23
Tomasz Ginter Das Zisterzienserkloster Ląd und die politischen Intentionen der Stiftungen Herzog Mieszkos III. des Alten Die Ansiedlung der Zisterzienser in Polen und die Anfänge des Klosters Ląd Der Zisterzienserorden kam um die Mitte des 12. Jahrhunderts nach Polen. Damals wurden im kleinpolnischen Brzeźnica, das bald darauf in Jędrzejów umbenannt wurde, und im großpolnischen Łekno die beiden ersten polnischen Zisterzienserklöster gegrün- det. Ihre Stifter waren Große, Jan(ik) aus dem Geschlecht der Gryfen, der spätere Erzbischof von Gnesen, und Zbylut aus dem Geschlecht der Pałuken. Sie waren nicht die einzigen polnischen Großen, die engere Kontakte zu den Zisterziensern unterhielten. Etwa zur gleichen Zeit richtete der Krakauer Bischof Mateusz zusammen mit dem Großen Piotr Włostowic ein Schreiben an Bernhard von Clairvaux, in dem sie diesen nach Polen einluden. Brygida Kürbis, die die Stiftungsurkunden der frühen Zisterzien- serabteien und den erwähnten Brief analysierte, hat die ausgezeichnete Aufnahme hervorgehoben, die die Zisterzienser in der polnischen lokalen Eliten erfuhren. 1 Demge- genüber war das Interesse der piastischen Dynasten an dem neuen Orden anfänglich nur gering. Das änderte sich erst mit der Stiftung des Zisterzienserklosters in Leubus durch Bolesław den Langen nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahr 1163. Wenig später stifteten auch Mieszko III. der Alte und Kasimir II. der Gerechte Zisterzienserklöster – Mieszko in Ląd und Kasimir in Sulejów. Über den Zeitpunkt der Stiftung des Klosters Ląd herrscht in der Forschung bis heute keine Einigkeit. Lange Zeit galt es als die älteste Zisterzienserniederlassung in Polen überhaupt. Denn gestützt auf eine vermeintliche Stiftungsurkunde hat man gewöhnlich 1 Brygida Kürbis, Cystersi w kulturze polskiego średniowiecza. Trzy świadectwa z XII wieku [Die Zisterzienser in der Kultur des polnischen Mittelalters. Drei Zeugnisse aus dem 12. Jahrhundert], in: Jerzy Strzelczyk (Hrsg.), Historia i kultura cystersów w dawnej Polsce i ich europejskie związki. Poznań 1987, 321–342, hier 340. Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

  • Upload
    eduard

  • View
    218

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Tomasz Ginter

Das Zisterzienserkloster Ląd und diepolitischen Intentionen der Stiftungen HerzogMieszkos III. des Alten

Die Ansiedlung der Zisterzienser in Polen unddie Anfänge des Klosters Ląd

Der Zisterzienserorden kam um die Mitte des 12. Jahrhunderts nach Polen. Damalswurden im kleinpolnischen Brzeźnica, das bald darauf in Jędrzejów umbenannt wurde,und im großpolnischen Łekno die beiden ersten polnischen Zisterzienserklöster gegrün-det. Ihre Stifter waren Große, Jan(ik) aus dem Geschlecht der Gryfen, der spätereErzbischof von Gnesen, und Zbylut aus dem Geschlecht der Pałuken. Sie waren nichtdie einzigen polnischen Großen, die engere Kontakte zu den Zisterziensern unterhielten.Etwa zur gleichen Zeit richtete der Krakauer Bischof Mateusz zusammen mit demGroßen Piotr Włostowic ein Schreiben an Bernhard von Clairvaux, in dem sie diesennach Polen einluden. Brygida Kürbis, die die Stiftungsurkunden der frühen Zisterzien-serabteien und den erwähnten Brief analysierte, hat die ausgezeichnete Aufnahmehervorgehoben, die die Zisterzienser in der polnischen lokalen Eliten erfuhren.1 Demge-genüber war das Interesse der piastischen Dynasten an dem neuen Orden anfänglich nurgering. Das änderte sich erst mit der Stiftung des Zisterzienserklosters in Leubus durchBolesław den Langen nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahr 1163. Wenig späterstifteten auch Mieszko III. der Alte und Kasimir II. der Gerechte Zisterzienserklöster –Mieszko in Ląd und Kasimir in Sulejów.

Über den Zeitpunkt der Stiftung des Klosters Ląd herrscht in der Forschung bis heutekeine Einigkeit. Lange Zeit galt es als die älteste Zisterzienserniederlassung in Polenüberhaupt. Denn gestützt auf eine vermeintliche Stiftungsurkunde hat man gewöhnlich

1 Brygida Kürbis, Cystersi w kulturze polskiego średniowiecza. Trzy świadectwa z XII wieku [DieZisterzienser in der Kultur des polnischen Mittelalters. Drei Zeugnisse aus dem 12. Jahrhundert],in: Jerzy Strzelczyk (Hrsg.), Historia i kultura cystersów w dawnej Polsce i ich europejskiezwiązki. Poznań 1987, 321–342, hier 340.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 2: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

372 Tomasz Ginter

das Jahr 1145 als sein Gründungsdatum angenommen.2 Diese Datierung wurde vonMax Perlbach durch den Nachweis in Zweifel gezogen, dass es sich bei der im KölnerStadtarchiv aufbewahrten angeblichen Stiftungsurkunde um eine Fälschung aus derzweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts handelte.3 Wojciech Kętrzyński sprach sich unterBerufung auf zisterziensische Überlieferungen und das Stiftungsdatum des KlostersŁekno (1153) für das Jahr 1175 als Gründungsdatum von Ląd aus, das er für eineursprüngliche Grangie von Łekno hielt, die erst in den Jahren 1193 bis 1195 von Mies-zko III. in eine selbständige Abtei umgewandelt worden sei, wobei der Konvent durchMönche aus dem kölnischen Altenberg, dem Mutterkloster von Łekno, ergänzt wordensei.4 Kętrzyńskis Ansicht wurde von Andrzej M. Wyrwa kritisiert, der es für schwervorstellbar hielt, „dass die um 1175 entstandene Abtei (…) ungefähr 16 Jahre lang(1175–1191) im ‚luftleeren Raum‘ existiert“ haben soll.5 Als einzige Quelle, die glaub-würdig Auskunft über die Anfänge des Klosters gebe, bezeichnete Wyrwa die Überlie-ferungen der Beschlüsse des Generalkapitels, die seines Erachtens einen vorübergehen-den Zusammenbruch der Stiftung (um das Jahr 1191) und deren Erneuerung durchMieszko III. (nach 1193) belegen.6 Ausgehend von dem von Henryk Rutkowski er-schlossenen Datum der Einnahme Kujawiens durch Mieszko III.7 sowie aufgrund einerRekonstruktion der Klosterausstattung nach den Falsifikaten der Stiftungsurkunde kamWyrwa zu dem Schluss, dass die Abtei frühestens in den Jahren 1186–1191 als – wieseines Erachtens die Beschlüsse des Generalkapitels zeigen – Filiale von Łekno gestiftetworden sein könne. Als ein zusätzliches Argument führte er die Stiftung des PosenerSpitals an, die zu einem ähnlichen Zeitpunkt (1187–1193) stattgefunden habe.8

2 Leopold Janauschek, Origines Cistercienses, Bd. 1. Vindobonae 1877, 90.3 Max Perlbach, Die Cistercienser-Abtei Lond im stadtkölnischen Archiv, in: Mitteilungen aus dem

Stadtarchiv von Köln 2, 1883, 73–75, zitiert nach Tomasz Jurek, Dokumenty fundacyjne opactwaw Lądzie, in: Rocz. Hist. 66, 2000, 7–52, hier 8; 12; Zofia Kozłowska-Budkowa, Repertorjumpolskich dokumentów doby piastowskiej. Zeszyt 1: do końca wieku XII [Repertorium polnischerUrkunden der Piastenzeit. Heft 1: Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts]. Kraków 1937, Nr. 40.

4 Wojciech Kętrzyński, Studia nad dokumentami XII–go wieku [Studien zu Urkunden des12. Jahrhunderts], in: Rozprawy Akademii Umiejętności, Wydział Historyczno-Filozoficzny 26,1891, 201–313, hier 282–285; Kętrzyńskis Datierung folgt noch Henryk Waraczewski, Proces fun-dacyjny klasztoru cystersów w Lądzie nad Wartą [Der Stiftungsprozess des Zisterzienserklosters inLąd an der Warthe], in: Nasza Przeszł. 83, 1994, 151–163.

5 Andrzej M. Wyrwa, Procesy funadcyjne wielkopolskich klasztorów linii altenberskiej: Łekno-Ląd-Obra [Stiftungsprozesse großpolnischer Klöster der Altenberger Linie: Łekno – Ląd – Obra].Poznań 1995, 89–92.

6 Wyrwa, Procesy fundacyjne (wie Anm. 5), 86.7 Henryk Rutkowski, Zajęcie Kujaw przez Mieszka Starego [Die Einnahme Kujawiens durch Mies-

zko den Alten], in: Społeczeństwo Polski Średniowiecznej 5, 1992, 109–123.8 Wyrwa, Procesy fundacyjne (wie Anm. 5), 90; zur Stiftung des Posener Spitals ausführlich Tomasz

Ginter, Działalność fundacyjna księcia Mieszka III Starego [Die Stiftungstätigkeit Herzog Miesz-kos III. des Alten]. Kraków 2008, 75–100.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 3: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 373

Eine alternative Deutung hat unlängst Tomasz Jurek entwickelt, der den Stiftungsaktfür Ląd auf den 17.–18. März 1146 datiert und als eine Votivgabe Mieszkos III. fürseinen Posener Sieg über Władysław II. versteht. Schon am 14. Dezember des gleichenJahres sei der aus Łekno stammende neue Konvent in das zu diesem Zeitpunkt bereitsfertiggestellte Kloster in Ląd eingezogen. Da das Mutterkloster Łekno aber als einejunge Abtei nicht imstande gewesen sei, beide Einrichtungen voll zu besetzen, sei es1191 zum Verfall der neuen Niederlassung und auf Empfehlung des Generalkapitels zuderen Liquidierung gekommen. Auf Bitten Mieszkos III. sei diese Entscheidung dannim Jahre 1193 jedoch zurückgenommen, die Abtei neu gestiftet und der neue Konventaus dem kölnischen Altenberg, dem Mutterkloster von Łekno, herbeigeholt worden. Beidieser Gelegenheit habe Mieszko III. die Ausstattung des Klosters beträchtlich vergrö-ßert und gleichzeitig (um 1195) ein Stiftungsdiplom ausgestellt.9

Die vermeintliche Ląder Stiftungsurkunde von 1145/46

Angesichts der kontroversen Forschungslage scheint eine erneute Sichtung und Bewer-tung des fraglichen diplomatischen Materials unabdingbar. Das vermeintliche Stif-tungsdiplom existiert in mehreren Versionen.10 Am bekanntesten ist eine lange fürauthentisch gehaltene Urkunde, die 1553 anlässlich der Polonisierung des Klosters nachKöln verbracht worden ist (K bzw. ‚Kölner Dokument‘).11 Max Perlbach, der sie seiner-zeit im Kölner Stadtarchiv entdeckte, hat ihre Entstehung auf die zweite Hälfte des13. Jahrhunderts datiert. Eine zweite Version des vermeintlichen Stiftungsdiploms, dieaber um die Immunitätsbestimmungen und einen Teil der Landvergaben ärmer ist,begegnet in zwei sich voneinander unterscheidenden neuzeitlichen Abschriften: einerPosener Abschrift, die der Veröffentlichung im Großpolnischen Urkundenbuch zugrun-delag,12 und einer von Tomasz Jurek im Diözesanarchiv Włocławek im Kopialbuch vonLąd entdeckten Abschrift (W), die Jurek inhaltlich für authentisch und für die Vorlageder Posener Abschrift hält.13 Jurek zufolge ist das Diplom W nach der in ihm enthalte-nen Zeugenliste auf einer Ratsversammlung am 23. April 1195 ausgestellt worden, alsdas zu Beginn der 1190er Jahre in seiner Existenz stark gefährdete Kloster von Mieszkozusätzlich ausgestattet worden sei, u. a. mit zwei Dörfern in Kujawien. In dem 1195

9 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 44.10 Die so genannten Stiftungsdiplome des Klosters Ląd wurden neu herausgegeben von Jurek,

Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 46–48.11 Andrzej M. Wyrwa, Ląd, in: Ders. / Jerzy Strzelczyk / Kazimierz Kaczmarek (Hrsg.), Monasticon

Cisterciense Poloniae, Bd. 2. Poznań 1999, 189–201, hier 192.12 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch], Bd. 1. Ed. Ignacy

Zakrzewski. Poznań 1877, Nr. 10 und 298.13 Ediert bei Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 47f.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 4: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

374 Tomasz Ginter

ausgestellten Diplom W figurierte das Jahresdatum 1145 bzw. 114614, das einer Notizüber die ursprüngliche Stiftung entnommen worden sein dürfte. Dieses Datum sei in dasDiplom W mit Wissen und Zustimmung des Ausstellers eingefügt worden. Im Laufedes 13. Jahrhunderts soll es dann mehrere Überarbeitungen erfahren haben, die aufeiner Hinzufügung der Immunitätsklauseln sowie einer Hinzufügung neuer Ausstattun-gen beruht hätten. Eine der mittleren Versionen dieser Überarbeitungen sei 1261 alsauthentisches Stiftungsdokument Bolesław dem Frommen zur Bestätigung vorgelegtworden. Kurz darauf sei dann jene Urkunde fabriziert worden, die heute als ‚KölnerDokument‘ (K) bekannt ist. Angesichts des Fehlens eines ‚Originals‘ habe Diplom Wdie Funktion der Stiftungsurkunde übernommen und sei als eine authentische Urkundein die Hände der neuzeitlichen Kopisten gelangt.15

Jureks Konstruktion weckt freilich erhebliche Zweifel. Vor allem scheint der Inhaltvon W eher auf ein einheitliches Datum zu verweisen (im Text fehlt jede Spur einerUnterscheidung zwischen actum und datum, auf die sich Jurek beruft).16 Ein einheitli-ches Datum aber erscheint aus dem Grunde nicht haltbar, weil der auf den 23. Aprilfallende St. Adalbertstag17 nicht in den Zeitraum der im Diplom angegebenen Indiktionund Epakten passt, die entweder vom 24. September 1145 bis zum 24. März 1146 odervom 1. Januar bis zum 24. März 1146 gelten würden. Das Datum des 23. April würdehier eher auf eine Fälschung hindeuten. Wäre das Kloster tatsächlich am 18. März 1146gestiftet bzw. die Entscheidung über die Stiftung an diesem Tag getroffen worden –warum hätte dann dieses Datum nicht auch in der Stiftungsurkunde genannt werdenkönnen? Und die Datierung der Urkunde bloß auf den St. Adalbertstag stellt eine allzuoffensichtliche Operation dar. Zwar tätigten die großpolnischen Herzöge anlässlichdieses Festes fromme Stiftungen, aber das geschah in der Regel immer erst einige Tagespäter.18 Die Verwendung eines solchen Datums zusammen mit einem ihm nicht korres-

14 Jurek geht bei seiner Datierung von einer Anwendung der Florentiner Variante des Stils der‚Verkündigung‘ aus, durch die sich eine Verschiebung um ein Jahr bzw. das Jahr 1146 ergibt.

15 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 9; 15; 44.16 Ebd., 27.17 Auf den 23. April fallen manchmal die Osterfeiertage (mit der Osteroktav), und in einem solchen

Jahr wird der St. Adalbertstag dann erst nach dem Weißen Sonntag begangen, vgl. Irena Skierska,Wojciech, Jerzy, Marek – trzej święci sąsiedzi w średniowiecznym kalendarzu polskim [Adalbert,Georg, Markus – drei heilige Nachbarn im mittelalterlichen polnischen Kalender], in: Rocz. Hist.63, 1997, 37–54. Zwar benutzt die Autorin Quellen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, aber dieserBrauch war sicher schon älter.

18 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 26; Antoni Gąsiorowski / Irena Skierska, Średnio-wieczna monarchia objazdowa: władca w centralnych ośrodkach państwa [Die mittelalterlicheReisemonarchie: der Herrscher an zentralen Orten des Staates], in: Barbara Trelińska (Hrsg.), Se-des regni principales. Sandomierz 1999, 67–80, hier 77. Die Autoren gründen diese Behauptungauf Ląder Urkunden und schreiben, ein analoges Phänomen im 13. Jahrhundert erlaube aufgrunddes viel geringeren Ausmaßes der Herrschaftsbereiche der einzelnen Herzöge keine retrogressivenSchlussfolgerungen. Allerdings muss bemerkt werden, dass von den von großpolnischen Herzö-

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 5: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 375

pondierenden Jahresdatum dürfte hier eher davon zeugen, dass es sich um eine Fäl-schung handelt. Jurek hat zu Recht bemerkt, dass „ein Fälscher (…) eine Operationnicht angewandt [hätte], die von vornherein Verdacht erregt hätte.“19 Die Ląder Möncheseien sich über die Bedeutung des Datums des 23. April für die piastischen Herrschervöllig im Klaren gewesen und hätten sich deshalb dafür entschieden, im Falsifikat einhöchst offensichtliches und „sicheres“ Datum anzugeben. Doch die Annahme, dass dasTagesdatum nicht authentisch sein dürfte, findet eine weitere Bestätigung in dem Um-stand, dass über die Hälfte (vier von sechs) der aus dem 13. Jahrhundert stammendenLąder Falsifikate ein mit dem St. Adalbertstag in Verbindung stehendes Tagesdatumenthält (in der Regel eine Oktave),20 von den authentischen Diplomen dagegen nur eineinziges.21 Außerdem ist Diplom W nach dem Kirchenkalender datiert. Wie BronisławWłodarski22 und Karol Maleczyński23 gezeigt haben, wurde aber eine solche Notie-rungsweise des Tagesdatums im 12. Jahrhundert praktisch überhaupt nicht und in derersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nur sehr selten angewandt. Und mit einer Aus-nahme24 wird in allen Ląder Falsifikaten das Tagesdatum gerade nach dem Kirchenka-lender angegeben.

Die von Tomasz Jurek konstruierte vielschichtige Hypothese gründet auf der Prä-misse, dass das Diplom W aus dem 12. Jahrhundert stammt. Doch erscheint es nahelie-gender, im Hinblick auf dessen Datierung von einem gewöhnlichen Irrtum der Mönchebei der Ermittlung der Rückdatierung und von einem Übersehen der Nichtübereinstim-mung der Kombination der abgezählten Elemente mit dem in der Urkunde enthaltenenTagesdatum auszugehen, das im Übrigen dem herrschenden Brauch entsprechend imAugenblick der Anfertigung des Falsifikats angegeben wurde. Was die Anwendungeiner anderen Jahreszählung im Kloster anbelangt, so liegen dafür keine Indizien vor,

gen bis 1260 nahe am St. Adalbertstag ausgestellten 16 Diplomen nur drei (wobei eins zweifels-frei ein Falsifikat ist) das Datum des 23. April tragen; Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed.Zakrzewski (wie Anm. 12), Nr. 131, 148, 283; als Falsifikat gilt Nr. 148, vgl. Karol Maleczyński,Studia nad dyplomami i kancelaryą Odonica i Laskonogiego 1202–1239. Lwów 1928, 114; dieübrigen wurden bis zu einigen Tagen später ausgestellt: Nr. 284, 302, 354, 384 am 24. April;Nr. 121, 219, 220, 292, 355 am 25. April und Nr. 22, 302 am 26. April; Nr. 232 schließlich an denTagen vom 24. bis 29. April. Unabhängig von den oben erwähnten Annahmen der Autoren ist ei-ne entschieden seltenere Datierung von Diplomen genau auf den St. Adalbertstag zu beobachten.

19 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 23.20 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski, Bd. 6. Ed. Antoni Gąsiorowski / Henryk Kowalewicz.

Warszawa / Poznań 1982, Nr. 1 (30. April 1174); Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed.Zakrzewski (wie Anm. 12), Nr. 26 (30. April 1182); Nr. 148 (23. April 1233). Die übrigen ebd.Nr. 20 (31. August 1173) und Nr. 27 (8. Mai 1186).

21 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), 476 (23. April 1278).22 Bronisław Włodarski (Hrsg.), Chronologia polska [Polnische Chronologie]. Warszawa 1957, 81.23 Karol Maleczyński, [Rezension zu Włodarski (Hrsg.), Chronologia polska], in: Kwart. Hist. 65,

1958, 530.24 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), Nr. 20; das Datum in

diesem Diplom lautet: pridie kalendas Septembris.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 6: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

376 Tomasz Ginter

für einen Fehler in den Berechnungen dafür aber umso mehr. Denn in der Fälschung derUrkunde des Posener Bischofs von 1232 findet sich statt der korrekten Indiktion V dieIndiktion III.25 Unwahrscheinlich erscheint auch die Konstruktion einer Datierung ausdem aktuellen Tagesdatum, einem 50 Jahre zurückliegenden Jahresdatum und einerdann wieder aktuellen Zeugenliste, und das alles mit Wissen und Zustimmung desAusstellers. Eine solche Anhäufung von Fehlern und Inkonsequenzen spricht eindeutiggegen die Echtheit des Diploms W.

Berechtigt erscheint hingegen Jureks Vorschlag hinsichtlich des Datums und derUmstände der Entstehung der in Diplom W enthaltenen Zeugenliste, die tatsächlich1195 in einer anlässlich der Neustiftung des Klosters Ląd nach der Krise der frühen1190er Jahre ausgestellten Urkunde gestanden haben mag, mit der der Herzog dieAusstattung des Klosters vergrößerte und der die Ląder Mönche später bei der Fabrizie-rung ihres Falsifikats die Zeugenliste sowie einige Elemente des Formulars entnommenhaben mögen. Doch abgesehen von der Zeugenliste können kaum Elemente benanntwerden, die aus einem solchen Diplom des ausgehenden 12. Jahrhunderts in W einge-flossen sein können.

Eine eingehende diplomatische Analyse26 ergibt insgesamt, dass weder von der Au-thentizität des Diploms W noch davon die Rede sein kann, dass es beträchtlich älterwäre als K. Diplom W ist in der Form, in der es auf uns gekommen ist, aber sicher auchnicht viel jünger als seine endgültige Fassung in Gestalt der Bolesław dem Frommen1261 vorgelegten Urkunde (= K). Da W den Mönchen keine zusätzlichen Vorteilebrachte, im Gegenteil sogar diejenigen deutlich schmälerte, die sie bereits zuvor (etwain der Urkunde Kasimirs von Kujawien aus dem Jahr 125127) erhalten hatten, dürfte eskaum als Original funktioniert haben. Doch welche Rolle hatte es dann gespielt? Auchdie Ląder Mönche haben ihre Falsifikate für aktuelle Bedürfnisse produziert; so im Falljener Mieszko III. zum Jahr 1186 zugeschriebenen Urkunde, die für die Bedürfnisseeines Prozesses mit dem Posener Bistum gefälscht wurde,28 oder jener angeblich ausdem Jahre 1174 stammenden Urkunde,29 durch die das Kloster mit dem KrakauerSalzbergwerk ausgestattet wurde und die sicher als eine Antwort auf die Salz-Politik

25 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), 137; vgl. Maria Bielińska,Kancelarie i dokumenty wielkopolskie XIII wieku [Kanzleien und großpolnische Urkunden des13. Jahrhunderts]. Wrocław 1967, 321, Nr. 4.

26 Diese konnte hier nur in den wesentlichen Grundzügen wiedergegeben werden und findet sich inweitaus detaillierterer Form im polnischen Original; vgl. Ginter, Działalność fundacyjna (wieAnm. 8), 104–124.

27 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), Nr. 298.28 Ebd., 27; ähnlicher Meinung ist Tomasz Jurek, Stanowisko dokumentu w średniowiecznej Polsce

[Die Stellung der Urkunde im mittelalterlichen Polen], in: StŻródł 40, 2002, 1–18, hier 4,Anm. 34.

29 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski, Bd. 6. Ed. Gąsiorowski / Kowalewicz (wie Anm. 20), Nr. 1.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 7: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 377

Bolesławs des Schamhaften verstanden werden kann.30 Ein aktuelles Interesse lässtauch die Narratio der Urkunde Bolesławs des Frommen von 1261 erkennen: nos Bolez-lavus Dei gracia dux Polonie mandavimus fratribus Landensis Ordinis Cisterciensium,ut nobis super fundacione eiusdem domus sua privilegia exhiberetur. Aus der dannfolgenden Dispositio folgt zweifelsfrei, dass das Diplom K zu diesen privilegia gehörte.Denselben Mechanismus hat Józef Dobosz am Beispiel der ‚Stiftungsurkunden‘ desKlosters in Sulejów aufgezeigt.31

Und da wir, wie aus Jureks Beobachung folgt, „über zwei Urkunden verfügen, vondenen die zweite [K] eindeutig durch Hinzufügung weiterer Klauseln zur ersteren [W]entstanden ist“,32 weckt die relative Chronologie dieser Urkunden keinerlei Zweifelmehr. Somit deutet alles darauf hin, dass das Diplom W ein Konzept (oder sogar „dasKonzept eines Konzepts“), d. h. die Basis darstellte, eine Art Skelett, auf dessen Grund-lage dann die endgültige, vollständige Version des dem Herzog als authentisches Origi-nal vorgelegten Stiftungsdiploms (K) geschaffen wurde. Die Ankündigung einer dop-pelten Besiegelung in W bedeutet offensichtlich nicht, dass beide Siegel oder auch nureines davon dem Konzept angehängt worden wären. Die Mönche, die von der Existenzzweier verschiedener herzoglicher Siegel wussten (oder sogar schon über diese verfüg-ten), entschieden ganz einfach im Augenblick der Anfertigung des Konzepts, sich imFalsifikat des Bolesław dem Frommen vorzulegenden Stiftungsdiploms beide zunutzezu machen. Dass W eher nur eine Arbeitsversion darstellte, bezeugt auch das Fehlen derErwähnung der Immunitäten und eines Teils der Besitztümer.

Nach Ansicht der Diplomatiker sind eigentliche Siegelurkunden in Polen zeitgleichmit den neuen Orden in Erscheinung getreten. Insbesondere die Zisterzienser sollen alsmit dem Schriftgebrauch in Rechtsverfahren vertraute Zuwanderer die Stifter um Aus-stellung von Urkunden gebeten haben, die den Besitzstand ihrer neuen Klöster bestä-tigten.33 Bekanntlich verfügten die drei ältesten Zisterzienserklöster in Jędrzejów,34

30 Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (wie Anm. 3), Nr. 73. In den Jahren 1273–1278 führte Bo-lesław der Schamhafte eine Reform der Salzförderung in Bochnia und Wieliczka durch, wobei diebisherigen Besitzer und Teilhaber enteignet wurden, darunter auch zahlreiche kirchliche In-stitutionen, vgl. Roman Grodecki, Saliny ziemi krakowskiej w wiekach średnich [Die Salinen desKrakauer Landes im Mittelalter], in: Sprawozdania Polskiej Akademii Umiejętności 28, 1923, 5,6–8, hier 6.

31 Józef Dobosz, Trzynastowieczne falsyfikaty cysterskie z Sulejowa i Jędrzejowa. Motywy i okolicznościpowstania [Die zisterziensischen Falsifikate von Sulejów und Jędrzejów aus dem 13. Jahrhundert. Mo-tive und Umstände ihrer Entstehung], in: Anna Pobóg-Lenartowicz / Marek Derwich (Hrsg.), Klasztorw kulturze średniowiecznej Polski. Opole 1995, 225–237, hier 231–234.

32 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 15.33 Die in den Kanzleien der Empfänger ausgestellten Urkunden haben, wie Tomasz Jurek betont,

anfänglich noch eine den älteren Notationen ähnliche Rolle gespielt bzw. eher „das Gedenken anEreignisse unterstützt“; ob sie vor polnischen Gerichten als Beweismittel gegolten haben, könnenicht sicher gesagt werden; Jurek, Stanowisko dokumentu (wie Anm. 28), 3.

34 Kodeks dyplomatyczny Małopolski, Bd. 2. Ed. Franciszek Piekosiński. Kraków 1886, Nr. 372.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 8: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

378 Tomasz Ginter

Łekno35 und Leubus36 über Stiftungsdiplome, wobei die Originalurkunden nur fürŁekno und Leubus erhalten geblieben sind, während das Diplom für Jędrzejów nur aussekundären Überlieferungen bekannt ist, denen zweifellos eine authentische Urkundevon Erzbischof Jan(ik) zugrundegelegen hat; für Sulejów ist hingegenlediglich eineFälschung aus dem 13. Jahrhundert bekannt, die sich auf Notationen aus der Zeit derStiftung stützt.37 Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass auch das Kloster Lądim Augenblick seiner Stiftung eine Urkunde erhalten haben dürfte, die an dieses Ereig-nis erinnerte und seine ursprüngliche Ausstattung festhielt. Dabei ist nicht auszuschlie-ßen, dass ein solches ursprüngliches Stiftungsdiplom von Mieszko selbst ausgestelltworden ist. Infolge jener nicht näher bekannten Ereignisse, die das Kloster in denJahren 1190–1191 an den Rand seiner Liquidierung brachten, mag es später zerstörtworden oder verloren gegangen sein. Das verlorene Diplom wäre dann durch die weiteroben erwähnte hypothetische Urkunde von etwa 1195 oder durch eine ausführlicheNotation im klösterlichen Kopialbuch ersetzt worden. Es kann wohl davon ausgegangenwerden, dass Mieszko, der seiner großherzoglichen Würde großes Gewicht beimaß,versucht haben wird, den Feierlichkeiten anlässlich seiner Klosterstiftung mit einementsprechenden Stiftungsdiplom zusätzlichen Glanz zu verleihen. Ein solches, wohlöffentlich verlesenes Diplom dürfte er zweifellos als ein weiteres Element monarchi-scher Repräsentation angesehen haben.

Die Zisterzienserkataloge und das tatsächlicheStiftungsdatum des Klosters Ląd

Die angeblichen Stiftungsdiplome, die als Zeitpunkt der Gründung den 23. April 1145angeben, haben sich in allen ihren Versionen als Falsifikate erwiesen, die aus dem Jahre1261 oder einer diesem Datum nahen Zeit stammen. Auch die von diesen Falsifikatenüberlieferte Datierung ist nicht glaubwürdig. Das wirkliche Datum der Stiftung desKlosters Ląd bzw. des Einzuges des Konvents in die neue Abtei haben die zisterziensi-schen Kataloge bewahrt. Die Zisterzienser waren ein zentralistisch und hierarchischorganisierter Orden, der der Filiation seiner Abteien große Aufmerksamkeit schenkte.

35 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), 18.36 Codex diplomaticus nec non epistolaris Silesiae, Bd. 1. Ed. Karol Maleczyński. Wrocław 1951,

Nr. 55.37 Vgl. Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (wie Anm. 3), Nr. 55; Kürbis, Cystersi w kulturze (wie

Anm. 1), 328; 337; Józef Mitkowski, Początki klasztoru cystersów w Sulejowie [Die Anfänge desZisterzienserklosters in Sulejów]. Poznań 1949, 47; Dobosz, Trzynastowieczne falsyfikaty (wieAnm. 31), 231. Über die Existenz von Stiftungsurkunden der Klöster in Wąchock und Koprzyw-nica ist nichts bekannt, Józef Dobosz, Działalność funadcyjna Kazimierza Sprawiedliwego [DieStiftungstätigkeit Kasimirs des Gerechten]. Poznań 1995, 75; 80.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 9: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 379

Während der Beratungen des Generalkapitels kam ihr eine nicht geringe Bedeutung zu,richtete sich doch die Sitzordnung der angereisten Äbte nach dem Alter des von ihnengeleiteten Klosters. Entsprechend gepflegt wurde das Wissen um die Genealogie dereinzelnen Abteien. Dies führte dazu, dass bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts einamtlicher Katalog aller zum Orden gehörender Abteien entstand. Alle existierenden,neu errichteten oder dem Orden angeschlossenen Abteien wurden dort in chronologi-scher Ordnung eingetragen, wobei grundsätzlich das Datum des Einzugs des Konventsin das neue Kloster zugrunde gelegt wurde. Der in Citeaux aufbewahrte und laufendergänzte Katalog, der sogenannte Urkatalog, bildete die Grundlage vieler Abschriften,die für die Bedürfnisse anderer zisterziensischer Abteien angefertigt und dann dort –bereits für deren eigene Bedürfnisse – weitergeführt wurden. Solche Abschriften bilde-ten später mitunter die Grundlage für noch weitere Kopien.38 Die so entstandenenAbschriften und Ergänzungen führten dazu, dass dieselbe Abtei in einem Katalog anmehreren Stellen gleichzeitig vorkommen konnte, jedes Mal unter einem anderenDatum und manchmal auch mit einem verunstalteten Namen. Letzteres wurde dadurchbegünstigt, dass die Abteien sowohl unter ihrem heimischen, ins Lateinische transkri-bierten Namen (Ląd als Linda oder Lenda) als auch unter ihrem offiziellen lateinischenNamen eingetragen wurden (z. B. Mogiła als Clara Tumba). Bei der Benutzung derKataloge ist daher, auch wenn sie an sich als glaubwürdige Quellen anerkannt sind,größte Vorsicht geboten.39

Leider lassen die Ausgaben der Kataloge viel zu wünschen übrig. Von 38 bekanntenExemplaren40 wurden 1904 von Otto Grillnberger lediglich die beiden ältesten vollstän-dig ediert.41 Der erste, der nach dem Namen seines damaligen Besitzers Joseph Phil-lipps mit dem Buchstaben P bezeichnet wurde, ist vor 1215 niedergeschrieben worden;seine letzte Eintragung betrifft das Jahr 1186. Der zweite Katalog, der dem BritishMuseum gehört (und als B bezeichnet wird), endet im Jahre 1190 und entstand in derersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.42 Wie aus den Befunden des Herausgebers hervor-geht, sind sie gleichzeitige, jedoch voneinander unabhängige Abschriften einer inCiteaux entstandenen Quelle, aber nicht des Urkatalogs. Darauf deuten die großen

38 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), XII–XXIII; vgl. auch Jurek, Dokumenty fundacyjne (wieAnm. 3), 32.

39 So auch Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 32.40 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), XVI–XXII.41 Otto Grillnberger, Die Catalogi abbatiarum ordinis Cisterciensis. Nachträge zu Dr. L.

Janauscheks originum Cisterciensium tomus I. I. Die Gruppe B und P. Wien 1904. Ich dankeHerrn Dr. Waldemar Könighaus, der mir eine Fotokopie dieser Publikation zukommen ließ.

42 Grillnberger, Catalogi (wie Anm. 41), 22–30; Janauschek, Origines (wie Anm. 2), XVI–XVII.Dieser von Janauschek als B bezeichnete Katalog besteht aus zwei Teilen. Grillnberger hat nurden älteren Teil veröffentlicht, der mit dem Jahr 1190 endet (der jüngere reicht bis 1234), so dasser ihn als B bezeichnet. Für die Bedürfnisse der vorliegenden Arbeit bespreche ich nur diesenTeil, den ich zur Vereinfachung als B bezeichne.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 10: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

380 Tomasz Ginter

Lücken hin, die u. a. fast alle irischen43 und polnischen sowie zahlreiche spanischeKlöster betreffen.44

Dem Kloster Ląd werden unterschiedliche Eintragungen bzw. Jahresangaben der Ka-taloge zugeordnet. Im Einzelnen handelt es sich um die Jahre 1134, 1145, 1146, 1151,1152, 1174, 1175 und 1183. Tomasz Jurek hat zu Recht festgestellt, dass das erste unddas letzte Datum nur vereinzelt und in späten Katalogen vorkommen,45 während dieübrigen sich zu Paaren mit einem Unterschied von jeweils einem Jahr anordnen. Dabeiberuhen die älteren Daten dieser Paare jeweils auf einem Fehler, der aus einem anderenStil der Berechnung resultiert (aus der Vermischung der Florentiner Variante des Ver-kündigungsstils mit seiner Pisaner Variante); dieser Fehler tritt nur in einer Gruppemiteinander verwandter Kataloge auf und betrifft ausschließlich Daten aus dem12. Jahrhundert.46 Mithin müssen die Angaben um ein Jahr verschoben werden, so dassnur noch drei Jahresdaten zur Betrachtung übrigbleiben: 1146, 1152 und 1175.

In den Katalogen P und B kommt das Kloster Ląd unter dem Datum 1146 nicht vor;aber das hat, berücksichtigt man die Unvollständigkeit dieser Quellen bezüglich derpolnischen Klöster, nicht viel zu bedeuten. Gleichwohl kann die von LeopoldJanauschek vorgenommene Zuschreibung von Ląd zu diesem Jahr wegen des Fehlensvon Editionen der übrigen Kataloge nicht verifiziert werden. Unabhänig davon mussaber mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Fehler im Namen des Klosters ausgegan-gen werden. Denn in den Katalogen P und B (und den anderen von Janauschek zitiertenKatalogen)47 figuriert unter dem Jahr 1146 u. a. das norwegische Kloster Lyse (VII ld.Lul. Abbatia de Lisa Norwagie).48 In anderen Katalogen wurde es unter den NamenLisa, Lyda, Lida oder Linda erwähnt,49 so dass eine Verwechslung mit Ląd (geschriebenals Linda, Linde, Lida oder Luda) durchaus möglich erscheint. In den Katalogen P undB ist die Eintragung von Lyse mit einem Tagesdatum versehen, was – in anderenKatalogen – im Falle der Eintragung von Ląd vor dem Jahr 1146 nie vorkommt. Aberdadurch wird die Hypothese eines Namensirrtums keineswegs entkräftet. In den Kata-logen P und B sind die doppelten Eintragungen einiger Klöster oft nicht mit einem

43 Grillnberger, Catalogi (wie Anm. 41), 26.44 Polnische Historiker haben die zisterziensischen Kataloge bislang nach Janauschek, Origines (wie

Anm. 2) und Franz Winter, Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands, Bd. 1. Gotha 1868benutzt.

45 Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 33.46 Vgl. Janauschek, Origines (wie Anm. 2), XV; Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 33.47 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), 88.48 Grillnberger, Catalogi (wie Anm. 41), 43. Die zitierte Eintragung stammt aus dem Katalog B; im

Katalog P ist sie leicht deformiert: II ld. Iul. Abbatio Lisano Wagie, aber es steht außer Zweifel, dass siedieselbe Abtei betrifft und die Deformation einen offensichtlichen paläografischen Fehler darstellt.

49 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), 88; Winter, Cistercienser (wie Anm. 44), 329f.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 11: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 381

Tagesdatum versehen, manchmal im Falle beider Eintragungen, manchmal nur im Falleiner.50

Der Katalog aus Ebrach enthält eine Eintragung, die als doppelt anerkannt werdenkann. Unter der Nr. 267 lesen wir: Eodem anno [1145.] abbatia de Lisa Norwege velNorwegie. Hec secundum tabulas generationum reponitur longe posterior, videlicit annoMCII. Die von Winter angegebenen Eintragungen aus den Katalogen von Langheimund Manrique lauten entsprechend: 1145 Lida und 1146 VII ld. Julie abb. de LidaNorwegiae.51 Zehn Nummern weiter figuriert unter der Nr. 278 jedoch die Eintragung:Eodem anno abbatia de Linda. Hec etiam anno MCLXXIIII.52 Es ist deutlich erkennbar,dass der Autor des Katalogs von Ebrach ein Problem mit der Unterscheidung dieserKlöster hatte, da er in beiden Eintragungen auch andere mögliche Jahre angab. Interes-santerweise figuriert unter dem Jahr 1152, auf das er sich in der Notiz 267 berief, wederLąd noch Lyse,53 während unter dem in der Notiz 278 erwähnten Jahr 1174 zweifellosLąd steht. Diese Situation war sicher dadurch begründet, dass der Katalog von Ebracheine verhältnismäßig späte, aus dem 15. Jahrhundert stammende Komplilation ist, zuder ausdrücklich mehrere von ihr unabhängige ältere Kataloge verwendet wurden.

Somit scheint es, dass aufgrund der beträchtlichen Ähnlichkeit der Namen von Lyseund Ląd sowie des Vorkommens des Tagesdatums der Stiftung, die Ląd betreffendenEintragungen vor dem Jahr 1146 ausschließlich als Effekt eines paläografischen Fehlersangesehen werden können. Nicht auszuschließen ist auch, dass im Falle einiger spätererKataloge die Eintragung von Ląd vor dem Jahr 1145 unter dem Einfluss der LąderZisterzienser erfolgte, die immerhin über ein vermeintlich ‚authentisches‘ Stiftungs-diplom aus eben diesem Jahre verfügten. Wie auch immer, es bestehen hinreichendeGründe dafür, das Jahr 1145/46 als mögliches Stiftungsdatum der Abtei Ląd auszu-schließen.

Mit einer ähnlichen Situation haben wir es im Falle des Datums 1152 zu tun. Im Ka-talog P findet sich unter diesem Jahr die Notiz XIX kl. Ian. abbatia de Laude, und imKatalog B unter demselben Jahr XVIII kl. Iun. abbatia de Laude (Janauschek zufolgekommt Ląd unter dem Datum 1152 nur im Katalog P vor, was ein evidenter Irrtumdieses Autors ist).54 Zwei Nummern weiter (im Katalog B: eine Nummer weiter) findetsich die Notiz XVIII kl. Ian. (B: Iun.) abbatia de Los. Schon der Herausgeber dieserKataloge bezog beide Eintragungen auf ein und dasselbe Kloster, wenn auch keines-wegs auf Ląd, sondern auf das belgische Loos,55 dessen lateinischer Name Laus S.Mariae lautet. Zweifellos ist in beiden Fällen von ein und derselben Abtei die Rede. Im

50 Grillnberger, Catalogi (wie Anm. 41), Katalog P: 41. VI ld.. Sept. abbatia Runensis – 43. Abbatia deRenna, etc. (Pos. z. B.: 72–200, 81–115; 103–238; 116–160; 114–143; 137–177; 157–347; 168–205).

51 Winter, Cistercienser (wie Anm. 44), 331f.52 Ebd., 332.53 Ebd., 336.54 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), 90.55 Grillnberger, Catalogi (wie Anm. 41), 46; 70.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 12: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

382 Tomasz Ginter

Katalog P kommen derartige doppelte Notizen übrigens noch mehrmals vor, und zwareindeutig im Falle derselben Abteien.56 Darüber hinaus nennen 23 andere vonJanauschek angeführte Kataloge das Tagesdatum des 14. Dezember als Stiftungsdatumder Abtei in Loos.57 Zwar übermitteln sie ein um drei bis vier Jahre früheres Jahresda-tum, aber eine solche Situation kommt, wie sich aus den Zusammenstellungen überandere Klöster ergibt, recht häufig vor, und im übrigen wird die Attribution der Abteidadurch nicht in Frage gestellt.58

Die Eintragung in dem von Winter zitierten Katalog von Ebrach lautet: Eodem anno[1151.] abbatia de Lande in Polonia. Mor. neptis, filia de Bergis. Im Katalog vonLangheim lesen wir: 1151. XIX kal. Ian. abb. de Lande, dioc. Poznaniensis, und imKatalog von Manrique: 1152. XIX. lal. Ianuarii abbatia de Laude.59 Das Datum des14. Dezember bezieht sich zweifellos auf Loos. Darüber hinaus gab Manrique die Formde Laude an, was davon zeugt, dass sich auch seine Erwähnung auf Loos bezieht undnicht auf Ląd.

Die mittelalterlichen Kompilatoren der Kataloge lasen die Form de Laude offen-sichtlich als de Lande (Verwechslungen der Minuskeln u und n sind sogar heute nochverbreitet) und bezogen diese Eintragungen daher auf die Abtei in Ląd. Ähnlich verhieltsich auch Janauschek, obwohl er im Stichwort über das Kloster in Loos, das er u. a. mitWinter auf das Jahr 1149 datierte, diese Gefahr bemerkte.60 Nicht ausgeschlossenwerden kann auch, dass den deutschen Zisterziensern aus den Klöstern in Ebrach undLangheim die eng mit Köln verbundene Abtei Ląd viel besser bekannt war als dasbelgische Loos und dass sie den ungenau gelesenen Namen deshalb dem großpolni-schen Kloster zuordneten. Im Lichte der angeführten Zeugnisse zisterziensischer Kata-loge kann somit festgestellt werden, dass auch das Datum 1152 dem Kloster in Lądaufgrund eines paläografischen Fehlers zugeschrieben wurde.

In den Katalogen P und B begegnen wir den Eintragungen: MCLXXV abbatia in Lin-da (P) und kl. Nov. abbatia Ialinda (B). Die Form Ialinda ist hier ein gewöhnlicherFehler des Kopisten des Katalogs B, der die vom Katalog P korrekt übermittelte ur-sprüngliche Notiz in Linda sowie das in der Vorlage vorhandene, vom Kopisten P aberübergangene Tagesdatum (1. November) schlecht entzifferte. In diesen Katalogenkommt Ląd ausschließlich unter diesem Datum vor, und das ist das einzige Tagesda-tum, das sich auf Ląd bezieht und in den zisterziensischen Katalogen genannt wird. ImKatalog von Ebrach lautet die entsprechende Eintragung: Eodem anno [1174] abbatiain Linda vel Lindia videtur esse Mor. neptis, filia de Bergis, quamquam alibi inveniaturde Lande. Die Notiz im Katalog von Langheim nennt nicht einmal den Namen der

56 Ebd., Pos. u. a.: P 75–82; 86–108; 95–130; 123–124; 104–140; 96–110; 142–144; 169–183–188;201–233; 350–351. Vgl. auch ebd. 2–53.

57 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), 116.58 Ebd., 84 – Riddagshausen (1143, 1144, 1146).59 Winter, Cistercienser (wie Anm. 44), 336.60 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), 116; Winter, Cistercienser (wie Anm. 44), 333.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 13: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 383

Abtei: 1174. fil. Veteris Montis. Die Notiz im Katalog von Manrique dagegen ist prak-tisch identisch mit der Notiz aus B. 1175. kal. Novembris abbatia in Lindia sive deLinda.61 Bemerkenswert ist auch, dass in den siebziger Jahren des 12. Jahrhundertskeine andere Abtei entstand, die einen der unseren ähnlichen Namen trug, so dass alsoauch die Möglichkeit eines solchen Irrtums wie im Falle von Lyse und Loos entfällt.Aus diesen Betrachtungen geht somit klar hervor, dass die zisterziensischen Katalogenur ein glaubwürdiges Datum der Gründung des Klosters in Ląd angeben (genauergesagt: höchstwahrscheinlich des Einzugs des neuen Konvents in das Kloster) und dassdieser Tag der 1. November 1175 ist.

Tomasz Jurek hat das von den zisterziensischen Katalogen überlieferte Jahresdatum1175 seinerseits für den Effekt eines paläografischen Fehlers durch Auslassung zweierBuchstaben X (d. h. einen Fehler in der Aufzeichnung des Jahresdatums von 1195)gehalten und in der Konsequenz dessen Glaubwürdigkeit völlig negiert. Dem ist entge-genzuhalten, dass Ląd erstens in keinem zisterziensischen Katalog nach 1175 begegnet(die einzige Ausnahme bildet ein später und unglaubwürdiger Katalog vom Ende des15. Jahrhunderts, der das Jahr 1183 nennt),62 was in der von Jurek suggerierten Situa-tion doch zu erwarten wäre. Deshalb kann nicht so leicht von einem einfachen Fehler inGestalt der Auslassung zweier X in der Jahresnotiz ausgegangen werden. Der Katalog Preicht nicht über das Jahr 1186 hinaus und auch B nicht über 1190, so dass der sugge-rierte Fehler einfach unmöglich erscheint. Damit wird auch Wyrwas Vorschlag ent-kräftet, das Kloster sei in den Jahren 1186 bis 1195 gestiftet worden.63 Die Ablehnungdes Zeugnisses der zisterziensischen Kataloge ist übrigens nicht die einzige Schwach-stelle in Wyrwas Konstruktion. So deutet er auch die Ląd betreffenden Erwähnungen inden Beschlüssen des zisterziensischen Generalkapitels dahingehend, dass diese einenzeitweiligen Zusammenbruch der Ląder Stiftung, ja deren vorübergehende Liquidierungbezeugen würden. Tatsächlich finden wir zum Jahr 1191 den Eintrag: Abbatia de Lindarevertatur ad matrem suam Lugana et de duabus fiat una et sit unum ovile et unuspastor und zum Jahr 1193: Duci Polonie rescribatur quod petitio sua de non destruendoabbatia de landes conceditur ei.64 Die Zuschreibung sowohl der Abteien (Linda/Landes– Ląd und Lugana – Łekno) als auch der Person des polnischen Herzogs (Mieszkos III.)hat niemals Zweifel geweckt.65 Davon dass diese Notizen einen vorübergehendenNiedergang oder gar eine zeitweilige Liquidierung der Stiftung Ląd bezeugen,66 kannkeine Rede sein. Die Formen revertatur, fiat, sit, non destruenda verweisen auf einPostulat und auf die Zukunft, keinesfalls aber auf eine bereits durchgeführte Aktion.

61 Winter, Cistercienser (wie Anm. 44), 342.62 Janauschek, Origines (wie Anm. 2), XVIII, 90.63 Wyrwa, Procesy fundacyjne (wie Anm. 5), 83–98.64 Statuta capitulorum generalium Ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786. Ed. Josephus

M. Canivez, Bd. 1. Louvain 1933, 137; 168.65 Wyrwa, Procesy fundacyjne (wie Anm. 5), 94; 99; Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 11.66 Vgl. z. B. Jurek, Dokumenty fundacyjne (wie Anm. 3), 27.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 14: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

384 Tomasz Ginter

Aus den zitierten Texten folgt eher, dass die Abtei in Ląd vor der drohenden Liquidie-rung bewahrt wurde, so dass sie all die Jahre hindurch ohne Unterbrechung funktio-nierte.

Wyrwas zweite Prämisse gründet auf der These, man könne aus den Vergaben imFalsifikat des Stiftungsdokuments des Klosters seine ursprüngliche Ausstattung ablei-ten, die es vollständig von Mieszko erhalten habe.67 Wyrwa geht davon aus, dass dieReihenfolge der Dörfer in der Urkunde die relative Chronologie ihrer Übergabe an dasKloster widerspiegelt. Eine solche Annahme ist tatsächlich wahrscheinlich, allerdingsim Lichte unserer Kenntnisse über die Stiftungsurkunden leider unmöglich zu verifizie-ren, weil kaum mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden kann, dass die Verga-ben von Mieszko III. selber stammen. Die dem Kloster geschenkten Dörfer sind in dervermeintlichen Stiftungsurkunde in zwei Gruppen aufgeschlüsselt: eine erste, zu derKościół (Lądek), Dolany, Morsko, Kłobia und Choceń gehören und die mit einer Listeder auf den Bewohnern dieser Dörfer lastenden Schuldigkeiten gegenüber dem Klosterendet. Die drei ersten Dörfer befinden sich in unmittelbarer Umgebung von Ląd68

(Kościół und Dolany liegen nur 3,5 km vom Kloster entfernt, nur das heute nicht mehrexistierende Morsko war weiter entfernt), die beiden darauffolgenden dagegen inKujawien. Die Vergabe eben dieser kujawischen Dörfer datierte Wyrwa auf die Zeitnach 1186, als Mieszko III. Kujawien seinem Teilfürstentum einverleibte.69 AberMieszko war höchstwahrscheinlich auch bereits in den Jahren 1173 bis 1177 im Besitzvon Kujawien als einer vom ‚Senioratsgebiet‘ nicht abgesonderten Region, so dass erproblemlos alle fünf erwähnten Dörfer gleichzeitig vergeben konnte.

Im Lichte der vorstehenden Betrachtungen kann das Datum des 1. November 1175als Zeitpunkt der Stiftung des Klosters, genauer gesagt: des Einzugs des Konvents indas Kloster als bewiesen anerkannt werden. Es ist das einzige der in den zisterziensi-schen Katalogen überlieferten Daten, das ausschließlich auf Ląd bezogen werden kann.Für dieses Datum sprechen indirekt auch die von Władysław Semkowicz entdecktenJędrzejower Urkunden Mieszkos des Alten und Kasimirs des Gerechten (1166–1168).70

Von den kirchlichen Würdenträgern, die diese Urkunden bezeugt haben, wurden nachdem Erzbischof und dem Krakauer Bischof auch die Äbte der Klöster in Łekno, Tyniecund Łysa Góra erwähnt. Anlässlich der feierlichen Einweihung der Kirche der Zisterzi-enserabtei Jędrzejów versammelten sich dort also die höchsten kirchlichen Hierarchendes Landes und die Vorsteher der ältesten Klöster. Während das Fehlen des LeubuserAbtes darauf zurückgeführt werden könnte, dass sich dieses Kloster damals noch imAufbau befand, lässt sich die Abwesenheit des Abtes eines von Mieszko III., der wich-

67 Wyrwa, Procesy fundacyjne (wie Anm. 5), 91f.68 Ebd., 118.69 Ebd., 91f.70 Władysław Semkowicz, Nieznane nadania na rzecz opactwa jędrzejowskiego z XII w. [Unbe-

kannte Vergaben zugunsten der Jędrzejower Abtei aus dem 12. Jahrhundert], in: Kwart. Hist. 24,1910, 66–97.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 15: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 385

tigsten weltlichen Person auf dieser Zusammenkunft, gestifteten Klosters, zumal auchder Abt von Łekno gekommen war, nur dadurch erklären, dass Ląd damals einfach nochnicht existiert hat. Doch selbst wenn auch andere Gründe für diese Abwesenheit vor-stellbar sind (wie Tod oder Erkrankung des Abtes), könnte dieses Argument höchstensals ein unterstützendes, aber keinesfalls als ein entscheidendes angesehen werden. Alsein weiteres unterstützendes Argument kann eine Urkunde dienen, die angeblich imJahre 1174 von Mieszko III. dem Alten ausgestellt wurde, der das Kloster mit Salz vonWieliczka ausstattete.71 Sie ist zwar eine Fälschung aus dem ausgehenden13. Jahrhundert, aber die Information über die Salzvergabe durch Mieszko III. selbstträgt authentische Züge.72 Eine solche Vergabe konnte der Herzog aber nur als Herr vonKrakau tätigen, in dessen Besitz er allerdings mehrmals war, so dass keine Garantiebesteht, dass sich die fragliche Vergabe gerade auf die Jahre 1173 bis 1177 bezieht, sodass die Urkunde für die Diskussion über die Anfänge des Klosters nur mit Einschrän-kung herangezogen werden kann.

Die Daten der übrigen angeblich von Mieszko dem Alten für das Kloster Ląd ausge-stellten Falsifikate reichen ebenfalls nicht über das Jahr 1173 hinaus zurück.73 WieZofia Kozłowska-Budkowa festgestellt hat, handelt es sich hier zweifellos um aus derzweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammende Fälschungen, von denen jedoch zweiauthentische Elemente bewahrt haben können – etwa die Datierung oder den Gegen-stand der Vergabe selbst.74 Daher stellt sich die Frage, ob die Ląder Mönche, selbstwenn sie skrupellos falsche herzogliche Vergaben produzierten, nicht vielleicht docheine richtige Tradition vom tatsächlichen Zeitpunkt der Errichtung des Klosters bewahrthaben können. Dem würde nicht einmal das Falsifikat mit dem Datum 1145 widerspre-chen, das in dieser Aufstellung ein völlig vereinzeltes Zeugnis darstellt, was zusätzlichdurch das Fehlen von Falsifikaten aus den (angeblichen) Jahren 1146 bis 1172 unter-strichen wird. Das Datum 1173 würde hier somit auf den wirklichen Beginn des Stif-tungsprozesses verweisen, dessen Krönung der Einzug der Zisterzienser in das neueKloster Ende des Jahres 1175 bildete.

Zur politischen Motivation der Stiftung des Klosters Ląd

Die zeitliche Übereinstimmung der Stiftung des Klosters in Ląd in den Jahren 1173 bis1175 mit der Erlangung des Senioratsthrons durch Mieszko III. verweist auf den engenZusammenhang beider Ereignisse. Angesichts bestehender polnischer und ausländi-

71 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski, Bd. 6. Ed. Gąsiorowski / Kowalewicz (wie Anm. 20), Nr. 1.72 Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (wie Anm. 3), Nr. 73.73 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski, Bd. 1. Ed. Zakrzewski (wie Anm. 12), Nr. 20 (das Jahr

1173), Nr. 26 (1181), Nr. 27 (1186), Nr. 28 (1188).74 Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (wie Anm. 3), Nr. 71; Nr. 117.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 16: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

386 Tomasz Ginter

scher Analogien liegt daher die Annahme nahe, dass die Abtei Ląd den Charakter einerInaugurationsstiftung trug, die dem neuen Senior eine glückliche Herrschaft und GottesSegen sichern sollte. Gestützt wird diese Interpretation zusätzlich durch die Person desKlosterpatrons – den hl. Nikolaus, der im 12. Jahrhundert keineswegs nur mit Kaufleu-ten, sondern auch mit der Herrschaftssphäre assoziiert und als ‚Beschützter der Könige‘angesehen wurde.

Die verfügbaren Quellen erlauben keine eindeutige Aussage darüber, ob Mieszko III.der erste Piastenherrscher war, der dem Beginn seiner Senioratsherrschaft auf dieseWeise Glanz zu verleihen suchte. Über die Stiftungstätigkeit seiner Vorgänger in ihrerEigenschaft als Seniorherzöge wissen wir nur sehr wenig.75 Von den Stiftungen frühererPiastenherrscher können die Tyniecer und Lubińer Stiftungen Bolesławs II. des Kühnenmit einer gewissen Vorsicht als solche anerkannt werden.76 Vielleicht hat sich Mies-zko III. von der Leubuser Stiftung Bolesławs des Langen inspirieren lassen. Doch kanndies auch von einem etwas anderen Gesichtspunkt aus betrachtet werden. SławomirGawlas hat gestützt auf die Chronica Polonorum des Magisters Vincentius die ersteSenioratsherrschaft Mieszkos III. als eine bewusste, stimmige Politik gedeutet, die eineradikale Umgestaltung der Grundlagen herzoglicher Herrschaft zum Ziel gehabt habe.Gawlas zufolge sei Mieszko einer der ersten piastischen Herrscher gewesen, der auf dieseiner Epoche eigenen Ideen und Machtinstrumente, vor allem aber auf das im Reichausgearbeitete Modell der Territorialherrschaft zurückgegriffen habe.77 Die ChronicaPolonorum liefere zwar keinerlei Hinweise auf das Datum des Beginns der von Magi-ster Vincentius so heftig kritisierten ‚Revolution‘ Mieszkos, doch sei anzunehmen, dassdies aufgrund der verhältnismäßig schnellen und effektiven Reaktion der KrakauerOpposition praktisch sofort nach seiner Besteigung des großherzoglichen Throns ge-

75 Józef Dobosz, Monarcha i możni wobec Kościoła w Polsce do początku XIII wieku [Der Monarchund die Großen und die Kirche in Polen bis zu Beginn des 13. Jahrhunderts]. Poznań 2002, 340–344. Im Falle von Bolesław Kraushaar kann nur von einer – und dann auch nur hypothetischen –selbständigen Stiftung gesprochen werden, nämlich von der Präpositur in Jeżów, vgl. MarekDerwich, Monastycyzm benedyktyński w średniowiecznej Europie i Polsce. Wybrane problemy[Der benediktinische Monastizismus im mittelalterlichen Europa und Polen. Ausgewählte Prob-leme].Wrocław 1998, 196f.

76 Roman Michałowski, Princeps fundator. Monarchische Stiftungen und politische Kultur impiastischen Polen (10.–13. Jahrhundert), in diesem Band 37–108, hier 86f.; Marek Derwich, Fun-dacja lubińska na tle rozwoju monastycyzmu w Polsce (XI–XII wiek) [Die Lubińer Stiftung vordem Hintergrund der Entwicklung des Klosterwesens in Polen (11.–12. Jahrhundert)], in: ZofiaKurnatowska (Hrsg.), Opactwo Benedyktynów w Lubiniu. Pierwsze wieki istnienia. Poznań1996, 12–23, hier 14f.

77 Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego Królestwa. Niemieckie władztwo terytorialne ageneza społeczno-ustrojowej odrębności Polski [Um die Gestalt des vereinigten Königreiches.Die deutsche Territorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsmäßigen EigenheitPolens]. Warszawa 2000, 81.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 17: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

78 Roman Michałowski, Klasztor prywatny w Niemczech IX–XII w. jako fakt religijny i społeczny.Wybrane zagadnienia [Das Privatkloster in Deutschland im 9.–12. Jahrhundert als religiöse undsoziale Realität. Ausgewählte Fragen], in: Jerzy Strzelczyk (Hrsg.), Niemcy – Polska w średnio-wieczu. Materiały z konferencji naukowej zorganizowanej przez Instytut Historii UAM w dniach14–16 XI 1983 roku. Poznań 1986, 47–66, hier 48.

79 Michałowski, Princeps fundator (wie Anm. 76), 36.

Das Zisterzienserkloster Ląd 387

schehen sein muss. In dieser Situation gewinnen sowohl die Tatsache der Stiftung desKlosters Ląd selbst als auch die Wahl seines Patrons neue Bedeutung.

Mieszko war sich gewiss darüber im Klaren, dass die neue Ordnung, die er einführenwollte, nicht auf allgemeine Akzeptanz stoßen würde, besonders nicht bei den Großen.Er wusste auch, dass er für ein solches Werk den Segen übernatürlicher Mächte brauch-te, den er sich am besten mit Hilfe eines großzügigen Geschenks sichern konnte. Bereitsdie Stiftung des Klosters selbst stellte eine außergewöhnliche78 und dem Stifter das Heilgarantierende Schenkung dar. Mit Sicherheit spielte in diesem konkreten Fall auch dieTatsache eine gewisse Rolle, dass er dieses Kloster den Zisterziensern stiftete, einemOrden, der sich ganz offensichtlich der göttlichen Gnade erfreute. Zusätzlich wählte derHerzog einen Heiligen zum Patron dieser Abtei, der in Europa als Fürsprecher undBeschützer der Herrschenden große Verehrung genoss. Und wenn der Herrscher dasKloster gleich zu Beginn seiner Senioratsherrschaft stiftete, dann konnte er auch erwar-ten, dass die auf diese Weise erwirkte göttliche Gnade seine gesamte Regierungszeitüberstrahlen und ihm und dem Land Wohlergehen sichern würde.79

Karte 1: Der Siedlungskomplex umdas Kloster Ląd im Frühmittelalter

Policko

Gnesen, S

lupca

DolanyKonin

Zagorów

Posen

Kalisch

Czarna Struga

Warthe

Burg

Lad,Kloster

+

Ladek (Kosciol), ´

0 3 km

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 18: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Die Stiftungstätigkeit Mieszkos III. im Kontextseiner Reformpolitik

Für eine über sechzigjährige, selbständige Herrschaft, wie sie Mieszko III. vergönntwar, ist die Zahl der ihm sicher zuschreibbaren selbständigen Stiftungen relativ gering.Eigentlich wissen wir nur von dreien: Neben dem Zisterzienserkloster in Ląd handelt essich dabei um das Kollegiatstift in Kalisch und das Michael-Spital in Posen. Die Re-konstruktion eines geschlossenen ‚Stiftungsprogramms‘, das Mieszko systematischverfolgt hätte, erscheint vor diesem Hintergrund kaum möglich, auch weil zwischen denStiftungen ein verhältnismäßig großer zeitlicher Abstand bestand und sie unter ganzunterschiedlichen politischen Umständen erfolgten. Zudem können die von den Histori-kern für die einzelnen Stiftungen rekonstruierten Umstände und Ursachen bestenfalls

388 Tomasz Ginter

Karte 2: Verkehrswege in Polen um 1200

0 100 km

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 19: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 389

als Hypothesen und keinesfalls als feststehende Tatsachen angesehen werden. Dieweniger als bescheiden dokumentierte Stiftungstätigkeit Mieszkos III. versetzt uns ineine ziemlich peinliche Lage, haben wir es doch mit einer Persönlichkeit zu tun, anderen herausragender Bedeutung für die politische Geschichte Polens im12. Jahrhundert nicht der geringste Zweifel besteht. Im Wissen um die große Rolle, diekirchliche Stiftungen im mittelalterlichen politischen Instrumentarium gespielt haben,wäre bei einem solchen Herrscher eigentlich eine viel größere Aktivität auf diesemGebiet zu erwarten gewesen. Kann man also davon ausgehen, dass es in Wirklichkeitviel mehr selbständige Stiftungen Mieszkos III. gegeben hat, aber die erhaltenen Quel-len aus verschiedenen Gründen nur zu den drei wichtigsten von ihnen Nachrichtenüberliefert haben?

Vor einer raschen Bejahung dieser Frage warnt ein Blick auf die analoge Tätigkeitanderer piastischer Dynasten zur Zeit Mieszkos. Bolesław IV. Kraushaar kann – unddas auch nur mit Mühe – lediglich eine, noch dazu recht bescheidene Stiftung zuge-schrieben werden: die der Benediktinerpräpositur in Jeżów.80 Auch Kasimir der Ge-rechte, Mieszkos III. Konkurrent, konnte sich nur einer einzigen selbständigen Stiftungrühmen: des Klosters in Sulejów.81 Dem aktuellen Wissensstand nach war auch Bo-lesław der Lange allein für die Stiftung des Klosters in Leubus verantwortlich (wobeiwir auch hier nicht wissen, ob er dazu nicht etwa eine früher existierende Benediktiner-niederlassung genutzt hat)82 sowie für die Stiftung der Zentralkapelle auf der BreslauerBurg.83 Dagegen muss Heinrich von Sandomir als Stifter zweier Kanonikergemein-schaften (Opatów und Wiślica) sowie einer Johanniterniederlassung in Zagość eher alsAusnahme angesehen werden.84 Es zeigt sich mithin, dass die Stiftungsaktivität Miesz-kos III. von den analogen Aktivitäten anderer Piasten seiner Zeit nicht besonders ab-

80 Derwich, Monastycyzm benedyktyński (wie Anm. 75), 196. Magdalena Biniaś-Szkopek, Bo-lesław IV Kędzierzawy – książe Mazowsza i princeps [Bolesław IV. Kraushaar – Herzog vonMasowien und Senior]. Poznań 2009, 206, 210f. zieht sowohl diesen als auch andere Versuche inZweifel, Bolesław Kraushaar selbständige kirchliche Stiftungen zuzuschreiben. Als belegt erach-tet sie allein die Schenkungstätigkeit dieses Herzogs.

81 Józef Dobosz, Działalność fundacyjna Kazimierza Sprawiedliwego [Die StiftungstätigkeitKasimir des Gerechten]. Poznań 1995 sieht die übrigen von ihm beschriebenen Stiftungen Kasi-mirs (d. h. alle außer Sulejów) entweder als unselbständige Stiftungen an, die zusammen mit demBischof getätigt wurden, oder als Stiftungen von Kanonikerämtern in einem schon früher funktio-nierenden Kollegiatstift.

82 Waldemar Könighaus, Die Zisterzienserabtei Leubus in Schlesien von ihrer Gründung bis zumEnde des 15. Jahrhunderts. Wiesbaden 2004, 15–23.

83 Edmund Małachowicz, Wrocławski zamek książęcy i kolegiata św. Krzyża na Ostrowie [DasBreslauer Herzogsschloss und das Kollegiatstift zum Heiligen Kreuz auf der Dominsel]. Wrocław1994, 31–35; Halina Manikowska, Princeps fundator im vorrechtsstädtischen Breslau. Von PiotrWłostowic zu Heinrich dem Bärtigen, in diesem Band 281–305, hier 295f.

84 Dobosz, Działalność fundacyjna (wie Anm. 81), 84; 101; Maria Starnawska, Między Jerozolimąa Łukowem. Zakony krzyżowe na ziemiach polskich w średniowieczu [Zwischen Jerusalem undŁukowo. Kreuzritterorden in den polnischen Ländern im Mittelalter]. Warszawa 1999, 26.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 20: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

390 Tomasz Ginter

wich. Die Zahl der von piastischen Herrschern getätigten neuen Stiftungen war alsovergleichbar und verhältnismäßig gering.85 Selbstverständlich ist zu berücksichtigen,dass wahrscheinlich nicht zu allen ihren Stiftungen Nachrichten auf uns gekommensind, mithin von einer gewissen ‚Dunkelziffer‘ auszugehen ist. Auch dies veranlasstdazu, hinsichtlich der Rekonstruktion eines ‚Stiftungsprogramms‘ des betreffendenHerrschers mit größter Vorsicht vorzugehen.

Die qualitative Veränderung, die die Erlangung der Senioratsherrschaft durch Mies-zko den Alten darstellte, bildet die Hauptzäsur im politischen Wirken dieses Herzogs.Es kann davon ausgegangen werden, dass sie auch eine Zäsur in seiner Stiftungstätig-keit darstellte. Ein weiterer wesentlicher Umstand war die Tatsache, dass sich Mieszkowährend seiner teilfürstlichen Herrschaftszeit durchaus darüber im Klaren gewesen seinmuss, dass seine Chancen, den Senioratsthron zu besteigen, gering waren. Nicht vieljünger als Bolesław Kraushaar, konnte er nicht erwarten, dass sein Bruder „im reifen,nicht im fortgeschrittenen Alter“ sterben würde.86 Diese Feststellung legt den Schlussnahe, dass die politische Tätigkeit Mieszkos bis Januar 1173 eher auf die innere Konso-lidierung seines teilfürstlichen Herrschaftsgebietes beschränkt gewesen sein muss,besonders da dieses – vor allem zu Beginn – kein geschlossenes Ganzes gebildet hat.

Das Teilfürstentum, das Mieszko 1138 nach dem Tod Bolesław III. Schiefmundserhalten hatte, entsprach höchstwahrscheinlich dem Umfang der Diözese Posen, kannalso als ein einigermaßen einheitliches Ganzes angesehen werden. Im Jahre 1146 wurdees mindestens um die Kastellanei Kalisch erweitert. Damit wurden Maßnahmen zueiner engeren Integration dieses Gebietes in das westliche Großpolen erforderlich undes mag dieser Zusammenhang gewesen sein, in dem es in der Kalischer Burg zur Stif-tung des Kollegiatstifts St. Paul gekommen ist. Kanonikergemeinschaften stelltenschließlich ein wichtiges Element im Verwaltungssystem des frühmittelalterlichenStaates dar. Der Kanonikercharakter der Kalischer Stiftung bedeutete auch eine reicheUmrahmung des Gottesdienstes, wodurch das Prestige Mieszkos als Herrscher nochzusätzlich gehoben wurde, denn die prunkvollen Offizien der Kanoniker wurden ja aufdem Gelände des herzoglichen Sitzes zelebriert. Die ganze Investition erhöhte auf dieseWeise den Rang der Burg Kalisch innerhalb von Mieszkos Herrschaftsgebiet. In diesemZusammenhang verdienen die etwa zur gleichen Zeit vom Sandomirer TeilfürstenHeinrich gestifteten Kanonikergruppen in Wiślica und Opatów besondere Aufmerk-samkeit. Interessant ist hier der Umstand, dass die rechtliche Situation Heinrichs sicherderjenigen Mieszkos vor 1173 entsprach. Beide waren Statthalterr eines großen Her-

85 Bewusst übergehe ich hier die Stiftungstätigkeit von Bolesław Schiefmund, der als Alleinherr-scher viel größere Möglichkeiten hatte und hinsichtlich seiner Stiftungstätigkeit gewiss auch an-dere politische Ziele. Eine Übersicht über diese bietet Dobosz, Monarcha i możni (wie Anm. 75),171–249 und Ders., Herzogliche und adlige Stiftungstätigkeit im Polen des 12. Jahrhunderts, indiesem Band 201–267.

86 Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum. Ed. Marian Plezia, in: MPH NS, Bd. 11.Kraków 1994, III, 30.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 21: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 391

zogtums, beide hatten nur geringe Chancen, den großherzoglichen Thron zu besteigen(wobei Heinrichs Chancen aufgrund des Altersunterschieds diejenigen Mieszkos sogarübertrafen), und beide konnten dank der Gunst Bolesławs IV. Kraushaar im Jahre 1146ihre ursprünglichen Anteile vergrößern.87 Daher ist nicht auszuschliessen, dass dieseinerzeitige Stiftungstätigkeit beider Brüder ähnliche Grundlagen hatte. Diese An-nahme findet eine zusätzliche Bestätigung in der Tatsache, dass Heinrich die Kollegiat-stifte vor allem in den nach Sandomir wichtigsten Burgsiedlungen seines Teilfürsten-tums stiftete, wobei eine von ihnen (Wiślica) für ihn – so wie für Mieszko Kalisch – ausdem ‚Senioratsherzogtum‘ ausgegliedert wurde.88 Somit würde hier ein Element jenesbreiteren Prozesses fassbar, der zur Konsolidierung der Territorialherrschaft bzw. zurIntegration einer Peripherie eines Teilfürstentums mit dessen ‚Zentrum‘ führte.

Vielleicht haben wir es hier auch mit noch einem weiteren Mechanismus zu tun, auchwenn sofort angemerkt werden muss, dass die folgende Konstruktion angesichts derUnsicherheit der Prämissen nur ein unverbindlicher Forschungsvorschlag bleiben muss.Die Kastellaneien Kalisch und Wiślica waren nämlich für die Teilfürstentümer beiderBrüder Grenzgebiete. Als solche wiesen sie eine ähnliche Lage auf, wie die im Rahmendes piastischen Gesamtstaates als ‚Grenzmarken‘ anerkannten Kastellaneien Danzigund Glogau, in denen ebenfalls – wahrscheinlich schon von Bolesław III. Schiefmundgestiftete – Kollegiatstifte entstanden waren.89 Wir mögen es daher im Falle von Wiśli-ca und Kalisch mit demselben Mechanismus zu tun haben wie in Glogau und Danzig,nur eben im Maßstab eines Teilfürstentums. Eine Schwäche dieser Hypothese liegtallerdings darin, dass die Zuschreibung der Stiftung des Glogauer und insbesondere desDanziger Kollegiatstiftes zu Bolesław Schiefmund aus Mangel an Quellen lediglicheine unbewiesene Hypothese darstellt und auch der Markencharakter der beiden Kastel-laneinen nicht von allen Historikern akzeptiert wird.90

Den Bemühungen um die Errichtung einer souveränen Territorialherrschaft kann,wie es scheint, auch eine weitere Stiftung Mieszkos III. zugeordnet werden, nämlich diedes Posener Spitals St. Michael, die unter Beteiligung des Ortsbischofs Radwan er-folgte, der nota bene ein früherer herzoglicher Kanzler war. Die Stiftung des höchst-wahrscheinlich ersten Spitals auf polnischem Boden tätigte Mieszko in der Hauptstadtseines Herrschaftsgebietes, wohl um deren Prestige zu heben. Möglicherweise sollte

87 Die Tatsache, dass Heinrich seine Herrschaft höchstwahrscheinlich schon über das vergrößerteTeilfürstentum ausgeübt hat, hat hier wohl keine größere Bedeutung, weil ihm sein ursprünglicherAnteil noch von seinem Vater zugeteilt worden war.

88 Agnieżka Teterycz, Rządy księcia Henryka, syna Bolesława Krzywoustego w ziemi sandomiers-kiej [Die Herrschaft Herzog Heinrichs, des Sohnes Bolesław Schiefmunds im Sandomirer Land],in: Błażej Śliwiński (Hrsg.), Mazowsze, Pomorze, Prusy. Gdańsk 2000, 245–269, hier 249.

89 Tadeusz Lalik, Marchie w Polsce w XII wieku [Grenzmarken in Polen im 12. Jahrhundert], in:Kwart. Hist. 73, 1966, 817–830.

90 Vgl. Tomasz Jurek, Kto i kiedy fundował kolegiatę głogowską, in: Sobótka 49, 1994, 1f.; 21–35,hier 33, der jedoch keinerlei Argumente anführt, die Laliks Vorschlag in Frage stellen könnten.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 22: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

392 Tomasz Ginter

Posen auf diese Weise den wichtigen Städten des Kaiserreiches angeglichen werden, indenen zu diesem Zeitpunkt bereits nachweislich Spitäler als ein integraler Bestandteilder frühmittelalterlichen Stadt funktionierten. Nicht auszuschließen ist auch die Ab-sicht, Posen zu einem würdigen Herzogssitz für Mieszko zu machen, nachdem dieserdurch die Verheiratung seiner Tochter Wierzchosława mit Friedrich von Lothringen,dem Sohn der leiblichen Schwester des Kaisers, selbst ein Mitglied der kaiserlichenFamilie geworden war. Außerdem muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass erdie Handelsbewegungen intensivieren wollte, weil dieses Spital an der vom Reich in dieRus’ führenden Transithandelsstraße angesiedelt wurde. Wie die wenig später vonMieszko bereits als Senior betriebene Innenpolitik zeigt, war dieser Herzog mit dem imReich inzwischen ausgebildeten Modell unabhängiger Territorialherrschaften vertrautund verstand es auch, dieses Modell anzuwenden.91 Daher ist nicht auszuschliessen,dass einige seiner Elemente bereits in der Zeit von Mieszkos teilfürstlicher Herrschaftverwirklicht worden sind. Ein von den deutschen Feudalherren hauptsächlich zu fiskali-schen Zwecken angewandtes wesentliches Mittel war die Gründung neuer Städte,92 sodass nicht auszuschließen ist, das wir es im Falle von Posen mit einer solchen, deneigenen Bedürfnissen und vor allem den polnischen Bedingungen angepassten Lösungzu tun haben. Außer den sich ergänzenden religiösen Elementen – wie die Vorsorge füreine entsprechend prächtige liturgische Umrahmung des Gottesdienstes und die evan-geliengemäße Sorge um die pauperes – ging es dem Herrscher sicher um Aktivitäten,die sowohl eine effektivere Verwaltung als auch einen ökonomischen Ausbau derHauptstadt zum Ziel hatten. Beide Funktionen können daher als Zeugnis einer vonMieszko III. unternommenen inneren Umgestaltung des Herzogtums angesehen wer-den, mit der er die Schaffung einer völlig unabhängigen Territorialherrschaft anstrebte.Allerdings ist Zurückhaltung geboten, wenn es um eine Bestimmung des Ortes und derRolle geht, die in diesem Prozess seinen Stiftungen zugekommen ist.

Die Erlangung der Senioratsherrschaft hatte zweifellos Einfluss auf den Charakterder von Mieszko III. nach 1173 unternommenen Stiftungstätigkeit. Die Instrumente zurErrichtung einer selbständigen Territorialherrschaft, die er als Herzog seines Teilfürs-tentums in vollem Umfang genutzt hatte, sollten ihm jetzt, angewandt in einem völligneuen Maßstab und in einem größeren Repertoir, zur gründlichen Umgestaltung derGrundlagen der Zentralgewalt dienen. Daher konnte die Stiftung eines dem hl. Nikolausgewidmeten Zisterzienserklosters ebenfalls einen Teil dieser Aktivitäten bilden. DieReform des Staates erhielt hier ihr kirchliches Äquivalent in Gestalt der Ansiedlung vonVertretern eines reformatorischen Ordens fast im Zentrum des Landes. Die Gründungeines dem ‚Beschützer der Könige‘ gewidmeten Klosters fast ganz zu Beginn seinerSenioratsherrschaft sollte dem Stifter seine ganze Regierungszeit hindurch die besonde-re Fürsorge und Hilfe dieses Heiligen sichern; sie stellte eine Bitte des neuen Seniors

91 Vgl. Gawlas, O kształt (wie Anm. 77), 79–81.92 Ebd., 26.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Page 23: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

Das Zisterzienserkloster Ląd 393

um göttliche Sanktionierung der neuen Ordnung dar und sollte auch seine Untertanendavon überzeugen, dass der Himmel die Werke des neuen Senior-Herzogs unterstützenwürde. Auf den Schwung, mit dem Mieszko seine Senioratsherrschaft antrat, verweisenauch seine Münzstempel, die in den Jahren 1173 bis 1177 ausnahmslos den Herzog inder Majestät darstellten, sowie die bisher beispiellose Titulierung. Welche enormeVeränderung dies für seine Untertanen bedeutete, davon kann der Nachdruck zeugen,mit dem Magister Vincentius die Krakauer Regierungszeit Mieszkos beschrieben hat.Wenn sich die vier Jahre seiner Senioratsherrschaft so stark ins Gedächtnis des Chronis-ten eingeprägt haben, dann müssen sie sich wohl tatsächlich grundsätzlich unterschie-den haben von der vorherigen, aber auch von der darauffolgenden Regierungszeit.

Der Gedanke, die Anfänge seiner Senioratsherrschaft mit einer frommen Stiftung zuverherrlichen, war Mieszko sicherlich nicht fremd. Neben Beispielen anderer Herrscherkann davon auch die Schenkung zeugen, die Mieszko als Seniorelekt während derRatsversammlung in Jędrzejów tätigte. Ihr Gegenstand (u. a. ein Teil der Regalien wiedie Krakauer Saline) verwies eindeutig auf den Rang des Donators, der sich durch eingroßzügiges Geschenk sowohl die Gunst des hl. Adalbert, des Patrons des so reichbeschenkten Klosters, als auch des gesamten Staates sichern wollte – was in diesemMoment viel wichtiger war. Die späteren angestrengten Bemühungen Mieszkos umWiedererlangung des Krakauer Thrones konzentrierten sich nicht auf kirchliche Stif-tungen, sondern vor allem auf andere Aktivitäten, was u. a. auf den Stempeln der vonMieszko nach 1181 emittierten Münzen zum Ausdruck kam. Dass er den Ritterordender Johanniter in das seit 17 Jahren existierende Spital in Posen holte, darf jedoch nichtso verstanden werden, dass der großpolnische Herzog nun seinen Ehrgeiz auf dieGrenzen seines Teilfürstentums beschränkt hätte. Denn bereits drei Jahre später unter-nahm er einen (allerdings gescheiterten) Versuch, Krakau zurückzuerobern. Angesichtsdes Kreuzzugscharakter der Johanniter mag deren Ansiedlung in Posen auch eineManifestation gegenüber den übrigen piastischen Dynasten gewesen sein, die ihnenzeigen sollte, dass Mieszko als dem vollberechtigten Seniorherzog (der die faktischeOberhoheit Kasimirs II. bis 1190 nicht anerkannte) die Idee der Christianisierung derheidnischen Pruzzen am Herzen lag – eine Idee, die bis dahin allerdings von praktischallen Herrschern des Landes aufgegriffen worden war. Allerdings kann auch nichtausgeschlossen werden, dass der entscheidende Impuls zur Errichtung des PosenerJohanniterkonvents nicht auch von diesem Orden selbst ausgegangen ist, der sichdamals um neue Niederlassungen in den östlichen Randgebieten Europas bemühte.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/9/14 3:17 PM