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38 Momo Michael Ende schuf Momo 1973. Zu dieser Zeit haben viele von uns diese span- nende und bewegende Geschichte kennen gelernt. Umso schöner, dass nun unsere Kinder dieses Stück, das in den letzten 30 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat, in ein wunderschönes Klassenspiel ver- wandelt haben. Was passiert? Gigi, der virtuose Fremdenführer, kann die Kinder im Amphitheater in seine phan- tasievolle Märchenwelt entführen. Er fes- selt sie mit seinen Geschichten und lässt sie so die Zeit vergessen. Zu dieser lustigen Truppe gehört auch Beppo, der Straßenkeh- rer. Er ist die Ruhe selbst und lebt sehr zufrieden mit seiner Philosophie, nichts zu überstürzen und schön brav einen Schritt nach dem anderen zumachen. Beppo ist es, der eines Tages im alten Gemäuer des Theaters auf ein kleines strubbliges Mädchen namens Momo stößt. Da es dieses Mädchen auf ganz besondere Weise versteht, den anderen zuzuhören und sie in ihren Bann zu ziehen, wird es schnell in den Freundeskreis aufgenommen. Kinder und Erwach- sene schütten Momo ihr Herz aus, weil sie bei ihr auf Verständnis stoßen und Momos Ruhe, Selbstsicherheit und Zufriedenheit auf alle übergeht wie eine glättende, weiche Wo- ge. Ihre Bescheidenheit und Zurückhaltung beeindrucken die Men- schen um sie herum. Während die Kinder im Spiel ihre Frei- zeit genießen, breitet sich unter den Er- wachsenen schleichend eine kalte Macht aus. Nach und nach tauchen immer mehr Zigarren rauchende, aschfahle Herren in bleigrauen Anzügen auf. Ihre Gegenwart hinterlässt selbst bei uns Zuschauern ein beklemmendes Frösteln. Sie versuchen alle Menschen dazu zu bringen, Zeit zu sparen. In Wahrheit werden die Menschen um ihre Zeit betrogen! – Denn während sie versu- chen Zeit zu sparen, vergessen sie im Jetzt zu leben. Da sich Zeit aber nicht sparen lässt, werden einzig die Tage und Wochen immer kürzer und der Mensch immer ab- gehetzter. Die grauen Herren können be- ängstigend viele Menschen dazu bringen, scheinbar unnötige Zeit einzusparen. Aller- dings merken sie bald, dass sie gegen Mo- mo nichts ausrichten können. Unbeirrt bleibt sie sich selbst treu. Auch als sie ver- suchen, Momo mit der Puppe Bibigirl zu beeinflussen, merkt Momo sofort, dass sie mit solchen abgerichteten Puppenmonstern nichts anfangen kann. Sie widersetzt sich abermals und erhält kurz darauf Besuch

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Momo

Michael Ende schuf Momo 1973. Zudieser Zeit haben viele von uns diese span-nende und bewegende Geschichte kennengelernt. Umso schöner, dass nun unsereKinder dieses Stück, das in den letzten 30Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat,in ein wunderschönes Klassenspiel ver-wandelt haben.

Was passiert?Gigi, der virtuose Fremdenführer, kann

die Kinder im Amphitheater in seine phan-tasievolle Märchenwelt entführen. Er fes-selt sie mit seinen Geschichten und lässt sieso die Zeit vergessen. Zu dieser lustigenTruppe gehört auch Beppo, der Straßenkeh-rer. Er ist die Ruhe selbst und lebt sehrzufrieden mit seiner Philosophie, nichts zuüberstürzen und schön brav einen Schrittnach dem anderen zumachen.

Beppo ist es, der eines Tages im altenGemäuer des Theaters auf ein kleinesstrubbliges Mädchen namens Momo stößt.Da es dieses Mädchenauf ganz besondereWeise versteht, denanderen zuzuhören undsie in ihren Bann zuziehen, wird es schnellin den Freundeskreisaufgenommen.

Kinder und Erwach-sene schütten Momo ihrHerz aus, weil sie beiihr auf Verständnisstoßen und MomosRuhe, Selbstsicherheitund Zufriedenheit aufalle übergeht wie eineglättende, weiche Wo-ge. Ihre Bescheidenheit

und Zurückhaltung beeindrucken die Men-schen um sie herum.

Während die Kinder im Spiel ihre Frei-zeit genießen, breitet sich unter den Er-wachsenen schleichend eine kalte Machtaus. Nach und nach tauchen immer mehrZigarren rauchende, aschfahle Herren inbleigrauen Anzügen auf. Ihre Gegenwarthinterlässt selbst bei uns Zuschauern einbeklemmendes Frösteln. Sie versuchen alleMenschen dazu zu bringen, Zeit zu sparen.In Wahrheit werden die Menschen um ihreZeit betrogen! – Denn während sie versu-chen Zeit zu sparen, vergessen sie im Jetztzu leben. Da sich Zeit aber nicht sparenlässt, werden einzig die Tage und Wochenimmer kürzer und der Mensch immer ab-gehetzter. Die grauen Herren können be-ängstigend viele Menschen dazu bringen,scheinbar unnötige Zeit einzusparen. Aller-dings merken sie bald, dass sie gegen Mo-mo nichts ausrichten können. Unbeirrtbleibt sie sich selbst treu. Auch als sie ver-suchen, Momo mit der Puppe Bibigirl zubeeinflussen, merkt Momo sofort, dass siemit solchen abgerichteten Puppenmonsternnichts anfangen kann. Sie widersetzt sichabermals und erhält kurz darauf Besuch

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von einer langsamen, gemütlichen Schild-kröte namens Kassiopeia; geschickt vondem weisen Meister Hora, dem Hüter derZeit. Gemeinsam machen sie sich auf denWeg.

Als Zuschauer werden wir aufgefordert,dem langsamen Gang der Schildkröte zufolgen und hier wird das Thema des Stü-ckes besonders spürbar: Zeit haben undsich Zeit lassen, den Sinn in Freude, Spielund dem Miteinander finden. “Geh rück-wärts”, sagt Kassiopeia und zeigt damit,dass ein ungewöhnlicher Weg – ein Um-weg – auch ans Ziel führen kann.

In diesem Fall führt der Weg zum Nir-gendhaus, dem Wohnsitz des Meister Hora.Durch die dunklen, warmen Farben in derVerbindung mit dem Gold fühlt man sichim Hause eines Königs. In seiner Schlicht-heit vermittelt er nicht den Eindruck vonMacht. Er, der eigentlich alles in seinerHand hat, beugt sich seinem Schicksal mitdem Vertrauen, dass alles gelingen wird.Die Darstellung der Stundenblume war eineVerzauberung; sanft und sacht wurde derAblauf zum Ausdruck gebracht, wie etwas,mit dem man besonders behutsam umgehen

muss. Mit diesem Wissen und einer Stun-denblume in der Hand beginnen Momo undKassiopeia den grauen Herren entgegen zutreten. Sie haben eine Stunde, in der dieZeit still steht, um in die Zentrale der grau-en Herren vorzudringen und die Stunden-blumen und somit die Zeit zu befreien. Indiesem Moment, als dies geschieht, wirbelteine Blütenwolke an ihr vorbei und trägt siemit sich. Blüten fallen auf die erstarrteWelt und alles bewegt sich wieder. Momoist inmitten ihrer Freunde und es wird einfröhliches Fest gefeiert.

Die Leichtigkeit, die Sorge, das Zwei-feln, die Angst, der Tiefsinn, die Hoffnung,die Erleichterung – all das haben unsereKinder mit Enthusiasmus und Gefühl inihre Figuren eingebracht. Zusammen mitdem Bühnenbild waren es beeindruckendeVorstellungen, in die man wunderbar ein-tauchen konnte und sich fest zum Vorsatznahm behutsamer mit seiner eigenen Zeitumzugehen.

Constanze Gärtner (E), Ina Lau (E)