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FEBRUAR 2016
MORATORIUM FÜR EINZONUNGEN | RPG IN DER PRAXIS | UFERWEGE | BRÜNNENGUT-PARKANLAGE
VLP-ASPAN | Februar 20162
EDITORIAL
Informationin neuem Gewand
Die Welt ist farbig, die Planung arbeitet mit Farbe, und jetzt erscheinen auch unse-
re Publikationen INFORAUM und RAUM & UMWELT in Farbe. Farbe in Bildern und
Plänen sowie klare Hinweise auf Informationsquellen erleichtern den Zugang zu kom-
plexen Rechts- und Planungsfragen. Die Anschaulichkeit erhöht hoffentlich auch das
Verständnis dafür, wie das Recht und die Planung unseren Raum Schweiz gestalten.
Inhaltlich ändert sich an den beiden Publikationen nicht viel. Sie behalten ihr
Profil. Das INFORAUM berichtet knapp und verständlich über neue Bundesgerichts-
entscheide, aktuelle Themen und neuste Entwicklungen in der Raumplanung. Neu
wird in jedem Heft unter der Rubrik «z.B.» ein gutes Beispiel der Siedlungsentwicklung
und Verdichtung vorgestellt. Das RAUM & UMWELT konzentriert sich
wie bisher auf ein Schwerpunktthema.
In diesem INFORAUM berichten wir über die neuste Rechtspre-
chung des Bundesgerichts zum revidierten RPG. Es geht um die Frage,
ob bei Nutzungsplänen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des revi-
dierten Gesetzes angefochten und somit noch nicht rechtskräftig wa-
ren, das neue oder alte Recht Anwendung findet. In einem zweiten Bei-
trag zeigen wir auf, wie eine Reihe von Westschweizer Kantonen das
revidierte RPG umsetzt und auf welche Rechtsfragen sie dabei stossen.
Wir versuchen, darauf Antworten zu geben. Ein dritter Beitrag widmet sich dem Zu-
gang zu See- und Flussufern. Das Bundesgericht hat in dieser Sache entschieden, dass
Enteignungen als ultima ratio nicht ausgeschlossen sein dürfen. Als gutes Beispiel der
Siedlungsentwicklung greifen wir in diesem Heft unter der Rubrik «z.B.» keine Über-
bauung auf, sondern einen Park. Anlass hierfür ist das diesjährige Gartenjahr, das
unter dem Motto «Gartenjahr 2016 – Raum für Begegnungen» steht.
Das aktuelle RAUM & UMWELT beschäftigt sich mit dem Bauen ausserhalb der
Bauzone. Unser Gastautor erörtert, welche Fehlanreize hier bestehen und was dagegen
unternommen werden kann.
Wir hoffen, dass unsere beiden Zeitschriften auf Ihr Interesse stossen und die
Leselust mit der neuen Gestaltung zunimmt.
Lukas Bühlmann, Direktor VLP-ASPAN
ImpressumINFORAUM VLP-ASPANVerbandsorgan für Mitglieder der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung, erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache und zweimal jährlich auf Italienisch.
RedaktionLukas Bühlmann, Annemarie Straumann
Übersetzung Susanne Alpiger, Irene Bisang
TitelfotoParkanlage Brünnengut BE (Jérémie Poux)
Cartoon Jonas Brühwiler
Gestaltung Ludwig Zeller
Druck galledia ag, 9442 Berneck
Nachdruck von Texten und Bildern unter Angabe der Quelle erlaubt
VLP-ASPAN | Februar 2016 3
INHALT
MORATORIUM FÜR EINZONUNGEN ............... 4Das gewichtige öffentliche Interesse an der Verklei-
nerung der Bauzonen verlangt, dass bei Beschwerden
gegen Nutzungspläne das (strengere) neue – nicht das
(mildere) alte – RPG angewendet wird.
RPG IN DER PRAXIS ...................................... 8Die Kantone müssen ihre Richtpläne und Gesetze
anpassen, damit das RPG umgesetzt werden kann.
Wir zeigen, wie die Kantone Wallis, Jura und Waadt
vorgehen.
UFERWEGE .................................................. 14Enteignungen für den Bau von Uferwegen sind nicht
kategorisch auszuschliessen. Das Bundesgericht hat ein
Gesetz des Zürcher Kantonsrats korrigiert.
AGENDA ...................................................... 19
SIE FRAGEN – WIR ANTWORTEN ................. 20Gurrende und kotende Tauben in der Wohnzone – sind
Taubenschläge dort überhaupt zulässig?
ZUM BEISPIEL ............................................. 21Die Parkanlage Brünnengut in Bern schlägt Brücken
zwischen Quartieren und ist eine grüne Lunge zwi-
schen Blockbauten. Ein Spaziergang.
IM INTERVIEW ............................................. 25Der Planer Christoph Rossetti erzählt, wie die Brünnen-
gut-Anlage entstanden ist. Ein Nutzungskonzept und
eine innovative Mehrwertabschöpfung spielten eine
wichtige Rolle.
CARTOON .................................................... 28Wenn «Laisser-faire» die Umsetzung des RPG bestimmt.
In dieser Ausgabe
RAUM & UMWELT FEBRUAR 2016
Treiber des Bauens ausserhalb der Bauzonen
Wieso werden ausserhalb der Bauzonen
trotz des raumplanerischen Grundsatzes,
wonach im Nichtbaugebiet nicht gebaut
werden darf, weiterhin in erheblichem Aus-
mass Gebäude erstellt? Was sind die Treiber
für diese Entwicklung? Unter anderem sind
ökonomische Fehlan-
reize aufgrund heutiger
Gesetzesgrundlagen, die
Umsetzungsspielräume
der öffentlichen Hand
und Vollzugsprobleme
in der Raumplanung die
Ursachen. Die Analyse der Wirkungsme-
chanismen dieser «raumplanungsgenuinen»
Treiber ist Gegenstand einer Studie, die der
Wirtschaftsgeograf und Ökonom Markus
Gmünder erstellt hat. Im aktuellen RAUM &
UMWELT fasst er seine Erkenntnisse zusam-
men und zeigt erste Ansätze für Massnah-
men auf.
Februar 2016
Treiber des Bauens ausserhalb der Bauzonen.Fehlanreize und Vollzugsdefizite
VLP-ASPAN | Februar 20164
MORATORIUM FÜR EINZONUNGEN
Das Bundesgericht macht Ernstmit dem revidierten RPG
Christa Perregaux DuPasquierAnwältin, VLP-ASPAN
Das Moratorium für Einzonungen ist strikt einzuhalten. Das gewichtige öffentliche Interesse an der Verkleinerung der Bauzonen rechtfertigt nach Meinung des Bundesgerichts die sofortige Anwendung des Moratoriums, das in den Übergangsbestimmungen des revidierten Raumplanungsgeset-zes vorgesehen ist. Dies gilt auch für Nutzungspläne, die von der Gemeinde erlassen wurden, gegen die aber noch Beschwerden hängig sind. In diesem Sinne urteilten die Lausanner Richter in Fällen aus den Gemeinden Attalens FR und Oberbüren SG. Neues Bauland darf in diesen Gemeinden nur dann eingezont werden, wenn gleichzeitig im Kanton eine Fläche gleicher Grösse ausgezont wird.
Blick auf Attalens FR. Das Grundstück der strittigen Neueinzonung liegt nordöstlich der Kirche. Foto: B. Jud, VLP-ASPAN
VLP-ASPAN | Februar 2016 5
Die Freiburger Gemeinde Attalens hatte 2011 im Rah-
men einer Gesamtrevision ihres Nutzungsplans eine
Parzelle neu der Bauzone zugewiesen. Der Plan wurde
noch vor dem Inkrafttreten des revidierten Raumpla-
nungsgesetzes RPG am 1. Mai 2014 verabschiedet. Nach-
dem sich Anwohner gegen die Einzonung gewehrt und
Beschwerde eingereicht hatten, wurde der Fall nach
Inkrafttreten des revidierten RPG vom kantonalen Ver-
waltungsgericht und später vom Bundesgericht beur-
teilt. Letzteres hiess die Beschwerde der Anwohner gut
und wies die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die
kantonale Instanz zurück.
Altes oder neues Recht?
Artikel 38a Absatz 2 RPG führt insofern ein Moratorium
für Einzonungen ein, als die Fläche der rechtskräftig
ausgeschiedenen Bauzonen bis zur Genehmigung der
Richtplananpassung durch den Bundesrat im jeweili-
gen Kanton insgesamt nicht vergrössert werden darf
(Wortlaut des Artikels siehe Kasten). Diese Kompensa-
tionspflicht gilt für sämtliche Neueinzonungen. In den
hier diskutierten Urteilen stellt sich die Frage, ob diese
Pflicht auch für Einzonungen gilt, die auf kantonaler
Ebene unter dem früheren Recht bereits genehmigt
wurden, gegen die aber noch Beschwerden hängig sind.
Die Richter mussten somit entscheiden, welches Recht
in einem solchen Fall zur Anwendung kommt. Gilt das
alte Recht, unter dem der Nutzungsplan verabschiedet
wurde (und besteht somit keine Kompensationspflicht),
oder findet das neue Recht Anwendung, das zum Zeit-
punkt des Urteils zur Beschwerde in Kraft war (mit ent-
sprechender Kompensationspflicht)?
Raumplanungsverordnung ist wenig klar
Der Bundesrat hat in der Raumplanungsverordnung
zu präzisieren versucht, wie in Fällen mit hängigen Be-
schwerden vorzugehen ist. Gemäss Artikel 52a Absatz 1
der Verordnung (RPV) muss eine Einzonung nicht kom-
pensiert werden, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des revidierten RPG eine Beschwerde gegen den Geneh-
migungsentscheid einer kantonalen Behörde über diese
Einzonung (Art. 26 RPG) hängig ist, die weder zu einer
Überprüfung noch zu einer materiellen Teilkorrektur
des Genehmigungsentscheids führt und auch nicht mut-
willig erhoben wurde (Art. 52a Abs. 1 RPV, Kasten).
Das Bundesgericht bezeichnete diese Ver ord nungs-
bestimmung als wenig klar und äusserte sich zu ver-
schiedenen Auslegungen, so zu jener des Freiburger
Verwaltungsgerichts (Vorinstanz) und der VLP-ASPAN
(vgl. INFORAUM 1/2015, S. 3f). Da keine dieser Ausle-
gungen die Richter zu überzeugen vermochte, entschied
das Bundesgericht gestützt auf die allgemeinen Grund-
sätze zum Übergangsrecht, welches Recht in den vorlie-
genden Fällen zur Anwendung gelangt.
Gewichtiges öffentliches Interesse an einer sofortigen Rechtsanwendung
Grundsätzlich wird die Rechtmässigkeit eines Rechtsak-
tes nach dem Recht beurteilt, das im Zeitpunkt seiner
Verabschiedung gilt. Gemäss den allgemeinen Bestim-
mungen zum Übergangsrecht können in hängigen Fäl-
len nur besonders gewichtige öffentliche Interessen, die
Auszug aus dem RPG
Art. 38a Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 15. Juni 2012 1 Die Kantone passen innert fünf Jahren nach Inkrafttreten der Änderung
vom 15. Juni 2012 ihre Richtpläne an die Anforderungen der Artikel 8 und
8a Absatz 1 an. 2 Bis zur Genehmigung dieser Richtplananpassung durch den Bundesrat
darf im betreffenden Kanton die Fläche der rechtskräftig ausgeschiede-
nen Bauzonen insgesamt nicht vergrössert werden. 3 Nach Ablauf der Frist von Absatz 1 ist die Ausscheidung neuer Bauzonen
unzulässig, solange der betreffende Kanton nicht über eine vom Bundesrat
genehmigte Richtplananpassung verfügt. 4 Die Kantone regeln innert fünf Jahren nach Inkrafttreten der Änderung
vom 15. Juni 2012 den angemessenen Ausgleich für erhebliche Vor- und
Nachteile nach den Anforderungen von Artikel 5. 5 Nach Ablauf der Frist von Absatz 4 ist die Ausscheidung neuer Bauzonen
unzulässig, solange der betreffende Kanton nicht über einen angemesse-
nen Ausgleich nach den Anforderungen von Artikel 5 verfügt. Der Bundes-
rat bezeichnet nach Anhörung diese Kantone.
Auszug aus der RPV
Art. 52a Abs. 1 RPV Übergangsbestimmungen zur Änderung vom
2. April 20141 Ist im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 2. April 2014 eine
Beschwerde hängig gegen den Entscheid der kantonalen Behörde nach
Artikel 26 RPG über die Genehmigung einer Einzonung, so ist Artikel 38a
Absatz 2 RPG auf die Einzonung nicht anwendbar, wenn die Beschwerde
weder zu einer Überprüfung noch zu einer materiellen Teilkorrektur des Ge-
nehmigungsentscheids führt oder wenn sie mutwillig erhoben worden ist.
VLP-ASPAN | Februar 20166
MORATORIUM FÜR EINZONUNGEN
keinen Aufschub dulden, eine sofortige Anwendung des
neuen Rechts rechtfertigen. Grundlage für diese Pra-
xis ist Artikel 2 des Schlusstitels des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches, der besagt, dass die Bestimmungen
des Zivilgesetzbuches, «die um der öffentlichen Ordnung
und Sittlichkeit willen aufgestellt sind, mit dessen In-
krafttreten auf alle Tatsachen Anwendung (finden), so-
weit das Gesetz eine Ausnahme nicht vorgesehen hat.»
In der Rechtsprechung wird dem Gewässer-, Natur-, Hei-
mat- und Umweltschutz in der Regel ein entsprechendes
überwiegendes öffentliches Interesse zugesprochen.
Das Bundesgericht vertritt im fraglichen Entscheid
die Auffassung, dass die sofortige Anwendung des
Mora toriums (und damit die Einhaltung der Kompensa-
tionspflicht) einem überwiegenden öffentlichen Interes-
se entspricht. Das revidierte RPG gehe angesichts der
Überdimensionierung der Bauzonen davon aus, dass
die bisherigen kantonalen Richtpläne den gesetzlichen
Anforderungen bezüglich des Baulandbedarfs nicht ge-
nügten und die Gemeinden viele und kostspielige Auszo-
nungen vornehmen müssten.
Von diesen Auszonungen ist der Kanton Freiburg
besonders stark betroffen, da seine Baulandreserven
den voraussichtlichen Bedarf seiner Bevölkerung bis
2030 übersteigen. Unter diesen Umständen hielt es das
Bundesgericht für unangebracht, Nutzungspläne gutzu-
heissen, die eine weitere Ausdehnung der Bauzonen vor-
sehen. Dies würde die Problematik weiter verschärfen
und den Umfang der vorzunehmenden Rückzonungen
noch erhöhen.
Das RPG verlangt, dass die Kantone – bis zur Genehmigung des Richtplans durch den Bundesrat – Neueinzonungen kompensieren. Foto: M. Ramseyer, VLP-ASPAN
Bundesgericht bestätigt Urteil
Diese Haltung vertrat das Bundesgericht auch kurze Zeit
später in einem Urteil zur St. Galler Gemeinde Oberbü-
ren. Es wies erneut darauf hin, dass Artikel 52a Absatz 1
RPV restriktiv anzuwenden ist. Eine Ausnahme von der
Kompensationspflicht für hängige Fälle sei nur denkbar,
wenn sich die Beschwerde auf formelle und nicht auf
materielle Fragen beziehe.
Eine strenge Rechtsprechung
Mit der Relativierung von Artikel 52a Absatz 1 RPV
weisen die Lausanner Richter dem Artikel 38a Absatz 2
RPG ein gewichtiges öffentliches Interesse zu und spre-
chen sich dafür aus, das Moratorium sofort anzuwenden.
Dies gilt insbesondere auch für Nutzungspläne, die in-
folge von Beschwerden im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des revidierten RPG noch nicht rechtskräftig waren.
Einzonungen sind in diesen Fällen nur zulässig, wenn
gleichzeitig eine gleich grosse Fläche im Kanton aus-
gezont wird, oder eine Ausnahme von der Kompensati-
onspflicht besteht, wie sie in Artikel 52a Absatz 2 RPV
vorgesehen sind (vgl. INFORAUM 1/2015, S. 3f). Nicht
auszuschliessen ist jedoch, dass das Bundesgericht die
in der Verordnung umschriebenen Ausnahmen als ge-
setzeswidrig erklärt, denn das Gesetz (Art. 38a Absatz 2
RPG) sieht keine solchen Ausnahmen vor.
Mit seiner Rechtsprechung zeigt das Bundesgericht,
dass es mit dem revidierten RPG Ernst macht und dem
Hauptziel der Gesetzesrevision – der Siedlungsentwick-
lung nach innen und Verkleinerung übergrosser Bauzo-
nen – zum Durchbruch verhelfen will.
Die erwähnten Bundesgerichtsurteile
Urteil des BG 1C_449/2014 vom 7. Oktober 2015,
Attalens FR, in ES VLP-ASPAN Nr. 4937.
Urteil des BG 1C_365/2015 vom 9. Dezember 2015,
Oberbüren SG, in ES VLP-ASPAN Nr. 4956.
… berätAls Mitglied können Sie bei uns rasch, unbüro-
kratisch und kostenlos Auskünfte zu Fragen der
Raumentwicklung und des Bauwesens einholen.
Im Vordergrund stehen Auskünfte in bau-,
planungs- und umweltrechtlichen Belangen.
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tars zum Bundesgesetz über die Raumplanung.
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Raumentwicklung ein.
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VLP-ASPAN | Februar 20168
RPG IN DER PRAXIS
Die Umsetzung in den Kantonen läuft
Sonia BlindJuristin, VLP-ASPAN
Christa Perregaux DuPasquierAnwältin, VLP-ASPAN
Im Rahmen der Umsetzung des revidierten RPG müssen die Kantone ihre Richtpläne und Ge-setzgebung anpassen. Gegenwärtig werden in verschiedenen Kantonen die Bau- und Planungs-gesetze und Richtpläne revidiert, so auch im Wallis, im Jura und im Waadtland. Wir zeigen hier auf, wie die drei Kantone bei ihren Anpassungen vorgehen und erläutern rechtliche Fragen, die sich dabei stellen. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Bauzonendimensionierung und den Mög-lichkeiten für die Baulandmobilisierung. Nicht behandelt wird hingegen die Mehrwertabgabe.
Im Kanton Wallis wurde die RPG-Revision mit einem
Stimmenanateil von 80 Prozent abgelehnt. Nun sucht
der Kanton nach Lösungen, um die Anforderungen des
Bundes – die RPG-Revision wurde von 63 Prozent der
Schweizer Stimmberechtigten befürwortet – zu erfüllen
und gleichzeitig den kantonalen Eigenheiten Rechnung
zu tragen. Schon vor der RPG-Revision verfügte der Kan-
ton Wallis über eine neue und vielversprechende Vision
für seine räumliche Entwicklung, und bereits 2010 be-
kundete der Grosse Rat seinen Willen zur Reform der
kantonalen Raumentwicklung. Am 1. Januar 2015 trat
diese neue Vision, das «Kantonale Raumentwicklungs-
konzept», in Kraft.
Ähnlich den Handlungsräumen des Raumkonzepts
Schweiz wird der Kanton im Walliser Konzept in fünf
Teilräume unterteilt (urbaner Raum mit den Zentren;
multifunktionaler Raum in der Rhoneebene; Raum der
Talflanken und Seitentäler, alpiner Tourismusraum mit
Zentren; Natur- und Landschaftsraum). Diese Teilräume
weisen eigene Merkmale, Qualitäten und Potenziale auf
und stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen,
welche mit jeweils spezifischen Strategien angegangen
werden. Das kantonale Konzept bildet die Grundlage
für die laufenden Arbeiten zur Anpassung des kantona-
len Richtplans, der letztmals 1988 gesamthaft revidiert
wurde. Der Kanton hofft, dass er dem Bund den Richt-
plan 2017 zur Genehmigung unterbreiten kann.
Pragmatisches Vorgehen
Der kantonale Richtplanentwurf sieht vor, dass die Ge-
meinden die Siedlungsgebiete für die nächsten 25 bis 30
Jahre festlegen. Dazu werden die noch nicht überbauten
Bauzonen in drei Kategorien gegliedert:
� Rechtskräftige Zonen, die den Anforderungen von
Artikel 15 RPG genügen;
VLP-ASPAN | Februar 2016 9
Der Kanton Waadt weist sehr viele überdimensionierte Bauzonen auf: Drei von vier Waadtländer Gemeinden müssen ihre Bauzo-nen verkleinern, im Bild Ecublens. Foto: J. Poux, VLP-ASPAN
� Gebiete, die für den Bedarf der kommenden 15 Jahre
nicht nötig sind und die somit mittelfristig (bis der
Baulandbedarf ausgewiesen ist), nicht überbaut
werden dürfen;
� Gebiete, die für eine Rückzonung in Frage kommen
und ausserhalb des Siedlungsgebiets liegen.
Heikle rechtliche Fragen stellen sich bei der zweiten Ka-
tegorie. Gemäss dem Erläuternden Bericht zur Gesamtre-
vision des kantonalen Richtplans können diese Gebiete
– die sich heute in der Bauzone befinden – durch eine
Planungszone (Art. 27 RPG), eine Reservezone (Art. 18
Abs. 2 RPG) oder durch eine etappenweise Bebauung
oder Erschliessung (Art. 19 Abs. 2 RPG) blockiert wer-
den (siehe Kasten «Zwei Arten von Instrumenten»). Die
etappenweise Erschliessung ist nur in einer Zone nach
Artikel 15 RPG möglich, und die etappenweise Bebau-
ung läuft eigentlich auf eine Reservezone hinaus.
Baulandmobilisierung im Kanton Wallis
Ende 2015 hat der Walliser Grosse Rat in erster Lesung
und ohne Gegenstimme dem kantonalen Raumpla-
nungsgesetz zugestimmt. Damit hat er den Vorschlag
des Staatsrats vorerst bestätigt. Der Gesetzesentwurf
will die Gemeinden mit Instrumenten für eine bessere
Bewirtschaftung ihrer Bauzonen ausstatten, um deren
Qualität zu sichern und einen haushälterischen Umgang
zu gewährleisten. Das Gesetz sieht insbesondere die
Möglichkeit von städtebaulichen Verträgen vor sowie
ein Kaufrecht des Gemeinwesens an Grundstücken, die
nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen überbaut wer-
den. Unüberbaute Grundstücke am Siedlungsrand kön-
nen ausgezont werden. Die Gemeinden können Entwick-
lungsgebiete festlegen. Innerhalb dieser Gebiete kann
für bestimmte Flächen ein Enteignungsrecht geltend
gemacht werden.
Jurassische Gesetzgebung ist bereits in Kraft
Wie im Wallis werden auch im Kanton Jura das Raum-
konzept überarbeitet (bis Ende Februar 2016 in der öf-
fentlichen Vernehmlassung), der kantonale Richtplan
erneuert und die Ausführungsgesetzgebung zum revi-
dierten RPG erlassen. Der Kanton Jura ist sich dem Pro-
blem der grossen Bauzonen schon länger bewusst und
hat die nötigen Arbeiten zur Anpassung der kantonalen
Gesetzgebung schon vor der RPG-Revision in Angriff ge-
nommen. Die neuen Bestimmungen sind daher bereits
am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.
VLP-ASPAN | Februar 201610
RPG IN DER PRAXIS
Der Kanton kennt somit verbindliche Massnahmen, um
die Verfügbarkeit sowohl der neuen als auch der beste-
henden Bauzonen sicherzustellen. Das revidierte Gesetz
sieht eine Baupflicht für Grundstücke in der Bauzone
vor, ermöglicht ein gesetzliches Kaufrecht für die Ge-
meinden, wenn ein Grundstück innerhalb dieser Frist
nicht überbaut wurde und es verlangt von den Gemein-
den, in ihren Nutzungsplänen eine Mindestausnützungs-
ziffer einzuführen.
Weiter sieht das Gesetz vor, dass bei projektbezoge-
nen Einzonungen (z.B. für eine grösssere Unternehmens-
ansiedlung) die Überbauung innerhalb einer bestimm-
ten Frist erfolgen muss. Zudem können der Kanton und
die Gemeinden überdimensionierte Bauzonen im Hin-
blick auf eine spätere Auszonung einer Planungszone
zuweisen und damit eine Überbauung vorübergehend
verhindern.
Kanton Jura nutzt das Instrument der Planungszone
Der Kanton hat die neuen rechtlichen Kompetenzen zur
Festlegung von Planungszonen in gewissen Gebieten
bereits genutzt, um übergrosse Bauzonen zu verklei-
nern. Im Kanton Jura liegen 80 Prozent der Flächen,
die für eine Rückzonung in Frage kommen, in unüber-
bauten, unerschlossenen und am Siedlungsrand gelege-
nen Zonen (Zentrums-, Misch- und Wohnzonen). Diese
Flächen müssen unbedingt vor einer Überbauung ge-
schützt werden. Dadurch kann der Handlungsspielraum
gewahrt werden.
Der Erlass der Planungszonen stützt sich auf ein Inven-
tar, das die mögliche Umzonung der erwähnten Flächen
in die Landwirtschaftszone nach Prioritäten gliedert.
Je nach Lage und Umfang der umzuzonenden Grund-
stücke und der Dauer ihrer bisherigen Zugehörigkeit
zur Bauzone werden diese einer anderen Priorität zu-
geordnet. Der definitive Zonenstatus wird im Rahmen
der bevorstehenden Nutzungsplanungen aufgrund von
umfassenden Interessenabwägungen und unter Berück-
sichtigung des revidierten Artikels 15 RPG festgelegt.
Die Beschwerden, die gegen die vorgesehenen Planungs-
zonen eingegangen sind, sollen im Frühling 2016 vom
zuständigen Departement behandelt und die Planungs-
zonen definitiv festgelegt werden.
Mutige Waadtländer Gemeinden
Verschiedene Gemeinden im Kanton Waadt haben die
Arbeiten zur Anpassung ihres Nutzungsplans an das
neue RPG bereits aufgenommen. Die Gemeinde Valbroye
im Broyebezirk beispielsweise plant ihre Bauzone stark
zu verkleinern. Prioritär sollen acht Hektaren Land von
der Bauzone in die Landwirtschaftszone zurückgeführt
werden. Dies ist erst ein erster Schritt. Langfristig müs-
sen in Valbroye 27 Hektaren Land zurückgezont wer-
den. Mit der Umzonung werden verschiedene, seit dem
Inkrafttreten des revidierten RPG blockierte Neueinzo-
nungen, freigegeben (siehe Artikel S. 4f). Diese Neuein-
zonungen müssen jedoch, auch wenn sie kompensiert
werden, die Anforderungen von Artikel 15 RPG erfüllen.
Villarzel, eine weitere Gemeinde des Broyebezirks,
hat beschlossen, Bauzonen im Umfang von sieben Hek-
taren an andere Waadtländer Gemeinden mit ausgewie-
senem Baulandbedarf abzugeben.
In Tévenon, einer fusionierten Gemeinde am Fuss
des Jura, wurde ein allgemeiner Baustopp erlassen und
zu diesem Zweck das gesamte Gemeindegebiet einer Pla-
nungszone (Art. 27 RPG) zugewiesen. Diese sehr weit-
gehende und daher rechtlich heikle Massnahme dürfte
im vorliegenden Fall jedoch in einem angemessenen Ver-
hältnis zum angestrebten Ziel stehen. Die Planungszone
verschafft der Gemeinde Zeit für die Anpassung ihrer
Nutzungsplanung, ohne dass sie dem Druck von Grund-
eigentümern und deren Baugesuchen ausgesetzt ist.
Planungszonen und Reservezonen
Mit der Planungszone (Art. 27 RPG), die insbesondere in
den Kantonen Waadt, Jura und Wallis zur Anwendung
kommt, können bestimmte Gebiete vor einer Überbau-
Der Kanton Wallis hat ein «Kantonales Raumentwicklungskonzept» in Kraft gesetzt, das fünf Teilräume unterscheidet, darunter den alpinen Tourismusraum mit Zent-ren; im Bild Zermatt. Foto: S. Wild, WSL.
VLP-ASPAN | Februar 2016 11
Mit dem Erlass von Planungszonen soll verhindert werden, dass zur Auszonung vorgesehene Flächen kurz vor der Planänderung noch überbaut werden. Im Bild ein Wohnhaus am Rande von Brig. Foto: L. Bühlmann, VLP-ASPAN
ung geschützt werden. Die Gemeinden gewinnen damit
genügend Zeit, um ihre Planung an die Anforderungen
des revidierten RPG anzupassen, ohne dass künftige
Rückzonungen durch kurzfristig erstellte Bauten er-
schwert oder verhindert werden.
Als längerfristige Massnahme sehen einzelne Kan-
tone wie der Kanton Wallis vor, dass Gemeinden Re-
servezonen (Art. 18 Abs. 2 RPG) ausscheiden können.
Im Französischen sind die Begriffe für Planungszonen
(zone réservée) und Reservezonen (zone de reserve) sehr
ähnlich und daher verwirrlich (siehe dazu auch Kasten
«Zwei Arten von Instrumenten»). Das RPG spricht von
Zonen mit späterer Nutzungszulassung (zone d’affecta-
tion différée). Verwendet wird auch der Begriff Über-
gangszone (zone intermédiaire).
Frage der Entschädigung
Die Frage, ob die Grundeigentümer im Falle einer Um-
zonung ihres Baulands zu entschädigen sind, stellt sich
sowohl bei der Planungszone wie auch bei der Reservezo-
ne. Beide Zonenarten führen zu einer Einschränkung der
Baumöglichkeiten. In beiden Fällen handelt es sich je-
doch um zeitlich befristete Eigentumsbeschränkungen.
Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass die
Grundnutzung der Planungszone (Art. 27 RPG) unverän-
dert bleibt, während sich jene der Reservezone (Art. 18
Abs. 2 RPG) im Fall der Reduktion der Bauzonen ändert.
Obwohl sich aus der bundesgerichtlichen Rechtspre-
chung zur materiellen Enteignung keine klare zeitliche
Begrenzung für die Bejahung oder Verneinung einer Ent-
schädigung ableiten lässt, kann man davon ausgehen,
dass beim Erlass einer Planungszone (Art. 27 RPG) allein
keine Entschädigung geschuldet ist. Die Entschädigung
ist abhängig von den Nutzungsmöglichkeiten aufgrund
der künftigen Bau- und Zonenordnung. Im Fall einer Re-
servezone (Art. 18 Abs. 2 RPG) ist die Sache schwieriger.
Die Reservezone ändert die Grundnutzung grundlegend,
ohne dass eine spätere Wiedereinzonung gesichert ist.
Hier ist eine Entschädigungspflicht denkbar.
Diese Feststellung dürfte die Anstrengungen der
Gemeinden zur Verkleinerung ihrer Bauzonen erschwe-
ren. Im Lichte der jüngsten Rechtsprechung über die
materielle Enteignung muss sie allerdings relativiert
werden. Im Fall Salenstein (siehe INFORAUM 1/2014
S. 8ff.) war das Bundesgericht zum Schluss gekommen,
dass der 1982 – also nach dem Inkrafttreten des RPG –
erlassene Nutzungsplan materiell nicht den Anforderun-
gen des RPG entsprach. Die damalige Bauzone überstieg
den Baulandbedarf für den gesetzlich festgelegten Pla-
VLP-ASPAN | Februar 201612
nungshorizont deutlich. Gestützt auf diese Feststellung
bezeichneten die Bundesrichter die fraglichen Flächen
als Nichteinzonungen und verweigerten der Grundei-
gentümerin den Anspruch auf Entschädigung für mate-
rielle Enteignung.
Aus dem Entscheid im Fall Salenstein könnte man
schliessen, dass Gemeinden mit deutlich überdimensio-
nierten Bauzonen, die im Sinne des revidierten RPG aus-
zonen müssen, nicht mit Entschädigungen für materielle
Enteignungen rechnen müssen. Die Rechtsprechung ist
jedoch im Fluss. Man muss jeden Fall einzeln beurteilen.
Parlamente müssen ihre Verantwortung wahrnehmen
Bezüglich der Baulandmobilisierung haben die Gesetz-
geber der Kantone Jura und Wallis ihre Verantwortung
wahrgenommen. Sie haben verstanden, dass sie die
rechtlichen Möglichkeiten schaffen müssen, um dem
RPG und dem Willen der Stimmberechtigten (gemäss
der Abstimmung vom 3. März 2013) zum Durchbruch zu
verhelfen.
In anderen Kantonen gibt es in den Kantonsparla-
menten die Tendenz, die Vorlagen der Regierungen zur
rechtlichen Umsetzung des RPG zu verwässern. So sol-
len Kaufrechte oder andere Massnahmen zur Bekämp-
fung der Baulandhortung verhindert werden. In Bezug
auf die bestehenden Bauzonen fordert das revidierte
RPG, dass Massnahmen zu ihrer bestimmungsgemäs-
sen Nutzung getroffen werden. Ausserdem verlangt es
Das RPG verlangt, dass die Verfügbarkeit der Bauzonen sichergestellt wird. Ist das Land einmal eingezont, soll es nicht gehortet, sondern überbaut werden. Foto: J. Poux, VLP-ASPAN
RPG IN DER PRAXIS
Rückzonungen im Kanton Waadt: Roter Faden für die Gemeinden
Der Kanton Waadt weist sehr viele überdimensionierte Bauzonen auf: Drei
von vier Waadtländer Gemeinden müssen ihre Bauzonen verkleinern. Jede
Gemeinde ist über das Ausmass ihrer Nutzungsreserven in Wohn- und
Mischzonen informiert. Der Kanton hat eine übersichtliche und gut illus-
trierte Broschüre mit Richtlinien zuhanden der Gemeinden veröffentlicht.
Darin wird ein dreistufiges Vorgehen zur Verkleinerung der Bauzonen
vorgeschlagen:
� Zunächst soll die Gemeinde ein Konzept mit einer Vision der kommuna-
len Raumentwicklung für die kommenden 15 Jahre erarbeiten.
� Danach sind jene Rückzonungen vorzunehmen, die sich in raumplane-
rischer Hinsicht aufdrängen – in der Regel sind Flächen am Rande oder
ausserhalb des Siedlungsgebiets zurückzuzonen.
� In einem dritten Schritt geht es darum, die Reserven innerhalb der
Bauzonen zu eruieren und auszunutzen.
Damit sich die heutige Situation auf den für die Umzonung vorgesehe-
nen Flächen/Parzellen während des (langwierigen) Planungsverfahrens
nicht verschlechtert, schlägt der Kanton den Gemeinden zwei Möglich-
keiten vor: Entweder können sie eine Planungszone erlassen (Art. 27 RPG
und Art. 46 LATC-VD; siehe Kasten), oder sie können die Baubewilligung
verweigern (Art. 77 LATC-VD), wenn ein Bauvorhaben eine vorgesehene
Planung beeinträchtigt. Im letzteren Fall muss die Gemeinde ihr Planungs-
vorhaben innerhalb von acht Monaten öffentlich auflegen.
Broschüre des Kantons Waadt:
www.vd.ch > «Lignes directrices du redimensionnement des zones à bâtir»
VLP-ASPAN | Februar 2016 13
von den Kantonen, dass eine Frist für die Überbauung
gesetzt wird und bei deren Nichtbeachtung Massnah-
men angeordnet werden (Art. 15a RPG). Noch strenger
ist das revidierte RPG bei neu der Bauzone zugewiese-
nem Land. Hier muss die Verfügbarkeit jedes einzelnen
Grundstücks rechtlich sichergestellt sein (Art. 15 Abs. 4
lit. d RPG). Für Neueinzonungen muss ein möglichst kon-
kretes Bauvorhaben vorliegen, das rasch realisiert wer-
den kann. Eine kantonale Gesetzgebung, welche die Ge-
meinden an der Erfüllung dieser Anforderung hindert,
verletzt das Bundesrecht.
Rolle der Richtplangenehmigung
Was passiert, wenn die kantonalen Parlamente keine
verbindlichen Massnahmen zur Baulandmobilisierung
beschliessen? Gemäss den Übergangsbestimmungen
des revidierten RPG (Art. 38a RPG) müssen die Kan-
tone ihre Richtpläne an die neuen Anforderungen zur
Ausscheidung von Bauzonen (Art. 8 und 8a Abs. 1 RPG)
anpassen. Die kantonalen Richtpläne müssen aufzeigen,
wie sichergestellt wird, dass die Bauzonen den Anforde-
rungen von Artikel 15 RPG entsprechen (Art. 8a Abs. 1
lit. d RPG). Eine dieser Anforderungen ist, die Verfüg-
barkeit der neuen Bauzonen sicherzustellen. Wenn im
kantonalen Richtplan Massnahmen zur Ausscheidung
von Bauzonen nach Artikel 15 RPG definiert werden,
ohne dass im kantonalen Recht die rechtlichen Grundla-
gen hierfür vorhanden sind, entspricht der Richtplan als
solcher den Anforderungen des RPG nicht.
Verabschiedet ein kantonales Parlament ein Aus-
führungsgesetz zum revidierten RPG, ohne die rechtli-
chen Vorgaben zu schaffen, damit Bauland verfügbar
gemacht statt weiterhin gehortet wird, verletzt es den
Gesetzgebungsauftrag. Denkbar ist, dass der kantonale
Richtplan vom Bundesrat nicht genehmigt würde und
somit wegen des Übergangsrechts Neueinzonungen
nicht mehr möglich wären.
Jetzt gilt es ernst
Die Kantone und Gemeinden stehen vor einer riesigen
Aufgabe. Sie müssen dem am 1. Mai 2014 in Kraft getre-
tenen Gesetz Rechnung tragen und in der Raumplanung
einen neuen Kurs einschlagen. Es gilt, mit Blick auf die
kommenden Generationen, auf die Herausforderungen
zu reagieren und Verantwortung zu übernehmen. Den
Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich
alles ohne Anreiz oder zwingende Massnahmen zum
Guten wenden wird, bringt uns nicht weiter. Wir müs-
sen alle gemeinsam – auf Ebene Bund, Kantone und Ge-
meinden – Lösungen finden und die Zukunft anpacken.
Gegenwärtig wird an ermutigenden Lösungsstrategien
gearbeitet. Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr solche
Entwicklungen in Gang kommen und als Vorbild für
jene dienen, die noch zuwarten.
Dokumentation
Broschüre des Kantons Waadt
www.vd.ch > «Lignes directrices du redimensionnement des zones à bâtir»
Walliser Raumentwicklungskonzept
www.vs.ch > «Kantonales Raumentwicklungskonzept» (KREK)
Zur künftigen Gesetzgebung des Kantons Jura und zum Entwurf des
Gesetzes über die Baulandmobilisierung des Kantons Wallis
www.vlp-aspan.ch > Themen > Baulandmobilisierung
Zwei Arten von Instrumenten
Planungszone gemäss Artikel 27 RPG (zone réservée)
Planungszonen beschränken in einem bestimmten Gebiet vorübergehend
die Baumöglichkeiten. Damit sollen Bauvorhaben verhindert werden, wel-
che die Planungsabsichten beeinträchtigen könnten. Dem betroffenen
Gebiet wird dadurch in gewisser Weise eine Käseglocke übergestülpt, bis
die Planung angepasst ist. Planungszonen dürfen für längstens fünf Jahre
erlassen werden. Verlängerungen sind aber möglich, wenn das kantona-
le Recht dies vorsieht. Mit der Planungszone wird die Grundnutzung der
Zone nicht verändert. Es wird aber verhindert, dass Baubewilligungen er-
teilt werden, welche eine künftige Änderung der Nutzung erschweren oder
verhindern. Die Planungszone tritt zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung in
Kraft, kann danach aber noch angefochten werden.
Reservezone gemäss Artikel 18 Absatz 2 RPG (zone de réserve, zone
d’affectation différée)
Die Reservezone wird auch als Zone mit späterer Nutzungszulassung be-
zeichnet. Sie umfasst die Flächen, deren Nutzung noch nicht bestimmt ist
oder in denen eine bestimmte Nutzung erst später zugelassen wird (Art.
18 Abs. 2 RPG). Ursprünglich bestand die Idee der Reservezone darin, Ge-
biete festzulegen, in denen mittelfristig eine Überbauung denkbar ist (Bau-
erwartungsland). Einzelne Kantone beabsichtigen heute, die Reservezone
zu nutzen, um die Verkleinerung der Bauzone zu vereinfachen. Die Reser-
vezone ist jedoch eine Nichtbauzone und es besteht keine Garantie, dass
sie später der Bauzone zugewiesen wird. Dies hängt von den Umständen
und von der Interessenabwägung ab, die bei Nutzungsplananpassungen
vorzunehmen ist. Für die Reservezone gelten die Bestimmungen über das
Bauen ausserhalb der Bauzone.
VLP-ASPAN | Februar 201614
UFERWEGE
Enteignungen dürfen nicht ausgeschlossen werden
Barbara Judlic. iur., VLP-ASPAN
Vor gut fünf Jahren, im Dezember 2010, wurde im Kan-
ton Zürich die Initiative «Zürisee für alli» eingereicht.
Ziel der Initiative war, den im kantonalen Richtplan vor-
gesehenen Uferweg entlang des Zürichsees möglichst
nah am Wasser zu bauen oder ausnahmsweise über
Stege zu führen. Das kantonale Parlament lehnte die-
se Initiative im August 2011 ab. Es befürwortete aber
die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags. Die Initiative
wurde daraufhin zurückgezogen, und der Regierungsrat
entwarf eine Kreditvorlage für den Bau der Uferwege.
Kantonsrat tut sich schwer
Um die Frage, wie weit der Staat für den Bau der Uferwe-
ge in das Privateigentum eingreifen darf, entbrannte je-
doch eine Kontroverse im Parlament. Der Regierungsrat
schlug vor, im kantonalen Strassengesetz (StrG) einen
jährlichen, teuerungsbereinigten Betrag von sechs Mil-
lionen Franken für den Bau von Uferwegen an Zürcher
Seen und Flüssen vorzusehen. Laut dem Regierungsrat
sollten nicht nur die Uferwege am Zürichsee, sondern
alle Wegprojekte an Gewässern im Kanton Zürich von
der Finanzhilfe profitieren können.
Die vorberatende Kommission des Parlaments, die
kantonsrätliche Kommission für Planung und Bau,
nahm die Vorlage des Regierungsrats aber nur an, weil
ein Kompromiss ausgehandelt wurde: Das Strassenge-
setz sollte mit einem Paragrafen 28c ergänzt werden.
Dieser Paragraf hatte zum Ziel, die Eigentümerinnen
und Eigentümer von Seegrundstücken zu schützen. Er
Im November 2015 hob das Bundesgericht eine Bestimmung im Zürcher Strassengesetz auf, weil sie gegen das Raumplanungs-gesetz des Bundes verstösst. Der strittige Paragraf im kantona-len Gesetz sah vor, Enteignungen für den Bau von Uferwegen kategorisch auszuschliessen. Doch laut dem Bundesgericht wäre ein solcher Ausschluss unverhältnismässig und würde die raumplanerische Interessenabwägung verhindern. Das Zürcher Strassengesetz tritt nun ohne diesen speziellen Eigentümer-schutz in Kraft.
VLP-ASPAN | Februar 2016 15
hielt fest, dass ein Uferweg gegen den Willen der Eigen-
tümer nur dann erstellt werden dürfe, wenn eine ander-
weitige Führung nicht möglich oder unverhältnismässig
wäre. Die Mehrheit der Kommission verlangte auch,
dass sich die Gemeinden im Umfang von 20 Prozent an
den Kosten für die Planung und den Bau des Wegs ein-
schliesslich der Landerwerbskosten beteiligen sollten.
In der folgenden Beratung im Kantonsparlament ent-
brannte eine hitzige Debatte über diesen Paragrafen
zum Schutz der Eigentümer. In der zweiten Lesung des
Kantonsrats wurde verlangt, dem Schutz des Eigentums
müsse absolute Geltung zukommen. In der Schlussab-
stimmung am 25. November 2013 nahm der Kantonsrat
das so revidierte Gesetz mit 92:76 Stimmen an. Paragraf
28c Strassengesetz lautete nun wörtlich: «Für die Erstel-
lung von Uferwegen dürfen Eigentümerinnen und Eigen-
tümer privater Grundstücke nicht enteignet und ihre
Grundstücke nicht anderweitig beansprucht werden.»
Beschwerde ans Bundesgericht
Nachdem die Referendumsfrist für die Gesetzesände-
rung abgelaufen war, erhoben 15 Privatpersonen und
der Verein «Ja zum Seeuferweg» Beschwerde beim Bun-
desgericht. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde
ein, weil sämtliche Privatpersonen im Kanton Zürich
wohnen und daran interessiert sind, die Uferwege als
Fussgänger oder Wanderer zu nutzen. Die Frage, ob auch
der Verein «Ja zum Seeuferweg» zur Beschwerde be-
rechtigt war, wurde vom Gericht offen gelassen. Die Be-
Die Initiative «Zürisee für alli» verlangte, dass der Uferweg nah am Wasser gebaut oder ausnahmsweise - wie hier zwischen Wädenswil und Richterswil ZH - über Stege geführt wird. Foto: B. Jud, VLP-ASPAN
VLP-ASPAN | Februar 201616
UFERWEGE
Kein Recht auf freien Zugang
Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c RPG bedeutet weder, dass die Seen und
Seeufer aufgrund des Bundesrechts vollkommen frei von Bauten und Anla-
gen bleiben müssen, noch dass aus dem Bundesrecht ein direkt anwend-
barer Anspruch auf freien Zugang zu den Seeufern abgeleitet werden kann.
Der Wortlaut der Bestimmung spricht bloss von einer «Erleichterung» des
Zugangs, verlangt diesen jedoch nicht explizit und relativiert damit das
Zugangsrecht. So können die Erhaltung naturnaher Landschaften oder der
Schutz von Biotopen eine Einschränkung des Zugangs zu See- und Fluss-
ufern gebieten.
Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE kam 2008 nach der Prüfung der
Rechtslage in einer Stellungnahme zum Schluss, dass neben dem Raum-
planungsgesetz weder das Zivilgesetzbuch, noch das eidgenössische Ge-
wässerschutz-, das Wasserbau- oder Vermessungsrecht Bestimmungen
enthalten, aus welchen ein Recht auf freien Zugang zu See- und Flussufern
abgeleitet werden kann. Das ARE hielt jedoch fest, dass die Kantone dem
öffentlichen Zugang zu See- und Flussufern und deren Freihaltung in Zu-
kunft einen höheren Stellenwert als bisher beimessen sollten.
schwerdeführer begründeten ihren Widerstand gegen
die Gesetzesänderung unter anderem damit, dass der
Paragraf 28c StrG gegen das höherrangige Bundesrecht
verstosse.
Planungsgrundsätze sind zu beachten
Das Raumplanungsgesetz des Bundes (RPG) verlangt in
den Planungsgrundsätzen in Artikel 3, dass der öffent-
liche Zugang zu See- und Flussufern sowie deren Bege-
hung erleichtert werden soll (Art. 3 Abs. 2 Buchstabe c
RPG). Die Planungsgrundsätze sind wie die Planungszie-
le in Artikel 1 RPG für die gesetzgebenden Instanzen
und somit auch für den Zürcher Kantonsrat verbind-
lich. Die einzelnen Planungsgrundsätze sind grundsätz-
lich gleichrangig. Wie sie im Einzelfall gegeneinander
abzuwägen sind, zeigt die dreistufige Methode der In-
teressenabwägung in Artikel 3 der Raumplanungsver-
ordnung (RPV). Laut den Planungsgrundsätzen dürfen
die einzelnen aufgeführten Interessen in Artikel 3 RPG
nicht isoliert betrachtet werden. Zudem müssen bei der
Holzbänke am Seeuferweg zwischen Wädenswil und Richterswil laden zum Verweilen ein. Foto: A. Straumann, VLP-ASPAN
Mit dem Bau des Uferwegs zwischen Wädenswil und Richterswil wurde das Ufer gleich auch ökologisch aufgewertet. Foto: A. Straumann, VLP-ASPAN
VLP-ASPAN | Februar 2016 17
Interessenabwägung auch öffentliche und private In-
teressen miteinbezogen werden, die nicht in Artikel 3
RPG aufgeführt sind (vgl. Kasten «Kein Recht auf freien
Zugang»)
Absoluter Schutz der Eigentümer ginge zu weit
Laut dem Bundesgericht gebietet das Raumplanungsge-
setz eine ufernahe Wegführung, wo immer dies sinn-
voll, möglich und zumutbar ist. Der umstrittene Para-
graf 28c StrG schloss Enteignungen für Uferwege von
vornherein aus. Die gebotene, raumplanungsrechtliche
Interessenabwägung wäre dadurch verhindert worden.
Ein absoluter Schutz der Eigentümer vor Enteignungen
würde laut dem obersten Gericht dazu führen, dass die
Erstellung längerer Uferwegabschnitte praktisch ver-
unmöglicht würde. Ein entsprechendes Uferwegprojekt
könnte bereits daran scheitern, dass ein einzelner Ei-
gentümer in einer Reihe von Ufergrundstücken die frei-
willige Abtretung der notwendigen Rechte verweigert
und eine Wegführung hinter seinem Grundstück ausser
«Ein unmittelbar dem Ufer entlang führender öffentlicher Weg verschafft der Öffentlichkeit den bestmöglichen Seezugang. Durch blosse Stichwege lässt sich ein solcher nicht gewährleisten.»
Bundesgericht, Urteil BGer 1C_157/2014, E. 3.4.
Betracht fällt. Indem der Kantonsrat die Möglichkeit der
Enteignung vollständig ausschliessen wollte, verstiess
er gegen Bundesrecht. Deshalb hob das Bundesgericht
den Paragrafen 28c StrG ersatzlos auf.
Aufhebung des bundesrechtswidrigen Paragrafen
Die Lausanner Richter hielten im Urteil fest, dass es
dem kantonalen Gesetzgeber grundsätzlich nicht ver-
Am zürcherischen Hüttnersee wurde der Weg nicht unmittelbar am Ufer angelegt, sondern aus Naturschutzgründen nur «ufernah». Einige Stichwege führen den Fussgänger aber direkt an den See. Foto: B. Jud, VLP-ASPAN
VLP-ASPAN | Februar 201618
wehrt sei, die Interessenabwägung bei der Planung von
Uferwegen vorzustrukturieren und dem Interesse der
Grundeigentümer ein erhöhtes Gewicht beizumessen.
Nötig dafür wäre aber eine hinreichend offen gehaltene
Bestimmung.
Laut dem Bundesgericht wäre etwa die Lösung,
welche die vorberatende Kommission des Kantonsrats
ursprünglich vorgeschlagen hatte, akzeptabel gewe-
sen. Diese hätte, wie erwähnt, die Beanspruchung von
Privatgrundstücken gegen den Willen der Eigentümer
nur dann zuzulassen, wenn eine andere Führung des
Uferwegs nicht oder nur mit unverhältnismässigem Auf-
wand möglich gewesen wäre. Eine vergleichbare Rege-
lung besteht beispielsweise im Kanton Bern (vgl. Kasten
«Berner See- und Flussufergesetz»).
Am 25. November 2015 erklärte die Zürcher Volks-
wirtschaftsdirektorin, dass der Regierungsrat das Stras-
sen gesetz ohne den umstrittenen Zusatz in Kraft setzen
werde. Für die Eigentümerinnen und Eigentümer von
Seegrundstücken gelte der strenge Eigentumsschutz
durch Artikel 26 der Bundesverfassung. Ob es noch-
mals zu einer politischen Debatte kommt und das Gesetz
wie ursprünglich vorgesehen mit einer offenen Formu-
lierung zum Eigentümerschutz noch ergänzt wird, bleibt
vorerst offen.
Das Urteil im Wortlaut
Urteil BGer 1C_157/2014 vom 04. November 2015, Zürich
Seeuferwege, in ES VLP-ASPAN Nr. 4948
Berner See- und Flussufergesetz
Ziel des am 6. Juni 1982 aufgrund einer Volksinitiative er-
lassenen See- und Flussufergesetzes SFG ist es, die Ufer-
landschaft zu schützen und den öffentlichen Zugang zu See-
und Flussufern sicherzustellen. In Bezug auf die Uferwege
formuliert das SFG unter anderem folgende Anforderungen:
Ein Uferweg muss durchgehend und möglichst verkehrsfrei
sein und in der Regel unmittelbar dem Ufer entlang führen.
Der Weg kann auch etwas weiter entfernt geführt werden
(«ufernah»), das heisst mit bis zu 50 Metern Abstand zum
Gewässer, wenn besondere Verhältnisse dies rechtfertigen,
etwa die Möglichkeit einer wesentlichen Kosteneinsparung,
andere wichtige öffentliche Interessen, oder überwiegende
private Interessen. Kommt es zu einer bloss «ufernahen»
Wegführung, sind mit Stichwegen öffentliche Bereiche am
Ufer zu erschliessen und bestehende Durchblicke auf das
Wasser zu gewährleisten. Auf einen unmittelbaren Ufer-
weg kann nur dann verzichtet werden, wenn weiter entfernt
«ufernah» eine attraktivere Wegführung möglich ist oder ein
«ufernaher» Weg aus topographischen Gründen oder aus
Rücksichtnahme auf Natur und Landschaft erforderlich ist.
Literaturhinweis
BLIND SONIA, Der Zugang zu See- und Flussufern,
in: VLP-ASPAN, RAUM & UMWELT 5/2011
UFERWEGE
Wegprojekte an Zürcher Seen und Flüssen – hier der Rheinfall – sollen von der Finanzhilfe profitieren können. Das verlangt neu das Strassengesetz des Kantons Zürich (StrG). Foto: A. Straumann, VLP-ASPAN
VLP-ASPAN | Februar 2016 19
Kurse
Einführung ins Bauen ausserhalb der Bauzone
Winterthur, 27. Oktober 2016
Ein Viertel der Bauten in der Schweiz
stehen ausserhalb der Bauzone. Ständig
kommen neue dazu. Zwar fördert das
neue RPG die Entwicklung bestehender
Bauzonen. Doch zugleich haben die Rege-
lungen und Ausnahmen ausserhalb der
Bauzone zugenommen. Weshalb muss
das Baugebiet überhaupt vom Nichtbau-
gebiet getrennt werden? Welche Bauten
und Anlagen sind in der Landwirtschafts-
zone zonenkonform? Inwiefern können
Bauten umgenutzt werden? Solche Fra-
gen werden im Kurs behandelt. Er richtet
sich an Interessierte, die mit dem Bauen
ausserhalb der Bauzone noch wenig ver-
traut sind. Das Thema brennt unter den
Nägeln – die Einführungskurse sind im-
mer schnell ausgebucht.
�
Einführung in die Raumplanung
Zug, 10./17./24. November 2016
Ausgebucht! Das gilt für die beiden Ein-
führungskurse in die Raumplanung von
März und April. Der nächste Kurs findet
im November 2016 in Zug statt. Er rich-
tet sich primär an Gemeinderäte und
Gemeinderätinnen sowie Mitarbeitende
der kommunalen Verwaltung, die mit
Raumplanung zu tun haben, damit aber
noch wenig vertraut sind. Im Kurs er-
fahren Sie mehr über die Hintergründe,
Aufgaben, Instrumente und Akteure der
Raumplanung. Fallbeispiele ergänzen die
Theorie.
Kongress
Innenentwicklungund Recht
Solothurn, 30. Juni 2016
Die VLP-ASPAN und renommierte Ju-
risten sind dabei, den Kommentar zum
Bundesgesetz über die Raumplanung
von 1999 umfassend zu überarbeiten. Im
Sommer 2016 ist es soweit: Der erste neue
Band dieses Standardwerks der schwei-
zerischen Raumplanung wird publiziert.
Das Thema ist die Nutzungsplanung –
der Schlüssel zur Innenentwicklung. Die
Nutzungsplanung wird darüber entschei-
den, ob die Umsetzung des revidierten
RPG und die Begrenzung der Siedlungs-
ausdehnung gelingen oder nicht. Am
Kongress erörtern die Herausgeber des
Kommentars – Rechtsprofessoren und
Fachexperten – rechtliche Fragen zum
Mehrwertausgleich, der Erschliessung,
der Baulandumlegung und anderem
mehr. Melden Sie sich jetzt an.
Tagung
Raumplanung ins Dorf bringen
Olten, 2. September 2016
Grosse Städte und Gemeinden befassen
sich schon seit Jahren mit Innentwick-
lung. Schwieriger ist die Lage in mitt-
leren und kleinen Gemeinden, wo die
Ortskerne oft unter einem Schwund des
Detailhandels und mangelnder Investi-
tionsbereitschaft leiden. Doch auch für
sie bietet die Innentwicklung Chancen
und Potenziale. Die Tagung fördert den
Austausch über die Brennpunkte und
Lösungsansätze in kleineren und mittle-
ren Gemeinden. Sie zeigt, wie diese sich
nachhaltig entwickeln können, verweist
auf gelungene Beispiele und thematisiert
die Investorensuche. Die Tagung findet
in Zusammenarbeit mit dem Schweizeri-
schen Gemeindeverband statt. Voranmel-
dungen sind schon möglich.
NEU NEU
AGENDA
VLP-ASPAN Terminkalender
Anmeldungen unter: www.vlp-aspan.ch > Aus- und Weiterbildung
VLP-ASPAN | Februar 201620
SIE FRAGEN – WIR ANTWORTEN
Zonenkonformität eines Taubenschlags in der Wohnzone
In unserer Gemeinde gibt es in der Wohnzone einen Taubenschlag, in dem 40 Tauben gehalten werden. Sie können den Schlag verlassen, machen Lärm und verkoten teilweise die Fassaden der Nachbarhäuser. Ist diese Tierhaltung in der Wohnzone zonenkonform?
Wohnzonen sind, wie der Name sagt, hauptsächlich für Wohnbauten
bestimmt. Neben den typischen Wohnnutzungen (Essen, Schlafen, Er-
holen, Hausarbeit etc.) sind auch Räume für Freizeit und andere Nut-
zungen zulässig, sofern diese einen hinreichenden Bezug zum Wohnen
haben. Auch die Tierhaltung kann zonenkonform sein, sofern diese (in
reinen Wohnzonen) hobby- und nicht gewerbsmässig ist.
Bezüglich des Lärms gelten die bundesrechtlichen Regelungen im
Umweltschutzgesetz (USG) und in der Lärmschutzverordnung (LSV). In
den Anhängen 3 bis 7 LSV werden Belastungsgrenzwerte für häufi-
ge, besonders störende Lärmquellen festgelegt. Fehlen in der LSV di-
rekt anwendbare Belastungsgrenzwerte, müssen die Behörden den
Einzelfall beurteilen. Unabhängig von der Umweltbelastung ist der
Vorsorgegrundsatz nach Art. 11 Abs. 2 USG zu beachten. Danach sind
Emissionen bei der Quelle so weit zu begrenzen, als dies technisch und
betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Geringfügige, nicht
erhebliche Störungen sind hinzunehmen.
In der LSV finden sich keine Grenzwerte für Vogelgezwitscher
und Taubengurren. Es ist folglich im Einzelfall zu beurteilen, ob die
40 Tauben in dieser Wohnzone eine unzumutbare Störung darstellen.
Entsprechend existieren auch keine zahlenmässigen Vorgaben zur
Vogelhaltung in der Wohnzone. Frühere Gerichtsurteile können aber
Anhaltspunkte liefern: So wurde im Kanton St. Gallen eine Voliere mit
60 Kanarienvögeln, Wellen- und Nymphensittichen als in der Wohn-
zone zulässig beurteilt. Es handelte sich aber um eine Innenvoliere,
von aussen war das Gezwitscher schwächer wahrnehmbar. Im Aargau
wurde eine hobbymässigen Geflügelhaltung mit 30 Zwerghühnern
und ein bis zwei Hähnen in der Wohnzone als zonenkonform beurteilt,
sofern im Sinne des Vorsorgeprinzips die Ställe schallisoliert werden.
In Basel-Stadt hingegen hat das Bundesgericht eine Aussenvolière für
20 Papageien in der Wohnzone als grundsätzlich nicht zonenkonform
beurteilt.
Tauben machen weniger Lärm als Papageien oder Hähne. Deshalb
dürfte die zumutbare Anzahl Tiere höher sein. Bei der Beurteilung
spielen aber auch der Charakter des Quartiers (Lärmempfindlichkeit,
bestehende Belastungen, Dichte der Wohnnutzung, etc.) sowie die Lage
des Taubenschlags (mitten im Wohnquartier oder am Rande) eine Rolle.
Der von Tauben produzierte Mist fällt nicht unter die Umwelt-
schutzgesetzgebung. Bei der Beurteilung der Zonenkonformität spielt
er aber durchaus eine Rolle. Auch hier ist vor Ort zu prüfen, ob die
Einwirkungen übermässig oder stark störend sind.
Um das Vorhaben zu bewilligen, kann die Gemeinde Vorkehrungen
verlangen – etwa die Ausrichtung des Taubenschlags auf nicht oder
wenig bebautes Gebiet oder die Begrenzung der Freiflugzeiten.
Jessica Liniger, Praktikantin VLP-ASPAN
BERATUNG
VLP-ASPAN | Februar 2016 21
DIALOG SIEDLUNG
z.B. Brünnengut, Parkanlage
Annemarie StraumannJournalistin / Kommunikation VLP-ASPAN
Die Parkanlage Brünnengut in Bern ist gross, grün und abwechslungsreich. Sie schlägt Brücken zwischen Quartieren, ist grüne Lunge zwischen Hoch-häusern und Blockbauten und sozialer Schmelztiegel zugleich. Hier trifft man sich, atmet durch, trainiert, spielt, gärtnert und ruht – Brünnengut ist, was man «belebt» nennt. Die Stadt betreibt den Park in Zusammenarbeit mit den Quartierbewohnern.
VLP-ASPAN | Februar 201622
BRÜNNENGUT, BERN
«Im Sommer ist es hier rappelvoll», sagt Nathalie Her-
ren, bis im Februar dieses Jahres Geschäftsführerin
der Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem. Sie ist im
Stadtteil Bern-Bethlehem, 33'000 Einwohner, im Westen
Berns aufgewachsen. Selbst an diesem frostigen Winter-
tag, an dem wir durch den Park gehen, trifft man Men-
schen. Ein Vater spielt mit seinen Kindern auf einem
bunten Spielplatz, ein Junge purzelt die Rutschbahn her-
unter. Eine Joggerin überholt auf dem Fuss- und Veloweg
des Parks eine Rollstuhlfahrerin, und wird ihrerseits
von einem Velofahrer überholt. Dieser klingelt – doch er
war von weither sichtbar: Der Weg ist breit und weder
hinter Hecken noch Zäunen versteckt.
Wer nicht von Bern ist, kennt allenfalls das Ein-
kaufszentrum Westside, das vom Park aus in wenigen
Gehminuten erreichbar ist. Oder er ist ein Architektur-
liebhaber, der die angrenzenden Grossüberbauungen
Tscharnergut und Gäbelbach besucht hat, deren Wohn-
türme aus den 1950er und 1960er Jahren heute noch Ar-
chitekten und Städtebauer anziehen. Die Grosssiedlung
Tscharnergut war zu ihrer Zeit schweizweit ein Novum,
eine Satellitenstadt mit Hochhäusern, mehrgeschossi-
gen Häuserzeilen und Reihen-Einfamilienhäusern.
Umgeben von Pfeilern des Wohnungsbaus
Diese Pfeiler des sozialen Wohnungsbaus der Nach-
kriegszeit grenzen an den Park, der sie mit dem jüngst
entstandenen Brünnenquartier auf der anderen Seite
verbindet, wo vorwiegend der Mittelstand wohnt. Dahin-
ter beginnt das Land, ein Bauernhof ist entfernt erkenn-
bar. Einen solchen gibt es auch im Park. Nur wird hier
nicht mehr gebauert, sondern der ehemalige Bauernhof
dient als Clublokal für den FC Bethlehem. Auch gibt es
Wohnungen und ein öffentliches WC darin. Das Bauern-
haus wirkt anachronistisch, führt doch direkt im Boden
darunter die Autobahn A1 hindurch – ihr Surren vom
Tunnelportal jenseits des Parks ist hörbar.
Bern-Bethlehem vereine Stadt und Land, Urbanität
und Traditionelles, sagt Nathalie Herren. Dies gilt auch
für den Park. In dessen Zentrum steht ein Kulturerbe,
das namensgebende Brünnengut: Ein Landsitz-Ensemb-
le aus dem 17. Jahrhundert mit Herrenhaus, Bauernhof,
Pavillon und barocker Gartenanlage. Das Herrenhaus
Im Uhrzeigersinn: Die Lindenallee, der Fuss-ballrasen, das historische
Herren haus Brünnengut (von den Pflanzgärten aus
gesehen), und die alte Pfrund-scheune vor den Holenacker
Wohntürmen. Park-Fotos S. 21- 28: J. Poux, VLP-ASPAN.
VLP-ASPAN | Februar 2016 23
hat eine Zeit hinter sich, in der es als Erziehungsanstalt
für arme, elternlose Knaben diente. Heute wird darin
eine Kita betrieben.
In der Nähe ist ein Mitarbeiter eines Beschäf ti-
gungs programms dabei, mit einer Klammer ein Stück
Plastikabfall aufzupicken. Diese Grundreinigung wird
in Kooperation mit den Quartieren organisiert – ein
wichtiges Prinzip der Parkanlage: Die Stadt bezieht die
Bevölkerung in den Parkbetrieb ein. Für die soziokultu-
rellen Aktivitäten ist die Stiftung B zuständig. Sie koor-
diniert die Aktivitäten und Interessengruppen im Park
und führt einen virtuellen Auskunftschalter, das «Gui-
chet». Dieses wird von einem Quartierbewohner betreut.
Fleissig sind Quartierbewohner auch anderswo im
Park, im «Garten für die Fleissigen», wie Herren sagt.
Es ist dies kein klassischer Schrebergarten, sondern
ein Pflanzgarten mit Gemüse, Beeren und Blumen, der
Gartenhäuschen ausschliesst und von Gruppen gepflegt
wird. Anpacken und Früchte ernten können urbane
Hobbygärtner auch beim Bauernhaus und der alten
Pfrundscheune. Hier wurden 100 Hochstamm-Obstbäu-
me mit alten Sorten gepflanzt. So auch die alte Apfel-
sorte «Berner Rose». Sie war die Namensgeberin des Sie-
gerprojekts der Landschaftsarchitekten David Bosshard
(Bern) und Andreas Tremp (Zürich), die 2006 mit «Rose
de Berne» den Architekturwettbewerb für die Gestal-
tung des Parks gewannen.
VLP-ASPAN | Februar 201624
Für die gemütlicheren Zeitgenossen bietet der Park ei-
nen anderen Garten, den Primelgarten. Hier wachsen
locker Blumen.
Sportplätze sorgen für Grundnutzung
Nichtstun und Entspannen kann man auch in der Lin-
denallee, die den Park dreiseitig umfasst und viele
Sitzbänke bietet. Die Linden sind noch jung. Ihre vol-
le Pracht und Funktion als Schattenspender werden
Gartenjahr 2016
Dieses Jahr läuft die Kampagne «Gartenjahr 2016 – Raum für Begegnun-
gen». Die Träger, unter ihnen Landschaftsarchitekten und der Heimat-
schutz, machen auf die grosse Bedeutung der Gärten für eine hochwertige
Verdichtung aufmerksam. Unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset
finden 2016 Veranstaltungen in der ganzen Schweiz statt. Gemeinden und
andere Interessierte können sich mit eigenen Projekten beteiligen. Unter
anderem öffnen über 110 private Gärtnerinnen und Gärtner ihre Gartentore
während der Vegetationsperiode.
Teilnahmebedingungen und Veranstaltungen: www.gartenjahr2016.ch
BRÜNNENGUT, BERN
sie erst in ein paar Jahren entfalten. Doch schon jetzt
lässt sich unter den Linden bestens das Fussball- und
Trainingsfeld des FC Bethlehem überblicken. Die Sport-
plätze wurden nicht wie üblich mit hohen Zäunen abge-
trennt, sondern mit Stufen, auf denen man sitzen kann.
Auch im Winter beobachten von dort aus Leute, wie jun-
ge Männer und Frauen einen Ball kicken.
Abends trainiert der Fussballclub. Matches werden
ausgetragen. «Die Sportplätze sorgen für eine Grundnut-
zung», erklärt Herren. Die Landschaftarchitekten bau-
ten sie so, dass sie gut einsehbar sind.
Der ganze Park wirkt grosszügig, und bietet doch
Ecken, wo Jugendliche unter sich sein können. Es gibt
zudem einen Rasen mit fixen Grillstellen. Und auf
Wunsch der Anwohner der Quartiere wurde eine Wiese
für das grösste Feuer des Jahres eingeplant: Das traditi-
onelle 1. August-Feuer.
Am Rand des Brünnenparks sind die Bauarbeiten
für die Schulanlage Brünnen im Gang. Sie soll 2016 den
Betrieb aufnehmen. «Ich bin gespannt, wie sich die Schu-
le auf den Park auswirkt», sagt Herren. Die Kinder dürf-
ten ihn noch mehr beleben.
> Zur Planung des Parks: Interview auf Seite 25.
VLP-ASPAN | Februar 2016 25
IM INTERVIEW
Christoph Rossetti: «Im Nutzungskonzept wurde der Geist des Parks festgehalten»
Herr Rossetti, ist der Brünnenpark ein gutes Beispiel für eine Parkgestaltung?Ja, ich bin zufrieden damit. Es ist ein schöner Ort. Die
Gestaltung ist gelungen, der Park wird gut und vielfältig
genutzt. Ein Beispiel: Im Park finden Kunstaktivitäten
statt. Einmal hat ein Künstler einen Briefkasten instal-
liert, und die Quartierbewohner konnten Botschaften ab-
geben. Diese hat der Künstler dann im Park umgesetzt.
Wie sah es hier vor 20 Jahren aus, bevor es den Park gab?Das Brünnengut-Terrain gehörte rund 30 Grund eigen-
tümern. Es wurde landwirtschaftlich genutzt, war aber
Bauland und von der Autobahn durchschnitten. Der
Lärmpegel war hoch. Es gab den historischen Landsitz
Brünnen – Herrenhaus, Bauernhaus, Pavillon und Lust-
garten – sowie Schafhütten und weitere Bauten. Der
FC Bethlehem trainierte auf einem Stoppelfeld ohne
Beleuchtung.
Woher kam die Idee, hier einen Park zu konzipieren?Der Park war Teil des Stadtentwicklungsprojekts Brün-
nen. In Brünnen sollte ein neues Quartier mit Wohnraum
entstehen. 1991 gab das Stadtberner Stimm volk die Flä-
che zur Überbauung mit rund 1‘000 Wohnungen frei.
Die Neuüberbauung sollte dazu beitragen, öffentlichen
Raum für den ganzen Stadtteil Bern-Bethlehem zu schaf-
fen. Dazu schlug das Stadtplanungsamt der Stadt Bern
ein sozio-kulturelles Zentrum für die Quartiere rund um
den Landsitz Brünnengut vor. Der Landsitz sollte Teil
eines Parks werden, der das Neubauquartier Brünnen
mit den älteren Quartieren verbindet und rund 12'000
Einwohnerinnen und Einwohnern zur Verfügung steht.
Christoph Rossetti, stv. Bereichs leiter Stadt-
und Nutzungsplanung, begleitete die Gestaltung
der Brünnengut-Anlage als Planer im Berner Stadtplanungsamt.
An welche Nutzungen dachte man?Wir haben die Bedürfnisse der Quartierbewohnerinnen
und Quartierbewohner ermittelt. Die Stadt erarbeite-
te 1994/95 mit Interessengruppen wie der Quartier-
kommission Bümpliz-Bethlehem, dem Verein Landsitz
Brünnen, dem FC Bethlehem und der Präsidenten ko n-
ferenz der Bethlehemer Quartiervereine ein «Nutzungs-
konzept Brünnengut» aus. Darin stand, welche Akteure
den Park wie nutzen können, wer für diese Aktivitäten
zuständig sein sollte und sie betreuen würde. Zum Bei-
spiel wurden Bedürfnisse nach einem 1. August-Fest-
platz, einem privat mietbaren Gebäude für Feste, nach
Sportanlagen, Spiel- und Aufenthaltsorten sowie Pflanz-
VLP-ASPAN | Februar 201626
INTERVIEW
gärten im Park eingebracht. Im Nutzungskonzept wurde
der «Geist» des Parks festgehalten: Ein Park für die All-
gemeinheit, nicht nur für Einzelinteressen. Ein Park, der
durch die Quartierbewohner mitbetreut würde. Dazu
wurde eine Plattform eingerichtet – das heutige Gui-
chet, das die verschiedenen Aktivitäten koordiniert und
Anlaufstelle ist. Auch die Mobilität wurde diskutiert.
Es war zwar nicht ganz einfach, aber wir einigten uns
darauf, dass es keine Parkplätze im Park geben sollte,
sondern nur einige zusätzliche Parkplätze bei der Tram-
haltestelle neben dem Park.
Der Architekturwettbewerb wurde aber erst 2006 lanciert…Der Grund lag darin, dass die Immobilienkrise in den
1990er Jahren den Kanton Bern hart traf und die Finan-
zierung der Wohnüberbauung Brünnen lahmlegte. Es
entstand eine Pause von 10 Jahren. Erst 2006 konnten
wir dann einen kombinierten Ideen- und Projektwettbe-
werb durchführen. Der Ideenwettbewerb betraf die Ge-
staltung der Parkanlage Brünnengut, der Projektwettbe-
werb jene der Oberflächengestaltung der angrenzenden
Autobahnüberdeckung.
Was waren Must-Elemente des Wettbewerbs?Grundlage war das Nutzungskonzept von 1994/95. Wich-
tige Vorgaben waren, dass es eine Allmend geben sollte
– Flächen, die alle nutzen können. Es sollte ein urbaner
Freiraum mit hoher gestalterischer Qualität für unter-
schiedliche sozio-kulturelle Aktivitäten entstehen. Teile
Steckbrief Parkanlage BrünnengutQualitäten
� 5,5 Hektaren öffentliches Grün über einer Autobahn
� Teil des Entwicklungsgebiets Brünnen (1991/1999:
Planungsvorlagen vom Volk akzeptiert)
� Freizeit-, Sport- und Erholungsangebot (Eventbereich,
Fussballfelder, Lindenallee u.a.)
� Soziokulturelles Begegnungszentrum mehrerer
Quartiere (12‘000 Einw.)
� historischer Landsitz (Herrenhaus, Bauernhaus,
Pavillon, Barockgarten) integriert
� Streuobstwiese mit 100 Bäumen, Pflanzgärten für
Gruppen, ökologische Flächen
� Gemeinsamer Unterhalt durch Stadt und
Quartier bewohner
� Fuss- und Velowege (PW-Zubringerdienst möglich)
� Gute Anbindung mit öV (Tram, Bus, S-Bahn-Station
Brünnen-Westside)
Planungsgeschichte
1994/95: Nutzungskonzept (partizipativ)
06.2006: Wettbewerbsentscheid
08.2007: Projektierungskredit
01.2009: Baubewilligung
02.2009: Spatenstich
07.2010: Parkeröffnung mit Fest
VLP-ASPAN | Februar 2016 27
wurde beispielsweise auch, dass sie für ihre Wohn-
überbauungen öffentlich ausgeschriebene Projekt-
wettbewerbe nach sia-Ordnung durchführen und den
Bewohnerinnen und Bewohnern frei verfügbare Ge-
meinschaftsräume einrichten mussten; das war damals
noch nicht selbstverständlich.
Im Gegenzug durften die Grundeigentümer im Brün-
nenquartier statt nur 1,5 Geschosse neu vier bis fünf Ge-
schosse und ein Attikageschoss bauen. Einen Teil des
Mehrwerts, den sie durch diese Aufzonung gewannen,
schöpfte die Stadt also durch Sachleistungen ab, die die
Wohnqualität vor Ort steigerten. Der Mehrwert für die
Grundeigentümer war ja auch beträchtlich: Der Boden-
preis steigerte sich um ein Vielfaches. Die Stadt Bern
hat die Parkanlage für rund 3,3 Millionen und die Sport-
anlageteile für den Stadtteil Bethlehem zusätzlich für
2 Millionen Franken erstellt.
Sind weitere, ähnlich grosse Pärke in Bern geplant?Vier oder fünf sind angedacht. Am weitesten ist man
im Gebiet Viererfeld/Mittelfeld. Hier könnte auf einem
gros sen Teil des Areals eine Parkanlage entstehen.
Interview: Annemarie Straumann, VLP-ASPAN
www.bruennengut.ch
der Parkanlage sollten an künftige Bedürfnisse ange-
passt werden können. Die historischen Gebäude muss-
ten integriert werden. Zudem war zu gewährleisten,
dass die Parkanlage hindernisfrei zugänglich ist.
Was zeichnete das Siegerprojekt «Rose de Berne» aus? Die Gewinner, die Landschaftsarchitekten David Boss-
hard (Bern) und Andreas Tremp (Zürich), überzeugten
unter anderem mit der Idee, den Park mit einer Lindenal-
lee zu umgeben und gleichzeitig eine grosszügige, offene
Landschaft zu schaffen. Die Anordnung der Nutzungen,
die Art, wie der Landsitz integriert wurde, die Einfas-
sung der Sportplätze mit Stufen, auf denen man sitzen
kann, und die Idee, einen Hain mit raren Apfelbaum-
sorten (wie der Berner Rose) zu bepflanzen, gefielen der
Jury – in der auch Quartiervertreter sassen.
Wie wurde das ganze Parkprojekt finanziert?Die rund 30 Grundeigentümer hatten sich schon 1966
zu einer Umlegungsgemeinschaft zusammengeschlos-
sen, um das Gebiet entwickeln zu können. In der Folge
besass jeder nicht mehr ein bestimmtes Stück Land im
Gebiet Brünnen/Parkanlage Brünnengut, sondern einen
Quotenanteil am gesamten Landbesitz.
Die Stadt und die Grundbesitzer schlossen einen
Vertrag. Darin wurde vereinbart, dass die Grundeigen-
tümer das Land für den Park unentgeltlich abtreten,
ebenso das Bauernhaus. Im Neubauquartier Brünnen
bezahlte die Stadt einen Teil an die Groberschliessung,
die Grundeigentümer die Feinerschliessung. Vereinbart
Schweizerische Vereinigung
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Sulgenrain 20
CH-3007 Bern
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