichtigen Impulsen zu ihrer Erneue-rung gesegnet hat, war im Zusammen-hang mit dem Reformationsjubiläumnicht nur Anlass zum Nachdenken, son-dern auch zur Dankbarkeit und zumFeiern. Die Erfahrung von geschwister-licher Gemeinschaft beim fröhlichen Bei-

sammensein und beim intensiven Nach-denken, beim Diskutieren und beim Me-ditieren, bei Exkursionen und bei Aktio-nen, bei der Organisation und der Teil-nahme an Projekten hat im Zuge des De-kadeprozesses bei uns in Baden ge-samtkirchliche Verbundenheit und So-lidarität auch über den Schattenwurf deseigenen Kirchturms hinaus gestärkt. Da-zu haben nicht zuletzt die vielen gemein-de- und kirchenbezirksübergreifenden

Kooperationen beigetra-gen und äußerlich wahr-nehmbar auch unsere ba-dische Jubiläumsfahnenebst Schals und T-Shirts,

passend zu unserer Öffentlichkeitskam-pagne. Einen wichtigen Beitrag zur Iden-tifikation mit Kirche insgesamt habenaber auch zentrale Events im Zu-sammenhang mit dem Reformationsjubi-läum geleistet. Letztere gab es natürlichnicht nur in unserer Landeskirche, son-dern auch anderswo, besonders ein-drucksvoll natürlich auf EKD-Ebene. Vorallem der Kirchentag in Berlin und Wit-tenberg oder die Weltausstellung Re-formation in Verbindung mit dem soge-nannten Reformationssommer in Wit-tenberg und seinen Angeboten für Jungund Alt wurden von vielen Menschen ausBaden besucht und haben bei ihnen prä-gende Eindrücke hinterlassen. Zahlrei-che Rückmeldungen laufen darauf hin-aus, dass man sich im Rahmen des Re-formationsjubiläums generell mehr alssonst mit der Entwicklung der Kirche undtheologischen Fragen beschäftigt habeals sonst. Dies habe man im Blick aufden eigenen Glauben als sehr inspirie-rend und stärkend erlebt.

Glaubensfragen wurdenin den Gemeinden diskutiert

5

6 Pfarrvereinsblatt 1/2018

GRENZÜBERSCHREITENDE ÖFFENTLICHKEITSWIRKUNGDurch die umfangreiche Thematisie-

rung der vielfältigen Wechselbeziehun-gen zwischen Reformation, Politik, Ge-sellschaft und Kultur ist es gelungen,auch außerhalb der Kirche bei vielenMenschen Interesse für eine Beschäfti-gung mit Kirche und Glaube zu wecken.Als hierfür sehr geeignete Räume habensich in dieser Hinsicht unsere vielfältigenprojektbezogenen Kooperationen mitsäkularen Partnernaus Politik, Kultur- undBildungseinrichtungen,Tourismus und ver-schiedenen zivilgesell-schaftlichen Gruppie-rungen erwiesen. Unüberhörbare „Reso-nanzverstärker“ waren auch die öffent-lichen Medien, die aus Anlass des Refor-mationsjubiläums jahrelang mit einer Füllean Publikationen zum Themenbereich „Re-formation, Kirche und Glaube“ ein offenbargesellschaftlich vorhandenes Bedürfnisnach solchen Inhalten im Rahmen unter-schiedlichster Formate befriedigten. Dashat dazu geführt, dass man, unabhängigvon der eigenen Religion oder Weltan-schauung, über einen langen Zeitraum hin-weg auch außerhalb kirchlicher Angebotekontinuierlich und in großem Umfang demThemenbereich „Reformation, Kirche undGlaube“ begegnen konnte. Davon habenauch wir als Kirche profitiert. Gezielt auf dieBegegnung mit Menschen anderen Glau-bens angelegt waren Dekadeangebotezum interreligiösen Dialog. Ferner wur-den, ausgehend von Luthers Freiheits-schrift in Verbindung mit unserer bibli-schen Jubiläumslosung „ ... da ist Frei-

heit“ interessante Diskussionen weit inaußerkirchliche Bereiche der Gesellschafthinein ausgelöst. Das Aufeinandertreffenzum Teil sehr unterschiedlicher Vorstellun-gen von Freiheit bot viele Gelegenheiten,das christliche Verständnis von Freiheit inVerantwortung gegenüber Gott und denMitmenschen zu profilieren. Einen weite-ren Zugang zu dieser Thematik ermöglich-te die Öffentlichkeitskampagne „Ich binso frei“mit ihrer crossmedialen Dokumen-tation sehr unterschiedlicher Statements

„normaler“ badischerGemeindeglieder, dieganz subjektiv von ihrenErfahrungen mit der be-freienden Kraft desGlaubens berichteten.

Um einen ganz anderen auch sehr öffent-lichkeitswirksamen Aspekt evangelischenSelbstverständnisses ging es in jenen An-geboten, die sich mit den „dunklen“ Seitender Reformation beschäftigten. Dabeikonnten auch innerkirchlich vielfach ideali-sierende Vorstellungen zu Gunsten einerkritischen bzw. differenzierteren Betrach-tungsweise überwunden werden.

REFORMATION AKTUELLSpannend waren auch jene Projekte,

die sich mit der Aktualität von Reformationfür uns heute beschäftigten. Dabei wurdevor allem danach gefragt, welche Erneue-rung Kirche heute braucht, um ihrem Auf-trag gerecht zu werden. Dabei kamenTheologie und Kirche auch hinsichtlich ih-rer Antworten auf aktuelle Herausforde-rungen z.B. im Blick auf die Flüchtlingsfra-ge, den Schutz der Umwelt, und die Über-windung von Krieg, Unrecht und sozialenMissständen auf den Prüfstand.

Das Reformationsjubiläum hat sowohl die Identifikationnach innen als auch die Öffnung nach außen befördert

Pfarrvereinsblatt 1/2018 7

KOOPERATION MIT DER ELKWZu den Ergebnissen der Reformations-

dekade, über die wir uns in Baden freuenkönnen, gehört unbedingt auch die sehrkonstruktive Zusammenarbeit mit unsererwürttembergischen Nachbarkirche, mitder wir viele Projekte gemeinsam bzw. ar-beitsteilig gestemmt haben und auf die-sem Wege Synergien erzielen konnten,die für beide Seiten ein Gewinn waren.

FESTGOTTESDIENSTE AM REFORMATIONSTAG 2017Einen überwältigenden Höhepunkt und

Abschluss der Reformationsdekade bilde-ten die Festgottesdienste zum Reforma-tionstag 2017. Sie wurden an diesem ein-malig in Deutschland zum gesetzlichenFeiertag erhobenen Tag landesweit in be-stens besuchten und teilweise brechendvollen Kirchen gefeiert. Auch bei den zen-tralen, mit unserer württembergischenSchwesterkirche gemeinsam begangenenlandeskirchlichen Jubiläumsgottesdienstenam 28.10. in Mannheim und am 31.10. inStuttgart, waren die hierfür ausgewähltengroßen Gotteshäuser prop-penvoll. Viele Gemeindenverbanden den Reforma-tionstag mit Churchnights,Gemeindefesten, Empfän-gen, Konzerten und anderen Highlights,meist unter Einbeziehung von ökumeni-schen Partnern und Vertretern des öffent-lichen Lebens.

FAZITAlles in allem lautet mein Fazit im Blick

auf die Reformationsdekade und das vonso vielen in ihre Gestaltung investierteEngagement: Es hat sich mehr als ge-

lohnt. Und vieles von dem, was im Zu-sammenhang mit dem Gedenken an 500Jahre Reformation angestoßen wurde,ist es wert, dass wir nach dem Jubiläumauf anderen Ebenen daran anknüpfenund es weiter entwickeln.

KOSTENZum Schluss noch ein Blick auf die lan-

deskirchliche Finanzierung des mit der Ge-staltung der Reformationsdekade verbun-denen Aufwands. Hierfür hatte die Landes-synode 2013 für die rund vier Jahre biszum Reformationsjubiläum ein Budget inHöhe von insgesamt 1,5 Mio Euro (ein-schließlich aller anfallenden Personal- undSachkosten) bewilligt. Das ist recht be-scheiden, wenn man bedenkt, dass schonallein die Renovierung eines einzigen Kir-chengebäudes ein Vielfaches dieser Sum-me kosten kann. Und es ist wenig im Ver-gleich zum Jubiläumsbudget anderer Lan-deskirchen. Rein rechnerisch haben wir imBetrachtungszeitraum der zurückliegendenvier Jahre pro Kirchenmitglied rund 30Cent p. a. bzw. weniger als ein Promille

unseres landeskirchlichenHaushalts in ein vom Ge-samtergebnis lohnendes Pro-jekt investiert. Wir hatten nichtviel Geld auszugeben aber

viel damit erreicht. Dazu haben vor allemjene beigetragen, die für mich zum wichtig-sten Kapital unserer Landeskirche zählen,nämlich ihre vielen wackeren Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter. Ihnen danke ich andieser Stelle ganz besonders herzlich fürihr Engagement bei der Gestaltung der Re-formationsdekade. Möge unser Herr dar-aus reichen Segen wachsen lassen.

❚ Wolfgang Brjanzew, Karlsruhe

Viele Gottesdiensteam 31.10. warenproppenvoll

8 Pfarrvereinsblatt 1/2018

sen. Mein Lutherjahr begann damit, dassmir dieser Onkel ein Luther-Buch 1 vonHanns Lilje schenkte, einen dicken, indunkelgrünes Leinen gebundenen Bandmit vielen schwarz-weißen Abbildungen.Ich war skeptisch, aber ich begann, darinzu blättern und später auch zu lesen. Mirist nicht mehr in Erinnerung ob ich dasBuch von Anfang bis Ende gelesen habe.Der Name Hanns Liljes sagte mir damalsgar nichts. Aber dieser Band vermitteltemir die erste Begegnung mit Martin Lu-ther: der Kämpfer für die Freiheit, gegenden kaiserlichen Frühkapitalismus, gegendie katholischen Ablasshändler, für eineneue Gerechtigkeit. Er kämpfte nicht alsRitter mit Schwert, Lanze und Schild,dafür gab es im 16. Jahrhundert schon zuviele Musketen. Ich hatte pubertierend sa-

gen wir: einen gutenEindruck von demMann. Nicht ganzwie Robin Hood, lei-der ohne Bogen und

Pfeile, aber doch in jedem Fall ein Kämp-fer für eine gerechte Sache. Der Gedankean ein Theologiestudium lag mir damalssehr ferne. Der Vierzehnjährige, der ichdamals war, bemerkte nicht den großenDenkmalssockel, auf den Bischof Lilje denReformator stellte.

Auf ihm stehend, ragte er für den Abt vonLoccum mitten hinein in die damaligeWirklichkeit seiner Kirche. Auch wenn ichheute weiß, dass dieses Lutherbild vonProjektionen und Idealisierungen geprägt

1.Mein erstes persönliches Luther-Jahr

feierte ich 1973 oder 1974, die genaueJahreszahl lässt sich nicht mehr ermitteln.Jedenfalls war ich zwölf oder dreizehnJahre alt. Ich hatte einen Großonkel, derals Pfarrer in einer Gemeinde im Sieger-land arbeitete. Allehalbe Jahre schickteer mir ein Paket mitBüchern und Trakta-ten, denn er standdem Siegerländer Pietismus nahe. Die Pa-kete enthielten Bekehrungstraktate, denenich wenig Beachtung schenkte. Darunterfanden sich die Romane Jörg Erbs, Ge-schichten von Landsknechten aus demDreißigjährigen Krieg, in denen König Gu-stav Adolf, seine schwedischen Kompani-en und andere Lutheraner gegen die bösenKatholiken kämpften. Das fand ich zwarnicht ganz so spannend wie Sir FrancisDrake, Lord Hornblower oder Robin Hood,aber doch spannend genug, um dieseBücher nachts unter der Bettdecke zu le-

Mein Jahr mit Martin Luther –Erfahrungen mit dem Reformationsjubiläum. Ein Essay

❚ Pfarrer Dr. Wolfgang Vögele lässt das Reformationsjubiläumsjahr Revue passieren. Eine sehr persönliche Replikeines mit dem Thema wohl vertrautenTheologen, der seine Erfahrungen nichtnur als Vortragender in Sachen Reformation auf nachdenklich-humorigeWeise reflektiert, wobei er den Bogenvon Hanns Liljes Lutherbuch bis zumPlaymobilmännchen und zurück zu Lilje spannt.

Thema

Ich bemerkte noch nicht den großenDenkmalsockel, auf den BischofHanns Lilje den Reformator stellte

9Pfarrvereinsblatt 1/2018

war, mich hat es beeinflusst und ich bin –mit Unterbrechungen – bei der Sache derTheologie geblieben. Ich habe mit dieserautobiographischen Erinnerung begon-nen, um die subjektive Perspektive diesesEssays deutlich zu machen. In jedem Fallwollte ich die Feldherrnpose des Ju-biläumsstrategen und die Beobachtungs-pose des theologi-schen Großkritikerszu vermeiden, wobeiaber nicht gesagtsein soll, dass sichmit einer subjektivenBetrachtungsweisealle Kritik an Kitschund Banalität des Reformationsjubiläumsauflöst. Viele Protestanten haben einmerkwürdig masochistisches Verhältniszur Kritik: Entweder sie nehmen sie nichtwahr, um sie dann unausgesprochen um-so größer werden zu lassen. Oder sie tunso, als nähmen sie sie nicht ernst, weil siesie in Wahrheit näher an sich herangelas-sen haben als ihnen gut tut. Im aller-schlimmsten Fall wird Kritik als „Wert-schätzung“ schön geredet. Die zynischeNebenbedeutung dieses Begriffs als Ta-xieren, Untersuchen, als Abschätzen des(Gebrauchs-)Wertes einer Person bleibtin jedem Fall unberücksichtigt.

2.Im Jubiläumsjahr 2017 haben Prote-

stantismus, Politik, Kunst und Kultur Lu-ther gefeiert, und ich will gar nicht erst denVersuch machen, den ganzen Wust ausLuther-Büchern, Luther-Oratorien, Luther-Devotionalien, Luther-Ausstellungen undLuther-Denkschriften im Überblick abzu-schreiten. Es ist einfach nicht möglich,

und deswegen werde ich mich auf per-sönliche Beobachtungen und Erfahrun-gen beschränken. Kritiker, Gegner, Befür-worter, Fans tragen im Moment alle ihreIndizien zusammen, und in der unüber-sichtlichen Menge von Gelegenheiten fin-den alle diejenigen Details, die sie für ihreArgumente benötigen. Luther ist Projekti-

onsfläche, und je-dem steht es frei, ihnzum wiederholtenMal mit Argumentenzu verbrennen oderihn zum wiederhol-ten Mal auf denDenkmalsockel zu

stellen und ins Monumentale zu ver-größern. Noch fünfhundert Jahre nachdem Thesenanschlag löst der Reformatoreine ganze Menge von Emotionen aus,die ein ausgewogenes, abwägendes Ur-teil eher behindern als fördern.

Ich habe in den vergangenen Jahren einpaar Dutzend Vorträge über die Reforma-tion gehalten und dabei folgende Erfah-rungen gemacht. Vorträge über die Be-kenntnisschriften 2, Augsburger Konfessi-on, Heidelberger Katechismus, Leuenber-ger Konkordie stießen beim gebildetenPublikum auf verständnislose Blicke undRatlosigkeit, selbst dann, wenn ich nachden ersten Erfahrungen mit Vorträgen zudiesem Thema alles so einfach wie mög-lich erklärte. Aber Melanchthons subtilerletzter Gesprächsversuch mit der traditio-nellen Kirche beim Reichstag von Augs-burg war schwierig zu vermitteln. Dass diedaraus resultierende Schrift, die Confes-sio Augustana heute noch als Bekennt-nisschrift zu den normativen Texten der

Noch 500 Jahre nach dem Thesenanschlag löst der Reformatoreine ganze Menge von Emotionenaus, die ein ausgewogenes, abwägendes Urteil eher behindernals fördern

10 Pfarrvereinsblatt 1/2018

meisten Landeskirchen gehört, rief Er-staunen hervor. Dass weitere normativeSchriften, der Kleine Katechismus Luthersund der HeidelbergerKatechismus hinzuka-men und bis heute gel-ten und sich gegenseitiginterpretieren, das ver-wunderte viele.

Mit dem Gegensatz zwi-schen reformierter undlutherischer Konfession können vieleZuhörer nichts mehr anfangen, die Fein-heiten der Abendmahls-, der Providenz-und der Rechtfertigungslehre werden sehrschnell als ewiggestrig und irrelevant ab-getan. Dass sich das reformatorische Be-kenntnis weiter ent-wickelte über die Unio-nen des 19. Jahrhun-derts bis zur Leuen-berger Erklärung von1973, wurde sehrrasch als reine Theo-logenspezialität abge-tan, trotz meiner immer intensiverenBemühungen, die theologische Bekennt-nisdebatte in ihrer Gegenwartsbedeutungso elementar wie möglich darzustellen.

3.Auf sehr viel mehr Interesse stießen da-

gegen Vorträge, die anknüpften an den –horribile dictu – touristischen Orten, an de-nen Reformation sichtbar wird. Allein inBaden-Württemberg sind die Tourismus-behörden mit solchen Orten und Stättennicht gesegnet. Von der wichtigen Heidel-berger Disputation 1518 ist nicht viel mehrgeblieben als eine runde Bodenplatte, die

doch eher an einen Gullydeckel erinnert.Heidelberger Theologiestudenten, denendie kirchengeschichtliche Bedeutung ver-

traut sein müsste, lau-fen achtlos über diePlatte hinweg. Die Re-formation war eher intel-lektuelles als architekto-nisches Ereignis, unddie Luther-Denkmälergehören ins 19. Jahr-hundert mit seinem mo-

numentalen, heroischen und auch deut-schnationalen Lutherbild. Sieht man ein-mal von den Wittenberger, Eisenacherbiographischen Gedenkstätten ab, sobleibt vieles an der Reformation in unsererGegenwart architektonisch unsichtbar.

Wer zum Beispiel inBasel nach den Spu-ren Erasmus von Rot-terdams sucht, derwird feststellen, dassdie Häuser, in denener wohnte, und dieVerlagshäuser und

Druckereien, denen er seine Werke liefer-te, zumeist bei Bränden oder anderen Ka-tastrophen zerstört worden sind. Trotz-dem waren in Basel zwei außerordentlichoriginelle Ausstellungen zu sehen, die ei-ne im Münster, die andere in der Barfüßer-kirche, dem Stadtmuseum Basels. Diezweite Ausstellung arbeitete sehr über-zeugend nicht mit Ausstellungsräumen,sondern mit Exponaten, die über die Stan-dardsammlung des Museums verteilt wa-ren. Insofern wurde Erasmus‘ Lebensge-schichte in die Baseler Stadtgeschichteintegriert. Die Besucher erhielten einenTabletcomputer, auf dem sie sich die ent-

Dass normative Schriften, der Kleine Katechismus Luthers und der HeidelbergerKatechismus bis heute geltenund sich gegenseitig interpretieren, das verwunderte viele

Sieht man einmal von den Wittenberger, Eisenacher biographischen Gedenkstätten ab,bleibt vieles an der Reformation in unserer Gegenwart architektonisch unsichtbar

11Pfarrvereinsblatt 1/2018

sprechenden biographischen Zusammen-hänge anschaulich machen konnten. Aufdas größte Interesse stießen Vorträgezum Thema des Glockenläutens in derReformation und in der Gegenwart 3.Glocken atmen noch jene Anschaulich-keit, die abstrakten theologischen The-men wie der Rechtfertigungs- und derZweinaturenlehre fehlt. Nun warenGlocken kein zentrales Thema der Refor-mation, aber die Kirchenreformer des 16.Jahrhunderts versuchten sich dennoch aneinigen Veränderungen (Türkenläuten,Angelusläuten, Wetterläuten), mit denensie auf den Widerstand der Gemeindenstießen. Beim Glockenläuten werden wiebei wenigen anderen Themen die Unter-schiede zwischen 21. und 16. Jahrhundertdeutlich. Gleich ob Katholiken oder Prote-stanten, die Menschen des 16. Jahrhun-derts benötigten die Glocken und das da-mit verbundene kommunale Informations-system für ihre kurz- und langfristige Zei-torganisation. Deswegen wollten sie un-bedingt in der Nähe vonGlocken wohnen, damitsie von diesem Informati-onssystem nicht abge-schnitten waren. Mit derEntwicklung von Taschen-und Armbanduhren im 19. Jahrhundert,mit der Entwicklung der Lärm- undGeräuschkultur der Moderne, vom Ver-kehr bis zur Sirene, schließlich mit denSmartphones der digitalen Kultur der Ge-genwart ist dieses an Glocken gebundeneGemeindeinformationssystem zusam-mengebrochen, auch wenn man sich eineKirche ohne Glocken immer noch schwervorstellen kann. Am Thema Glocken kannman die historischen Unterschiede deut-

lich machen, übrigens auch am Predigen.Denn Glocken läuteten im 16. Jahrhun-dert häufig zu Beginn und am Ende derPredigt, und die Kirchenreformer des 16.Jahrhunderts mussten die Pfarrer häufigermahnen, nicht über neunzig Minuten zupredigen, und zwar pro Sonntag in zweiverschiedenen Gottesdiensten. Wer ein-mal die Beschwerden von Gottesdienst-besuchern ertragen musste, weil einePredigt wenig über eine Viertelstundedauerte, dem stehen die Unterschiedezwischen 16. und 21. Jahrhundert leben-dig vor Augen.

4.Dieser Abstand zwischen damals und

heute scheint mir ein entscheidenderPunkt. Wer ihn einfach überspringt (sieheLuther-Oratorium, siehe Luther-Sockenetc. pp.), der landet hart auf dem Bodender Banalität. Der historische und der ge-genwärtige Martin Luther driften ausein-ander. Der Ratsvorsitzende der EKD sag-

te in einem Interview zumReformationstag 2017 ei-nen sehr merkwürdigenSatz: „Man darf Luther we-der historisieren nochfunktionalisieren.“ 4 Ich bin

der Meinung, an der Historisierung undfolgend an der Kontextualisierung MartinLuthers in seine Zeit, an der Herausarbei-tung der Unterschiede zur Moderne, gehtüberhaupt kein Weg vorbei. Die TheologieLuthers muss so präsentiert werden, dasssie aus den damaligen Umständen, ihrenkirchenpolitischen und außenpolitischen,ihren innerstädtischen Kontroversen er-klärt wird. Erst die Erkenntnis des fremdenLuther des 16. Jahrhunderts bildet die

Der historische und dergegenwärtige Martin Luther driftenauseinander

12 Pfarrvereinsblatt 1/2018

ten, nämlich die Frage nach der histori-schen und theologiehistorischen Bedeu-tung Martin Luthers und deren Kontextua-lisierung sowie die Frage nach demSelbstverständnis des nicht deutschen,sondern europäischen Protestantismus inder Gegenwart.

Letzteres scheint mir doch das zu sein,was die meisten Kritiker und Befürworterdes Jubiläums eigentlich beschäftigt. Derdeutsche Protestantismus hält den Ver-

gleich mit der katholi-schen Weltkirche, soproblematisch diesesein mag, nicht aus.Man hat sich zu langemit den volkskirchlichenVerhältnissen der sieb-ziger und achtziger Jah-re zufrieden gegeben,hielt diese für den klüg-sten Schluss ekklesiolo-gischer Glaubensweis-

heit und wundert sich nun, dass auch dasgefeierte, kirchen- und staatstragende Ju-biläum die Renovationsbedürftigkeit derLandeskirchen nicht überdecken kann.Man weiß, dass man längst den praktisch-theologischen TÜV hätte aufsuchen sol-len. In den fünfziger Jahren suchte manHilfe bei einer strengen Wort-Gottes-Theologie, die allen Kulturprotestantis-mus ausmerzen wollte, danach kamen abden Sechzigern die Religionssoziologenmit ihren Kirchenmitgliedschaftsuntersu-chungen an die Reihe, schließlich in denNeunzigern die Journalisten, welche dieevangelische Botschaft ohne die SpracheKanaans „rüber“ bringen wollten undschließlich in der jüngsten Zeit die Marke-

Voraussetzung, um das zu entwickeln,was man wirklich eine lutherische Theolo-gie der Moderne nennen könnte. Vor demKurzschluss zwischen Luthers Theologieund der Moderne ist zu warnen. Man kanndie Weimarer Ausgabe der Schriften Lu-thers nicht einfach zum Maßstab für dieGegenwart zu nehmen. Ich werde stetsmisstrauisch bei dem Versuch, LuthersTheologie als ein Bollwerk gegen die Mo-derne zu entfalten. Wiederum die Be-kenntnisschriften und ihre Entwicklung inentscheidenden Topoi(Abendmahlslehre, Leh-re von Kirche und Staat,Christologie) zeigen,dass sich der europäi-sche Protestantismushier weiter entwickelthat. Das gilt für die Uni-onsbildung im 19. Jahr-hundert, die bekenntnis-theologisch noch nierichtig ernst genommenworden ist. Das gilt für die Barmer Theo-logische Erklärung, die nun auch von lu-therischen Kirchen als Bekenntnisschrifternst genommen wird. Das gilt für die Leu-enberger Erklärung mit ihrer Relativierungder historischen und theologischen Strei-tigkeiten aus dem 16. Jahrhundert. Der hi-storische Luther, der der Moderne in sei-nen antijüdischen und antiislamischen Ti-raden, auch in seinem Grobianismusfremd geworden ist, und die Aufgabe einerlutherischen, gegenwartstauglichenTheologie sind auseinanderzuhalten. Lu-therische Theologie ist nicht einfach dieantimoderne Revitalisierung der Theolo-gie Martin Luthers. Insofern sind – trotzJubiläum – zwei Dinge auseinanderzuhal-

Frage nach der historischenund theologiehistorischen Bedeutung Martin Luthersund deren Kontextualisierungund die Frage nach demSelbstverständnis des nichtdeutschen, sondern europäischen Protestantismusin der Gegenwart auseinanderhalten

Pfarrvereinsblatt 1/2018

nicht so schlimm finden, dass man einenJuristen und Intellektuellen, der der katho-lischen Kirche angehört, zum Vorsitzen-den einer der Jubiläumskommissionenmachte. Schon vor dem Jubiläumsjahr, imJahr 2014, erschien ein Papier, das dieGegenwartsbedeutung der Reformationunter dem Titel „Rechtfertigung und Frei-heit“ 6 erhellen wollte.

Verantwortet von der theologischenKammer der EKD, akzentuierte es eineGlaubenstheologie, die unter den Stich-worten Rechtfertigung und Freiheit dieGegenwartsbedeutung der TheologieLuthers in eine Mischung aus Werten,Orientierungen und besonderer evange-lischer Spiritualität legte. Dabei hielt sichdas Papier nicht groß mit der Tatsacheauf, dass diese Mischung aus der Le-benswelt Luthers abstrahiert und vondort vergleichsweise unmittelbar in dieGegenwart transponiert wurde. Aber im-merhin war das ein Versuch, der einegründlichere Diskussion verdient gehabthätte. Und ich weise nochmals auf meine

Erfahrungen als Reformati-onsvortragender hin. Vor ei-nem Publikum, in dem nurwenige sitzen, die einetheologische Ausbildunghaben oder kirchlich sozia-

lisiert wurden, wirkt die Schilderung sol-cher Kontroversen merkwürdig bis welt-fremd. Mir läge an einer Theologie, diesolche Weltfremdheit gerade vermeidet.Um es auf eine Formel zu bringen: MehrReformation, mehr Verantwortung! We-niger „Kirche der Freiheit“.

tingleute, deren Plakate, Gimmicks, Appsund Hochglanzbroschüren sich nicht lan-ge mit Theologie und Kirchengeschichteaufhalten. Alle diese Reparaturanstren-gungen führten zu keinem positiven Er-gebnis, und das Fehlen davon sorgte undsorgt uneingestanden bei den Funk-tionären der Landeskirchen für erheblicheVerunsicherung. Die Konsistorien undOberkirchenräte finden sich in der Rollevon austherapierten, schwerkranken Pa-tienten, die nach dem vergeblichen Ver-such, die Schulmedizin zu konsultieren,nun mit alternativen Heilungsmethodenliebäugeln.

5.Sehr deutlich wurde dieser Gegensatz

zwischen historischer Werkstatt und Iden-titätsfindung an der Kabale, die sich dieLeitung der EKD mit einigen systemati-schen Theologen und Kirchenhistorikernlieferte. Aber dieser (Kirchen-) Historiker-streit, der schnell aufgebauscht wurde,versandete auch genauso schnell wieder,ohne dass die notwendigen Differenzie-rungsleistungen in die De-batte eingebracht wordenwären. Man hatte den offen-sichtlichen Eindruck, hierwurden persönliche Animo-sitäten ausgetragen, und diesachliche Klärung des schwierigen Ver-hältnisses von Theologie und Kirchenlei-tung 5 blieb aus. Beide Seiten konnten jaauch wohlfeile Beispiele publik machen.Und irgendwie kann man froh sein, dassdie Jubiläumsparade des Protestantismussicherlich nicht aus Hannover, nicht ausGöttingen oder München gesteuert wur-de. Ich kann das im Übrigen zum Beispiel

13

Mehr Reformation, mehr Verantwortung!Weniger „Kirche der Freiheit“

14 Pfarrvereinsblatt 1/2018

der Priesterweihe wirklich mit dem evan-gelischen Theorem vom Priestertum allerGläubigen vereinbar ist. Das verbindetsich damit, dass in der offiziellen evange-lischen Kirche über das theologische Ver-ständnis des Abendmahls vorsichtig for-muliert eine gewisse Unklarheit herrscht.Was die evangelische-katholische Öku-mene angeht, so lehrt hier ein weiteresMal die Leuenberger Erklärung den Um-gang mit alten Streitigkeiten aus der Ver-gangenheit. Differenzen müssen theolo-gisch neu bewertet werden, auch in denwichtigen Abendmahlsfragen.

7.Abseits von diesen offiziellen Debatten

war das Jahr 2017 begleitet von der Pu-blikation wunderbarer Bücher, aus denenich außerordentlich viel gelernt habe. Ichzähle dazu, als Gegenentwurf zu LiljesPorträt des protestantisch-heroischen Lu-ther die Biographie, welche die Kirchenhi-storikern Lyndal Roper aus Cambridgeverfasst hat 8. Mit ihrem psychohistori-schen Ansatz gelingt es ihr, vieles an Lu-thers Biographie aufzuhellen, das zuvorin den stärker theologischen Biographienunter den Tisch gefallen war. Ich zähle da-zu den Band „Europa reformata“ 9, heraus-gegeben von Michael Welker und Albertde Lange, der die Reformation als eu-ropäisches Netzwerk präsentiert und des-wegen so zu loben ist, weil er ganz kon-sequent über den deutschen Tellerrandhinausblickt. Ich zähle dazu nicht zuletztdie Biographie Johann Sebastian Bachs,die der Dirigent John Eliot Gardiner vor-gelegt hat 10. Bach lebte zwar nicht im re-formatorischen Jahrhundert, aber Gardi-ner kann zeigen, wie Bach von Kindheit

6.Es ist auch ein Wort zu sagen über die

Ökumene und den großen Wunsch min-destens nach ökumenischer Gastfreund-schaft beim Abendmahl 7. Ich will dazuzwei Bemerkungen machen. Zuerst ist mirder Optimismus fremd, den protestanti-sche Offizielle in Bezug auf den kommen-den ökumenischen Kirchentag verbreiten.Ich frage, warum einige so tun, als müssespätestens dann die gegenseitige Einla-dung zum Abendmahl, wenn nicht gar ei-ne gemeinsame Abendmahlsfeier erfol-gen. Ich sehe für einen solchen Optimis-mus keinen Grund, und die jüngstenÄußerungen von Kardinälen und Bischö-fen der katholischen Kirche bestätigendas. Denn die gegenseitige Einladung zuAbendmahl oder Eucharistie ist ja keinausschließlich ökumenisches Thema,sondern eine solche Einladung hätte auchinnerkatholische Folgen: Die innerkatholi-schen Pragmatiker und Ökumeniker wür-den über die Konservativen und Traditio-nalisten triumphieren, und die katholischeKirche wäre vor eine interne Zerreißprobegestellt. Auf der protestantischen Seitelässt sich ökumenische Gastfreundschaftallein mit Zweckoptimismus nicht her-beiführen. Zweite Bemerkung: Zwar ver-sichern mittlerweile katholische wie evan-gelische Ökumeniker, dass die theologi-schen Differenzen in der Abendmahlsfra-ge wie Opferverständnis, Realpräsenz,Abendmahl in beiderlei Gestalt, Amtsfrageund apostolische Sukzession ausgeräumtseien. Und dafür können sie einige über-zeugende Argumente anführen. Aber esist die Frage zu stellen, ob zum Beispielein strenges und nicht ökumenisch er-mäßigtes Verständnis der Voraussetzung

Pfarrvereinsblatt 1/2018

aktuell den Notwendigkeiten von Kirchen-reform gerecht, so angemessen es seinmag, die schlecht besuchten Großveran-staltungen des Kirchentags und seinerkleineren Satelliten in den neuen Bundes-ländern einmal deutlich hervorzuheben.Der Streit um die Zahl der Teilnehmer derAbschlussveranstaltung des Kirchentagsin Wittenberg kam einem ja vor wie die

Farce um die Ein-führung des amerikani-schen Präsidenten imJanuar 2017 in Was-hington, D.C., als diePresseabteilung denUnterschied zwischen

geschönten Teilnehmerzahlen und kom-promittierenden Fotos mit einem beinaheleeren Feld vor dem Kapitol mit „alternati-ven Fakten“ wegerklären wollte.

9.Ich sagte, es sei gut, wenn man einige

Konferenzen nicht besucht habe. Für eineKonferenz gilt das definitiv nicht. Sie fandin Gladbeck statt, gerade kein Zentrumdes Reformationstourismus. Schon derOrt war sehr gut gewählt, ein von derevangelischen Kirche aufgegebenes Ge-meindezentrum, das in der Folge von ei-nem Verein zum Martin-Luther-Forum mitAusstellung, Vortragsraum und Konfe-renzsälen umgenutzt worden war. Die Ta-gung „Luther reloaded. Brauchen wir eineneue Reformation?“ 12 fragte nach Re-formbemühungen im Protestantismus, imKatholizismus, aber auch in anderen Re-ligionen, in Judentum, Islam, Hinduismusund anderen. In dieser Perspektive wirddie protestantische Reformation einerdoppelten Relativierung ausgesetzt.

an durch Schule und Elternhaus theolo-gisch durch Luther und die Reformationgeprägt wurde, selbst eine riesige Biblio-thek mit den Werken der Reformation undihrer Nachfolger besaß und schließlich,vor allem in seinen Kantaten und den Pas-sionen eine durch Luther zutiefst geprägtegeistliche Musik entwickelte, die nochheute nicht zu verstehen ist, wenn die gei-stigen Quellen mis-sachtet werden, ausdenen diese Musik lebt.Ich belasse es bei die-sen drei Beispielen,wohl wissend, dasssehr viel mehr Bücherpubliziert wurden, darunter auch solche,die keine Aufmerksamkeit verdienen.Aber auch das gehört zu einem solchenJubiläum. Es ist gut, wenn man einigeBücher nicht gelesen, einige Ausstellun-gen nicht gesehen und einige Konferen-zen nicht besucht hat.

8.Und man nimmt manche Kritik besser

nicht zur Kenntnis, zum Beispiel diejenigeder beiden Bürgerrechtler FriedrichSchorlemmer und Christian Wolff, derenfrüh veröffentlichtes Papier 11 zum Ju-biläumsjahr zum Musterbeispiel verfehl-ter, miesepetriger Jubiläumskritik geriet.Hier werden im quengelnden Ton Paralle-len zwischen 16. und 21. Jahrhundert be-schworen, nur um dann zu einer Kritik desgegenwärtigen Protestantismus zu gelan-gen, der mit den lange bekannten Kli-schees und Gemeinplätzen protestanti-schen Selbstmitleids spielt. Aber wer somit „Parallelen“ umgeht, der wird wederhistorisch der Ära der Reformation noch

15

Es ist gut, wenn man einige Bücher nicht gelesen, einige Ausstellungen nicht gesehen und einige Konferenzen nicht besucht hat

16 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Die erste Relativierung zielt auf die histo-rische Phase der Reformation, die im Ver-gleich mit anderen innerreligiösen Re-formbewegungen eini-ges von ihrer Singularitätverliert. Die zweite Rela-tivierung zielt auf dieOrtsbestimmung desProtestantismus in der Moderne, dennnicht nur die Evangelischen müssen sichin Konfrontation mit der Moderne neu er-finden, sondern andere Religionen auch.

Am Anfang beschrieb der Historiker JörnRüsen (Essen) die Transformationen,welche die Moderne seit den sechzigerJahren durchgemacht hat. Das politischeProjekt, mehr Demokratie zu wagen (WillyBrandt) wird abgelöstvon Bewegungen desTranshumanen unddes human enhance-ment. Im Fragwürdigwerden der universa-len, aufgeklärten Mo-derne, die das Endeder Geschichte ausge-rufen hat, sind Fehl-barkeit, Fragilität undVerwundbarkeit desMenschen neu in den Blick gerückt. Ent-gegen den Unkenrufen der Säkularisie-rungspropheten hat sich Religion nichtaufgelöst. Auch in der modernen Gesell-schaft besteht Bedarf nach Religion undTranszendenz. Rüsen meint nun, dem seinicht mehr mit einer Unterscheidung zwi-schen wahrer und falscher Religion bei-zukommen, sondern nur mit einem huma-nistischen Koexistenzmodell, das in man-chen Punkten der von John Hick und an-

deren entwickelten Theologie der Religio-nen nahekommt. Religionen müssen sichmit dem Problem auseinandersetzen, ei-

nerseits absolute Wahr-heitsansprüche für deneigenen Glauben aufzu-stellen, andererseits abermit anderen Religionen

konfrontiert zu werden, die diese Absolut-heitsansprüche in gleicher Weise stellen.

Solche Fragen wurden in der Tagung fürverschiedene Religionen durchgespielt.Georg Essen (Bochum) problematisiertefür die katholische Kirche zwei Formeln,die Papst Benedikt XVI. in die Diskussioneingebracht hatte. Benedikt hatte bei sei-nem Deutschlandbesuch in Freiburg die

„Entweltlichung“ derKirche und später ein„Ende der Diktatur desPluralismus“ gefordert.Beide Formeln kriti-sierte Essen und legtesie aus als Resignati-on und Kapitulation vorden Problemen derModerne. Was das ka-nonische Recht an-geht, so bedarf es ei-

ner Revision des (katholischen) Natur-rechts und dessen substantialistisch-nor-mativer Setzungen (so Judith Hahn, Bo-chum). Und der Tübinger Kirchenhistori-ker Florian Bock konnte zeigen, wie nachdem großen Reformschritt des 2.Vatika-num die katholische Kirche sich in inho-mogene Gruppen von Progressiven undKonservativen aufspaltete. Die Progres-siven versammeln sich in gemeindenahenLaienbewegungen, während die Konser-

Protestantische Reformationwird eine doppelten Relativierung ausgesetzt

Religionen müssen sich mit demProblem auseinandersetzen, einerseits absolute Wahrheitsansprüche für den eigenen Glauben aufzustellen,andererseits aber mit anderenReligionen konfrontiert zu werden, die diese Absolutheitsansprüche in gleicher Weise stellen

17Pfarrvereinsblatt 1/2018

vativen die Tradition verherrlichen unddas vorkonziliare Dogma absolut setzen.Die katholische Kirche ist demnach einemPolarisierungsprozess ausgesetzt, mitdem sie sich langfristig selbst gefährdet.In fünfzig Jahren, so Bock, werde es „rom-freie Individualkatholiken“ geben, die sichvon einer kleiner gewordenen und weni-ger universalistischen Papstkirche abset-zen. Genau diesen katholischen Diskus-sionsstrang kann man auf die protestanti-sche Kirche übertragen.Weil Georg Essen mein-te, die große Pathologiedes Protestantismus seidie Partikularisierung desChristentums, so ist dochfür beide Kirchen die Frage, wie sie die je-weils eingeprägte Organisationskultur(die in beiden Fällen nicht mit der Kircheselbst zu verwechseln ist) modernität-stauglich machen, das heißt sich in „flui-de“ Organisationen verwandeln, die voneiner Vielzahl von konkurrierenden Grup-pen geprägt werden. Und danach stelltsich die Frage nach einer gemeinsamenIdentität von Protestantismus und Katho-lizismus. Die von Bock bemerkten Ten-denzen der Zersplitterung der katholi-schen Kirche lassen sich ja analog auchim Protestantismus finden, etwa im Ge-genüber von Kirchentags- und evangeli-kaler Bewegung. Es ist hier nicht der Ort,die weiteren Referate wiederzugeben.Aber es war interessant zu hören, wie dasJudentum des 19. Jahrhundert nach ei-nem „jüdischen Luther“ gesucht hat, umeigene Reformbemühungen zu versteti-gen. Es war genauso interessant, etwasüber die viel diskutierten, gegenwärtigenReformbewegungen im Islam zu erfahren

(Aladdin Sarhan, Marwan Abou Taam,Mouhanad Khorchide).

Den Abschlussvortrag hielt der Münche-ner Systematische Theologe FriedrichWilhelm Graf. Hilfreich war seine Unter-scheidung zwischen Geschichtspolitik,Geschichtsdeutung und -forschung.

Denn nur mit Hilfe solcher Unterscheidun-gen lässt sich die bereits markierte Diffe-

renz zwischen der Histo-risierung Luthers und derReformation auf der ei-nen und der Selbstver-ständigungsdebatte desProtestantismus weiter

ausarbeiten. Wobei zur Überraschungvieler die kirchliche Deutung der Refor-mation bei Graf kaum eine Rolle mehrspielte. Und im Grunde nahm Graf in sei-nem Schlusssatz den Ball auf, den die Ka-tholiken mit ihren Reflexionen über denseit dem 2.Vatikanum immer mehr gespal-tenen Katholizismus ihm zugespielt hat-ten. Einer seiner Schlusssätze lautete:„Wer meint, dass Pluralisierung ein Ge-winn ist, der hat in der Reformation etwaszu feiern.“ Graf wusste, dass der Philo-soph Georg Friedrich Wilhelm Hegel amReformationstag stets schon vormittagseine Flasche Rotwein öffnete. Aber esmacht doch einen Unterschied, ob manden Weltgeist feiert, der in Martin LutherGestalt annahm, oder die pluralistischeReligionskultur der Gegenwart.

Grafs protestantische Pluralismusfreundeund die romfreien Individualkatholikenwürden bestimmt miteinander das Abend-mahl feiern, wenn sie sich denn, beide be-

Hilfreiche Unterscheidungzwischen Geschichtspolitik,Geschichtsdeutung und -forschung

18 Pfarrvereinsblatt 1/2018

freit von ihren fluiden Institutionen, inihrem Individualismus auf solch eine ge-sellig-kommunikative Veranstaltung ein-lassen könnten.

10.Bleibt noch etwas zu sagen über das

Playmobilmännchen, das Martin Lutherdarstellen soll. Anekdoten darüber werdenja stets mit einer gewissen protestanti-schen Koketterie erzählt. Das 19. Jahr-hundert machte aus Martin Luther einendeutschnationalen Heros, einen Kämpferfür Freiheit und Vaterland, den man sichvor die Kirche auf den monumentalenDenkmalsockel stellte. Das 20. Jahrhun-dert machte aus Luther einen Frühsoziali-sten, der nicht richtig mit Thomas Müntzerklargekommen war und irgendwo im Nie-mandsland zwischen Bundesrepublik undder DDR lebte, als ein Früheuropäer mitstarkem Hang zu neuen (Druck-)Medien.Der Luther des 21. Jahrhunderts ist einwinziges Playmobilmännchen, keineDenkmalsfigur. Statt deutschmonumentalmit Bismarck, Goethe und Schiller oderfrüheuropäisch mit Bucer, Calvin und Bu-genhagen konkurriert er nun mit DarthVader, Luke Skywalker, Superman undElvis Presley.

Und ich nehme Liljes Lutherbuch, dasmich seit zig Umzügen begleitet, wiederaus dem Regal.

❚ Wolfgang Vögele, Karlsruhe

1 Hanns Lilje, Martin Luther. Eine Bildmonographie, Stuttgart 1967.2 Wolfgang Vögele (Hg.), Die Bekenntnisschriften der Badischen Landeskirche, Bd.1, Textsammlung, Bd. 2 Kommentar, Karlsruhe 2015.3 Wolfgang Vögele, Sono auribus viventium. Sono auribus viventium. Kultur und Theologie des Glockenläutens in Reformation und Moderne, Ästhetik – Theologie – Liturgik 68, Münster u.a. 2017.4 Heinrich Bedford-Strohm, Interview, Süddeutsche Zeitung 28.-29.10. 2017.5 Vgl. Wolfgang Vögele, Das Abendmahl der Aktenordner. Bemerkungen zum Verhältnis von Theologie und Kirchen- leitung, Ta Katoptrizómena. Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik, H.90, 2014, http://www.theomag.de/90/wv12.htm6 Kirchenamt der EKD (Hg.), Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2014, http://www.ekd.de/download/2014_ rechtfertigung_und_freiheit.pdf7 Dazu Wolfgang Vögele, Brot und Wein. Brot und Wein. Gegenwärtige Abendmahlspraxis und ihre theologische Deutung, tà katoptrizómena, Heft 110, Oktober 2017, https://theomag.de/109/wv036.htm8 Lyndal Roper, Der Mensch Martin Luther, Frankfurt 2016.9 Michael Beintker, Albert de Lange, Michael Welker (Hg.), Europa reformata: Reformationsstädte Europas und ihre Reformatoren, Leipzig 2016.10 John Eliot Gardiner, Bach. Musik für die Himmelsburg, München 2016; vgl dazu Wolfgang Vögele, Werde mun- ter, mein Gemüte. Über den musikalisch-theologischen Dialog und die Bach-Biographie von John Eliot Gardiner, tà katoptrizómena, Heft 107, Juni 2017, https://www.theomag.de/107/wv035.htm11 Friedrich Schorlemmer, Christian Wolff, Reformation in der Krise. Wider die Selbsttäuschung. Ein Memorandum zum Reformationsfest 2017, Leipzig 2017, http://wolff- christian.de/wp-content/uploads/2017/08/Memorandum- zum-Reformationsfest-2017.pdf12 Tagungsflyer unter: http://www.ev-akademie-rhein- land.de/files/pdf/20171019-20_Luther%20Reloaded.pdf

Pfarrvereinsblatt 1/2018

ökumene-politischen Bedenken. Diesescheinbare Selbstkritik ist eine in der vorallem neueren protestantischen Traditionleider geläufige Form der Bedenkenträge-rei, hinter der sich eine spezifische Formder Eitelkeit kaum verbergen lässt. Einsolches Anzweifeln der Berechtigung,sich der eigenen Tradition feiernd zu ver-gewissern, dürfte in keinem Betrieb, kei-nem Verein, keiner Partei oder Gemeindeso vorkommen. Denn ein Jubiläum istzunächst einmal nichts anderes als diezum Fest gewordene Aussage: Wieschön, dass es uns gibt. Und wer kanndazu schon Nein sagen? Und so sei ei-gens darauf hingewiesen: Nörgeln ist kei-ne soziale Kompetenz und keine christli-che Tugend.

Zu Recht werden heute auch die öku-menischen Chancen des Jubiläums deut-

lich betont. Das ist gut so.Papst Franziskus hat am Re-formationstag 2016 bei einemökumenischen Gebetstreffen

in der Kathedrale in Lund/Schweden ge-predigt: „Als Lutheraner und Katholikenbeten wir gemeinsam in dieser Kathedraleund sind uns bewusst, dass wir getrenntvon Gott nichts vollbringen können. Wirerbitten seine Hilfe, damit wir lebendige,mit ihm verbundene Glieder sind, immerseiner Gnade bedürftig, um gemeinsamsein Wort in die Welt zu tragen – in dieseWelt, die seiner zärtlichen Liebe und sei-ner Barmherzigkeit so sehr bedarf.“ Hiertritt ein ganz tiefes Verständnis von Einheitzu Tage, das weit entfernt ist von jedemDiplomaten-Ökumenismus. Bei einem

19

500 Jahre Reformation

❚ Tobias Kuenzlein, Pfarrer und Direktordes Melanchthon-Zentrums in Rom, wirft einen kritischen Blick auf die Haltung, mit der die evangelische Kirchedas Reformationsjubiläum gefeiert hat. Er plädiert dafür, statt dass sich die Kirche weiter selbst banalisiere, sie sichder frei machenden Wahrheit als ihremreformatorischen Grund wieder zuwende.

Thema

V or 500 Jahren, im Jahr 1517, hatder Reformator Martin Luther seine

95 Thesen veröffentlicht und damit einenProzess in Gang gesetzt, der mit anderenreformatorischen Bewegungen letztlichzur Entstehung der protestantischen Kir-chen geführt hat.

Kein Jubiläum ist nur ein Blick in die Ver-gangenheit. Die Art wie es begangen wird,ist vielmehr ein Spiegel der jeweiligen Zeit.So waren z.B. die Jubiläen1617 und 1717 Inszenierun-gen lutherischer Rechtgläubig-keit mit antikatholischer Ten-denz. Das Reformationsjubiläum 1817 hat-te stark nationale und liberale Züge, diesich im Wartburgfest dokumentierten.

Wie feiern wir heute im Jahr 2017 das Ju-biläum der Reformation? Und soll mandas überhaupt feiern? Es gab dazu Stel-lungnahmen aus der römisch-katholi-schen Kirche, denen es fraglich erschien,eine Kirchenspaltung zu „feiern“. Es wa-ren aber auch protestantische Stimmen,die sich darin gefielen, das Jubiläum alsFest infrage zu stellen, zu relativieren mitallerlei historischen, theologischen und

„Wie schön, dass es uns gibt.“

20 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Besuch der lutherischen Kirche in Rom2015 hat Franziskus es so gesagt: „DasLeben ist größer als Erklärungen undDeutungen. Nehmt immer auf die TaufeBezug: „Ein Glaube, eine Taufe, ein Herr.“Franziskus überwindetdogmatische Gräben, in-dem er Gott als Subjektder Einheit betont: „Sp-recht mit dem Herrn und geht voran.“ –Die Antwort von Franziskus auf die Fragenach der Zulassung zum Abendmahl kon-fessionsverschiedener Paare – Das hättewomöglich selbst Martin Luther gefallen.

Ein Jubiläum ist auch ein Grund Bilanz zuziehen und nach vorne zu blicken. Aufwelchem Weg ist die evangelische Kir-che? Man könnte zuweilen den Eindruckgewinnen, dieser Kirche sei ihre ureigeneBotschaft verloren gegangen. Gäbe esnicht die vielen Gemeinden, in denen einreiches geistliches Le-ben gedeiht, in denenfröhliche und ernsteGottesdienste geistreichgefeiert werden, könnteman meinen, es sei von der einstigen Kir-che nicht mehr geblieben als eine rechtfreud- und geistlose Behörde. Eine Insti-tution, die sich in ihren Gremien seit vielenJahren hauptsächlich mit dem ThemaSparen also mit Geld beschäftigt und nichtbemerkt, dass sie damit vor allem Geistund Botschaft, Kreativität und Motivationeinspart. Da helfen gelegentliche morali-sche Appelle zu politischen und gesell-schaftlichen Themen nichts. Es scheint,als gehe die einstige Kirche des Wortesmit der Banalisierung ihrer Botschaften,der Geringschätzung klassischer Bildung

und einer verbreiteten Infantilisierung derGottesdienste konsequent den Weg derSelbsterübrigung. Wie gesagt und Gottsei Dank gibt es auch das andere. VorJahrzehnten wurde in einem Lehrbuch für

den Konfirmandenunter-richt die Frage gestellt:„Warum bleiben wir unse-rer Evangelischen Kirche

treu?“ Schon diese Frage wäre heute insolchem Zusammenhang undenkbar undwürde in die Gesichter vieler evangeli-scher Funktionäre ein mildes Lächelnzaubern. Und erst die Antwort: „Um derWahrheit willen.“ Wahrheit hat keine Kon-junktur. Um es mit Martin Luther zu sagen:„Man reißet sich wenig um die Wahrheit.Sie gehet betteln. Wer lügen, trügen, steh-len kann, der kommt zu was.“

Das ist in unserer Gesellschaft so, in dergilt: Wahr ist, was funktioniert. Und lieber

als von der Wahrheit, re-det man von Werten.Von deutschen, von eu-ropäischen, gelegentlichauch mal von christli-

chen Werten. Und diese Werte sollendann eine sogenannte Wertegemein-schaft konstituieren. Als ob ein Katalogvon Richtigkeiten (den überdies keinerformulieren möchte) eine Gesellschaft tra-gen könnte.

Und dieser Verzicht, die Frage nach derWahrheit zu stellen, verbreitet sich längstauch in der evangelischen Kirche. Dabeihat sie eigentlich sonst nichts zu bieten.Sie braucht auch nicht mehr. Denn dieWahrheit, von der die Kirche reden darfund muss, ist nicht die Wahrheit, die eben

Die Kirche geht den Weg der Selbsterübrigung

Nur die befreiende Wahrheitkann eine neue Reformationder Kirche bewirken

Pfarrvereinsblatt 1/2018 21

irgendwie funktionieren muss. Die Wahr-heit des Evangeliums hat eine andereWirkung: Sie macht frei.

Nach ihrem Selbstverständnis ist dieevangelische Kirche der Ort, an dem dasEvangelium wahr und rein verkündigtwird. Dieses Evangelium sagt nun einmalnicht ihr seid der Sand im Getriebe, son-dern ihr seid die Stadt auf dem Berge. Ihrseid das Salz der Erde und nicht das Haarin der Suppe. Ihr seid das Licht der Weltund nicht die Funzel einer spießigen Mo-ral. Die Wahrheit des Evangeliums istnicht die Ansammlung irgendwelcherRichtigkeiten. Es geht um den, der vonsich sagt: Ich bin die Wahrheit, Jesus Chri-stus. Diese Wahrheit macht frei. Und nursie kann eine neue Reformation bewirken,die man der Kirche nur wünschen kann.Der Theologe Eberhard Jüngel sagt dasso: „Die Freiheit hat ihren Ursprung in derWahrheit. Was nicht wahr ist, macht auchnicht frei. Und die Wahrheit hat in der Frei-heit ihr Ziel. Was nicht frei macht ist auchnicht wahr“.

Das hat vor 500 Jahren der Reformatorder Kirche, Martin Luther, in neuer Weiseentdeckt und verkündigt. Das ist der wah-re Schatz der Kirche. Wenn das keinGrund zum Feiern ist.

❚ Tobias Kuenzlen, Rom

22 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Nur wer von seinem Dienstgeber monat-lich 22 Euro einbehalten lässt, kann beider Beihilfe Wahlleistungen (z. B. Chef-arzt, Zwei-Bett-Zimmer) abrechnen.

Krankmeldungen bitte Ihrem Dienst herrnvor legen. Sollten Sie ein zusätzliches Exem - plar für die Krankenkasse erhalten, bitteauf bewahren, nicht bei uns einreichen.

Für Beihilfeberechtigte und ihre An ge hö ri -gen besteht Pfle ge versiche rungs pflicht.Der Pfarr verein (Be rufs ver band) kann je-doch nicht pflegeversichern.

Über 80 % der badischen Pfarrerschaftsind bei der Familienfürsorge Detmoldpfle geversichert. Haben Sie alle Kinderund den Ehepartner bei der Pflegeversi-cherung angemeldet, oder besteht eineeigene Pflegeversicherung?

Melden Sie Kinder am besten gleichnach der Geburt bei Ihrer Pflegeversi-cherung an.

Die Bearbeitung der Krankenhilfe beträgtbei uns in den meisten Fällen zwischenzwei und drei Wochen. Bitte sehen Sievon telefonischen Anfragen über denStand der Bearbeitung ab.

Beim Einreichen der Kranken hil fe beimPfarrverein bitte be ach ten:Alle Blätter des Originalbescheides derBeihilfestelle uns vorlegen. Die Kosten be - lege (Arzt rech nun gen, Rezepte, Kran ken -haus rech nungen, usw.) sind nur noch er -for derlich, wenn es sich um Pfle ge kos tenhandelt oder Er stat tun gen an de rer Stel -len vorgenommen wurden (z. B. Kran ken -kas sen).

Bei Pflegekosten müssen Sie außer-dem die entsprechenden Positionen aufdem Original-Bei hilfebescheid kenn - zeich nen als „Pflege“. Pflegekosten wer-den von uns nicht übernommen. Der Bescheid der Beihilfestelle (KVBW,LBV o. a.) muss uns komplett im Ori ginalvorgelegt werden. Sonst kann keine Be-arbeitung stattfinden, die Un terlagen wer -den dann unbear bei tet zurückgeschickt.

Bei uns sind generell keine Beantra gun -gen (Kuren, Zahnersatz, Kiefer ortho pä dieusw.) erforderlich.Die Beihilfestelle muss jedoch vorab ge -neh migen. Also im Zweifelsfall dort Aus - kunft einholen, was beihilfefähig ist undwas vorab beantragt werden muss. Informationen finden Sie auch unterwww.kvbw.de in der Rubrik „Beihilfe“.

Bei Krankenhausaufenthalten dort mittei-len, dass Sie Beihilfeberechtigter undSelbst zahler sind. Bei Beihilfe berech tig -ten ist keine Kosten-Ab tre tung möglich.Wir benötigen auch keine Auf nah me/Ent -lass anzeigen der Kran ken häuser.

Krankenhilfe

Aus dem Pfarrverein

Pfarrvereinsblatt 1/2018 23

Auch die Familienfürsorge berät in Fra -gen der privaten Krankenversicherungnach dem Studium. Dort besteht eineOptionsversicherung, die es studie ren - den Kindern von Mitgliedern des Pfarr-vereins ermöglicht, bei Verlust ihresBeihilfeanspruchs aus Altersgründen,sich zu günstigeren Bedingungen zuversichern.

Beihilfeberechtigte Kinder werden vonuns in der Krankenhilfe mitberücksichtigt.Auch die beihilfeberechtigten Ange hö ri -gen sollten wissen, dass bei Arzt/Zahn -arzt be such, Kranken haus be hand lungusw. an ge geben werden soll: bei hilfe be -rech tigt und Selbstzahler.

… können sich bei Studienbeginn von derstudentischen Versicherungspflicht frei-stellen lassen. Dies ist möglich bei derAOK des Studien- oder Wohnortes; fallsder Studierende schon bei einer anderengesetzlichen Krankenkasse versichertwar, geht es auch dort. Gegebenenfallsist für die gesetzliche Krankenkasse eineBescheinigung von uns nötig.

Die Freistellung von der Versicherungs-pflicht in der Gesetzlichen Krankenversi-cherung empfiehlt sich dann, wenn dasKind für die Dauer des Studiums weiterhinüber Beihilfe und Pfarrverein berücksich-tigt werden soll.

Jedoch gilt hier zu beachten: Die Berück-sichtigung in Beihilfe und Pfarrverein giltnur so lange, wie auch Kindergeld gezahltwird, also maximal bis zum Ende des Jah-res, in dem der Studierende 25 Jahre altwird (ggf. zuzüglich Wehr-/Zivildienst).

Dauert das Studium länger, oder auch beiStudienabbruch muss sich der Studentselbst bei einer privaten Krankenversi-cherung weiterversichern, wenn zumStudienbeginn eine Freistellung von derstudentischen (gesetzlichen) Krankenver-sicherung erfolgt ist. Im Zweifelsfall solltenSie Ihre Bei hilfestelle vor her um Rat fra-gen, ob noch Bei hilfe fä hig keit besteht undwie lan ge. Die Gewährungsfristen werdenin be stimm ten Fällen nach Beendigungdes Studiums bis Jahresende verlängert.

Studierende Kinder

24 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Reisen ins Ausland

Bei Reisen ins Ausland empfehlen wirun seren Mitgliedern den Abschluss

einer Auslandsreise-Krankenversiche-rung. Die Beihilfe gilt zwar weltweit, je-doch werden im Ausland entstehendeKosten nur in der Höhe erstattet, was siehier gekostet hätten. Außerdem sind auchmedizinisch notwendige Rücktransportenicht beihilfe fähig und sollten deshalbüber eine Auslandsreise-Krankenver -siche rung abgedeckt werden. Dabei istzu un ter scheiden zwischen fest und vari-abel ter minierten Versicherungen.

Variabel terminierte Auslandsreise-Kran -kenv ersicherungen sind flexibler, geltenaber insgesamt nur für eine vereinbarteAn zahl von Tagen pro Jahr. Diese Lösungist praktischer als die Vereinbarung vonFest terminen und kostet nur geringfügigmehr. Bitte beachten Sie als Zweck denUr laubscharakter dieser Kranken ver si che - rungen. Dienstliche Anlässe oder längerdauernde Aufenthalte im Ausland sindevtl. anderweitig abzudecken. Dies soll -ten Sie im Einzelnen vorab mit Ihrem Ar-beitgeber klären.Eine Auslandsreise-Krankenversi che rungist zu günstigen Tarifen z.B. beim Versi-cherer im Raum der Kirchen (Bruderhilfe-Pax-Familienfürsorge) möglich. Auskunfterteilt das VRK-Regionalbüro in Landau,Tel. 06341/9393-69.

Dort können Sie auch über Kran ken ver si - cherung bei längerem Auslandsaufenthaltwegen Studium, Schüleraustausch o. ä.be raten werden.

Damit die Kommunikation zwischender Ge schäftsstelle des Pfarrver-

eins und seinen Mitgliedern reibungslosfunktioniert, sind wir darauf angewiesen,dass Sie uns Änderungen von Adressen,Tele fon num mern und Bankverbindungenmitteilen. Dies gilt auch für Eheschlie-ßung, Schei dung, die Geburt eines Kin-des oder auch beim Eintreten eines Ster -be falles. Der Pfarrverein verständigt beiAd ress än derungen auch die Versand-stelle des Deutschen Pfarrerblattes.

Für den Badischen Pfarrkalender ist eserforderlich, dass wir auch über IhreDienst stellen-Änderungen informiert wer -den, um auch hier aktuelle Daten prä sentzu haben.

Zur Festsetzung des Beitragseinzugsist es wichtig, dass Sie uns jede Kopie Ih-rer Bezüge/Ab rechnung übersenden, fa-xen oder mailen, wenn Sie nicht oder nichtnur über den EOK oder die Ruhege halts -kasse in Darm stadt besoldet werden.

Melden Sie uns bitte stets die Be rufs -tä tig keit Ihrer Ehepartnerin/Ihres Ehe -part ners, damit wir die Beiträge festset-zen kön nen, wenn sie/er Beihilfe er hält(10.000-Euro-Regelung, siehe KVBW-bzw. LBV-Formular!) und in der Kran -kenhilfe des Pfarr vereins be rück sichtigtwerden soll.

Sollte dies ein Problem werden, setzen Siesich mit Ihrer Beihilfestelle in Verbindung.

Datenänderungen

25Pfarrvereinsblatt 1/2018

Identifikationsnummer des Mitglieds. Des-halb wird der bescheinigte Beitrag aufelektronischem Weg von uns an die zu-ständige Stelle gemeldet.

Tragen Sie also die drei Beträge derBescheinigung a) Berufsständischer Beitragsanteil

(= Wer bungskosten, z. B. Anlage N)b) Krankenversicherungsbeiträge,

Basisabsicherung (= Anlage Vorsorgeauf wen dungen)

c) Beitragsanteil, der über die Basisabsicherung hinausgeht (= Anlage Vorsorgeaufwendungen, Wahlleistungen)

in die Steuererklärung ein und legendie Beitragsbestätigung der Steuerer-klärung bei.

Vom Finanzamt werden keine Steuer erklä -rungs-Vordrucke mehr versandt. Der Steu -erpflichtige muss sie künftig aus dem In ter -net abrufen (selbst ausdrucken, Infor ma ti -o nen siehe in der Rubrik ElsterFormular un-ter www.elster.de, dort kann die Steu er er -klärung auch online abgegeben werden)oder beim Finanzamt abholen.

Die Beiträge können künftig nur noch aner-kannt werden, wenn der Verwendung dersteuerlichen Identifikationsnummer nichtwidersprochen wurde.

Vergessen Sie nicht, auch die Pflegeversi-cherungsbeiträge aufzuführen. Ihr Pflege-versicherer (bei den meisten PfarrerInnenist dies die Familienfürsorge) hat darüberauch einen Nachweis erstellt.

Mitgliedsbeiträge des Pfarrvereins sind sowohl Sonderausgaben als auch Werbungskosten

A b der Steuererklärung für 2010 wer-den Kran kenversicherungsbeiträge

steuermindernd anerkannt, soweit sie füreine ge setz liche Abdeckung (Basisabsi-cherung, keine Wahlleistungen) anfallen.Bei darüber hinausgehenden Leistungenwie zum Beispiel bei Tarifen der PrivatenKrankenversicherung oder auch der Dif-ferenzzahlung zur Beihilfe (= Krankenhilfedes Pfarrvereins), die auch über das ge-setzliche Niveau hinaus gehen, wird nurein prozentualer Anteil anerkannt, derdem gesetzlichen Niveau der Basisabsi-cherung entspricht. Beim Pfarrvereinsbei-trag beträgt dieser Anteil in der Regel82,6 %. Da der Pfarrvereinsbeitrag aberauch berufsständische Leistungen ent-hält, sind diese zuerst abzuziehen. Der soermittelte restliche Krankenversiche-rungsbeitrag wirkt dann künftig in dieserHöhe auch steuermindernd.

Wie wird der Beitrag bescheinigt?Der Pfarrverein stellt bis Ende Februar2018 für jeden Beitragszahlenden (Aktive,Ruheständler, Witwen und Mitverdienen-de) eine Bescheinigung für das Finanzamtaus und versendet diese auch auto- matisch an den Beitragszahlenden, also ohne Anforderung.

Die Finanzverwaltung sieht außerdem vor,dass nur noch zentral übermittelte BeträgeEingang in die abgegebene Steuer er klä -rung finden, gekoppelt an die steuerliche

Einkommensteuererklärung für 2017

26 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Mitverdienende Angehörige: Beitragspflicht auch bei Rentenbezug

W enn EhepartnerInnen von Mit-gliedern eine eigene Rente oder

Pension beziehen, werden dadurch inder Krankenhilfe des Pfarrvereins Beiträ-ge fällig. Voraussetzung ist, dass es sichdabei um eine Rente aus Berufstätigkeit(auch Zusatzrenten wie VBL) handeltund die Ehepartnerin/der Ehepartner inder Krankenhilfe des Pfarrvereins mit-berücksichtigt werden möchte. Ein Ein-kommen oder Rentenbezug von mit-berücksichtigten Angehörigen muss unsimmer gemeldet werden.

Liegt die Rente unter einem Bruttobetragvon monatlich 800 Euro, wird kein Bei-trag erhoben. Zwischen 800 und 1.700Euro entsteht ab 2016 ein Monatsbeitragin Höhe von 70 Euro, über 1.700 Eurowerden 7% der Bruttorente fällig. Beste-hen mehrere Renten oder Einkünfte ausPension, werden diese addiert.

Generell gilt: wer in der Krankenhilfe mit-berücksichtigt werden möchte, muss vor-her angemeldet werden.

Eigene Rente bei WitwenAuch Pfarrwitwen und –witwer müssen

eigene Renten, die zusätzlich zur Wit-wenrente bezogen werden, bei uns mel-den. Hier gelten andere Beitragsgrenzen:Übersteigt die eigene Rente einen Betragvon 450,00 Euro monatlich, wird sie aufdie Witwenrente aufgeschlagen. Da-durch entsteht für diese eigene Rentegekoppelt an die Beitragsberechnung derWitwenrente ein Beitrag von 7% derBruttorente/vom Grundgehalt.

Achtung: Beitragspflicht auch bei zusätzlicher WitwenrenteAuch wenn Mitglieder (i.d.R. Pfarrerin-

nen und Pfarrer) mit Krankenhilfe zusätz-lich zur eigenen Besoldung oder zum Ru-hegehalt noch eine Witwenrente einesverstorbenen Ehepartners erhalten, ent-steht für diese Witwenrente zum Teil eineBeitragspflicht. Solche zusätzlichen Be-züge müssen dem Pfarrverein selbst-ständig gemeldet werden.

27Pfarrvereinsblatt 1/2018

Aus der Pfarrvertretung

I m GVBl 7/2017 (S.146f) findet man dieneuen Supervisionsrichtlinien des

EOK, die die bisherigen Richtlinien (GVBl11/2011, S.197f) ersetzen. Neu ist:• Die Beratung vor einer Supervisions-

maßnahme (§ 3 (2) ) über das Bera-tungsformat und die konkrete Antragstel-lung wird nun nicht mehr durch die Su-pervisorInnen vorgenommen, sonderndurch die Fachstelle Supervision der Ab-teilung Personalförderung im EOK.

• Die Förderungssätze (§ 4 (1) ) sind nachoben angepasst worden (bis zu 600 € fürEinzelsupervision und maximal 800 € fürGruppensupervision (vorher: 400 bzw.600 €), wobei die Förderung bei Grup-pensupervision auf 70% gedeckelt ist.

• Ausdrücklich erwähnt wird nun, dass einRechtsanspruch auf Förderung nichtbesteht: „Die Förderung erfolgt im Rah-men der zur Verfügung stehendenHaushaltsmittel; ein Rechtsanspruchauf Förderung besteht nicht.“ (§ 4 (3) )

• Balintgruppen werden gefördert beiSeelsorgerInnen, „deren Arbeitsfeldständige tätigkeitsbegleitende Supervi-sion erfordert“ (§ 5 (2) ); diese Ein-schränkung war vorher nicht enthalten.

Ich habe die neuen Richtlinien zum An-lass genommen, mögliche Rückfragenvon Supervisions-InteressentInnen imKontakt mit verschiedenen Beteiligten imEOK zu klären:

• Kann die Inanspruchnahme von Super-vision zum Hindernis für die landes-kirchliche Karriere werden (nach demMotto „wer Supervision braucht, musses wohl nötig haben“)?

Das Gegenteil ist der Fall: Das Personalre-ferat sieht in der Reflexion unseres berufli-chen Handelns durch Inanspruchnahmevon Supervision ein Qualitätsmerkmal.

• Bleibt die freie Wahl des Supervisorsbzw. der Supervisorin trotz der verpflich-tenden Beratung erhalten?

Ja.

• Was passiert mit sensiblen Informatio-nen, die in der Beratung zur Sprachekommen?

Nach Auskunft von Johanna Renner(Fachstelle Supervision der Abteilung Per-sonalförderung des Evangelischen Ober-kirchenrates) kommen die Anträge im Hin-blick auf das hohe Gut der Unabhängig-keit von Supervision nicht in die Persona-lakte. Sie kommen lediglich in die Han-dakte der Sachbearbeiterin, solange derVorgang läuft. Nach Abschluss wird nurdie Abrechnung aufbewahrt. Von den An-fragen und Beratungen wird nichts doku-mentiert!

• Ist die Förderung von Supervisions-maßnahmen kostendeckend?

Aktuelles: Supervisionsrichtlinien

28 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Das kommt darauf an: Nach unserer Ho-norarordnung wird bei landeskirchlichenSupervisorInnen für eine Sitzung Einzel-supervision von 90 Minuten bis zu 60 €bezahlt (bzw. bei bis zu 75% landeskirch-lich angestellten SupervisorInnen bis zu90 Euro), bei freiberuflichen bis zu 260 €(bei Gruppen bis zu 300 €). Da die Förde-rung laut § 4 (1) der Richtlinien bei Einzel-supervision auf acht Sitzungen begrenztist, kann man Supervision angesichts ei-ner maximalen Fördersumme von 600 €ohne Zahlung eines Eigenanteils erhal-ten, wenn man landeskirchliche Supervi-sorInnen wählt. Nimmt man Supervisionauf dem freien Markt in Anspruch, kannder Eigenanteil je nach verlangtem Hono-rar sehr variieren.

Letztlich entscheiden SupervisandInnenselbst, auf welches Honorar sie sich ein-lassen (sie sind die VertragspartnerInnenund bezahlen auch die Rechnung). Ent-sprechend entscheiden sie auch, wievieleSitzungen sie in Anspruch nehmen wol-len. Es gibt durchaus die Konstellation,dass nur 4 Sitzungen von je 90 Minuten inAnspruch genommen werden und dieFörderung von 600 Euro für ein Honorarvon 150 Euro reicht, ohne dass man dr-auflegen muss.

Bei Gruppen können für maximal zehnSitzungen bis zu 800 € abgerechnet wer-den, wobei bei landeskirchlichen Supervi-sorInnen bis zu 90 € pro Sitzung bezahltwerden (bzw. bei bis zu 75% landeskirch-lich angestellten SupervisorInnen 120 €).Allerdings ist die Erstattung bei Gruppenohnehin auf 70% der Kosten begrenzt.

• Dürfen Supervisionskosten, die durchdie landeskirchliche Förderung nicht ab-gedeckt sind, aus kirchenbezirklichenoder gemeindlichen Mitteln erstattetwerden?

Ja (wenn ein entsprechender Beschlussvorliegt). Für die Supervision von Dienst-gruppen sollen auch Mittel in den Haushal-ten der Kirchenbezirke eingeplant werden.

• Darf im Anschluss an eine geförderteSupervisionsmaßnahme ein Folgean-trag gestellt werden?

Grundsätzlich ja. Es gilt jedoch die Richt-linie, die von situativen Anlässen für dieSupervision spricht. Bei einem Folgean-trag wird neu geprüft, ob ein entsprechen-der Anlass vorliegt.

• Muss man u.U. mit einer Ablehnung ei-nes Förderantrags rechnen?

Einen Automatismus gibt es im Hinblickauf die begrenzten Haushaltsmittel nicht;deswegen steht in den Richtlinien diePassage „Ein Rechtsanspruch auf Förde-rung besteht nicht.“ Wer seinen Antrag be-willigt bekommen hat, muss aber nicht be-fürchten, auf den Kosten sitzen zu blei-ben; für bewilligte Anträge gibt es in jedemFall die Förderung.

• Hat sich bei den Balintgruppen etwasgeändert?

Die Balintgruppen sind in die Zuständig-keit des Zentrums für Seelsorge überge-gangen. Sie fallen unter die Rubrik „stän-dige Supervision“. Anmelden können sich

29Pfarrvereinsblatt 1/2018

beim ZfS PfarrerInnen aus allen Berufs-feldern, d.h. auch aus der Gemeinde.

Die nötigen Infos, Anträge und Richtlinienzum Thema Supervision findet man unter:www.ekiba.de/supervision

Die Änderung des Religionsunterrichtsge-setzes durch die Landessynode (GVBl13/2016, S.228) war Gegenstand einerAnfrage der Pfarrvertretung an den Ober-kirchenrat. Inhaltlich geht es dabei um dieBerechnung der RU-Deputate in Dienst-gruppen. Mit der Gesetzesänderung wur-de der bisher genannte Begriff Gruppen-pfarramt bzw. Gruppenamt durch den2014 mit der Rechtsverordnung Dienst-gruppen eingeführten Begriff Dienstgrup-pe ersetzt.

Grund der Nachfrage war die Befürch-tung, dass es bei der Bildung überparo-chialer Dienstgruppen zu Deputatser-höhungen kommen kann (am Beispiel:Wenn drei Gemeinden mit 1700, 2100und 1600 Gemeindegliedern eine über-parochiale Dienstgruppe bilden, wärendas bisher 22 Stunden Religionsunter-richt, nach dem Wortlaut des Gesetzesaber zukünftig 24 Stunden). Der Pfarr-dienstrechtler der Landeskirche, Kirchen-rat Tröger-Methling, schrieb dazu, dasseine Änderung der bisherigen Berech-nung weder praktiziert wird noch beab-sichtigt war, dass damit nur die Dienst-gruppen in einer Pfarrgemeinde gemeintwaren, nicht aber die überparochialenDienstgruppen und dass der Wille zurVeränderung in der Gesetzesbegründunghätte angesprochen werden müssen,was aber nicht der Fall war.

Wichtig ist diese Klarstellung auch des-wegen, damit der Prozess der Dienstgrup-penbildung nicht unnötig durch vorhernicht bedachte Nebeneffekte erschwertwird. Nebenbei: Auch der umgekehrteFall, die Reduzierung der Deputate durchüberparochiale Dienstgruppenbildung, istdamit ausgeschlossen (Beispiel: Drei Ge-meinden mit 2200, 2400 und 1700 Ge-meindegliedern behalten ihre 20 RU-De-putatsstunden statt zusammen nur noch18 Stunden zu geben).

❚ Volker Matthaei, Reutgrabenweg 16, 76297 Stutensee,07249/955889, [email protected]

Sämtliche Mitglieder der Pfarrvertretung sowie Artikel aus früheren Ausgaben:

www.ekiba.de/Pfarrvertretung

30 Pfarrvereinsblatt 1/2018

Tagungsort ist wie immer das Haus derKirche in Bad Herrenalb. Thematischwollen wir uns mit den Grundlagen undZielen des friedensethischen Prozessesbeschäftigen, der von der Landessynodeinitiiert und in unserer Landeskirche viel-facher Weise aufgegriffen worden ist.Daneben gib es wie immer Kulturellesund Unterhaltsames.

Eine genauere Einladung erreicht Sie inden nächsten Monaten aus dem Bürodes Landesbischofs. Wir freuen uns auf Sie!

❚ Ihre Prälatin Dagmar Zobel und Prälat Dr. Traugott Schächtele

Pfarrseniorenkolleg 2018

L iebe Kolleginnen und Kollegen imRuhestand! Im Jahr 2018 finden

wieder zwei Pfarrseniorenkollegs stattund zwar vom

18. – 20. Juni 2018 und vom

10. – 12. September 2018

Aus der Landeskirche

Thema

Zu guter Letzt

Mit Recht wird Martin Luther eine weltgeschichtliche Bedeutung zugewiesen.

Gleichwohl war das Gedenken an den Wittenberger Reformator stets interes-

sengeleitet. Merkmal der deutschen Reformationsjubiläen im 19. und 20. Jahr-

hundert war ein nationales Grundrauschen, wobei die jeweiligen Lutherbilder

und ‑deutungen die jeweilige Zeitlage abbildeten und aufgrund der enormen

Popularität Luthers zugleich gesellschaftlich rückwirkten. Die Studenten auf

der Wartburg feierten die Reformation aus einer elitären Minderheitenposi-

tion; mit ihrer nationalen Vereinnahmung Luthers im Geiste der antinapoleoni-

schen ‚Befreiungskriege΄ erzielten sie eine langfristige Wirkung. 1883 aktuali-

sierte Heinrich von Treitschke dieses Bild: Sein Luther untermauerte die politi-

schen Ambitionen des Wilhelminischen Reichs. Der Kriegs-Luther des Jahres

1917 bot dem verunsicherten Protestantismus und damit dem bedrängten Deut-

schen Reich Identifikation und war Teil der protestantischen Mobilisierung für

einen Sieg- und Annexionsfrieden. Im November 1933 wurde der reichsweite

‚Deutsche Luthertag΄ mit einem „erhebenden Bekenntnis zu Luther und Hitler”

begangen.51 Die Feier des Luthergeburtstages diente der Legitimierung des

NS-Staates, dagegen stellte sich die erhoffte einigende Wirkung für den deut-

schen Protestantismus nicht ein. Im Gegenteil verstärkten die Deutungskämpfe

um Luther bestehende theologische und kirchliche Grenzziehungen.

1946 schließlich sollte ein durch den Nationalsozialismus unangefochtener und

‚unbelasteter΄ Luther der in ihren Grundfesten erschütterten Gesellschaft

erneut Halt geben und zugleich die Renovatio Christianii, die Wiederherstellung

des ‚Christlichen Staates΄ begründen.

Zu den finalen Abbrüchen jener nationalprotestantischen Mentalität kam es

erst Ende der 1960er Jahre, im Zuge eines generationellen Wechsels.52

Der ‚deutsche΄ Luther erfuhr nun eine einschneidende Korrektur, das „von

Treitschke und seinen Zeitgenossen errichtete[ ] Monument vom nationalen

Luther” wurde auch theologisch dekonstruiert.53 Den Kämpfen um Deutungsho-

heit und Instrumentalisierungen war damit freilich kein Ende gesetzt. Dies zei-

gen die beiden Jubiläen der Jahre 1967 und 1983, die in hohem Maße von den

politischen Interessen in den beiden deutschen Teilstaaten bestimmt waren.

In der Zeit der forcierten Systemkonfrontation war es vor allem die Staats-

und Parteiführung der DDR, die – die historischen Lutherstätten befanden sich

auf dem Staatsgebiet der DDR – eine umfassende Neubewertung der Reforma-

tion vornahm und einen historisch ‚rehabilitierten΄ Luther zur Begründung

einer spezifisch sozialistischen Nationalgeschichte ins Feld führte.54

51 Lübecker General-Anzeiger vom 31.10.1933., 52 Vgl. Gailus 2006, S. 24–2

6., 53 Lehmann 2012b, S. 137.,

54 Vgl. Steinmetz 1967, S. 44–57; Roy 2000, S. 311–316; Lehmann 2012e, S.

257–270; Lehmann 2012f, S. 232–256;

Lehmann 2012g, S. 213–231; Ringshausen 2013, S. 373–399; Lepp 2013, S. 4

12–421.

aus: Hansjörg Buss, Die Deutschen und Martin Luther. Reformationsjubiläen im

19. und 20. Jahrhundert

http://www.luthermania.de/exhibits/show/hansjoerg-buss-die-deutschen-und-ma

rtin-luther