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Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Angewandte Mathematik und Numerik der Fakultät für Mathematik an der TU Dortmund Modellierung der Ausbreitung seismischer Wellen und ihre Diskretisierung mit Hilfe der Spektralen Elemente Methode vorgelegt von Sarah Rörich betreut durch Jun.-Prof. Dr. Dominik Göddeke August 2012

Modellierung der Ausbreitung seismischer Wellen und ihre ... · Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Angewandte Mathematik und Numerik der Fakultät für Mathematik an der TU Dortmund

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Bachelorarbeit

am Lehrstuhl für Angewandte Mathematik und Numerikder Fakultät für Mathematik

an der TU Dortmund

Modellierung der Ausbreitung seismischer Wellenund ihre Diskretisierung mit Hilfe der

Spektralen Elemente Methode

vorgelegt von

Sarah Rörich

betreut durch

Jun.-Prof. Dr. Dominik Göddeke

August 2012

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Die Wellengleichung in der Seismologie 32.1 Herleitung der seismischen Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Besonderheiten der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.2.1 Mantel und Kruste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.2 Äußerer Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.3 Innerer Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.4 Ozeane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.3 Quellterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.4 Künstliche Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Die Spektrale Elemente Methode 163.1 Diskretisierung der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.1.1 Transformation der Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.1.2 Die würfelförmige Sphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.2 Diskretisierung im Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.2.1 Diskretisierung der schwachen Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2.2 Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.2.3 Die Diagonalität der Massenmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2.4 Gemischte Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

4 Diskretisierung in der Zeit 33

5 Fazit 35

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Kapitel 1

Einleitung

Die Spektrale Elemente Methode, im Folgenden kurz als SEM bezeichnet, ist ein Verfahren zur numeri-schen Lösung von Differentialgleichungen, welches auf einem Finite Elemente Ansatz basiert. Seit 1984wird die SEM erfolgreich in der numerischen Strömungsmechanik verwendet und wurde 1992 erstmalsauch für die Untersuchung der Ausbreitung seismischer Wellen vorgeschlagen.

In der Seismologie wird die SEM zur Berechnung künstlicher Seismogramme für dreidimensionale Ge-biete eingesetzt. In Seismogrammen werden die Erschütterungen der Erde während eines Erdbebensgrafisch dargestellt. Mit Hilfe künstlicher Seismogramme ist es auf der einen Seite möglich, vorhandeneseismische Daten besser zu verstehen und auszuwerten, um beispielsweise Rückschlüsse auf den Ort unddie Art der Erdbebenquelle ziehen zu können. Auf der anderen Seite ermöglicht dies auch Erdbebenvor-hersagen und dient somit zur seismischen Gefahrenanalyse. So können durch Echtzeitsimulationen undinteraktive physikalische Untersuchungen die Einflüsse der Geographie und der unterschiedlichen Erd-schichten auf das Verhalten seismischer Wellen untersucht werden. Verschiedene Bestandteile der Erdehaben unterschiedliche Dämpfungs- beziehungsweise Verstärkungseigenschaften. So kommt es vor, dassin gleicher Entfernung zur Erdbebenquelle unterschiedlich starke Erschütterungen wahrgenommen wer-den. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Brechung und Reflexion der seismischen Wellen beimÜbergang in ein anderes Material. Diese Effekte sind unter anderem wichtig, wenn seismische Gefah-renanalysen zum Beispiel zur Bestimmung von Standards zur Gebäudesicherheit genutzt werden.

Zur Konstruktion künstlicher Seismogramme müssen wir die Wellengleichung, welche die Ausbreitungseismischer Wellen beschreibt, auf einem bestimmten Gebiet lösen. Dieses Gebiet kann sowohl die ganzeErdkugel sein, als auch nur einen vergleichsweise kleinen Bruchteil des Globus umfassen. Hier sehen wirsofort eine Herausforderung an das zur numerischen Lösung verwendete Verfahren. Aufgrund des riesi-gen Gebietes, welches diskretisiert werden muss, und des Anspruchs seismische Wellen möglichst exaktdarzustellen, wird viel Speicherplatz benötigt. Um Echtzeitsimulationen zu ermöglichen, ist es deshalbunerlässlich, die Rechenlast auf verschiedene Rechner aufzuteilen. Dies bedeutet, dass sich unser Ver-fahren einfach parallelisieren lassen sollte. Eine weitere Herausforderung stellt die Beschaffenheit derErde dar. Dort finden wir sowohl Inhomogenitäten, wenn verschiedene Erdschichten aufeinandertreffen,als auch dämpfende und anisotrope Materialien.

Vor der Einführung der SEM benutzte man hauptsächlich die Methode der Finiten Differenzen zur Dis-kretisierung der Wellengleichung. Diese Methode hat jedoch die Nachteile, dass sie geometrisch un-flexibel ist und dass Schwierigkeiten beim Einbinden freier Ränder, wie sie in der Seismologie an derErdoberfläche auftreten, entstehen. Weitere Schwierigkeiten treten auf, wenn wir Anisotropien im Ma-terial berücksichtigen wollen. Außerdem müssen wir in einem Finite Differenzen Verfahren eine hoheAnzahl an Gitterpunkten pro Wellenlänge bereitstellen, um die in der Welle enthaltenen Informationenexakt wiederzugeben. In [12] wird angeführt, dass wir für ein Verfahren zweiter Ordnung, basierend auf

1

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KAPITEL 1. EINLEITUNG 2

zentralen Differenzenquotienten, 15 Gitterpunkte pro Wellenlänge benötigen.Eine andere Möglichkeit zur Diskretisierung der Wellengleichung bietet die Finite Elemente Methode,welche die freien Randbedingungen auf natürliche Weise integriert. Sie hat jedoch den Nachteil, dass beihoher Ordnung des Polynomgrades „Geisterwellen“ auftreten [12].Auch in der SEM werden freie Ränder natürlich eingebunden. Sie hat außerdem den Vorteil, dass sieOberflächen- und Raumwellen exakt wiedergibt und sich die Anzahl der benötigten Gitterpunkte proWellenlänge bei einem Verfahren mit Polynomgrad acht auf fünf beschränkt. Anisotropien und Inhomo-genitäten in den Materialien, insbesondere auch das Aufeinandertreffen von Festkörpern und Fluiden,können in der SEM berücksichtigt werden. Die SEM kombiniert also die geometrische Flexibilität derFiniten Elemente Methode mit der Genauigkeit spektraler Methoden. Für ausführliche Informationen zuden Fragen, was spektrale Methoden ausmachen und welche Eigenschaften sie auszeichnen, verweisenwir auf [2], geben hier jedoch einen kurzen Überblick: Genau wie bei der Finiten Elemente Metho-de stellen wir auch bei spektralen Methoden die gesuchten Funktionen als Linearkombinationen vonBasisfunktionen dar. Ein Unterschied liegt in der Wahl dieser Basisfunktionen. In Finite Elemente Me-thoden verwenden wir typischerweise in jedem Element Polynome niedrigen Grades, wohingegen in„klassischen“ spektralen Methoden Funktionen gewählt werden, die global unendlich oft differenzier-bar und fast orthogonal sind. Dies sind häufig trigonometrische, Chebyshev- oder Legendre-Polynome.Unter geeigneten Annahmen lässt sich zeigen, dass spektrale Methoden exponentiell konvergieren. Dadie SEM ähnlich gute Konvergenzeigenschaften aufweist, ist die Bezeichnung als Spektrale ElementeMethode an dieser Stelle gerechtfertigt. Spektrale Methoden haben außerdem den Vorteil, dass aufgrundder Wahl orthogonaler Ansatzfunktionen die Bandbreite der resultierenden Matrizen minimiert wird, ofterhalten sie sogar Diagonalgestalt. Dies lässt einen weiteren Zusammenhang zu der SEM erkennen. Hiernutzen wir die Diagonalität der Massenmatrix, die ganz natürlich entsteht und somit den Rechenaufwandreduziert sowie eine einfache parallele Implementierung ermöglicht, gezielt aus.

Im Verlauf dieser Arbeit beschäftigen wir uns zunächst mit der Modellierung seismischer Wellen. Dazubetrachten wir in Kapitel 2 die Wellengleichung und untersuchen, wie wir diese im Bereich der Seis-mologie anwenden können. Hier gehen wir kurz darauf ein, wie seismische Quellen simuliert und dieverschiedenen Schichten der Erde berücksichtigt werden. Außerdem führen wir sogenannte künstlicheRandbedingungen ein, die wir für den Fall benötigen, dass wir nur einen Ausschnitt des Globus betrach-ten. Zur numerischen Lösung der hergeleiteten Gleichungen, studieren wir in Kapitel 3 die SEM. Hiergehen wir zunächst auf die Diskretisierung der Erdkugel ein. Darauf aufbauend beschäftigen wir uns mitder Diskretisierung der Wellengleichung in der Ortsvariablen. Daraus resultierend erhalten wir ein Sys-tem von Differentialgleichungen in der Zeitvariablen. Zur numerischen Lösung dieses Systems stellenwir in Kapitel 4 ein Prädiktor-Multikorrektor-Verfahren vor. Abschließend fassen wir die Hauptaspekteder SEM in einem Fazit zusammen.

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Kapitel 2

Die Wellengleichung in der Seismologie

Seismische Wellen werden von verschiedenen Auslösern erzeugt. In der Natur entstehen sie beispiels-weise aufgrund von Vulkanismus oder plattentektonischen Vorgängen, wie Verschiebungen oder Ver-werfungen. Sie können aber auch künstlich durch Explosionen erzeugt werden. Von diesen sogenanntenQuellen breiten sich seismische Wellen aus, die für den Menschen als Erschütterungen wahrnehmbarsind. Diese Erschütterungen entsprechen Verschiebungen der Erdschichten. Zur Beschreibung der dortauftretenden Verschiebungen führen wir das vektorwertige Verschiebungsfeld u(x, t) ein, welches so-wohl von dem Ort, beschrieben durch die Variable x = (x1, x2, x3), als auch von der Zeit t abhängigist und mit Hilfe der seismischen Wellengleichung beschrieben wird. Wie diese Wellengleichung imAllgemeinen aussieht und welche Randbedingungen dabei zu beachten sind, erklären wir in Abschnitt2.1. Die dort hergeleitete Gleichung gilt jedoch nur in festen Materialien. Wollen wir die Ausbreitungseismischer Wellen in Fluiden betrachten, müssen wir diese Gleichung variieren. Dies ist tatsächlichnötig, da ein Großteil der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt ist. Ein weiteres Gebiet, welches aus Flui-den besteht, ist der sogenannte äußere Kern. Dem genauen Aufbau der Erde und insbesondere den dortauftretenden Besonderheiten in der seismischen Wellengleichung wenden wir uns in Abschnitt 2.2 zu.Anschließend erläutern wir in Abschnitt 2.3 kurz, wie wir seismische Phänomene, die zur Entstehungseismischer Wellen führen, mathematisch beschreiben und somit als Kraftterm in die Wellengleichungintegrieren können. In dem darauffolgenden Abschnitt 2.4 gehen wir auf die sogenannten künstlichenRandbedingungen ein. Diese müssen wir berücksichtigen, wenn wir nicht den ganzen Globus, sondernnur einen Ausschnitt daraus betrachten. Herkömmliche Dirichlet- oder Neumann-Randbedingungen eig-nen sich hier nicht, da in diesem Fall störende Effekte wie Reflexionen an den „Schnittkanten“ auftreten,die wir an dieser Stelle nicht beobachten würden, wenn das Gebiet weiterginge.

2.1 Herleitung der seismischen Wellengleichung

Bei der Herleitung der seismischen Wellengleichung orientieren wir uns an dem Vorgehen in [12]. Zu-nächst betrachten wir ein beliebiges Gebiet Ω, wie es in Abbildung 2.1 zu sehen ist, und ein Zeitinter-vall T . Der Rand Γ := ∂Ω lässt sich wie folgt disjunkt zerlegen: Γ = ΓN ∪ ΓD, wobei ΓN den Teil desRandes bezeichnet, an dem Neumann-Randbedingungen vorgegeben werden, und ΓD den Rand, an demDirichlet-Daten vorgeschrieben werden. Zur Beschreibung der Randbedingungen führen wir das äußereNormalenvektorfeld ~n ein.Zunächst nehmen wir an, dass Ω nur aus einem festen Material besteht, welches jedoch alle Formen vonAnisotropien aufweisen darf. Dies bedeutet, dass sich ein Material entlang jeder beliebigen Richtungunterschiedlich verhalten kann. Das zugrunde liegende konstitutive Gesetz lässt sich dann schreiben als

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 4

σ(t) =

t∫−∞

∂tE(t− t′) : ε(t′) dt′

mit

ε(t′) =1

2(∇u(x, t′) + (∇u(x, t′))>) .

ΩΓD

ΓNf

ΓN0

n

f

Abbildung 2.1: Ein Gebiet Ω mit äußerem Normalenvektor ~n, Dirichletrand ΓD und Neumannrändern ΓNfund

ΓN0. Auch „freie“ Ränder wie ΓN0

, an denen keine Kräfte angreifen, werden als Neumann-Ränder aufgefasst.

Hierbei ist σ(t) der Spannungstensor, E(t) der Elastizitätstensor und ε(t) der Verzerrungstensor. DesWeiteren beschreiben wir mit A : B die Doppelkontraktion zweier Tensoren A und B. Ein eventuellvorliegendes Dämpfungsverhalten des Materials wird typischerweise über eine Kopplung sogenannter„Standardfeststoffe“, deren elastisches Verhalten beispielsweise durch eine Feder oder einen Dämpferbeschrieben werden kann, modelliert. Hierfür kann es notwendig werden, eine oder mehrere gewöhnli-che Differentialgleichungen erster Ordnung zu lösen. Dies wird beispielsweise mit Hilfe eines bekanntenVerfahrens wie den Runge-Kutta-Formeln realisiert. Ein erster Überblick über das Vorgehen bei dämp-fenden Materialien ist in [6] gegeben. Zur Vereinfachung des Modells nehmen wir an, dass ein elastischesMaterial vorliegt, wodurch sich das konstitutive Gesetz zu

σ(t) = E : ∇u(x, t)

vereinfacht. Sei weiter ρ die Dichte des Mediums, in dem wir uns befinden, und f die angreifende Kraft.Dann lässt sich die starke Form der seismischen Wellengleichung wie folgt schreiben:

ρ∂2t u− div(σ) = f in Ω× T

σ · ~n = t auf ΓN

u = g auf ΓD

u|t=0 = u0 ∀ x ∈ Ω

∂tu|t=0 = u1 ∀ x ∈ Ω (2.1)

Hierbei beschreibt der erste Term ρ∂2t u die Trägheitskräfte und der Term div(σ) die inneren Kräfte, die

durch Verformungen hervorgerufen werden. An den Rändern können wir auf unterschiedliche Weise aufdas Verhalten des Verschiebungsfeldes u Einfluss nehmen. Auf Neumann-Rändern ΓN können wir Kräf-te von außen an dem Gebiet Ω angreifen lassen. Hierzu geben wir Spannungen t in Normalenrichtungvor, was gerade einer Kraft entspricht, die auf dem Rand, also der Oberfläche, wirkt. So sind wir bei-spielsweise in der Lage „freie“ Ränder zu simulieren. Wollen wir hingegen eine feste Einspannung des

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 5

Gebietes bewirken, geschieht dies über die Vorgabe von Verschiebungen g auf dem Dirichlet-Rand.Die SEM basiert auf der schwachen Formulierung dieser Gleichung, die wir nun herleiten. Dazu mul-tiplizieren wir die starke Form (2.1) der seismischen Wellengleichung mit einer zeitunabhängigen Test-funktion η ∈ C∞C (Ω;R3) und integrieren die resultierende Gleichung anschließend über das Gebiet Ω.Hierbei ist C∞C (Ω;R3) der Raum der unendlich oft stetig differenzierbaren Funktionen, die von dem Ge-biet Ω nach R3 abbilden und einen kompakten Träger haben. Ferner ist η eine beliebige Funktion, diejedoch kinematisch verträglich sein muss, das heißt η|ΓD

= 0. Multiplizieren wir also die starke Formder seismischen Wellengleichung

ρ∂2t u− div(σ) = f

mit der Testfunktion η, erhalten wir

ρ∂2t u · η − div(σ) · η = f · η .

Integrieren wir diese Gleichung nun über das Gebiet Ω, ergibt sich∫Ω

ρ∂2t u · η − div(σ) · η dx =

∫Ω

f · η dx ,

beziehungsweise nach Einsetzen des konstitutiven Gesetzes σ = E : ∇u∫Ω

ρ∂2t u · η dx−

∫Ω

div(E : ∇u) · η dx =

∫Ω

f · η dx .

Wenden wir nun den Satz von Gauß an, erhalten wir:∫Ω

ρ∂2t u · η dx +

∫Ω

∇η : E : ∇u dx−∫∂Ω

η ·E : ∇u · ~n dx =

∫Ω

f · η dx

⇔∫Ω

ρ∂2t u · η dx +

∫Ω

∇η : E : ∇u dx−∫ΓN

η · σ · ~n dx−∫ΓD

η · σ · ~n dx =

∫Ω

f · η dx

Im letzten Schritt haben wir die Additivität der Integrale ausgenutzt und wieder das konstitutive Gesetzangewendet, um in dem Neumann-Randintegral den bekannten Ausdruck σ ·~n zu erhalten. Anschließendkönnen wir diesen durch die vorgegebenen Werte t ersetzen. Das so beschriebene Randintegral könnenwir nun auf die rechte Seite zu den bekannten Werten schreiben. Das Integral, welches die Dirichlet-Randbedingungen beschreibt, wird Null, da die Testfunktion η auf ΓD Null ist. Somit ergibt sich∫

Ω

ρ∂2t u · η dx +

∫Ω

∇η : E : ∇u dx =

∫Ω

f · η dx +

∫ΓN

η · t dx .

Für die Anfangsbedingungen erhalten wir analog∫Ω

u · η dx∣∣∣t=0

=

∫Ω

u0 · η dx ,

∫Ω

∂tu · η dx∣∣∣t=0

=

∫Ω

u1 · η dx .

Finden wir nun eine Funktion u ∈ C2(Ω × T ;R3), die diese Gleichung für alle Testfunktionenη ∈ C∞C (Ω;R3) erfüllt, so besagt das Hauptlemma der Variationsrechnung, dass u auch eine Lösungder starken Form ist. Beim Lösen dieser Gleichung können wir allerdings auch eine Lösung u erhalten,

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 6

die diesen Regularitätsannahmen nicht mehr genügt und somit keine Lösung der starken Form ist. Auchdie Anforderungen an die Testfunktion wurden durch die partielle Integration verändert. Um die schwa-che Formulierung der seismischen Wellengleichung vollständig aufschreiben zu können, definieren wirden Raum der Ansatzfunktionen

S :=u : Ω× T→ R3, u ∈ H1,2(Ω) | u(x, t) = g(x, t) auf ΓD × T

und den Raum der Testfunktionen

V :=η : Ω→ R3, η ∈ H1,2(Ω) | η = 0 auf ΓD

.

Hierbei ist H1,2(Ω) ein Sobolevraum auf Ω, genauer gesagt, der Raum der quadratintegrablen Funktio-nen, deren erste schwache Ableitungen existieren, und die wiederum quadratintegrabel sind. Des Weite-ren definieren wir innere Produkte und eine Bilinearform

(∗, η)Ω :=

∫Ω

∗ · η dx

(t, η)ΓN :=

∫ΓN

η · t dx

a(u, η)Ω :=

∫Ω

σ : ∇η dx =

∫Ω

∇η : E : ∇u dx

und erhalten nun die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung:Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

(ρ∂2t u, η)Ω + a(u, η)Ω = (f, η)Ω + (t, η)ΓN

(ρu, η)Ω |t=t0 = (ρu0, η)Ω ∀x ∈ Ω

(ρ∂tu, η)Ω |t=t0 = (ρu1, η)Ω ∀x ∈ Ω

(2.2)

Nachdem wir die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung hergeleitet haben, wollenwir nun einige Veränderungen an der ursprünglichen Gleichung durchführen, um sie an die Gegebenhei-ten der Erde anzupassen.

2.2 Besonderheiten der Erde

In den folgenden Abschnitten beziehen wir uns auf die Darstellungen in [10]. Betrachten wir den Aufbauder Erde, sehen wir, dass hier einige Besonderheiten zu beachten sind. Die erste Besonderheit liegt inder materiellen Beschaffenheit der Erde. Sie besteht keinesfalls nur aus einem Material, sondern ist ausvielen verschiedenen Materialien zusammengesetzt, die alle unterschiedliche Eigenschaften aufweisenkönnen. Zunächst betrachten wir nur die größten beziehungsweise globalen Unstetigkeiten genauer.Schauen wir einen Querschnitt der Erde an, können wir wie in Abbildung 2.2 vier Schichten erkennen.Die beiden äußeren Schichten bestehen aus festen Materialien. Die Kruste ist die erste Schicht und reichtmaximal bis in eine Tiefe von 35km. Darunter folgt der Mantel, der sich bis in eine Tiefe von 2900kmerstreckt. Das Gebiet der Kruste bezeichnen wir im Folgenden mit ΩK und das des Mantels mit ΩM.Außerdem setzen wir ΩKM = ΩK ∪ ΩM. Unter dem Mantel befindet sich der flüssige äußere Kern, derbis zu einer Tiefe von 5100km reicht. Diesen Teil des Gebietes bezeichnen wir mit ΩA. Im Zentrum derErde befindet sich der feste innere Kern, der im Folgenden mit ΩI bezeichnet wird.

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 7

Abbildung 2.2: Schematische Darstellung der Schichten der Erde: Die Kruste wird mit ΩK, der Mantel mit ΩM,der äußere Kern mit ΩA und der innere Kern mit ΩI bezeichnet. Das Gebiet, welches Kruste und Mantel um-fasst, wird mit ΩKM bezeichnet. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Schichten werden von oben nach untendurchnummeriert. Einzige Ausnahme ist die Grenze zwischen Kruste und Ozean, die wir mit Γ∗ bezeichnen.

Als globale Unstetigkeiten bezeichnen wir solche Grenzen zwischen zwei verschiedenen Materialien, diesich über den gesamten Globus erstrecken. Dies sind beispielsweise die Grenzen zwischen den soebenbeschriebenen Schichten. Des Weiteren treten lokale Unstetigkeiten in der Kruste auf. Diese entstehenunter anderem durch das Aufeinandertreffen von verschiedenen Gesteinsschichten. Eine weitere Unste-tigkeitsstelle ist die Grenze zu Ozeanen, wie sie in Abschnitt 2.2.4 beschrieben wird.Neben der Zuordnung als globale oder lokale Unstetigkeit legen die obigen Überlegungen eine andereUnterteilung nahe. Auch hier unterscheiden wir wieder zwischen zwei Arten von Unstetigkeiten. Präzi-ser formuliert betrachten wir den Übergang einer Welle von einem Feststoff in einen anderen Feststoffund den Übergang von einem Feststoff in ein Fluid. In beiden Fällen muss berücksichtigt werden, dassan der Grenze zwischen den Materialien die dort auftretenden Normalenkomponenten der Verschiebun-gen ~n · u und der Spannungen ~n · σ übereinstimmen müssen. Dies können wir leicht nachvollziehen:Bewegt sich auf der einen Seite der Grenze ein Teilchen auf diese zu oder von dieser weg, so muss sichdas entsprechende Teilchen auf der anderen Seite der Grenze genauso bewegen. Rufen wir uns in Erin-nerung, dass Spannungen über Kräfte ausgedrückt werden können, so entspricht die Forderung, dass dieNormalenkomponenten der Spannungen übereinstimmen sollen, einem Kräftegleichgewicht. Würden anbeiden Seiten der Grenze unterschiedliche Kräfte angreifen, würde sich diese in Richtung der betrags-mäßig größeren Kraft bewegen.Der Unterschied zwischen den beiden Arten von Unstetigkeitsstellen besteht darin, dass die Ausbreitungseismischer Wellen in Fluiden anders beschrieben wird als in Festkörpern, was wir in Abschnitt 2.2.2erläutern. Die Berücksichtigung dieser Materialsprünge ist tatsächlich wichtig, da seismische Wellen beijedem Übergang von einem Material in ein anderes reflektiert und gebrochen werden. So können Auf-schaukelungseffekte entstehen, die wir sonst nicht beobachten würden.Eine weitere Änderung an der seismischen Wellengleichung müssen wir vornehmen, um zusätzliche Ef-fekte, die durch die Eigengravitation der Erde entstehen, zu berücksichtigen. Eigengravitation tritt immerdann auf, wenn ein Körper eine hinreichend große Masse besitzt, sodass er seine kugelartige Form al-lein aufgrund der Massenanziehung behält. Anschaulich formuliert ist Eigengravitation also die Kraft,welche die Erde in ihrer Form zusammenhält. Außerdem bewirkt dieser Effekt, dass die Bestandteile derErde nach ihrem Gewicht getrennt werden. So sind schwere Bestandteile eher im Erdinneren zu finden,weil diese eine größere Anziehungskraft erfahren. Folglich ist die Eigengravitation der Grund dafür, dassdie Dichte der Erde mit zunehmender Tiefe größer wird. Die hier beschriebenen Auswirkungen der Ei-

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 8

gengravitation basieren auf der Definition eines Planeten durch die International Astronomical Union1.Zusätzlich entstehen aufgrund der Drehung der Erde um die eigene Achse sogenannte Corioliskräfte,welche die Ausbreitung seismischer Wellen weiter beeinflussen. Betrachten wir beispielsweise ein Teil-chen, welches sich entlang einer geraden Bahn vom Nordpol Richtung Südpol bewegt: Aufgrund derDrehung der Erde wird dieses nun entgegen der Richtung abgelenkt, in die sich die Erde dreht. Wiediese zusätzlichen Effekte in die seismische Wellengleichung integriert werden, wird in Abschnitt 2.2.1beschrieben.Im Folgenden sei nun Ω die Erdkugel und Γ0 := ∂Ω die Erdoberfläche. Wie in Abbildung 2.2 zu sehenist, bezeichnen wir die Grenze zwischen Kruste und Mantel mit Γ1 und mit Γ2 die Grenze zwischenMantel und äußerem Kern. Mit Γ3 beschreiben wir die Grenze zwischen innerem und äußerem Kern.Des Weiteren beschreibt Γ∗ die Grenze zwischen Ozean und Kruste.

2.2.1 Mantel und Kruste

Zum Erzielen guter Resultate, insbesondere bei Langzeitsimulationen, ist es wichtig, Effekte, die durchEigengravitation hervorgerufen werden, zu berücksichtigen. Um diese Effekte zu beschreiben, benötigenwir drei zusätzliche Variablen. Wir bezeichnen mit Φ die Störungen im Gravitationsfeld, die durch Mas-senumlagerungen entstehen. Die Erdbeschleunigung, welche in unserem Fall von der Ortsvariablen xabhängt, bezeichnen wir mit g. Sie kann beschrieben werden als g = ∇G, wobei G das Erdpotential ist.Um Corioliskräfte zu berücksichtigen, führen wir zusätzlich den Vektor Ω der Winkelgeschwindigkeitder Erde ein. Beziehen wir diese beiden Effekte in die starke Form der seismischen Wellengleichung (2.1)ein, erhalten wir

ρ(∂2t u+ 2Ω× ∂tu) = div(σ) +∇(ρu · g)− ρ∇Φ− div(ρu)g + f

∆Φ = −4πGdiv(ρu) in Ω

∆Φ = 0 R3 \ Ω . (2.3)

Der zusätzliche Beschleunigungsterm 2ρΩ×∂tu beschreibt hierbei die Ablenkung, die durch die Corio-liskraft hervorgerufen wird. Die drei neuen Terme auf der rechten Seite beschreiben die Auswirkungender Eigengravitation, wobei zu beachten ist, dass die Störungen Φ im Gravitationsfeld von den Verschie-bungen u abhängen und somit berechnet werden müssen. Die Poissongleichung, durch die Φ bestimmtwird, lässt sich numerisch nur schwer lösen. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass wir die Poisson-gleichung nicht nur auf dem beschränkten Gebiet Ω lösen müssen, sondern auf ganz R3. Um dies zuvermeiden, verwenden wir die Approximation von Cowling. Das bedeutet, dass wir die Störungen Φ imGravitationsfeld vernachlässigen. In [10] wurde gezeigt, dass diese Approximation keinen negativen Ein-fluss auf die Berechnung künstlicher Seismogramme hat, die einen Zeitraum darstellen, welcher kleinerals 500 Sekunden ist. Die Gleichung (2.3) reduziert sich infolgedessen jedoch auf folgenden Ausdruck:

ρ(∂2t u+ 2Ω× ∂tu) = div(σ) +∇(ρu · g)− div(ρu)g + f (2.4)

Die Kraft f repräsentiert hierbei die Ursache beziehungsweise Quelle des Erdbebens, die wir in Ab-schnitt 2.3 genauer betrachten. An dieser Stelle sei jedoch vermerkt, dass seismische Quellen auch imäußeren oder im inneren Kern lokalisiert sein können. Erdbeben werden allerdings zumeist durch plat-tentektonische Vorgänge ausgelöst. Bei Erdbeben, die aus solchen Vorgängen resultieren, können wirannehmen, dass sich die Quelle im Gebiet von Kruste und Mantel befindet. Aus diesem Grund berück-sichtigen wir im weiteren Verlauf der Arbeit keine Quellterme in den anderen Schichten.Im Folgenden betrachten wir die Randbedingungen, die an den Rändern des Gebietes von Mantel undKruste gelten müssen. Zunächst setzen wir auf der Oberseite der Kruste homogene Neumann-Randbe-dingungen, das heißt σ ·~n = 0 auf Γ0. Hiermit stellen wir sicher, dass sich die Erdoberfläche frei bewegen

1http://www.iau.org/

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 9

kann. Auf Γ1 und Γ2 müssen die Normalenkomponenten der Verschiebungen ~n ·u und die der Spannun-gen ~n · σ übereinstimmen. Auf Γ2 ist dabei zu beachten, dass hier ~n · σ = p~n gelten muss, wobei p denDruck beschreibt, den das Fluid im äußeren Kern auf den Mantel ausübt. Dies liegt in der Tatsache, dassinterne Kräfte in Fluiden in Form von Druckkräften auftreten. Im Gegensatz zu Feststoffen, werden siealso nicht über die Normalenkomponenten der Spannungen, sondern über den Druck beschrieben.Die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung (2.4) erhalten wir wieder wie in Abschnitt2.1 beschrieben, wobei die Integration hier über ΩKM geschieht. Wir erhalten also:Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:∫

ΩKM

ρη · ∂2t u+ 2ρη · (Ω× ∂tu) dx = −

∫ΩKM

∇η : (σ + G) + ρu ·H · η dx

+

∫ΩKM

f · η dx +

∫Γ2

p~n · η dx (2.5)

Hierbei definieren wir G := ρ(ug − (u · g)I) mit dem Einheitstensor I und H := ∇g. Da g der Gra-dient eines Potentials ist, handelt es sich bei H um einen symmetrischen Tensor, wohingegen G einasymmetrischer Tensor ist.

2.2.2 Äußerer Kern

Im Gegensatz zu Mantel und Kruste besteht der äußere Kern nicht aus Feststoffen, sondern aus Fluiden.Um die Ausbreitung seismischer Wellen in einem Fluid beschreiben zu können, treffen wir zunächsteinige Annahmen. Auch hier wollen wir wieder die Approximation von Cowling verwenden, die unserlaubt, die Störungen Φ im Gravitationsfeld zu vernachlässigen. Unter dieser Annahme können wir diestarke Form der seismischen Wellengleichung in Fluiden wie folgt schreiben:

ρ(∂2t u+ 2Ω× ∂tu) = ∇(κ div(u) + ρu · g)− div(ρu)g (2.6)

Hierbei ist κ das Kompressionsmodul des Fluids. Dieses beschreibt, wie leicht sich ein Fluid „zusam-mendrücken“ lässt. Weiter nehmen wir an, dass sich das Fluid vor dem Erdbeben im hydrostatischenGleichgewicht befindet, es gilt also ∇p = −ρg, wobei p den auf das Fluid wirkenden Druck beschreibt,der über p = −κ div(u) berechnet wird. Nach [10] können wir Gleichung (2.6) dann schreiben als

∂2t u+ 2Ω× ∂tu = ∇(ρ−1κdiv(u) + u · g) + ρ−1‖g‖−2κ(div(u))N2g . (2.7)

Die sogenannte Brunt-Väisälä-Frequenz N2 = (ρ−1∇ρ − ρκ−1g) · g beschreibt hierbei die vertika-le Oszillation eines Fluidteilchens in einem statischen System, ist also ein Maß für die Stabilität derSchichtung des Fluids. Wir können annehmen, dass diese Schichtung im äußeren Kern statisch stabil ist,alsoN = 0 gilt. Zur weiteren Vereinfachung von Gleichung (2.7) teilen wir das Verschiebungsfeld u wiefolgt in ein skalares Potential χ und einen Vektor s auf:

u = ∇χ+ s

Sei χ weiterhin bestimmt durch die Gleichung

∂2t χ = ρ−1κ div(∇χ+ s) + g · (∇χ+ s) ,

dann erfüllt s

∂2t s+ 2Ω× ∂ts = −2Ω×∇∂tχ .

Durch Einsetzen dieser Terme können wir nachrechnen, dass u = ∇χ + s die seismische Wellenglei-chung (2.7) erfüllt. Der Druck p lässt sich dann schreiben als

p = −ρ(∂2t χ− g · (∇χ+ s)) .

Wie schon zuvor erhalten wir die schwache Formulierung dieses Problems.

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 10

Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

∫ΩA

κ−1ρη∂2t χ dx =−

∫ΩA

(∇η) · (∇χ+ s) dx +

∫ΩA

κ−1ρηg · (∇χ+ s) dx

+

∫Γ2

η~n · u dx−∫Γ3

η~n · u dx

∫ΩA

η · ∂2t s dx =− 2

∫ΩA

η · (Ω× (∂ts+∇∂tχ)) dx

2.2.3 Innerer Kern

Bei dem innere Kern handelt es sich, wie bei Kruste und Mantel auch, um einen Feststoff. Deshalb kön-nen wir in diesem Fall dieselbe Gleichung verwenden wie in Abschnitt 2.2.1. Der einzige Unterschiedbesteht darin, dass wir hier nur eine Grenze, die zum äußeren Kern, berücksichtigen müssen und somitnur ein Randintegral benötigen. Setzen wir wieder G := ρ(ug − (u · g)I) mit dem Einheitstensor I undH := ∇g, erhalten wir die folgende schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung:Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

∫ΩI

ρη · ∂2t u+ 2ρη · (Ω× ∂tu) dx = −

∫ΩI

∇η : (σ + G) + ρu ·H · η dx−∫Γ3

p~n · η dx

2.2.4 Ozeane

Ozeane haben einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Reflexion von Oberflächenwellen undverdienen somit unsere Aufmerksamkeit. Wie der Name bereits verrät, breiten sich diese Wellen entlangder Erdoberfläche aus, genauer gesagt nimmt ihre Amplitude mit der Tiefe sehr schnell ab und ist in ei-ner Tiefe von wenigen Wellenlängen vernachlässigbar gering. Dennoch besitzen Oberflächenwellen dasgrößte Zerstörungspotential. Der Grund hierfür ist, dass ihre Amplitude in horizontaler Richtung wesent-lich langsamer abnimmt als die der Raumwellen. Dies und die anderen hier gegebenen Informationen zuOberflächenwellen können wir in [13] nachlesen.Ein erster Ansatz zur Modellierung der Ausbreitung seismischer Wellen in Ozeanen besteht nun darin,analog zum äußeren Kern vorzugehen. Dies bedeutet insbesondere, dass wir die seismische Wellenglei-chung auf einem weiteren fluiden Gebiet lösen müssen. In Folge dessen tritt in Gleichung (2.5) einzusätzlicher Randterm auf der linken Seite auf:

LHS +

∫Γ∗

p~n · η dx = RHS (2.8)

Hierbei beschreibt p den Druck, der vom Ozean auf den Mantel übertragen wird. Um diesen zu berech-nen, nehmen wir an, dass die Ozeane inkompressibel sind. Benötigen wir nur eine Aussage darüber, wiesich die Wassermassen des Ozeans auf die Oberfläche der Kruste auswirken, ist dies tatsächlich einezulässige Annahme. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Höhe h des Meeresspiegels verglichenmit der Wellenlänge der seismischen Wellen klein ist. Für weitere Informationen verweisen wir an dieserStelle auf [9].Zudem müssen wir die Wellengleichung auf dem Gebiet der Ozeane lösen, um den Druck zu bestimmen,den die Wassermassen des Ozeans auf den Mantel ausüben. Aufgrund der Variabilität der Wasserhö-he h ist dies allerdings sehr aufwändig, weshalb wir eine Näherung treffen, die es uns ermöglicht, den

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 11

gesuchten Druck zu bestimmen ohne die Wellengleichung in dem Gebiet des Ozeans zu lösen. Da dieApproximation, die wir treffen wollen, nur für Langzeitversuche gilt, müssen wir diese Wellengleichungfür Zeitperioden unter 20 Sekunden dennoch lösen. Betrachten wir hingegen eine Zeitperiode, die längerals 20 Sekunden dauert, können wir den Druck, der vom Ozean auf den Mantel übertragen wird, durchdie Gleichung

p = ρWh~n · ∂2t u+ 2ρWh~n · (Ω× ∂tu) + 4πGρ2

Wh~n · u (2.9)

beschreiben. Hierbei bezeichnen wir mit ρW die Dichte des Meerwassers und mit h die Höhe des Mee-resspiegels in Abhängigkeit von der Ortsvariablen x. Der so berechnete Druck setzt sich aus zwei Kom-ponenten zusammen: dem hydrostatischen und dem dynamischen Druck. Als hydrostatisch bezeichnenwir den Druck, der durch die Erdbeschleunigung hervorgerufen wird. In Gleichung 2.9 entspricht dieserdem Term 4πGρ2

Wh~n · u. Die übrigen Terme beschreiben den dynamischen Druck, der durch die Be-wegung des Fluids entsteht. Dieser setzt sich aus der Beschleunigung des Fluids, ausgedrückt durch denTerm ρWh~n · ∂2

t u, und die zusätzliche Ablenkung durch die Corioliskraft, beschrieben durch den Term2ρWh~n·(Ω×∂tu), zusammen. Um diese Gleichung in Abschnitt 3.2.3 leichter in das aus der Diskretisie-rung der seismischen Wellengleichung resultierende Gleichungssystem integrieren zu können, nehmenwir wie in [10] weitere Vereinfachungen vor. Dazu vernachlässigen wir den hydrostatischen Druck undden Druck, der durch die Corioliskraft hervorgerufen wird. Der zusätzliche Randterm in Gleichung (2.8)erhält dann die Form

LHS +

∫Γ∗

ρWh(η · ~n)(~n · ∂2t u) dx = RHS .

Insgesamt erhalten wir den folgenden Ausdruck für die schwache Formulierung der seismischen Wel-lengleichung in Mantel und Kruste.Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

∫ΩKM

ρη · ∂2t u+ 2ρη · (Ω× ∂tu) dx +

∫Γ∗

ρWh(η · ~n)(~n · ∂2t u) dx =

−∫

ΩKM

∇η : (σ + G) + ρu ·H · η dx +

∫ΩKM

f · η dx +

∫Γ2

p~n · η dx

Vergleichen wir dies mit den späteren Erkenntnissen aus Kapitel 3.2, wird schnell klar, dass wir dieEffekte, die durch die Berücksichtigung der Ozeane entstehen, einfach in das bestehende Gleichungssys-tem integrieren können. Hierfür müssen wir in der Massenmatrix lediglich die Einträge ändern, die zuKnoten gehören, die auf der Grenze Γ∗ zwischen Kruste und Ozean liegen. In der Massenmatrix stehengerade die Beiträge, die von der zweiten Ableitung des Verschiebungsfeldes u durch die Ausbreitungseismischer Wellen beeinflusst werden.

2.3 Quellterme

Bisher haben wir angenommen, dass eine Kraft f gegeben ist, die die Entstehung seismischer Wellenverursacht. Wie wir diesen Kraft- oder Quellterm mathematisch beschreiben können, werden wir nunkurz skizzieren. Dazu beziehen wir uns auf die Darstellungen in [17] und [10].Seismische Quellen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Punktquellen und Quellen entlang einerEbene ΓS , wobei leicht einzusehen ist, dass Punktquellen als Spezialfall der anderen Gruppe aufgefasstwerden können. Aus diesem Grund werden wir uns im Folgenden auf einen Quellterm entlang einer

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 12

Ebene beschränken. Zur mathematischen Beschreibung dieses Quellterms führen wir den seismischenMomententensor M ein. Dieser Momententensor lässt sich durch die gleichnamige Matrix

M =

M11 M12 M13

M21 M22 M23

M31 M32 M33

darstellen, wobei jeder Eintrag Mij , i, j = 1, 2, 3 ein Moment beschreibt, das durch Kräftepaare hervor-gerufen wird, wie sie in Abbildung 2.3 dargestellt sind. Zur Veranschaulichung des Momententensorsbetrachten wir exemplarisch den Eintrag M12. Dieser beschreibt ein Kräftepaar der Stärke F12, welchesin Richtung der ersten Koordinatenachse wirkt und entlang der zweiten Koordinatenachse um einen Ab-stand d12 verschoben ist. So entsteht ein Moment M12 = d12F12. Integrieren wir in dieses Momentsowohl die Zeit- als auch die Ortsabhängigkeit, also Mij = Mij(x, t) = d(x, t)F (x, t), so können wirden Kraftterm schreiben als

f = −M(x, t) · ∇δxS (x)

mit xS ∈ ΓS . Des Weiteren ist δxS (x) die Dirac-Distribution zu dem Punkt xS , ausgewertet an derStelle x. Der Kraftterm in der schwachen Formulierung der Wellengleichung wird dann zu∫

ΓS

f · η dx = −∫ΓS

M · ∇δxS · η dx =

∫ΓS

M : ∇η(xs) dx .

Im letzten Schritt haben wir eine partielle Integration durchgeführt und die Eigenschaften der Dirac-Distribution δxS ausgenutzt.

x1

x3

x2

(a) M11

x1

x3

x2

(b) M12

x1

x3

x2

(c) M13

x1

x3

x2

(d) M21

x1

x3

x2

(e) M22

x1

x3

x2

(f) M23

x1

x3

x2

(g) M31

x1

x3

x2

(h) M32

x1

x3

x2

(i) M33

Abbildung 2.3: Darstellung der Kräftepaare, die durch den Momententensor repräsentiert werden

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 13

2.4 Künstliche Randbedingungen

Um die Auswirkungen lokaler Unstetigkeiten auf die Ausbreitung seismischer Wellen gezielter zu unter-suchen, ist es oft ratsam, nicht die ganze Erde als Gebiet zu wählen, sondern einen hinreichend großenAusschnitt daraus zu betrachten. Ein oft angeführtes Beispiel für solche Unstetigkeiten sind sogenannteSedimentbecken. Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich hierbei um Gesteinsbecken, diesich im Verlauf der Zeit mit Sedimenten angefüllt haben. Aufgrund der stark variierenden Dichte der dortaufeinandertreffenden Materialien Stein und Sedimentablagerungen, kommt es hier zu starken Schwan-kungen in der Wellengeschwindigkeit, da diese, wie wir in Abschnitt 3.1.2 erläutern, stark von der Dichtedes Materials abhängt, durch welches sich die Welle bewegt. An der Grenze zwischen den beiden Ma-terialien kommt es zu Reflexionen und Streuungen der Wellen, wodurch sogenannte Aufschaukelungs-effekte entstehen können. Für vertiefende Informationen zu den Effekten in Sedimentbecken verweisenwir auf [15] und die dort gegebenen Referenzen.Nun ist einerseits klar, dass wir solche Untstetigkeiten in der Gittergenerierung berücksichtigen müssen,andererseits wird der Rechenaufwand schnell zu hoch, wenn wir alle lokalen Unstetigkeiten in einemglobalen Gitter berücksichtigen wollen. Aus diesem Grund wählen wir für globale Betrachtungen einvereinfachtes Modell der Erde, wie wir es in Abschnitt 2.2 kennengelernt haben. Für dieses Modell ver-wenden wir das Gitter, wie wir es in Abschnitt 3.1.2 vorstellen. Interessieren uns hingegen lokale Effekte,so betrachten wir nur einen Ausschnitt aus der Erde und passen unsere Gitter an die dort auftretendenUnstetigkeitsstellen an. Hierzu betrachten wir beispielsweise ein solches Stück, das entsteht, wenn wirbei der Gittergenerierung, wie sie in Abschnitt 3.1.2 beschrieben wird, nur eine Oberfläche des Würfelsverwenden und dieses Gitter dann wieder in die Tiefe fortsetzen.Schneiden wir also ein Stück Ω aus der Erde heraus, stellt sich die Frage, welche Art von Randbedin-gungen wir an den Schnittkanten vorschreiben sollen. Bei der Diskussion dieser Frage orientieren wiruns an den Darstellungen in [7] und [4]. Die bisher eingeführten Dirichlet-Randbedingungen genügen indiesem Fall nicht, da hier die ankommenden seismischen Wellen reflektiert werden und sich somit nichtso verhalten wie sie es in einem fortlaufenden Medium tun würden. Durch die Vorgabe von Dirichlet-Randbedingungen „stoppen“ wir die Bewegung der seismischen Wellen also zu stark. Bei Neumann-Randbedingungen tritt gerade der konträre Fall auf; hier sind wir zwar in der Lage, eine beliebige Kraftvorzugeben, die die Bewegung der seismischen Wellen beeinflusst, diese können wir jedoch a priorinicht bestimmen. Zu der Problematik, wie wir diese Randbedingungen stattdessen wählen sollen, gibtes zahlreiche Lösungsvorschläge. Naheliegend wäre, eine dämpfende Schicht um das Gebiet Ω zu legenund diese mit Dirichlet-Randbedingungen zu versehen. Hierbei tritt jedoch der unerwünschte Effekt auf,dass Wellen beim Übergang in das dämpfende Material reflektiert werden. Dieses Problem umgeht dieMethode der perfekt angepassten Schicht, kurz PML aus dem Englischen für Perfectly Matched Layer,mit der wir uns im Folgenden kurz beschäftigen wollen.

n

x1

Ω PML

ΓPMLΓD

Abbildung 2.4: Das Gebiet Ω wird mit einer dämpfenden Schicht, der PML umgeben. Die Wahl der erste Koordi-natenachse x1 orientiert sich am äußeren Normalenvektor ~n.

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 14

Auch bei der PML legen wir eine Schicht um das Gebiet Ω wie es in Abbildung 2.4 zu sehen ist. Dortkönnen wir außerdem erkennen, dass wir diese Schicht am äußeren Rand ΓD fest einspannen, was be-deutet, dass wir hier Dirichlet-Randbedingungen der Form u(x, t) = 0 vorgeben. Die Idee ist, auch inder PML die Wellengleichung zu lösen, hier jedoch einen zusätzlichen Dämpfungsparameter zu berück-sichtigen, der bewirken soll, dass die Reflexionen am Dirichlet-Rand möglichst klein werden und somitkeine „Störwellen“ mehr in das eigentliche Gebiet Ω eindringen.Um dies zu realisieren, betrachten wir das Verschiebungsfeld u(x, t) nicht mehr als Funktion in Abhän-gigkeit von der Zeit t, sondern schreiben diese um in eine Abhängigkeit von der Frequenz:

ρ∂2t u = div(E : ∇u)⇔ −ρω2u = div(E : ∇u) (2.10)

Diese Gleichung hat für homogene, isotrope Materialien und ebene Wellen Lösungen der Form

u(x, t) = A exp(−i(k · x− ωt))

mit dem Wellenvektor k = (k1, k2, k3). Hierbei ist ω die Frequenz der Welle und A beschreibt derenAmplitude und Polarisierung. Des Weiteren wählen wir das Koordinatensystem so, dass die erste Kom-ponente x1 eines Vektors x in Richtung des äußeren Normalenvektors ~n von Ω zeigt, wie es in Abbil-dung 2.4 zu sehen ist. Der Rand ΓPML kann dann beschrieben werden als die Menge x ∈ R3 | x1 = 0.Wir suchen nun eine Differentialgleichung, die in Ω durch die obige Gleichung für u und in der PMLdurch die Gleichung

u(x, t) = A exp(−i(k · x− ωt)− γk1) mit γ =1

ω

x1∫0

d(s) ds

erfüllt wird. Hierbei ist d(s) ein Dämpfungsparameter, der nur von der ersten Koordinate abhängt. Dawir die seismischen Wellen nur in der PML dämpfen wollen, wählen wir d(s) > 0, falls x1 > 0 ist undd(s) = 0 sonst. Finden wir eine solche Gleichung, verschwindet die Reflexion am Rand ΓPML, da leichteinzusehen ist, dass u = u für x1 ≤ 0 gilt. Des Weiteren führen wir eine Variablentransformation derForm x = x1 − iγ durch und unterteilen den Nabla-Operator ∇ in Komponenten senkrecht und parallelzur Grenze ΓPML. Hierbei beschreiben wir den senkrechten Anteil mit ∂1 und den parallelen mit∇‖. Mitdiesen Notationen können wir den Nabla-Operator wie folgt schreiben:

∇ = ~n∂1 +∇‖ mit ∂1 = ~n · ∇ und ∇‖ =(I− ~n~n>

)· ∇

Setzen wir dies in die „Frequenzbereich-Form“ (2.10) ein, erhalten wir

−ρω2u = ~n∂1 · (E : ~n∂1u) + ~n∂1 · (E : ∇‖u) +∇‖ · (E : ~n∂1u) +∇‖ · (E : ∇‖u) .

Nun benutzen wir die Transformation x = x1 − iγ und teilen das Verschiebungsfeld u in vier Kompo-nenten auf, sodass u = u1 + u2 + u3 + u4 gilt. Dann erhalten wir

−ρω2u1 = ~n∂1 · (E : ~n∂1u)

(∂x1

∂x

)2

−ρω2u2 = ~n · (E : ~n∂1u)

(∂x1

∂x

)∂1

(∂x1

∂x

)−ρω2u3 = [~n∂1 · (E : ∇‖u) +∇‖ · (E : ~n∂1u)]

(∂x1

∂x

)−ρω2u4 = ∇‖ · (E : ∇‖u) .

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KAPITEL 2. DIE WELLENGLEICHUNG IN DER SEISMOLOGIE 15

Wir können weiter die Zeitableitungen schreiben als ∂tu = iωu und ∂2t u = −ω2u. Dann erhalten wir

mit

∂x

∂x1= 1− i

ωd(x1) und ∂x1

(∂x

∂x1

)= − iω

(iω + d(x1))2d′(x1)

die folgenden Gleichungen:

ρ(∂t + d(x1))2u1 = ~n∂x1 · (E : ~n∂x1u) (2.11)

ρ(∂t + d(x1))3u2 = −d′(x1)~n · (E : ~n∂x1u) (2.12)

ρ∂t(∂t + d(x1))u3 = ~n∂x1 · (E : ∇‖u) +∇‖ · (E : ~n∂x1u) (2.13)

ρ∂2t u4 = ∇‖ · (E : ∇‖u) (2.14)

In den Gleichungen (2.11), (2.13) und (2.14) treten also Differentialgleichungen zweiter Ordnung auf,die wir wie die starke Form der unveränderten Wellengleichung behandeln können. Zur numerischenLösung der in Gleichung (2.12) auftretenden Terme dritter Ordnung ist es notwendig, ein zusätzlichesVerfahren zu implementieren. Um dies zu vermeiden, kann es daher sinnvoll sein, τ = (∂t + d(x1))2u2

zu setzen und somit eine Differentialgleichung erster Ordnung zu erhalten:

ρ(∂t + d(x1))τ = −d′(x1)~n · (E : ~n∂x1u)

Anschließend ist es nur noch erforderlich, ein Zeitschrittverfahren erster Ordnung zu implemetieren. Einsolches Verfahren kann zum Beispiel ein Runge-Kutta-Verfahren sein, wie wir es schon zur Behandlungvon dämpfenden Materialien benötigen. Um die Gleichungen (2.11), (2.13), (2.14) und die veränderteForm von Gleichung (2.12) mit Hilfe der SEM diskretisieren zu können, benötigen wir auch hier dieschwachen Formulierungen dieser Gleichungen. Sie lauten:Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

∫ΩPML

ρ(∂t + d)2u1 · η dx = −∫

ΩPML

(~n∂x1η) : E : (~n∂x1u) dx +

∫ΓD

~nη : E : (~n∂x1u) dx

∫ΩPML

ρ(∂t + d)2τ · η dx = −∫

ΩPML

d′~nη : E : (~n∂x1u) dx

∫ΩPML

ρ∂t(∂t + d)u3 · η dx = −∫

ΩPML

[(~n∂x1η) : E : (∇‖η) + (∇‖η) : E : (~n∂x1u)] dx

+

∫ΓD

~nη : E : (∇‖u) dx

∫ΩPML

ρ∂2t u4 · η dx = −

∫ΩPML

(∇‖η) : E : (∇‖u) dx

Hierbei verschwinden die Randintegrale über ΓD wieder, da die Testfunktionen η kinematisch verträg-lich sind, also η |ΓD= 0 gilt. An der Grenze ΓPML müssen wir kein Randintegral berücksichtigen, da hieraufgrund der perfekten Anpassung der PML kein Sprung im Materialverhalten auftritt.Der zusätzliche Speicheraufwand, der notwendig ist, um die einzelnen Komponenten u1, u2, u3, u4 desVerschiebungsfeldes u zu speichern, ist relativ gering, da die PML aufgrund ihrer guten Dämpfungsei-genschaften nur sehr dünn gewählt werden muss. In der Regel reicht schon eine Dicke von fünf Gitter-punkten, um die Reflexion nahezu zu unterdrücken. Für genauere Angaben und vertiefende Informatio-nen verweisen wir auf [7].

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Kapitel 3

Die Spektrale Elemente Methode

In Kapitel 2 haben wir uns mit der Gleichung beschäftigt, mit deren Hilfe wir die Ausbreitung seismi-scher Wellen modellieren können. Dazu haben wir die seismische Wellengleichung in Abhängigkeit voneiner Ortsvariablen x und der Zeit t in verschiedenen Medien betrachtet. In diesem Kapitel wollen wiruns nun mit der SEM zur Diskretisierung der hergeleiteten Gleichungen auseinandersetzen. Wie wir imVerlauf dieses Kapitels sehen werden, weist die SEM einige Eigenschaften auf, die sie besonders fürden Bereich der numerischen Seismologie attraktiv machen. Dies ist zum Beispiel die gute Konvergenz-eigenschaft der SEM, die aus einer Verbindung der Methode der Finiten Elemente mit den spektralenMethoden resultiert. Außerdem besitzt die SEM den Vorteil, dass sie eine per Konstruktion diagonaleMassenmatrix liefert. Um eine diagonale Massenmatrix zu erhalten, müssen wir einige Einschränkungenbei der Diskretisierung treffen. Die ersten Einschränkungen treten bei der Gittergenerierung zur Diskreti-sierung des Gebiets Ω auf, was wir in Abschnitt 3.1 erläutern. Wie wir in Abschnitt 3.2 erklären, müssenwir bei der anschließenden Diskretisierung der seismischen Wellengleichung in der Ortsvariablen wei-tere Restriktionen berücksichtigen. Hier verwenden wir ein angepasstes Finite Elemente Schema undüberführen die seismische Wellengleichung somit in ein System aus Differentialgleichungen in der Zeit-variablen t. Außerdem wird hier ersichtlich, dass wir tatsächlich eine diagonale Massenmatrix erhalten.Abschließend gehen wir kurz auf die Genauigkeit der SEM ein.

3.1 Diskretisierung der Erde

Wie in jedem Finite Elemente Programm zerlegen wir das Gebiet Ω in Ne disjunkte Elemente Ωe, sodass

Ω =

Ne⋃e=1

Ωe .

Wir fordern, dass diese Zerlegung konform ist, das heißt, dass jede Seitenfläche eines Elements Ωe exaktmit der eines Nachbarelements übereinstimmt. In der klassischen SEM beschränken wir uns zusätzlichauf Elemente, die isomorph zum Einheitswürfel [−1, 1]3 sind. Dies ist notwendig, da wir hier leicht In-terpolationsverfahren und numerische Integrationsregeln konstruieren können, die zueinander konsistentsind. Wie wir in Abschnitt 3.2.3 sehen werden, ist dies die Ursache der Diagonalität der Massenma-trix. Zusätzlich fordern wir, dass unsere Zerlegung zu den Unstetigkeitsstellen in Ω passt. Ein Elementdarf also nicht über eine der Grenzen Γ1, Γ2, Γ3 oder Γ∗ hinausragen. Dies bedeutet insbesondere, dassdie Dichte ρ in einem Element konstant ist. Außerdem soll das Material in einem Element das gleicheelastische Verhalten aufweisen. Auf diese Weise können wir auch die lokalen Unstetigkeitsstellen in Ωberücksichtigen. Des Weiteren soll unsere Zerlegung die Wellengeschwindigkeit widerspiegeln, was be-deutet, dass wir eine feste Anzahl an Gitterpunkten pro Wellenlänge benötigen. Diesen Anforderungenwird das Modell der würfelförmigen Erde gerecht, welches wir in Abschnitt 3.1.2 vorstellen. Wie wir

16

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 17

die SEM auf Zerlegungen anwenden können, die auch Elemente mit dreieckigen Seitenflächen beinhal-ten, erklären wir kurz in Abschnitt 3.2.4. Zunächst wollen wir uns allerdings mit der Transformation derphysikalischen Elemente Ωe auf ein Referenzelement beschäftigen. Die Ausführungen in den folgendenAbschnitten 3.1.1 und 3.1.2 sind in Anlehnung an die Darstellungen in [8] geschrieben.

3.1.1 Transformation der Elemente

Wie es in der Methode der Finiten Elemente üblich ist, wollen wir auch hier jedes physikalische Ele-ment Ωe auf das Referenzelement Ω = [−1, 1]3 transformieren. Dazu betrachten wir eine Transforma-tion xe : Ω → Ωe der Form

xe(ξ) =

Np∑a=1

Na(ξ)xa .

Hierbei beschreibt ξ = (ξ1, ξ2, ξ3) einen Punkt in Ω und die Np = (N + 1)3 Formfunktionen Na

sind gegeben durch die Tensorprodukte der Lagrange-Basispolynome vom Grad N , die zu dem Punktbeziehungsweise der Stützstelle xa gehören:

Na(ξ) = LiN (ξ1)⊗ LjN (ξ2)⊗ LkN (ξ3) i, j, k ∈ 1, . . . , N + 1 passend

Die Lagrange-Basispolynome vom Grad N sind definiert über

LjN (ξ) =

N+1∏i=1i 6=j

ξ − ξiξj − ξi

, j = 1, . . . , N + 1 .

Verwenden wir in der obigen Transformation quadratische Lagrange-Basispolyonome, benötigen wiralso in jedem eindimensionalen Element drei Stützstellen. Wir sind dann in der Lage, eine gekrümmteLinie auf das Intervall [−1, 1] abzubilden. Wollen wir im R2 ein Viereck mit geschwungenen Kanten aufden Einheitswürfel [−1, 1]2 abbilden, benötigen wir schon neun Stützstellen und befinden wir uns im R3,vergrößert sich die Anzahl der benötigten Stützstellen auf 27. Wie in Abbildung 3.1 zu sehen ist, wählenwir die Stützstellen hier als die acht Ecken des Elements, die zwölf Seitenmitten der Kanten, die sechsMittelpunkte der Flächen und den Mittelpunkt des Elements.

Abbildung 3.1: Die 27 Stützstellen eines krummlinigen Hexaeders: mit sind die Ecken des Elements und dieSeitenmitten der Kanten dargestellt, mit die Mittelpunkte der Seitenflächen und mit 4 der Mittelpunkt desElements [8]

Die Lagrange-Basispolynome sind eine gute Wahl, da sie die Kronecker-Delta-EigenschaftNa(ξb) = δabaufweisen. Somit gilt für die oben definierte Transformation

xe(ξi) = xi für i = 1, . . . , Np .

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 18

Sie besitzt also die Eigenschaft, die Ecken des Einheitswürfels auf die des physikalischen Elementsabzubilden. Zusätzlich fordern wir, dass die Transformation eindeutig und invertierbar sein soll. Diesbedeutet, dass die Determinante der Jacobimatrix Je = det(Je) nie Null werden darf. Die Jacobimatrixder Transformation ist gegeben durch

Je =

(∂xe

∂ξ1

∂xe

∂ξ2

∂xe

∂ξ3

),

wobei die partiellen Ableitungen der Transformation typischerweise analytisch berechnet werden. DieGröße der Determinante der Jacobimatrix ist hierbei ein Maß für die Güte der Zerlegung. Handelt essich um eine Zerlegung mit Elementen, die nur wenig von dem Einheitswürfel abweichen, wird dieDeterminante der Jacobimatrix nahe bei Eins liegen. Haben wir jedoch sogenannte verformte Elemente,so kann es passieren, dass die Determinante der Jacobimatrix sehr klein wird. Dies müssen wir bei derWahl der Zerlegung berücksichtigen.Die soeben eingeführte Transformation ist jedoch nicht die einzige, die wir benötigen. Betrachten wirdie schwache Form der seismischen Wellengleichung, sehen wir, dass wir hier auch über den Rand desGebietes integrieren müssen. Dazu führen wir sogenannte Randelemente Γe ein. Diese sind definiert alsdie Seitenflächen des Elements Ωe, die an eine der Grenzen Γ0, Γ1, Γ2, Γ3 oder Γ∗ stoßen. Auch indiesem Fall definieren wir wie oben eine Transformation auf das Referenzelement, welches hier [−1, 1]2

ist, durch

xe(ξ) =

(N+1)2∑a=1

Na(ξ)xa

mit der Jacobimatrix

Je =

(∂xe

∂ξ1

∂xe

∂ξ2

).

Hierbei wollen wir die Nummerierung der Stützstellen so wählen, dass der äußere Normalenvektor ~njeder Seitenfläche eines Elements Ωe gegeben ist durch

~n =1

Je

∂xe

∂ξ1× ∂xe

∂ξ2.

Wie wir in Abschnitt 2.2 gesehen haben, ist diese Definition beispielsweise relevant, wenn wir uns denÜbergängen zwischen zwei verschiedenen Materialien zuwenden.Nachdem wir eine allgemeine Form, sowohl für die Transformation eines Elements Ωe auf das Referenz-element Ω als auch der Randelemente Γe auf das Einheitsquadrat, gefunden haben, erläutern wir nun,wie wir auf der Erde ein Gitter konstruieren können, welches nur Elemente enthält, die isomorph zu Ω

sind.

3.1.2 Die würfelförmige Sphäre

Um eine Zerlegung der Erde zu definierern, die den zu Beginn von Abschnitt 3.1 genannten Anforderun-gen entspricht, betrachten wir zunächst nur die Oberfläche der Erde. Hierauf definieren wir eine Zerle-gung, welche wir anschließend in die Tiefe fortsetzen können. Die so entstehenden Elemente bilden wirdann mit der aus Kapitel 3.1.1 bekannten Transformation auf das Referenzelement Ω ab, wobei wir auf-grund der gekrümmten Ränder die Anzahl der Stützstellen als Np = 27 wählen. Bei der Transformationder Randelemente Γe müssen wir berücksichtigen, dass diese infolge der Krümmung zweidimensionaleUntermannigfaltigkeiten im R3 bilden. Um diese auf das Einheitsquadrat abzubilden, benötigen wir nuneine zusätzliche Transformation, welche die Randelemente auf flache Vierecke abbildet. Diese könne wiranschließend mit der bereits bekannten Transformation auf das Einheitsquadrat abbilden. Ein weiterer

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 19

Unterschied zwischen den beiden erwähnten Transformationen besteht darin, dass wir die neue Trans-formation nicht elementweise definieren. Weiterhin benötigen wir die globale Transformation, wenn wirzur Gittergenerierung das Prinzip der würfelförmigen Sphäre verwenden.Die Grundidee der würfelförmigen Sphäre, im Englischen Cubed Sphere, besteht darin, die Oberflächeder Erdkugel mit der Oberfläche eines Würfels zu assoziieren. Dann können wir zu jeder Würfelseite ei-ne globale Transformation angeben, die den zugehörigen Ausschnitt aus der Sphäre auf die Würfelseiteabbildet.Zur Beschreibung eines Punktes x = (x1, x2, x3) auf der Erdoberfläche beziehungsweise der Sphärenummerieren wir die Seitenflächen des Würfels mit den römischen Zahlen I-VI und führen auf jederSeitenfläche kartesische Koordinaten (α, β) ein, wie in Abbildung 3.2 zu sehen ist.

IV I III II

V

VIαIV

βIV

Abbildung 3.2: Die Oberfläche der Erdkugel wird auf die Würfeloberfläche projeziert. Zur Beschreibung dieserProjektion führen wir auf jeder Seite des Würfels kartesische Koordinaten (α, β) ein, wie sie beispielhaft für dieSeite IV eingezeichnet sind.

Für diese Koordinaten gilt

−π4≤ α ≤ π

4und − π

4≤ β ≤ π

4.

Für alle Punkte x auf der Sphäre gilt x21 + x2

2 + x23 = R2, wobei R der Radius der Erde ist. Um eine

Transformation von dem Würfel auf die Sphäre zu erhalten, betrachten wir eine Projekion des Punktes xauf der Erdoberfläche in die Ebene. Dazu setzen wir

X = tan(α), Y = tan(β) und Z =R√

1 +X2 + Y 2.

Die Transformation lässt sich dann für jede Fläche schreiben als:

Fläche I: x = Z y = XZ z = Y Z

Fläche II: x = −Z y = −XZ z = Y Z

Fläche III: x = −XZ y = Z z = Y Z

Fläche IV: x = XZ y = −Z z = Y Z

Fläche V: x = −Y Z y = XZ z = Z

Fläche VI: x = Y Z y = XZ z = −Z

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 20

(a) Ein problematisches Gitter: die Größe der Elementenimmt mit zunehmender Tiefe ab [8]

(b) Ausbreitungsgeschwindigkeit seismischer Wellen in derErde in Abhängigkeit von der Tiefe [3]

Abbildung 3.3: Bei der Generierung eines Gitters muss die Feinheit des Gitters an die Geschwindigkeit der seis-mischen Wellen angepasst werden.

Betrachten wir diese Transformation, stellen wir fest, dass wir ein äquidistantes Gitter in den Koordina-ten (α, β) auf ein Gitter mit konstanten Winkeln abbilden. Dass dies tatsächlich stimmt, können wir unsanhand der Abbildung 3.3(a) veranschaulichen. Zunächst erscheint der Gedanke absurd, doch aufgrundder Krümmung der Erde wird das Gitter so „verbogen“, dass die Winkel gerade konstant werden. Au-ßerdem lässt sich nachrechnen, dass sich die Determinante der Jacobimatrix dieser Transformation nurwenig verändert, was bedeutet, dass wir eine gutartige Transformation gefunden haben.Der nächste Schritt besteht darin, das Gitter, welches wir nun auf der Oberfläche der Erde definierenkönnen, in die Tiefe fortzusetzen. Eine erste Idee hierzu ist, das gleiche Gitter, wie wir es auf der Erd-oberfläche eingeführt haben, auch auf die Grenze Γ3 zwischen innerem und äußerem Kern anzuwenden.Zwischen diesen beiden Grenzen setzen wir das Gitter durch lineare Interpolation stetig fort. Infolgedes-sen erhält das entstehende Gitter die Form, wie sie in Abbildung 3.3(a) zu sehen ist. Das Problem hierbeiist jedoch, dass die Elemente mit zunehmender Tiefe kleiner werden. Dies steht im Widerspruch zu derForderung, dass unser Gitter die Wellengeschwindigkeit widerspiegeln, also eine konstante Anzahl anGitterpunkten pro Wellenlänge aufweisen soll. Um dies zu erläutern, schieben wir an dieser Stelle einenkurzen Exkurs über die Klassifikation seismischer Wellen ein.

(a) Referenzkonfiguration: durch den abgebildeten Körper ver-laufen keine Wellen

VP

(b) eine P-Welle durchläuft den Körper

VS

(c) eine S-Welle durchläuft den Körper

Abbildung 3.4: Verformungen eines zweidimensionalen Körpers, der von unterschiedliche Wellentypen durchlau-fen wird

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 21

In der Seismologie unterscheidet man zwischen sogenannten P- und S-Wellen. Die Kompressionswellenoder kurz P-Wellen, aus dem Englischen von primary waves, breiten sich mit einer größeren Geschwin-digkeit aus und sind somit „Vorboten“ eines Erdbebens. Da sie ein sehr geringes Zerstörungspotentialhaben, ist es möglich, frühzeitig vor Erdbeben zu warnen. Eine Ursache für das geringe Zerstörungs-potential von P-Wellen liegt in deren Schwingungsverhalten. Wie in Abbildung 3.4(b) zu erkennen ist,entstehen hier nur Schwingungen parallel zur Bewegungsrichtung. Im Gegensatz dazu sind Scherwellenoder kurz S-Wellen durch Schwingungen quer zur Ausbreitungsrichtung charakterisiert. Dieses Verhaltenist in Abbildung 3.4(c) dargestellt. Im Englischen werden S-Wellen aufgrund ihrer geringeren Ausbrei-tungsgeschwindigkeit verglichen mit der der P-Wellen auch als secondary waves bezeichnet. Trotz ihrergeringen Geschwindigkeit besitzen S-Wellen ein höheres Zerstörungspotential als die P-Wellen. Diesebeiden Wellentypen weisen allerdings auch Gemeinsamkeiten in ihrem Verhalten auf. Beiden Wellenty-pen ist gemein, dass ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit von der Dichte ρ des Materials abhängt, durchdas sie sich bewegen. Betrachten wir den Verlauf der Dichte, der in Abbildung 3.3(b) mit einer gestri-chelten Linie eingezeichnet ist, erkennen wir deutlich die in Abschnitt 2.2 erwähnten Unstetigkeiten imAufbau der Erde. Weiterhin beobachten wir hier den bereits erwähnten Zusammenhang zwischen Dichteund Ausbreitungsgeschwindigkeit: Die Sprünge im Dichteverlauf erkennen wir in ähnlich starker Aus-prägung auch in der Ausbreitungsgeschwindigkeit beider Wellentypen. Die Geschwindigkeit vP einerP-Welle ist hierbei mit einer durchgezogenen Linie gekennzeichnet und die Strich-Punkt-Linie repräsen-tiert die Ausbreitungsgeschwindigkeit vS einer S-Welle. Wir halten also fest, dass die Ausbreitungsge-schwindigkeit seismischer Wellen mit wachsender Tiefe zunimmt. Die angeführte Theorie über Wellenund Wellentypen kann in [13] nachgelesen werden.Um nun eine etwa konstante Anzahl an Gitterpunkten pro Wellenlänge zu erreichen, müssen wir die Ele-mente mit zunehmender Tiefe vergrößern. Dies geschieht wie folgt: In jedem Sechstel der Erde, welchesdurch die Projektion auf die Oberfläche des Würfels gegeben ist, „verdoppeln“ wir in einer bestimmtenTiefe die Größe der Elemente zunächst in einer der beiden horizontalen Richtungen. In einer anderenTiefe verdoppeln wir die Größe der Elemente noch einmal, diesmal jedoch in der anderen horizonta-len Richtung. Betrachten wir nur ein Sechstel der Erde, ist dies nicht problematisch. Wollen wir jedochverschiedene Sechstel zu einem größeren Stück zusammensetzten, müssen wir vorsichtiger vorgehen.Die Schwierigkeit besteht darin, die Größe der Elemente in jedem Sechstel so zu verdoppeln, dass dieSeitenflächen eines jeden Elements immer noch perfekt zu denen der Elemente des benachbarten Sechs-tels passen. Wie wir in Abbildung 3.5(a) erkennen können, ergibt sich aus dieser Bedingung, dass dieElemente in den jeweils gegenüberliegenden Sechsteln in der gleichen Weise vergrößert werden müssen.Außerdem wollen wir das Gitter an jeder Kante, der in Abbildung 3.5(a) ein unterschiedlicher Buchsta-be zugewiesen wurde, in einer unterschiedlichen Tiefe verdoppeln. So erhalten wir ein konformes Netz,wenn wir das Gitter der Erde aus den verschiedenen Sechsteln zusammenfügen. Geeignete Stellen, umsolche Verdopplungen durchzuführen, stellen die Unstetigkeitsstellen in unserem Modell der Erde dar.Für tiefergehende Angaben zu dieser Problematik verweisen wir auf [8].Bisher haben wir das Gitter nur bis zu der Grenze des inneren Kerns ausgedehnt. Setzen wir das Gitterim inneren Kern in der gleichen Weise fort, wie wir es bisher getan haben, treten im Erdmittelpunkt Sin-gularitäten auf. Die Lösung dieses Problems besteht darin, einen Würfel um den Mittelpunkt des innerenKerns zu legen. Das Gitter auf der Oberfläche dieses Würfels muss zu dem an der Grenze Γ3 konformsein. Um dies zu garantieren, definieren wir das Gitter auf der Würfeloberfläche über eine lineare Fort-setzung des Gitters auf Γ3. Wir projizieren also das Gitter auf Γ3 auf den Würfel. Dies hat zur Folge,dass das Gitter auf dem Würfel nicht äquidistant ist, die Elemente im Inneren des Würfels also unter-schiedliche Größe haben. Außerdem erhalten wir ein Netz, das im Übergangsbereich nicht regulär ist,was in Abbildung 3.5(b) deutlich zu sehen ist.Auch in den Übergangsregionen von feinerem zu groberem Gitter treten unregelmäßige Elemente auf.Hierbei ist zu beachten, dass alle unregelmäßigen Elemente isomorph zum Einheitswürfel sind. In Ab-schnitt 3.1.1 haben wir bereits kurz erläutert, dass unregelmäßige Elemente nachteilig sind, da die SEMhier, aufgrund größerer Variationen in der Determinante der Jacobi-Matrix, an Genauigkeit verliert. Ein

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 22

möglicher Ausweg wäre zu nichtkonformen Netzen überzugehen, was jedoch den großen Nachteil mitsich bringt, dass die Diagonalität der Massenmatrix verloren geht. Eine Alternative ist die Benutzung vonElementen, die dreieckige Seitenflächen enthalten können, wie wir sie in Abschnitt 3.2.4 kurz vorstellenwerden.

(a) Systematische Vergrößerung der Elemente mit zuneh-mender Tiefe und die zu berücksichtigenden Schnittkan-ten [8]

(b) Auf dem Würfel um den inneren Kern ist deut-lich zu erkennen, dass das Gitter nicht äquidistantist [8].

Abbildung 3.5: Das Gitter der würfelförmigen Spähre wird durch lineare Interpolation in die Tiefe fortgesetzt.

Trotz der bis hierher aufgeführten Nachteile haben wir mit der Methode der würfelförmigen Erde eine gu-te Möglichkeit gefunden, ein Gitter zu generieren, das nur aus solchen Elementen besteht, die isomorphzum Einheitswürfel sind. Außerdem haben wir auf die soeben beschriebene Weise ein Gitter definiert,welches den Anforderungen, die wir zu Beginn in Abschnitt 3.1 formuliert haben, gerecht wird. Dies istzum einen eine Konformitätsbedingung, die besagt, dass die Seitenflächen benachbarter Elemente genauübereinstimmen müssen. Auch die Forderung, dass das Gitter alle Unstetigkeitsstellen in der Erde be-rücksichtigen soll, haben wir in den Prozess der Gittergenerierung einbezogen. Außerdem spiegelt dasGitter die Ausbreitungsgeschwindigkeit der seismischen Wellen wider, da wir durch das Prinzip des Ver-doppelns in der Lage sind, eine nahezu konstante Anzahl an Gitterpunkten pro Wellenlänge zu erreichen.Um diese Anzahl zu bestimmen, betrachten wir die minimale Wellenlänge λmin, die zu der sogenanntenmaximalen Frequenz fmax gehört. Zur Definition dieser Frequenz führen wir die Anfangsfrequenz f0 desQuellsignals und die zugehörige Amplitude A0 ein. Mit fmax beschreiben wir dann die Frequenz, bei derdie Amplitude des Quellsignals erstmals einen Wert erreicht, der weniger als 5% der Anfangsamplitu-de A0 beträgt. Komatitsch und Vilotte erwähnen in [12], dass es sich in der Praxis bewährt hat, vier oderfünf Punkte pro minimaler Wellenlänge zu wählen, wenn wir einen Polynomgrad zwischen fünf und achtverwenden. Wählen wir weniger als vier Punkte, führt dies zu starken numerischen Oszillationen.

3.2 Diskretisierung im Ort

Nachdem wir in dem vorherigen Abschnitt ein geeignetes Gitter für die Erdkugel konstruiert und uns mitder Transformation der so entstandenen physikalischen Elemente Ωe auf das ReferenzelementΩ = [−1, 1]3 beschäftigt haben, schauen wir uns nun an, wie wir Funktionen auf diesem Referenz-element approximieren können. Hierzu führen wir in Abschnitt 3.2.2 die sogenannten Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte ein. Um die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung diskretisieren

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 23

zu können, benötigen wir außerdem eine Methode zur numerischen Integration. Diese wählen wir so,dass sie konsistent mit dem Interpolationsverfahren ist, was, wie wir in Abschnitt 3.2.3 sehen, zu einerdiagonalen Massenmatrix führt. Abschließend gehen wir in Abschnitt 3.2.4 auf die Möglichkeit ein, dieSEM auf gemischte Gitter zu erweitern. Gemischte Gitter können sowohl Elemente enthalten, die iso-morph zum Einheitsquadrat sind, als auch solche, die dreieckige Seitenflächen enthalten, wie Tetraederoder Keile.

3.2.1 Diskretisierung der schwachen Formulierung

In diesem Abschnitt wollen wir, analog zu dem Vorgehen in [5], die schwache Form der seismischenWellengleichung in ein System aus Differentialgleichungen in der Zeitvariablen überführen, welches wirin Matrix-Vektor-Notation schreiben können. Dazu betrachten wir beispielhaft die seismische Wellen-gleichung im inneren Kern. Anschließend können wir mit den Wellengleichungen in Mantel und Krusteund im äußeren Kern analog vorgehen. Hierbei ist zu beachten, dass diese Wellengleichungen über dieRandwerte miteinander gekoppelt sind, diese also beim Lösen der entstehenden Gleichungssysteme über-geben werden müssen.Betrachten wir also die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung im inneren Kern ausAbschnitt 2.2.3. Sortieren wir in dieser die Terme so um, dass die unbekannten Größen auf der linkenund die bekannten auf der rechten Seite stehen, erhalten wir die folgende Problemstellung:Finde u ∈ S, so dass ∀η ∈ V gilt:

∫ΩI

ρη · ∂2t u+ 2ρη · (Ω× ∂tu) dx +

∫ΩI

∇η : [E : ∇u+ ρ(ug − (u · g)I))] dx

+

∫Ωe

ρu · ∇g · η dx =

∫Γ3

p~n · η dx

Das Verschiebungsfeld u ist hierbei gesucht, wohingegen der Druck p, der vom Fluid im äußeren Kern aufdie Oberfläche des inneren Kerns übertragen wird, bekannt ist. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dassein elastisches Material vorliegt, so dass wir den Spannungstensor schreiben können als σ = E : ∇u.Zunächst wollen wir die im vorherigen Abschnitt besprochene Diskretisierung der Erde anwenden. Dazuunterteilen wir das Gebiet der Erde

Ω =

Ne⋃e=1

Ωe ,

wobei jedes Element Ωe den Anforderungen aus Abschnitt 3.1 genügt. Dies bedeutet insbesondere, dassjedes Ωe isomorph zu dem Referenzelement Ω = [−1, 1]3 ist. Im Folgenden betrachten wir die seismi-sche Wellengleichung nicht mehr auf ganz Ω, sondern auf einem beliebigen Element Ωe.Um sicherzustellen, dass wir eine Lösung u der seismischen Wellengleichung gefunden haben, mussu die schwache Formulierung für alle Funktionen aus dem Testraum V erfüllen. Wie in einer Standard-Galerkin-Methode, wählen wir auch in der SEM die gleichen Ansatz- und Testfunktionen. Dies bedeutet,dass V = S gilt. Da dieser Testraum im Allgemeinen jedoch nicht endlichdimensional ist, beschränkenwir uns wie in der klassischen Finite Elemente Methode auf diskrete Ansatzräume

ShN :=

uh ∈ S

∣∣∣ uh ∈ L2(Ω), uh∣∣∣Ωe xe ∈ PN ([−1, 1])3

mit

PN ([−1, 1])3 :=p : R3 → R | p(x1, x2, x3) = a(x1)⊗ b(x2)⊗ c(x3) mit a, b, c ∈ PN ([−1, 1])

,

wobei PN ([−1, 1]) der Raum der Polynome auf dem Intervall [−1, 1] ist, die vom Grad ≤ N sind. DieDimension des Test- beziehungsweise Ansatzraums ShN ist dann Np = (N + 1)3. Mit diesen Räumen

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 24

erhalten wir die diskrete schwache Formulierung, die wie folgt lautet:Finde uh ∈ ShN , so dass ∀t ∈ T und ∀ηh ∈ ShN gilt:

∫Ωe

ρηh · ∂2t u

h + 2ρηh · (Ω× ∂tuh) dx +

∫Ωe

∇ηh : [E : ∇uh + ρ(uhg − (uh · g)I))] dx

+

∫Ωe

ρuh · ∇g · ηh dx =

∫Γe,3

p~n · ηh dx

Hierbei ist zu beachten, dass Γe,3 den Schnitt eines Elements mit Γ3 bezeichnet. Dieses Integral tritt alsogenau dann auf, wenn das betrachtete Element an diesem Rand liegt. Sonst entfällt dieser Term.Da es sich bei dem Ansatzraum um einen endlichdimensionalen Funktionenraum handelt, können wireine Basis ϕi, i = 1, . . . , Np, dieses Raumes bestimmen. Jede Funktion in diesem Raum lässt sichdann als Linearkombination dieser Basis darstellen:

uh(x, t) =

Np∑i=1

ui(t)ϕi(x) ηh(x) =

Np∑i=1

ηiϕi(x)

Hierbei ist zu beachten, dass eine mögliche Zeitabhängigkeit der dargestellten Funktion durch zeitabhän-gige Koeffizienten berücksichtigt werden muss. Dies ist erforderlich, da die Basisfunktionen ϕi nur vonder Ortsvariablen x abhängen. Aufgrund der Basiseigenschaften genügt es, die schwache Formulierungder seismischen Wellengleichung mit den Basisfunktionen zu testen. Nutzen wir dies aus, erhalten wir∫

Ωe

ρϕj · ∂2t

Np∑i=1

uiϕi + 2ρϕj ·

Ω× ∂tNp∑i=1

uiϕi

dx +

∫Ωe

∇ϕj : E : ∇Np∑i=1

uiϕi dx

+

∫Ωe

∇ϕj : ρ

Np∑i=1

uiϕi

g −

Np∑i=1

uiϕi · g

I

dx

+

∫Ωe

ρ

Np∑i=1

uiϕi · ∇g · ϕj dx =

∫Γe,3

p~n · ϕj dx .

Dies muss für jedes ϕj , j = 1, . . . , Np, gelten.Wir können diese Gleichung vereinfachen, indem wir Summation und Integration vertauschen. Außer-dem können wir die Koeffizienten ui(t) und deren zeitliche Ableitungen vor die Integrale ziehen, da sieunabhängig vom Ort sind:

Np∑i=1

∂2t ui

∫Ωe

ρϕj · ϕi dx

︸ ︷︷ ︸Meij

+

Np∑i=1

∂tui

∫Ωe

2ρϕj · (Ω× ϕi) dx

︸ ︷︷ ︸Ceij

+

Np∑i=1

ui

∫Ωe

∇ϕj : [E : ∇ϕi + ρ(ϕig − (ϕi · g)I)] + ρϕi · ∇g · ϕj dx

︸ ︷︷ ︸Keij

=

∫Γe,3

p~n · ϕj dx

︸ ︷︷ ︸bej

Auch diese Gleichung muss wieder für jedes ϕj , j = 1, . . . , Np, gelten. Dieses Problem können wirmit den eingeführten Bezeichnungen in das Lösen eines Systems aus Differentialgleichungen in derZeitvariablen der Form

Mu + Cu + Ku = b

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 25

überführen. Hierbei ist u der Vektor der Verschiebungen, u und u sind die Vektoren der ersten bezie-hungsweise zweiten zeitlichen Ableitungen der Verschiebungen. Des Weiteren führen wir die folgendenBezeichnungen ein:

Elementmassenmatrix: Me = (Meij)i,j=1,...,Np

Elementcoriolismatrix: Ce = (Ceij)i,j=1,...,Np

Elementsteifigkeitsmatrix: Ke = (Keij)i,j=1,...,Np

Elementlastvektor: be = (bej)j=1,...,Np

Sowohl die Matrizen M, C und K als auch der Lastvektor b werden, wie in jedem Finite ElementeProgramm, aus den jeweiligen Elementmatrizen beziehungsweise aus den Elementvektoren zusammen-gesetzt.Das anfängliche Problem, eine Funktion u zu finden, die die schwache Form der seismischen Wellenglei-chungen für jede beliebige Testfunktion erfüllt, hat sich also auf das Problem reduziert, zeitabhängigeKoeffizienten ui(t), i = 1, . . . , Np, zu finden, die dem obigen System aus Differentialgleichungen in derZeitvariablen genügen. Um dies implementieren zu können, müssen wir allerdings noch eine Basis ϕides Ansatzraums beziehungsweise des Testraums ShN bestimmen und eine Methode zur numerischenIntegration festlegen.

3.2.2 Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte

Analog zu dem Vorgehen in [6] wollen wir zunächst die Basisfunktionen im Eindimensionalen, also aufdem Intervall [−1, 1], bestimmen und diese anschließend auf den Einheitswürfel erweitern. Diese Ba-sisfunktionen sollen gute Interpolationseigenschaften aufweisen, damit wir das gesuchte Verschiebungs-feld u möglichst genau darstellen können. Dazu benutzen wir die Lagrange-Polynome vom Grad N zuden Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten. Diese Stützstellen sind die Nullstellen des Polynoms(1−x2)P ′N (x). Hierbei bezeichnet P ′N die erste Ableitung des Legendre-Polynoms vom GradN . In [16]können wir nachlesen, dass die Legendre-Polynome über die folgende Rekursionsformel bestimmt sind:

P0 = 1, P1 = x, PN (x) = xPN−1(x)− (N − 1)2

4(N − 1)2 − 1PN−2(x)

Die Nullstellen der Legendre-Polynome müssen hierbei numerisch bestimmt oder aus vorhandenen Ta-bellen entnommen werden. Für N = 5 lauten sie beispielsweise [15]:

x1 = −1, x2 ≈ −0.765055299, x3 ≈ −0.285231531,

x4 ≈ 0.285231531, x5 ≈ 0.765055299, x6 = 1

Die zugehörigen Lagrange-Polynome auf dem Intervall [−1, 1] sind in Abbildung 3.6 dargestellt. EinVorteil der Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte liegt in der Eigenschaft, dass sie die Intervallenden−1 und 1umfassen. Dies ermöglicht uns Randwerte exakt in die Gleichung zu integrieren. Außerdem ist dieseEigenschaft wichtig, um die Stetigkeit der zu approximierenden Funktionen über mehrere Elemente hin-weg zu sichern. Aus diesem Grund können wir die SEM zu den stetigen Galerkin-Methoden zählen.Bisher haben wir lediglich gefordert, dass das diskrete Verschiebungsfeld uh ∈ L2 ist, also nicht not-wendigerweise stetig sein soll, was bedeutet, dass wir die SEM bis zu diesem Zeitpunkt als unstetigeGalerkin-Methode aufgefasst haben.Um eine Basis im Dreidimensionalen zu erhalten, betrachten wir die Tensorprodukte der Lagrange-Polynome zu den Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten. Wir sehen ein, dass diese tatsächlich eine Basis deszuvor gewählten Ansatzraumes bilden. In Abschnitt 3.2.3 werden wir sehen, dass die Benutzung dieserBasis der erste Schritt zu einer diagonalen Massenmatrix ist.

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 26

−1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

L5

1

L52

L53

L54

L55

L56

Abbildung 3.6: die eindimensionalen Lagrange-Polynome vom Grad N = 5 zu den entsprechenden Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten

Die nächste Herausforderung in der schwachen Formulierung besteht darin, dass wir auf jedem ElementIntegrale auswerten müssen. Dazu ist es notwendig, eine Quadraturformel zur numerischen Integration zuwählen. Wollen wir eine diagonale Massenmatrix erhalten, müssen wir eine konsistente Quadraturformelbenutzen. Hierzu verwenden wir eine Gauß-Quadraturformel, für die im Allgemeinen das Folgende gilt:∫

Ωe

f(x) dx =

∫[−1,1]3

f(xe(ξ))Je(ξ) dξ ≈N+1∑i,j,k=1

ωiωjωkf(ijk)Je(ijk)

mit f(ijk) = f((ξi, ξj , ξk)) und der Determinante der Jacobimatrix Je(ijk) = Je((ξi, ξj , ξk)), wobei ξi, ξjund ξk die Quadraturpunkte der eindimensionalen Gauß-Quadraturformel und ωi, ωj und ωk die entspre-chenden Gewichte sind. In der SEM wählen wir für die Quadraturpunkte die Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte und die zugehörigen Gewichte. Diese lassen sich über die folgenden Formeln berechnen [15]:

für ξi = ±1 :2

N(N + 1)

für ξi 6= ±1 :2

N(N + 1)(PN (ξi))2

In der SEM wählen wir typischerweise einen Polynomgrad N zwischen fünf und zehn. Wählen wireinen kleineren Polynomgrad, wird das Verfahren zu ungenau. Ab einem Polynomgrad von 15 erhaltenwir zwar ein sehr genaues, aber auch sehr kostspieliges Verfahren, da sich die Kosten zur Auswertung derSteifigkeitsmatrix im Dreidimensionalen wie O(N4) verhalten. An dieser Stelle sei außerdem vermerkt,dass die so definierte Quadraturformel Polynome vom Grad≤ 2N−1 exakt integriert. Dies bedeutet ins-besondere, dass die von uns gewählte Quadraturformel bezüglich der Genauigkeit optimal ist. Trotzdemkönnen wir das Produkt aus Test- und Ansatzfunktion, welches vom Grad 2N ist, nicht exakt integrieren.

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 27

3.2.3 Die Diagonalität der Massenmatrix

In diesem Abschnitt überzeugen wir uns davon, dass die Massenmatrix M tatsächlich Diagonalgestalterhält. Dabei beziehen wir uns auf die Darstellungen in [15]. Betrachten wir also den Term aus derschwachen Formulierung der seismischen Wellengleichung (2.2), in dem die zweite Zeitableitung desVerschiebungsfeldes auftritt. Transformieren wir dieses Integral auf das Referenzelement Ω = [−1, 1]3

und benutzen anschließend die Approximationen aus Abschnitt 3.2.1, so erhalten wir:∫Ωe

ρ(x)η(x) · ∂2t u(x, t) dx =

∫Ω

ρ(ξ)η(ξ) · ∂2t u(ξ, t)Je(ξ) dξ

≈∫

Ω

ρ(ξ)

N+1∑i,j,k=1

LiN (ξ1)LjN (ξ2)LkN (ξ3)

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)(t)LlN (ξ1)LmN (ξ2)LnN (ξ3)

Je(ξ) dξ

≈N+1∑r,s,t=1

ρ(rst)ωrst

N+1∑i,j,k=1

LiN (ξr)LjN (ξs)LkN (ξt)

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)(t)LlN (ξr)LmN (ξs)LnN (ξt)

Je(rst)Im letzten Schritt haben wir die Quadraturformel benutzt und dabei die Kurzschreibweise ωrst = ωrωsωteingeführt. Außerdem bezeichnen wir mit Je(rst) die Determinante der Jacobi-Matrix, der zu dem Ele-ment Ωe gehörigen Transformation, ausgewertet in den Quadraturpunkten (ξr, ξs, ξt). Analog beschrei-ben ρ(rst) und ∂2

t u(lmn) die Dichte beziehungsweise die zweite Zeitableitung des Verschiebungsfeldes,ausgewertet in den Punkten (ξr, ξs, ξt) beziehungsweise (ξl, ξm, ξn).Da die Lagrange-Polynome die Kronecker-Delta-Eigenschaft erfüllen, erhalten wir beispielsweise fürLkN (ξt) = δkt. Nutzen wir dies aus, wird obiger Term zu

N+1∑r,s,t=1

ρ(rst)ωrstJe(rst)

N+1∑i,j,k=1

δirδjsδkt

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)(t)δlrδmsδnt

=

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)

N+1∑i,j,k=1

N+1∑r,s,t=1

ρ(rst)ωrstJe(rst)δirδjsδktδlrδmsδnt

.

Weiter gilt δirδlr =

1 falls i = l

0 sonst

= δil und wir erhalten

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)

N+1∑i,j,k=1

ρ(ijk)ωijkJeijkδilδjmδkn =

N+1∑l,m,n=1

∂2t u(lmn)

N+1∑i,j,k=1

ρ(ijk)ωijkJeijkδ(ijk)(lmn) .

Wir setzen nun

α =

N+1∑i,j,k=1

ijk und β =

N+1∑l,m,n=1

lmn

und weisen somit jedem Punkt in dem Einheitsquadrat eine Nummer zu. Verwenden wir in der obigenGleichung die gerade definierten Indizes α und β, so erhalten wir

(N+1)3∑α=1

∂2t uα

(N+1)3∑β=1

ρβωβJeβδαβ︸ ︷︷ ︸

Meαβ

.

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 28

Dies entspricht dem Ausdruck Meue, wobei wir soeben nachgerechnet haben, dass diese Elementmas-senmatrix tatsächlich Diagonalgestalt hat. Beim Assemblieren der globalen Massenmatrix M ändert sichdiese Eigenschaft nicht. Auch mögliche zusätzliche Faktoren, wie sie an der Grenze Γ∗ zu Ozeanen auf-treten, beeinflussen die Matrixgestalt nicht. Dies können wir einfach nachrechnen, indem wir für denTerm ∫

Γ∗

ρWh(η · ~n)(~n · ∂2t u) dx

aus Gleichung (2.9) die selben Argumente benutzen, wie wir sie gerade zur Herleitung der Diagonalitätder Massenmatrix verwendet haben. Hier werden also lediglich zusätzliche Terme auf die Hauptdiago-nale der Massenmatrix addiert.An dieser Stelle sei außerdem erwähnt, dass sowohl die Steifigkeits- als auch die Coriolismatrix keineDiagonalgestalt erhalten. Dies können wir uns einfach verdeutlichen, indem wir die Terme, aus denendiese Matrizen hervorgehen, betrachten und uns gleichzeitig daran erinnern, welche Argumente wir be-nutzt haben, um die Diagonalität der Massenmatrix nachzurechnen. Ausdrücke, die die Diagonalität derübrigen Matrizen verhindern sind beispielsweise Gradienten der Test- und Ansatzfunktionen. Auch an-dere Rechenoperationen wie das Kreuzprodukt tragen dazu bei, dass die Diagonalgestalt der Matrizenverloren geht.Wir haben also gezeigt, dass die SEM eine diagonale Massenmatrix liefert und sind somit in der Lageihre Inverse sofort hinzuschreiben. Dies ist ein großer Vorteil, wenn wir in Abschnitt 4 ein Zeitschrittver-fahren zur Lösung des Systems der Differentialgleichungen in der Zeit einführen. Doch zunächst wollenwir uns mit der Problematik gemischter Gitter auseinandersetzen.

3.2.4 Gemischte Gitter

Zur Einführung gemischter Gitter beschränken wir uns zunächst auf ein zweidimensionales Gebiet undfolgen dann den Darlegungen in [11]. Ein gemischtes Gitter bedeutet hier, dass wir nicht nur Elemente,die isomorph zum Einheitsquadrat sind, betrachten, sondern auch solche, die isomorph zum Einheits-dreieck sind. Mit dem Einheitsdreieck bezeichnen wir das Gebiet Ω4, das in einem kartesischen Koor-dinatensystem durch die Eckpunkte (−1,−1), (1,−1) und (−1, 1) gegeben ist.Die Herausforderung bei gemischten Gittern besteht nun darin, Stützstellen in diesem Dreieck zu finden,die sich als Quadratur- und Interpolationspunkte eignen und außerdem zu einer diagonalen Massenmatrixführen. Im Quadrat benutzen wir hierfür die Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte. Eine erste naheliegendeIdee ist es, diese auch für das Dreieck zu verwenden. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass Quadratur-formeln, die auf diesen Punkten basieren, sehr selten sind. Zudem beschränken sich Aussagen über dieExistenz solcher Gauß-Quadraturformeln auf bestimmte Geometrien, wie das Intervall [−1, 1] und des-sen Tensorprodukte. Außerdem ist die numerische Berechnung dieser Punkte, falls sie existieren, sehraufwändig. Aus diesem Grund wählen wir Punkte, die sich besser zur Interpolation als zur Quadratur eig-nen. Hier bieten sich beispielsweise die Fekete-Punkte, die gemittelten L2-Punkte oder Punkte, die dieelastische Energie minimieren, an. Wie wir an der Charakterisierung der letztgenannten Punkte deutlichsehen können, haben diese Punkte ihren Ursprung in einem Extremwertproblem. Diese Eigenschaft wer-den wir bei der Konstruktion der Fekete-Punkte ausnutzen können. Außerdem haben alle eben genanntenPunkte den Vorteil, dass sie sich in die dritte Dimension erweitern lassen. Bevor wir dies erläutern, wol-len wir uns zunächst der Konstruktion geeigneter Punkte zuwenden.In der SEM wählt man häufig die Fekete-Punkte, da sie auf dem Intervall [−1, 1] mit den dort definier-ten Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten übereinstimmen. Des Weiteren lässt sich zeigen, dass die Fekete-Punkte auf dem Einheitsquadrat exakt über den Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten liegen. Würden wiralso in der Standard SEM mit viereckigen Elementen Fekete-Punkte benutzen, würden wir die selbenResultate erzielen. Ein weiterer Vorteil der Fekete-Punkte im Dreieck besteht darin, dass sie auf jeder

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 29

Seite des Dreiecks mit den Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten übereinstimmen. Für den Fall N = 5 istdies in Abbildung 3.7 verdeutlicht.Aufgrund der oben genannten Eigenschaften ist es uns möglich, ein konformes Gitter aus Dreiecken undVierecken zu konstruieren. Dies bedeutet, dass die Anpassung an geologische Strukturen verbessert wird.Ein zusätzlicher Effekt ist, dass hierbei die Konstruktion des Gitters einfacher und effektiver wird, da wirhier auf gewöhnliche Finite-Elemente-Programme zurückgreifen können. Auch die in Abschnitt 3.1.2durch das Prinzip des Verdoppelns entstandenen nicht regulären Viereckselemente können wir nun durchDreiecke ersetzen. Diese Dreiecke entstehen, wenn wir ein Viereckselement entlang der Diagonalenin zwei Dreiecke unterteilen. Da wir annehmen, dass unser Gitter vor der Verdopplung der Elementeregulär war, sind auch die Dreieckselemente, welche die Viereckselemente ersetzen, regulär. Wir müssenjedoch beachten, dass wir nicht alle irregulären Viereckselemente ersetzen können, da wir sonst einnicht konformes Netz erhalten, wie wir uns anhand von Abbildung 3.5(a) veranschaulichen können. DieBenutzung von Dreieckselementen im Übergangsbereich bringt dennoch den Vorteil, dass wir so dieAnzahl der nicht regulären Elemente in unserem Gitter reduzieren.

Abbildung 3.7: Die Fekete-Punkte für den Fall N = 5 im Quadrat und im Dreieck. Auf den Kanten des Dreiecksstimmen diese mit denen auf den Kanten des Quadrats überein.

Des Weiteren haben die Fekete-Punkte nahezu optimale Interpolationseigenschaften und für einen Po-lynomgrad echt größer als neun sind sie sogar die besten bekannten Punkte zur Interpolation auf demDreieck. Dies resultiert aus der Eigenschaft, dass die Lagrange-Polynome zu den Fekete-Punkten imDreieck durch eins beschränkt sind. Wäre dies nicht der Fall, könnten starke Oszillationen zwischen denPunkten auftreten, was die Güte der Interpolation negativ beeinflussen würde. Aus dieser Beschränktheitlässt sich außerdem ableiten, dass sich die Fekete-Punkte gut zur numerischen Integration eignen. Au-ßerdem können wir hier leicht nachrechnen, dass die Elementmassenmatrizen Diagonalgestalt erhaltenund sich diese Eigenschaft auch für gemischte Gitter auf die globale Massenmatrix überträgt.Um die Stetigkeit der approximierten Funktionen über mehrere Elemente hinweg zu sichern, benöti-gen wir einerseits ein konformes Gitter, andererseits müssen wir darauf achten, dass wir die Funktionenauf den Dreieckselementen mit Polynomen approximieren, die vom selben Grad sind wie die auf denViereckselementen. Wie wir den Polynomgrad auf den Dreieckselementen wählen müssen, um dies zuerreichen, wird deutlich, wenn wir die Konstruktion der Fekete-Punkte betrachten.Wir haben bereits erwähnt, dass die Fekete-Punkte aus einem Extremwertproblem resultieren, genau-er gesagt aus einem Maximierungsproblem. Dazu betrachten wir einen beliebigen endlichdimensionalenFunktionenraum über R×R und eine zugehörige Basis Φi. Wir definieren die Vandermonde-Matrix Vzu dieser Basis über ihre Einträge, die gegeben sind durch Vij = Φi(ξj), wobei die ξj zunächst beliebigePunkte sind. Als Fekete-Punkte bezeichnen wir nun die Punkte aus dem Dreieck, die die Determinanteder Vandermonde-Matrix maximieren. Wir sehen leicht ein, dass die Fekete-Punkte von der Wahl derBasis unabhängig sind: Wählen wir eine andere Basis, bedeutet dies lediglich eine Multiplikation derDeterminante mit einer Konstanten und nimmt somit keinen Einfluss auf das Maximierungsproblem.Zur numerischen Lösung dieses Problems ist es dennoch notwendig, eine geschickte Basis zu wählen.Ein gut konditioniertes Problem erhält man beispielsweise durch die Wahl einer orthogonalen Basis. Im

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 30

Folgenden betrachten wir hierzu die Basis, die von den (Koornwinder-)Dubiner-Polynomen aufgespanntwird. Das k-te Dubiner-Polynom ist hierbei definiert als

Dk(ξ1, ξ2) := cijP0,0i

(2ξ1 + ξ2 + 1

1− ξ2

)(1− ξ2

2

)iP 2i+1,0j (ξ2) ,

wobei k = k(i, j) eine beliebige Bijektion ist und die Faktoren cij gegeben sind als

cij =

√(2i+ 1)(i+ j + 1)

2.

Außerdem bezeichnen wir mit Pα,βi die Jacobi-Polynome. Dies sind gerade die Polynome, die bezüglichdes gewichteten Skalarprodukts

(a, b)w =

1∫−1

a(x)b(x)w(x) dx mit w(x) = (1− x)α(1 + x)β

orthogonal sind. Diese Definitionen haben wir aus [14] und [1] entnommen.In der auf Vierecken basierten SEM betrachten wir Polynome, die in jeder Raumrichtung höchstensGrad N haben. Um die oben angesprochene Stetigkeit der Funktionen zu garantieren, wählen wir aufdem Dreieck den Raum der Funktionen, die im Produkt höchstens Grad N haben. Die Dimension diesesFunktionenraumes ist M = (N + 1)(N + 2)/2. Wir benötigen also genau M Punkte, um ein Poly-nom, welches in jeder Komponente vom Grad N ist, auf einem Dreieck zu interpolieren. Das Interpola-tionsproblem können wir mit Hilfe der Vandermonde-Matrix V beschreiben. Wählen wir die Dubiner-Polynome Di , i = 1, . . . ,M , als orthogonale Basis, können wir diese Matrix als eine Transformationauffassen. Sie bildet Punkte in dem Einheitsdreieck auf die Koeffizienten der Dubiner-Polynome ab. Mitdiesem Ansatz können wir die Lagrange-Polynome schreiben als:

LjM (ξ) =M∑k=1

ajkDk(ξ), mit ajk = (V−1)j,k

An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir die Lagrange-Polynome im Zweidimensionalen nicht mehr als dasProdukt von zwei eindimensionalen Polynomen schreiben können. Später werden wir sehen, dass dieseinen Nachteil bei der Berechnung von Gradienten darstellt. Um diese Gradienten berechnen zu können,benötigen wir die partiellen Ableitungen der Lagrange-Polynome. Auf einem Dreieck haben sie die Form

∂ξ1LjM (ξ) =

M∑k=1

ajk∂ξ1Dk(ξ) und ∂ξ2LjM (ξ) =

M∑k=1

ajk∂ξ2Dk(ξ) .

Hierbei werden die partiellen Ableitungen der Dubiner-Polynome analytisch bestimmt. Um die Dubiner-Koeffizienten ajk zu berechnen, müssen wir die Vandermonde-Matrix numerisch invertieren. Da dieFekete-Punkte so definiert sind, dass sie gerade die Determinante dieser Matrix maximieren, ist die Exis-tenz der Inversen gesichert.

Zur numerischen Integration verwenden wir wieder ein Gauß-Quadratur-Schema:∫Ωe

f(x) dx =

∫Ω4

f(ξ)Je(ξ) dξ ≈M∑i=1

ωiJe(ξi)f(ξi)

Wie schon in Abschnitt 3.2.2 haben wir auch hier eine Transformation des Integrals durchgeführt. DieGewichte ωi sind die ersten Dubiner-Koeffizienten des i-ten Dubiner-Polynoms. Es gilt also ωi = ai1.

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 31

Aufgrund der Kronecker-Delta-Eigenschaft der Lagrange-Polynome, die in diesem Fall durch die Dubi-ner-Polynome dargestellt werden, können wir auch hier nachrechnen, dass die Elementmassenmatrizenwieder Diagonalgestalt erhalten. Setzen wir die Massenmatrix sowohl aus Dreiecks- als auch aus Vier-eckselementmassenmatrizen zusammen, behält diese also Diagonalgestalt.Ein Nachteil der Benutzung von Dreieckselementen besteht in dem erhöhten Aufwand zur Berechnungder Gradienten ∇u(ξ) = (∂ξ1u(ξ), ∂ξ2u(ξ)) des Verschiebungsfeldes. Hierbei sind die partiellen Ab-leitungen gegeben als

∂ξ1u(ξr, ξs) ≈M∑i=1

u(ξi, ξi)∂ξ1Di(ξr, ξs) und ∂ξ2u(ξr, ξs) ≈M∑i=1

u(ξi, ξi)∂ξ2Di(ξr, ξs) .

Zwar werden die partiellen Ableitungen der Dubiner-Polynome vorweg analytisch bestimmt, doch müs-sen wir zur Bestimmung einer partiellen Ableitung des gesuchten Verschiebungsfeldes u in einem be-liebigen Punkt ξ∗ = (ξ∗1 , ξ

∗2) die folgenden Schritte durchführen: Zu Beginn ist es notwendig, die ge-

wünschte partielle Ableitung aller Dubinerpolynome ∂ξ1Dk(ξ), k = 1, . . . ,M an der Stelle ξ∗ aus-zuwerten. Anschließend benötigen wir M Multiplikationen um die Ableitung jedes Polynoms mit denentsprechenden Koeffizienten u(ξi, ξi) zu gewichten. Der letzte Schritt besteht nun aus den M − 1 Ad-ditionen. Wir können den Aufwand zur Berechnung eines Gradienten auf dem Dreieck also über denZusammenhang A4 = 2M − 1 = (N + 1)(N + 2)− 1 berechnen. Auf dem Einheitsquadrat benötigenwir hingegen weniger Rechenoperationen. Dies liegt an der Tatsache, dass wir hier die sogenannte „Ten-sorisation“ der Basisfunktionen ausnutzen können. Mit Tensorisation bezeichnen wir die Eigenschaft,dass sich die 2D-Basisfunktionen über die Tensorprodukte der 1D-Basisfunktionen berechnen lassen.Für die partielle Ableitung in ξ1-Richtung des Verschiebungsfeldes auf einem Viereck gilt

∂ξ1u(ξr, ξs) ≈ ∂ξ1

N+1∑i=1

N+1∑j=1

uijLNi (ξr)LNj (ξs) =

N+1∑i=1

N+1∑j=1

uijLNj (ξr)∂ξ1LNi (ξs)

=N+1∑i=1

N+1∑j=1

uijδjr∂ξ1LNi (ξs) =N+1∑i=1

uir∂ξ1LNi (ξs) .

Wir sehen also, dass der Rechenaufwand hier nur A = 2N + 1 beträgt. Vergleichen wir den Aufwandzur Berechnung eines Gradienten auf einem Dreieck mit dem auf einem Viereck, erhalten wir den Faktor

R2D =A4A

=(N + 1)(N + 2)− 1

2N + 1≈ N

2.

Diese Näherung gilt allerdings nur für große Werte von N . In der SEM wählen wir typischerweise einenPolynomgrad zwischen fünf und acht, was bedeutet, dass diese Approximation noch nicht gilt. Betrach-ten wir ein Gitter im Zweidimensionalen, welches verhältnismäßig wenig Dreieckselemente enthält, istder Zusatzaufwand relativ gering und wird durch die bessere Anpassung des Gitters aufgewogen. Erwei-tern wir unsere Gitter nun in die dritte Dimension, ist dies kritischer.

Abbildung 3.8: zulässige Elemententypen im Dreidimensionalen: links das zum Einheitswürfel isomorphe Stan-dardelement, mittig das Tetraeder und rechts ein Keilelement

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KAPITEL 3. DIE SPEKTRALE ELEMENTE METHODE 32

Wie wir in Abbildung 3.8 erkennen, erlauben wir im Dreidimensionalen sowohl Elemente, die nur drei-eckige Seitenflächen aufweisen, wie das Tetraeder, oder nur viereckige, wie wir sie in Abschnitt 3.2eingeführt haben, als auch Keile, die aus Dreiecken und Vierecken gebildet werden. Keilelemente habenhierbei den Vorteil, dass wir sie leicht mit den Standardelementen kombinieren können, die isomorphzum Einheitswürfel sind, und es uns trotzdem erlauben spitze Geometrien besser zu approximieren. Ineinem Tetraeder nutzt man die Fekete-Punkte, wie es in [11] vorgeschlagen wird. In Keilelementen nutztman in den Dreiecken die Fekete-Punkte. Um diese in die dritte Dimension zu erweitern, betrachtetman das Tensorprodukt aus Fekete-Punkten auf dem Dreieck und Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten inder dritten Dimension. Bei dieser Art von Elementen erhöht sich das Verhältnis R des Aufwands zurBerechnung von Gradienten nicht weiter. Dies liegt daran, dass wir in einem Keilelement entlang derdritten Koordinatenachse die Tensorisation ausnutzen können. Der Zusatzaufwand zur Berechnung einesGradienten entlang dieser Koordinatenachse ist also in einem Keilelement der selbe wie in einem Ele-ment, welches isomorph zum Einheitswürfel ist. Betrachten wir die folgende Rechnung, sehen wir, dasssich der Mehraufwand verglichen mit dem zweidimensionalen Fall sogar verringert:

R3D =AKeil

A=

2 ((N + 1)(N + 2)− 1) + 2N + 1

3(2N + 1)≈ N

3

Nun sind wir also in der Lage, das in Abschnitt 3.1.2 vorgestellte Gitter an beliebigen Stellen durchTetraeder oder Keilelemente zu erweitern. Dies ermöglicht eine Reduktion der Anzahl der nicht regulärenElemente in dem bisher betrachteten Gitter. Zusätzlich wird gerade bei der Betrachtung lokaler Effekteder Aufwand zur Gittergenerierung verringert, da es nun einfacher ist, ein Gitter zu konstruieren, welchesdie geologischen Strukturen gut approximiert. Hierbei müssen wir jedoch beachten, dass wir nicht zuviele dieser Elemente einsetzen, da der benötigte Mehraufwand zur Berechnung eines Gradienten sonstzu hoch wird.

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Kapitel 4

Diskretisierung in der Zeit

In Abschnitt 3.2.1 haben wir die schwache Formulierung der seismischen Wellengleichung im Ort dis-kretisiert. Als Ergebnis haben wir ein System aus Differentialgleichung in der Zeitvariablen t erhalten.Um dieses zu lösen, stellen wir nun analog zu den Darstellungen in [5] ein Zeitschrittverfahren vor, wel-ches auf der Diskretisierung mit Finiten Differenzen basiert. Dazu unterteilen wir das Zeitintervall T inNt Intervalle Ti , i = 1, . . . , Nt der Länge ∆t, so dass

T =

Nt⋃i=1

T i mit Ti =]ti−1, ti[ , i = 1, . . . , Nt .

Um das System aus Differentialgeichungen in der Zeitvariablen numerisch zu lösen, führen wir einNewmark-Schema an, welches auf einer Variation der Differenzenquotienten basiert. Zur Beschreibungdieses Schemas führen wir drei Variablen 0 ≤ α, β, γ ≤ 1 ein. Das Newmark-Schema lässt sich dann inder folgenden Form schreiben:

1

∆tM(ui+1 − ui) = bi+α −Kui+α −Cui+α (4.1)

ui+1 = ui + ∆t

[(1− β

γ

)ui +

β

γui+1

]+ (∆t)2

(1

2− β

γ

)ui (4.2)

ui+1 =1

γ∆t[ui+1 − ui] +

(1− 1

γ

)ui (4.3)

Hierbei ist ui+α = αui+1 + (1− α)ui eine Näherung des Verschiebungsfeldes zum Zeitpunkt i+ α.Diese Methode ist für α = 1

2 von zweiter Ordnung. Wählen wir zusätzlich βγ = 1

2 , erhalten wir einVerfahren, welches sowohl die gesamte Energie als auch Stoß- und Drehimpulse erhält, da in diesemFall der Beschleunigungsterm (∆t)2

(12 −

βγ

)ui in Gleichung (4.2) entfällt, wodurch das oben definier-

te Newmark-Schema unabhängig von der Beschleunigung wird. Für weiterführende Informationen zudiesem Thema verweisen wir auf [5] und die dort gegebene Referenz.Lösen wir Gleichung (4.1) nach der Unbekannten ui+1 auf, erhalten wir(

1

∆tM + αC

)(ui+1) = bi+α −Kui+α +

(1

∆tM− (1− α)C

)ui.

Wir sehen also, dass wir hier entweder 1∆tM + αC invertieren oder ein entsprechendes Gleichungssys-

tem lösen müssen. An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass die Massenmatrix Diagonalge-stalt erhält, nicht aber die Coriolismatrix. Um diesen Vorteil nutzen zu können, überführen wir obiges

33

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KAPITEL 4. DISKRETISIERUNG IN DER ZEIT 34

Newmark-Schema in folgendes Prädiktor-Multikorrektor-Verfahren:

Prädiktor-Phase: u(0)i+1 = ui + ∆t

(1− β

γ

)ui + (∆t)2

(12 −

βγ

)ui

u(0)i+1 = 0

ui+1 =(

1− 1γ

)ui − 1

γ∆t ui

für j = 1, . . . , k

Lösungsphase: 1∆tM∆u(j) = bi+α −Ku

(j)i+α −Cu

(j)i+α −

1∆tM(u

(j)i−1 − ui)

Korrektor-Phase: u(j+1)i+1 = u

(j)i+1 + ∆u(j)

u(j+1)i+1 = u

(0)i+1 + β∆t

γ u(j+1)i+1

u(j+1)i+1 = u

(0)i+1 −

1γ∆t u

(j+1)i+1

Mit k bezeichnen wir hierbei die Anzahl der Korrektorschritte.Wie wir leicht erkennen können, stehen hier auf der rechten Seite nur bekannte Größen und wir müssensomit nur die Massenmatrix M invertieren. Aufgrund der Diagonalität dieser Matrix können wir diesesPrädiktor-Multikorrektor-Verfahren in jedem Zeitschritt effizient implementieren. Des Weiteren ist diesein erster Schritt auf dem Weg zu einer effizienten Parallelisierung.Die Stabilität dieses Verfahres lässt sich mit Hilfe der Courant-Bedingung beschreiben. Dazu definierenwir die Courant-Zahl als

nc = max

(∆t

∆xc

),

wobei das Maximum über alle Elemente und alle Zeitschritte läuft. Mit ∆x bezeichnen wir den mini-malen Abstand zweier Punkte in einem Element, die auf einer gemeinsamen Kante liegen und mit c dieelastische Wellengeschwindigkeit. Komatitsch et al. haben in [5] heraugefunden, dass das Prädiktor-Multikorrektor-Verfahren stabil ist, wenn die Courant-Zahl des Gitters in einer Größenordnung vonnc = 0.6 gewählt wird. Aus dieser Bedingung erhalten wir, dass die Zeitschrittweite ∆t echt kleinergewählt werden muss als O

(N−1/3e N−2

), wobei N wie zuvor den Polynomgrad der Basisfunktionen

beschreibt, die wir in der SEM zur Ortsdiskretisierung verwenden. Der Faktor N−1/3e beschreibt die

durchschnittliche Größe eines dreidimensionalen Elements. Betrachten wir ein Element und suchen dortdie Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte, die auf einer Kante liegen und minimalen Abstand zueinander ha-ben, können wir feststellen, dass diese bei−1 beziehungsweise 1 liegen. Der Abstand von beispielsweise1 zum nächsten Punkt verhält sich wie N−2. Wir haben also zwei Faktoren, die die Wahl der Zeitschritt-weite beeinflussen. Hierbei hat es sich bewährt, bei komplizierten Geometrien viele Elemente und da-für einen kleineren Polynomgrad zu benutzen. Handelt es sich um eine „glatte“ Geometrie und lassensich beim Quellsignal hohe Frequenzen beobachten, wählen wir weniger Elemente und einen höherenPolynomgrad. Dabei ist zu beachten, dass sich der gewählte Polynomgrad, aus den in Abschnitt 3.2.2erläuterten Gründen, zwischen fünf und zehn befindet.In [5] wird erwähnt, dass ein weiterer Vorteil des Prädiktor-Multikorrektor-Verfahrens darin besteht, dasses sich, ohne zusätzlichen Speicheraufwand und ohne Gradienten höherer Ordnung berechnen zu müs-sen, auf ein Verfahren vierter Ordnung erweitern lässt. Ein solches Verfahren könnten wir genau wieunser Prädiktor-Multikorrektor-Verfahren zweiter Ordnung implementieren. Die Stabilitätsbedingungenübertragen sich ebenso auf das Verfahren vierter Ordnung wie die Tatsache, dass Energie und Impulseerhalten bleiben. Die Verwendung eines Zeitschritt-Verfahrens höherer Ordnung kann sinnvoll sein, dafür große Zeitintervalle die Ordnung des Zeitschrittverfahrens die der Ortsdiskretisierung überdeckt.

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Kapitel 5

Fazit

Im Verlauf dieser Arbeit haben wir die SEM zur Simulation seismischer Wellen betrachtet. Dazu ha-ben wir zu Beginn die seismische Wellengleichung für ein beliebiges Gebiet hergeleitet. Anschließendhaben wir diese Gleichung an die Besonderheiten der Erde angepasst, was insbesondere die Berück-sichtigung von Corioliskräften und Eigengravitation umfasste. Außerdem mussten wir die seismischeWellengleichung für fluide Regionen umformulieren. In diesem Zusammenhang konnten wir auch einefür Langzeitsimulationen effiziente Methode zur Berücksichtigung von Ozeanen herleiten. Des Weiterenhaben wir kurz skizziert, wie wir mit Hilfe des Momententensors seismische Quellen mathematisch be-schreiben können. Daraufhin haben wir uns dem Problem der künstlichen Randbedingungen zugewandt.Dieses konnten wir durch den Einsatz der PML, einer perfekt angepassten, dämpfenden Schicht, lösen,welche die seismischen Wellen komplett absorbiert ohne dabei deren natürliches Verhalten in dem Ge-biet Ω zu beeinflussen.Nachdem wir die schwachen Formulierungen der verschiedenen seismischen Wellengleichungen her-geleitet hatten, haben wir uns mit der SEM beschäftigt. Hier sind wir zunächst auf das Problem derGittergenerierung eingegangen. Mit Hilfe des Prinzips der würfelförmigen Sphäre haben wir ein Gitterkonstruiert, welches alle Unstetigkeiten der Erde beachtet. Um lokale Unstetigkeiten besser zu approxi-mieren und außerdem die Anzahl irregulärer Elemente zu verringern, haben wir dieses Gitter anschlie-ßend um Tetraeder und Keilelemente ergänzt. Zu Beginn haben wir uns jedoch auf solche Elementebeschränkt, die isomorph zum Einheitswürfel sind, und für diese das Vorgehen der SEM erläutert. Dazuhaben wir die Gauß-Lobatto-Legendre-Punkte eingeführt und diese sowohl zur Interpolation als auch zurnumerischen Integration des Verschiebungsfeldes verwendet. Die Kombination dieser beiden konsisten-ten Verfahren brachte den Vorteil einer per Konstruktion diagonalen Massenmatrix. Durch die Verwen-dung der Fekete-Punkte in Tetraedern beziehungsweise in Dreiecken im Tensorprodukt mit den Gauß-Lobatto-Legendre-Punkten in der dritten Dimension für Keilelemente, erhielten wir auch für gemischteGitter eine diagonale Massenmatrix. Aufgrund dieser Eigenschaft konnten wir ein anfänglich implizi-tes Newmark-Schema in ein Prädiktor-Multikorrektor-Verfahren überführen, bei welchem nur noch dieInvertierung der Massenmatrix erforderlich war. An dieser Stelle haben wir erwähnt, dass sich das sobeschriebene Verfahren effizient parallelisieren lässt, was im Bereich der Seismologie unerlässlich ist.Wir haben also ein Verfahren zur numerischen Lösung der seismischen Wellengleichung konstruiert,welches verschiedene Vorteile hat und deshalb besonders gut zur Simulation der Ausbreitung seismi-scher Wellen geeignet ist. Ein erster Vorteil besteht in der hohen geometrischen Flexibilität, die auf demvon uns verwendeten Gitter basiert. Die Methode der PML ermöglicht es uns ressourcenschonend aufTeilgebieten zu rechnen, da sich die Dicke der eingesetzten dämpfenden Schicht für einen Polynomgradvon N = 8 auf fünf Gitterpunkte beschränkt. Durch den Einsatz optimaler beziehungsweise nahezuoptimaler Quadraturformeln, sind wir in der Lage, die auftretenden Polynome möglichst exakt zu inte-grieren. Das anschließend verwendete Zeitschrittverfahren hat den Vorteil, die gesamte Energie sowieDreh- und Stoßimpulse zu erhalten. Wir sehen also, dass die SEM von der geometrischen Flexibilität derFiniten Elemente Methode und der schnellen Konvergenz spektraler Methoden profitiert [6].

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Literaturverzeichnis

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[12] Komatitsch, Vilotte, The Spectral Element Method: An Efficient Tool to Simulatethe Seismic Response of 2D and 3D Geologicla Structures, Bulletin of the Seis-mological Society of America (1998), Vol. 88, No. 2, p. 368-392, verfügbar unterhttp://bssa.geoscienceworld.org/content/88/2/368.abstract?stoc

[13] Müller, Theory of Elastic Waves, Vorlesungsskriptum zur gleichnamigen Vorlesung an der Uni-versität Hamburg, 2007 überarbeitet von M. Weber, G. Rümpker, D. Gajewski, verfügbar unterhttp://samizdat.mines.edu/muller/

[14] Pasquetti, Rapetti, Spectral element method on triangles and quadrilaterals: comparison andapplications, Journal of Computational Physics (2004), Vol. 198, No. 1, p. 349-362, doi:10.1016/j.jcp.2004.01.010

[15] Schubert, The Spectral Element Method for seismic wave propagation, Diplomarbeit bei Prof. Dr.H. Igel am Department für Geo- und Umwelwissenschaften, Sektion Geophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (2003)

[16] Rannacher, Einführung in die Numerische Mathematik, Vorlesungsskriptum zum Wintersemester2010/11 an der TU Dortmund, überarbeitet von H. Blum, J. Fliege und F.-T. Suttmeier

[17] Rawlinson, Earthquake source mechanisms and radiation patterns II, Folien zu der Vorlesung„SEISMOLOGY“ (April 2008) an der Research School of Earth Sciences, Australien NationalUniversity, verfügbar unter http://rses.anu.edu.au/~nick/teaching.html