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1 / 63 Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax (BA) Fragesätze: Typologie, W-Bewegung, Bewegungs-Restriktionen PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld, SoSe 2007 [email protected] 31. Mai 2007

Morphologie und Syntax (BA) · Ano [ang [ ignigay ni Maria kay Pedro]] ? Was ANG gegeben von Maria an Pedro ? „Was war es, das von Maria an Pedro gegeben wurde?“ oder „Was gab

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Fragesätze: Typologie, W-Bewegung, Bewegungs-Restriktionen

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld, SoSe 2007

[email protected]

31. Mai 2007

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 7

2 Die Syntax von FragesätzenW-BewegungDie Typologie von Fragesätzen

3 Beschränkungen für W-BewegungExtraktionsbeschränkungenW-Bewegung

4 C-Kommando, Rektion, ECPC-KommandoM-KommandoRektionDas ‘Empty Category Principle’Zusammenfassung

5 Übungsaufgabe 8

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Für das Deutsche wird oft ein alternatives Modell der syntaktischenBeschreibung verwendet, das Modell der topologischen Felder.

• Hier wird der Satz aufgeteilt in . . .

das Vorfeld Hier steht im Hauptsatz genau eine Konstituente.die linke Satzklammer Hier steht im Hauptsatz das finite Verb (Verb-Zweit)

und im Nebensatz die Konjunktion.das Mittelfeld Hier stehen die nominalen Satzglieder, Adverbien und

manche satzwertige Konstituenten.die rechte Satzklammer Hier stehen Partizipien, infinite Verben und

Verb-Komplexe.das Nachfeld Hier stehen Nebensätze und andere Konstituenten, die nach

den infiniten Verben stehen können.

(1) Der PeterVorfeld

hatl. Satzkl.

gestern ein BuchMittelf.

gelesen.r. Satzkl.

• Vergleichen Sie das topologische Modell mit dem CP-IP-VP-Schema undprüfen Sie insbesondere, wie gut es mit der Variation in den germanischenSprachen und innerhalb des Deutschen umgehen kann!

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Nebensätze werden so analysiert, dass der Komplementierer in derlinken Satzklammer steht:

(2) Ich glaube dassl. Satzkl.

Hans Maria oftMittelfeld

besucht hatr. Satzkl.

• Das Englische lässt sich nur mit Schwierigkeiten durch das topologischeModell beschreiben:

(3) a. JohnVorfeld

hasl. Satzkl.

oftenMittelf.

visitedr. Satzkl.

MaryNachfeld

b. I think thatl. Satzkl.

JohnMittelf.

has???

often???

visitedr.Satzkl.

MaryNachfeld

• Das Gerüst des topologischen Modells sind die beiden Satzklammern, indenen die Verbformen und im Nebensatz der Komplementierer stehen.

• Für Nebensätze im Englischen benötigten wir nun offensichtlich dreiSatzklammer-Positionen – im CP-IP-VP-Modell sind dies die dreiKopf-Positionen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Das topologische Modell funktioniert für das Deutsche, weil hier von dendrei Kopf-Positionen V0, I0 und C0 immer nur maximal zwei besetzt sind– nach unserer jüngsten Analyse C0 und (bei einem Hilfsverb in I0/C0)V0.

• Eine Variante des Felder-Modells ist für das Dänische und die anderenskandinavischen Sprachen gebräuchlich.

(4) atdassl. Satzkl.

Peter oftePeter oftMittelf.

har druckethat getrunkenr. Satzkl.

kaffeKaffeeNachfeld

• Die linke Satzklammer fasst die Verb-Zweit-Position im Hauptsatz unddie Komplementierer-Position im Nebensatz zusammen.

• Die rechte Satzklammer beinhaltet den verbalen Komplex.

• Schwierigkeiten bekommt dieses Modell immer dann, wenn rechteSatzklammer und Mittelfeld einander zu durchdringen scheinen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

(5) Englisch:

I think thatl. Satzkl.

JohnMittelf.

has???

often???

visitedr.Satzkl.

MaryNachfeld

(6) Schweizer-Deutsch:

dasl. Satzkl.

erMittelf.

het???

wele???

en arie???

singer. Satzkl.

• Aber auch für das Standard-Deutsche fördert eine Google-Suche im WWWproblematische Beispiele zutage:

(7) a. „es geht einzig und allein darum,dass er hätte Champ bleiben sollen!“(http://www.chattalk.de/f101/beitrag-14203.html)

b. „Hätte Rudi die Geschwindigkeit der Situation angepasst und soweitherabgesetzt, dass er hätte problemlos bremsen können, . . . “(http://www.plitt.net/master.php?wahl=./skripte/skriptzeigen.php&sk_id=34)

c. „Brian weiß jedoch, dass er hätte die Finger von Kipp lassen sollen“(www.qafgermany.de/episode114.html)

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Morphologie und Syntax (BA)

Die Syntax von Fragesätzen

Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen

• Fragesätze sind einer der Fälle, bei denen sich das generative Konzeptder syntaktischen Bewegung besonders gut bewährt hat.

• Wir unterscheiden Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen:

(8) Karl holt Milch.

a. Holt Karl Milch? (Entscheidungsfrage)

b. Wer holt Milch? (Ergänzungsfrage)

• Entscheidungsfragen kann man nur mit „ja“ oder „nein“ beantworten.Sie haben die syntaktische Besonderheit, dass sie mit dem finiten Verbbeginnen.

• Bei Ergänzungsfragen (oder W-Fragen, engl. wh-questions) werdeneine oder mehrere Konstituenten (Ergänzungen) durch einFragepronomen (Interrogativ-Pronomen, W-Pronomen, W-Phrase, engl.wh-phrase) ersetzt. Sie beginnen im Deutschen mit einer W-Phrase.

• Wir beschäftigen uns zunächst mit Ergänzungsfragen.

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Die Syntax von Fragesätzen

Ergänzungsfragen

(9) CP

NPi C′

Wer C0k IP

holt ti I′

VP I0k

NOM

NP V0k

Milch

• Nach unserer bisherigen Analyse ist ein deutscher Hauptsatz eine CP,

• wobei das Subjekt im Spezifikator von IP Kasus bekommt und dann inden Spezifikator der CP bewegt wird und

• das Verb von V0 über I0 nach C0 bewegt wird.

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Die Syntax von Fragesätzen

Ergänzungsfragen

• Eine Objektfrage hat eine entsprechende syntaktische Analyse.• Hier bekommt das Objekt Kasus von V0 und wird dann in den

CP-Spezifikator bewegt.

(10) Was holt Peter?

CP

NPi C′

Was C0k IP

holt NP I′

Peter VP I0k

tiAKK

V0k

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Bewegung

• Nicht nur mit Fragepronomen wie „wer, was . . . “ werdenErgänzungsfragen gebildet, sondern auch mit komplexenNominalphrasen wie bspw. „welches Auto“:

(11) Welches Auto fährt Sonja?

• Der Begriff „W-Phrase“ fasst Frage-Pronomen und komplexeinterrogative Nominalphrasen wie in (11) zusammen.

• Die Bewegung einer W-Phrase in die satz-initiale Position wird alsW-Bewegung (engl. wh-movement) bezeichnet.

• W-Bewegung finden wir auch in interrogativen Nebensätzen:

(12) Ich möchte gerne wissen, [CP wasi Peter [VP ti gekauft] hat ]

• Der einzige Unterschied zum Hauptsatz ist die Stellung des finitenVerbs, das wie bei anderen Nebensätzen am Satzende steht, dieW-Bewegung ist aber die gleiche wie im Hauptsatz.

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Interrogative Nebensätze (13-a) und Relativsätze (13-b) sindsyntaktisch äquivalent:

(13) a. Ich möchte gerne wissen, [CP wasi Peter [VP ti gekauft] hat ]

b. Das ist das Auto, [CP dasi Peter [VP ti gekauft] hat ]

• Interrogative Nebensätze werden von Verben wie ‘wissen, sich fragen,herausfinden . . . ’ selegiert.

• Sie werden deshalb als Schwesterknoten des selegierenden Verbsrepräsentiert.

(14) VP

V0 CP

wissen was Petergekauft hat

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Morphologie und Syntax (BA)

Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Relativsätze sind attributive Nebensätze, die ähnlich wie Adjektive einNomen ergänzen.

• Sie sind an ihre Nominalphrase adjungiert:

(15) NP

NP CP

das Auto das Petergekauft hat

• Da Relativsätze wie interrogative Nebensätze gebildet werden, wirdauch die Bewegung des Relativpronomens an die Satzspitze alsW-Bewegung aufgefasst.

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Ein Unterschied zwischen Relativsätzen und Frage-Nebensätzenbesteht darin, dass in einer Frage mehr als nur ein W-Pronomenmöglich ist, nicht aber in einem Relativsatz:

(16) a. Ich möchte wissen, [CP wer gestern was gekauft hat]

b. *Das sind der Lehrer und das Auto,[CP der gestern das gekauft hat]

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen

• Im Deutschen und Englischen ist W-Bewegung obligatorisch:

(17) Englisch:

a. What did John buy?

b. *John bought what?

(18) Deutsch:

a. Was kaufte Hans?

b. *Hans kaufte was?

• Die Sätze in (17-b) und (18-b) sind als Echo-Fragen unter speziellenkontextuellen Bedingungen legitim, aber nicht als einfacheErgänzungsfragen.

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen — Chinesisch

• Im Chinesischen findet bei Ergänzungsfragen keine W-Bewegung statt.

(19) Chinesisch:

a. hufeiHufei

mai-lekauf-PERF

yi-ben-shuein-CL-Buch

“Hufei kaufte ein Buch”

b. sheiWer

mai-lekauf-PERF

yi-ben-shuein-CL-Buch

“Wer kaufte ein Buch?”

c. hufeiHufei

mai-lekauf-PERF

shemewas

“Was kaufte Hufei?”(PERF=perfektiver Aspekt, abgeschlossene Handlung;CL=Classifier)

• Chinesisch ist eine SVO-Sprache.

• Japanisch und Hindi sind SOV-Sprachen ohne W-Bewegung.

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen — Japanisch und Hindi

(20) Japanisch:

a. John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

kattakaufte

no?Frage-Partikel

b. John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

nazewarum

kattakaufte

no?Frage-Partikel

(21) Hindi/Urdu:

a. Naadyaa-neNadya-ERG

kyaawas-NOM

paRhaagelesen-PERF

haihat

?

b. kis-newer-ERG

kyaawas-NOM

paRhaagelesen

haihat

??

(ERG=Ergativ-Kasus; PERF=perfektiver Aspekt)

• Im Chinesischen, Japanischen und Hindi (und vielen anderenSprachen) steht das Fragewort an derselben Position, an der einNicht-Fragewort stehen würde.

• In der generativen Syntaxtheorie nennt man Sprachen dieses TypsW-in-situ-Sprachen.

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Türkisch

• Eine dritte Strategie der Platzierung von Fragewörtern beobachten wir imTürkischen (und einigen anderen Sprachen wie bspw. Kaschmiri)

• Hier steht das Fragewort normalerweise in der Position im Satz, die dasWort einnimt, das den Hauptakzent trägt.

• Türkisch ist eine SOV-Sprache.• Bei einer Subjektfrage rückt aber das Subjekt unmittelbar vor das Verb,

da hier der Akzentträger (Fokusexponent) des Satzes steht:

(22) Türkisch:

a. budieses

kitab-ıBuch-AKK

kimwer

oku-du?lesen-VERG.

„Wer hat dieses Buch gelesen?“

b. kimwer

budieses

kitab-ıBuch-AKK

oku-du?lesen-VERG.

„Und wer hat jetzt DIESES Buch gelesen?“(VERG.=Vergangenheit)

• Der Unterschied zwischen den beiden Beispielen besteht in derkontextuellen Einbindung der beiden Fragen.

• In (22-a) ist die Frage eher neutral, in (22-b) geht es dem Fragesteller umein bestimmtes Buch, im Kontrast zu anderen Büchern.

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Morphologie und Syntax (BA)

Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

• Im Irischen und im Tagalog finden wir einen Konstruktionstyp fürFragesätze, den wir so ähnlich auch im Deutschen und Englischen vonsogenannten Spalt-Sätzen (engl. „cleft sentences“) kennen:

(23) a. Was war es, das Maria Pedro gab? (= „Was gab Maria Pedro?“)

b. What was it that Maria gave Pedro? (=“What did M. give P.?“)

(24) Tagalog:Ano [ang [ ignigay ni Maria kay Pedro]] ?Was ANG gegeben von Maria an Pedro ?„Was war es, das von Maria an Pedro gegeben wurde?“ oder„Was gab die Maria dem Pedro?“

• Die Funktion des ANG-Morphems ist in der Literatur umstritten unddeshalb möchte ich hierauf hier nicht näher eingehen.

• Es scheint hier am ehesten die Funktion zu haben, die in der deutschenVariante (23-a) von der Konstruktion „. . . war es, das . . . “ übernommenwird.

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

(25) Irisch:Cé aL dhíol an domhanWer COMP verkaufte die Welt“Wer war es, der die Welt verkaufte“ oder „Wer verkaufte die Welt?“

• Im Irischen beobachten wir (ähnlich auch im Tagalog) eine Parallelitätzwischen der Fragesatz-Bildung und einer Relativsatz-Konstruktion:

(26) an fearder Mann

aL

COMP

dhíolverkaufte

andie

domhanWelt

“Der Mann, der die Welt verkaufte“

• Die Struktur von (26) und (25) scheint abgesehen von der erstenKonstituente gleich zu sein.

• Wir finden hier also eine Strategie, bei der das Fragewort ausserhalbseines als Relativsatz realisierten Satzes steht, eine Konstruktionsweisewie bei Spalt-Sätzen:1. Peter verkaufte die Welt →2. Wer verkaufte die Welt →3. Wer der die Welt verkaufte

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Spalt-Sätze

• In Spalt-Sätzen wird durch zwei Sätze ausgedrückt, was sonst in einemSatz ausgedrückt wird.

• Spalt-Sätze haben im Deutschen die folgende Form:Spalt-Satz Es(1) seinfinit(2) X(3) Relativsatz(4)

• Ein Beispiel:

(27) Es1

war2

Federer,3

der4

die Paris Open gewann.

• Die grammatische Funktionen der vier Elemente dieser Konstruktionsind wie folgt:

Es Bezugsnomen des Relativsatzesseinfinit Haupt-Verb, hier als sogenanntes Kopula-Verb

X Das Subjekt der KonstruktionRelativsatz Das Prädikat der Konstruktion

• Als Kopula-Verb selegiert ‘sein’ ein Subjekt und ein Prädikat

(28) Roger ist gesund/Tennisspieler/auf dem Centre Court

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Spalt-Sätze

• Der Fragesatz hat folgende Form:

(29) WerFragewort

warseinfinit

es,es

der die French Open gewann?Relativsatz

• Das Pronomen ‘es’ kann nur stehen, wenn der Relativsatz keinBezugsnomen hat:

(30) a. *Wer war es der Spieler, der die French Open gewann?

b. Wer war der Spieler, der die French Open gewann?

• Deshalb nehmen wir an, dass ‘es’ in Fällen wie (29) genau diese Funktionerfüllt.

• Die Fragesätze im Irischen und im Tagalog unterscheiden sich von dendeutschen dadurch, dass hier eine ‘es’ entsprechende Form genauso fehltwie das Kopula-Verb.

• Ob wir die deutsche Struktur von Spalt-Sätzen also einfach auf dieseSprachen übertragen dürfen, ist fraglich.

• Wesentlich ist für uns aber, dass im Irischen und im Tagalog Fragesätzequasi auf einem Umweg über die Relativsatzbildung konstruiert werden.

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Morphologie und Syntax (BA)

Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Mehrfachfragen

• Eine Konsequenz aus der besonderen Konstruktionsweise vonFragesätzen im Irischen, Tagalog (und einigen anderen Sprachen) ist, dassin diesen Sprachen immer nur eine Satzergänzung erfragt werden kann.

(31) a. Wer verkaufte was?

b. *Wer und was war es, der das verkaufte?

(32) a. Wer, der die Welt verkaufte?

b. Was, das der Mann verkaufte?

c. *Wer und was, der und das verkaufte?

• Dies geht einher mit der Beschränkung, dass auch Relativsätze nur einRelativpronomen haben können:

(33) a. *Dies sind der Mann und die Frau, der die zum Essen eingeladenhat.

b. Dies sind der Mann und die Frau, bei denen es so ist, dass er siezum Essen eingeladen hat.

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Mehrfachfragen

• Diese Beschränkung für Mehrfachfragen gibt es in den anderenbesprochenen Typen nicht.

• Wir beobachten drei Varianten der Bildung von Mehrfachfragen:1 alle Fragewörter stehen in situ (Japanisch u.a.):

(34) John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

nazewarum

kattakaufte

no?Frage-Partikel

2 Ein Fragewort wird vorangestellt, die anderen stehen in situ(Deutsch, Englisch u.a.):

(35) a. Wer hat gestern wem was gegeben?

b. Who gave what to whom yesterday?

3 Alle Fragewörter werden vorangestellt (vor allem die slawischenSprachen):

(36) Bulgarisch (SVO-Sprache):kakvowas

na kogowem

eist

dalgegeben

IvanIvan

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Fragesatztypologie – Zusammenfassung

• Wir finden bei der Fragesatzbildung vier Strategien:

1 ein Fragewort wird im Satz vorangestellt,2 ein Fragewort steht dort, wo ein nicht Fragewort steht (in situ),3 ein Fragewort steht dort, wo der Akzentträger des Satzes steht,4 ein Fragewort steht in einer Spalt-Konstruktion („wer . . . der . . . “)

• Die Bildung von Mehrfachfragen verläuft wiederum auf dreiverschiedene Weisen:

1 In-situ-Sprachen haben auch hier eine in-situ-Strategie.2 Sprachen mit Akzentplatzierung stellen maximal ein Fragewort in

Akzentposition, die anderen stehen in situ.3 Voranstellungssprachen stellen entweder nur ein Fragewort voran

(die anderen in situ),4 oder sie stellen alle Fragewörter voran.5 Sprachen mit Spaltsatz-Strategie können keine Mehrfachfragen

bilden.

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Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Insel-Phänomene

• Zentrales Thema der Transformationsgrammatik sind die Restriktionen,denen syntaktische Bewegung, also die Operation Move α in derGB-Theorie, unterliegt.

• Wir wollen uns die Restriktionen für W-Bewegung genauer betrachten.

• Seit der Dissertation von John R. Ross (1967), „Constraints onVariables in Syntax“, sind die folgenden Phänomene alsInsel-Phänomene bekannt.

• Dabei geht es darum, dass eine Fragesatz- oder Relativsatz-Bildungnicht aus einer bestimmten syntaktischen Domäne heraus erfolgenkann.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Typen von Extraktions-Inseln

(37) a. (i) *Was hat Peter [ein Fahrrad und t ] gekauft?(ii) *Dies ist das Auto, das Peter

[ein Fahrrad und t ] gekauft hat.(Koordinations-Insel)

b. (i) *Was kannst du [ die Behauptung, dass Peter t gekauft hat], nicht nachvollziehen?

(ii) *Wen kennst du eine Frau, [ die t liebt ]?(Komplexe-NP-Insel)

c. (i) *Wen fragst du dich, [ wer t liebt ]?(ii) *Ist das der Typ, den du dich fragst, [ wer t liebt ]?(W-Insel)

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Die Subjazenz-Bedingung

• Die syntaktischen Konfigurationen dieser ausgeschlossenenExtraktionen haben etwas gemeinsam:

(38) a. Koordination:W-Wort [IP . . . [NP [NP . . . ] und t ] . . . ]

b. Komplexe NP:W-Wort [IP . . . [NP . . . [CP [IP . . . t . . . ]] ] ]

c. W-Insel:W-Wort . . . [IP . . . [CP W-Wort [IP . . . t ] ] ]

• Zwischen dem bewegten Element und seiner Spur liegen jeweilsmindestens zwei NP- oder IP-Knoten.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Die Subjazenz-Bedingung

• Chomsky hat in einem Aufsatz von 1973 diese Beobachtung zufolgender Wohlgeformtheitsbeschränkung für Bewegungskettenzusammengefasst:

Subjazenz-Prinzip In einer Konfiguration. . . X . . . [α . . . [β . . . Y . . . ] ]darf kein Bewegungsprozess die Positionen X und Yinvolvieren, wenn α, β ∈ {NP,IP} ]]

• NP und IP werden auch als Grenzknoten bezeichnet.

• Welche Knoten als Grenzknoten gelten, kann zwischen Sprachenvariieren. Für Italienisch wurde bspw. postuliert, dass nicht IP, sondernCP ein Grenzknoten ist.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Zyklizität

• So wie die Subjazenz-Bedingung formuliert ist, scheint sie auchfolgenden Satz fälschlicherweise auszuschliessen:

(39) Wen [IP glaubst du, [CP dass [IP Maria t liebt ]]]?

• Der Lösungsvorschlag besteht in einer modifizierten Bewegungskette.

• Das W-Wort macht einen Zwischenschritt:

(40) Wen [IP glaubst du, [CP

�t dass [IP Maria t liebt ]]]?

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Zyklizität bei W-Bewegung

(41) Wen [IP glaubst du, [CP

�t dass [IP Maria t liebt ]]]?

• Die Extraktion einer W-Phrase aus einem eingebetteten Satz erfolgtzyklisch,

• und zwar so, dass sie jeweils immer nur einen Grenzknoten proBewegungsschritt überspringt.

• Bei Extraktions-, Koordinations- und W-Inseln steht die Landepositionfür einen solchen Zwischenschritt nicht zur Verfügung.

• Manchmal kann man die Spuren auch sichtbar machen:

(42) [CP Wen meinst du [CP wen Peter glaubt [CP wen Maria behauptete[CP t dass wir besucht t haben ]]]] ?

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Subjazenz

• Ein bewegtes Element und seine Spur bilden eine Bewegungskette.

• Subjazenz ist eine Wohlgeformtheitsbedingung für solche Ketten:

Subjazenz In einer Kette α1 . . . αn muss αi+1 zu αi subjazent sein. α istsubjazent zu β genau dann, wenn (gdw.) es höchstens einenGrenzknoten γ gibt, der α, aber nicht β dominiert.

• Weitere Wohlgeformtheitsbedingungen für Ketten folgen.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando

• Eine strukturelle Relation, die in der generativen Syntax eine zentraleRolle spielt, ist das c-Kommando (constituent command).

• In einer Baum-Struktur kann man c-Kommando als die Relationzwischen einem Knoten und seiner „Nichte“ bzw. „Tante“ bezeichnen.

C-Kommando α c-kommandiert β gdw.

(a) α 6= β,(b) jeder verzweigende Knoten γ, der α dominiert, dominiert

auch β,(c) α dominiert β nicht.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando

A

B C

D E

Menge der c-kommandierten Knoten:A = ∅B = {C,D,E}C = {B}D = {E}E = {D}

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando in Ketten

Ketten-Bedingung Für eine Bewegungskette α1 . . . αn gilt asymmetrischesc-Kommando:jedes αi c-kommandiert jedes αj , für alle j > i ;kein αi c-kommandiert ein αj , für alle j < i .

(43) a. A

Bi1 C

ti2 D

b. A

B C

Di1 E F G

ti2×

×

ti3

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

M-Kommando

M-Kommando

• Eine liberalere Variante des C-Kommando ist das M-Kommando:

M-Kommando α m-kommandiert β gdw.

(a) α 6= β.(b) jeder maximale, i.e. phrasale Knoten γ, der α dominiert,

dominiert auch β.(c) α dominiert β nicht, und β α umgekehrt auch nicht.

• das M in M-Kommando steht für „maximal“, da hier nicht jederverzweigende Knoten in Betracht gezogen wird, sondern nur die Knotenmaximaler Projektionen.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

M-Kommando

M-Kommando

XP

YP X′

X0 ZP

• X0, YP und ZPm-kommandiereneinander!

• M-Kommando dient vor allem dazu, die Relation zwischen dem Kopfeiner Phrase und ihren weiteren Konstituenten zu erfassen.

• Der Kopf einer Phrase regiert ihre weiteren Bestandteile, alsoKomplement, Spezifikator und Adjunkte.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion – Definition

Rektion α regiert β gdw.

(a) α m-kommandiert β,(b) α ist ein Kopf.

(44) CPSoll das Verb

in die PP regieren?

NP C′

Maria C0 VP

ist PP V0

P0 NP gegangen

ins Kino

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion

• Der Rektionsbereich eines Regenten wird durch den nächst tiefereingebetteten Regenten beschränkt (siehe unten).

• Rektion ist bspw. Bedingung für Argument-Selektion undKasuszuweisung.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion, Selektion und Kasuszuweisung

(45) CP

NP C′

Maria C0 VP

ist PP SELEKTION V0

P AKKUSATIV NP gegangen

ins Kino

• Das Verb ‘gehen’ selegiert die direktionale PP ‘ins Kino’.

• Die Präposition ‘ins’ weist Kasus (Akkusativ) an die NP ‘Kino’ zu.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion in eine Kategorie hinein

(46) Ich glaube , dass Maria [VP [VP [NP die Kinder ] singen ] liess ]

(47) VP

VP V0

+AKKUSATIV

NP V′ liess

die Kinder V0

singen

• Hier wird Akkusativ von ‘liess’ an die NP ‘die Kinder’ zugewiesen.• Das Verb regiert also in den Spezifikator der eingebetteten VP hinein.• Dies ist nur möglich, weil das Verb ‘singen’ an ‘die Kinder’ keinen Kasus

zuweist.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Spuren und Rektion – der ‘that trace’ Effekt

(48) a. Who do you think that Mary invited t?

b. *Who do you think that t invited Joe?

• Wir haben gelernt, dass die Extraktion in (48-a) möglich ist, weil wir einewohlgeformte Bewegungskette bilden können.

• Warum ist dann aber (48-b) ungrammatisch?

• Man nennt das Problem in (48-b) den ‘that trace’-Effekt.

• Die Erklärung, die man für diesen Kontrast gefunden hat, bezieht sichauf die Art der Rektion für die Spuren.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

ECP – Definition

Empty Category Principle (ECP) Eine leere Kategorie (also: eineBewegungsspur) muss streng regiert sein.

Strenge Rektion α regiert β streng gdw.

α regiert β und α ist lexikalisch (V,N,A,P)

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Der ‘that’-trace-Effekt

(49) Who1i do you think [CP t2i that [IP Mary [VP invited t3i ]]] ?

• Beide Spuren sind lexikalisch regiert:‘think’ regiert ‘t2i ’, und ‘invited’ regiert ‘t3i ’.

(50) *Who1i do you think [CP t2i that [IP t3i I0 [VP invited Joe ]]] ?

• Spur t3i ist von I0, d.h. nicht-lexikalisch regiert, ausserdem von ‘that ’,ebenfalls nicht-lexikalisch.

• Das lexikalische Verb ‘think’ könnte aber ein lexikalischer Regent sein,wie in (51) zu sehen.

(51) Who1i do you think [IP t2i I0 [VP invited Joe ]]

• In (51) ist t2i von ‘think ’ lexikalisch regiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität

• Wie erklären wir nun den ‘that trace’-Effekt?

(52) *Who1i do you think [CP t2i that [IP t3i I0 [VP invited Joe ]]] ?

• Die lexikalische Rektion der Spur t3i durch ‘think’ wird durch einennäheren Regenten blockiert. Das ist in diesem Fall der Komplementierer‘that’.

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wenn γ eineProjektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ β dominiert.

(Chomsky 1986, nach Fanselow/Felix 1987, S. 180)

• Rektion durch einen weiter entfernten möglichen Regenten wird durcheinen näheren Regenten blockiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wenn γ eineProjektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ β dominiert.

(53) VP

V0 = α CP = γ

think C0 = δ IP

that ti = β I′

I0 . . .

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wenn γ eineProjektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ β dominiert.

(54) CP

NP C′

Maria C0 VP

ist PP = γ V0 = α

P = δ NP = β gegangen

ins Kino

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität – schematisch

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wenn γ eineProjektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ β dominiert.

(55) XP

β X′

X0 = α YP = β oder γ

β Y′ = γ

Y0 = β oder δ β

• Alle blauen β können von α regiert werden, nicht aber das rote β undalles, was darin enthalten ist.

• Ein Kopf (hier: X0) kann den Spezifikator und den Kopf seinesKomplementknotens (hier: YP) regieren, aber nicht dessen Komplement.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Zusammenfassung

Beschränkungen für Bewegung

• Syntaktische Bewegung ist durch Prinzipien beschränkt. Wir habenfolgende Prinzipien kennengelernt:

• Das Subjazenz-Prinzip• Das Ketten-Prinzip• Das Prinzip der leeren Kategorien (ECP)

• Das Subjazenz-Prinzip basiert auf dem Begriff des Grenzknotens.

• Für die Ketten-Bedingung ist asymmetrisches c-Kommando zentral.

• Wichtig für die Definition des ECP sind die Konzepte der Rektion, derstrengen Rektion und der Minimalitätsbedingung.

• Rektion ist m-Kommando durch einen Kopf.

• Als strenge Rektion fassen wir lexikalische Rektion auf.

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

1 Erklären Sie aufgrund der Bewegungsbeschränkungen, die Siekennengelernt haben, die Ungrammatikalität der folgenden Sätze:

(56) a. *Ist das der Mann, deni meine Behauptung, dass Maria ti mag,falsch ist?

b. *Wohini hat Maria Peter beschimpft, weil er ti gehen möchte?

c. *Das ist das Haus, dasi Peter ti und meinen Bungalow reparierthat.

d. *Weri hat Peter sich gewundert, was ti gesagt hat?