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Gabi Hinkel

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Morbus Basedow - so wie ich ihn erlebte -

Wann alles anfing? Das kann ich heute gar nicht mehr so genau sagen. Irgendwann im Jahre 1998, zu diesem Zeitpunkt war ich 41 Jahre alt. Da ich jedoch in den Jahren zuvor einige Schicksalsschläge erlebte (u. a. der Verlust beider Eltern), schob ich die Symptome, die sich bei mir zeigten, auf die „Psychoschiene“. Ich war davon über-zeugt, dass ich mir nun psychologischen Beistand suchen müsste. Ich dachte: Bei dem was du alles in den vergangenen Jahren erlebt hast, muss ja mal der Zusam-menbruch kommen. Es fing eigentlich ganz „harmlos“ an: nämlich damit, dass ich plötzlich nicht mehr in der Lage war, nach Beendigung meines Halbtagsjobs, wie üblich, meine Einkäufe sofort zu erledigen. Ich fuhr lieber sofort nach Hause - und war total erledigt. Ich hatte immer öfters das Bedürfnis, mich mittags hinzulegen. Doch dem widerstand ich – schließlich musste ich ja meinen Haushalt noch führen. Es klappte aber trotzdem nicht mehr. Irgendwann war ich kaum noch in der Lage, mittags für meine Kinder zu kochen, die Wäscheberge türmten sich und und und…, kurz: es war das reinste Chaos. Meine Töchter waren beide mittendrin in der Pubertätsphase, was die Sache auch nicht gerade einfacher machte. Im Winter bemerkte ich, dass ich überhaupt nicht mehr fror – dies habe ich jedoch anfangs noch genossen. Gewohnt, mit einem zu niedrigen Blutdruck durchs Leben zu gehen und somit mehr oder weniger ständig zu frieren, fand ich es zur Abwechs-lung einfach mal „Klasse“ nun nicht mehr frieren zu müssen. Also wieder kein Zei-chen für mich, dass ich vielleicht doch einmal einen Arzt aufsuchen sollte… - ich dachte: Na, hat ja doch Vorteile wenn man älter wird, der Blutdruck scheint sich nun zu stabilisieren. Doch als ich dann von regelrechten „Schwitzanfällen“ überrascht wurde, fand ich das dann doch nicht mehr so toll. Ich überlegte: Sind das schon die Wechseljahre? Wäre das nicht etwas früh? Dann begannen plötzlich regelrechte „Zitteranfälle“ meiner Arme. Es wurde so schlimm, dass ich bei diesen Zitteranfällen versuchte, den einen Arm mit dem ande-ren Arm festzuhalten, um die Anfälle zu „unterdrücken“. Doch auch dies ließ mich noch nicht aufhorchen, um einen Arzt aufzusuchen. War ich doch immer noch der Meinung, dass ich einen Psychologen benötige – doch wie kommt man an einen gu-ten „ran“? Während der folgenden Monate wurde ich immer antriebsloser, konnte trotz übergro-ßer Müdigkeit schwer einschlafen bzw. nicht durchschlafen. Unkonzentriertheit ge-sellte sich dazu, gepaart mit großer Gereiztheit. Heulanfälle waren auch an der Ta-gesordnung – diese jedoch immer „im stillen Kämmerlein“. Inwieweit die „Heulanfälle“ mit MB zusammenhingen kann ich heute nicht mehr nachvollziehen – immerhin war ich ja zu diesem Zeitpunkt noch in Trauer um meinen Vater, der einige Monate zuvor gestorben war.

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Gabi Hinkel

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Nach wie vor schob ich meine Beschwerden auf die Psyche, konnte mich aber nicht dazu „aufraffen“, mir diesbezüglich Hilfe zu suchen. Ich hatte ständig das Gefühl, dass mir alles zuviel wurde. Meine Augen begannen „problematisch“ zu werden – ich hatte das Gefühl, dass meine Augen ständig überanstrengt seien, immer öfters hatte ich ein Fremdkörperge-fühl. Schwindelattacken überfielen mich. Sehr häufig hatte ich unter Kopfschmerzen zu leiden. Na, ja, dachte ich, muss halt mal beim Augenarzt anrufen und mir einen Termin ge-ben lassen… Die Kopfschmerzen habe ich auch nicht überbewertet – leide ich doch schon seit ungefähr meinem 14. Lebensjahr immer wieder unter Kopfschmerzatta-cken, das Gleiche galt für die Schwindelanfälle. In der folgenden Zeit bemerkte ich, dass ich kaum noch einem Gespräch folgen konnte, meine Arbeit fiel mir immer schwerer, ich konnte mich kaum noch konzentrie-ren. Nun, in diese Zeit fiel mein Entschluss ein paar Pfunde loszuwerden. Und wunderte mich darüber, dass, obwohl ich eigentlich kaum „Abstriche“ beim Essen machte (ich sparte eigentlich nur ein wenig Fett), die Pfunde nur so „purzelten“. Doch lange dau-erte meine „Diät“ nicht, sie war nicht mehr nötig: Bei Essenseinladungen mit Freunden, Verwandten, Bekannten kam ich mir immer sehr seltsam vor, wenn diese jammerten „sie seien so voll gegessen“ – und bei mir war immer noch so ein richtiges „Loch“ im Bauch. Ich habe „gefressen wie ein Scheunendrescher“ und nahm ab!! Endlich mal was Tol-les! Ach, habe ich mich gefreut, als ich in ein Bekleidungsgeschäft kam, die Verkäu-ferin mich anschaute und mir sagte: „Die kleinen Größen finden Sie aber nicht hier, die sind da hinten!“ Ich bekam starkes Herzklopfen, konnte mich zeitweise kaum noch aufrechterhalten. Aber immer noch der Gedanke im Hinterkopf: Die Psyche. Der Geburtstag meines Mannes nahte – und eigentlich wollte ich ein richtig tolles Fest organisieren, war es doch immerhin der 50. Doch weit gefehlt, inzwischen war ich kaum in der Lage irgendetwas zu organisieren, geschweige denn ein Essen für solch’ einen Anlass auf den Tisch zu bringen. Mir ging es von Tag zu Tag schlechter. Der Geburtstag wurde gefeiert (er war übrigens sehr schön, Essen haben wir vom Partyservice bringen lassen…) – und anschließend hatte ich Kopfschmerzen, die überhaupt nicht mehr weggingen, abgesehen von meinem sonstigen Allgemeinzu-stand, der ja immer schlechter wurde. Am ersten Tag dachte ich noch: ja, klar, du hast einen ausgewachsenen Kater! Einige Tage nach dem Geburtstag hatte ich wegen meiner Tochter einen Arzttermin beim Hausarzt. An diesem Tag ging es mir noch schlechter als die ganze Zeit vorher. Beim Arzt ließ ich mir den Blutdruck messen, da ich der Meinung war, dass dieser zu niedrig sei. Aber das Gegenteil war der Fall – der Blutdruck war viel zu hoch. Nun begannen jede Menge Arztbesuche mit den üblichen Untersuchungen – und ich war

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regelrecht erleichtert, dass der Arzt „das Heft in die Hand nahm“ und mir sagte, was ich nun zu tun habe. Ich hatte Glück im Unglück – die Diagnose MB war relativ schnell gestellt. Nachdem die Diagnose gesichert war sagte der Doc zu mir: „Sie haben Glück ge-habt, dass so schnell festgestellt wurde, an was Sie leiden. Sie wären nicht die erste Patientin mit dieser Diagnose, die in der Nervenklinik landet - er selber habe so einen Fall bereits erlebt.“ Ich wunderte mich damals darüber, dass jeder Arzt, den ich während dieser Zeit auf-suchte, darauf drang, dass ich zum Augenarzt gehen solle. Okay, ich hatte Probleme mit den Augen, aber die nahm ich zum damaligen Zeitpunkt nicht sehr ernst – und sah sie auch nicht im Zusammenhang mit meiner Erkrankung. Ich dachte: eine neue Brille und dann ist es wieder okay. Es drückte sich auch kein Arzt klar genug mir gegenüber darüber aus, welche Prob-leme ich mit den Augen bekommen könnte. Und ich war viel zu schwach, um von mir aus nachzufragen. Auch meine immer größer werdende Vergesslichkeit spielte hier eine große Rolle. Die Fragen, die ich mir zuhause „im Kopf“ zurecht legte, hatte ich unter Garantie, bis ich im Sprechzimmer des Arztes war, vergessen. Mein Arzt gab mir einmal den Tipp, alle Fragen, die mir auf dem Herzen liegen wür-den, auf einen Zettel zu schreiben und diesen dann zu den Terminen mitzunehmen. Ein sehr guter Tipp! Aber was nützt er mir, wenn ich den Zettel zu Hause verges-se??? Die Probleme mit den Augen wurden stärker. Abgesehen von dem Fremdkörperge-fühl, dass ich nun fast ständig verspürte, begannen die Augen zu tränen, ich verspür-te immer wieder so etwas wie „kleine Nadelstiche“ sowie einen starken Druck, die Augen waren ständig gerötet, dazu die extreme Lichtempfindlichkeit. Morgens nach dem Aufstehen hatte ich besonders große Probleme. Ich sah Doppelbilder, Gott sei Dank jedoch nicht durchgehend, wie viele andere Betroffene. Die Augenlider waren, vor allem morgens, stark „verquollen“ und wie „zugeklebt“, die Augen standen hervor, im Volksmund sagt man dazu auch: Frosch- oder Glubschaugen, sehr nett. Ich hatte immer öfters Probleme damit, die Augen morgens überhaupt öffnen zu können. Im Laufe des Tages, in der Regel nachmittags, wurde der Zustand meiner Augen meist etwas besser. Die Diagnose: Endokrine Orbitophatie – kurz: EO, die in Verbindung mit Morbus Ba-sedow auftreten kann. Auch zu diesem Zeitpunkt meiner Erkrankung habe ich mich nicht krankschreiben lassen, obwohl ich morgens meist nicht wusste, wie ich den kommenden Tag über-stehen sollte. Jeder neue Tag stand wie ein großer Berg vor mir. Am liebsten hätte ich morgens die Augen gar nicht aufgemacht. Ich war jedoch der Meinung, dass es für mich – trotz allem – besser ist, meiner Arbeit nachzugehen. Ich hatte sehr große Angst davor, dass das Loch, in dem ich mich befand noch größer würde, wenn ich nicht zur Arbeit gehen würde. Ich hatte nur immer den einen Gedanken: Du darfst dich nicht hängen lassen!

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Um mich „nicht hängen zu lassen“ habe ich mir für mich folgendes „Programm“ für mich zurechtgelegt: Ich habe mir jeden Tag ganz bewusst überlegt, mit was ich mir heute eine Freude machen kann, dies habe ich konsequent durchgeführt. Dies konnten ganz unter-schiedliche Dinge sein: eine Freundin besuchen, Musik hören, ein Wannenbad neh-men usw. Dies hat mir sehr geholfen. Ich bekam Durchfall. Sobald ich etwas gegessen hatte, musste ich auch schon zur Toilette. Anschließend knurrte wieder mein Magen und wollte „gefüllt“ werden. Wenn ich aus dem Haus musste, z. B. zum Einkaufen wollte dies gut geplant sein, am Bes-ten gleich, nachdem ich auf der Toilette war, dann war die Chance am größten, dass ich „unbeschadet“ meine Einkäufe erledigen konnte. Das für mich Peinlichste, was mir während dieser Zeit geschah, passierte mir beim Einkauf. Ich stand bereits an der Kasse und wollte zahlen. Hinter mir eine Schlange. Ich verspürte diesen Druck – und schon war es passiert. Es war fürchterlich, mein Gott, wie habe ich mich ge-schämt. Dann musste ich mich auch noch in das Auto setzen und nach Hause fah-ren. Für meine Augen bekam ich Retrobulbärbestrahlung. Meine Augenärztin war jedoch dagegen, sie meinte dies wäre zu früh. Aber sie muss ja auch nicht mit solchen Au-gen rumlaufen. Eine richtige Aufklärung, was es mit der Bestrahlung eigentlich auf sich hat, habe ich nicht bekommen. Auf meine Frage, wenn ich die Behandlung nicht machen würde was dann passieren würde, bzw. Infos über evtl. Nebenwirkungen wenn ich der Be-handlung zustimme, bekam ich zur Antwort: Wenn ich diese Behandlung nicht mache, könne ich blind werden, wenn ich sie ma-chen lasse, könne ich in etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren an einem Gehirn-tumor erkranken. Schluck… Ich habe mich für die Bestrahlung entschieden. Die Angst vor einer Erblindung war viel größer als die Angst vor einem evtl. Gehirntumor in zwanzig Jahren. Ich hatte auch keine Kraft mehr, weitere Informationen einzuholen oder mich gegen irgendet-was aufzulehnen. Ich hoffte einfach, dass die Ärzte mir helfen können. In dem Zu-stand, indem ich mich befand, hätte ich alles mit mir machen lassen, was mir nur ir-gendwie Hilfe versprach. Die Therapie hat nicht geholfen. Außer dass es mir noch schlechter ging als zuvor, sehr starke Kopfschmerzen plagten mich während dieser Zeit. Es hieß mal wieder: Sie brauchen Geduld, Geduld, Geduld. Aber dies ist manchmal verdammt schwer. Irgendwann bekam ich dann auch noch Haarausfall. Die Haare lagen büschelweise im Waschbecken. Ich habe einen Kurzhaarschnitt. Da fallen die kleinen „Löcher“ schnell auf.

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Im August 2000 wurde ich endlich operiert – für mich ein Tag, den ich lange herbei-gesehnt habe. Eine Radiojodtherapie kam auf Anraten der behandelnden Ärzte für mich wegen meiner Augen nie in Frage. Hätte ich vermutlich auch nicht gemacht, wenn ich das Augenproblem nicht gehabt hätte. Ich stelle es mir einfach schrecklich vor, „eingesperrt“ zu werden. Für meine Augen bekam ich während der OP Kortison zugeführt. Meine größte Angst vor der Operation war, dass meine Stimmbänder verletzt werden könnten. Der operierende Arzt, mit dem ich vorher ein Gespräch führen konnte, hatte auch großes Verständnis für diese Angst, es sei ja auch die größte Gefahr bei dieser OP. Er versprach mir, sein Bestes zu geben, damit meine Stimmbänder nicht verletzt würden. Nach der Operation, ich war noch im Halbschlaf, wurde ich angesprochen und sollte ein Wort, was mir vorgesagt wurde, wiederholen. Habe ich meiner Meinung nach auch getan. Dann verspürte ich eine große Aufregung um mich herum. Ich wurde aufgefordert, ein weiteres Wort zu sagen. Auch dies tat ich, zumindest dachte ich dies. Ich hörte, wie jemand etwas über meine Stimme sagte. Die Aufregung um mich herum wurde immer größer, es wurde nach dem Chefarzt gerufen. Ich bekam dies alles ziemlich unbeteiligt mit, dachte nur: „So, jetzt ist also das einge-treten, wovor du am meisten Angst hattest.“ Es war, als ob ich „neben mir stand“. Danach war ich wieder „weg“ und vermag nicht mehr zu sagen, was dann passierte. In den Tagen danach ging es mir ziemlich schnell besser – besser als lange Zeit da-vor. Nur meine Stimme. Ich wachte morgens auf und konnte nicht sprechen. Ich wur-de etwas gefragt – und bekam keinen Ton heraus, so sehr ich mich auch bemühte. Meine Stimmbänder wurden untersucht, alles okay. Evtl. eine Überreizung durch die OP. Das Phänomen: Meist gegen Mittag konnte ich plötzlich wieder sprechen. Ich hatte zwar nicht meine „normale“ Lautstärke – aber immerhin. Dieser Zustand hielt mehrere Wochen an. Es war ein fürchterliches Gefühl, wenn das Telefon klingelte – und ich konnte mich nicht melden. Ich konnte ja nicht sprechen. Über mehrere Wochen hinweg fühlte ich mich vormittags total hilflos und alleingelas-sen. Es war ja nicht nur das „Nicht-sprechen“ können, meine Augenprobleme waren ja auch noch da. Mein Hausarzt empfahl mir damals, dass ich nachts aufstehen solle und mich für et-wa ½ Stunde hinsetzen solle. Vielleicht würde es dann mit der Stimme besser. Dies habe ich zwei Nächte lang ausprobiert – ohne Erfolg. Dann habe ich es nicht mehr eingesehen. Nun wo ich endlich in der Lage war ein paar Stunden am Stück zu schlafen, soll ich mir den Wecker stellen und mitten in der Nacht aufstehen?? Nee, ohne mich!

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Für meine Kinder hatte das Ganze einen angenehmen Nebeneffekt – wenn nun ihre „Erziehungsberechtigte“ ausrastete, tat sie es wenigstens leise… Kurze Zeit nach der Operation bekam ich das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin, da ja meine nicht existierende Schilddrüse nun keine Hormone mehr produzieren kann. Mehre Male bin ich während der folgenden Zeit in eine Unterfunktion „gerutscht“ – mit all’ diesen „netten“ Erscheinungen… Allerdings empfand ich die Nebenwirkungen der Unterfunktion nie so schlimm wie die Zeit der Überfunktion! Meine Augenprobleme waren nie ganz weg, doch erträglich. Geblieben ist vor allem eine starke Lichtempfindlichkeit. Eine sehr dunkle Sonnenbrille, mit der ich zwar nicht in einem Schönheitsbewerb den ersten Platz gewinnen kann, half (und hilft) mir über diese Empfindlichkeit weg. Vergesse ich meine „Mafiosi-Brille“ bei Sonneneinstrah-lung (oft aber auch bei „bedecktem“ Himmel) aufzusetzen, spüre ich sofort eine Ver-schlechterung meiner Augen. Auch jede Art von Aufregung, Stress (positiv und nega-tiv) und Hektik spüre ich sofort an meinen Augen. Ich bin bis heute nicht so belastbar wie vor meiner Erkrankung. Während ich früher mehrere Dinge gleichzeitig erledigen konnte, muss ich heute darauf achten, alles „schön der Reihe nach“ zu erledigen. Ich habe inzwischen weitgehendst gelernt, meinen Alltag möglichst stressfrei zu ges-talten. Wichtig hierbei ist vor allem auch das „Nein-sagen“ zu lernen. Im Sommer 2002 verstärkten sich wieder meine Augenprobleme. Ich konnte mich kaum draußen aufhalten, da dies den Druck verstärkte. Auch mein Allgemeinzustand wurde immer schlechter. Ich dachte zunächst, dass dies mit der vielen Arbeit bei meiner Arbeitsstelle zu tun hätte und versuchte, mir wenigstens zuhause keinen Stress zu machen. Ich ließ mein Blut untersuchen, die Schilddrüsenwerte waren okay. Einen Termin zur Untersuchung beim Augenarzt bekam ich erst für den Monat Dezember! Inzwischen war es November: Die Schmerzen in den Augen wurden von Tag zu Tag schlimmer, der Druck immer größer. Mein Mann fuhr mich in die Augenklinik, dort wurde der Augeninnendruck überprüft, der war okay. Als ich dem behandelnden Arzt in der Klinik von meiner be-stehenden Erkrankung erzählte, merkte ich, dass er keine Ahnung von dieser Er-krankung hatte! Die Tropfen, die er mir verschrieb, halfen mir jedoch. Es ging wieder etwas besser. Ich hatte keine Kraft mehr. Dann fingen wieder die Doppelbilder an. Wenn auch im-mer nur Minutenweise – ich geriet in Panik. So hat es ja schon einmal angefangen. Die Augen standen wieder weiter vor. Mir wurde nochmals Blut abgenommen – alle Werte im grünen Bereich. Abends konnte ich nicht mehr lesen, ich sah immer öfters verschwommen bzw. Doppelbilder. Dezember 2002:

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Inzwischen Besuch bei der Augenärztin: Sie meinte, es sei alles nicht so schlimm und ich soll mir vor allem Ruhe gönnen, keinen Stress – und Geduld. Das Übliche halt. Na, Klasse – ich habe aber keine Geduld mehr, ich möchte endlich, dass es mir wieder wirklich gut geht!!! Und eine neue Brille will sie mir wieder nicht ver-schreiben. Ihre Begründung: Die Augen würden sich ja noch verändern. Dies höre ich jedoch schon seit zwei Jahren. Aber sie sagt mir nicht, wie ich meinen Job ausüben soll, wenn ich solche Probleme beim Lesen habe. Ich fühle mich von der Ärztin nicht ernst genommen. In diesem Moment wünschte ich, dass diese Ärztin EO hätte, dann wüsste sie wenigstens wie das ist – und würde keinem Patienten mehr sagen, dass es „nicht schlimm“ sei! Vom Hausarzt bekam ich Antidepressiva-Spritzen, die mir zumindest halfen, meine Ängste, die ich ja verständlicherweise hatte, zu unterdrücken. Er meinte, ich müsse erst einmal zur Ruhe kommen, bevor eine Entscheidung getroffen wird, wie es wei-tergehen solle. Und die könne ich nur treffen, wenn es mir psychisch einigermaßen gut geht. Und dabei sollen mir die Spritzen helfen. Und sie haben geholfen, weil ich in der Tat eine totale depressive Phase hatte. Ich bin normalerweise ein sehr positiv denkender Mensch. Dies hat mir auch die ganzen Jahre geholfen, mit dieser Erkrankung fertig zu werden. Ich denke auch, dass ich ein Mensch mit Humor bin – und lache sehr gerne. Nicht umsonst erkennen mich Verwandte, Freunde und Bekannte stets am Lachen. Aber während dieser Zeit habe ich noch nicht mal mehr lachen können. Und nicht mehr lachen können, emp-fand ich als Katastrophe. Nun, die Spritzen haben mir geholfen: Ich konnte endlich wieder vorwärts schauen und habe vor allem auch meinen Humor wieder gefunden. Dafür bin ich sehr dank-bar. Doch meinen Augen und meinen sonstigen körperlichen Beschwerden haben die Spritzen nicht geholfen. Wie auch? Diese Beschwerden hingen ja nicht mit der Psy-che zusammen. Im Januar merkte ich, dass ich ein Schwächegefühl in den Beinen bekam, sie fingen regelrecht an zu zittern. Dies verstärkte sich, wenn ich mich hinleg-te. Außerdem war mein Blutdruck erhöht. Ich hatte Schlafprobleme, tagsüber war ich müde, tagsüber an Schlaf war jedoch nicht zu denken. Sobald ich mich hinlegte, ver-spürte ich eine totale innere Unruhe. Ich hatte Angst einzuschlafen – wegen der Doppelbilder, die ich ja beim Aufwachen wieder sehen würde. Ich hatte mal wieder das Gefühl, dass ich von Tag zu Tag schwächer würde. Die Schilddrüsenwerte wurden nochmals untersucht. Das Ergebnis: Eine Unterfunk-tion. Oh, war ich froh, dass nun endlich ein Grund für mein „Unwohlsein“ gefunden wurde!! Man kommt sich als ziemlicher Hypochonder vor, wenn man Symptome hat, doch es ist nichts nachweisbar, man traut sich fast nicht mehr zum Arzt. Nun „durfte“ ich endlich meine Schilddrüsenhormone erhöhen. Schon wenige Tage nach der Erhöhung der Schilddrüsenhormone verspürte ich eine Besserung - sowohl an meinen Augen als auch an meinem Allgemeinzustand. Eine Unterfunktion sollte

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vor allem auch wegen der Augen vermieden werden, da dies die Probleme verstär-ken. Kontinuierlich hat sich seitdem mein Zustand verbessert, dachte ich. Auch wenn der Druck hinter den Augen fast immer da war, er war zumindest einigermaßen erträg-lich. Doch ein paar Tage vor dem Pfingstfest merkte ich, wie der Druck sich wieder verstärkte, auch die morgendlichen Probleme nahmen zu. Immer öfters bekam ich Sehstörungen: Doppelbilder, verschwommenes Sehen, das Gefühl, dass von hinten jemand mit Nadeln in meine Augen sticht. Abends war es mir wieder kaum noch möglich, etwas zu lesen. Ich habe immer öfter das Gefühl, dass meine Augen „mir nicht gehorchen“. Am Pfingstsamstag arbeitete ich vormittags im Garten. Es war ein sehr sonniger und heißer Tag. Obwohl ich wusste, dass die Sonne meinen Augen trotz Sonnenbrille nicht gut tut, fand ich kein Ende. Mein Mann schimpfte bereits mit mir, ich solle nun Schluss machen. Ich wollte aber doch wenigstens noch den Vorgarten in Ordnung bringen. Was habe ich von den schönen Blumen, wenn man sie vor Unkraut kaum noch sieht? Kaum habe ich meine Arbeit beendet, spürte ich, wie der Druck hinter meinen Augen immer massiver wurde. Ich legte mich hin, versuchte, den Nachmittag ruhig zu ges-talten. Abends waren wir bei Freunden zum Grillen eingeladen. Am liebsten wäre ich nicht hingegangen, so schlecht fühlte ich mich. Doch wollte ich nicht absagen, weil ich mich auf der anderen Seite mal wieder freute, mit meinen Freunden zusammen zu sein. Die „Druck-Schmerzen“ wurden immer schlimmer und wir sind dann auch relativ früh wieder nach Hause gegangen. Die Pfingsttage verbrachte ich bewusst sehr ruhig, in der Hoffnung, dass sich meine Augen wieder beruhigen würden. Ich dachte, dass mir dies geglückt sei. So bin ich am ersten Arbeitstag nach Pfings-ten wie gewohnt zu meiner Arbeitsstelle gefahren. Meine Augen verhielten sich rela-tiv ruhig. Erst als ich zuhause war, verstärkten sich die Probleme wieder. Am nächsten Morgen bekam ich beim Aufwachen massive Probleme. Zu dem oben bereits beschriebenen Symptomen kam nun ein weiteres hinzu: Auf dem linken Auge sah ich zur Hälfte nur noch wie durch einen dichten Nebel. Meinem Mann verschwieg ich das, er sollte sich nicht weiter beunruhigen. Nachdem sich die Symptome einigermaßen gelegt haben (Gott sei Dank sind sie ja nicht durchgehend!!) fuhr ich zum Augenarzt (habe inzwischen den Augenarzt gewech-selt). Nach einer gründlichen Untersuchung erklärte er mir, dass er „augenärztlich“ mir nicht helfen könne. Er sprach von einer OP, die mir evtl. helfen könne. Weiter empfahl er mir einen Endokrinologen aufzusuchen. Mit einem Bericht für den Haus-arzt verließ ich die Praxis. Mein Hausarzt zeigte sich bei meinem Besuch bei ihm sehr verständnisvoll und ein-fühlsam. Für folgenden Satz hätte ich ihn am liebsten umarmt: “Durch Ihre Erkrankung sind Sie ja sehr in Ihrem Leben eingeschränkt!“

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Ich musste ihm leider Recht geben: Ich kann mich nicht solange draußen aufhalten, wie ich es gerne möchte (vor allem nicht an so wunderschönen sonnigen Tagen, wie wir sie derzeit haben), ich kann nicht lesen wie ich es möchte, bei jedem Schritt ver-spüre ich den Druck, ein Gläschen Bier trinken, wenn man in Gesellschaft ist? Auch das geht nicht mehr. Denn auch jedes Glas Alkohol spüre ich an meinen Augen. Da-her trinke ich nur noch dann Alkohol, wenn ich weiß, dass ich am nächsten Tag nicht zur Arbeit muss. Aber auf alles möchte ich eben auch nicht verzichten. Jede Freizeit-gestaltung will geplant sein, es könnte ja in Stress oder Hektik ausarten – die Augen könnten wieder „aufmucken“. Es ist eine Erkrankung, unter der nicht nur der Betrof-fene leidet, sondern auch die gesamte Familie bzw. das gesamte Umfeld des Betrof-fenen. Ich fühlte mich vom Hausarzt sehr verstanden, dies hat unendlich gut getan.

Mit einer Überweisung für den Endokrinologen ausgestattet verließ ich die Praxis. Am nächsten Morgen passierte mir, als ich mir einen Termin geben wollte, Folgen-des:

Anruf bei erstem Arzt: „Ich kann Ihnen keinen Termin geben, da Sie kein Privat-

patient sind!“ – Was, und dies in einem Städtischen Kran-kenhaus?

Anruf bei zweitem Arzt: Ein Tonband meldet sich: Drücken Sie „die- und die Nr.“, wenn Sie „dieses und jenes“ möchten“, wenn Sie keine Nr. drücken, werden Sie verbunden, sobald ein Arbeits-platz frei ist. Musik. [Ja bin ich hier denn bei AOL oder T-Online gelandet???] Ich drückte jedenfalls keine Nr. Mehrmals wiederholte sich das Ganze. Ich war etwa ¼ Stunde am Telefon, bis ich endlich eine „richtige“ Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören bekam.Ergebnis dieses Gesprächs: Termin erst im September!!!

Anruf bei drittem Arzt: Eine freundliche Stimme meldet sich, fragt nach meinem Anliegen, ich antworte, Gegenfrage: Welche Diagnose steht auf Ihrem Überwei-sungsschein, würden Sie mir dies bitte vorlesen? Ich lese vor – und bekomme einen Termin für den kommenden Dienstag! (Das Gespräch fand am Freitag statt). Also, so geht es also auch!! – Keine Unterscheidung zwi-schen Privat- und Kassenpatient sondern Unterscheidung nach Diagnose!! SUPER!! – Lässt einen ja direkt hoffen!

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Dies ist für den Moment das Ende meiner Geschichte. Wie es weitergeht: OP ja oder nein, vermag ich im Moment noch nicht zu sagen. Ich werde nun erst einmal meinen Termin beim Endokrinologen wahrnehmen, um seine Meinung einzuholen. Bekannt ist mir, vor allem durch die Homepage

http://www.morbusbasedow.de/Index.html,

dass es in Wesseling eine Klinik gibt, die sich auf „EO-Operationen“ spezialisiert hat.

Adresse: http://www.krankenhaus-wesseling.de/ Wichtig für mich ist mir vor allem, dass ich eine Entscheidung treffe, hinter der ich voll und ganz stehe. Denn auch wenn dies, zumindest in der Klinik in Wesseling, bisher wohl noch nicht passiert ist: Das Risiko einer Erblindung bei dieser OP ist nun einmal da. Auf der anderen Seite sehe ich in einer OP auch die Chance, dass es mir mal wieder endlich richtig gut geht. Denn so langsam bin ich mit meiner Geduld tatsäch-lich am Ende.

© Gabi Hinkel, 14. Juni 2003 Fortsetzung Bevor ich mit meiner Geschichte an dieser Stelle fortfahre, möchte ich eigentlich noch mal in die Vergangenheit schauen. Denn es gab wohl bereits sehr viel früher Anzeichen dafür, dass ich Probleme mit der Schilddrüse habe bzw. einmal bekom-men würde. Der erste Hinweis dafür war als ich noch ein junges Mädchen war, so ungefähr 16 Jahre jung. Ich wurde von meiner damaligen Hausärztin zur „Schilddrüsenärztin“ (so wurde diese Ärztin landläufig genannt) geschickt. Ich weiß noch, dass ich zwei oder drei Tage hintereinander morgens nüchtern dort in der Praxis erscheinen musste, an einzelne Untersuchungen kann ich mich nicht mehr erinnern. Genauso wenig kann ich mich daran erinnern, aus welchem Grund ich zu dieser Ärztin geschickt wurde. Diese Ärztin „entließ“ mich nach Abschluss der Untersuchungen mit folgenden Wor-ten: „Ich könnte Ihnen jetzt etwas verschreiben, doch das müssten Sie dann Ihr gan-zes Leben einnehmen, dazu sind Sie noch zu jung.“ Komischerweise habe ich diese Worte der Ärztin noch heute „im Ohr“, aber die Diagnose, die diese Ärztin stellte, weiß ich nicht mehr. Der zweite Hinweis erfolgte, als ich etwa 28 Jahre jung war, meine älteste Tochter muss ungefähr zwei Jahre alt gewesen sein, als ich an einem Mittwochnachmittag den Arzt, der an diesem Nachmittag Notdienst hatte, wegen meiner Tochter anrufen musste. Dieser Arzt machte einen Hausbesuch, schaute mich bei der Verabschie-dung an und bemerkte: „Sie sollten sich einmal die Schilddrüse untersuchen lassen.“ Aber ich hatte ja keine Beschwerden – also habe ich meine Schilddrüse auch nicht untersuchen lassen. Wer begibt sich schon „freiwillig“ in „die Höhle des Löwen?“

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Ein weiterer Aspekt, der wohl auf die damals nicht richtig arbeitende Schilddrüse zu-rückzuführen war, folgte als meine beiden heute 20 und 18 Jahre alten Töchter im Kleinkind- und Kindergartenalter waren, aber auch noch während ihrer Grundschul-zeit. Ich hatte während dieser Zeit einen extrem guten Appetit. Mein Mann konnte es oftmals nicht begreifen – wie oft sagte er: „Ich versteh’ das nicht, nachdem was du isst, müsstest du eigentlich total dick sein.“ Meine Portionen auf dem Teller waren in der Regel wesentlich größer als die meines Mannes… Und ins Bett gehen, ohne noch einmal eine Mahlzeit zu mir zu nehmen? O, weia, ich wäre ja glatt über Nacht verhungert. Wie oft stellte ich mich abends um 22.00 Uhr noch in die Küche und kochte mir etwas, meistens Spaghetti mit Sahnesoße. Manchmal hatte ich auch Glück und es war noch ein ausreichend großer Rest zum Aufwärmen da. Wenn ich während dieser Zeit „normal“ gegessen habe (also wirklich nur nach mei-nem Hungergefühl), nahm ich innerhalb einer Woche drei bis vier Kilogramm ab. Dann bemerkte ich, dass ich so richtig „zappelig“ und nervös wurde. Also sagte ich mir: das Gewicht ist definitiv zu wenig für dich, musst wieder was zunehmen. Also legte ich eine „Fresswoche“ ein, um diese drei bis vier Kilo wieder auf meine Rippen zu bekommen – mit so richtig viel schönen kalorienreichen Dingen. Hatte ich mein „Wohlfühlgewicht“ ging es mir wieder besser. Dies war wie ein Kreislauf, es ging über mehrere Jahre hinweg. Ich hielt dies jedoch damals für normal. Hatte ich doch zwei sehr süße, aber auch eben sehr lebhafte kleine Mädchen. Die hielten mich ja auch ständig in Trab. Meine damalige Hausärztin hielt mein Gewicht jedoch nicht für „normal“, sie wollte mich mit schöner Regelmäßigkeit zur Kur schicken. Zu einer ‚Mutter- und Kind-Kur’. Ich lehnte jedoch mit der gleichen Regelmäßigkeit ab mit der Begründung: „Wenn Sie mir eine ‚Mutter- ohne Kind-Kur’ anbieten können gerne, ansonsten nicht.“ Es wäre für uns jedoch damals kaum möglich gewesen, unsere Kinder in andere Hände zu geben. Und die Kinder bei einer Kur dabei zu haben – da sah ich damals für mich keine Chance, mich zu erholen. Vielleicht war es ein „Denkfehler“, ich weiß es nicht. Aber egal, ist vorbei. Auch hatte ich immer mal wieder kurze Phasen, in denen ich etwas verstärkten Haarausfall hatte, der vor allem auch beim Friseur bemerkt wurde. Diesen Haaraus-fall bekam ich jedoch immer wieder mit einem „Friseurmittel“ in den Griff. Also kein Grund zur Sorge!

© Gabi Hinkel, 24.06.2003 Nun aber zurück zur Gegenwart: Mein Besuch beim Endokrinologen war erfolgreich. Erfolgreich insofern, dass ich mich sehr gut „aufgehoben“ fühlte und mich ernst genommen fühlte. Erst einmal folg-ten die üblichen Untersuchungen, zum Abschluss wurde ich zu einem Gespräch mit dem Professor gebeten. Es zeigte sich im Verlauf des Gespräches, dass die Klinik auch Erfahrung mit „Wesseling-Patienten“ hat, da von hier aus bereits mehrere Leute zur Operation dorthin geschickt wurden.

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In meinem Fall meinte der Professor jedoch, dass man, bevor man sich zur OP ent-scheiden würde, erst einmal noch andere Maßnahmen ausprobieren solle. Eine Ope-ration sei doch ein massiver Eingriff und nicht immer zufrieden stellend. Aber abge-sehen davon sollte eine OP im aktiven Stadium der Erkrankung ja eigentlich sowieso nicht stattfinden. Es sei denn, dass das Augenlicht stark gefährdet ist. Und dies ist bei mir – Gott sei Dank! – nicht der Fall. Er schlug eine nochmalige Retrobulbär-bestrahlung vor, da die Dosis der ersten beiden Serien, die ich bereits erhalten habe, nicht sehr hoch gewesen seien und man daher bedenkenlos nochmals diese Thera-pie wiederholen könne. Hiermit war ich jedoch nicht einverstanden. Kann ich mich doch zu gut noch daran erinnern, wie schlecht es mir damals gegangen ist – und Er-folg hatte das Ganze ja damals nicht gezeigt. Außerdem, wie ich inzwischen weiß, wird das Gewebe im Augenhintergrund durch diese Bestrahlung verhärtet, was eine evtl. spätere Operation erschweren würde. Daraufhin schlug er eine Cortison-Therapie vor, mit der ich mich auch schnell einver-standen erklärte. Selbst auf die Gefahr der bekannten Nebenwirkungen hin, aber die in der Regel nach Absetzen der Tabletten wieder verschwinden. Was bleibt mir letzt-endlich anderes übrig? Nun nehme ich also Cortison. Ob es tatsächlich eine langfristige Besserung meiner Augen bringt? Ich weiß es nicht. Momentan sieht die Situation bei mir folgenderma-ßen aus: • Die Sehstörungen und Doppelbilder sind weniger geworden, d. h. sie erschei-

nen momentan wirklich nur nach dem Aufwachen.

• Wenn ich morgens aufwache habe ich für ca. ein bis zwei Stunden einen „frei-en Kopf“, d. h. ich verspüre während dieser Zeit weder diesen altbekannten Druck hinter den Augen noch die damit verbundenen Kopfschmerzen. Danach sind diese Beschwerden jedoch wieder da, allerdings nicht ganz so ausge-prägt.

• Wenn ich in den Spiegel schaue, habe ich das Gefühl, dass eine Änderung an

meinen Augen zu sehen ist – die Schwellung der Augenlider scheint leicht zu-rückgegangen zu sein, doch meine ich auch, dass ich anfange zu schielen (am rechten Auge), auch meine ich, dass das rechte Auge wieder etwas mehr hervorsteht. Oder bilde ich mir das schon langsam ein? Ständig renne ich zum Spiegel und schaue mir die Augen an, weil ich herausfinden will, ob es wirk-lich so ist. Ich bin mal wieder froh, dass ich „sowieso“ Brillenträgerin bin: Zu-mindest bilde ich mir ein, dass man durch meine Brille nicht so genau den Zu-stand meiner Augen sieht. Die Brille gibt mir ein Stückchen „Sicherheit“, wie schon die ganzen Jahre zuvor.

• Fühle mich in dem einen Moment noch so, dass ich meine „Bäume ausreißen“

zu können, im nächsten Moment stelle ich fest, dass es jedoch nur „Bonsai-Bäumchen“ sind und muss mich dann sofort hinlegen.

• Ich leider unter Schwindelattacken - liegt es am Cortison oder „spinnen“ mal

wieder die Hormone? – oder liegt es ganz einfach an der unerträglichen Schwüle?

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• Im großen Ganzen „hänge ich nur so rum“. Mit Müh’ und Not schaffe ich es,

täglich wenigstens ein bisschen aufzuräumen und mich um „meine“ Blumen zu kümmern, allerdings sehr „notdürftig“.

• Im Laufe der nächsten Wochen geht es mir immer schlechter, ich fühle mich

von Tag zu Tag schwächer. Mein gesamter Kopf schmerzt: „Normale Kopf-schmerzen“, der Druck hinter den Augen, das gesamte Gesicht schmerzt. Es gibt keine einzige Stelle an meinem Kopf die schmerzfrei ist. Die Gesichts-schmerzen führt der Endokrinologe auf das Cortison zurück – mit der Begrün-dung, dass sich durch das Cortison Wasser unter der Haut ablagert und die Haut dadurch spannt.

• Meine Lichtempfindlichkeit wird immer stärker. Ohne Sonnenbrille komme ich

überhaupt nicht mehr aus, selbst im Haus, obwohl alles abgedunkelt ist, trage ich meine Sonnenbrille. Draußen kann ich mich überhaupt nicht mehr aufhla-ten. Einen Aufenthalt im Freien kann ich mir „abschminken“ – ich ertrage die Helligkeit einfach nicht. Erst abends ab etwa 21:30/22.00 Uhr geht es mir bes-ser. Bin inzwischen die „weibliche Form“ von Heino geworden…

Weiter leide ich unter Wortfindungs- und Konzentrationsstörungen, in meinem Kopf befindet sich außerdem jede Mengel „Watte“. Ob es die unerträgliche Hitze ist, die vielleicht „Schuld“ daran ist, das sich die Sym-ptome so verstärkt zeigen? Schließlich erleben wir alle miteinander den „Jahrhun-dertsommer“ mit Temperaturen bis über 40 Grad. Eine Antwort darauf wird mir wohl niemand geben können. Unterstützend zur Cortison-Therapie beginne ich damit, Selen und Zink zu nehmen. Schon nach kurzer Zeit meine ich auch, eine Besserung zu verspüren. Inzwischen wird das Cortison langsam „ausgeschlichen“. D. h. die Cortison-Dosis wurde jeweils nach einer Woche verringert. Als ich so nach einigen Wochen bei der Dosis von 10 mg angekommen bin, waren endlich die Sehstörungen weg, auch mein Allgemeinzu-stand besserte sich. Der Schritt von 10 mg auf 5 mg war wohl dann zu groß, bei die-ser Dosis verschlechterte sich mein Zustand wieder schlagartig, die altbekannten Sehstörungen und Doppelbilder waren wieder verstärkt da. Wenn ich morgens die Zeitung lesen wollte – es ging einfach nicht. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen, ich war nicht in der Lage die Buchstaben zu Wörtern oder Sätzen „aneinanderzureihen“. Normalerweise lese ich sehr viel, am Computer findet man mich ebenfalls sehr oft. Doch in dieser Zeit war es mir nicht möglich, mich zwischendurch mit einem Buch zu beschäftigen oder mich gar länger am Computer aufzuhalten. Einmal wg. der Augen, zum anderen fehlte mir auch einfach die Konzentration dazu, mich mit irgendetwas länger zu beschäftigen. Was mir trotzdem in dieser Zeit sehr half, ist das „Morbus-Basedow-Forum“. Schon allein das Wissen darum, dass andere ähnliche oder gar die gleichen Probleme haben, hilft enorm, mit sich selber besser klar zu kommen.

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Aufgrund der Verschlechterung wurde die Dosis wieder auf 10 mg Cortison erhöht. Diese sollte ich nun noch einige Wochen nehmen. Mein Zustand stabilisierte sich daraufhin, auch wenn es noch eine Weile dauern sollte. Zusätzlich zu dem Cortison bekam ich während dieser Zeit wg. einer Lymphdrüsen-entzündung noch Antibiotika verschrieben. Zwischendurch wurde ich von dem Vertretungsarzt meines behandelnden Hausarz-tes zu einem Neurologen zur Untersuchung geschickt. Ich hatte mit Unterfunktions-symptomen zu kämpfen, meine Werte waren jedoch lt. Blutuntersuchung alle im „grünen Bereich“. Der Neurologe sollte „checken“, ob meine Symptome evtl. eine andere Ursache haben könnten – und unter Umständen nicht mit meinem „Freund, dem Herrn Basedoof“ zusammenhängen. Während der ersten Minuten merkte ich bereits, dass der Neurologe jedenfalls keine Ahnung von „Morbus Basedow“ hat. Er wollte mir doch tatsächlich erzählen, dass diese Erkrankung grundsätzlich mit einer Unterfunktion einhergehe. Offenbar war er es nicht gewöhnt, dass ihm „Widerspruch“ geleistet wird. Jedenfalls widersprach ich ihm sehr heftig und „verbesserte“ ihn. Daraufhin griff er in das Regal hinter sich, holte sein „schlaues“ Medizinerbuch heraus, um mir „etwas zu zeigen“. Er schien die Stelle gefunden zu haben, die er suchte. Doch kein Wort einer Entschuldigung, dass er mir soeben eine falsche Auskunft erteilt hätte! Nein, aber dafür zeigte er mir etwas ande-res: Ein Bild eines Betroffenen, der ebenfalls unter der Augenerkrankung leidet – und dies sehr ausgeprägt! Lange Rede, kurzer Sinn: Ich kenne solche Bilder. Aber ich vermeide normalerweise den Anblick solcher Bilder, da ich mich nicht damit belasten möchte, denn sie sind keineswegs sehr aufbauend für einen Betroffenen. Psychologisches Einfühlungs-vermögen dieses Arztes also „gleich Null“. Neben seiner Ausbildung zum Neurologen führt dieser Arzt jedoch auch die Bezeichnung „Psychologe“. Während meines „Gesprächs“ mit diesem Neurologen widersprach ich ihm noch mehrere Male, seinem Gesicht war anzusehen, dass ihm dies absolut nicht in sein „Konzept“ passte – und ich war „unten durch.“ Tja, bei manchen Ärzten sind Patien-ten, die eine eigene Meinung haben, nicht gerne gesehen… Ergebnis dieses Arztbesuches: Ich verließ die Praxis mit der Diagnose „Schwere De-pression“, Hauptargument: Da ich Probleme damit habe, morgens aus dem Bett zu kommen… Die mir angebotenen Antidepressiva ließ ich jedoch beim Arzt liegen, da ich nicht bereit war, diese einzunehmen. Einige Tage später Besuch bei der Vertretung meines Hausarztes: Er bestätigte die Diagnose des Neurologen und drückte mir Antidepressiva in die Hand mit der Anwei-sung, wie ich sie einzunehmen hätte. Meine Versuche, ihm zu erklären, dass ich lie-ber, bevor ich zu solchen harten Mitteln greife, meine „eigenen Wege“ gehen möchte, gelangen mir nicht. Ich kam gar nicht zu Wort. Nun, ich ging meinen „eigenen Weg“:

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Ich erhöhte geringfügig meine Dosis „L-Thyoroxin“ und begann hochdosiertes Vita-min B- einzunehmen. Innerhalb weniger Tage ging es mir wesentlich besser!! Endlich war ich soweit, dass ich wieder zur Arbeit gehen konnte! Mann, war ich froh!!! Nur so zu Hause „rumhängen“ – dies ist einfach nichts für mich!! Ich war überglück-lich, dass ich diese Hürde mal wieder „gepackt“ habe. Doch es kam, wie es kommen musste: Drei Tage, bevor ich endlich wieder mit mei-ner Arbeit beginnen wollte, bekam ich „wie aus heiterem Himmel“ Durchfall. „Alle Na-se lang“ musste ich zur Toilette. Na, prima, dachte ich so bei mir. Vielleicht hast du ja wirklich eine „Depression“, oder willst du vielleicht gar nicht arbeiten, daher nun der Durchfall??? Außer diesem Durchfall keine weitere Symptome, mir war weder übel, noch hatte ich Appetitmangel – im Gegenteil, ich konnte alles essen, worauf ich Appetit hatte. Ich sagte mir: „Dies ist kein Grund, um noch länger einen „Krankenschein“ zu ma-chen, auf der Arbeit hast du ja die Toilette in der Nähe, also kein Problem!“ Also fing ich an zu arbeiten. Anfangs hatte ich ziemliche Probleme damit, mich wie-der einzugewöhnen. Aber ich wurde so nett an meinen Arbeitsstellen wieder aufge-nommen, so dass dies dann wieder sehr ausgleichend war – es ist ja auch schön zu hören: „Wir freuen uns, dass Sie wieder da sind!“ Es ist kein Tippfehler, wenn ich schreibe: „Arbeitsstellen“ – ich habe wirklich mehrere Arbeitsstellen. Ich bin in der Verwaltung von drei Grundschulen tätig. Dies bedeutet für mich konkret, dass ich jeden Tag in der Woche an einer anderen Schule tätig bin. Es ist zwar sehr anstrengend, man muss sich jeden Tag in eine „neue“ Schule hinein „denken“, aber die Tätigkeiten machen mir sehr viel Spaß und sind sehr abwechs-lungsreich – wenn auch oftmals sehr stressig. Außerdem kann ich sehr selbstständig arbeiten. So „wurschtelte“ ich mich dann so durch. Nachdem die Symptome nicht besser wur-den bin ich dann endlich, nach fast vierzehn Tagen zum Arzt. Der Arzt führte eine der üblichen Tastuntersuchungen durch. Erst dadurch verspürte ich Schmerzen, die vor-her nicht da waren. Diese hielten dann auch mehr oder weniger ununterbrochen die nächsten Wochen an. Inzwischen verspürte ich Schmerzen „überall“. Daher sollte ich vorsorglich auch ei-nen Termin mit dem Frauenarzt zur Untersuchung vereinbaren. Gesagt, getan. Er-gebnis: ohne Befund. Es folgten Ultraschall, Stuhluntersuchung usw., also die ganze Palette, alles jedoch „ohne Befund“. Wie kann es auch anders sein? Ich bekam eine Überweisung zum Facharzt für innere Medizin. Bis ich jedoch endlich einen Termin hatte vergingen weitere zwei Wochen. Als ich dann endlich den Arzt „zu Gesicht bekam“ bemerkte ich eine Verbesserung der Symptome. Daher hielt es der Arzt nicht mehr für nötig, weitere Untersuchungen vorzunehmen, solle aber eine Woche später nochmals wiederkommen. Inzwischen hatte sich auch – Gott sei Dank – fast alles normalisiert. Bis auf einen Druckschmerz, der im Oberbauch einfach noch da war – aber der war auszuhalten und nicht weiter der „Rede wert“.

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Der Facharzt für innere Medizin vermutete, dass evtl. ein Infekt vorgelegen habe. Meinung der Frauenärztin zu meinen Beschwerden: Eine Spätfolge der Kortison-Therapie. Na, nun kann ich es mir ja heraussuchen, nicht wahr? Aber was soll’s, mir geht es wieder gut! Wieder eine Hürde geschafft. Also kann es ab jetzt wieder bergauf ge-hen!!! *freu* Denkste! Plötzlich wurden die Symptome meiner Augen wieder schlimmer. Sie schmerzten und brannten wie verrückt. Besuch beim Augenarzt: „Da bleibt nur eins: in Rente ge-hen!“ Häh? Rente??? Verdammt, ich will aber arbeiten!!! Für eine Rente bin ich doch defi-nitiv noch zu jung (auch wenn meine beiden Damen dies ein wenig anders sehen würden…)!! Außerdem macht mir meine Arbeit Spaß!!! Ne, soweit kommt es nicht! Ich gehe nicht in Rente!! Aaaber: Ich merke, ich schaffe meine Arbeit nicht. Ich schaffe es nicht, einen ganzen Vormittag total konzentriert meiner Arbeit nachzugehen und anschließend noch den Haushalt zu führen. Mittags bin ich total erledigt, meine Augen plagen mich wieder – wenn auch nicht ganz so stark, wie zu Beginn der Kortison-Therapie. Mittags bin ich total ausgepowert, schaffe es aber irgendwie noch, mich für etwa zwei bis drei Stun-den auf den Beinen zu halten, um wenigstens die wichtigsten Dinge im Haushalt zu erledigen. Aber dann muss ich mich hinlegen – vor allem auch wegen meiner Augen, inzwischen schmerzen sie wieder so stark, dass ich nur das Bedürfnis habe, meine Augen zu schließen. Das Problem: wenn ich einschlafe habe ich anschließend Probleme damit, wieder „auf die Beine“ zu kommen. So versuche ich, meine „Ausruhphase“ nicht länger als ½ Stunde auszudehnen. Dann ist die Chance am größten, dass ich den Tag relativ gut überstehe (und meine Familie am Abend die Chance hat, ein einigermaßen ge-nießbares Essen serviert bekommt…). Ich weiß: es muss etwas geschehen. Sooo kann es jedenfalls nicht weitergehen! Am folgenden Wochenende kreisen meine Gedanken, wie ich das in den Griff be-kommen kann – meine Arbeit behalten und trotzdem wieder so etwas wie Lebens-qualität in meinem Privatleben zu bekommen. Bis zum Sonntagabend habe ich mei-nen Entschluss gefasst und spreche mit meinem Mann über meine Entscheidung, in Zukunft weniger zu arbeiten. Konkret heißt das für mich das ich eine „meiner drei Schulen“, an denen ich arbeite, abgeben werde. Dadurch habe ich 1 ½ zusätzliche freie Tage gewonnen, brauche mich nur noch auf zwei Schulen zu konzentrieren. Also auf der einen Seite mehr Zeit für meinen Haushalt – und weniger stressig, wenn man nur noch zwischen zwei Arbeitsstellen hin- und herpendeln muss. Gott sei Dank macht mir mein Arbeitgeber keine Probleme und ich habe innerhalb weniger Stunden die Zusage, dass ich ab dem nächsten Ersten weniger arbeiten

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kann. Wenn es gar nicht anders gegangen wäre, hätte mein Arbeitgeber sogar sofort meine Stunden reduziert. Fast zeitgleich mit diesem Entschluss bekam ich Lymphdrainagen für meine Augen verschrieben. Ich hoffte, dass die Symptome meiner Augen mit Hilfe dieser Therapie zumindest insoweit gemildert werden, damit ich es bis zu Weihnachten „durchhalte“. Mit dem Rezept in der Hand ließ ich mir in der Krankengymnastikpraxis gleich Termi-ne geben. Aber den ersten Termin musste ich absagen. Nun hatte mich eine Bronchitis sowie eine Nebenhöhlenentzündung erwischt. Ich bekam mal wieder Antibiotika verordnet. Es wurde und wurde nicht besser. Die Einnahme des Antibiotikas wurde verlängert. Mehrere Lymphdrainage-Termine musste ich absagen. Ich kämpfte mich mal wieder zur Arbeit. Jetzt krankfeiern? Geht nicht! Die Anmeldetermine der Schulkinder, die im kommenden Schuljahr eingeschult werden, stehen an. Da kann ich unmöglich ausfal-len! Irgendwie bekomme ich auch dies wieder hin. Die erste Lymphdrainage fand dann endlich (!!!) an einem Freitag statt. Während der Behandlung genoss ich einfach die entspannende Therapie. Nach der Behandlung kam ich nach Hause – und konnte es nicht fassen. Zum einen sahen meine Augen optisch wesentlich besser aus, die Schwellung um die Augen herum hat abgenom-men – vor allem auch die Schwellung der Oberlider. Aber was noch wesentlich wich-tiger war: Ich hatte einen freien Blick! Fernsehen war an diesem Abend ein richtiger Genuss! Der Druck hinter den Augen war fast verschwunden, auch die Stirn füllte sich „irgendwie“ freier an. Fast war ich versucht, einen Anruf bei meiner Freundin zu starten ob wir nun endlich heute mal wieder unseren „Frauenabend“ machen sollten? Es war ein unbeschreibliches Gefühl! Dieses Gefühl hielt bis zum nächsten Mittag an. Aber in der Woche drauf hatte ich ja wieder meine Termine! Ich begann mich darauf zu freuen. Anfangs war ich skeptisch, ob diese Therapie helfen könne. Aber nun? Gleich nach der ersten Behandlung solch’ ein toller Erfolg? Was konnte da noch schief gehen? Aber ich sollte dazulernen! Der nächste Tag, an dem ich meine Therapie hatte war ein wenig stressig. Na, ist ja auch Vorweihnachtszeit. Da ist ja bei jedem mehr oder weniger Stress angesagt – hiervon dürfte wohl jeder „ein Lied von singen“ können. Ich kam jedenfalls etwas „abgehetzt“ in die Praxis. An diesem Tag hat die Behand-lung nicht angeschlagen. Die gleiche Erfahrung habe ich noch ein weiteres Mal ma-chen müssen. Okay, nun weiß ich es – und versuche mir nun die Tage, an denen ich die Therapie habe, möglichst stressfrei zu halten. D. h. für mich: egal was an diesem Tag auf der Tagesordnung steht: ½ Stunde vorher höre ich auf und versuche zu ent-spannen. Das Gleiche nach Ende der Therapie! Dies hilft mir, den Therapieerfolg zu „verlängern“. Wir „MBler“ sollten ja sowieso dafür sorgen, uns das Leben möglichst stressfrei zu gestalten, da wir im Großen und Ganzen wesentlich stressanfälliger sind als gesunde Menschen.

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Bedingt durch die Weihnachtsfeiertage waren zwischen den Behandlungen natürlich wieder längere Pausen, in denen es meinen Augen prompt wieder schlechter ging. Die zehn Behandlungen, die mir der Hausarzt verschrieben hat sind schneller vorbei als ich dachte. Ich versuche, ein Anschlussrezept zu erhalten, was mir auch gelingt – und dies, obwohl der Hausarzt nicht genau weiß, ob er mir, bedingt durch die Ge-sundheitsreform, ein weiteres ausstellen „darf“. Sch…-Gesundheitsreform! (Sorry, das muss hier wenigstens einmal gesagt werden!!!). An dieser Stelle möchte ich vor allem Mal ein Lob für meinen Hausarzt aussprechen – er versucht wirklich mir zu helfen, wo er nur kann. Gerade weil so viele Betroffene schlechte Erfahrungen mit ihren Ärzten machen: es gibt sie, die Ärzte, die nicht als die „Halbgötter in Weiß“ in Erscheinung treten! Also die Hoffnung nicht aufgeben! Zwischen der ersten und der zweiten Behandlungsserie hatte ich zehn Tage Pause. Während dieser Zeit verschlechtern sich meine Augen wieder. Am 8. Tag bekam ich dann als „krönenden Abschluss“ wieder die Doppelbilder zu sehen, abends beim fernsehen. Ich war total frustriert. Ob es wieder auf eine Kortisontherapie hinauslau-fen würde? Nicht schon wieder!! Himmel, was soll ich bloß tun??? Wenn ich jetzt wieder zum Endokrinologen gehe, wird er auch wieder versuchen mir eine Bestrah-lung „aufzuschwätzen“. Die mag ich aber nicht, erstens weil ich sie ja schon hatte und sie mir keinen Erfolg gebracht hat, zweitens weil ich mir doch ein Hintertürchen offen halten will – für den Fall dass ich mich doch eines Tages mal dazu entschließen möchte, mich operieren zu lassen. Aber eine Bestrahlung macht doch eine OP schwieriger… Ich mag aber mit niemanden darüber reden. So langsam komme ich mir ja schon ziemlich blöd vor mit meinen vielen Beschwerden! Es ist wirklich total nervig. Es ist so anstrengend immer an sich zu arbeiten und sich nicht hängen zu las-sen. Aber anders geht es nicht!! Das Wichtigste ist: Nie den Humor und die Zu-versicht verlieren!!! Immer wieder daran glauben, dass alles gut wird! Aber es kostet verdammt viel Kraft. Kraft die ich oftmals nicht mehr habe. Aber ich versuche immer wieder, sie mir Zurückzugewinnen! Ob es dem blöden „Basedoof“ nun gefällt oder nicht. Mich kriegt der so leicht nicht unter! Jawoll! Gott sei Dank habe ich mich zu früh aufgeregt: Nach der zweiten Lymphdrainage verschwanden die Doppelbilder! Wer hätte damit gerechnet??? Ich jedenfalls nicht!! Also sind mal wieder Luftsprünge angesagt!!! Hurra!!! Von einem Tag auf den anderen geht es mir soooo gut, dass ich damit beginne, eine große Aufräumaktion im Keller zu veranstalten sowie mit Renovierungsarbeiten im Obergeschoss unseres Hauses. Dies wäre vor wenigen Wochen noch undenkbar gewesen. Ich bin voller Tatendrang – und halte manchmal mitten in meinem Elan inne um mir bewusst zu werden, dass ich tatsächlich ohne größere Probleme sehen kann! Ich habe seit Wochen keine Kopfschmerzen mehr gehabt (halt, ich vergaß die, die ich mir selber durch ein Gläschen Bier {oder war es der Pfläumli?} zugefügt ha-be…

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In solchen Momenten schaue ich mich jedenfalls ganz bewusst um – und bin über-glücklich! Allerdings ist mein Elan trotzdem nicht mit dem Elan aus gesunden Tagen zu verglei-chen: So nach einem Stündchen, spätestens nach 1 ½ Stunden muss ich mit schö-ner Regelmäßigkeit eine Pause einlegen. Aber da gewöhnt man sich dran! Meine derzeitige Lymphdrainagen-Verordnung hält nun noch bis zum 25. Februar vor. Wie es dann weitergeht weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe, dass ich eine Lang-zeitverordnung bekommen werde, damit ich das Stückchen Lebensqualität, dass ich durch diese Therapie gewonnen habe, weiterhin behalten kann. Ansonsten: mich plagt zwar zurzeit ein Hexenschuss – aber durch den lasse ich mir keine grauen Haare wachsen. Der geht wieder vorbei! Hab’ wohl doch etwas zuviel Möbel gerückt, gestrichen etc. Aber was soll’s? Es hat mir aber Spaß gemacht! Lan-ge genug ist’s her, dass ich mir solche Arbeiten zumuten konnte! Fazit meiner Geschichte: Morbus Basedow mit all’ seinen Begleit- und Folgeerkrankungen ist eine Erkrankung, die einen nicht nur körperlich verändert. Ich persönlich habe mich, vor allem auch im vergangenen Jahr durch die Augenproblematik und ihre besonders hohe psychische Belastung, sehr verändert. Man verlegt seine „Schwerpunkte“. Vieles, was einem „früher“ einmal wichtig war, gerät in den Hintergrund. Über viele „Problemchen“, die mich vielleicht früher „geplagt“ hätten, kann ich heute nur „milde“ lächeln. Probleme habe ich damit, mit oberflächlichen Menschen umzugehen, ich bin kriti-scher den Menschen gegenüber geworden. Ich versuche, bewusster zu leben, herauszufinden, was mir eigentlich wichtig ist. Manche nennen es „egoistisch“ – ich nenne es „Überlebenstraining“. Ich versuche, mir meine täglichen „kleinen“ Freuden zu bereiten. Allerdings kostet dies auch oft-mals wieder Kraft, um die wir ja immer wieder kämpfen müssen – vor allem auch ge-genüber der Familie! Aber es lohnt sich! Man sollte auch nicht vergessen, dass es für die Menschen um Umfeld eines Betrof-fenen nicht immer einfach ist. Denn ein Gesunder wird sich niemals vorstellen kön-nen, wie es einem Betroffenen wirklich geht! Morbus Basedow macht stark!!! Denn wir Betroffenen müssen täglich neu kämpfen! Und dies sollte man als Gewinn an Lebensqualität ansehen. Man kann lernen, mit der Erkrankung zu leben. Auch wenn es immer wieder Rückfäl-le gibt und immer wieder Momente, Stunden, Tage, an denen man glaubt, dass es niemals wieder aufwärts geht. Es geht immer wieder aufwärts! Man darf sich nur nicht aufgeben! Und nicht den Humor verlieren!!! Alles wird gut.

© Gabi Hinkel, 14.02.2004

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DANKE… … an Leveke Brakebusch und allen „Spezialisten“ im Forum für die vielen wertvollen Ratschläge und aufbauenden Worte! Ohne euch würde ich heute nicht da stehen, wo ich momentan bin und es würde mir vermutlich immer noch besch… gehen! Danke für die viele Zeit, die ihr opfert, um unermüdlich jedem „Neuen“ immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten!