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VERWALTUNG & MANAGEMENT NOMOS Verlagsgesellschaft Baden-Baden März/April 2004 · ISSN 0947-9856 E 21241 Zeitschrift für allgemeine Verwaltung Aus dem Inhalt Hans H. Bauer und Mark Grether Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter des Customer Relationship Management Klaus Grimmer Verwaltungsmodernisierung und kommunale Organisationsmodelle Martin Koci und Kuno Schedler Der gleichzeitige Einsatz von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild Kommunale Krankenhäuser Paul Alpar und Sebastian Pickerodt Eine ökonomische Bewertung von Websites deutscher Großstädte

März/April 2004 · ISSN 0947-9856 E 21241 VERWALTUNG … · schen Maschinen« sprach man schon in der Computer-Steinzeit und ver-band damit die (oft verfehlte, auf alle Fälle aber

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VERWALTUNG &MANAGEMENT

NOMOS VerlagsgesellschaftBaden-Baden

März/April 2004 · ISSN 0947-9856 E 21241

Zeitschrift für allgemeine Verwaltung

Aus dem Inhalt

Hans H. Bauer und Mark GretherÖffentliche Verwaltungen im Zeitalter des

Customer Relationship Management

Klaus GrimmerVerwaltungsmodernisierung und kommunale

Organisationsmodelle

Martin Koci und Kuno SchedlerDer gleichzeitige Einsatz von

Mitarbeiter- und Kundenbefragungen

Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin WildKommunale Krankenhäuser

Paul Alpar und Sebastian Pickerodt Eine ökonomische Bewertung von

Websites deutscher Großstädte

»Auf ein Wort …«

VM 2/2004 57

Im nunmehr 10. Jahr von »Verwaltung und Management« – dieses klei-ne Jubiläum verdient in diesen für Fachzeitschriften schwierigen ZeitenErwähnung – fällt auf, dass bei der Vielzahl durch unsere Autoren behan-delter Themen rund um die Verwaltungsmodernisierung eines allenfallsstiefmütterlich traktiert wurde: der gesamte Komplex der Normsetzungdurch die Parlamente. Das verwundert, denn hier schlägt das Herz des öf-fentlichen Sektors, hier wird über unser aller Lebensqualität bestimmt!

Selbstverständlich ist das Thema der Normsetzung nie ganz von derBildfläche verschwunden. Das gilt etwa für die Gesetzgebungslehre, dieLegistik; aber nach einer Blüte in den späten Achtzigern ist es doch vielstiller um sie geworden. Auch ist etwa die Gemeinsame Geschäftsordnungder Bundesministerien im Jahre 2000 novelliert worden, was zum Einbauder ehemaligen »Blauen Prüffragen« beim Erlass von Vorschriften oderzur Ergänzung um einen Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung führte.Aber dass die Normsetzung im Brennpunkt der Modernisierungsbe-mühungen läge, lässt sich schwerlich behaupten.

Auch im so genannten eGovernment liegen die Schwerpunkte woan-ders. Hier bemüht man sich vor allem um eine Verbesserung der Aus-führung dessen, was die Parlamente schon verabschiedet hatten; Stich-wörter wie Online-Verwaltung oder Virtuelles Bürgerbüro zeigen das an.Relativ viel diskutiert wird weiter das Vorfeld der Parlamentsarbeit, etwaeDemokratie; Stichwörter wie Transparenz öffentlicher Angelegenheitenüber das Internet, E-Mail-Kommunikation mit Politikern, Online-Partizi-pation oder eVoting belegen es.

Dabei wissen die Parlamentarier selbst am besten, und halten im Ge-spräch auch nicht damit hinter dem Berg, dass zwischen der Bündelungder öffentlichen Meinung und der Bestimmung des Verwaltungs- und Ju-stizhandelns ein wesentlicher Teil, ja der wesentliche Teil ihrer Arbeitliegt, der ebenfalls des Schweißes der Modernisierer wert wäre. Denn aufdem Wege von der »Observation der diversen Regelungsfelder« bis zur»Evaluierung der Wirkungen getroffener Maßnahmen« liegen zahlreicheSchritte, die bislang methodisch relativ schwach untermauert sind: diewert- und politikkonforme Ausrichtung von Maßnahmen, die Festlegungvon Rang und Regelungsebene der nötigen Normen, die Einbeziehung ex-ternen Sachverstands (reiche als Stichwort »Gentechnologie«), die Simu-lation von Normfolgen, die konsistente Einfügung von Maßnahmen ingeltendes Recht, der Erlass von Ausführungsbestimmungen zur Sicherungihrer intendierten Anwendung, die gleichwohl erforderliche Offenhaltungder Regelungen für Anpassungen an Kontextveränderungen (»Gesetz aufProbe«, »Sonnenuntergangsgesetze«), die Veröffentlichung intern beiVerwaltung und Justiz sowie extern bei den Normadressaten, die Qualifi-zierung in Anwendung und Beratung, und weiteres.

Man muss dieser gewaltigen und unser Leben maßgeblich formendenAufgabe nur einige Erfahrungen gegenüberstellen: Normenflut, Verlustdes Überblicks auch bei Wohlmeinenden, dadurch gefördert gewollte wieungewollte Rechtsbrüche in großer Zahl und abnehmendes Rechtsbe-wusstsein, Ungleichbehandlung, schlechte Normen, weil zu spät oder»mit heißer Nadel« gemacht, wofür gerade die Gegenwart wieder An-schauungsmaterial liefert. Dann kann man Ansätze zur methodischen Un-terstützung der Parlamentsarbeit nur dankbar begrüßen. Und solche kom-men jetzt in der Tat zum Vorschein.

»Regelbasierte Systeme«, wie einer der Begriffe für solche Unterstüt-zung lautet, sind eigentlich so neu auch wieder nicht. Von »kyberneti-schen Maschinen« sprach man schon in der Computer-Steinzeit und ver-band damit die (oft verfehlte, auf alle Fälle aber verfrühte) Vision einerkorrekt gesteuerten und von jedem nachprüfbaren öffentlichen Verwal-tung. Einen Höhepunkt erlebten Expertensysteme, Wissensbasierte Syste-me und ähnliche Ansätze dann in den achtziger Jahren – aber auch um siewurde es still. Waren sie zu eng auf Rechtsanwendung angelegt? War da-mit die Zielgruppe zu speziell? War die Informationstechnik noch nichtweit genug? Waren Bezeichnungen wie »künstliche Intelligenz« selbstletztlich diskreditierend?

Wie dem auch sei: Heute herrschen ganz andere Verhältnisse undVoraussetzungen. Software- und Hardwaretechnologie haben große Fort-schritte gemacht, die Informationstechnik-Ausstattung des öffentlichen,aber auch des privatwirtschaftlichen und bürgerschaftlichen Sektors weisteine erhebliche Dichte auf, die Kenntnisse im Umgang mit Informations-technik bei Belegschaften und der Bevölkerung generell sind deutlich ge-wachsen. Nicht zuletzt aber ist das Bewusstsein der Notwendigkeit von»Governance« gewachsen, verstanden als regelnde Betrachtung und Ge-staltung von Government, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im kyberneti-schen Sinne der gedanklichen Reflektion allen tatsächlichen Handelns, alsAuseinandersetzung mit dem »Sein« vom Gesichtspunkt des »Sollens«aus. »Good Governance« liefert dafür Kriterien wie demokratisch, recht-mäßig, nachhaltig, transparent, partizipativ, sozial-integrativ oder effizi-ent; »eGovernance« richtet die Regelkreise der Gestaltung an den Heraus-forderungen der Informationsgesellschaft aus und nutzt deren technischePotenziale.

In einer solchen Umgebung stellen sich nun regelbasierte Systeme inneuem Licht dar. Das konnte man jetzt auf einer Veranstaltung des Fraun-hofer-Instituts für offene Kommunikationssysteme in Berlin erfahren, woBeispiele aus den Niederlanden, Deutschland und Australien überzeugten(siehe http://www.fokus.fraunhofer.de/egovernance ). Wir werden noch indiesem Jahr detaillierter über diese Anwendungen berichten. Über Parla-ments-Informationssysteme oder eine Workflow-Unterstützung vonNormsetzungsprozessen (wie sie bei eLegislation des Deutschen Bundes-tages in Arbeit ist) weit hinaus geht es hier tatsächlich um den Kern parla-mentarischer Arbeit: Normen werden programmiert – und so auf Logikund Konsistenz überprüfbar; Normfolgen werden, jedenfalls zum Teil, si-mulierbar, Entscheidungen überzeugender begründbar; die Systeme lassensich über »Links« zu Gesetzestexten, Ausführungsbestimmungen, Ge-richtsurteilen, Kommentaren, verwandten Normen, ähnlichen Vorhabenanderer Stellen und vielem anderen verknüpfen; sie ermöglichen eine ge-zielte Qualifizierung der Normanwender wie der Normadressaten; sie tra-gen, auch damit, zu einem regelgerechten Normvollzug bei; sie erlaubenden Adressaten die Simulation ihrer Ansprüche; sie machen Erfahrungenund Wirkungen von Vorschriften sammel- und auswertbar; und vieles an-dere mehr.

Damit sind nun viel bessere Voraussetzungen gegeben, regelbasierteSysteme in ein eGovernance einzubetten, sie zu einer Art Attraktor für»Begleitinformation« zu machen, wie sie idealer Weise für den gesamten»Lebenszyklus« durch ein Parlament erlassener Vorschriften und Pro-gramme als nötig erscheint. Selbstverständlich sind wir hier auch am Be-ginn vieler Fragen, die zu beantworten sich aber lohnen würde: Wie solldie Organisation aussehen, also welche Teilaufgaben sind von wem zuübernehmen? An die Parlamente mit ihren eigenen Untergliederungen, andie Fachleute in den Ministerien, die Software- und Beratungshäuser, dieVerbände und die Öffentlichkeit ist zu denken. Welche Bremsklötze sindim Weg, bevor regelbasierte Systeme ihr Potenzial als »Scharniere« inden Kommunikationsketten zwischen Parlament und Normadressat aus-spielen können? Wie vertragen sich die politischen Prozesse mit Systema-tik und Transparenz, wie sie regelbasierten Systemen innewohnt? Aberdie in der derzeitigen Modernisierungsdebatte zwischen Vorbereitung undAusführung öffentlichen Handelns klaffende Lücke über regelbasierte Systeme schließen zu helfen, ist allemal des Versuchs wert.

Mit den besten Wünschen

Verehrte Leserinnen und Leser!

em. Univ.-Professor Dr. Heinrich Reinermann, DHV Speyer

Impressum

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VERWALTUNG UND MANAGEMENTZeitschrift für allgemeine Verwaltung

10. Jahrgang, Heft 2/2004, Seiten 57-112

Schriftleiter und Herausgeber:em. Univ.-Prof. Dr. Heinrich Reinermann, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Beirat:Prof. Dr. Hinrich E.G. Bonin, Fachhochschule Nordostniedersachsen, LüneburgJochen Dieckmann, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Eichhorn, Universität MannheimAxel Endlein, Landrat, MdL, Präsident des Deutschen Landkreistages, Bonn

Prof. Dr. Klaus-Eckart Gebauer, Direktor beim Landtag Rheinland-Pfalz, MainzPeter Heesen, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, Bonn

Dr. Jürgen Hensen, Präsident des Bundesverwaltungsamtes und des Bundesausgleichsamtes, KölnDr. oec. HSG Albert Hofmeister, Chef des Inspektoriat des Eidgenössischen Departements für

Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, BernDr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Berlin

Univ.-Prof. Dr. Klaus Lenk, Universität OldenburgProf. Dr. Marga Pröhl, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Univ.-Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität PotsdamDr. Thilo Sarrazin, Senator für Finanzen des Landes Berlin

Dr. Sebastian Saxe, Vorstand Technik der Dataport Anstalt des öffentlichen Rechts, AltenholzUniv.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Siedentopf, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Dr. Hedda von Wedel, Mitglied des Europäischen Rechnungshofes, LuxemburgDr. Arthur Winter, Sektionschef im Bundesministerium für Finanzen, Wien

Christian Zahn, Mitglied des Bundesvorstands der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin

Redaktionsanschrift: Verwaltung und ManagementPostfach 1409D-67324 SpeyerTel. (06232) 654-323, Fax (06232) 654-407E-Mail: [email protected]: http://www.dhv-speyer.de/rei/vm

Verwaltung und Management erscheint in der

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden

Druck, Verlag und Anzeigenannahme:

Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Waldseestraße 3-5, 76530 Baden-Baden, Tel. (07221) 2104-0, Fax (07221) 210427

Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträgeund Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-tung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassenist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Dies gilt

insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzun-gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbei-tung in elektronischem System.

Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht die Meinung derHerausgeber/Schriftleitung wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung übernommen wird – geltenals Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verla-ges. Es werden nur unveröffentlichte Originalarbeiten angenom-men. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstel-lenden redaktionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: Zweimonatlich.

Bezugsbedingungen: Abonnementspreis jährlich 98,– Euro,(inkl. MwSt.), zuzüglich Porto und Versandkosten (zuzüglichMwSt. 7%); Bestellungen nehmen entgegen: Der Buchhandelund der Verlag; Abbestellungen vierteljährlich zum Jahresende.

Zahlungen jeweils im voraus an: Nomos-Verlagsgesellschaft,Postsbank Karlsruhe, Konto 73 636-751 (BLZ 660 100 75) undStadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ 662 500 30).

ISSN 0947-9856

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt eine Beilage für Abonnementwerbung für die Zeitschrift »Praxishandbuch leiten-führen-motivieren in der öffentlichen Verwaltung«, Bonn, (Postvertriebskennzeichen: G 48793) bei.

Inhalt

VM 2/2004 59

Auf ein Wort ... 57

Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter des Customer Relationship Management 60

Hans H. Bauer und Mark Grether

Customer Relationship Management (CRM) ist in den letztenJahren für viele privatwirtschaftliche Unternehmen zu einemzentralen Managementkonzept geworden. Im Gegensatz dazuwird CRM im Bereich der öffentlichen Verwaltung bislangpraktisch nicht angewendet. Da im Zuge der viel diskutiertenVerwaltungsreform auch die allgemeine Kundenorientierungund -fokussierung im öffentlichen Bereich gesteigert werdensoll, könnte CRM die Entwicklung der Verwaltung zu einemmodernen Dienstleister wesentlich unterstützen. Durch eineempirische Status Quo-Analyse wird untersucht, ob bzw. inwelchem Ausmaß die einzelnen Elemente des CRM bereitsin der Verwaltungspraxis umgesetzt und angewendet werden.

Verwaltungsmodernisierung und kommunale Organisationsmodelle 68

Klaus Grimmer

Die politische Eigenfunktionalität öffentlicher Verwaltungen,insbesondere der Kommunalverwaltungen hat in den letztenJahren zugenommen. Der Organisationsform kommt deshalbbesondere Bedeutung zu, nicht nur für Effizienz und Effekti-vität, sondern auch für Kontrolle und Beteiligung. Sie istnach der Art und Weise der Verantwortung zu bestimmen,welche eine Verwaltung in der Aufgabenerledigung wahrzu-nehmen hat: Verschiedene Organisationsmodelle werden vor-gestellt und diskutiert.

Der gleichzeitige Einsatz von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen 73

Martin Koci und Kuno Schedler

Im Zentrum des Artikels steht die Frage, welche Zusammen-hänge zwischen der Zufriedenheit von Kundinnen und Kun-den und der Zufriedenheit von Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern einer öffentlichen Dienstleistungsunternehmungbestehen. Um diese Frage beantworten zu können, bietet sichdie Auswertung einer gleichzeitig durchgeführten Mitarbei-ter- und Kundenbefragung an. Anhand von spezifischen Ana-lysemodellen und der übersichtlichen Darstellung von Kenn-zahlen können die relevanten Zusammenhänge undAuswirkungen dargestellt und so die Stärken und Schwächeneines bestehenden Systems auf einen Blick eruiert werden.Aus den Ergebnissen lassen sich gezielte Verbesserungsmög-lichkeiten für beide Seiten generieren.

Kommunale Krankenhäuser 78

Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild

Der Beitrag beschreibt gegenwärtige Entwicklungen auf demKrankenhausmarkt, die insbesondere kommunale Kranken-häuser vor erhebliche Probleme stellen. Diese Situation kannals Chance genutzt werden, die strategische Positionierungkommunaler Krankenhäuser neu zu bewerten. Mögliche Stra-tegien werden aufgezeigt und bewertet, die zu einer dauerhaf-ten finanziellen Entlastung der Krankenhausträger führen.

Eine ökonomische Bewertung von Websites deutscher Großstädte 84

Paul Alpar und Sebastian Pickerodt

Websites bilden als Online-Schalter der Verwaltung einenkleinen, aber wichtigen Teil von E-Government. Es existierteine Reihe von Studien, in denen die Qualität öffentlicher On-line-Angebote untersucht wird. Neben der Qualität der Ange-

bote ist jedoch auch ihre Wirtschaftlichkeit von Bedeutung. Indieser Studie wird das Verhältnis zwischen Aufwand und Er-trag der Websites großer deutscher Städte untersucht. AufGrund der Messergebnisse werden Modellsites für Angeboteunterschiedlichen Umfangs ermittelt und einige generelleEmpfehlungen für die Gestaltung kommunaler Sites abgelei-tet.

Balanced Scorecard und öffentliche Unternehmen 89

Gebhard Zimmermann† und Thorsten Jöhnk

Die Balanced Scorecard ist ursprünglich für rein erwerbswirt-schaftliche Unternehmen entwickelt worden, eine solcheAusrichtung ist jedoch für öffentliche Unternehmen aufGrund haushaltsrechtlicher Vorschriften ausgeschlossen.Deshalb wird im Folgenden untersucht, in welcher Weise dieBalanced Scorecard sachgerecht in öffentlichen Unternehmeneingesetzt werden kann.

Projektmanagement 92

Angela Witt-Bartsch und Harald Enz

Projektmanagement – ein Wort, das heute in aller Munde istund mittlerweile einen festen Bestandteil in der täglichenPraxis der meisten Unternehmungen und Verwaltungen dar-stellt. Das Erkennen der Ursachen von Projekt(miss)erfolgenund das Identifizieren von Verbesserungsmöglichkeiten sinddabei der erste Schritt für erfolgreicheres Projektmanage-ment.

Modernisierung der Landesverwaltung Baden-Württemberg 98

Markus Reiners

In Baden-Württemberg wird die Notwendigkeit der Absen-kung der Staatsquote und der Reduzierung der öffentlichenVerschuldung betont. Die Lücke zwischen verfügbaren Res-sourcen und Ressourcenbedarf soll auf Landesebene durchdie Implementierung Neuer Steuerungsinstrumente geschlos-sen werden. Hinter den Bemühungen verbirgt sich jedoch dieFrage, ob die Machtkonstellationen und Rationalitäten derbeteiligten Akteure die Durchsetzbarkeit des Projekts auchzulassen. Der Beitrag liefert empirische Hinweise auf die mi-kropolitischen Aktivitäten der Akteure, ihre differierende Ra-tionalität, Machtmittel, Strategien, Interessen, Beziehungs-muster und Umwelteinflüsse.

Methodik der Auslegung in der Staats- und Verwaltungspraxis (Teil 2) 104

Hans Blasius

Recht und Wort sind Partner. Die Sprache ist Werkzeug, Ma-terial und Produkt der Rechtsarbeit. Das Recht bedient sichder Alltags- und Umgangssprache; daneben hat sich dasFachvokabular etabliert. Namentlich Recht in Gestalt derUmgangssprache bedarf wegen mancher Unschärfe undMehrdeutigkeit der Interpretation. Generell sind sämtlicheRechtserzeugnisse, also Normen, Verwaltungsakte, pri-vatrechtliche Willenserklärungen, Verträge etc., auslegungs-bedürftig. Der Rechtsanwender schöpft bei seinem semanti-schen Tun aus einem Fundus hermeneutischer, von derDogmatik entwickelter Instrumente. Im Mittelpunkt diesesBeitrags steht der Methodenkanon, den die Wissenschaft fürdie Auslegung von Normen bereit stellt.

Nachrichten 110

Vorschau 112

Die Verwaltung auf dem Weg zumkundenorientierten Dienstleister

Customer Relationship Management (CRM)in der öffentlichen Verwaltung ist ein The-ma, das zunächst in sich widersprüchlichanmutet: CRM verkörpert ein stark be-triebswirtschaftlich orientiertes Konzept,das sich in den letzten Jahren für viele pri-vate Unternehmen zu einem der zentralenGeschäfts- und Managementmodelle ent-wickelt hat. Auf die fundamentalen Aussa-gen reduziert ist CRM ein Ansatz, mit demman die Kunden langfristig an sich binden

und dadurch versuchen will, den Unterneh-mens- und Kundenwert durch ein systema-tisches Management der existierenden Kun-denbeziehungen zu steigern.1

Da es im öffentlichen Bereich weder»klassische Kunden« noch »klassischeWettbewerber« gibt, die den eigenen»Markterfolg« gefährden, scheint das CRM-Konzept für die öffentliche Verwaltungprinzipiell nicht relevant zu sein. Für vieleist die Beziehung zwischen der Verwaltungund den Abnehmern der Verwaltungslei-stungen »naturgegeben«, weshalb sich dieFrage nach Sinn und Ziel eines Bezie-hungsmanagements im öffentlichen Bereichgar nicht oder bestenfalls anders stellt.

Erste Ansatzpunkte für die Annahme,dass das Thema CRM in der öffentlichenVerwaltung durchaus von hoher prakti-scher Relevanz sein kann, ergeben sich ausder Beobachtung verschiedenster Entwick-lungen im öffentlichen Bereich. So wirdseit einigen Jahren in Wissenschaft undPraxis sehr intensiv die Notwendigkeit ei-ner Verwaltungsreform diskutiert. DieserReformbedarf wird auf diverse Verände-rungen des gesellschaftlichen, politischenund bürgerbezogenen Umfeldes der Ver-waltung sowie auf einige gravierende Mis-sstände im öffentlichen Bereich zurückge-führt.2 Die Bewegung der Verwaltungsmo-dernisierung wird sehr häufig als NewPublic Management (NPM) bezeichnet.3Ein Hauptziel des New Public Manage-ments ist es, die Abnehmer der Verwal-tungsdienstleistungen als Kunden zu ver-

stehen und darauf aufbauend die Kunden-orientierung der Verwaltung zu steigern.4

Wenn die öffentliche Verwaltung imZuge eines grundsätzlichen Reformprozes-ses auch die intensive Orientierung anihren Kunden verfolgt, liegt der Schlussnahe, dass die Übertragung der CRM-Kon-zeption auf den öffentlichen Bereichdurchaus zur Erreichung dieser Zielset-zung beitragen und die Entwicklung derVerwaltung hin zu einem »kundenorien-tierten Dienstleister« fördern kann.

CRM-Modell nach Clark et al.

CRM ist eine kundenorientierte Unterneh-menspolitik, die mit Hilfe moderner Infor-mations- und Kommunikationstechnologi-en versucht, auf lange Sicht profitableKundenbeziehungen durch ganzheitlicheund individuelle Marketingkonzepte auf-zubauen und zu festigen. Dieses umfassen-de CRM-Verständnis hat weit reichendeKonsequenzen, die das ganze Unterneh-men betreffen.5 Im Rahmen der vorliegen-den Arbeit bildet das CRM-Modell nachClark et al. die Grundlage für die Diskussi-on der Übertragbarkeit des CRM auf dieSituation der öffentlichen Verwaltung.

Im Mittelpunkt des Modells steht dieRelationship Management-Kette. Diesewird von Clark et al. als »ein System [...]für die Implementierung einer verbessertenFokussierung auf bestehende Geschäftsbe-ziehungen...«6 bezeichnet. Die Relation-ship-Kette greift dabei zentrale Elementedes Relationship Managements auf und lie-fert Hinweise, wie durch beziehungsfokus-sierte Maßnahmen und Prozesse die Wert-schöpfung des Unternehmens gesteigertwerden kann. Die Autoren sprechen be-wusst ganz allgemein von einer Relation-ship-Kette, da nicht nur die Endkunden-märkte (Customer), sondern auch Bezie-hungen zu anderen internen und externen

Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter desCustomer Relationship Management

von Hans H. Bauer und Mark Grether

Customer Relationship Management (CRM) ist in den letzten Jah-ren für viele privatwirtschaftliche Unternehmen zu einem zentralenManagementkonzept geworden. Im Gegensatz dazu wird CRM imBereich der öffentlichen Verwaltung bislang praktisch nicht ange-wendet. Da im Zuge der viel diskutierten Verwaltungsreform auchdie allgemeine Kundenorientierung und -fokussierung im öffentli-chen Bereich gesteigert werden soll, könnte CRM die Entwicklungder Verwaltung zu einem modernen Dienstleister wesentlich unter-stützen. Durch eine empirische Status Quo-Analyse wird untersucht,ob bzw. in welchem Ausmaß die einzelnen Elemente des CRM be-reits in der Verwaltungspraxis umgesetzt und angewendet werden.

Dr. Mark Grether warWissenschaftlicher Mitarbeiter am oben genannten Lehrstuhlund vertritt derzeit dieProfessur für ABWL undMarketing im Fachbe-reich Touristik/Verkehrswesen an derFachhochschule Worms.

Univ.-Professor Dr.Hans H. Bauer ist Inha-

ber des Lehrstuhls fürABWL und Marketing IIund Wissenschaftlicher

Direktor des Institutsfür Marktorientierte

Unternehmensführungan der Universität

Mannheim.

Stehen die Bürger im Mittelpunkt?

60 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 60-67

1 Rapp 2000, S. 42.2 Schedler/Proeller 2000, S. 25 ff.3 Klimecki/Müller 1999, S. 11.4 Schedler/Proeller 2000, S. 55.5 Bauer/Grether 2002, S. 3.6 Clark et al. 1999, S. 43.

Märkten abgedeckt werden sollen. Hin-sichtlich ihrer Konstruktion orientiert sichdie Relationship-Kette an der Idee einesManagementprozesses und unterscheidetfünf verschiedene Schritte des Geschäfts-bzw. Beziehungsprozesses (Bild 1). DiesesVorgehen erinnert an die Wertschöpfungs-kette von Porter.7 Die Besonderheit der Re-lationship-Kette besteht aber darin, dasshier nicht wie bei Porter eine Reihe aufein-ander folgender betrieblich-funktionalerSchritte im Mittelpunkt stehen. Vielmehrwird gezeigt, wie Wertschöpfung konkretdurch kundenbezogene Analyse- und Maß-nahmenschritte erzielt werden kann.

Die Relationship Management-Kette,welche aus den fünf Gliedern »Erstellungeines Wertschöpfungsplans«, »Zielgrup-penbestimmung und Segmentierung«,»Arbeitsprozesse und Systeme zur Lei-stungserbringung«, »Erbrachte Zufrieden-heit«, sowie »Messmethoden und Feedb-ack« besteht, bildet das zentrale Elementdes hier vorgestellten CRM-Ansatzes.Clark et al. betonen, dass jedes Elementabgearbeitet werden muss, um Potenzialefür eine höhere Wertschöpfung durch Re-lationship Management zu identifizierenund um entsprechende Maßnahmen imple-mentieren zu können.

Bei der Erstellung eines Wertschöp-fungsplans muss zunächst identifiziertwerden, welche Bestandteile einer Dienst-leistung für den Kunden besonders wichtigsind. Beispielsweise ist die relative Wich-tigkeit einzelner Angebotskomponenten zuanalysieren. In einem nächsten Schritt sollerfasst werden, welche Dienstleistungendes kompletten Leistungsportfolios ausKundensicht besonders bedeutend sind.Abschließend sollen Wettbewerbsstudiendurchgeführt werden. Mit diesen soll er-mittelt werden, wie der Kunde die vondem Unternehmen erbrachten Leistungenim Vergleich zu denen von Wettbewerbernwahrnimmt und bewertet.

CRM zeichnet sich unter anderem durcheine starke Individualisierung des Lei-stungsangebotes und der Kundenbearbei-tung aus. Um dies zu gewährleisten, mussnach der Identifizierung eines kundenorien-tierten Leistungsangebotes untersucht wer-den, ob sich einzelne homogene Kunden-gruppen hinsichtlich Präferenzen et ceterasegmentieren lassen. Die so identifiziertenSegmente können dann hinsichtlich Lei-stungsangebot, Serviceumfang et cetera in-dividualisiert betreut und bearbeitet wer-den. Neben der Individualisierung spielt imCRM auch die Wirtschaftlichkeit der Kun-denbeziehung eine zentrale Rolle.8 Dahermuss in einem weiteren Schritt untersuchtwerden, ob bzw. in welchem Ausmaß eineindividualisierte Bearbeitung verschiedenerKundensegmente tatsächlich rentabel ist.Auf Basis der Dienstleistungs- bzw. Relati-onship-Segmentierung und der Kundenpro-fitabilitätsanalyse soll schließlich das eige-ne Leistungsangebot zum Beispiel hinsicht-lich Produktportfolio, Kundenservice undArbeitsprozesse im Vergleich zum Wett-berwerb positioniert werden.

Clark et al. betonen, dass die Art undWeise, wie Arbeitsprozesse organisiert unddurchgeführt werden, entscheidend für denwirtschaftlichen Erfolg eines Unterneh-mens ist. Die von den Kunden gewünschteFlexibilität und Individualität einer Lei-stung ist nur dann zu realisieren, wenn diedahinterstehenden unternehmensinternenProzesse flexibel und effizient organisiertsind. Der technologische Fortschritt vor al-lem im IT-Bereich ermöglicht inzwischenProduktions- und Leistungserstellungspro-zesse, die sehr flexibel sind, dennoch aberkeinen Kostennachteil für den Kunden ver-ursachen. Im Rahmen des RelationshipManagements stellt die Kombination ausindividualisierter Leistung bei gleichzeitigwettbewerbsfähigen Preisen einen wichti-gen Faktor hinsichtlich der Etablierunglangfristiger Kundenbeziehungen dar.

Die Zufriedenheit der Kunden ist einezentrale Voraussetzung für das Entsteheneiner langfristigen Kundenbeziehung.9 Clarket al. betonen, dass die Kundenzufrieden-heit nicht nur von tatsächlichen Produktei-genschaften, sondern auch von dem gesamten Produktumfeld (Service, Bezie-hung et cetera) abhängt. In diesem Zusam-menhang sollte eine Kosten-Nutzen-Ana-lyse sowie eine Untersuchung der Dienst-leistungsqualität durchgeführt werden.Clark et al. gehen davon aus, dass Kundenbei einem Kauf vor allem nach individuel-len Vorteilen suchen. Das bedeutet, dassneben den Produkteigenschaften Faktorenwie zum Beispiel Serviceumfang und -qualität, Image sowie die antizipierte Be-ziehungsqualität die Kaufentscheidung mitbeeinflussen. Die Kosten-Nutzen-Analysesoll daher den Gesamt-Nettoeffekt abbil-den, der dem Kunden durch ein Leistungs-paket (Produkt und Servicekranz) entsteht.Kosten können dabei zum Beispiel Preis,Zeitaufwand sowie physischer und psychi-scher Aufwand sein. Demgegenüber ent-steht dem Kunden ein Nutzen beispiels-weise durch den Produktwert, den empfan-genen Service, dem Imagewert oder diepersönliche Beziehung zum Verkäufer.Um die Entstehung einer langfristigenKundenbeziehung zu begünstigen, mussder Nutzen für den Kunden größer als dieentstehenden Kosten sein. Clark et al. wei-sen darauf hin, dass die vom Kundenwahrgenommene Servicequalität großenEinfluss auf die Gesamtzufriedenheit derKunden hat. Dementsprechend ist es wich-tig, die Servicequalität zu messen bzw. ge-gebenenfalls zu verbessern.

Damit die Zufriedenheit der Kundenund somit auch die Kundenbeziehunglangfristig gesichert bleiben, sollten alle

Hans H. Bauer und Mark Grether, Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter des Customer Relationship Management

VM 2/2004 61

7 Porter 1985.8 Rapp 2000, S. 47.9 Storbacka/Strandvik/Grönroos, 1994, S. 21 ff.

Bild 1: Die Relationship Management-Kette nach Clark et al.; Quelle: In Anlehnung an Clark et al. (1999), S. 33.

Erstellung eines Wertschöpfungsplans

Identifizierung der Kernthe-men der Dienstleitungen

Messung bevorzugterDienstleistungen

Benchmarks/Wettbewerbs-studien

Segmentierung, Zielgruppenbestimmungund Positionierung

Dienstleistungs-/Relationship Segmentierung

Kundenprofitabilitäts-analyse

Database Marketing

Positionierung

Arbeitsprozesse und Systeme zur Leistungserbringung

Befriedigung individuellerKundenwünsche

Konfiguration für jedesSegment

Bildung von wertschöpfen-den Partnerschaften

Prozessvergleichsstudien

Erbrachte Zufriedenheit

Kosten-Nutzen Analyse fürjedes Segment

Analyse der Servicequalität

Messmethoden und Feedback

Überwachung der Dienstleistungsprozesse

Studien zur Kundenzufriedenheit

Studien der Mitarbeiterzufriedenheit

Management externer Märkte

Management interner Märkte

Relationship Management-Maßnahmen ei-ner kontinuierlichen Kontrolle unterzogenwerden. Nur so lassen sich Prozesse undMaßnahmen permanent im Sinne einerhöheren Kundenzufriedenheit verfeinern.Nach Meinung der Autoren darf sich Qua-litätskontrolle nicht nur auf die Qualitätdes Endproduktes beziehen, sondern mussden gesamten Prozess der Leistungserstel-lung umfassen. Clark et al. weisen darauf

hin, dass die Qualität des Endproduktesnur dann gewährleistet werden kann, wennauch die Qualität aller vorgelagerten Pro-zessstufen gesichert ist. Dementsprechendsollten potenzielle oder tatsächliche Defi-zite bzw. Störfaktoren in allen Bereichender Leistungserstellung identifiziert undbeseitigt werden.

Eher der Frage nachgegangen werdenkann, ob diese Relationship Management-Kette auf öffentliche Verwaltungen über-tragbar ist, sind zuvor die aktuellen Ent-wicklungen im Bereich des New PublicManagement aufzuzeigen, die als Vorstufeeiner CRM-Implementierung angesehenwerden können.

New Public Management

Das New Public Management befasst sichallgemein mit der Reform und Modernisie-rung öffentlicher Einrichtungen und derImplementierung neuer Konzepte des Ver-waltungsmanagements.10 New Public Ma-nagement wird seit etwa Mitte der achtzi-ger Jahre in nahezu allen Ländern der Erde,vor allem aber in westlichen Staaten wiezum Beispiel Großbritannien, USA, Nie-derlande und Neuseeland diskutiert.11 Zwi-schen einzelnen, länderspezifischen NPM-Konzepten bestehen zwar Unterschiedezum Beispiel hinsichtlich der konkretenAusgestaltung und der Diskussionsebenen,dennoch gibt es weltweit große inhaltlicheGemeinsamkeiten.12 Während der Begriff»New Public Management« hauptsächlichim angelsächsischen Bereich verwendetwird, spricht man in Deutschland meistensvom so genannten »Neuen Steuerungsmo-dell der Verwaltung«13. Initiator der deut-schen NPM-Diskussion war und ist vor al-lem die Kommunale Gemeinschaftsstellefür Verwaltungsvereinfachung (KGSt), diemit der Veröffentlichung des »Neuen

Steuerungsmodells für das Dienstleistungs-unternehmen Kommune« im Jahre 1993 ei-nen zentralen Grundstein der deutschenNPM-Bewegung legte.14 Das von derKGSt vorgestellte, sehr auf die kommunaleEbene bezogene Konzept greift dabei we-sentliche Inhalte der internationalen NPM-Diskussion auf und orientiert sich in beson-derem Maße am so genannten Tilburger-Modell.15

In der Literatur werden hauptsächlichdie folgenden fünf Punkte für die Entste-hung und den Bedeutungszuwachs desNPM genannt:� Verwaltungsinterne Faktoren

– Inflexibilität der öffentlichen Ver-waltung durch Hierarchien, Kompe-tenzordungen und Normen16

– Geringe Kunden- und Dienstlei-stungsorientierung17

– Geringe Mitarbeiterorientierung18

– Managementdefizite19

� Gesellschaftliche Veränderungen20

– Wandel zur Kommunikations- undInformationsgesellschaft21

– Abkehr von traditionellen Wertvor-stellungen22

– Streben nach Individualisierung23

� Informationstechnologischer Fortschritt– komplexe Hierarchien und Dienst-

wege behindern modernes, bereichü-bergreifendes Datenmanagement24

� Politische Faktoren– Finanzkrise auf Bundes-, Länder-

und Kommunalebene25

– Politikverdrossenheit der Bürger26

� Veränderung der Marktsituation– Zunehmender nationaler und interna-

tionaler Standortwettbewerb zwi-schen einzelnen Kommunen (Lei-stungsfähigkeit der öffentlichen Ver-waltung als Standortvorteil).27

Aus diesen Rahmenbedingungen leitensich unmittelbar die folgenden Ziele desNew Public Managements ab:� Steigerung der Kunden- und Dienstlei-

stungsorientierung28

� Abbau der Politikverdrossenheit derBürger29

� Entwicklung von der Input- zur Output-orientierung30

� Effizienzsteigerung durch Dezentrali-sierung und Abbau von Hierarchien31

� Steigerung der Flexibilität32

� Beilegung der Finanzkrise33

� Einführung von unternehmerischen Ma-nagementkonzepten34

� Einführung interner und externer Wett-bewerbsmechanismen35

� Einführung von Kosten-Nutzen-Analy-sen36

� Steigerung der Mitarbeiterorientierungund motivation37

� Entwicklung eines Kostenbewusstseins38

� Modernisierung der Verwaltung alskontinuierlicher Lernprozess.39

Die Steigerung der Kunden- und Dienstlei-stungsorientierung ist eines der zentralenZiele des NPM.40 In einer 1995 durchge-führten Befragung von Kommunalverwal-tungen wurde die mangelnde Bürger- undKundenorientierung mit 46,3 Prozent derNennungen als wichtigsten Grund für dieVerwaltungsreform identifiziert.41 Auchdie Bundesregierung betont im Rahmendes Programms zur Verwaltungsmoderni-sierung die zentrale Bedeutung einer Stei-gerung der Kunden- und Dienstleistungs-orientierung.42

Obwohl die Kundenorientierung im Rah-men der Verwaltungsmodernisierung einezentrale Bedeutung einnimmt, sind die ge-

Stehen die Bürger im Mittelpunkt?

62

10 Eichhorn 1997; Schedler/Proeller 2000, S. 5.11 Hopp/Göbel 1999, S. 10.12 Nagel/Müller 1999, S. 1.13 Schedler/Proeller 2000, S. 43.14 KGSt 1993, S. 13 f.15 John 1996, S. 10; Hopp/Göbel 1999, S. 10.16 Hablützel 1999, S. 45; Hopp/Göbel 1999, S.

21.17 John 1996, S. 5.18 John 1996, S. 7; Pinkwart 2000, S. 43; Duelli

1999; S. 25; Hopp/Göbel 1999, S. 20; Sperling1999), S. 15.

19 Banner 1991, o.S.; John 1996, S. 4.20 Schedler/Proeller 2000, S. 25 ff.; Nagel/Mül-

ler 1999, S. 3 ff.21 Budäus 1995, S. 11.22 Schedler/Proeller 2000, S. 26.23 Budäus 1995, S. 13 f.24 Laux 1993, S. 324 f.; Schedler/Proeller 2000,

S. 26.25 John 1996, S. 3; Hopp/Göbel 1999, S. 10ff.;

Sperling 1999, S. 12.26 Schedler/Proeller 2000, S. 28.27 Dichtl 1994, S. 78 ff; Reichard 2000, S. 15;

Schedler/Proeller 2000, S. 30; Friedrich 1999,S. 254 ff.

28 Hill 1998, S. 129 ff.; Schedler/Proeller 2000,S. 19.

29 Finger 1997, S. 48.30 Schedler/Proeller 2000, S. 5.31 John 1996, S. 5.32 John 1996, S. 5.33 Sperling 1999, S. 25.34 Nagel/Müller 1999, S. 3.35 John 1996, S. 4.36 Hopp/Göbel 1999, S. 21.37 Sperling 1999, S. 25; John 1996, S. 7.38 Ösze 2000, S. 40 ff.39 Nagel/Müller 1999, S. 6.40 Mc Clendon/Letcher 2000, S. 12.41 Pinkwart/Mengert/Nikolainka 1996, S. 4.42 Deutsche Bundesregierung 2001.

»Zentrales Ergebnis unserer empirischenStudien ist, dass CRM in der öffentlichen

Verwaltung bislang kaum angewendet wird.«

nauen Inhalte des Konzeptes »Kundenorien-tierung« oftmals unklar. Zu diesem Ergebniskommt eine Studie der Universität St. Gal-len43: So bedeutet Kundenorientierung fürmanche Verwaltungsmitarbeiter beispiels-weise, sich besser in den Kunden hineinzu-versetzen. Andere hingegen verstehen unterKundenorientierung die Herausforderung,den Kunden die »unveränderliche Situationder bürokratischen Verwaltung« bestmög-lich zu erklären. Dies verdeutlicht, dassKundenorientierung trotz der akzeptiertenhohen Bedeutung oftmals zu unsystematischangegangen wird und es auf diesem Gebietnoch substanziellen Verbesserungsbedarfgibt. Bezeichnend hierfür ist, dass vieleKommunen unter »Steigerung der Kunde-norientierung« hauptsächlich das Einrichteneines Bürgerbüros verstehen.44

Daher kann es wenig überraschen, dassdem Customer Relationship Managementim Rahmen des NPM bislang kaum Auf-merksamkeit geschenkt wird. Ein konzep-tionell vollständiges Kundenmanagementim Sinne des systematischen Manage-ments der Kundenbeziehungen wird imVerwaltungsbereich bislang praktischnicht umgesetzt.

CRM für die öffentliche Verwaltung

Zur Notwendigkeit von CRM in der öffentlichen Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung befindet sichderzeit in vielen Bereichen im Umbruch.Wie bereits angesprochen ist die Steige-rung der Kunden- und Dienstleistungsori-entierung ein wesentliches Element desNew Public Managements. Diese konse-quente Ausrichtung der Dienstleistungenan den Interessen der Bürger, Unterneh-men et cetera ist Reaktion auf verschiede-ne Veränderungen. Viele der Gründe fürden Bedeutungszuwachs des CRM im pri-vatwirtschaftlichen Bereich sind mit denenim Verwaltungsbereich vergleichbar. Bei-spiele hierfür sind das gestiegene Kommu-nikations- und Informationsbedürfnis derMenschen, die geänderten Kundenpräfe-renzen oder die Globalisierung der Märkte.Schon von daher scheint es durchaus sinn-voll und angebracht, Kundenorientierungin der Verwaltung durch ein integrativesund umfassendes Konzept umzusetzen.

Für die Notwendigkeit des CRM in deröffentlichen Verwaltung werden folgendePunkte angeführt:� Die Steigerung der Kundenorientierung

ist eines der obersten Ziele der Verwal-tungsreform.45 Um dieses Ziel effizientzu erreichen, ist ein umfassendes, inte-

griertes Vorgehen – wie es das CRMermöglicht – notwendig.

� Die geänderten Kundenwünsche und -präferenzen, denen sich die öffentlicheVerwaltung stellen muss, können aufDauer nur durch einen CRM-Ansatz be-friedigt werden.

� Die Kunden der öffentlichen Verwaltungkennen CRM-Maßnahmen und die dar-aus resultierende flexible und individua-lisierte Behandlung mittlerweile aus vie-len privatwirtschaftlichen Bereichen.Daher erwarten sie diese Behandlungauch vom »Dienstleister Verwaltung«46.

� Aufbau und Pflege einer tatsächlichenKundenbeziehung zwischen Verwal-tung und Bürger/Unternehmen hat füralle Beteiligten potenzielle Vorteile.

� CRM ist ein ganzheitlicher Ansatz. Auchim Verwaltungsbereich sollte Kunden-orientierung nicht auf die Endkunden-märkte bzw. einzelne Prozessschrittebeschränkt sein.

� Durch Aufbau und Pflege einer tatsäch-lichen Kundenbeziehung besteht dieMöglichkeit, die Politikverdrossenheitder Bürger abzubauen.47

� Durch Aufbau und Pflege einer tatsäch-lichen Kundenbeziehung kann derschwindenden Legitimation der öffent-lichen Verwaltung seitens der Bürgerpotenziell entgegengewirkt werden.48

Konzeptbejahende Äußerungen werden je-doch meistens begleitet von einer Liste kriti-scher und einschränkender Relativierungen:� Es muss erst definiert werden, »wer«

die Kunden der Verwaltung sind.� Die Bedeutung der Kundenbeziehung

im Verwaltungsbereich muss erst nochbelegt werden.

� Es muss geprüft werden, inwieweit einintegriertes, ganzheitliches CRM-Kon-zept bei den gegebenen Verwaltungs-strukturen implementiert und angewen-det werden kann.

Probleme bei der Adaption eines CRM-Ansatzes in der öffentlichen Verwaltung

In der Betriebswirtschaft ist der Kunden-begriff eindeutig definiert und meint »sol-che Abnehmer, die bei einem bestimmtenAnbieter mit einem gewissen Maß an Re-gelmäßigkeit ihren Bedarf decken [...]«49.

Wesentlich schwieriger ist die Definiti-on und Abgrenzung des Begriffes »Kundeder öffentlichen Verwaltung«. Im norma-len Sprachgebrauch werden meist Bürger,Unternehmen, Vereine etc. als die Kundender Verwaltung im Sinne von Leistungs-empfängern verstanden. Kundenorientie-rung im öffentlichen Bereich bezieht sichdaher hauptsächlich auf diese Gruppen.50

Allerdings ist diese Kundendefinition zuundifferenziert. Dies verdeutlicht bei-spielsweise schon die Überlegung, ob die»Kunden« der Polizei die Bürger oder dieKriminellen sind. Zudem sind die Bürgerin demokratisch verfassten Staaten auchdie indirekten Auftraggeber für die Lei-stungserstellung der Verwaltung.51

In der Literatur werden unterschiedlich-ste Definitionsansätze des Kundenbegriffsdiskutiert. Die KGSt zum Beispiel unter-scheidet in ihrem Bericht 6/1995 folgendezehn Kundentypen bzw. -gruppen der öf-fentlichen Verwaltung52:

� die Bürger als Teil der örtlichen Ge-meinschaft

� die Bürger als Adressaten belastendenVerwaltungshandelns

� die Hilfe-Empfänger� die Nutzer öffentlicher Einrichtungen

(Gemeingebrauch)� die Nutzer von Einrichtungen gegen

Entgelt� die Nutzer von Einrichtungen mit Mo-

nopolcharakter� die Zuwender� die lnteressengruppen/lnvestoren� die Nachfrager interner Dienstleistun-

gen� die Mitarbeiter.Diese beispielhafte Definition des Kun-denbegriffs verdeutlicht, dass der »Kunde«im Verwaltungsbereich sehr differenziertbetrachtet werden muss und nicht analog

Hans H. Bauer und Mark Grether, Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter des Customer Relationship Management

VM 2/2004 63

»›Kundenorientierung‹ wird trotz akzeptierterhoher Bedeutung noch zu unsystematischangegangen.«

43 Klages 1998, S. 124.44 Schedler/Proeller 2000, S. 109; John 1996, S.

7; Krämer/Kaufung 2000, S. 93.45 Schedler/Proeller 2000, S. 55 ff.46 Cohen/Moore 2000, S. 10 ff.47 Wehrmeister, 2001, S. 30 f.48 Schedler/Proeller 2000, S. 25 ff.49 Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 40.50 Hoffmann-Riem 1980, S. 12 ff.51 Schedler/Proeller 2000, S. 56.52 KGSt 1995, S. 27 ff.

zum betriebswirtschaftlichen Verständnisaufgefasst werden darf. Nicht so eindeutigwie im Unternehmensbereich ist auch dieEinschätzung der Bedeutung von CRM inder öffentlichen Verwaltung. Private Un-ternehmen versuchen, durch eine stabileund dauerhafte Beziehung zu den Kundenbestimmte Ziele zu erreichen. Diese sindhauptsächlich wirtschaftlicher bzw. finan-zieller Natur wie zum Beispiel Steigerungder Wertschöpfung, Schaffung von Wett-bewerbsvorteilen oder Risikominimierungin einem stark kompetitiven Umfeld. Vorallem soll durch eine dauerhafte Bezie-hung erreicht werden, dass ein Kunde mitden angebotenen Leistungen und Serviceszufrieden ist, dadurch Loyalität zum Un-ternehmen aufbaut und nicht zur Konkur-renz abwandert. In Tabelle 1 sind potenzi-elle Vor- und Nachteile des CRM für Kun-den dargestellt sowie die Ergebnisse derÜberprüfung, inwieweit diese auf die Si-tuation in öffentlichen Verwaltungen über-tragbar sind. Hierbei zeigt sich, dass auchVerwaltungskunden in den Genuss vonCRM-Maßnahmen kommen können.

Aus der Perspektive von öffentlichenVerwaltungen sind jedoch die Gründe undZiele der Kundenbeziehungspflege nichtdirekt mit denen im privatwirtschaftlichenSektor vergleichbar: Die öffentliche Ver-waltung ist hinsichtlich ihrer angebotenenLeistungen (meist) Monopolist, weshalbeine langfristige Kundenbeziehung gewis-sermaßen »naturgegeben« ist. Damit stelltsich die Frage, welche Vorteile trotzdemaus einem CRM erwachsen könnten. Aufschluss hierüber geben die Tabellen 2und 3). Die Gegenüberstellung zeigt, dassdie potenziellen Effekte durch CRM imprivatwirtschaftlichen Bereich weitgehendauf die Situation in der öffentlichen Ver-waltung übertragbar sind. Kundenbezie-hungsmanagement kann somit als ein ge-eignetes Konzept betrachtet werden, mitdem die öffentlichen Verwaltungen einigeder grundlegenden NPM-Zielsetzungen(wie zum Beispiel Abbau der Politikver-drossenheit durch Steigerung der Kunden-zufriedenheit, Steigerung der Dienstlei-stungsqualität et cetera) erreichen können.

Im Rahmen eines vollständigen CRM-Ansatzes müssen verschiedene interne undexterne Unternehmens- bzw. Organisations-bereiche integrativ und möglichst flexibelim Sinne einer Kundenorientierung zusam-menarbeiten.53 Dies muss durch entspre-chende Organisationsstrukturen ermöglichtwerden.

Stehen die Bürger im Mittelpunkt?

64

Tabelle 1: Potenzielle Vor- und Nachteile für die Kunden durch CRM in Unternehmen undVerwaltung

Tabelle 2: Potenzielle Vorteile durch CRM für Unternehmen und Verwaltungen

Potenzielle Vorteile durch CRM für Kunden privatwirtschaftlicher Unternehmen

Kundengerechtes Leistungsangebot

Kundengerechte Leistungsqualität

Kundengerechter Service

Sonderregelungen, besondere Behandlung

Vertrauen, persönliches Verhältnis

Verringerung des Kaufrisikos

Flexible, individuelle Anpassung der Leistung andie persönliche Situation

Geringere Transaktionskosten

Potenzielle Nachteile durch CRM fürKunden privatwirtschaftlicher Unter-nehmen

Mögliche Abhängigkeit vom Geschäftspartnerund dadurch Einschränkung der Kauffreiheit

»Gläserner Kunde« durch umfangreiche Samm-lung kundenbezogener Daten

Potenzieller Vorteil prinzipiell aufdie Verwaltungskunden übertragbar ?

Ja

Ja

Ja

Ja, für Segmente

Ja

Nein, weil Verwaltungsleistungen i.d.R. zwin-gend in Anspruch genommen werden müssen

Ja, im Prozess

Ja

Potenzieller Nachteil prinzipiell auf die Verwaltungskunden übertragbar ?

Nein, weil Abhängigkeit Kunde-Verwaltunggrundsätzlich besteht

Ja, in Grenzen des Datenschutzes

Potenzielle Vorteile durch CRM für privatwirtschaftliche Unternehmen

Entwicklung einer langfristigen, stabilen Kun-denbeziehung

Steigerung der Kundenorientierung

Erhöhung der Kundenzufriedenheit

Erhöhung der Kauffrequenz

Geringere Akquisitionskosten

Weiterempfehlungen durch Stammkunden

Dauerhafte Wettbewerbsvorteile durch stabileKundenbeziehungen

Differenzierung von Wettbewerbern

Wirtschaftlichere Bearbeitung einzelner Kunden(-segmente)

Schnelle, umfassende Verfügbarkeit von kun-denbezogenen Daten durch IT-Einsatz

Effektivere Marktforschung, Informationssamm-lung

Genauere Kenntnis über gewünschte Leistungen

Genauere Kenntnis über gewünschten Service(qualitativ, quantitativ)

Gegenseitiges Vertrauen

Etablierung von Markteintrittsbarrieren

Steigerung der Wertschöpfung

Geringere Transaktionskosten

Potenzieller Vorteil prinzipiell auf dieöffentliche Verwaltung übertragbar ?

Bedingt, weil Langfristigkeit und Stabilität derBeziehung grundsätzlich aus dem Monopol folgt

Ja

Ja

Nein, weil erwerbswirtschaftliches Prinzip nichtauf Verwaltung zutrifft

Nein, weil Verwaltung i.d.R. nicht aktiv Kundenwirbt

Bedingt, zum Beispiel Ausnutzen eines positivenImageeffektes hinsichtlich Standortattraktivität

Nein, weil die öffentliche Verwaltung nicht imdirekten Wettbewerb zu anderen Anbietern steht

Bedingt, zum Beispiel hinsichtlich Standortat-traktivität, wenn man andere lokale Verwaltun-gen als »Wettbewerber« betrachtet

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Nein

Ja, im Sinne von mehr Kosteneffizienz

Ja

53 Schwetz 2000, S. 17.

Nun stellt sich die Frage, ob ein ganz-heitliches und bereichsübergreifendes Ver-ständnis des Relationship Managementsüberhaupt bei den gegebenen Verwaltungs-strukturen sinnvoll umgesetzt werden kann.

Von den in der Literatur genannten we-sentlichen Strukturmerkmalen der Verwal-tung gefährden besonders die folgendeneine ganzheitliche und bereichsübergrei-fende Implementierung des CRM:� zentralistisch organisierte Leistungs-

und Arbeitsprozesse54

� überzogene Regelungsdichte55

� starres, inflexibles Dienstrecht56

� sachorientierte, nach Funktionen geglie-derte Stab-Linienorganisation57

� prinzip der Spezialisierung58

� Hierarchie-Prinzip59

� im Vergleich zur Privatwirtschaft sehrbreite horizontale Produktpalette beigleichzeitig hoher vertikaler Integrati-on.60

Letztlich treffen aber viele der angespro-chenen Punkte auch für privatwirtschaftli-che Unternehmen zu. Clark et al. weisendarauf hin, dass die diskutierte Struktur-schwäche wie zum Beispiel eine strenghierarchische und vertikale Organisationauch im privatwirtschaftlichen Bereichexistiert, jedoch nicht als Hinderungs-grund, sondern vielmehr als Indikator fürdie Notwendigkeit der Einführung und An-wendung eines ganzheitlichen, integrati-ven Konzeptes und als Anlass für Verän-derungen verstanden werden sollte.61

Diese Auffassung kann auch auf die Si-tuation der öffentlichen Verwaltung über-tragen werden: Die oben angesprochenenStrukturmerkmale stellen sicherlich kriti-sche und sensible Punkte dar, die eine kon-krete Umsetzung des ganzheitlichen CRM-Ansatzes beeinträchtigen können. DerTransfer des CRM in den Bereich der öf-fentlichen Verwaltung wird dadurch abernicht ausgeschlossen. Vielmehr muss deut-lich werden, dass die Einführung vonCRM im öffentlichen Bereich im Kontextanderer NPM-Maßnahmen wie zum Bei-spiel Abbau der Hierarchie, Flexibilisie-rung und Dezentralisierung etc. umgesetztwerden muss.62 Dieser strukturelle Wandelwird im Rahmen des NPM zum Beispieldurch den Einsatz betriebswirtschaftlicherManagementkonzepte angestrebt.63

Empirische Befunde zur Implementierung des CRM-Ansatzes inöffentlichen Verwaltungen

Im Folgenden sollen die Ergebnisse einerempirischen Studie vorgestellt werden, beider 94 öffentliche Verwaltungen befragtwurden. Hierbei bilden Verwaltungen biszu einer Gesamtkundenzahl (Privatperso-

nen und Unternehmen) von 50.000 denHauptanteil der Stichprobe. Die mittlereKundenzahl über alle Studienteilnehmerliegt bei 49.733. Durchschnittlich 91 Pro-zent der Kunden aller teilnehmenden Ver-waltungen sind Privatpersonen; 8,7 Pro-zent sind privatwirtschaftliche Unterneh-men. Im Mittel haben 88 Prozent derdurchschnittlich 561 Verwaltungsmitarbei-ter direkten Kundenkontakt. Von den Teil-nehmern der Studie bieten 52 Prozent derVerwaltungen ein Bürgerbüro und 49 Pro-zent E-Government-Dienste an. Bei im-merhin 4,2 Prozent der Befragten existiertbereits eine Abteilung, die sich explizit mitdem Thema CRM beschäftigt. Die durch-schnittliche personelle Stärke dieser Abtei-lungen liegt bei 2,5 Mitarbeitern.

Die konzeptionelle Basis der empiri-schen Studie bildet das CRM-Modell nachClark et al., dessen Merkmale und Vorteileim Rahmen des vorliegenden Beitrags be-reits dargestellt worden sind. Aus den fünfPhasen der Relationship-Kette wurden ins-gesamt dreizehn Elemente abgeprüft:� Kundenservice� angebotene Dienstleistungen� Vergleichsstudien mit anderen Verwal-

tungen und Wettbewerbern� Dienstleistungs-Segmentierung� Messung der Kundenprofitabilität� Sammlung von kundenbezogenen Daten

� Befriedigung individueller Kundenwün-sche

� Segmentspezifische Erstellung einerDienstleistung

� Kosten-Nutzen Analyse� Qualität der Dienstleistung� permanente Kontrolle des Dienstlei-

stungsprozesses� Studien zur Mitarbeiterzufriedenheit� Studien zur Kundenzufriedenheit.In einem ersten Teil der Studie sollte dieBedeutung gemessen werden, welche die-sen Elementen bei den untersuchten Ver-waltungen zukommt.

Aus Bild 2 wird deutlich, dass viele derbesprochenen CRM-Elemente in der öffent-lichen Verwaltung bislang noch keine be-deutende Rolle spielen. Insgesamt fünf derdreizehn Einzelinstrumente liegen deutlichunterhalb der Kategorie »geringe Bedeu-tung«. Besonders kennzeichnend ist dabei,

Hans H. Bauer und Mark Grether, Öffentliche Verwaltungen im Zeitalter des Customer Relationship Management

VM 2/2004 65

54 Sperling 1999, S. 13.55 Hopp/Göbel 1999, S. 19.56 Sperling 1999, S. 25; Hopp/Göbel 1999, S.

20.57 Schedler/Proeller 2000, S. 107.58 Bühner 1996, S. 103 ff.59 Schedler/Proeller 2000, S. 107.60 Naschold 1997, S. 24 f.61 Clark et al. 1999, S. 31.62 Müller 1999, S. 35 ff.63 König 2000.

Tabelle 3: Potenzielle Nachteile durch CRM für Unternehmen und Verwaltungen

Bild 2: Bedeutung der einzelnen CRM-Elemente

Potenzielle Nachteile durch CRM fürprivatwirtschaftliche Unternehmen

Anfangsinvestitionen relativ hoch

Differenziertere Marktforschung notwendig

Hohe Kosten und Aufwand für Pflege und Gestaltung einer individuellen Beziehung

Zu umfangreiches Leistungsangebot durch Versuch, möglichst viele Kundenwünsche zu befriedigen

Risiko der Auflösung der Beziehung durch Beziehungspartner

Potenzieller Nachteil prinzipiell auf dieöffentliche Verwaltung übertragbar?

Ja

Ja

Ja

Ja

Nein

dass der IT-Bereich – als einem der zentra-len Customer Relationship Management-Elemente – von allen untersuchten CRM-Bestandteilen im Mittel den schlechtestenWert erzielt. Vier weitere Elemente, diezentral und typisch für die CRM-Konzepti-on sind (Elemente 4, 5, 8 und 9), erzielenebenfalls sehr schlechte Werte. Positiv fal-len die relativ hohen Werte bei der Ein-schätzung der Bedeutung von begleitendenKundenservices und Individualisierung auf.

In einem zweiten Teil wurde unter-sucht, inwieweit die skizzierten Bereichebereits in den untersuchten öffentlichenVerwaltungen umgesetzt werden (Bild 3).

Aus Bild 3 geht hervor, dass CRM –verstanden als ganzheitliches Konzept – inder öffentlichen Verwaltung bislang kaumangewendet wird. Dies ist das zentrale Er-gebnis der im Rahmen der vorliegendenArbeit durchgeführten empirischen Studie.Lediglich einzelne CRM-Elemente, wieetwa die Individualisierung der angebote-nen Dienstleistungen oder die Analyse be-sonders bedeutender Services, werden be-reits relativ intensiv von den befragtenVerwaltungen vorgenommen. Trotzdemspielen viele der zentralen Merkmale desCustomer Relationship Managements inder Verwaltungspraxis bislang eine äußerstuntergeordnete bzw. überhaupt keine Rol-le. Als Beispiele lassen sich hier vor allemdie Elemente »Kundensegmentierung«,»Profitabilitätsanalyse«, »Anwendung vonIT-Systemen« und »Kosten-Nutzen-Ana-lyse« nennen. Daher kann man im Bereichder öffentlichen Verwaltung (noch) nichtvon einer tatsächlichen Anwendung derCRM-Konzeption sprechen. Dennoch zei-gen die Studienergebnisse deutlich, dassdie Verwaltung sehr bemüht ist, ihreDienstleistungen und Services an denWünschen und Bedürfnissen der Kundenauszurichten. Dies äußert sich beispiels-weise in der Bekundung relativ intensiverAnalysen der aus Kundensicht zentralenDienstleistungen.

Bei der Erfragung der Gründe, welchedie Anwendung der CRM-Konzeption imöffentlichen Bereich be- bzw. verhindern,ergibt sich ein eindeutiges Bild: Bei allenCRM-Elementen benennen die befragtenVerwaltungen fehlende personelle Kapa-zitäten und den hohen Zeitbedarf als ent-scheidende Faktoren. Diese Ergebnissedecken sich mit den Erkenntnissen derStudie, welche die Universität Eichstättzum Status Quo des CRM im privatwirt-schaftlichen Bereich durchgeführt hat.

Ein weiteres Ergebnis der empirischenStudie stellt die Tatsache dar, dass jeweilsnur ein sehr kleiner Anteil der Befragtendie untersuchten CRM-Elemente als prak-tisch nicht relevant bewertet und diese des-halb nicht umsetzt. Dies kann als ein Indizdafür gewertet werden, dass der Einsatzvon CRM in der öffentlichen Verwaltungvon den Befragten als durchaus sinnvollund wichtig angesehen wird.

Implikationen für die öffentlicheVerwaltung

Den »Quantensprung« von der bloß dekla-matorischen Kundenorientierung zumtatsächlichen Beziehungsmanagement hatdie öffentliche Verwaltung (ebenso wieviele Unternehmen) noch längst nicht voll-zogen. Obwohl einige der CRM-Elementeim Rahmen der allgemeinen Kundenorien-tierung bereits relativ stark genutzt werden,kann man im öffentlichen Bereich nochnicht von einem tatsächlichen, ganzheitli-chen Relationship Management sprechen.

Die Studienergebnisse haben gezeigt,dass offensichtlich vor allem die knappenPersonal- und Zeitressourcen der öffentli-chen Verwaltung eine intensive Beschäfti-gung mit dem Thema »Customer Relation-ship Management« verhindern. Die Gründefür den bislang begrenzten Einsatz derCRM-Konzeption im öffentlichen Bereichsind daher durchaus mit denen in der priva-

ten Wirtschaft vergleichbar. Ebenso habendie Studienergebnisse gezeigt, dass CRMvon den Studienteilnehmern durchaus alspraktisch relevant eingeschätzt wird.

Die oben erwähnten Strukturprobleme,Organisationsbesonderheiten und Daten-schutzschwierigkeiten der öffentlichenVerwaltung behindern den Studienergeb-nissen zufolge nicht die Anwendung bzw.Umsetzung des CRM im öffentlichen Be-reich. Diese Feststellung könnte als über-raschendes Ergebnis gewertet werden. Siekönnte aber auch so interpretiert werden,dass vielen Befragten die inneren Zusam-menhänge des CRM-Konzeptes noch nichtklar sind. Ferner leiten sich aus den Ergeb-nissen auch Ansatzpunkte für einen Ein-satz des Beziehungsmanagements im Be-reich der öffentlichen Verwaltung ab.Möchte die Verwaltung CRM nutzen, umeine tatsächliche Beziehung zu ihren Kun-den aufzubauen, müssen hierfür zunächstentsprechende personelle und zeitlicheRessourcen geschaffen werden. Gerade imPersonalbereich spielen dabei nicht nurquantitative, sondern vor allem auch quali-tative Anforderungen eine bedeutendeRolle. Um CRM wirklich sinnvoll umset-zen zu können, benötigt die Verwaltunghochqualifizierte Mitarbeiter, die das Be-ziehungsmanagement als bereichsübergrei-fenden Prozess verstehen und entspre-chend zielorientiert und integriert arbeitenkönnen. Eine rein quantitative Verbesse-rung der Manpower würde das Problemder »knappen Humanressourcen« nur vor-dergründig lösen können. In diesem Zu-sammenhang gewinnt das interne Marke-ting und die aktive Bearbeitung der Perso-nalbeschaffungsmärkte eine zentraleBedeutung. Die entsprechende Qualifikati-on und Motivation der Verwaltungsmitar-beiter auf allen Ebenen ist ein entscheiden-der Faktor bei der Umsetzung und für denErfolg des CRM im öffentlichen Bereich.

Eine denkbare Vorgehensweise bei derImplementierung des CRM-Konzeptes istder Einsatz spezieller Projekt- oder Ar-beitsgruppen, die spezialisiertes CRM-Know-How besitzen und dieses Wissen andie einzelnen Verwaltungsebenen weiter-geben bzw. den CRM-Prozess koordinie-ren. Eine zentrale Einheit, die das Bezie-hungsmanagement überwacht und steuert,ist gerade auf Grund des ganzheitlichenund bereichsübergreifenden Charakters desCRM sinnvoll. Zudem könnte eine solcheAbteilung entsprechende Schulungen derVerwaltungsmitarbeiter übernehmen bzw.grundsätzliches Verständnis und Motivati-on für die CRM-Konzeption aufbauen.Dies ist ein zentraler Punkt, denn letztlichkommt es bei der Einführung und Anwen-dung von CRM – wie bei anderen Maßnah-

Stehen die Bürger im Mittelpunkt?

66

Bild 3: Praktische Umsetzung der einzelnen CRM-Elemente

men der Organisationsentwicklung auch –entscheidend auf die Unterstützung undEinsatzbereitschaft der Mitarbeiter an.64

Neben der Bereitsstellung von Personal-und Zeitkapazitäten sollte die Verwaltungim Rahmen der CRM-Einführung aber auchkonkret bei den noch kaum entwickeltenbzw. angewendeten CRM-Elementen anset-zen. So müssen zum Beispiel genau defi-nierte Kennzahlen entwickelt werden, mitdenen die Kundenwertigkeit bzw. -profita-bilität im öffentlichen Bereich bestimmtwerden kann. Letztlich kann die im Rah-men des CRM geforderte, konsequenteWirtschaftlichkeitsorientierung nur überderartige Bewertungssysteme realisiert wer-den. Weiterhin sollte die öffentliche Ver-waltung Verfahren entwickeln, mit denensinnvolle Kundensegmente identifiziert unddefiniert werden können, um dadurch dieIndividualisierung der Dienstleistungen undServices weiter zu verbessern. BesondereBeachtung muss auch dem Bereich der In-formationstechnologie (Data-Mining, Data-Warehousing et cetera) geschenkt werden.Der IT-Bereich ist ein zentrales (unterstüt-zendes) Element des CRM, das bislang abernoch kaum in der praktischen Verwaltungs-arbeit genutzt wird. Hier kommt es auf eineenge Kooperation der Verwaltungen mitentsprechenden Softwareanbietern an, umvorhandene Data Mining-Systeme zu fürdie Verwaltung effizienten und praxisorien-tierten Lösungen weiter zu entwickeln. Dieöffentliche Verwaltung sollte nicht zuletztauch verstärkt den Dialog mit privatwirt-schaftlichen Unternehmen suchen, um zumBeispiel im Rahmen eines allgemeinen In-formationsaustausches oder durch PublicPrivat Partnership praktisches Know-Howüber CRM zu erlangen.65

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VM 2/2004 67

64 Phillips 1999, S. 105 ff.; Hirsch-Kreinsen1997.

65 Eichhorn 1997, S. 217 ff.

I.

Die politische Eigenfunktionalität öffentli-cher Verwaltungen hat in den letzten Jah-ren zugenommen. Dies ist nicht nur imquantitativen und qualitativen Anwachsender Verwaltungsaufgaben bei gleichzeitigverminderter politischer Steuerung, son-dern auch in einer zunehmenden Emanzi-pation der Beschäftigten bei gleichzeitighoher qualitativer Leistungsfähigkeit be-gründet. Nicht mehr Orientierung an einerabstrakten Staatsautorität und Staatsraisonbestimmen deren Einstellung, sondern Ori-entierung an individuellen oder gesell-schaftlichen Bedürfnissen und Problemen,zu deren Bewältigung die VerwaltungenBeiträge zu leisten haben.

Die Stärkung der Eigenfunktionalität istnatürlich nicht nur Folge der Entwicklun-gen innerhalb der öffentlichen Verwaltun-gen, insbesondere der Kommunalverwal-tungen. Es zeigt sich zunehmend, dass demokratische Gesellschaften eines eigen-ständigen Ordnungsrahmens bedürfen. Undzwar nicht nur als rechtliche Ordnung, son-dern auch als Gestaltungsmacht, das heißtals eine Einrichtung, welche in unter-schiedlichen, zumal lokalen ProblemlagenBefriedungsmöglichkeiten entwickelt undrealisiert. Es geht um einen Ordnungsrah-men, welcher nicht ständig hinterfragtwird, sondern politisch bestimmt ist undinsbesondere kommunale Politik initiativim Prozess und in der Praxis der Ergebnis-se gewährleistest.1

II.

Der Zweck organisierter Aufgabenerledi-gung und damit der Zweck von Verwal-tungsorganisation ist es, unterschiedlichkomplexe Aufgaben aufzugliedern, für dieErledigung der einzelnen Teile jeweils dieerforderlichen Kompetenzen einzusetzenund die Zusammenführung der einzelnenArbeitsschritte zu einem Gesamtproduktzu gewährleisten: Organisierte Aufgabe-nerledigung ist also sparsam, ermöglichtsachlich angepassten Ressourceneinsatz,gewährleistet Transparenz und Überprüf-barkeit der einzelnen Arbeitsschritte undihrer Zusammenführung sowie die Mög-lichkeit zu Parallelarbeit und damit zurEinsparung von Produktionszeiten. Damitsind gleichzeitig mögliche Schwachstellenerkennbar, welche sich aus einer zu großenArbeitsteilung oder aus unzureichendenKompetenzen ergeben können.

Die Wahl der Organisationsform hängtzunächst ab von den zu erledigenden Auf-gaben. Sind es Hoheitsaufgaben, wirt-schaftliche Betätigungen oder ist es kultu-relles Engagement – für die Erfüllung derAufgaben gibt es in der Regel unterschied-liche Spielräume und Dispositionsmög-lichkeiten beim Einsatz der Ressourcenund in der Wahl des Gestaltungs- und Ent-scheidungsmodus (vertragliche Vereinba-rung oder hoheitliches Handeln in Formdes Verwaltungsaktes). Entsprechendempfehlen sich im einen Falle die Behör-den-Amtsorganisation, in den anderen Fäl-len Organistionsformen, welche mehr Ge-staltungs- und Dispositionsmöglichkeitenerlauben, wie Eigenbetriebe oder Regiebe-triebe. Wird eine Leistungserstellung in

Verbindung mit anderen, insbesondere pri-vaten Partnern vorgenommen, empfiehltsich die Public-Private Partnership. Stehtdie Leistungserstellung schließlich immarktwirtschaftlichen Wettbewerb oderbedarf die Finanzierung der Produktionbzw. Produktionsanlagen Mittel des Kapi-talmarktes, kann die Organisationsformder privatwirtschaftlichen und privatrecht-lichen Rechtsform wie GmbH oder AG an-gemessen sein.

Die Organisationsform entscheidet überdie Möglichkeiten zur Steuerung, überHierarchie und Partizipation, über Kosten(Personal- und Sachkosten), über Sachver-stand und Kompetenz, über Kontrolle undTransparenz, über »Einheit« oder »Viel-heit« von Arbeitseinheiten, über Effizienzund Effektivität, Kooperationsfähigkeitund -möglichkeit, über Flexibilität und Re-gelbindung, Bürokratie und Innovations-fähigkeit, über Bürgernähe oder -ferne,über Mitarbeiterverantwortung und Routi-ne durch die Qualität der einzelnen Stellen,durch die verfügbaren insbesondere IuK-technischen Ressourcen und durch die Artund Weise der Koordination und Integrati-on der einzelnen Arbeitsbeiträge, das heißtdurch die Ausgestaltung des Zusammen-wirkens zwischen den einzelnen Arbeits-stellen und -einheiten.

Organisatorische Gestaltungen werdenvom »Zeitgeist«, von öffentlich wirksamen»Leitbildern« beeinflusst. Unabhängig vonihrem wissenschaftlichen Wert sind sieMaßstab für praktische Beurteilungen.Deshalb erhält unter Umständen das eineoder andere organisatorische Gestaltungs-modell den Vorzug, nicht weil es effizien-ter oder effektiver ist, sondern weil es »in«ist, weil man es so macht.

Die Organisation öffentlicher Verwal-tungen befindet sich im Wandel. Schuppertspricht von einer Pluralisierung der Verwal-

Verwaltungsmodernisierung und kommunale Organisationsmodelle

von Klaus Grimmer

Die politische Eigenfunktionalität öffentlicher Verwaltungen, ins-besondere der Kommunalverwaltungen hat in den letzten Jahrenzugenommen. Der Organisationsform kommt deshalb besondereBedeutung zu, nicht nur für Effizienz und Effektivität, sondernauch für Kontrolle und Beteiligung. Sie ist nach der Art und Weiseder Verantwortung zu bestimmen, welche eine Verwaltung in derAufgabenerledigung wahrzunehmen hat: Verschiedene Organisati-onsmodelle werden vorgestellt und diskutiert.

em. Univ.-Profesor Dr. Klaus Grimmer, Universität Kassel.

Über Sinn und Bedeutung von Organisation für das öffentliche Handeln

68 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 68-72

1 Es handelt sich um eine Art »Reservegewalt«unmittelbar und mittelbar über Selektionsfor-men und Qualifikationsanforderungen für Per-sonal und Organisation und über Haushaltsbe-schlüsse gewährleistet.

tung und ihrer Organisationsformen.2 DiesePluralisierung zeigt sich nicht nur in derBündelung oder Verteilung von Aufgabenauf eine oder mehrere organisatorische Ein-heiten einer Verwaltung, sondern auch inder Ausdifferenzierung von Aufgaben inEigenbetrieben, Regiebetrieben oder pri-vatrechtlichen Gesellschaften bis hin zu Public-Private Partnerships. Die Ursachensind unterschiedlicher Art. Zum einen dieSuche nach angemessenen Organisations-formen für die Erledigung bestimmter Auf-gaben in einer bestimmten Weise bei häufigpluralen oder konflikären Zielsetzungen.Zum anderen Einfluss gesellschaftlicher In-teressengruppen auf Einrichtung »ihrer Ver-waltung« für »ihre Probleme« oder auch In-teressen des Verwaltungsmanagements aufeine »eigene« Organisation und anderes.3

Nur die organisatorische Gestaltung istoptimal, welche gewährleistet, dass dieverschiedenen Ressourcen zur Aufgaben-erfüllung zweckmäßig eingesetzt werden,das heißt entsprechend den Kriterien auf-gabengerecht, kundengerecht, mitarbeiter-gerecht, wirtschaftlich und sparsam.

III.

Die Frage nach dem »Wie«, das heißt inwelcher Organisationsform und mit wel-chen Verfahren öffentliche Verwaltungen,insbesondere Kommunalverwaltungen, Auf-gaben zu erfüllen haben bzw. erfüllen kön-nen, hängt von der Art und Weise der Ver-antwortung ab, welche zum Beispiel eineKommune in der Aufgabenerfüllung zupraktizieren hat.

In der organisatorischen Gestaltung vonöffentlichen Verwaltungen realisiert sichVerwaltungsmodernisierung. Diese ist im-mer im Zusammenhang mit Stadtentwick-lung und Förderung der Bürgergesellschaftzu sehen, um mittelfristige Zielorientierun-gen zu haben und das »Notwendige« unddas »Wünschbare« miteinander zu verbin-den. Entscheidend sind dabei weniger dieverfügbaren finanziellen Mittel als ein an-steckendes innovatives Engagement, wel-ches die Bürger weniger zu Betroffenen,sondern mehr zu Beteiligten und Mitge-staltern des Prozesses macht.

Damit verbindet sich die Diskussion umden aktivierenden Staat, das heißt die Fra-ge, in welchem Umfang die Bürger selbstöffentlich wirksame Leistungen erstellen,in welchem Umfang sie eigenverantwort-lich in einen Erstellungsprozess einbezo-gen werden sollen. Im ersten Fall geht esdarum, welche Vorarbeiten und Zuarbeitenöffentliche Verwaltungen erbringen, umBürgerarbeit zu ermöglichen und abzusi-chern. Im zweiten Fall geht es um die Ge-

staltung der Kooperation, die Einrichtungverlässlicher Schnittstellen und die Siche-rung eines ausreichenden und vertrauens-würdigen Informationstransfers.

Im Vordergrund hat nicht die Fragenach der Organisation zu stehen, sonderndie Frage nach den politisch-gesellschaftli-chen Funktionen, die öffentliche Verwal-tungen, insbesondere Kommunalverwal-tungen, jetzt und künftig zu erfüllen haben.Dies impliziert gleichzeitig, dass es nichtum eine Einheitlichkeit der Verwaltunggehen kann, sondern dass die organisatori-schen Gestaltungen von der Aufgabenstel-lung auszugehen und die Adressaten unddamit die gesellschaftlichen Differenzie-rungen zu berücksichtigen haben.

Die Frage nach der bestmöglichen Ver-waltung zu einer bestimmten Zeit für be-stimmte Aufgaben hat die Funktionenviel-falt, das breite Leistungsspektrum, die

Wechselwirkung von »Wofür« und »Wie«und die Vieldimensionalität der Ziele unddie, bezogen auf die Umwelt, dialektischeProzessnatur der Verwaltungsentwicklun-gen im Blick zu behalten. Soweit nichtdurch Verfassung oder Gesetz bestimmteOrganisationsformen/Verwaltungsmodellevorgegeben sind, ist die Konstruktion öf-fentlicher Verwaltungen immer ein Opti-mierungsprozess zur Vermeidung ver-schiedener Dilemmata.

Bezogen auf die verschiedenen hier ent-falteten und künftig wichtigen Funktionenund Aufgaben öffentlicher Verwaltungenlassen sich, unabhängig von den Zielset-zungen und Gestaltungsmöglichkeiten imeinzelnen, bestimmte Arbeitsmodelle kon-struieren, mit denen jeweils bestimmteZielbündel besser als mit anderen verwirk-licht werden können.

Zu unterscheiden ist zwischen� Bürgermodell (1)� Innovationsmodell (2)� Kostenmodell (3).Zusätzlich können benannt werden � Leistungsmodell (4)� Ordnungsmodell (5)� Partizipationsmodell (6)� Risikomodell (7).wobei nochmals zu unterscheiden ist zwi-schen Verwaltungsmodell und Rechts-form. Mit dem Verwaltungsmodell werdenbestimmte Anforderungen an die Organi-sationsgestaltung, Interaktion und Kom-

munikation und Kontrollformen zum Aus-druck gebracht. Das zu wählende Modellergibt sich aus der Aufgabenstellung bzw.den Produkten, welche zu erarbeiten sind.

(1) Beim Bürgermodell sind die klien-tenfreundliche Gestaltung der Kontaktezwischen Verwaltung und Bürger in denBlick zu nehmen sowie eine Konzentrationder Schnittstellen Verwaltung und Bürgerund eine innovativ-anregende Tätigkeit derVerwaltung. Einfache Formen des Bürger-modelles realisieren sich in Bürgerbürosoder Einwohnerämtern, anspruchsvollereFormen verbinden sich mit den Vorstellun-gen der Bürgerkommune.

(2) Mit dem Innovationsmodell wirdvon Seiten der Verwaltung versucht, aufeinem bestimmten Sachgebiet oder in einerKommune anregend und entwicklungsför-dernd tätig zu sein. Innovationsmodellemüssen also flexibel gestaltet sein und ho-

hen qualitativen Anforderungen genügen.Hier empfehlen sich häufig Public-PrivatePartnerships.

(3) Mit Kostenmodell wird ein Verwal-tungsmodell bezeichnet, bei dem öffentli-che Verwaltungen vor allem Routineauf-gaben zu erledigen haben, welche wederbesondere Anforderungen an die Interakti-on und Kommunikation noch an die Ge-fahrenabwehr stellen. Hier können also be-triebswirtschaftliche Aspekte der Organi-sationsgestaltung im Vordergrund stehen.

(4) Kennzeichen des Leistungsmodellsist eine strikte Rechtsbindung und Klienten-orientierung. Es realisiert sich in der Orga-nisationsgestaltung und Qualifiaktion derBeschäftigten, so dass Leistungspflichtenund Leistungsansprüche vollständig in einerden Adressaten adäquaten Weise erfülltwerden.

Klaus Grimmer, Verwaltungsmodernisierung und kommunale Organisationsmodelle

VM 2/2004 69

»Eine Pluralisierung der Verwaltung und ihrer Organisationsformen ist zu beobachten.«

2 Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissen-schaft, a.a.O., S. 831 f., zu Binnendifferenzie-rungen S, 841 ff., zu Ausdifferenzierungen862 ff.

3 Grundlegend Hans Brinckmann, Verwal-tungsgliederung als Schranke von Planungs-und Informationsverbund, in: ÖVD 6/1975, S.239-248. Vgl. zur Molekularisierung öffentli-cher Verwaltungen Christoph Reichard, Insti-tutionelle Wahlmöglichkeiten bei der öffentli-chen Aufgabenwahrnehmung, in: DietrichBudäus (Hsg). Organisationswandel öffentli-cher Aufgabenwahrnehmung, Baden-Baden1998, S. 121-153.

(5) Unter dem Begriff des Ordnungs-modells werden die Organisationstypenzusammengefasst, mit denen weitgehendroutinisierte Arbeiten zum Beispiel imEinwohnerwesen erledigt werden, welchealso bürokratisch durchgestaltet sind undeinen hohen Einsatz von IuK-Technologieausweisen.

(6) Das Partizipationsmodell ist daraufausgelegt, dass die Beschäftigten einerVerwaltung die Arbeitsprozesse verant-wortlich mit gestalten können. Es ist ange-zeigt, bei kundenbezogenen und innovati-ven Aufgaben für die Beschäftigten eigeneVerantwortungs- und Gestaltungsbereichevorzusehen.

(7) Das Risikomodell findet seinenAusdruck vor allem in den Qualifikations-anforderungen an das Personal und an diestrikte Einhaltung, das heißt immer auchKontrolle von Sicherheitsstandards. Eskommt zur Anwendung im Bereich derBauverwaltung, im Umweltschutz und ins-besondere in der Technikverwaltung.

Die Rechtsform bezeichnet demgegen-über die rechtlich formale Ausgestaltung

der Verwaltungsmodelle, sei es als Behör-de bzw. Amt, sei es als Eigenbetrieb oderRegiebetrieb, sei es als öffentliches Unter-nehmen oder als privates Unternehmen, seies als Körperschaft, als Anstalt oder Stif-tung oder sei es eine Einrichtung in derForm der Public-Private Partnership. DieRechtsform ist entweder vorgegeben oderfolgt dem Verwaltungsmodell (Arbeitsmo-dell).

Beispiel Kulturbetrieb einer Gemeinde:Hier sind Organisationsformen von »Amt«über Stiftung bis zu Public-Private Part-nership oder private Rechtsformen bei Ge-währleistungsträgerschaften der öffentli-chen Hand oder ohne diese möglich. DieArbeitsorganisation muss in diesem Bei-spiel immer einen Bürgerbezug und Inno-vationsmöglichkeiten vorsehen, beide sindVoraussetzungen für einen erfolgreichenKulturbetrieb.

Insbesondere im Kommunalbereich sindauch neue Gestaltungsmöglichkeiten zuprüfen, wie Stadtregion oder Kreisregion.

Ebenso bieten sich im Kommunalbe-reich neue Formen der Aufgabenerledigungan, sei es Integration, seien es IuK-tech-

nisch bzw. telematisch getragene Organisa-tionsmodelle. Beispielsweise kann durchBürgerbüros oder Einwohnerämter, »Le-benslagebüros« oder kommunale Call-Cen-ter eine integrierte Aufgabenerledigung mitmehr Bürgerservice geleistet werden.

Stärker als bisher geschehen ist zu prü-fen, ob die interkommunale Zusammenar-beit IuK-technisch getragen in der Weisegestärkt werden kann, dass zwar jedeKommune das vollständige Dienstlei-stungsangebot bereit hält, die Produktionaber für mehrere Kommunen konzentrierterfolgt. Auf diese Weise können auchDienstleistungangebote des Landkreisesoder von anderen öffentlichen Einrichtun-gen vor Ort in einem »Front Office« be-reitgestellt werden, während die Produkti-on in IuK-technisch angebundenen »BackOffices« geschieht.4

Das Konzept erweitert bedeutet – ähn-lich wie bei »Lebenslagebüros« –, einenVerbund auch mit Serviceangeboten ande-rer öffentlicher oder privater Einrichtungen(wie Sparkassen, Verkehrsbetrieben, Ener-gie- und Wasserbetrieben, Post oder öffent-

lichen Bibliotheken) in multifunktionalenServiceläden herzustellen. Dies eröffnet dieMöglichkeit, auch in kleineren kommuna-len Einheiten bei rückläufiger Bevölke-rungs- und Wirtschaftsentwicklung öffent-liche Leistungen bereitzustellen.5

Dass die bisherigen Modellversuche mitsolchen Einrichtungen nicht auf Dauer er-folgreich verliefen, liegt nicht in derSache6, sondern in den Rahmenbedingun-gen begründet. Es erfordert nicht nur Ko-operationsbereitschaft der beteiligten Ein-richtungen, sondern vor allem auch eineFörderung über längere Zeit, um sowohldie notwendigen Abstimmungsprozesseund technischen Realisierungen zu bewäl-tigen, als auch den zusätzlichen Aufwandso lange tragen zu können, bis sich solcheProjekte im größeren Umfang durchgesetzthaben und Synergieeffekte entstehen. DieSchere zwischen Aufwand und Ertragklafft deshalb erheblich auseinander, weilsolche gemeinsamen Serviceeinrichtungenvor allem kleinere und mittlere Kommu-nen betreffen und die bisherigen Aufwen-dungen von ihnen neben den zusätzlichenweiter zu erbringen sind. Soweit solche

Serviceeinrichtungen von Sparkassen, Kam-mern oder anderen Anbietern in ihrer Ent-wicklung mit finanziert oder »gesponsert«werden, geschieht dies meist nur so lange,wie sich für diese ein materieller oder im-materieller Gewinn ergibt. Wenn solcheEinrichtungen ihre Beiträge zurückziehenoder die finanzielle Beteiligung stark min-dern, ist es für eine mittlere oder kleineKommune nicht möglich, eine solche Ein-richtung allein weiter zu führen.7

IV.

Kommunalverwaltungen kennzeichnet heu-te Dezentralisierung und eine Vielzahl vonAusgliederungen.

Die Motive für Ausgliederungen und Pri-vatisierungen sind vielfältig. In Deutschlandwird die Ausgliederung von Verwaltungs-aufgaben in graduell verschieden selbst-ständige Organisationseinheiten häufigvon finanziellen Überlegungen bestimmt,seien es nun Entlastungen der Haushalteoder steuerliche Überlegungen. Danebenbestehen Hoffnungen auf Effektivitäts-und Effizienzgewinne, die auf unterschied-lichen Überlegungen beruhen: In derenMittelpunkt steht eine Erzielung handhab-barer Organisationsgrößen. Dadurch wer-den Abläufe vereinfacht, wodurch einevergrößerte Flexibilität entsteht und einegegenüber den öffentlichen Verwaltungenproblemlose Einführung privatwirtschaftli-cher Prinzipien möglich wird. In den letz-ten Jahren ist ein zusätzlicher Aspekt im-mer mehr in den Vordergrund getreten:Die Ausgliederung von Verwaltungsein-heiten soll dazu dienen, Kooperationen mitanderen Organisationen, sowohl aus demöffentlichen als auch aus dem privatenSektor, zu ermöglichen. Diese Herstellungeines »public private mix« wird gegenwär-tig in der organisatorischen Form der »Public-Private Partnership« immer po-

Über Sinn und Bedeutung von Organisation für das öffentliche Handeln

70

4 Klaus Lenk: Muss die Bürgerkommune Dienst-leistungskommune sein?, in: Hennig Walcher(Hsg.): Diskurs Kommunal: Wissenschaft, Zu-kunft gestalten, Wesseling 2001, S. 145-147.

5 Lenk, Klaus/Klee-Kruse, Gundrun: Multifunk-tionale Servcieläden. Ein Modellkonzept füröffentliche Verwaltungen im Internet-Zeital-ter, Berlin 2000; Klaus Lenk, IntegrierteDienstleistungszentern – ein flächendeckendesModell für die Zukunft der deutschen Dörfer?in: Essener Geografische Arbeiten, bd. 34, Es-sen 2002, S. 73-83.

6 Bernd Kregel (Hsg.), Bürger-Büro-Bismarck.Schriftenreihe des Städte- und Gemeindebun-des Sachsen/Anhalt, Bd. 5, Magdeburg 1999.

7 Als Beispiel Verwaltungsgemeinschaft Bis-marck, Stellungnahme vom 17. Dezember2002.

»Die Organisationsfunktion öffentlicher Verwaltungen steht wie ihre Grundfunktion

in einem staatstheoretischen Kontext.«

pulärer.8 Nicht zu vergessen sind auch dieordnungs- und machtpolitischen Motivefür Ausgliederungen, wenn sie auch nichtimmer so deutlich im Vordergrund stehenwie in Großbritannien durch die Konserva-tive Partei unter Margaret Thatcher zu Be-ginn der achtziger Jahre: Dort solltendurch das Entstehen von Organisationen,die nicht unmittelbar zur Staatsverwaltunggehörten, die Kommunalverwaltungen ei-nen Teil ihrer Aufgaben und damit ihrerMacht verlieren, da sie traditionell von derLabour Party dominiert wurden.

Voraussetzung für die Erledigung (bis-her) öffentlicher Aufgaben in unterschied-lichen – oft privaten – Organisationsfor-men ist eine veränderte Sichtweise staatli-cher Tätigkeiten. Im Vordergrund stehtnicht mehr das Handeln des Staates oderder Kommunen, die Leistungserstellungdurch staatliche oder kommunale Organe,sondern der Leistungserfolg zu angemes-senen Preisen, das heißt, dass Ordnungherrscht, dass der Bürger die gewünschteLeistung erhält. Aus dieser Sichtweisewird die Organisation des Leistungserstel-lungsprozesses disponibel, so weit und solange der Staat bzw. die Kommune direktoder indirekt politisch gebotene Leistun-gen auf der Outputseite garantieren können– wenn diese politisch gewollt sind unddeshalb nicht dem Markt überlassen blei-ben. Es wird in »Produkten« gedacht, dasProduktivitätsdenken verändert sich. Deröffentliche Sektor und die Staatsaufgabenwerden neu bewertet.9

Die Leistungserstellung in kleinen Or-ganisationen weist bereits auf ein Problemhin: Die geringe Größe der Organisationenund ihre Ausrichtung auf spezifische Zielebringt es mit sich, dass solche Organisatio-nen auch nur eine begrenzte Anzahl vonAufgaben bearbeiten können, oder auchnur einen Teilbereich einer Aufgabe. Umkomplexere Aufgaben – wie sie für moder-ne Verwaltungen immer charakteristischerwerden – erfüllen zu können, müssen siemit anderen Organisationen zusammenar-beiten. Dadurch entstehen »lokale Dienst-leistungsnetzwerke«. Die unterschiedlichenOrganisationen, die in diesen Netzwerkenkooperieren, machen es erforderlich, dassein enger Zusammenhang zwischen ihnenentsteht. Ist dies nicht der Fall, kann dieDifferenzierung in Desintegration umschla-gen. Das heißt nichts anderes, als dass beider Kooperation der Organisationen schwer-wiegende Probleme entstehen können,durch die zumindest die Qualität der ge-meinsamen Leistung leidet. Dass Schwie-rigkeiten bei der Kooperation innerhalb derNetzwerke auftreten können, liegt aufGrund der Heterogenität der beteiligten Or-ganisationen nahe. Nach gegenwärtigen

Vorstellungen würden zu den Kooperati-onspartnern große und mittelständischeUnternehmen, politische Entscheidungsträ-ger unterschiedlicher Ebenen, Organisatio-nen des Dritten Sektors, Bürgerinitiativenund andere mehr gehören. Da die Organi-sationen in diesen verschiedenen Sektorenanderen Rationalitäten folgen, scheint zu-mindest ein dauerhafter Zusammenhalt sol-cher Netzwerke problematisch zu sein.Hierbei stellt sich eine generelle Frage:Wird durch eine solche Konstellation nichteiner der Vorteile der kleinen Organisatio-nen, ihre geringen Koordinationskosten,aufgehoben? In letzter Konsequenz würdedurch solche Maßnahmen die gegenwärtigeEntwicklung der Verwaltungsmodernisie-rung mit ihrer Tendenz zur Ausgliederungund Dezentraliserung dysfunktionale Fol-gen mit sich bringen.

Grundsätzlich birgt ein Agieren in einemNetzwerk für öffentliche Verwaltungen einhohes positives Potenzial, unabhängig da-von, ob es sich um Politik- oder Unterneh-mensnetzwerke handelt. Diese potenziellen

Vorteile einer Netzwerkzugehörigkeit sindeine gute Informationslage, eine hohe Pla-nungssicherheit, Legitimitätsgewinne unddie Lösung von Problemen im Vorfeld vonEntscheidungen. Konflikte resultieren re-gelmäßig aus der Heterogenität der beteilig-ten Organisationen. Mit den Teilnehmernaus der gewerblichen Wirtschaft, dem pri-vaten und dem dritten Sektor treten bei Po-litiknetzwerken Probleme bei der Formulie-rung der Ziele der Netzwerke auf. Soweiteine gemeinsame Zielformulierung zu Stan-de kommt, treten häufig auch Probleme imVerlauf der Kooperation auf, die letztend-lich darauf beruhen, dass die Organisatio-nen aus den unterschiedlichen Sektoren unterschiedlichen Rationalitäten und Hand-lungsmaßstäben folgen. So können Ge-meinwohlorientierung der Verwaltungenund Gewinnorientierung der privaten Unter-nehmen durchaus hart aufeinander treffen.

Um eine Kommunalverwaltung imZuge von Dezentralisierung und Verselbst-ständigung weiterhin in ihrer Gesamtheitsteuern und darüber hinaus längerfristigePerspektiven für die Entwicklung einerKommune gewinnen zu können, bedarf eseiner gut organisierten qualitativ hervorra-

gend besetzten Kernverwaltung. Gleich-zeitig steigt die Bedeutung von Instrumen-ten und Verfahren des Strategischen Ma-nagements.

Strategisches Management und die Ko-ordination verselbstständigter Bereichebringen neuartige Anforderungen an Ver-netzung und informationstechnische Un-terstützung hervor. Stichworte dieser Ent-wicklungen sind� Bildung organisatorischer Netzwerke

(Koordinationsnetzwerke, Leitungsnetz-werke, Politiknetzwerke)

� wirkungsvolle Nutzung des Verwal-tungswissens

� Teledienste und Mediendienste (Tele-kommunikationsrecht, Signaturgesetz).

Der mit den traditionellen Strukturen wieräumlicher Zuständigkeit und räumlicherGeltungsbereich, Verwaltungsbezirk, Ein-räumigkeit der Verwaltung, Verwaltungs-sitz, Besuchstagen und Sprechzeiten zumAusdruck kommende Raum- und Zeitbe-zug von Einheiten und Handlungsformender Verwaltung wird, wenn nicht abgelöst,

so doch ergänzt um Strukturen, bei denenRaum wie Zeit in ihrer Bedeutung zurück-treten.

Die »Molekularverwaltung« als ver-netzte Verwaltung kann die Form eines»Konzern Stadt« gewinnen10, wenn es ge-lingt, die einzelnen »Moleküle« aufeinan-der zu beziehen, die zentrale Steuerung,das zentrale und dezentrale Controllingund eine Beteiligungsverwaltung so einzu-

Klaus Grimmer, Verwaltungsmodernisierung und kommunale Organisationsmodelle

VM 2/2004 71

»Institutionell sind öffentliche Verwaltungeneine reflektierte Antwort auf die Zerstörungder Gemeinschaft.«

8 Als Beispiel Wolfgang Gerstlberger, PublicPrivate Partnerships und Stadtentwicklung,München/Mehring 1999; erg. Jan Ziekow, Public Private Partnerships und Verwaltungs-verfahrensrecht, in: Karl-Peter Sommermann/Jan Ziekow (Hsg.), a.a.O. S, 269-316.

9 Wolfgang Gerstlberger/Thomas Kneissler,Die Eigendynamik ausgegliederter Verwal-tungseinheiten: Theoretische Überlegungenund empirische Befunde, in: Die Verwaltung,1998, S. 183-280; Thomas Kneissler, Tasten-de Schritte zu einer neuen Verwaltung, Ar-beitspapiere der Forschungsgruppe Verwal-tungsautomation, 67, Kassel 2000.

10 Karsten Schneider u.a., Interessenvertretungim »Konzern Stadt«, hsg von Klaus Grimmer,Arbeitspapiere der Forchungsgruppe Verwal-tungsautomation 68, Kassel 2001, S. 18 ff., S.62 ff.

richten und abzusichern, dass sie ihrenAufgaben gerecht werden. Es ist dann nurvon eingeschränkter Bedeutung, welcheRechtsform die einzelnen Einheiten haben.

V.

Damit verbindet sich die grundsätzlicheFrage: Ist es sinnvoll und notwendig, dassalle Kommunen den Weg des »NeuenSteuerungsmodells« gehen, oder könnenanders geartete Rahmenbedingungen wieaußerordentlich schwierige Haushaltssitua-tion, weit vorangetriebene Ausdifferenzie-rungen und Privatisierungen beispielsweisenicht Anlass sein, eine neue Entwicklunganzugehen, etwa als eine Art Kombinationvon multifunktionalen Serviceläden undBürgerkommune?

Die Entwicklungen zu electronic gover-nment können hier eine Unterstützung an-bieten.11

Heute wird nicht mehr von Informati-sierung öffentlicher Verwaltungen, son-dern von einer Transformation des poli-tisch-administativen Systems insgesamt zue-government gesprochen.12

Unter »e-government« wird allgemeindie Abwicklung geschäftlicher Prozesseim Zusammenhang mit Regieren und Ver-walten (Government) mit Hilfe von Infor-mations- und Kommunikationstechnikenüber elektronische Medien verstanden.13

»Es geht um die Integration des Regie-rungs- und Verwaltungshandelns. E-Go-vernment nutzt hier die uns heute verfüg-baren Informationstechnologien für denEntwurf und Betrieb neuer Geschäftsmo-delle. E-Government nutzt eine neue infor-mationstechnische Erreichbarkeit von Per-sonen, Daten und Programmen über dasInternet, erstmals unabhängig von Raum,Zeit und Hierarchie. ...«14.

Im Grunde ist e-Government abernichts anderes als eine anspruchsvolle Be-zeichnung für die IuK-technische Unter-stützung der Verwaltungsorganisation und-arbeit und der Verwaltungskommunikati-on. Da aber der Anspruch umfassend istund letztlich auch E-Governance meint,15

sind die potenziellen Auswirkungen fürBüger, Wirtschaft und öffentlichen Sektorvielfältig16 – ohne sie aber heute bereitsalle konkret benennen zu können.

Die Entwicklungen technikgestalteterSozialbereiche – wozu auch die öffentli-chen Verwaltungen gehören – verlaufenmeist anders als erwartet oder prognosti-ziert, da die Vielfalt der Einzelfaktoren zuwenig diagnostiziert wird. Trotzdem, e-Government bestimmt die Entwicklung inden öffentlichen Verwaltungen, insbeson-dere den Kommunalverwaltungen.17

VI.

Der Strukturierung öffentlicher Verwaltun-gen und ihre Einbindung in verschiedenePolitikfelder entsprechend organisieren sichgesellschaftliche Interessen, wie auch Ver-waltungen gesellschaftlichen Handlungsfel-dern und Interessenstrukturen folgen. Es ergeben sich Interessenzuordnungen unddamit werden Interessen handelbar. Ver-waltungen bilden einen öffentlichen Akti-onsraum als eigenständiges Feld der Pro-blemwahrnehmung und der Erarbeitungvon Problemlösungsmöglichkeiten.

In ihrer institutionellen Ausprägung sindöffentliche Verwaltungen auf Gleichheit,Recht und Gerechtigkeit angelegt und sindeine reflektierte Antwort auf die Zerstörungvon Gemeinschaft. Entwicklung von öf-fentlichen Verwaltungen nach der Wertord-nung des Grundgesetzes ist immer auchEntwicklung der Rechtsstaatlichkeit undFreiheitlichkeit des politischen Systemsund ist in der Verfassung und in demokrati-schen Beschlussverfahren legitimiert.

Indem Verwaltungen nicht mehr einenArkanbereich bilden, sondern die Partizi-pation der Bürger in der Aufgabenbewälti-gung möglich und zunehmend notwendigwird – bis hin zur Forderung nach der Bürgergesellschaft und der Bürgerverwal-tung –, erweitert sich das Verwaltungs-system zu einem offenen, nicht mehr nurselbstreferenziellen System. Aus den Ver-waltungsorganisationen bildet sich der de-mokratische Staat als Institution.

Öffentliche Verwaltungen sind Koordi-nator, Leister, Stützer und Animateur fürGesellschaft, Unternehmen und Individu-en. Ihre Funktion ist es zu moderieren, zukoordinieren, Innovationen anzuregen,Ordnung zu stabilisieren und Gesetze zuvollziehen.18 Sie manifestieren Herrschaftund strukturieren Gesellschaft. Diese – wiewir es nennen wollen – Metafunktion öf-fentlicher Verwaltungen, nämlich ihre In-stitutionalisierungs-, Strukturierungs-, undBildungsfunktion ist ein wesentlicher Bei-trag für die Lebens- und Überlebensfähig-keit eines politischen Systems und seinerMitglieder – und damit dieser Beitrag auchwirksam ist, bedarf er ständig der prakti-schen Realisierung – zum Beispiel in denAgenda-21-Prozessen, in Schulen, in poli-zeilicher Sicherheit. Indem Verwaltungendas tun, realisieren sie auf Grund ihrer ver-fassungsrechtlichen Bindungen gleichzei-tig die Wertvorgaben der Grundgesetzord-nung, gestalten die Wertbindung des poli-tisch-gesellschaftlichen Systems.

Grund- und Metafunktionen öffentli-cher Verwaltungen stehen jeweils in einemstaatstheoretischen Kontext und in den da-mit verbundenen Leitbildern.

VII.

Es ist nicht möglich, abstrakt die bestmög-liche Organisation zu beschreiben. Es kön-nen nur organisatorische Lösungen ent-wickelt werden, mit denen bestimmte Zie-le besser als andere realisierbar sind. Demdienen auch Analyse und Transfer vonBest-Practice-Fällen.

Wichtig ist es in der Organisationsge-staltung, Phantasie zu entwickeln undSpielräume einzubauen, damit sich gegen-seitige Anpassungsprozesse und eine Bin-nenoptimierung vollziehen können und dieOrganisation als Institution Stabilität ge-winnt. Eine solche Binnenoptimierung be-deutet nicht immer schneller, besser undbilliger. Im Prozess der Binnenoptimie-rung können sich durchaus verlängerte Ar-beitszeiten, geringere Fallzahlen oder aucherhöhter Informationsbedarf ergeben, wel-che hinsichtlich einzelner Ziele kontrapro-duktiv wirken, insgesamt aber die Hand-lungsfähigkeit einer Organisation und dieAuskömmlichkeit der Organisationsarbeitfür die Beschäftigten sichern.

Über Sinn und Bedeutung von Organisation für das öffentliche Handeln

72

11 Lenk, Klaus/Traunmüller/Roland ElectronicGovernment – Ein Wegweiser, in: Computerkommunikativ 4/2001, S. 15-18; ChristineLeitner (ed.) eGovernment in Europe: TheState of Affairs, European Institut of PublicAdministration Maastrich 2003; Heinrich Rei-nermann, Verwaltungsmodernisierung mitNew Public Management und Electronic Go-vernment, in: Hermann Knödler/Michael H.Stierle (Hsg.), Globale und innovative Ökono-mie Heidelberg 2003, S. 381-406. Wulf Dem-kowski/Anke Rösener, Auf dem Weg zumAktivierenden Staat, Berlin 2003.

12 Heinrich Reinermann, Barrieren für ElectronicGovernment, Manuskript, Speyer 2002; Jörnvon Lucke, Regieren und Verwalten im Infor-mationszeitalter, Berlin 2003.

13 Heinrich Reinermann/Jörn von Lucke (Hsg.),Electronic Government in Deutschland, Spey-er 2002 (Speyerer Forschungsberichte 226).

14 Heinrich Reinermann, Barrieren für ElectronicGoverment, Manuskript, Speyer 2002; zumöglichen Gestaltungsfeldern öffentlichenVerwaltungen Jörn von Lucke, a.a.O., S. 86 ff.Vgl. auch Willy Landsberg, Electronic Gover-nment aus der Sicht der Verwaltung – Gründe,Ziele und Rahmenbedingungen, in: H. Reiner-mann/J.v. Lucke (Hsg.), a.a.O., S. 20-45;Karl-Peter Sommermann, a.a.O., S. 117.

15 Hierzu Jörn von Lucke, a.a.O., S. 37 ff.16 Hierzu Jörn von Lucke, a.a.O., S. 140 ff.17 Als Beispiel Heinrich Reinermann, Das elek-

tronische Rathaus, in: AfK-DfK, 1. Jhg.2002/II, S. 61-82.

18 Arthur Benz, Der moderne Staat, München,Wien 2001, S. 223 ff.

Einleitung

In zahlreichen Studien wurden Zusammen-hänge zwischen der Mitarbeiter- und derKundenzufriedenheit gefunden.1 AndereStudien konnten hingegen keinen direktenZusammenhang nachweisen.2 Vielen istaber gemeinsam, dass sie die Wichtigkeitsowohl der Mitarbeiter- wie auch insbe-sondere der Kundenzufriedenheit für ein

optimales Kundenmanagement und den(ökonomischen) Erfolg einer Organisationbetonen.3

Wenngleich kaum alle Einflussfaktorenermittelt werden können, so kann von derGrundregel ausgegangen werden, dass ein»rundum zufriedener« Mitarbeitender sichfreundlich(er) den Kundinnen und Kundengegenüber verhält und umgekehrt. Erfah-rungsberichte zeigen denn auch, dass bei-spielsweise eine reibungslose Kundenbe-treuung weniger zusätzlichen (Nach-)Bear-beitungsaufwand und somit weniger Stressoder andere Gesundheitsrisiken für beideParteien bedeuten kann, die (emotionale)Belastung für die Mitarbeitenden aufGrund geringerer Reklamationen gesenktwerden kann et cetera.4

Heute gehören Umfragen bei den Mit-arbeitenden oder bei der Kundschaft einerOrganisation zum Alltag, in den seltenstenFällen aber greift man dabei auf einegleichzeitige und aufeinander abgestimmteBefragung beider Parteien zurück. Einesolche Vorgehensweise, welche im Fol-genden beschrieben wird, hat den grossenzusätzlichen Vorteil, dass eine umfassendeAnalyse des Kundenkontakts sowohl ausder (internen) Sicht der Mitarbeitendenwie auch aus der (externen) Sicht des Kun-den zu vorbestimmten Zeitpunkten vorge-nommen und ausgewertet werden kann.

Das Forschungsdesign ist (mit-)entscheidend

Damit verlässliche und interessante Ver-gleiche mittels Kennzahlen generiert wer-den können, müssen in einem ersten Schrittdas Forschungsdesign entwickelt und dieeingesetzten Befragungsinstrumente auf-einander abgestimmt werden (hinsichtlichZielsetzungen der Befragung, Vergleich-barkeit der Datensätze, Entscheidung übereine Voll- versus Teilerhebung et cetera).

Die Messung und Interpretation vonZufriedenheitswerten gestaltet sich in derPraxis als ein relativ schwieriges Unterfan-gen, zumal bislang kein allgemein gültigesund erschöpfendes Erklärungsmodell hier-für existiert. Für die hier beschriebene Un-tersuchung wurde auf bewährte (Teil-)Mo-delle zurückgegriffen, wobei entsprechen-de Anpassungen vorgenommen wurden,um der Komplexität des Qualitäts- und desKundenmanagements im öffentlichen Be-reich gerecht zu werden. Untersuchungs-gegenstand unserer Befragungen der Mit-arbeitenden und der Kundengruppen ist einDienstleistungsunternehmen im Bereichder öffentlichen Sozialversicherungen5 ei-nes Schweizer Kantons. Insgesamt fliessendie Daten von 574 zurückgesandten Kun-denfragebogen (entspricht einer Rücklauf-quote von 27 Prozent) sowie 114 Fragebo-gen von Mitarbeitenden (entspricht einerRücklaufquote von knapp 60 Prozent) indie Analyse ein. Die für die vorliegende

Der gleichzeitige Einsatz von Mitarbeiter-und Kundenbefragungen

Dargestellt am Beispiel einer öffentlichen Sozialversicherungsanstalt in der Schweiz

von Martin Koci und Kuno Schedler

Im Zentrum des vorliegenden Artikels steht die Frage, welche Zu-sammenhänge zwischen der Zufriedenheit von Kundinnen undKunden und der Zufriedenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern einer öffentlichen Dienstleistungsunternehmung bestehen. Umdiese Frage beantworten zu können, bietet sich die Auswertung ei-ner gleichzeitig durchgeführten Mitarbeiter- und Kundenbefra-gung an. Anhand von spezifischen Analysemodellen und der über-sichtlichen Darstellung von Kennzahlen können die relevantenZusammenhänge und Auswirkungen dargestellt und so die Stärkenund Schwächen eines bestehenden Systems auf einen Blick eruiertwerden. Aus den Ergebnissen lassen sich gezielte Verbesserungs-möglichkeiten für beide Seiten generieren.

Univ.-Professor Dr.Kuno Schedler ist Direktor des Institutsfür Öffentliche Dienst-leistungen und Touris-mus IDT-HSG der Universität St. Gallen.

lic. phil. Martin Koci istWissenschaftlicher Mit-arbeiter am Institut für

Öffentliche Dienstlei-stungen und Tourismus

IDT-HSG der Univer-sität St. Gallen.

Zur Interaktionsdynamik zwischen Mitarbeitern und Kunden

Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 73-77

73

1 Vgl. Stock 2001.2 Vgl. Loveman 1998.3 Vgl. van der Velden und Zillmer 2002, wel-

che die Wichtigkeit der Zufriedenheitsmes-sung von gesetzlich gebundenen Kunden be-tonen.

4 Vgl. Dormann und Kaiser 2002 für weiter-führende Zusammenhänge.

5 Typische Aufgabenbereiche dieser Institutio-nen sind: Eidgenössische Alters- und Hinter-lassenenversicherung (AHV), EidgenössischeInvalidenversicherung (IV), Ergänzungslei-stungen zur AHV und IV, Erwerbsersatzord-nung, Prämienverbilligung in der Krankenver-sicherung etc.

Untersuchung eingesetzten schriftlichenBefragungsinstrumente entsprachen ge-bräuchlichen Verfahren, wobei besonderenWert auf eine Unterscheidung zwischenRoutine- und erfolgskritischen Prozessender Dienstleistungsqualität gelegt wurde.Dies vor dem Hintergrund, dass viele Rou-tineprozesse in der Dienstleistungserstel-lung als eingespielte Mechanismen in derRegel kaum wahrgenommen werden unddaher nur abweichende Ereignisse undProzesse sich nachhaltig in den Erinnerun-gen und letztlich in den Bewertungen nie-derschlagen.

Grundlegendes Modell der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit

Das erklärte Ziel der hier vorgestellten me-thodischen Vorgehensweise ist es, die we-sentlichen Einflussfaktoren auf die Zufrie-denheit der Mitarbeitenden und der Kun-

den (sowie deren Interaktion) zu ermittelnund zu analysieren. Wie bereits erwähnt,ist die Konzeptualisierung und Operationa-lisierung der Mitarbeiter- und Kundenzu-friedenheit in der Forschungsliteratur durchdivergente Ansätze und Bezugsrahmen ge-kennzeichnet. Als Grundmodell für eineErgebnisdarstellung wurde daher jenes vonMittelstaedt und Winter (2002) verwendet(Bild 1) und im weiteren Verlaufe entspre-chend unseren Ergebnissen aus den schrift-lichen Befragungen modifiziert (Bild 2).

Die Darstellung in Bild 1 verdeutlichtden Zusammenhang zwischen der Zufrie-denheit von Kunden und der Zufriedenheitvon Mitarbeitenden mittels eines Kreis-laufkonzeptes. In diesem Sinne kann ange-nommen werden, dass über die Mitarbei-terzufriedenheit und ihr Verhalten dieKundenzufriedenheit beeinflusst wird undumgekehrt. Weiter kann davon ausgegan-gen werden, dass die direkte soziale Inter-aktion zwischen Mitarbeitenden und Kun-den im besten Falle ein interaktionaler und

sich selbst verstärkender Kreislauf dar-stellt. Eine Erhöhung der Mitarbeiterzu-friedenheit drückt sich in der Regel in po-sitivem Verhalten den Kunden gegenüberaus, was wiederum zu einer Erhöhung derKundenzufriedenheit (und Abnahme derBeschwerdehäufigkeit) und in der Folge zufreundlichem Verhalten führt. Ein freund-liches und reibungsloses Verhalten derKunden führt so wiederum zu erhöhterMitarbeiterzufriedenheit, womit sich derKreislauf schliesst. Damit ein solcher posi-tiver Kreislauf entstehen und gemessenwerden kann, müssen demnach hinderlicheEinflussfaktoren (»Schwächen«) ermitteltund beseitigt werden. Auf dieser Grundla-ge können so in gleichem Masse produkti-ve Einflüsse (»Stärken«) gezielt gefördertwerden. Die Ermittlung der wichtigstenEinflussfaktoren stellt das primäre Ziel desvorliegenden Artikels dar.

Ergebnisse der durchgeführtenUntersuchung

Die Ergebnisse unserer Untersuchung inBild 2 zeigen, dass eine Reihe von Einfluss-faktoren auf die Mitarbeiter- und Kunden-zufriedenheit sowie gemeinsame Faktorenexistieren, welche sich gegenseitig beein-flussen (die dargestellten Faktoren bildenaber nur eine mögliche Gesamtheit der Ein-flussfaktoren auf die Interaktion zwischenMitarbeitenden und ihren entsprechendenKundengruppen). Dabei können kundenbe-zogene, mitarbeiterbezogene und gemeinsa-me Faktoren identifiziert werden, welche inunterschiedlichem Masse die Bewertungder Dienstleistungsqualität zu beeinflussenvermögen. Nachfolgend wird kurz auf dieeinzelnen Faktoren eingegangen.

Einflüsse auf die Kundenzufriedenheit und dasKundenverhalten

Die Ergebnisse unserer Kundengruppen-analysen in Bild 2 zeigen, dass alle Kun-dengruppen insgesamt gesehen die glei-chen Qualitätsaspekte einer Dienstleistungschätzen. Insbesondere die Einsatzbereit-schaft und Aufmerksamkeitszuwendungfür die Anliegen der Kundinnen und Kun-den generell und die Angabe eines (festen)Ansprechpartners werden am meisten ge-schätzt und auch erwartet. Weitere wesent-liche Einflussfaktoren auf die Zufrieden-

Zur Interaktionsdynamik zwischen Mitarbeitern und Kunden

74

Bild 1: Grundlegendes Kreislauf-Modell zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit.Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mittelstaedt und Winter (2002).

Bild 2: Einflussfaktoren6 der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit: Gesamt-Ergebnisse allerKundengruppen, geordnet nach der Häufigkeit ihrer Nennungen.

6 Dargestellt werden zur Vereinfachung nur diewichtigsten Einflussfaktoren, geordnet nachder Häufigkeit ihrer Nennungen.

heit stellen darüber hinaus die eigentlichematerielle Dienstleistung dar, namentlichdie Korrektheit und Verständlichkeit derFormulare und anderer Unterlagen des un-tersuchten Amtes.

Bei näherer Betrachtung lassen sichaber durchaus Differenzen in der Bewer-tung und Gewichtung der einzelnen Qua-litätsaspekte zwischen den einzelnen Kun-dengruppen finden: So werden etwa dieÖffnungszeiten sowie die Erreichbarkeitder entsprechenden Ansprechpartner perTelefon oder E-Mail mit unterschiedlicherGewichtung bewertet. Tabelle 1 illustriertweiterführend die Ergebnisse zweier unter-schiedlicher Kundengruppen hinsichtlichder Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit.Aus der Tabelle 1 geht hervor, dass dieKundengruppe A starkes Gewicht auf zen-trale Elemente des direkten sozialen Kon-taktes legt. Die Freundlichkeit der An-sprechpartner am Telefon, die Betreuungs-zeit vor Ort, die Zuverlässigkeit derRechnungszustellung wie auch die Warte-zeit am Telefon und die Öffnungszeitenwerden als relevante Einflussfaktoren ein-geschätzt. Demgegenüber liegen die wich-tigsten Einflussfaktoren bei der Kunden-gruppe B in der Zuverlässigkeit der Rech-nungszustellung, in der Einsatzbereitschaftder Ansprechpartner, im Fachwissen derAnsprechpersonen, der Freundlichkeit derAnsprechpersonen am Telefon sowie denbereitgestellten Informationen im Internet.Daraus ist ersichtlich, dass die Kunden-gruppe B auf eine möglichst reibungsloseund professionelle Abwicklung ihrer An-liegen bedacht ist, der direkte Kontakt mitden entsprechenden Schnittstellen der Or-ganisation hingegen eine eher sekundäreGewichtung erhält.

Einflüsse auf die Mitarbeiterzufriedenheit und das Mitarbeiterverhalten

Die Auswertung der Mitarbeiterbefragungzeigt, dass zahlreiche Faktoren nicht nur dieallgemeine Zufriedenheit der Mitarbeiten-den mit dem Arbeitgeber beeinflussen, son-dern auch das Verhalten den Kundinnenund Kunden gegenüber. Gerade im vorlie-genden Untersuchungsfall, in welchem eingrosser Teil der Belegschaft in direktemund täglichem Kundenkontakt steht, stelltdie soziale Interaktion mit der Kundschafteinen wesentlichen Einflussfaktor auf diegenerelle Arbeitszufriedenheit dar. Nebenden allgemeinen Einflussfaktoren auf dieArbeitszufriedenheit (beispielsweise Freudeund Abwechslung in Bezug auf die Tätig-keit, Entlohnung, Vorgesetzter oder Ar-beitskollegen) kristallisieren sich so weitere

verschiedene Einflüsse im Hinblick auf die(direkte) Kundenbetreuung heraus. So wur-den in unserer Untersuchung etwa die Zeit,die ein Mitarbeitender für einen Kundenaufwenden kann und darf, die (interne) Bearbeitung der relevanten Daten und Do-kumente sowie die gegenseitige Einsatzbe-reitschaft unter den Mitarbeitenden alswichtige Einflussfaktoren auf die Arbeits-zufriedenheit identifiziert. Dies deutet aufdie Wichtigkeit einer reibungslosen Ablauf-organisation innerhalb der Organisation hin,welche auch die Fairness und die Unterstüt-zung unter den Mitarbeitenden hinsichtlichder Verteilung und Bearbeitung von Aufga-ben in den Vordergrund stellt.

Gemeinsame Faktoren

Neben den bereits genannten Aspekten be-einflusst darüber hinaus eine Reihe von»gemeinsamen« Faktoren die Zufriedenheitund das Verhalten beider Parteien. Darun-ter sind diejenigen Aspekte zu verstehen,welche den direkten Kontakt umgeben, soetwa die Räumlichkeiten, die Ambiance,die Kompetenz der Ansprechpartner sowiedas spontane Verhalten beider Parteien.Zusammengefasst lässt sich sagen, dass so-wohl Mitarbeitende wie auch Kunden dannzufriedengestellt sind, wenn die Vorausset-zungen für positive »atmosphärische« Rah-menbedingungen und für einen freundli-chen Umgang miteinander geschaffen wer-den können resp. bereits vorhanden sind.Andererseits ergeben sich aus den Resulta-ten zahlreiche Hinweise über negativeAspekte, welche den Unmut beider Partei-en zu fördern vermögen. Dazu zählen ausder Sicht der Mitarbeitenden etwa die Kla-gen von bestimmten Kunden über unver-ständliche Formulare oder über die vorge-gebenen Zahlungsfristen. Auf der anderenSeite (das heißt aus der Kundenoptik) zeigtsich, dass etwa die Erreichbarkeit der Mit-arbeitenden per Telefon sowie die fach-männische Abwicklung von Beschwerdenzentrale Inhalte von Verärgerungen sind.

Wie bereits erwähnt, wurden sowohldie Mitarbeitenden wie auch die Kundin-

nen und Kunden gebeten, neben den ver-schiedenen generellen Qualitätsdimensio-nen auch spezielle Ereignisse und Erleb-nisse im Zusammenhang mit den Dienst-leistungen des betreffenden Amtes zuschildern und zu bewerten. Die zusätzlicheAuswertung der so genannten kritischenEreignisse ergänzen den Datensatz inso-fern, als dadurch spezielle Ereignisse vonallgemeinen Routine-Prozessen erkanntund untersucht werden können. Daraus ab-geleitet ergeben sich für die einzelnen In-teraktionsqualitäten und schritte im Rah-men eines Kundenkontakts spezifischeStärken- und Schwächenprofile sowie dar-auf aufbauend Handlungsempfehlungenund Verbesserungsmöglichkeiten, welchein der Folge optimal auf die Bedürfnisseund Wünsche der verschiedenen Kunden-gruppen abgestimmt werden können. Ingleichem Masse wurden auch die Mitar-beitenden im Rahmen der Befragung auf-gefordert, eine kritische Beurteilung derProzesse und Strukturen in ihrem Arbeit-sumfeld abzugeben. Damit kann sicherge-stellt werden, dass beide Seiten eine Ein-schätzung der gesamten Dienstleistung abgeben können, weil eine einseitigeSichtweise möglicherweise zu kurz greifenkönnte resp. im Anschluss daran eingelei-tete Verbesserungsmassnahmen das ge-wünschte Ziel verfehlen könnten.

Beispiel für eine Ergebnisdarstellung

Nachdem nun aus den Ergebnissen die re-levanten Einflussfaktoren erfasst und un-tersucht wurden, wird nachfolgend einemögliche Ergebnisdarstellung vorgestellt.Das Ziel ist eine übersichtliche Darlegungund Erläuterung der wichtigsten Ergebnis-se und Aussagen aus der Untersuchung(vgl. Bild 3).7

Martin Koci und Kuno Schedler, Der gleichzeitige Einsatz von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen

VM 2/2004 75

Kundengruppe A Kundengruppe BPositive Aspekte % Positive Aspekte %

Freundlichkeit am Telefon 85.5 Zuverlässigkeit der Rechnungszustellung 90.2

Betreuungszeit für Anliegen der Kunden 81.6 Einsatzbereitschaft der Ansprechpartner 88.2

Zuverlässigkeit der Rechnungszustellung 79.4 Freundlichkeit am Telefon 87.6

Wartezeit am Telefon 77.9 Fachwissen der Ansprechpersonen 87.4

Öffnungszeiten 76.8 Informationen im Internet 83.5

Tabelle 1: Positiv beeinflussende Aspekte der Dienstleistungsqualitäten: Vergleich der Ergeb-nisse zweier anonymisierter Kundengruppen (Angaben in Prozent, geordnet nach der Häufig-keit ihrer Nennungen)

7 Die nachfolgende Darstellung zeigt lediglicheinen Ausschnitt aller in der vorliegenden Be-fragung untersuchten Bereiche und Ergebnis-se. Vertiefende Informationen können aber beiBedarf bei den Autoren eingeholt werden.

Die obige Ergebnisdarstellung gliedertsich folgendermassen: In der linken Hälfteist der Geschäftsbereich (Abteilung Aus-gleichskasse) mit den entsprechenden Kun-denteams dargestellt. Die Kundentypenund -gruppen8 wurden so angeordnet, da-mit eine direkte Zuordnung zwischen Kun-denteam und der jeweiligen Kundengruppehergestellt werden kann (auf eine detaillier-te Darstellung der Ablaufprozesse wird imRahmen des vorliegenden Artikels zu Gun-sten einer Gesamtübersicht verzichtet).9

In der Spalte ganz links sind einerseitsweitere wesentliche Ergebnisse der Mitar-beiterbefragung für die entsprechende Ab-teilung (nach Hauptthemen gegliedert)aufgeführt. Die entsprechende Schattie-rung soll dabei Aufschluss über das relati-ve Niveau der Zufriedenheitswerte geben.

Im rechten Bereich der Darstellung be-finden sich Aggregationen der Ergebnissein Bezug auf verschiedene Qualitätsmerk-male der Dienstleistung (Bewertung durchdie entsprechenden Kundentypen). DieMerkmale wurden in drei Kategorien un-terteilt (strukturelle, materielle und prozes-suale Qualitätsmerkmale), wodurch sichein schnellerer Überblick über die wesent-lichsten Resultate gewinnen lässt. Die ver-schiedenen Einfärbungen (mit den entspre-chenden Mittelwerten respektive Prozent-angaben) entsprechen jeweils wiederumeinem Zufriedenheitsindex. Die nächsteSpalte (»Bearb’dauer«) zeigt den Prozent-satz derjenigen Kundenaussagen, welcheangaben, dass die Bearbeitungsdauer fürihr Anliegen ihrer Einschätzung nach zu

lange ist. Diese zusätzliche Angabe kannals eine weitere wichtige Kennzahl für dieProzessqualität und die Kundenzufrieden-heit der betreffenden Kundengruppe dienen(die Möglichkeiten der Darstellung weite-rer Resultate und Indices sind gross undkönnen je nach Ausrichtung und Tiefe dererzielten Ergebnisse ausgerichtet werden).

Interpretation ausgewählter Ergebnisse

Die Resultate der Befragung in Bild 3 zei-gen, dass bestimmte Kunden(-gruppen)insgesamt gesehen mit den erbrachtenDienstleistungen des betreffenden Amteszufrieden sind. Dies wird bei den ange-sprochenen Kundengruppen auch durchdie geringen Prozentanteile unzufriedenerKunden (Spannweite 0 bis 11,5 Prozent)bestätigt.

Werden zusätzliche Qualitätsparameterzur Interpretation der Resultate herangezo-gen, so zeigt sich ein differenzierteresBild. Die unterschiedliche Bewertung dereinzelnen Qualitätsmerkmale zeigt, dassdie verschiedenen Kundengruppen mit derDienstleistungserbringung durch die Mit-arbeitenden des Amtes nicht gleichermas-sen zufrieden sind. Die Kundengruppen 3und 4 scheinen demnach mit den erbrach-ten Dienstleistungen weniger zufrieden zusein und die Qualitätsmerkmale derDienstleistungen werden von den betref-fenden Kundengruppen entsprechend kri-tisch eingeschätzt. Dies wird zusätzlich

durch die letzte Spalte links belegt, der»Beschwerden-Hitliste«, wonach bspw.das Formularwesen und die Zahlungsfri-sten von allen untersuchten Kundengrup-pen als die häufigsten Ursachen für Be-schwerden genannt wurden. Die Be-schwerdenliste kann somit als direkterAusdruck der Unzufriedenheit der Kundin-nen und Kunden mit dem Dienstleistungs-erbringer gewertet werden.

Das für die Kundengruppen 3 und 4 inerster Linie zuständige Betreuungsteam 2erzielt in selben Masse spezifische Befra-gungsergebnisse auf: Das Team weist inden Ergebnissen eine unter dem Durch-schnitt liegende allgemeine Arbeitszufrie-denheit auf (wovon 22.2 Prozent eher bissehr unzufrieden sind), beklagen den unzu-reichenden Personalbestand ihres Teamsund die hohe Arbeitsbelastung sowie derdamit verbundene Zeitmangel für eine ein-gehende Betreuung ihres Kundenstammes.Das Kundenteam 1 weist demgegenüberetwas höhere Zufriedenheitswerte auf undso auch die von ihnen (mit-)betreute Kun-dengruppen 1 und 2. Tiefergehende Analy-sen auf Teamstufe offenbaren, dass die Ar-beitsbelastung zwischen den beiden Teamsnicht optimal aufgeteilt ist und somit alsmöglicher Einflussfaktor auf die Zufrie-denheitswerte der beiden Teams agiert.Diese ungleiche Verteilung der Arbeitsla-sten wirkt sich auch auf die beurteiltenQualitätsmerkmale seitens der Kundenaus, wobei die Kundengruppe 4 die kri-tischsten Werte zu Protokoll gab.

Demgegenüber weisen die Kunden-gruppen 5 bis 7 höhere Werte hinsichtlichder untersuchten Qualitätsmerkmale auf,lediglich die Beurteilungen der Dauer derBearbeitung weisen bei den genanntenKundengruppen erhöhte Werte auf. Diesist einerseits zurückzuführen auf eine län-gere interne Bearbeitungsdauer der einzel-nen Anliegen. Andererseits zeigen die Er-gebnisse der Befragungen, dass die beste-henden Prozesse nicht optimal ausgestaltetsind und daher noch reichlich Verbesse-rungspotenzial vorhanden ist. Diese Pro-zesse sollen daher im Anschluss an diedurchgeführte Befragung einer genauenPrüfung unterzogen werden und gegebe-nenfalls angepasst werden.

Diese ausgewählten Beispiele verdeutli-chen, wie das Zusammenspiel und die

Zur Interaktionsdynamik zwischen Mitarbeitern und Kunden

76

8 Bei der Nummerierung des Kundentyps inBild 3 handelt es sich lediglich um eine ver-einfachende Darstellungsform. Jede Kunden-typ-Nummer entspricht dabei einer bestimm-ten definierten Kundengruppe.

9 Demzufolge beschäftigen sich die Kunden-teams 1 und 2 mit den Kundentypen 1 bis 4,die Kundenteams 3 und 4 mit den Kundenty-pen 5 bis 7 etc.

Bild 3: Ergebnis-Monitor für den Bereich Ausgleichskasse. Gesamt-Ergebnisse der Befragung(Quelle: eigene Darstellung).

Analyse der beiden Befragungen einenumfassenden Blick auf wesentliche Merk-male einer Kunden-Mitarbeitenden-Bezie-hung und des Kontextes bieten kann. Inentsprechender Weise liessen sich nochweitere interessante Zusammenhänge auf-zeigen und interpretieren.

Fazit

Im Rahmen der gleichzeitig durchgeführtenBefragung konnten sowohl die Kundschaftwie auch die Mitarbeitenden eine kritischeBeurteilung der Dienstleistungsqualität desbetreffenden Amtes abgeben. Die Ergebnis-se zeigen, dass die soziale Interaktion zwi-schen Mitarbeitenden und Kundschaftdurch zahlreiche Einflussfaktoren geprägtwird und sowohl auf die Zufriedenheit wieauch deren Verhalten gleichermassen einzu-wirken vermag. Die Interaktion zwischenMitarbeitenden und Kunden ist aber in denseltensten Fällen durch gleich bleibendeEinflüsse resp. Stärke geprägt, weil die un-terschiedlichen Kundengruppen in der Re-gel unterschiedliche Anforderungen und Er-wartungen in Bezug auf die Dienstleistun-gen besitzen. Um diesen Anforderungen zugenügen, müssen auch die Rahmenbedin-gungen für die Mitarbeitenden im gleichenAusmass optimal ausgestaltet sein. Die Ge-genüberstellung wichtiger und interessanterResultate beider Parteien trägt dazu bei,dass ein optimal abgestimmtes Kundenma-nagement erarbeitet werden kann. DieseVermutungen werden gestützt durch die Er-mittlung von Zusammenhängen zwischenden Beurteilungen zur Zufriedenheit beideruntersuchten Parteien. Dadurch kann aufge-zeigt werden, dass die Kreislaufkonzeption(vgl. Bild 1) einen massgeblichen Stellen-wert für den gesamten Dienstleistungspro-zess besitzt. Eine umfassende Betrachtungaller möglichen Einflüsse und deren Wir-kungen auf den Dienstleistungsprozess trägtalso dazu bei, dass das Kundenmanagementbesser verstanden und in der Folge die rele-vanten Stellschrauben zur Behebung vonmöglichen Dysfunktionalitäten in bestehen-den Aufbau- und Ablaufprozessen verän-dert werden können.

Auf der anderen Seite konnte gezeigtwerden, dass die Ermittlung von Zufrieden-heitswerten hinsichtlich bestimmter Qua-litätsmerkmale allein nicht ausreicht, umdie Interaktionsdynamik zwischen Kundenund Mitarbeitenden richtig einschätzen undinterpretieren zu können. Für das hier vor-gestellte neue Paradigma einer kombinier-ten Befragung von Kunden und Mitarbei-tenden wurden deshalb die Befragungsin-strumente durch entsprechende Anpassun-gen und Ergänzungen erweitert. Neben

allgemeinen Fragen zur Bewertung einzel-ner Aspekte der Dienstleistung wurden bei-de Seiten aufgefordert, die wesentlichstenSchwachstellen respektive Stärken (respek-tive besonders kritische oder erfolgsrele-vante Elemente) im gesamten Dienstlei-stungsprozess anzugeben. Hierzu muss aberauch eine Einschränkung angefügt werden.Auf Grund der gewählten Methodik war esmit den vorhandenen Instrumenten nichtmöglich, eine detaillierte Betrachtung derProzessdynamik herzustellen, das heißtwelche Faktoren mit welchen Ausprägun-gen in welcher Situation zu welchen Ergeb-nissen sowohl bei den Mitarbeitenden wieauch den Kundengruppen führen. Damitwird dem Umstand Rechnung getragen,dass die gesamte Dynamik zwischen Kun-den und Mitarbeitenden sich einem ständi-gen Wandel unterzieht und sich durch zahl-reiche moderierende Einflussfaktoren aus-

zeichnet. Die Untersuchung und die Beant-wortung dieser und weiterführenderFragestellungen kann oder sollte aber Ge-genstand weiterer, zukünftiger Studien bil-den.

Abschliessend werden nochmals diewesentlichen Vorteile und Zielsetzungeneiner gleichzeitig durchgeführten Mitarbei-ter- und Kundenzufriedenheitsanalyse auf-geführt:� Mittels einer fundierten Analyse können

die relevanten Einflussfaktoren auf dieDienstleistungs-Zufriedenheit der spezi-fischen Kundengruppen und der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter sowie dieBedürfnisse beider Parteien zu bestimm-ten Zeitpunkten ermittelt werden. DasHerausfiltern kritischer/erfolgsrelevanterEreignisse stellt die Basis für eine ge-zielte Darstellung wichtiger Kunden-aspekte dar (neben Routine-Prozessen).

� Auf dieser Grundlage können im An-schluss daran organisationsinterne Pro-zesse und der Ressourceneinsatz zur Er-stellung der einzelnen Dienstleistungenentsprechend optimiert (und fehllaufen-de eliminiert oder zumindest abge-schwächt) werden.

� Eine eingehende Analyse ist für einprozess-, struktur- und ergebnisorien-tiertes Qualitätsmanagement (beispiels-weise DIN ISO 9000ff) eine gute undverlässliche Notwendigkeit.

� Auf der Ebene der Mitarbeiterzufrie-denheit und des Mitarbeiterverhaltenskönnen verschiedene hinderliche intra-organisationale Strukturen und Prozesseerkannt und mögliche Folgen verhindertwerden (beispielsweise Burnout, sin-kende Arbeitsleistung, Absentismus).

� Abgeleitete Verbesserungsmassnahmenführen zu einer Steigerung der Arbeits-platzattraktivität im öffentlichen Be-reich.

� Auf der Seite der Kundschaft kann dieKundenzufriedenheit gesteigert respekti-ve die Anzahl der Beschwerden redu-ziert werden, was wiederum Auswirkun-gen auf die Mitarbeiterzufriedenheit undderen Verhalten der Kundschaft gegen-über hat.

� Mittels tiefer gehender Analysen könnendie relevanten Einflussfaktoren hinsicht-lich der verschiedenen Kundengruppen

(und der zugehörigen Bearbeitungsteamsinnerhalb der Organisation) einzeln aus-gewertet, gewichtet und priorisiert wer-den

� Im Anschluss daran kann gezielt auf dieBereitstellung von massgeschneidertenDienstleistungen hin gearbeitet werden,welche die unterschiedlichen Kunden-gruppen beanspruchen.

Literatur

Dormann, Christian und Kaiser, Diana: Job con-ditions and costumer satisfaction. Erschienen in:European Journal of Work and OrganizationalPsychology, 11(3), 2002, pp. 257-283.

Loveman, G.W.: Employee satisfaction, custo-mer loyalty, and financial performance: an em-pirical examination of the service profit chain inretail banking. Erschienen in: Journal of ServiceResearch, 1(1), 1998, pp. 18-31.

Mittelstaedt, Stephanie und Winter, Stefanie:Zusammenhänge und gemeinsame Einflussfak-toren von Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheiteine explorative Studie im Handel. MannheimerBeiträge, 2(2), 2002, S. 21-29.

Stock, R.: Der Zusammenhang zwischen Mitar-beiter- und Kundenzufriedenheit: direkte, indi-rekte und moderierende Effekte. Wiesbaden:Deutscher Universitäts-Verlag. 2001.

Van der Velden, Claus und Zillmer, Peter: Zu-friedenheitsmessung bei gebundenen Kunden.Erschienen in: Verwaltung & Management, 8.Jg., Heft 3, 2002, S. 161-165.

Martin Koci und Kuno Schedler, Der gleichzeitige Einsatz von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen

VM 2/2004 77

»Wenn sowohl Mitarbeiter- wie Kunden-zufriedenheit den Erfolg einer Organisationbeeinflussen, sollte man beide auch gleichzeitig und koordiniert abfragen.«

Einführung

Gegenwärtig ist erheblicher Druck auf dasManagement öffentlicher Krankenhäuserzu beobachten. Erste Krankenhäuser haltendiesem nicht stand. Dieser Druck kommt,anders als in bisher erlebten Krisensitua-tionen, gleichzeitig aus mehreren Richtun-gen:� Einnahmenseitig

– sinkende Zuschüsse bzw. Zuschuss-bereitschaft durch die angespannteFinanzlage der öffentlichen Haushal-te von Kommunen und Ländern

– seitens der Krankenversicherungenbzw. der staatlichen Gesundheitspo-litik durch gekürzte Budgets und ok-troyierte Sparmaßnahmen

– Neuordnung der Leistungsvergütungnach DRG (Diagnostic RelatedGroups, diagnosebezogene Fallpau-schalen): Die Vergütung der Leistun-gen erfolgt ab 2003/2004 nicht mehrnach tagesgleichen Pflegesätzen, son-dern nach fallbezogenen Diagnosen

� Ausgabenseitig– steigende Personalkosten, insbeson-

dere durch die Erhöhung des BAT,die weitere BAT-Ost-Anpassung so-wie die Auswirkungen der Reformder Zusatzversorgung

– steigende Sachkosten, bedingt durchden medizinischen Fortschritt

� Marktseitig – verstärktes Auftreten privater Kran-

kenhäuser auf dem Markt– veränderte Patientenstruktur durch

steigende Fallzahlen und demogra-phischen Wandel

– Reduzierung der Krankenhausbetten– verschärfter Wettbewerb innerhalb

der Europäischen Union.Dieser Beitrag untersucht zunächst dieAuswirkung bzw. die Intensität der einzel-nen Einflüsse auf die wirtschaftliche Lagekommunaler Krankenhäuser. Danach wer-den mögliche Handlungsspielräume aufge-

zeigt und die Frage, wie sich kommunaleKrankenhäusern in Zukunft entwickelnkönnen, strukturiert. Dabei orientieren wiruns strikt am Bezugsrahmen einnahmen-seitiger, ausgabenseitiger und marktseiti-ger Wirkungen.

Einnahmenseitige Einflussfaktoren

Nach gesetzlicher Bestimmung unterliegendie Krankenhäuser dem System der dualenFinanzierung: Diese Trennung der Finan-zierungsverantwortung für Betriebskostenund Investitionskosten schränkt die Hand-lungsfähigkeit der Krankenhäuser ein (sie-he Bild 1).

Ein Krankenhaus muss sich demnach inseiner Planung auf die Kostenoptimierungbeschränken, da die Angebotskapazitätennicht durch den Markt reguliert werden undeine Nachfragesteuerung durch den Patien-ten nur eingeschränkt innerhalb der von derPolitik festgelegten Bandbreite erfolgt.Nicht das Zusammenwirken von Angebotund Nachfrage bestimmen den Umsatz,sondern im Wesentlichen die Verhandlun-gen mit den Krankenkassen und den Trä-gern sowie die verpflichtenden Vorgabendurch den Landeskrankenhausplan.

Wir beobachten gegenwärtig erheblicheFinanzprobleme sowohl bei den Ländernund den Kommunen als auch bei denKrankenversicherungen. Gegenwärtig sindMaßnahmen in der politischen Diskussion,die vor kurzem unvorstellbar waren: unteranderem die Erhöhung der Krankenversi-cherungsbeiträge, die Einführung vonSelbstbeteiligungen sowie die Nullrundebei den Gesundheitsbudget- und Tarifver-handlungen. Diese Maßnahmen stellen ausSicht der Krankenhäuser unabänderlicheUmwelteinflüsse dar, ein Infragestellen istinsofern müßig. Folglich stellt sich denkommunalen Entscheidungsträgern dieFrage, wie sich ein öffentliches Kranken-haus innerhalb dieser sich veränderndenRahmenbedingungen positionieren soll.

Im Hinblick auf die Freiheitsgrade fürdas Management scheint von den auf dieEinnahmen wirkenden Einflussfaktoren dieEinführung der DRG am interessantesten.

Kommunale KrankenhäuserDie Krise als Chance zur strategischen Neuausrichtung

von Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild

Dieser Beitrag beschreibt gegenwärtige Entwicklungen auf demKrankenhausmarkt, die insbesondere kommunale Krankenhäuservor erhebliche Probleme stellen. Diese Situation kann als Chancegenutzt werden, die strategische Positionierung kommunalerKrankenhäuser neu zu bewerten. Mögliche Strategien werden auf-gezeigt und bewertet, die zu einer dauerhaften finanziellen Entla-stung der Krankenhausträger führen.

Dr. Robert Müller-Török, Universitätslek-tor, Institut für Betriebswirtschaftsleh-re der Klein- und Mittelbetriebe, Wirt-schaftsuniversität Wien.

Diplom-VolkswirtinNadin Wild, Beratungsgesellschaftfür Beteiligungsverwal-tung mbH. Leipzig.

Diplom-Oec. RaimundOtto, Beratungsgesell-

schaft für Beteiligungs-verwaltung mbH,

Leipzig.

Ökonomische Dimensionen und Optionen der Krankenhausverwaltung

78 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 78-83

2003/2004 soll dieses pauschalisierte Ent-geltsystem eingeführt werden, das die Rah-menbedingungen des Gesundheitsmarktesverändern wird. Erreicht werden soll damitdie Vergütung tatsächlich erbrachter Lei-stungen anstelle der Verweildauer und so-mit ein Abbau medizinisch wirkungsloserKapazitäten. Aus rein marktorientierterSicht sind die Fallpauschalen sinnvoll, mitdem Wegfall der tagesgleichen Pflegesätzeverlieren die bisherigen Parameter Einwei-sungsquote und Pflegetage ihre Bedeutungfür die Leistungsabrechnung.

Ausgabenseitige Einflussfaktoren

Die Ausgabenseite teilt sich in Personal-und Sachkosten. Die Höhe der Sachkostenwird erheblich durch die Preise für medizi-nische Gerätschaften, also durch den tech-nisch-medizinischen Fortschritt, beeinflusst.Die fortschreitende Technologie der Medi-zin verlangt von Krankenhäusern, die ihrenPatienten bestmögliche Behandlung bietenwollen, Investitionen in immer kürzerenAbständen, die durch die Einnahmen nichtfristenkongruent gedeckt werden können.

Ohne Zweifel stellen jedoch die Perso-nalkosten das dominante Problem dar, dasie zum einen im öffentlichen Sektor in ih-rerer Kostenstruktur als nahezu exogeneGröße angesehen werden können und zumanderen zwei Drittel bis drei Viertel derGesamtkosten einnehmen. Folgende As-pekte erhöhen im kommenden Pflegesatz-zeitraum die Personalkosten erheblich:1� tarifvertragsinduzierter linearer Anstieg

des BAT um 2,4 Prozent (für 2003) —>Personalkostenanstieg: 2,15 Prozent inden alten und 2,1 Prozent in den neuenBundesländern

� Einmalzahlung von 7,5 Prozent der mo-natlichen Vergütung (für März 2003)—> Personalkostenanstieg: 0,51 Prozentin den alten (max. 185 Euro) und neuenBundesländern (max. 166,50 Euro)

� BAT-Ost-West-Anpassung von 90 Pro-zent auf 91 Prozent des Bemessungssat-zes in den neuen Bundesländern (An-passung in den kommenden Jahren bis2007/2009 je nach Vergütungsgruppeauf hundert Prozent) —> Personalko-stenanstieg: 1,12 Prozent

� strukturelle Kosten der Tarifverträgeauf Grund von Höhergruppierungen,Beförderungen, Altersstufen etc. —>Personalkostenanstieg: ein Prozent imDurchschnitt

� Lohnnebenkosten auf Grund des zu er-wartenden Anstieges der Beitragssätzezur gesetzlichen Kranken- und Renten-versicherung —> Personalkostenan-stieg: cirka 0,5 Prozent

� Veränderungen in der Zusatzversor-gung (Auswirkungen sind je nach Zugehörigkeit zu einer Zusatzversor-gungskasse unterschiedlich und basie-ren auf einer Erhöhung der Umlagesät-ze und/oder der Einführung einesSanierungsgeldes) —> Personalkosten-anstieg: bis zu zwei Prozent in den altenund vier Prozent in den neuen Bundes-ländern.

In Gegenüberstellung zu den möglichenVeränderungsraten der Budgets von 0,81Prozent in den alten und 2,09 Prozent inden neuen Bundesländern oder gar einerNullrunde bewirken allein die Personalko-sten eine erhebliche Finanzierungslücke.

Ein Vorteil, welchen die privaten undauch freigemeinnützigen gegenüber denöffentlichen Trägern haben, besteht ausga-benseitig darin, dass ver.di mit ihnen ande-re, flexiblere Tarifverträge abschließt2 unddiese auch auf weniger kostenintensiveZusatzversorgungseinrichtungen auswei-chen können.3

Marktmäßige Einflussfaktoren

Das Gut Gesundheit lässt sich wegen seinerbesonderen Bedeutung für den Einzelnenund die Gesellschaft nach herrschender An-sicht nicht einfach der Angebot-Nachfrage-Ordnung des freien Marktes unterwerfen. Inder Ökonomie wird es als meritorisches Gutbezeichnet, was die Rechtfertigung derstaatlichen Intervention auf dem Gesund-heitsmarkt impliziert. Die Preisbildung er-folgt weitestgehend unabhängig von Nach-frage- und Angebotsmechanismen. DasWachstum auf dem Krankenhausmarktbleibt auf Grund der Regulierungen be-schränkt; Vorgänge wie Firmenübernahme,Insolvenz etc. waren bislang die Ausnahme.

Der Krankenhausmarkt ist in der letztenZeit durch die Abnahme der Krankenhäu-

ser in öffentlicher und die Zunahme derKrankenhäuser in privater und freige-meinnütziger Trägerschaft gekennzeichnet.Auch zeigen Zukunftsprognosen das Bildeiner möglichen drastischen Verschiebungin Richtung der privaten und freige-meinnützigen Trägerschaften auf, wie Bild2 zeigt.

Die in Bild 2 zitierte Studie »Kranken-haus 2015« ist als Tendenzaussage zu se-hen, die angibt, wie einige Institutionenund Unternehmen die Entwicklung ein-schätzen. Wir halten die Prognose zwar fürtendenziell richtig, das heißt, die Anzahlvon Einrichtungen in nicht-öffentlicherHand wird zunehmen, in den absolutenZahlen sehen wir die Entwicklung hinge-gen nicht so dramatisch.

Parallel dazu ist die Krankenhausbetten-zahl insgesamt gesunken, wobei die öffent-lichen Träger eine Reduzierung und dieprivaten sowie freigemeinnützigen Trägereinen Zuwachs zu verzeichnen haben. DieZahl der deutschlandweit aufgestelltenKrankenhausbetten ging in den Jahren1991 bis 1999 um 15,1 Prozent (oder100.297 Betten) zurück (siehe Bild 3), undauch künftig ist damit zu rechnen, dass derAbbau der Bettenkapazitäten fortgesetztwird.4

Der demographische Wandel (wachsen-der Anteil älterer Menschen an der Ge-samtbevölkerung), der medizinisch-tech-

Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild, Kommunale Krankenhäuser

VM 2/2004 79

1 Schmidt und Flöttmann 2003, S. 13f. sowieFoit 2003, S. 147.

2 Der Bundesmanteltarif zwischen dem Bun-desverband Deutscher Privatkrankenanstaltenund ver.di wird in folgenden Landesverbän-den des Verbandes angewendet: Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nie-dersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz. Die übrigen privaten Kliniken wendenHaustarifverträge an.

3 Rocke 2002, S. 781.4 Berning und Rosenow 2001, S. 192.

Bild 1: Einschränkung der Handlungsfähigkeit in der dualen Finanzierung

Betriebskosten Investitionskosten

Die Budgets werden durch die Gesetzli-che Krankenversicherung (GKV) be-stimmt und an die Entwicklung der Infla-tionsrate bzw. der Grundlöhne angepasstund somit an die gesamtwirtschaftlicheEntwicklung gekoppelt.

Aufgrund der angespannten Arbeits-marktlage ist auf Sicht kein signifikanterAnstieg der Budgets zu erwarten.

Die knappen Krankenhausbudgets sind zudem durch hohe Fixkosten gebunden, was die Handlungsfähigkeit erheblich einschränkt.

Die Ausgaben für Krankenhausinvestitio-nen durch die Länder fallen wegen desKonsolidierungsdrucks auf die Haushalteeher gering aus.

nologische Fortschritt, die Zunahme chro-nischer Erkrankungen und auch das erhöh-te Gesundheitsbewusstsein der Bevölke-rung bedingen eine steigende qualitativeund quantitative Nachfrage nach Gesund-heitsleistungen und dadurch insgesamtsteigende Kosten. Beeinflusst wird das Ge-sundheitswesen in Zukunft auch durchGlobalisierungstendenzen und damit ver-bunden einem zunehmenden Wettbewerbsowie durch Strukturveränderungen in dersozialen Sicherung.

Doch der Krankenhausmarkt befindetsich im Umbruch: Immer mehr kommuna-le und auch freigemeinnützige Träger ent-schließen sich auf Grund des Kostendrucksund der Unsicherheiten, ihr Krankenhauszu privatisieren. Wurde vor einem Jahrnoch ein Euro je Euro Klinikumsatz alsKaufpreis gezahlt, so hat sich dieser Preisim Durchschnitt auf fünfzig Cent je EuroKlinikumsatz halbiert.7

Der Markt ist derzeit ein Käufermarkt,das heißt sinkende Preise bei Angebots-überhang. Im Abstand von vier bis sechsWochen wird der Kauf eines Akutkranken-hauses abgelehnt, die Garantie des Verkaufs

eines jeden angebotenen Krankenhauses istnicht mehr gegeben. Die Attraktivität desKlinikums und die Interessenübereinstim-mung werden für einen Verkauf immermaßgebender, da strategische Kaufangeboteauf Grund der Entwicklung am Kranken-hausmarkt abnehmen werden.

Handlungsmöglichkeiten in Bezugauf die Einflussfaktoren

Betrachtet man die auf die kommunalenKrankenhäuser wirkenden Einflussfakto-ren, ist es für das Management rational,bezüglich der Einnahmen in Verhandlun-gen mit den Trägern und Krankenhausfi-nanzierungsverbänden ein Maximum zuerreichen. Wegen der angespannten Situa-tion können diese Verhandlungen vergli-chen mit früheren Verhandlungen härtergeführt werden, in diesem Sinne sind auchAktionismen wie die Ankündigung vonKrankenhausschließungen zu verstehen.

War es bisher für Krankenhäuser ausEinnahmensicht rational8, Patienten so lan-ge wie möglich stationär zu behandeln9, ist

es nun unter DRG-Verrechnung rational,einem Patienten möglichst viele Einnah-men bringende Diagnosen und Behandlun-gen zuzuordnen. Das heißt, für einen Pati-enten, der mit einer Diagnose X zur Be-handlung Y in das Krankenhaus kommt,gilt prinzipiell der in Bild 4 dargestellteZusammenhang.

Die Erfahrungen anderer Länder zei-gen, dass die Einführung des Vergütungs-systems nach DRG zu einer Verkürzungder Verweildauer, einer Abnahme vonEinweisungen (Abnahme von Fallzahlendurch die verstärkte Nutzung ambulanterLeistungen), einer Konzentration tendenzi-ell schwererer Fälle im Krankenhaus, zueinem Bettenabbau und somit letztlichauch zu einer Schließung von Krankenhäu-sern geführt hat.10

Vereinfacht gesagt, ersetzt die neueStrategie des »Diagnosesammelns« diealte Strategie der »Aufenthaltsverlänge-rung«, da als entscheidendes Einnahmekri-terium die Diagnose und ihre Behandlungan die Stelle der Aufenthaltsdauer getretenist. Für den Patienten ergibt sich – in ei-nem Krankenversicherungssystem ohneSelbstbeteiligungen – keine Verschlechte-rung. Ohne auf die einzelnen Komponen-ten der DRG-Anwendung eingehen zuwollen, kann man sagen, dass auf Grundder angespannten Finanzlage von Trägernund Krankenversicherung durch die Ein-führung der DRG-Verrechnung bestenfallsein Stagnieren der Einnahmen zu erhoffenist. In Anbetracht der Finanzsituation derfür die Finanzierung von Krankenhauslei-stungen verantwortlichen Stellen wäre esunrealistisch, über alle Krankenhäuser ge-rechnet eine Steigerung der Einnahmendurch die Einführung der DRG zu erwar-ten. In Einzelfällen ist hingegen eine Stei-gerung möglich.

Zumindest private Träger rechnen auchnach der Einführung von DRG mit positi-ven bzw. zumindest ausgeglichenen Er-

Ökonomische Dimensionen und Optionen der Krankenhausverwaltung

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5 Quelle: Eigene Darstellung, * auf Basis Ber-ning und Rosenow 2001, S. 192, ** auf BasisAndersen Consulting 2001.

6 Quelle: Eigene Darstellung, auf Basis Berningund Rosenow 2001, S. 187, Statistisches Bun-desamt 2002, Statistisches Bundesamt 2003,Andersen Consulting 2001.

7 Müller von der Grün 2002, S. 575.8 Rational ist hier im Sinne einer dominanten

Strategie zu verstehen.9 Die beobachtete Verkürzung der durchschnitt-

lichen Verweildauer stellt hierzu keinen Wi-derspruch dar, da das Krankenhaus natürlichdie aus seiner Sicht optimale Verweildauer(=höchster Deckungsbeitrag) zu erreichensucht. Diese deckungsbeitragoptimale Ver-weildauer muss nicht zwingend die längst-mögliche sein.

10 Arnold 2001, S. 6.

Bild 2: Stationäre Einrichtungen nach Trägern5

Bild 3: Kennzahlenentwicklung im KH-Sektor deutschlandweit 1995 bis 20006

gebnissen, wobei die Vermutung geäußertwird, dass kleinere Kliniken weniger ver-lieren werden als große. Begründet wirddie Vermutung damit, dass nach der bishe-rigen Planung einfachere Leistungen höherbewertet werden.11

Ausgabenseitig gibt es im Bereich derPersonalkosten nur relativ geringe Steue-rungsmöglichkeiten des Krankenhausma-nagements. Die Ausgliederung von Hilfs-und Nebentätigkeiten sowie generell desnichtmedizinischen Personals ist in denmeisten Krankenhäusern bereits vollzogen,die Personalkosten können somit als fixangesehen werden.

Bezüglich der Sachkosten hingegen gibtes neben den bereits erfolgten Verbesse-rungen im Einkauf (Bildung von Einkaufs-genossenschaften, E-Procurement etc.)noch eine selten realisierte Möglichkeit:Das Outsourcing des gesamten Einkaufsan einen spezialisierten Logistikdienstlei-ster. Hierbei wird im Krankenhaus eine IT-Lösung für die Warenwirtschaft installiert,das Krankenhaus definiert seinen Bedarfund löst Bestellungen aus; die Beschaffungund Lieferung ist Aufgabe des Logi-stikdienstleisters.

Bezüglich der Markteinflüsse gibt esverschiedene strategische Handlungsoptio-nen, die auch auf die Einnahmen- bzw.Ausgabenseite wirken:� Erhalt der kommunalen (Allein-)Trä-

gerschaft� Verkauf von Anteilen oder des gesam-

ten Krankenhauses an einen privatenTräger

� Verkauf von Anteilen oder des gesam-ten Krankenhauses an einen freigem-einnützigen Träger

� Stillegung, das heißt Schließung desKrankenhauses.

Kommunale Trägerschaft

Auch in Zeiten knapper Haushaltskassenstellt die kommunale Trägerschaft durch-aus eine Chance dar. Abhängig ist die Ent-scheidung von dem gewichteten Zielbün-del, welches der öffentliche Träger gemein-sam mit der Krankenhausführung erstellensoll, das heißt ein gemeinsames Festlegender zukünftigen strategischen Entwicklung.In der kommunalen Trägerschaft gilt esaber trotzdem, nicht am Status Quo festzu-halten, sondern Entwicklungspotenziale inbspw. folgenden Bereichen zu suchen:� Rechtsformänderung� Outsourcing� Spezialisierung� Kooperation oder Fusion bzw. Holding

mit Kiniken oder medizinischen- sowieSozialeinrichtungen

� Managementverträge

� Kooperationen mit der Industrie bzw.mit Dienstleistungsunternehmen.

Unter optimaler Ausnutzung der Chancen,die auch eine kommunale Trägerschaft bie-tet, insbesondere der Zusammenarbeit mitanderen Einrichtungen, lassen sich grundle-gende Einflussfaktoren aufführen (Bild 6).

Private Trägerschaft

Die private Trägerschaft bzw. das Mitspra-cherecht eines privaten Partners in der Ge-schäftsführung des Krankenhauses birgt inAbhängigkeit von den jeweiligen Rahmen-

bedingungen Chancen und Risiken (sieheBild 7). Als Variationen, die man unter derprivaten Trägerschaft subsumieren kann,sind zu nennen:� Verkauf von Anteilen des Krankenhau-

ses an einen Privaten mit oder ohne Abgabe der wirtschaftlichen Führung (Public-Private Partnership)

� vollständiger Verkauf des Krankenhau-ses

� Finanzinvestoren.

Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild, Kommunale Krankenhäuser

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11 Müller von der Grün 2002, S. 574.

Bild 4: Wirkung der Fallpauschalen auf den Patienten

Bild 5: Wirkung der Fallpauschalen auf den Wettbewerb

Wirkung auf Kommunale Trägerschaft

Einnahmen Gute Grundlage für Kreditvergabe im Rahmen der Vorgaben von Basel II, da kein InsolvenzrisikoBeibehaltung der bisherigen Verhandlungsposition gegenüber Land und GKVKapitalknappheit, oftmals Investitionsstau

Ausgaben Skalenvorteile und Synergieeffekte im Personal- und SachmittelbereichrealisierbarKosten- und Zeitaufwand des Aufbaus eines Kooperationsnetzwerkes werden leicht unterschätztEinschränkung der Flexibilität in der Personalsteuerung durch BAT und Versorgungskasse von Bund und LändernZur Erschließung von Synergien muss eine optimale Betriebsgröße erreicht werdenRückfalloptionen/ Kosten bei Fusion/ Holding

Markt Stärkung gegen Dynamik des WettbewerbsBestandserhaltung des kommunalen SystemsOptimierung der Therapiekette und Ausbau des Versorgungsspektrums bei Kooperationen oder HoldingbildungKomplementäre Schwerpunktbildung für Kooperationen Die Holding bietet Flexibilität in der Aufnahme weiterer Partner

Bild 6: Kommunale Trägerschaft

Abhängig ist die Entscheidung für oder ge-gen eine (Teil-) Privatisierung wiederumvon dem gewichteten Zielbündel der Kom-mune. Eine wesentliche Voraussetzung füreine erfolgreiche Kooperation mit privatenTrägern ist die belastbare Einigung auf eingemeinsames Vorgehen.

Freigemeinnützige Trägerschaft

Eine weitere, wenn auch seltener realisier-te Handlungsoption stellt die Entwicklungin freigemeinnütziger Trägerschaft bzw.die Kooperation mit einem solchen Trägerdar (siehe Bild 8). Gegenüber der (Teil-)Privatisierung eines öffentlichen Kranken-hauses besteht der Vorteil in der größerengesellschaftlichen und politischen Aner-kennung eines freigemeinnützigen Trä-gers, ausgedrückt zum Beispiel in geringe-rem kommunalpolitischen Widerstand. Fürdie Rechtsform der gGmbH bietet die frei-gemeinnützige Trägerschaft ebenfalls Vor-teile, da die Umwandlung in eine GmbHbei genannter Trägerschaft oftmals nichtnotwendig ist.

Stilllegung

Nicht zu vergessen in der Auflistung derHandlungsoptionen ist die Stilllegung desKrankenhauses. Abzuwägen ist hier dieHaushaltsbelastung der öffentlichen Trägerund die regionale Situation der medizini-schen Versorgung.

Bewertung der strategischenHandlungsoptionen

In Bild 9 werden die einzelnen Handlungs-optionen hinsichtlich ihrer Wirkung aufdie Entwicklung der Einnahmen- und Aus-gabenseite sowie die Marktseite eines öf-fentlichen Krankenhauses bewertet.Selbstverständlich stellt diese Bewertungnur eine Tendenzaussage dar, die von denkonkreten Situationsbedingungen des ein-zelnen Krankenhauses beeinflusst wird.Eine »situationsunabhängige Patentlö-sung« gibt es nicht.

Anstelle einer allgemein gültigen Aus-sage für die Gesamtheit der kommunalenKrankenhäuser möchten wir einige »Leit-gedanken« formulieren, die bei der Ent-scheidung bezüglich der strategischenAusrichtung eines Krankenhauses zuberücksichtigen sind:

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12 In der Wahrnehmung von Ländern (Förder-mittel) und GKV (Budgets) könnte ein öffent-licher Träger bedürftiger wirken als ein zumBeispiel börsennotierter privater Träger.

Wirkung auf Private Trägerschaft

Einnahmen Verwendung des Verkaufserlöses für andere (gemeinnützige) soziale und wirtschaftliche Zwecke, auch zur Sanierung des kommunalen HaushaltesFinanz- und Kapitalkraft– Attraktivitätserhöhung gegenüber medizinischem, kaufmännischem und

technischem Führungspersonal durch Möglichkeiten erfolgsabhängiger Gehaltskomponenten

– Investitionen, Erweiterung des Versorgungsspektrums– Fremdkapitalaufnahme in Eigenverantwortung des ManagementsNicht zwingende Erhöhung der Kreditkosten bei Verbleib des haftenden kommunalen Partners als Mehrheitsgesellschafters oder entsprechender Bonität des privaten PartnersÄnderung, möglicherweise Schwächung der Verhandlungsposition gegenüber Land und GKV bei Verkauf der Mehrheitsanteile oder Vollprivatisierung12

Wegfall eventueller jährlicher Überschussabführungen an den kommunalen Haushalt oder Generierung von ausschüttbaren Überschüssen innerhalb des KlinikkonzernsKorrekte Rechnungsstellung für hoheitliche Aufgaben, die im Auftrag der Kommune erbracht werden, zum Beispiel Schulzahnklinik

Ausgaben Skalenvorteile und Synergieeffekte im Personal- und Sachmittelbereich realisierbarFlexiblere Vergütungspolitik besser möglich als bei BAT bzw. Versorgungskasse von Bund und LändernInsolvenzrisiko bei Verkauf der Mehrheitsanteile oder VollprivatisierungGgf. Auflösung der Gemeinnützigkeit und damit verbunden Nachversteue-rungspflicht über die letzten 10 Kalenderjahre nach § 61 bzw. § 175 AO

Markt Stärkung gegen Dynamik des WettbewerbsSchnelle und flexible Umsetzung von Expansionsstrategien möglichMittelfristiges RisikosplittingVerringerung der kommunalen EinflussnahmeRückfalloptionen/ Kosten Negative politische Wahrnehmung (Bürgerbegehren)

Bild 7: Private Trägerschaft

Wirkung auf Freigemeinnützige Trägerschaft

Einnahmen Verwendung des Verkaufserlöses für andere (gemeinnützige) soziale und wirtschaftliche Zwecke, auch zur Sanierung des kommunalen HaushaltesKeine Schwächung der Verhandlungsposition gegenüber Land und GKV

Ausgaben Skalenvorteile und Synergieeffekte im Personal- und Sachmittelbereich realisierbarFlexiblere Vergütungspolitik besser möglich als bei BAT bzw. Versorgungskasse von Bund und LändernBeibehaltung der Gemeinnützigkeit möglich

Markt Stärkung gegen Dynamik des Wettbewerbs Positive politische Wahrnehmung Mittelfristiges RisikosplittingVerringerung der kommunalen Einflussnahme Rückfalloptionen/ Kosten

Bild 8: Freigemeinnützige Trägerschaft

Wirkungsrichtung Einnahmenseitig Ausgabenseitig Marktseitig

Option

Kommunale Trägerschaft +/- +/- +Private Trägerschaft +/- + +Freigemeinnützige Trägerschaft +/- +/- +Stilllegung n/a + n/a

Bild 9: Handlungsoptionen und ihre Wirkung

� Krankenhäuser müssen unabhängig vonTräger und Rechtsform zunehmendnach unternehmerischen Gesichtspunk-ten geführt werden, damit sie im, wennauch beschränkten, Wettbewerb überle-ben können. Angebotsstrukturen müs-sen überprüft und Kooperationspoten-ziale eruiert werden.

� Kommunale Unternehmerschaft ist nichtper Definition einer privaten Träger-schaft unterlegen. Beide haben ihre Vor-und Nachteile, die es abzuwägen gilt.

� Die Zeiten, in denen für Krankenhäuserinfolge geringen Angebots hohe Kauf-preise zu erzielen waren, sind vorbei. Pri-vate Krankenhausträger prüfen angebote-ne Investments viel selektiver und bietennur im begründeten Einzelfall Preise, dievor kurzer Zeit noch marktüblich waren.

� Jedes Krankenhaus hat sein individuellesStärken- und Schwächenportfolio undjede Kommune ihre eigene Haushaltssi-tuation. So gewinnt die Leistungsstruk-turierung im Gegensatz zum Leistungs-umfang an Bedeutung. Die Bestimmungeigener Leistungsmodule sollte unter Be-

achtung der regionalen Marktsituation,also dem Angebot der umliegenden Häu-ser erfolgen (Analyseinstrument desBenchmarkings). Entscheidungen »ausdem Bauch heraus« sind ebenso wenigzielführend wie Patentrezepte.

Als Beurteilungs- und Entscheidungs-grundlage sollte hierzu ein gewichtetesZielbündel stehen, in welchem sich diespezifischen Rahmenbedingungen eines je-den Krankenhauses widerspiegeln.

Literatur

(Andersen Consulting 2001) Andersen Consul-ting (Hrsg.), Krankenhaus 2015, Wege aus demParagraphendschungel, o. O. 2001.

(Arnold 2001) Michael Arnold, Personal imKrankenhaus, in: Michel Arnold, Jürgen Klau-ber und Henner Schnellschmidt (Hrsg.), Kran-kenhaus-Report 2001, Tübingen u. a., S. 5-19.

(Berning und Rosenow 2001) Rita Berning undChristiane Rosenow, Statistische Krankenhaus-daten, Grund- und Kostendaten der Kranken-häuser, in: Michel Arnold, Jürgen Klauber undHenner Schnellschmidt (Hrsg.), Krankenhaus-Report 2001, Tübingen u. a., S. 186-192.

(Foit 2003) Otto Foit, Tarifabschluss im öffent-lichen Dienst, in: das Krankenhaus, 95 (2003)Heft 2, S. 147-150.

(Müller von der Grün 2002) Claus P. Müllervon der Grün, Die Preise für die Kliniken ver-fallen, in: f&w, führen und wirtschaften imKrankenhaus, 19 (2002) Heft 6, S. 574-575.

(Rocke 2002) Burghard Rocke: Die Zukunft deröffentlichen Krankenhäuser, in: das Kranken-haus, 94 (2002) Heft 10, S. 779-784.

(Schmidt und Flöttmann 2003) MichaelSchmidt und Carsten Flöttmann, BSSichG –BAT-Scheren-Sicherungs-Gesetz, in: das Kran-kenhaus, 95 (2003) Heft 1, S. 13-16.

(Statistisches Bundesamt 2001) StatistischesBundesamt Deutschland, Einrichtungen des Ge-sundheitswesens, in: http://www.destatis.de/ba-sis/d/gesu/gesutab12.htm, 18. März 2003.

(Statistisches Bundesamt 2002) StatistischesBundesamt Deutschland, Einrichtungen des Ge-sundheitswesens, in: http://www.destatis.de/ba-sis/d/gesu/gesutab1.htm, 23. Dezember 2002.

(Statistisches Bundesamt 2003) StatistischesBundesamt Deutschland, Einrichtungen des Ge-sundheitswesens, in: http://www.destatis.de/the-men/d/thm_gesundheit.htm, 19. März 2003.

Raimund Otto, Robert Müller-Török und Nadin Wild, Kommunale Krankenhäuser

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Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts 10

Websites als eine Komponentevon E-Government

Die Nutzung neuer elektronischer Medienim öffentlichen Sektor, insbesondere desInternets, wird heute meistens unter demBegriff E-Government diskutiert. Unterden vielen Definitionen von E-Govern-ment wählen wir die folgende1, weil viele

Studien ihr inhaltlich folgen: E-Govern-ment bezeichnet die Neugestaltung der in-ternen und externen staatlichen Beziehun-gen mittels internet-gestützter Abläufe.Ziel ist es, mit Hilfe von Informations- undKommunikationstechnologie die staatlicheLeistungserbringung zu optimieren (E-Ad-ministration) sowie die Beteiligung Priva-ter am Entscheidungsprozess zu erhöhen(E-Democracy).

Die Webauftritte öffentlicher Institutio-nen auf allen Verwaltungsebenen sind alsoein Teil von E-Government, aber der größ-te Aufwand liegt in der Neugestaltung derVerwaltungsprozesse. Man könnte dieWebsites als den elektronischen Schalterder Verwaltung bezeichnen, hinter demeine Reihe von komplexen Abläufen undSystemen gut funktionieren müssen, damitder Bürger am Schalter zufrieden stellendund ökonomisch sinnvoll bedient wird.Die Websites sind also nur ein kleiner Teilvon E-Government, aber als eine moderne»Schnittstelle« zur Verwaltung sehr wich-tig.

In letzter Zeit sind einige Studien zumStand von E-Government entstanden, indenen die Webauftritte öffentlicher Betrei-ber und insbesondere von Städten unter-sucht werden. Vier davon werden hier kurzbeschrieben.

Die Studie »E-Town 2002«2 untersuchtdie Websites von 82 deutschen Städten ab100.000 Einwohner mit dem Ziel, »Best-Practice Beispiele« für verschiedene kom-munale Aufgaben zu ermitteln. Dabei wer-den die Webangebote mit E-Governmentgleichgesetzt, ohne dass eine Analyse derdahinter stehenden Prozesse stattfindet. Ei-nige der Ergebnisse sind:� Es gibt inzwischen genügend gute Bei-

spiellösungen, nach denen sich andereKommunen richten können.

� Kommunen, Länder und Bund solltenbei Aktivitäten im E-Government ko-operieren, so zum Beispiel bei der elek-tronischen Signatur,

� Die entsprechende Anpassung von Vor-schriften muss vorgenommen werden.

� Das Webangebot muss stärker bewor-ben werden.

Auf diese Studie wird noch später einge-gangen, da sie genau die gleichen Objektewie die vorliegende Studie untersucht.

Die Studie »Balanced E-Government«3

hat sich das Ziel gesetzt, die Aktivitätenauf dem Gebiet der Verwaltungsmoderni-sierung zu sichten und international zuvergleichen. Der Vergleich basiert auf ei-nem Kriterienkatalog, der durch Interviewsmit Beteiligten und Sichtung der Websitesabgearbeitet wird. Die Kriterien sind infünf Kategorien zusammengefasst worden,die eine Balanced E-Government-Score-card bilden. Die Hauptannahme der Studieist, dass das Angebot gut ausgewogen zwi-schen elektronischen Dienstleistungen undelektronischer Partizipation sein sollte. Eswerden Webangebote von öffentlichenKörperschaften auf allen Ebenen unter-sucht, von Angeboten von Stadteilen biszu solchen von Staaten. Das Hauptergeb-nis lautet, dass das primäre Interesse bisherden Dienstleistungen gegolten hat, wäh-rend bei der Partizipation erheblicherNachholbedarf besteht.

Eine ökonomische Bewertung von Websitesdeutscher Großstädte

von Paul Alpar und Sebastian Pickerodt

Websites bilden als Online-Schalter der Verwaltung einen kleinen,aber wichtigen Teil von E-Government. Es existiert eine Reihe vonStudien, in denen die Qualität öffentlicher Online-Angebote unter-sucht wird. Neben der Qualität der Angebote ist jedoch auch ihreWirtschaftlichkeit von Bedeutung. In dieser Studie wird das Ver-hältnis zwischen Aufwand und Ertrag der Websites großer deut-scher Städte untersucht. Websites versuchen durch ihr Informati-onsangebot eine möglichst hohe Informationsnutzung zu erreichen.Der Aufwand zur Erstellung des Informationsangebots wird anhandder Quantität und der Qualität der Inhalte gemessen. Der Ertragwird in Ermangelung geeigneter Maße für die tatsächliche Nutzungder Angebote über die Besuchsabsicht von Nutzern der Sites ermit-telt. Auf Grund der Messergebnisse werden Modellsites für Angebo-te unterschiedlichen Umfangs ermittelt und einige generelle Emp-fehlungen für die Gestaltung kommunaler Sites abgeleitet.

Diplom-Volkswirt Sebastian Pickerodt istWissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbe-reich Wirtschaftswis-senschaften der Philipps-UniversitätMarburg.

Univ.-Professor Dr.Paul Alpar lehrt

Allgemeine Betriebs-wirtschaftslehre und

Wirtschaftsinformatikan der Philipps-Univer-

sität Marburg.

Zur Messung von Ertrag und Aufwand kommunaler Internetauftritte

84 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 84-88

1 Andersen 2003.2 Initiative D21 2002.3 Bertelsmann Stiftung 2002.

»eEurope 2002«4 untersucht den Standvon E-Government in der EuropäischenUnion. Zusätzlich zu den fünfzehn Mit-gliedsstaaten wurden noch Island und Nor-wegen betrachtet. Der Status jedes Landeswird über den Anteil von »Basisdienstlei-stungen«, die über das Internet verfügbarsind, gekennzeichnet. Die Verfügbarkeitwird außerdem durch eine Zahl bewertet,die ausdrückt, wie weit sich der Serviceelektronisch durchführen lässt, und zwarauf einer Skala von 0 (keine Website oderkeine Informationen über Dienstleistun-gen) bis 4 (Transaktion). Es werden zwölfDienstleistungen für Bürger und acht fürFirmen betrachtet. Es wurden Websitesunterschiedlicher öffentlicher Institutionenuntersucht, aber welche es genau waren,bleibt unklar. Die Bewertung der Siteswurde nach einem vorgegebenen Schemavorgenommen, aber die Anzahl der Be-werter ist nicht angegeben. Die Studiestellt fest, dass Dienstleistungen, die zen-tral und einfach angeboten werden, am be-sten funktionieren. Daraus schließen dieAutoren, dass öffentliche Dienstleistungenkoordiniert angeboten und dass komplexeTransaktionen durch Reorganisation derProzesse vereinfacht werden sollen.

Die Studie »E-Government 2003«5 un-tersucht die Qualität von 200 online ange-botenen öffentlichen Dienstleistungen aufverschiedenen Ebenen in 22 Ländern. Siestellt die vierte Erhebung in dieser Reihedar. Auch hier wird das Angebot gezähltund bewertet, diesmal auf einer Skala von1 (Publikation) bis 3 (Transaktion). Zu-sätzlich wurde auch der Stand der Bürger-orientierung der öffentlichen Hand beur-teilt. Aus den beiden Bewertungen wurdedann die »Service-Reife« der Länder er-mittelt. Die Ergebnisse der Studie wurdendurch »Tiefeninterviews« verifiziert. Diefortgesetzte Spitzenstellung Kanadas wirdmit der kontinuierlichen Verbesserung desAngebots erklärt, die wiederum auf konti-nuierlicher Einbeziehung der Adressatenund Evaluierung durch unabhängige Kom-missionen beruht. Schließlich werde inKanada E-Government als Teil einer um-fassenden Modernisierung der öffentlichenVerwaltung verstanden.

Offensichtlich steht bisher die Beurtei-lung der Qualität öffentlicher Online-An-gebote im Vordergrund. Das ist ein wichti-ges Unterfangen, es reicht aber unter öko-nomischen Gesichtspunkten nicht aus.Auch wenn öffentliche Haushalte keineGewinnerzielung verfolgen, sollten sie ihreDienstleistungen nach ökonomischen Ge-sichtspunkten organisieren. Dennoch man-gelt es an Untersuchungen der Wirtschaft-lichkeit von E-Government.6 Eines derZiele von E-Government ist sicherlich

auch die Erhöhung von Effizienz, die dannzu Kosteneinsparungen sowohl bei Kör-perschaften als auch bei Nutzern dieserAngebote führt. Insbesondere in Zeitenknapper Mittel ist es dann von Interesse,welche Webangebote unter grundsätzli-chen ökonomischen Kriterien als erfolg-reich angesehen werden können. DieserFrage geht die vorliegende Studie nach.

Produktivität als Erfolgskriterium

Die Wirtschaftlichkeit ökonomischer Pro-zesse kann anhand verschiedener Kennzah-len gemessen werden. PrivatwirtschaftlicheUnternehmungen interessiert am meistendie Profitabilität. Da öffentliche Organisa-tionen für viele ihrer Dienste und Aufgabenkeine Preise erheben, bietet sich in diesemFall eher die Produktivität an. Produktivitätstellt das Verhältnis zwischen der Ausbrin-gung eines Produktions- oder Dienstlei-stungsprozesses und den dafür eingesetztenRessourcen dar. Ein solcher Prozess kannals um so erfolgreicher angesehen werden,je höher dieses Verhältnis ist. Wenn meh-rere Outputs oder Inputs in einen Prozessinvolviert sind, stellt sich die Frage nachder Gewichtung dieser Größen, bevor dasVerhältnis gebildet wird. Bei Vorliegenvon Preisen für Inputs und Outputs bietetes sich an, diese als Gewichte zu verwen-den. Wenn Preise aber nicht bekannt sindoder Dienstleistungen betrachtet werden,bei denen es für bestimmte Inputs oder Ou-tputs keine Preise gibt (zum Beispiel in derBildung oder im Gesundheitsdienst), mussanders verfahren werden. Für solche Situa-tionen ist die Data Envelopment Analysis(DEA) entwickelt worden.7

Bei der DEA werden die Gewichte derInputs und Outputs mit Hilfe linearer Opti-

mierung so ermittelt, dass jede beobachteteEinheit im Vergleich zu anderen Einheitenmöglichst gut steht. Durch dieses Verfah-ren werden alle Einheiten von einer Pro-duktionsgrenze umhüllt (daher die Be-zeichnung Envelopment). Einheiten aufder Produktionsgrenze werden als effizientbezeichnet, während die Einheiten unterder Grenze als ineffizient angesehen wer-den. Der Abstand der ineffizienten Einhei-ten zu dieser Grenze gibt den Grad ihrerIneffizienz an. Die Effizienz beträgt für ef-fizient produzierende Einheiten genau 1(oder 100 Prozent). Wenn das Ziel darinbesteht, mit gegebenen Inputmengen mög-lichst viel Output zu generieren (so ge-nannte Outputorientierung), dann liegendie Werte der ineffizienten Einheiten über1. Ein Wert von 1,07 bedeutet zum Bei-spiel, dass diese Einheit mit von ihr ver-brauchten Inputmengen sieben Prozentmehr Output herstellen müsste, um effizi-ent zu werden. Das Verfahren ermittelt fürdie ineffizienten Einheiten diejenigen effi-zienten Einheiten, die eine ähnliche Input-Output-Konfiguration aufweisen und des-wegen als ihre Referenzeinheiten gelten.

Messung von Inputs und Outputs

Im Fall von Websites stellt sich die Frage,was ihre Inputs und was ihre Outputs sind.Alpar et al.8 sind dieser Frage im Fall vonMediensites nachgegangen. Wir postulie-ren, dass eine Website mit ihrem Informa-tionsangebot (Input) eine möglichst hohe

Paul Alpar und Sebastian Pickerodt, Eine ökonomische Bewertung von Websites deutscher Großstädte

VM 2/2004 85

4 CGEY 2002.5 Accenture 2003.6 Wolf und Krcmar 2003.7 Charnes et al. 1978.8 Alpar et al. 2001.

Tabelle 1: Aktuelle Studien zu E-Government

Informationsnutzung (Output) erreichenmöchte. Der Aufwand zur Generierung desInputs spiegelt sich in der Quantität undQualität des Angebots wieder, die also zumessen sind. Die Quantität des Angebotsmessen wir mit Hilfe eines Webcrawlers,der jede Site besucht und die Webinhalteals Informationseinheiten zählt. Dazugehören statische HTML-Seiten (die beijedem Aufruf den gleichen Inhalt präsen-tieren), dynamische Seiten (die bei jederAnfrage aktuell zusammengestellt wer-

den), Grafiken, Bilder, PDF und ähnlicheDokumente.

Die Qualität einer Website ist eine sub-jektive Eigenschaft, die durch Befragungihrer Benutzer ermittelt werden kann. Zudiesem Zweck haben wir ein erprobtes In-strument aus der Literatur9 leicht angepasst.

Zusätzlich zu den einzelnen Items wur-den die Bewerter auch nach ihrem Gesamt-eindruck befragt. Die Korrelation zwischendiesem Wert und dem Mittelwert der Itemsbeträgt 0,92 und ist signifikant mit p<0,01.

Die Faktorenanalyse führt zu einer Lösungmit zwei Faktoren (das Originalinstrumentlädt auf vier Faktoren), die als Benutzer-freundlichkeit und Aussehen umschriebenwerden können. Das Modell erklärt 63,5Prozent der Varianz. Die Prüfung der Zu-verlässigkeit des Instruments ergibt ein ho-hes Cronbach-α von 0,83.

Als Output sollte die Informationsnut-zung betrachtet werden. Diese könntedurch die Besuchsintensität approximiertwerden. Die Besuchsintensität einer Web-site lässt sich auf verschiedene Weisenmessen. Die Interessengemeinschaft zurVerbreitung von Werbeträgern (ivw) misstund veröffentlicht die monatlichen Sicht-kontakte mit Seiten einer Website (so ge-nannte Page Impressions) und die monatli-che Anzahl zusammenhängender Besucheeiner Website (so genannte Visits). DasVerfahren basiert auf einer Auswertungvon Daten eines Logservers. An dem ko-stenpflichtigen Verfahren nahmen jedochzum Messzeitpunkt, Juni-Juli 2003, nurzwei Großstädte teil: Berlin und Köln.

Einige Marktforschungsinstitute instal-lieren auf den Rechnern eines Panels vonInternetbenutzern Programme, die ihr ge-samtes Surfverhalten aufzeichnen. Auf Ba-sis dieser Stichprobe wird dann zum Bei-spiel die monatliche Anzahl unterschiedli-cher Besucher einer Website (so genannteUnique Visitors) hochgerechnet. Diese Da-ten sind nicht frei verfügbar. Außerdementhalten auch sie nur einige der größtenStädte, da die meisten Städte nur eineReichweite von unter einem Prozent errei-chen, was bei der verwendeten Stichpro-bengröße keine zuverlässige Hochrech-nung auf die Anteile an der Grundgesamt-heit der Internetbenutzer zulässt. Ausdiesen Gründen liegt uns kein objektivesMaß für die Besuchsintensität der Websi-tes deutscher Großstädte vor. Deswegenhaben wir ein Surrogat entwickelt: die(subjektive) Besuchsabsicht. Diese wurdenach dem Besuch der Sites mit dem fol-genden Instrument ermittelt.

Die Faktorenanalyse ergab, dass alleItems mit einem Gewicht von mehr als 0,5auf dem gleichen Faktor laden. Mit einemCronbach-α von 0,68 weist das Instrumentnoch eine akzeptable Zuverlässigkeit auf.Das letzte Item weist den kleinsten La-dungsfaktor auf. Ohne dieses Item lässtsich die erklärte Varianz von 52,4 Prozentauf 63,6 Prozent steigern. Da sich die be-rechneten Effizienzen im Gesamtmodelldadurch nur unwesentlich ändern, wurdedieses Item nicht herausgenommen.

Zur Messung von Ertrag und Aufwand kommunaler Internetauftritte

86

9 Yoo und Donthu 2001.

Bild 1: Instrument zur Messung der Qualität einer Website

Bild 2: Instrument zur Messung der Besuchsabsicht einer städtischen Website

Tabelle 2: Aufgaben für Bewerter städtischer Websites in dieser Studie

Damit sich die Bewerter eingehend mitder zu bewertenden Site beschäftigen undin ihre »Tiefe« eindringen, wurden ihnendie in Tabelle 2 dargestellten Aufgabenauferlegt. Die Aufgaben wurden außerdemso gestellt, dass verschiedene Bereiche,Verwaltung und Politik, Privates und Ge-schäftliches, abgedeckt wurden. Um dieMotivation der Bewerter zu erhöhen, wur-de ein Preis für die beste Lösung ausge-lobt.

Tabelle 3 stellt einen methodischenVergleich dieser Studie mit der Studie E-Town 2002, in der ebenfalls die Websitesdeutscher Großstädte untersucht wurden.Hier wurde die Grenze bei einer höherenEinwohnerzahl (als Kennzeichen für Stadt-größe) gewählt, damit mehr Bewertungenpro Stadt realisiert werden können. Einehöhere Anzahl der Bewertungen pro Siteverleiht den Messungen mehr Zuverlässig-keit. In E-Town 2002 untersuchten die ein-zelnen Bewerter zwar die Sites viel gründ-licher, doch es ist eher untypisch, dass sichein Webbesucher so lange auf einer Web-site aufhält. Die Städtesites dürfen nichtnur auf erfahrene Internetnutzer ausgerich-tet sein, sondern auch auf neue und gele-gentliche Besucher. Eine hohe Anzahl vonBewertungen durch einen Bewerter ist be-denklich, da sich nach einigen Bewertun-gen wahrscheinlich Lerneffekte einstellen,so dass die Bedingungen, unter denen dieSites untersucht werden, nicht mehr diegleichen sind. Aus diesem Grund solltenauch die Zuordnung der Sites zu den Be-wertern und die Reihenfolge der Bewer-tungen randomisiert werden, wie es in die-ser Studie geschehen ist.

Ergebnisse und ihre Interpretation

In Tabelle 4 sind die Ergebnisse der Effizi-enzberechnungen wiedergegeben. Die Zei-len sind nach der Größe der Stadt nachEinwohnerzahl sortiert. Die Produktivitätist auf eine Stelle hinter dem Komma ge-rundet. In der Spalte »Ref (#)« steht, wieoft eine effiziente Einheit als Referenz fürineffiziente Einheiten dient. Für sechs der37 Sites konnte der Webcrawler auf Grundtechnischer Schwierigkeiten keine dieQuantität des Informationsangebots reprä-sentierenden Inputs ermitteln.

Die bekundete Besuchsabsicht derWebsites korreliert nicht mit der Einwoh-nerzahl der Städte. Die eventuelle Vermu-tung, dass die Anziehungskraft der größtenStädte die Besuchsabsicht ihrer Websitesstark beeinflusst, lässt sich also nicht be-stätigen. Erwartungsgemäß besteht zwi-schen der Besuchsabsicht und Produkti-vität eine signifikante negative Korrelation

(-0,584 mit p<0,01). Alle Sites, deren Pro-duktivität einhundert Prozent beträgt, pro-duzieren effizient. Von besonderem Inter-esse sind diejenigen Einheiten, die oft imReferenzset ineffizienter Einheiten er-scheinen. Diese Einheiten können als Mo-delleinheiten bezeichnet werden, da vieleineffiziente Einheiten eine ähnliche Input-Output-Konfiguration besitzen und deswe-

gen durch Nachahmung der Modelleinhei-ten relativ leicht effizient werden könnten.

Es fällt auf, dass unter den zwanziggrößten Städten nur Essen eine effizienteWebsite betreibt. Die Großstädte scheinendem Drang zu erliegen, möglichst viele In-formationen anzubieten, was von den Be-suchern aber kaum honoriert undwahrscheinlich nicht gefordert wird. Kre-

Paul Alpar und Sebastian Pickerodt, Eine ökonomische Bewertung von Websites deutscher Großstädte

VM 2/2004 87

Tabelle 3: Vergleich von Studien zu städtischen Websites

Tabelle 4: Produktivität der Websites deutscher Großstädte über 200.000 Einwohner

feld kann als Modell für kleinere Sites die-nen.

Es ist kein »glitzerndes« Angebot, aberAufwand und Ertrag scheinen im richtigenVerhältnis zuliegen. Braunschweig istnach Einwohnerzahl zwar fast gleich großwie Krefeld, hat aber ein viel größeres In-formationsangebot. Der Zugang zu Braun-schweigs Angebot wird durch umfangrei-che Menüs sehr erleichtert, so dass sichinsgesamt eine gute Effizienz ergibt unddie Site als Modell für mittelgroße Sitesdienen kann. Ein Beispiel für ein enttäu-schendes Ergebnis einer de größeren Städ-te stellt die Site von Köln dar, die von ei-nem Drittanbieter im Auftrag betriebenwird. Ein Grund dafür könnten die etwasaufdringliche kommerzielle Werbung unddas oft sehr unruhig erscheinende Bild sein(zum Beispiel ein Auto, das im Hinter-grund über die Seite fährt.)

Generell kann festgestellt werden, dassdurch das Fehlen eines gemeinsamen Na-vigationsmusters die Nutzung der Sites er-schwert wird. Beim Besuch fast jeder neu-en Site muss sich der Besucher an eineneue Navigation und ein neues Design ge-wöhnen.

Ein Vergleich mit der Studie E-Town2002 ist nur bedingt möglich. Die unter-suchten Sites sind dort nach ihren Punktenin drei Gruppen eingeteilt, ohne die genau-en Punkte und eine genauere Rangfolge zuoffenbaren. Für die Teilgebiete E-Admini-stration, E-Democracy und Nutzerfreund-lichkeit sind je drei erste Plätze vergebenworden. Von den Websites, die in dieserStudie als effizient ermittelt wurden, fin-den sich dort Essen (Platz 1 bei E-Admini-stration), Wiesbaden (Platz 3 bei E-De-mocracy) und Magdeburg (Platz 1 bei Nut-zerfreundlichkeit) wieder. Braunschweigund Halle finden sich insgesamt in derobersten der drei Gruppen. Interessant ist,dass die effiziente und oft als Modell die-nende Site von Krefeld insgesamt nur imMittelfeld gelandet ist. Das ist jedoch plau-sibel, wenn man sich an die Bewertungs-kriterien der beiden Studien erinnert. E-Town 2002 bewertet, vereinfacht ausge-drückt, nur die Leistungsfähigkeit derSites, während hier die Leistungsfähigkeitin Bezug zum Aufwand gesetzt wird. EineSite mit begrenzter Leistungsfähigkeitkann also unter ökonomischen Gesichts-punkten durchaus sinnvoll sein.

Ausblick

Die Analyse ließe sich zuerst dadurch ver-bessern, dass statt der Besuchsabsichttatsächliche Besuchszahlen verwendetwerden. Dazu reicht es allerdings nicht

aus, die Betreiber der Sites nach Page Im-pressions, Visits oder Unique Visitors zubefragen, solange nicht alle befragten Sitesdiese Zahlen nach dem gleichen Prinziperheben. Ebenso wäre es gut, die Webbe-nutzer danach unterscheiden zu können, obsie in der Stadt der besuchten Websitewohnen oder nicht, denn die Interessen derEinwohner unterscheiden sich in vielen Si-tuationen von denen der (potenziellen) Be-sucher der Stadt. Ohne eine Identifizierungder Benutzer bei jedem Besuch der Websi-te lässt sich so etwas durch ein »Tor« er-reichen, an dem die Besucher unterschied-liche Wege, je nach Wohnort, einschlagen.Das wäre zwar keine so exakte Erhebungwie bei einer Besucheridentifikation, aberbei einer »gut« besuchten Site ausreichendgenau. Ein solcher Aufbau der Homepagewürde den Einstieg in das Angebot oh-nehin für alle Besucher erleichtern.

Literatur

(Accenture 2003) Accenture, E-Government2003, 2003; www.accenture.de.

(Alpar et al. 2001) Alpar, P., Porembski, M.,Pickerodt, S., Measuring the Efficiency of WebSite Traffic Generation, in: International Jour-nal of Electronic Commerce, Vol. 6, Nr. 1, Fall2001, 53-74.

(Andersen 2003) Andersen eGovernment-Fo-rum, www.onlinekommunen-bw.de/arthuran/egovernment/egovernment.htm, Abruf: 23. Juni2003.

(Bertelsmann Stiftung 2002) Bertelsmann Stif-tung, Balanced E-Government, 2002, www.be-gix.de.

(CGEY 2002) Cap Gemini Ernst & Young,eEurope 2002 – Web-based Survey on Electro-nic Public Services, 2002, www.europa.eu.int.

(Charnes et al. 1978) Charnes, A., Cooper,W.W., Rhodes, E.: Measuring the Efficiency ofDecision Making Units, European Journal ofOperational Research, 2 (1978), 429-444.

(Initiative D21 2002) Initiative D21, E-Town2002 – Deutschlands digitale Hauptstädte, 2002,www.initiatived21.org.

(Wolf und Krcmar 2003) Wolf, P. und Krcmar,H., Wirtschaftlichkeit von elektronischen Bür-gerservices – eine Bestandsaufnahme 2003, inUhr, W., Esswein, W., Schoop, E.: WI 2003,Band 1, Physica Verlag, Heidelberg, 2003, S.917-936.

(Yoo und Donthu 2001) Yoo, B. Donthu, N.,Developing a Scale to Measure the PerceivedQuality of Internet Shopping Sites (SITE-QUAL), Quarterly Journal of Electronic Com-merce, V 2 (1), 2001, 31-47.

Zur Messung von Ertrag und Aufwand kommunaler Internetauftritte

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Emissionshandel imGemeinschaftsrechtDie Emissionshandelsrichtlinie als neuesInstrument europäischer KlimaschutzpolitikVon Yvonne Kerth2004, 356 S., brosch., ca. 74,– €ISBN 3-8329-0709-2(IUS EUROPAEUM, Bd. 29)

Die am 25.10.2003 in Kraft getreteneEmissionshandelsrichtlinie (EH-RL)2003/87/EG soll als ökonomisches Um-weltschutzinstrument einen wesent-lichen Beitrag zur kosteneffizienten Re-duktion der Treibhausgasemissionenleisten. Diese Arbeit umreißt eingangsdie ökologischen, (rechts-)politischenund ökonomischen Aspekte der Klima-schutzproblematik. Der detailliertenDarstellung und Analyse der wich-tigsten strategischen Einzelregelun-gen der EH-RL folgt die Prüfung derVereinbarkeit der EH-RL mit demGemeinschaftsprimärrecht. Des Wei-teren stehen die Koordinierung derEH-RL mit dem Gemeinschaftssekundär-recht, Rechtsschutzfragen sowie dasVerhältnis der EH-RL zum Kyoto-Protokoll und zum WTO-Recht imBlickpunkt.

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Grundkonzeption der BalancedScorecard

Die Balanced Scorecard soll eine an derStrategie orientierte Unternehmenssteue-rung unterstützen, indem die Unterneh-mensleistung mit Hilfe von gegenwarts-und zukunftsorientierten Kennzahlen ausverschiedenen Perspektiven beleuchtetwird. In der Grundkonzeption werden vier

Perspektiven verwandt (Bild 1): die finan-zielle Perspektive, die Kundenperspektive,die interne Prozessperspektive sowie diePotenzialperspektive.2 Zur Festlegung derKennzahlen innerhalb der Perspektivensind – ausgehend von der Unternehmens-bzw. Geschäftseinheitsstrategie – strategi-sche Ziele zu formulieren, welche anhandvon entsprechenden Leitfragen für die ein-zelnen Perspektiven aus der Strategie ab-geleitet werden (vgl. ebenfalls Bild 1).Diese strategischen Ziele sind anschlie-ßend in Kennzahlen zu überführen unddurch Vorgabewerte zu konkretisieren, umeinen Soll-Ist-Vergleich bezüglich der Er-reichung der strategischen Ziele zu ermög-lichen. Letztlich sind Maßnahmen festzu-legen, durch welche die Realisierung derVorgabewerte und damit der strategischenZiele gefördert werden soll. Diese Maß-nahmen sind einschließlich der Verant-wortlichkeiten für ihre Durchführung inder Balanced Scorecard aufzuführen.

Diese Grundkonzeption liefert einenleeren Rahmen für eine Balanced Score-card. Er ist unternehmensindividuell mitZielen, Kennzahlen, Vorgabewerten fürdie Kennzahlen sowie Maßnahmen auszu-gestalten. Grundlage der Ausgestaltungmuss die jeweilige Unternehmens- bzw.Geschäftsbereichsstrategie sein, wobeinach Ansicht von Kaplan/Norton stets drei

Grundprinzipien zu beachten sind:3 dieBerücksichtigung von Ursache-Wirkungs-beziehungen, die Verknüpfung mit der fi-nanziellen Perspektive sowie die Berück-sichtigung von Ergebnis- und Leistungs-treiberkennzahlen. Diese Prinzipien seienkurz erläutert.

In einer Balanced Scorecard soll sichdie Strategie des Unternehmens bzw. derstrategischen Geschäftseinheit widerspie-geln, die ihrerseits zur Realisierung desobersten Unternehmenszieles dient. Folg-lich müssen in die Entwicklung einer Ba-lanced Scorecard Annahmen über die kriti-schen Einflussfaktoren zur Erreichung desobersten Unternehmenszieles einfließen,die sich in Form von Ursache-Wirkungs-beziehungen – genauer von vermutetenUrsache-Wirkungsbeziehungen4 – darstel-len lassen. Die allgemeine (vermutete) Ur-sache-Wirkungsbeziehung hinter den vierPerspektiven der Grundkonzeption der Ba-lanced Scorecard lässt sich folgender-maßen beschreiben:5 Die Fähigkeiten unddas Wissen der Mitarbeiter sowie die tech-nischen Systeme der Unternehmung (Po-tenzialperspektive) wirken auf die Prozess-abläufe und somit auf die Prozessqualitätund die Prozesszeit der unternehmensinter-nen Abläufe (interne Prozessperspektive).Die Prozessabläufe wiederum bestimmendie Qualität der Unternehmensleistung fürden Kunden und somit die Kundenzufrie-denheit (Kundenperspektive). Letztere hatüber die Kundentreue Einfluss auf das fi-nanzielle Ergebnis (finanzielle Perspekti-ve) der Unternehmung. Diese allgemeine(vermutete) Ursache-Wirkungsbeziehung

Balanced Scorecard und öffentliche Unternehmen*

von Gebhard Zimmermann† und Thorsten Jöhnk

Die Balanced Scorecard findet als Instrument zur strategischen Un-ternehmenssteuerung hohe Aufmerksamkeit in der Anwendungs-praxis. Auch bei öffentlichen Unternehmen wird ihr Einsatz zurzeitvermehrt in Betracht gezogen. Die dahinterstehende stärkere stra-tegische Fokussierung dieser Unternehmen ist grundsätzlich positivzu beurteilen. Gleichwohl ist die unreflektierte Übernahme derGrundkonzeption der Balanced Scorecard durch öffentliche Unter-nehmen durchaus kritisch zu beurteilen.1 Die Kritik beruht auf derTatsache, dass die Balanced Scorecard ursprünglich für rein er-werbswirtschaftliche Unternehmen entwickelt worden ist; eine sol-che Ausrichtung ist jedoch für öffentliche Unternehmen auf Grundhaushaltsrechtlicher Vorschriften ausgeschlossen. Deshalb wird imFolgenden untersucht, in welcher Weise die Balanced Scorecardsachgerecht in öffentlichen Unternehmen eingesetzt werden kann.

Dr. Thorsten Jöhnk istWissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschafts-lehre: Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre der UniversitätOldenburg.

Univ.-Professor Dr.Gebhard Zimmermann†lehrte Finanzwirtschaftund Bankbetriebslehre

an der Universität Oldenburg.

Plädoyer für einen reflektierten Einsatz strategischer Controllinginstrumente in öffentlichen Unternehmungen

Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 89-91

89

* Gebhard Zimmermann, ein prominenter Ver-fechter der Ökonomisierung öffentlichen Han-delns, verstarb während der Redaktionsarbei-ten an der vorliegenden Veröffentlichung.

1 Eine Literaturanalyse und -kritik zur Über-tragbarkeit der Balanced Sorecard auf ein zu-kunftsgerichtetes Personalmanagement der öf-fentlichen Verwaltung findet sich bei König/Rehling 2002.

2 Vgl. zur Grundkonzeption der BalancedScorecard Kaplan/Norton 1997, S. 23ff.; Zim-mermann/Jöhnk 2001, S. 518ff. sowie Jöhnk/Zimmermann 2002, S. 14 ff.

3 Vgl. Kaplan, Norton 1997, S. 143 ff. 4 Vgl. auch Zimmermann, Jöhnk 2001, S. 520 f. 5 Vgl. Kaplan, Norton 1997, S. 28 f.

hinter den vier Perspektiven der BalancedScorecard ist bei ihrer Erstellung unterneh-mensindividuell zu konkretisieren und zuergänzen, um als Grundlage für die strate-gischen Ziele sowie für die Kennzahlenverwendet zu werden.6

Das zweite Grundprinzip der Erstellungeiner Balanced Scorecard – die Verknüp-fung mit den Finanzen – wird bei Betrach-tung der vorstehend dargestellten (vermu-teten) Ursache-Wirkungsbeziehung zwi-schen den einzelnen Perspektiven derGrundkonzeption deutlich. Bei dieser (ver-muteten) Ursache-Wirkungsbeziehung sinddie einzelnen Perspektiven nicht gleichran-gig, sondern die finanzielle Perspektivebildet den Endpunkt der (vermuteten) Ur-sache-Wirkungsbeziehung. Sie nimmt denersten Rang unter den vier Perspektivenein,7 das heißt sie dient als Fokus für dieanderen Perspektiven. Hinter dieser Fokus-

sierung auf die finanzielle Perspektivesteht die Überlegung, dass im Allgemeinender langfristige finanzielle Erfolg das ober-ste Unternehmensziel ist. Auf Grund die-ser Fokussierung auf die finanzielle Per-spektive wird in der Balanced Scorecardhäufig ein Instrument zum Managementdes Shareholder Value gesehen.8

Das dritte Grundprinzip der BalancedScorecard – die Berücksichtigung von Er-gebnis- und Leistungstreiberkennzahlen –lässt sich damit begründen, dass die Balan-ced Scorecard eine an der Unternehmens-bzw. Geschäftsbereichsstrategie ausgerich-tete Unternehmensführung unterstützensoll. Deshalb muss die Balanced Scorecardmöglichst frühzeitig Informationen dar-über liefern, ob sich die Unternehmung aufdem »richtigen Weg« bezüglich der Steue-rung der kritischen Einflussfaktoren deslangfristigen Unternehmenserfolges und

bezüglich der Strategieimplementierungbefindet. Zu diesem Zweck wird die Un-terscheidung in zwei Kennzahlenarten vor-genommen, welche eine Balanced Score-card enthalten soll. Ergebniskennzahlendienen zur Messung der vergangenen undgegenwärtigen Leistungen bei den kriti-schen Einflussfaktoren des langfristigen fi-nanziellen Erfolges, wie etwa bei der Kun-denzufriedenheit. In den Leistungstreiber-kennzahlen sollen sich die strategischenÜberlegungen zur Beeinflussung der Er-gebniskennzahlen niederschlagen; bei-spielweise wie eine hohe Kundenzufrie-denheit erreicht werden soll. Die Lei-stungstreiberkennzahlen liefern somitSteuerungsinformationen bezüglich derkritischen Einflussfaktoren und fungierenzugleich als Frühindikatoren für denzukünftigen Erfolg.

Einsatz der Balanced Scorecardfür öffentliche Unternehmen

Betrachtet man die Balanced Scorecardvor dem Hintergrund der Spezifika öffent-licher Unternehmen, so erscheint insbeson-dere die Fokussierung auf den langfristi-gen finanziellen Erfolg als oberstes Unter-nehmensziel (zweites Grundprinzip)problematisch. Denn »wirtschaftliche Ak-tivitäten des Bundes, der Länder und derKommunen und damit ihrer öffentlichenUnternehmen setzen stets das Vorliegeneines öffentlichen Zwecks voraus. Aus-schließlich erwerbswirtschaftlich ausge-richtete öffentliche Unternehmen sindnicht zulässig.«9 Damit ist der leere Rah-men der Grundkonzeption der BalancedScorecard mit der Fokussierung auf den fi-nanziellen Erfolg für öffentliche Unterneh-men häufig nicht unmittelbar anwendbar.

In diesem Sinne äußern sich auch Kaplan/Norton: »Most nonprofits and go-vernment organizations had difficulty withthe original architecture of the BalancedScorecard, where the financial perspectivewas placed at the top of the hierarchy. Gi-ven that achieving financial success is notthe primary objective for most of these or-ganizations, the architecture can be rear-ranged to place customers or constituentsat the top of the hierarchy.«11

Es ist deshalb zu klären, ob bzw. durchwelche Modifikationen die Anwendung

Plädoyer für einen reflektierten Einsatz strategischer Controllinginstrumente in öffentlichen Unternehmungen

90

6 Vgl. auch Jöhnk, Zimmermann 2002, S. 93 ff.7 Vgl. Horváth 1998, S. 23. 8 Vgl. Horváth, Kaufmann 1998, S. 39ff.9 Zimmermann, Jöhnk 1999, S. 1053. Vgl. dar-

über hinaus die dort genannte Literatur. 10 In Anlehnung an Kaplan, Norton 2000, S. 139 f.11 Kaplan, Norton 2000, S. 134.

Bild 1: Grundkonzept der Balanced Scorecard

Bild 2: Modifizierte Konzeption der Balanced Scorecard I10

der Balanced Scorecard in öffentlichenUnternehmen sachgerecht möglich ist. ImFolgenden werden zwei Modifikationendargestellt.

Kaplan/Norton schlagen zur Berücksich-tigung der Spezifika öffentlicher Institutio-nen vor, die Kundenperspektive als Fokusfür die übrigen Perspektiven zu verwenden– also auch die finanzielle Perspektive derKundenperspektive unterzuordnen.12 Deröffentliche Auftrag wird bei dieser Modifi-kation in der Kundenperspektive angesie-delt. Um diese Ausrichtung am öffentlichenAuftrag gegebenenfalls noch stärker zu be-tonen, sollte man die oberste Perspektivestatt als Kundenperspektive als Perspektivedes öffentlichen Auftrages bezeichnen. So-mit erhält man die in Bild 2 dargestellteKonzeption der Balanced Scorecard.

Indes: Diese Modifikation der BalancedScorecard zur Berücksichtigung des öf-fentlichen Auftrages birgt jedoch die Ge-fahr der Vernachlässigung der finanziellenZielsetzungen öffentlicher Unternehmen.Gerade angesichts der Haushaltslage deröffentlichen Hand, müssen auch die häufigdefizitären öffentlichen Unternehmen ei-nen Beitrag zur Haushaltskonsolidierungleisten. Deshalb werden in neuen Steue-rungsansätzen den öffentlichen Unterneh-men sowohl Leistungsziele, in denen sichihr öffentlicher Auftrag niederschlägt, alsauch finanzielle Ziele gleichrangig vorge-geben.13 Um die Notwendigkeit der gleich-zeitigen Realisierung von Leistungszielenund finanziellen Zielen in der BalancedScorecard eines öffentlichen Unterneh-mens zum Ausdruck zu bringen, sind diebeiden entsprechenden Perspektiven ge-meinsam als Zielpunkte zu verwenden.14

In einer solchen Konzeption der BalancedScorecard, wie sie in Bild 3 dargestellt ist,kommt das Spannungsverhältnis zwischender Notwendigkeit der Einhaltung der fi-nanziellen Restriktionen und der Erfüllungeines öffentlichen Auftrages klar zum Aus-druck. Auch müssen die Vertreter der öf-fentlichen Hand als Eigentümer der öffent-lichen Unternehmen bei dieser Modifikati-on der Balanced Scorecard bei denZielvereinbarungsgesprächen klare Aussa-gen dazu treffen, wie sich ihre Unterneh-men im Spannungsverhältnis zwischen denVerpflichtung zur Erfüllung eines öffentli-chen Auftrages und der Beachtung finanzi-eller Restriktionen verhalten sollen.

Schlussbetrachtung

Nach den bisherigen Erfahrungen der An-wendungspraxis stellt die Balanced Score-card ein sinnvolles Instrument zur strategi-schen Ausrichtung von Unternehmen

dar.16 Angesichts der Notwendigkeit einerklaren strategischen Ausrichtung solltenauch öffentliche Unternehmen ihren Ein-satz in Betracht ziehen. Zu warnen ist je-doch vor einer unreflektierten Übernahmeder Grundkonzeption der Balanced Score-card, da sich in dieser die spezifischen Un-ternehmenszielsetzungen öffentlicher Un-ternehmen gegebenenfalls nicht adäquatabbilden lassen. Eine Modifikation derGrundkonzeption in einer der dargestelltenFormen ist bei der Erstellung der BalancedScorecard für ein öffentliches Unterneh-men in Betracht zu ziehen. Eine endgültigeFestlegung der notwendigen Perspektivenist jedoch erst im Laufe der individuellenAusgestaltung einer Balanced Scorecardmöglich. Der Prozess der individuellenAusgestaltung sollte mittels eines entspre-chenden Ablaufschemas jedoch struktu-riert gestaltet werden.17

Literatur

(Horváth 1998) Peter Horváth, Balanced Score-card: Wie Sie Strategien erfolgreich umsetzen,in: Gablers Magazin 4/1998, S. 22-25.

(Horváth, Kaufmann 1998) Peter Horváth, LutzKaufmann, Balanced Scorecard – ein Werkzeugzur Umsetzung von Strategien, in: Harvard Bu-siness Manager 5/1998, S. 39-48.

(Jöhnk, Mitschke, Uhlen 2002) Thorsten Jöhnk,Frank Mitschke, Wolfgang Uhlen, Modell zurSteuerung und Kontrolle kommunaler Beteili-gungen, Bremen, 2002.

(Jöhnk, Zimmermann 2002) Thorsten Jöhnk,Gebhard Zimmermann, Balanced Scorecard inöffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, unverän-derter Nachdruck, Stuttgart, 2002.

(Kaplan, Norton 1997) Robert S. Kaplan, DavidP. Norton, Balanced Scorecard, Stuttgart, 1997.

(Kaplan, Norton 2000) Robert S. Kaplan, DavidP., The Strategy-focused Organization – HowBalanced Scorecard companies thrive in thenew Business Enviroment, Boston, 2000.

(König, Rehling 2002) Susanne König, MetteRehling, Zur Übertragbarkeit der BalancedScorecard auf ein zukunftsgerichtetes Perso-nalmanagement der öffentlichen Verwaltung,in: PerMit-Diskussionspapier Nr. 01-02 (http://www.uni-oldenburg.de/orgpers/permit.html), Ol-denburg, 2002.

(Zimmermann, Jöhnk 1999) Gebhard Zimmer-mann, Thorsten Jöhnk, Probleme der Bestim-mung der Eigenkapitalkosten öffentlicher Un-ternehmen: Kritische Anmerkungen zurEntscheidung der EU-Kommission im Fall derWestLB aus Sicht der Investitions- und Finan-zierungstheorie, in: ZfgK 19/1999, S. 1052-1054.

(Zimmermann, Jöhnk 2000a) Gebhard Zimmer-mann, Thorsten Jöhnk, Die Balanced Scorecard– ein Instrument zur Steuerung öffentlich-recht-licher Kreditinstitute?, in: Budäus,Dietrich/Küpper, Willi/Streiferdt, Lothar(Hrsg.), Neues öffentliches Rechnungswesen –Stand und Perspektiven, Wiesbaden, 2000, S.629-652.

(Zimmermann, Jöhnk 2000b) Gebhard Zimmer-mann, Thorsten Jöhnk, Erfahrungen der Unter-nehmenspraxis mit der Balanced Scorecard –ein empirisches Schlaglicht, in: Controlling12/2000, S. 601-606.

(Zimmermann, Jöhnk 2001) Gebhard Zimmer-mann, Thorsten Jöhnk, Die Balanced Scorecardals Performance Measurement System, in.WISU 4/2001, S. 516-52.

Gebhard Zimmermann† und Thorsten Jöhnk, Balanced Scorecard und öffentliche Unternehmen

VM 2/2004 91

12 Kaplan, Norton 2000, S. 133 ff.13 Vgl. Jöhnk, Mitschke, Uhlen 2002, S. 6 ff.14 Vgl. auch Zimmermann, Jöhnk 2000a; S. 645.15 In Anlehnung an Zimmermann ,Jöhnk 2000a,

S. 646. 16 Vgl. auch Zimmermann, Jöhnk 2000b, S. 601

ff.17 Vgl. Jöhnk, Zimmermann 2002, S. 93 ff.

Bild 3: Modifizierte Konzeption der Balanced Scorecard II15

Ursachen für Projektmisserfolgeerkennen

Soviel vorweg: Projekte stellen alle Betei-ligten vor große Herausforderungen. Ver-besserungen sollen schnellstens erarbeitetund umgesetzt werden, was oftmals zu tief-greifenden Veränderungen in der gesamtenArbeitsweise der Organisation führt. Mitar-beiter aller Abteilungen und Bereiche müs-sen mobilisiert und am besten aktiv mitein-

bezogen werden – die Devisen »Auf zuneuen Ufern« und »Fit für die Zukunft«sind jedem nur allzu gut bekannt.

Im Eiltempo werden Teams gebildet,externe Berater beauftragt, das Marktum-feld sowie die Aufbau- und Ablauforgani-sation bis ins kleinste Detail analysiert.Schnell werden so genannte »Quick Hits«(zu deutsch Sofortmaßnahmen) identifi-ziert, ein Konzept über die zukünftigeAusrichtung und Struktur der Organisationerarbeitet und der sich daraus ergebendeNutzen in Form eines Business Case bisauf den letzten Cent dokumentiert. So weitso gut, doch dann verlässt man den grünenTisch und will mit der Umsetzung begin-nen: Ist das Konzept überhaupt realisier-bar? Können die definierten Ziele in dervorgegebenen Zeit, zu den veranschlagtenKosten und mit der erforderlichen Qualitäterreicht werden? Finden die Veränderun-gen Akzeptanz bei den Mitarbeitern undwerden von diesen auch aktiv umgesetzt?... Fragen über Fragen.

Diesem Tag der Wahrheit folgen oft-mals Wochen und Monate der Ernüchte-rung und Demotivation bzw. Resignation.Ursache dafür ist, dass in vielen Fällen.� die geplanten Resultate nicht erreicht

werden� die Umsetzung an der mangelnden Ak-

zeptanz von Seiten der Mitarbeiterscheitert

� das Konzept teilweise oder sogar gänz-lich auf Grund von Realitätsferne oderunzureichendem Detaillierungsgrad nichtumsetzbar ist

� die Umsetzung auf Grund eines fehlen-den Maßnahmencontrollings inkonse-quent gehandhabt wird.

Die Folgen von eher bescheiden ausfallen-den Projektergebnissen gehen dabei weitüber die Enttäuschung der verantwortli-chen Mitarbeiter hinaus und wirken sichauch auf zukünftige Projekte aus. Das»Scheitern« von Projekten wird im Gegen-satz zu erfolgreich durchgeführten Projek-ten oftmals personalisiert und damit demProjektleiter oder dem Projektteam angela-stet – »Der Erfolg hat viele Väter, der Miss-erfolg nur einen«. Es liegt auf der Hand,dass sich unter diesen Umständen jederMitarbeiter dreimal überlegt, ob er sichfreiwillig einem Projektteam anschliessenund Veränderungen vorantreiben soll.

Hier wird eines deutlich: Konzept undVorarbeit können noch so gut sein, ent-scheidend ist die Einstellung und der Ver-änderungswille der Mitarbeiter, und zwarsowohl derjenigen, die im Projektteam dieUmsetzungsverantwortung tragen, als auchderjenigen, die die Veränderungen letzt-endlich »leben« müssen. Unsere Erfahrunghat gezeigt, dass Veränderungen gegenden Willen der Mitarbeiter nicht nachhal-tig durchsetzbar sind und zu weit größerenProblemen für die Organisationen geführthaben. Überzeugung und Integration an-stelle von Anweisungen und Anordnungensind hier die entscheidenden Erfolgsfakto-ren.

Darüberhinaus gibt es eine Vielzahl an-derer Ursachen für Projektmisserfolge, diejedoch von allen Beteiligten selbst beho-ben werden können:� Es fehlt oftmals ein organisationsspezi-

fischer Standard für die Definition vonProjekten sowie eine adäquate Projekt-organisation:Hier von »Projekt-Inflation/Projektitis«zu sprechen, ist sicherlich nicht über-trieben: In Organisationen jeder Aus-prägung haben wir des Öfteren beob-achtet, dass jede noch so kleine Aufga-be zum Projekt erklärt wird und somit

ProjektmanagementKein Buch mit sieben Siegeln

von Angela Witt-Bartsch und Harald Enz

Projektmanagement – ein Wort, das heute in aller Munde ist undmittlerweile einen festen Bestandteil in der täglichen Praxis dermeisten Unternehmungen und Verwaltungen darstellt. Es gibtkaum eine Stellenausschreibung, in der nicht explizit die Notwen-digkeit von Teamfähigkeit, aber auch von Projektmanagement-fähigkeiten und -erfahrungen gefordert wird. Fast jeder konnte si-cherlich schon einmal direkt oder indirekt Projekterfahrungensammeln: Die Spanne reicht hierbei von Anerkennung und Freudeüber das Erreichte bis hin zu Enttäuschung, Frust und Demotivati-on. Leider hat unsere Erfahrung gezeigt, dass Letzteres für eineVielzahl von Projekten gilt. Das Erkennen der Ursachen von Pro-jekt(miss)erfolgen und das Identifizieren von Verbesserungsmög-lichkeiten sind dabei der erste Schritt für erfolgreicheres Pro-jektmanagement.

Diplom-BetriebswirtHarald Enz, SeniorConsultant, Competen-ce Center Strategy Consulting, Plaut Consulting GmbH,München.

Dr. Angela Witt-Bartsch, Business UnitManager, CompetenceCenter Strategy Consul-ting, Plaut ConsultingGmbH, München.

Aus Erfahrung lernen

92 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 92-97

mehrere Projekte mit einer Vielzahl vonTeilprojekten parallel zueinanderdurchgeführt werden. Hinzu kommt,dass die vorhandenen personellen undmateriellen Ressourcen häufig ineffizi-ent eingesetzt und in zu vielen Projek-ten aufgerieben werden. Einer großenAnzahl von Projekten stehen dann vonvorneherein unterdimensionierte Mitar-beiterkapazitäten gegenüber, so dassbereits im Vorfeld bewusst Engpässeerzeugt und monatelange Mehrbela-stung von Mitarbeitern in Kauf genom-men wird. Die Folge: Mitarbeiter sindbereits nach kurzer Zeit »ausgebrannt«und können eine Aversion gegen Pro-jekte entwickeln.Nicht konsequentes Rollenverhalten und-bewusstsein der Projektbeteiligten, un-zureichende Handlungsorientierung ins-besondere zu Projektbeginn, Blockie-rung innovativer Projektarbeit mangelsklar definierter Handlungsspielräume derProjektteams, ineffektive Projektteamar-beit sowie die Unter- und Überforderungeinzelner Teammitglieder hemmen dieProduktivität der Beteiligten.

� Teilweise unzureichende Verankerungdes Projektmanagements in der Organi-sation:Ausprägungen hier sind unklare bzw.ignorierte Weisungsbefugnisse, eine un-vollständig entwickelte Projektkultur(Projektdenken), ausgelebtes Abtei-lungs- und Bereichsdenken, kein ein-heitliches Auftreten der Führungskräfte,Ellenbogenmentalität, politische Strö-mungen und Machtspiele hinter den Ku-lissen, mangelhafte Akzeptanz des Pro-jektes, unzureichende Weiterentwick-lung der Teammitglieder und bewusstunterbundener Informations- und Wis-senstransfer. Faktoren, die mehr als hin-derlich für interdisziplinäre Projektar-beit und Spaß an Veränderung und be-reichsübergreifender Zusammenarbeitsind.

� Das häufige Festlegen von nicht nach-vollziehbaren Projektzielen:Eine schlechte Planung mit unrealisti-schen Projektzielen und Terminplänen,die selbst mit einer Unmenge an Über-stunden und dem Verhängen von unan-gekündigten Urlaubssperren nicht er-reicht werden können, führt frühzeitigzur Frustration und Demotivation derTeammitglieder – die Moral sinkt inExtremfällen unter den Nullpunkt. Un-effektives Arbeiten ist programmiert,wenn man sich in einer aussichtslosenSituation befindet, in der man wederErfolg hat noch Anerkennung verspürt,und genau daran zerbrechen schließlichviele Projektteams. Es ist eine falsche

Annahme, dass Menschen unter Druckschneller denken.

� Steigende Demotivation durch man-gelnde Anerkennung:Fehlendes oder konstant negatives Feed-back geben dem Mitarbeiter schnell dasGefühl, dass – egal wie er sich auch an-strengt – seine Arbeit nichts wert ist. DieFolge ist eine Blockierhaltung, die, wennsie auf andere Projektmitglieder über-greift, die Erfolgsaussichten des Projek-tes reduziert.

� Unzureichendes Projekt-Controlling:Dies äußert sich in der mangelhaftenBewertung des Projektstatus und derunzureichenden Einflussnahme auf einProjekt, ohne dass eine notwendigeTransparenz über den Projektfortschrittder einzelnen Projekte besteht. Dabei werden Projekte oft nicht hinrei-chend von den Führungskräften unter-stützt, es kommt zu Termin- und Bud-

getüberschreitungen ohne dass diesegeahndet werden, der Status ist in Teilenschlecht bis überhaupt nicht dokumen-tiert und Termine für die Fertigstellungvon Projekten sind oftmals völlig unklar.

� Ungenügende Kommunikation der Pro-jektergebnisseEin Grund dafür ist unter anderem dieTatsache, dass es nicht möglich ist, einInput-Output-Verhältnis zu errechnen,das den Nutzen von Kommunikation inZahlen, Daten und Fakten ausdrückt. Die langfristigen Folgen für eine Organi-sation, in der aus Einfachheit und Kon-fliktscheue entscheidende Fragen zumVerhalten der Mitarbeiter, ihren Wün-schen und Zielen nur untergeordnet bzw.gar nicht berücksichtigt werden, sind je-doch nicht zu unterschätzen: Gerüchtekommen auf, es wird spekuliert, disku-tiert und eventuell auch eine andere be-rufliche Option in Erwägung gezogen –kurzum, die Produktivität leidet erheb-lich und die Demotivation steigt ins Un-ermessliche. Es ist heute eher die Regel als die Aus-nahme, über Projektarbeit zu klagen,über die damit verbundene Zusatzbela-stung zu schimpfen, über Zeitmangel zujammern und hie und da sogar die Mit-wirkung bei Projekten zu verweigern.Nur die wenigsten Organisationen setz-ten sich jedoch wirklich mit ihren Pro-

jekterfolgen und -misserfolgen ausein-ander. Und so kommt es, dass so vieleProjekte in den Organisationen nichtüber den Status von »Halbfabrikaten«hinauskommen – mit schlimmer Signal-wirkung auf die Mitarbeiter, die irgend-wann neue Projektideen der Führungnicht mehr ernstnehmen.1

Projekte erfolgreich durchführen

Sicherlich kann jeder aus eigener Erfah-rung nachvollziehen, wie mühsam es ist,eingeschliffene Verhaltensweisen abzule-gen und neue Sichtweisen und Arbeits-techniken zu erlernen.

Erfolgreiches Projektmanagement istwie ein Muskel, der auch trainiert werdenmuss, um leistungsfähig zu sein. Das Ler-nen hört auch hier nie auf, denn »Wer im-mer nur das macht, was er immer schon

getan hat, wird immer nur das erreichen,was er immer schon erreicht hat« (Bern-hard Shaw).

Projekte wurden und werden in vielenOrganisationen erfolgreich durchgeführt.Hierbei ist es sicherlich zu einfach, das»Geheim«-Rezept für erfolgreiche Projek-te auf die Zutaten: der richtige Mitarbeiterfür die richtige Aufgabe, Termineinhal-tung, Konsequenz, Qualitätssicherung,Kommunikation und Anerkennung zu be-schränken.

Die bei einem Projekt zu beachtendenFaktoren sind weitaus vielschichtiger undkönnen in Abhängigkeit von der Aufga-benstellung und organisationsspezifischenAusprägungen sehr individuell sein. ImFolgenden werden wir zeigen, wie mandurch � das Sicherstellen von projektfördernden

Rahmenbedingungen� eine rechtzeitige und adäquate Projekt-

vorbereitung � eine konsequente Projektdurchführung

sowie� ein permanentes Projekt-Controllingdie Voraussetzungen für erfolgreich durch-geführte Projekte schaffen kann.

Angela Witt-Bartsch und Harald Enz, Projektmanagement

VM 2/2004 93

»Nur die wenigsten Organisationen setzensich mit den Ursachen ihrer Projekterfolgeund -misserfolge ernsthaft auseinander.«

1 Gerhard Nagel: »Wagnis Führung«, Carl Hanser Verlag München Wien, 1999, S. 310.

Sicherstellen projektfördernder Rahmenbedingungen

Rahmenbedingungen sind allgemeine Vor-aussetzungen, die die Leitung einer Orga-nisation für jedes Projekt schaffen und er-füllen muss. Diese stehen daher nicht imdirekten Einfluss des einzelnen Projektlei-ter/Projektteams.

Integration des Projektmanagements indas Führungskonzept der Organisation

Das Projektmanagement muss organisati-onsweit als Instrumentarium anerkannt seinund praktiziert werden. Unabdingbare Vor-aussetzung dafür ist eine einheitliche Defi-nition darüber, was wann ein Projekt ist,eine der Projektgenehmigung vorangehen-de Wirtschaftlichkeitsanalyse2, eine Ein-ordnung des Projektes nach den KriterienWichtigkeit, Anlass, Typ, Größe und Inhaltsowie eine standardisierte Vorgehensweisezur Bearbeitung des Projektes.

Projektportfoliomanagement

In vielen Organisationen laufen heutemehrere Projekte und Teilprojekte unter-schiedlicher Größe, Nutzen und Dringlich-keit parallel und nicht sequenziell ab. AufGrund der begrenzten personellen und ma-teriellen Ressourcen ist daher eine Klassi-fizierung und Priorisierung der Projektezwingend, um sicherzustellen, dass dieidentifizierten Schlüsselprojekte terminge-recht und erfolgreich abgeschlossen wer-den können.

Schaffen einer Projektkultur

Gemeint ist sowohl das Entwickeln undManifestieren einer projektfreundlichenGrundstimmung als auch das Fördern einesorganisationsweiten Projektdenkens. Aus-druck dafür ist, dass alle Mitarbeiter Spaßan bereichsübergreifender Teamarbeit ha-ben sowie bereit dazu sind, Projektergeb-nisse zu akzeptieren und umzusetzen.

Schulen der Projektteammitglieder

Die zu einer erfolgreichen Projektarbeitnotwendigen Methoden- und Verhaltens-techniken müssen in Projektmanagement-,Teamentwicklungstrainings, in Moderati-

ons-, Präsentations- und Interviewtechnik-seminaren auf- und ausgebaut werden, umdie Effizienz der Projektteams weiter zuerhöhen.

Nutzen von Chancen und Risiken außerhalb des Projektes

Politische Strömungen und Machtspielezum Teil hinter den Kulissen stellen sowohlChancen als auch Gefahren für den Projek-terfolg dar. Diese frühzeitig zu erkennenund bei der Realisierung von Projekten zuberücksichtigen und zu nutzen, kann denProjekterfolg positiv beeinflussen.

Uneingeschränkte Rückendeckung derFührungskräfte

Für eine erfolgreiche Projektdurchführungund die Umsetzung teilweise auch unge-wöhnlicher Veränderungen ist die bedin-gungslose Rückendeckung durch dieFührungskräfte erforderlich. Dabei ist die

immer noch einfachste, aber wirksamsteForm der Unterstützung von Projektteamsdie Anerkennung für die geleistete Arbeit.

Rechtzeitige und adäquate Projektvorbereitung

Die langjährige Projektmanagementerfah-rung der Verfasser hat gezeigt, dass dieBeherzigung der Faustregel »lieber zu vielals zu wenig Formalismus« die Wahr-scheinlichkeit des Projekterfolgs erhöht.

Aufbau einer funktionellen Projektorganisation

Die Auswahl und Freistellung der einzel-nen Projektmitglieder für ein Projektvorha-ben sollte sowohl auf Grundlage der fachli-chen Qualifikationen als auch der persönli-chen Eignung für die Projektarbeit erfol-gen. Des Weiteren bedarf es zumstrategischen Planen und Steuern einesProjekts sowie zum Sicherstellen eines um-fassenden Informationsflusses und einervollständigen Kommunikation organisati-onsübergreifender und projektbegleitenderGremien. Hierbei bietet sich die Struktureines Lenkungsausschusses an, der vonVertretern des Topmanagements gebildetwird. Die einzelnen Projektteams haben in

regelmäßigen Abständen an diesen Aus-schuss über die verschiedenen Projekte zuberichten und können dabei von Beraternunterstützt werden. Vorteile dieser Struktursind, dass das Management einerseits lau-fend über den Projektstatus informiert wirdsowie bei Problemen rechtzeitig gegensteu-ern und andererseits durch anerkennendeMaßnahmen zur Motivation der Teams bei-tragen kann.

Projektplanung

Ein Projekt ist ein außergewöhnliches Vor-haben mit definiertem Anfang und Ab-schluss, welches durch die Merkmale� zeitliche Befristung� Einmaligkeit� Komplexität � Neuartigkeit gekennzeichnet ist und welches wegen sei-nes interdisziplinären Querschnittcharak-ters eine vorübergehende organisatorischeVeränderung und gegebenenfalls eineNeufestlegung von Aufgabenbereichen be-wirken kann.3

Dazu bedarf es einer detaillierten Pla-nung. Ausführungen zur Projektplanungfinden sich in allen Büchern zum Pro-jektmanagement. Wir wollen hier nichtnäher darauf eingehen, da unseres Erach-tens alle Methoden zur Projektplanung fürIndustrie und öffentliche Verwaltung glei-chermaßen geeignet sind.4

Die Mindestanforderungen, die an dieProjektplanung zu stellen sind, werden imkasten »Checkliste zur Projektvorberei-tung« genannt.

Schulungsmaßnahmen und Kommunikation

Projektarbeit wird auch im Bereich von öf-fentlichen Verwaltungen immer häufigerzur Umsetzung notwendiger Veränderun-gen angewendet. Bei fehlenden Erfahrun-gen können Führungskräfte nicht davonausgehen, dass alle Mitarbeiter des Pro-jektteams Grundkenntnisse in der Projekt-arbeit haben. Das Projektteam sollte daherin Schulungen auf die wichtige Aufgabevorbereitet werden, die ihm bevor steht.Inhalte solcher Schulungen können sein:

Aus Erfahrung lernen

94

2 Die gängigsten Verfahren lehnen sich hier engan diejenigen aus der Investitionsrechnung an:Erlöswert-, Pay-Back-Verfahren, Interne Zins-fussberechnungen: »Financial Management«,Eugene F. Brigham, South-Western Publisher.

3 Madauss, a.a.O., S. 12.4 Einen Einstieg in das Thema findet der Leser

etwa in Burghardt: »Projektmanagement«, 6.Auflage, Publics Corporate Publishing, Erlan-gen, 2002.

»Zu den Voraussetzungen für erfolgreicheProjekte zählt eine bedingungslose

Rückendeckung durch die Führungskräfte.«

� Grundlagen der Teamarbeit� Kommunikation im Projekt� Konfliktmanagement� Präsentations- und Moderationstechni-

ken� Projektmanagementtechniken.Wenn man die Kosten solcher Trainings-maßnahmen gegen die enorme Verbesse-rung der Projektarbeit und des dadurch op-timierten projektinternen Klimas stellt, sowird Folgendes deutlich: Kein Euro istbesser investiert als in die Verbesserungder Projektarbeit an sich. Darüber hinauskann die Organisation auch nach Beendi-gung des Projekts für zukünftige Vorhabenoder für die Linienarbeit auf das Wissendieser qualifizierten Mitarbeiter bauen.

Projektarbeit bedeutet ferner ein eherinformelles Arbeiten außerhalb der im Ta-gesgeschäft vorgegebenen Hierarchien undStrukturen. Eine gut funktionierende Pro-jektkommunikation innerhalb des Teamsist daher unabdingbar für den Projekter-folg. Hierzu gehören regelmäßige Bespre-chungen an festgesetzten Terminen ebensodazu wie das frühzeitige Ansprechen undAufzeigen von Problemen.

Konsequente Projektdurchführung

Projektstart

Nach Abschluss der Projektvorbereitungsollte das Projekt offiziell mit einer Pro-jektauftaktveranstaltung, an der alle Ver-treter sämtlicher Projektgremien beteiligtsind, »gestartet« werden. Unabdingbar istdie persönliche Anwesenheit des Projekt-sponsors, also desjenigen Mitglieds desTop-Managements, welches den Pro-jektauftrag vergibt. Nur so kann den An-wesenden glaubhaft kommuniziert werden,dass ihre Führung hinter dem Projekt steht,dieses unterstützt und seinen Erfolg will.Agendapunkte, die bei der Auftaktveran-staltung nicht fehlen sollten, sind:� Projektziele und Einordnung in die

Strategie der Organisation (Projekts-ponsor)

� Projektmeilensteine und Projektorgani-sation (Projektleitung)

� Grundregeln der Projektkommunikation(Projektleitung)

� erste Terminabsprachen der Teilprojek-te (in Gruppen).

Nach dem offiziellen Teil hat sich ein inof-fizielles »Kennenlernen« bewährt, insbe-sondere dann, wenn sich die Mitarbeiterder zukünftigen Projektteams untereinan-der noch nicht kennen oder externe Mitar-beiter involviert sind.

Sozialwissenschaftliche Erkenntnisseüber den Gruppenbildungsprozess5 ermög-lichen es, die Teamwerdung zu beschleu-

nigen. Dazu sollte den jeweiligen Gruppendie Gelegenheit gegeben werden, unter»angenehmen« Bedingungen zueinanderzu finden.

Regelmäßige Anerkennung

Mitarbeiter wollen gelobt werden, insbe-sondere für die von ihnen gezeigte Bereit-schaft, durch die Teilnahme am Projektund dem damit verbundenen besonderenEinsatz, die Organisation voran zu brin-gen. Aufgabe des Projektmanagements istes, die Leistungen der Projektteilnehmernzu würdigen und somit zu demonstrieren,dass jedes Glied in der Kette wichtig istund den Projektfortschritt/-ausgang ent-scheidend beeinflussen kann. In diesemZusammenhang hilft oft schon ein auf-munterndes Wort. Der Anerkennung inForm von zeitlichen und monetären Anrei-zen stehen die Autoren dagegen kritischgegenüber.6

Loyalität – Konsequenz in der Projektleitung

Während eines Projektes kann es immerwieder zu Konflikten darüber kommen,was der richtige Weg zur Lösung einerAufgabe ist. Diese Konflikte sind unver-meidlich und wertvoll, jedoch dürfen sieauf keinen Fall ohne die Zustimmung derProjektleitung nach Außen getragen wer-

den. Die Projektleitung ist hierbei gefor-dert, die Einhaltung dieses Loyalitätsprin-zips konsequent zu überwachen, um einemVertrauensverlust innerhalb und außerhalbdes Projektteams entgegenzuwirken. Dieswiederum verlangt nach einer starken undkonsistenten Projektleitung, die nicht da-vor zurückschreckt, bei Zuwiderhandlun-gen Sanktionen zu verhängen, um nichtden Projekterfolg zu gefährden.

Teambildungsfördernde Maßnahmen

Ein erfolgreiches Projektteam zeichnetsich aus durch aktive Zusammenarbeit, of-fenen Umgang miteinander, Aufbau vongegenseitigem Vertrauen sowie die Ent-wicklung eines Mannschaftsgefühls undeiner Teamidentität. Diese Faktoren exi-stieren selbstverständlich nicht von An-fang an, sondern werden erst im Laufe desProjekts nach Durchlauf der Gruppenbil-dungsphase von erreicht. Die Projektlei-tung kann jedoch diesen Prozess mit team-fördernden Maßnahmen beschleunigenund damit die Effektivität des Projekt-

Angela Witt-Bartsch und Harald Enz, Projektmanagement

VM 2/2004 95

5 Vgl. Francis, Young: »Mehr Erfolg imTeam«, Windmühle Verlag, Hamburg, 1996,S. 21 ff.

6 Siehe auch Wischnewski: »Modernes Pro-jektmanagement«, 7. Auflage, Vieweg, Wies-baden, 2001, S. 80 ff.

Checkliste Projektvorbereitung

� Folgende Punkte müssen vor Beginn des Projekts mit dem Auftraggeber des Projek-tes abgestimmt sein und in schriftlicher Form vorliegen:– Beschreibung des erwarteten Ergebnisses/der Projektziele– Beginn und Endtermin – Budgetrahmen– Name des Projektleiters und Namen der Mitglieder des Projekt-Lenkungsaus-

schusses– Projektnamen

� Die Projektorganisation ist schriftlich festzulegen und muss beim Projektstart publikgemacht werden. Dies gilt ebenfalls für die Rollenprofile der Mitarbeiter der einzel-nen Projektgremien. Die benötigten Freistellungen der Mitarbeiter sind schriftlich zufixieren und mit den Linienvorgesetzten und den betroffenen Mitarbeitern abzustim-men.

� Die einzelnen Teilgremien sind schlank zu halten. Es sind eher weniger als mehrMitarbeiter einzusetzen.

� Die betroffenen Team-Mitglieder müssen für ihre Aufgabe in fachlicher (durch Er-fahrungen oder Schulungen) und persönlicher Hinsicht geeignet sein. Persönlich un-geeignete Personen gehören nicht ins Team, sie können als »Berater« in geeigneterWeise eingebunden werden, ohne dem Projektteam anzugehören.

� Für die Projektplanung müssen folgende Mindeststandards vorliegen:– Schriftlicher Meilensteinplan mit Terminen und Kriterien, die das Erreichen des

jeweiligen Meilensteins kennzeichnen– Budgetplanung mit Festlegung der internen und externen Personalressourcen und

den benötigten Mitteln für Raum, Ausstattung und Materialien bezogen auf die Meilensteine und Teilprojekte

– Festlegung des Umfangs und der Art der Projektdokumentation.

teams frühzeitig steigern. Wir denken hier-bei an die Veranstaltung von Team Eventsaußerhalb der Projektarbeit, aber auch anregelmäßige Team Meetings zur Klärungvon Differenzen.

Projektmarketing als Instrument zurUmsetzungsunterstützung

Ein Projekt dient fast immer dazu, etwas zuverändern. Diese Veränderungen betreffennicht selten im erheblichen Maße organisa-torische Abläufe oder sogar die gesamteAufbauorganisation. Damit sind automa-tisch Mitarbeiter außerhalb des Projekt-teams betroffen, die mit diesen Änderun-gen nach Abschluss des Projekts lebenmüssen. Ziel des Veränderungs- oderChange Management ist die frühzeitigeVorbereitung der betroffenen Mitarbeiterauf eben diese Veränderungen mit demZiel, sie für den Veränderungsprozess auf-nahmefähiger zu machen7,8. Zur Errei-chung dieses Ziels ist das Projektmarketinggeeignet, welches den Teilen der Organisa-tion, die nicht direkt an der Projektarbeitbeteiligt und davon berührt waren, das Pro-

jekt näher bringen soll. Dabei stehen eineReihe von Möglichkeiten zur Verfügung,deren Auswahl von dem jeweiligen Pro-jektvorhaben abhängig ist: � Monatliche Projekt-Informations-E-Mail

oder Aushang am schwarzen Brett� Regelmäßige Informationsveranstaltun-

gen mit formellen oder informellenMeinungsmultiplikatoren

� Publikationen in der Hauszeitung� Kummerkasten, der regelmäßig von der

Projektleitung geleert und bearbeitetwird

� Workshops mit Abteilungsvertretern.

Abschluss des Projektes

Da ein Projekt gemäß unserer Definitionein definiertes Ende besitzt, sollte das Pro-jekt offiziell als abgeschlossen erklärt wer-den. Diese Aufgabe wird üblicherweisevom Lenkungsausschuss wahrgenommen,der das Projektteam von seinen Aufgabenentbindet. Die offen gebliebenen Punktemüssen entweder an die Linienorganisati-on delegiert oder in weiteren anschließen-den Projekten bearbeitet werden.

Zusätzlich mach es Sinn, ein moderier-tes Projektabschlusstreffen ohne Mitwir-ken des Lenkungsausschusses zu veran-stalten. Zur Vorbereitung dieses Treffensbietet sich ein Fragebogen an, der vomProjektteam auszufüllen ist und anonymi-siert ausgewertet wird. Nachfolgend einBeispiel für den möglichen Ablauf einesAbschlusstreffen:� Begrüßung (Moderator)� Das Projekt – kurzer Rückblick und ak-

tueller Stand (Projektleitung)� Erwartungen an das Abschluss-Meeting

(alle)� Fragebogen-Auswertung diskutieren,

Wissenstransfer ableiten (alle)� Gruppenarbeit: Tops und Flops im Pro-

jekt und die Lernschritte ableiten (alle)� kritische Fragen zum Projekt und »Les-

sons learned« (alle)� Rückblick auf die Zusammenarbeit ge-

gebenenfalls persönliches Feedback(alle)

� Fazit zum Projekt mit Wissenstransferund Aktivitätenliste (alle)

� gemeinsames Abendessen (alle, eventu-ell mit Lenkungsausschuss).

Das systematische Sammeln und Doku-mentieren der gemachten Erfahrungen er-möglicht es, Organisationswissen fürzukünftige Projekte nutzbar zu machenund aus den Fehlern der Vergangenheit zulernen.

Permanentes Projekt-Controlling

Eine der wichtigsten Aufgaben der Pro-jektleitung besteht in der Steuerung undÜberwachung des Projektes hinsichtlichRessourceneinsatz und Projektfortschritt.

Grundlage für das Projektcontrolling istein detaillierter Maßnahmenplan mit Ter-minen und Verantwortlichen sowie defi-nierten Zielen, wenn möglich quantifiziert,zur Messung der beabsichtigten Verbesse-rungen. Die Zieldefinition hat bei gleichar-tigen Projekten in vergleichbaren Abtei-lungen (zum Beispiel Effizienzsteige-rungsprojekte in Abteilungen, die sich nurproduktweise unterscheiden) den zusätzli-chen Charm der Möglichkeit, ein internesBenchmarking durchzuführen.

Ist der Maßnahmenkatalog einmal ver-abschiedet, kann das eigentliche Projekt-

controlling starten: Dabei werden in vorherfestgelegten Controllingrunden, bestehendaus den Projektleitern und den Teilprojekt-verantwortlichen, der Projektfortschrittnachgehalten, die Zielerreichungsgrade be-stimmt sowie ggf. Maßnahmen zur Gegen-steuerung von problematischen Entwick-lungen getroffen. Zur Leitung und Mode-ration dieser Controllingrunden hat sichder Einsatz von externen Beratern be-währt, um unter anderem Objektivität undUnabhängigkeit bezogen auf behördenin-terne Gegebenheiten sicherzustellen. DieControllingrunden sind es schließlichauch, in denen die Vorbereitungsarbeit fürdas Berichten an den Lenkungsausschussgeschaffen wird (siehe oben »Aufbau einerfunktionellen Projektorganisation«). Be-züglich der formalen Anforderungen solltehier eine von allen Projekt- und Teilpro-jektteams einheitliche und übersichtlichstrukturierte Berichtsvorlage verwendetwerden, damit der Lenkungsausschuss ei-nen schnellen Überblick über die relevan-ten Projektinhalte und Abweichungen be-kommt. In diesem Zusammenhang ist esferner wichtig, eventuell aufkommendenEntscheidungsbedarf, der von den Projekt-teams nicht eigenständig geklärt werdenkann, mit dem Lenkungssauschuss zu be-sprechen und zu verabschieden.

Auf Grund der Komplexität des The-mas »Projekt-Controlling« kann in demvorliegenden Rahmen keine detaillierteBehandlung der einschlägigen Methodenstattfinden.

Einige Handlungsempfehlungen

Uns ist es wichtig, einerseits ein Gespürfür die Verbesserungsmöglichkeiten imZusammenhang mit dem Management vonProjekten zu vermitteln und andererseitsdarzulegen, wie durch professionelles Pro-jektmanagement die Chancen, ein Projektzu einem erfolgreichen Abschluss zu brin-gen, exorbitant steigen.

Professionelles Projektmanagement zubetreiben, bedeutet aus unserer Sicht, dieErfolgsfaktoren eines Projektes frühzeitigzu erkennen und bei seiner Realisierung zuberücksichtigen.

Folgende Handlungsempfehlungen soll-ten daher bei der Realisierung von Projek-ten beachtet werden:

Aus Erfahrung lernen

96

7 Einen Überblick zu dem Thema findet der Le-ser in Ewert et al., a.a.O., S. 41 ff.

8 Eine umfassende Einführung in das ThemaVeränderungsmanagement geben Doppler,Lauterburg: »Change Management«, 10. Auf-lage, Campus-Verlag, Frankfurt, New York,2002.

»Die Beherzigung der Faustregel ›Lieber zuviel als zu wenig Formalismus‹ erhöht die

Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs.«

� Beschränken Sie sich bei der Projektini-tiierung, um alle personellen und mate-riellen Kapazitäten auf die von Ihnenidentifizierten Schlüsselprojekte kon-zentrieren zu können.

� Integrieren Sie das Projektmanagementin das Führungskonzept Ihrer Organisa-tion, um eine organisationsweite Pro-jektkultur zu schaffen und die Akzep-tanz zu erhöhen.

� Fördern Sie abteilungsübergreifendeZusammenarbeit, um politischen Strö-mungen und Machtspielen von vor-neherein den Nährboden zu entziehen.

� Sorgen Sie für eine permanente Profes-sionalisierung der Projektteammitglie-der durch individuell zugeschnitteneSchulungsmaßnahmen.

� Machen Sie Ihre Projekte zu kleinen, insich geschlossenen, voll operationsfähi-gen Einheiten, die zu einer Quelle derMotivation für die Beteiligten und alleIhre Mitarbeiter wird.

� Transportieren Sie eindeutig und ausrei-chend die Projektaufgabe und die kon-

kreten Projektziele, damit Ihre Mitarbei-ter gemeinsam an einem Strang ziehen.

� Setzen Sie eine adäquate Projektorgani-sation auf, wo jeder Beteiligte seineRolle, seine Verantwortung und Kom-petenzen kennt.

� Verlangen Sie dem Projektteam eine rea-listische Planung ab, die Maßnahmen-pläne, Meilensteine, Aufgaben, Termineund Verantwortlichkeiten beinhaltet.

� Schaffen Sie die Voraussetzungen füreine effiziente Projektarbeit durch einerechtzeitige und vollständige Bereitstel-lung der notwendigen personellen undmateriellen Ressourcen.

� Steigern Sie die Mitarbeiterzufrieden-heit durch Übertragen von Verantwor-tung, regelmäßiges Anerkennen der er-brachten Leistungen, Schaffen vonFreiräumen zum selbstständigen Arbei-ten und Aufzeigen von Entwicklungs-perspektiven.

� Etablieren Sie ein permanentes Projekt-Controlling, um frühzeitig Abweichun-gen im Projektablauf, die die Zielerrei-

chung gefährden können, zu identifizie-ren und Gegenmaßnahmen zu treffen.

� Halten Sie alle Mitarbeiter über Pro-jektfortschritt und ergebnisse auf demLaufenden zur Vermeidung vonGerüchten und zur Vereinfachung derVeränderungsprozesse.

� Schließen Sie Projekte bewusst und öf-fentlich ab, um sich und dem Projekt-team die Möglichkeit für neue Aufga-ben und Ziele zu geben.

� Hinterfragen Sie alles, was die Organi-sation bisher so erfolgreich gemachthat, um Querdenkern eine Chance zugeben und noch erfolgreicher zu wer-den.9

Professionelles Projektmanagement kannhelfen, Veränderungen erfolgreich zu ma-nagen. Wie genau, soll Gegenstand einesAufsatzes in der nächsten Ausgabe sein.

Angela Witt-Bartsch und Harald Enz, Projektmanagement

VM 2/2004 97

9 Edgar K. Geffroy: »Machtschock«, CampusVerlag Frankfurt / New York, 2002, S. 147.

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Datenschutz in der KommunalverwaltungRecht, Informationstechnik, OrganisationVon VerwDez Jürgen Wohlfarth, Saarbrücken, RegDir Helmut Eiermann,Landesbeauftragter für Datenschutz Rheinland-Pfalz und Michael Ellinghaus2004, ca. 150 S., brosch., 22,– €, ISBN 3-8329-0574-XErscheint Ende Juni

An jedem Arbeitsplatz in der Kommunalverwaltung ist der Datenschutz zu beachten. VieleBundesländer sehen eine pflichtige Bestellung gemeindlicher Datenschutzbeauftragter vor.Datenschutz ist eine komplexe Querschnittsmaterie mit deutlichen Bezügen zum Recht, zurInformationstechnik und zur Verwaltungsorganisation. Die Datenschutzbeteiligten auf derGemeindeebene haben nur wenige Hilfsmittel, um sich einen ersten praxisnahen Überblicküber dieses Gebiet zu verschaffen. In Zusammenarbeit mit der Kommunalen Gemein-schaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung versuchen die Autoren als langjährige Referentenin KGSt-Datenschutzseminaren diese Lücke zu schließen. Das Buch »Datenschutz in der Kommunalverwaltung« skizziert im ersten Abschnitt das speziellin den Gemeinden anzuwendende allgemeine und besondere Datenschutzrecht. In einemzweiten Teil wird die Informationstechnik einschließlich der Entwicklungsperspektivenelektronischer Verwaltung vor allem unter Datensicherheitsaspekten dargestellt. Der AbschnittDatenschutzorganisation orientiert sich an der Sichtweise behördlicher Datenschutz-beauftragter und befasst sich eingehend mit den verfügbaren Gestaltungsmitteln undAufgabenfeldern.Die Autoren sind Verwaltungspraktiker und leiten seit vielen Jahren Seminare zum ThemaDatenschutz.

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Ausgangssituation

Nach einer seit 1995 andauernden Pilotpha-se startete das Projekt Anfang 2000. Einesich anschließende circa sechzehnmonatigeKonzeptionsphase wurde zur Regelinterpre-tation und Programmformulierung genutzt.Gemeinsam mit einem Generalunternehmerund den Ministerien sollten unter Feder-führung des Finanzressorts insbesondere diefür die Umsetzung notwendigen Schrittegeplant und festgelegt werden. Gegen Endeder Phase wurde eine abschließende Ent-scheidung über die vorliegenden Problem-lösungen getroffen. Der Beschluss zur Um-setzung erfolgte durch den Ministerrat imMai 2001. Ursprünglich war geplant, dieImplementation im Frühjahr des Jahres

2004 abzuschließen. Die Projektkosten vonrund 300 Mio. Euro sollen vorwiegenddurch die Streichung von 3.500 Stellen derLandesverwaltung refinanziert werden. DieKritik vieler Akteure konzentriert sich ins-besondere auf die Top-down-Einführung,auf die nach dem Projektstart unter zeitli-chem Druck durchgeführte, schnelle,flächendeckende, generelle, technokratischund wenig partizipativ ausgestaltete Imple-mentation, die Projektfinanzierung, diemangelnde Akzeptanz, die nicht absehbarenFolgekosten und die letztlich für viele nichtableitbare Steuerungsrelevanz.

Das von Widerständen begleitete Pro-jekt gibt Anlass, dieses aus einem macht-theoretischen Blickwinkel zu betrachten,denn die NSI-Einführung ist ein »Macht-spiel«. Durch die Machtkonstellationen derAkteure konstituieren sich Rahmenbedin-gungen, Probleme und Zwänge des kollek-tiven, organisierten Handelns. Es wird da-von ausgegangen, dass diese Konstellatio-nen und das Akteursverhalten die sozialenInteraktionen prägen und dabei Rück-schlüsse auf die Durchsetzbarkeit möglichsind.3 Im Vordergrund stehen demnach dieErfolgschancen des Projekts bzw. ob sichdie beabsichtigte Wirkung der Neuen

Steuerung, und hierunter verstehe ich eineWirkungsweise, wie sie von deren Prota-gonisten und insbesondere der Betriebs-wirtschaftslehre vertreten wird, wenigstensannähernd entfalten kann.

Die Akteure interessieren sich bei derModernisierung vorwiegend für die kon-kreten Folgen für ihre Machtposition.4Dies darf als Hinweis verstanden werden,warum sich Verfahrensweisen schwer än-dern lassen und der Status quo oftmals er-halten bleibt. Dahinter verbergen sich dieFragen, wer welches Interesse daran hat,dass sich nichts ändert, und welche Machtden Akteuren zur Verfügung steht, um ihreInteressen durchzusetzen. Die Neue Steue-rung hat zur Folge, dass Gewinner undVerlierer produziert sowie Einfluss undMacht umverteilt werden. Vielfach istauch zu beobachten, dass das eigentlichEntscheidende übersehen wird, nämlichverschiedene Akteure »mitzunehmen« und

Modernisierung der Landesverwaltung Baden-Württemberg

Machtkonstellationen und Akteursrationalitäten bei der Neuen Steuerung*

von Markus Reiners

In Baden-Württemberg wird die Notwendigkeit der Absenkung derStaatsquote und der Reduzierung der öffentlichen Verschuldung be-tont. Die Lücke zwischen verfügbaren Ressourcen und Ressourcen-bedarf soll auf Landesebene durch die Implementierung NeuerSteuerungsinstrumente (NSI)1 geschlossen werden. Hinter denBemühungen verbirgt sich jedoch die Frage, ob die Machtkonstella-tionen und Rationalitäten der beteiligten Akteure die Durchsetzbar-keit des Projekts auch zulassen. Der Beitrag liefert empirische Hin-weise auf die mikropolitischen Aktivitäten2 der Akteure, ihredifferierende Rationalität, Machtmittel, Strategien, Interessen, Be-ziehungsmuster und Umwelteinflüsse. Im Beitrag der nächsten Aus-gabe wird die insoweit dargelegte Empirie in einen theoretischenKontext gestellt und ergänzend aufgezeigt, wie ein Modernisierungs-erfolg »in der Theorie« annähernder erreicht werden könnte.

Markus Reiners, M.A.,ist Politikwissenschaft-ler und Doktorand ander Fernuniversität Hagen.

Anatomie eines Reformvorhabens

98 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 98-103

* Die empirischen Erkenntnisse des Verfassersstammen aus der Analyse öffentlich zugängli-cher Dokumente. Die Feldkenntnisse wurdendurch mehrere Expertengespräche validiert.Diese wurden im Zeitraum März/April 2003mit Vertretern aus Politik, Administration,Personalräten und Gewerkschaftsvertreterngeführt.

1 Damit sind u.a. dezentrale Budgetierung, Ko-sten- und Leistungsrechnung und Controllinggemeint.

2 Bei der Mikropolitik steht das politische Han-deln in Organisationen – die Mikroebene – imFokus (vgl. Ortmann 1992, S. 217). Aus-gangspunkt ist das interessengeleitete Ak-teurshandeln. Ob das Handeln durch die For-malstruktur der Organisation legitimiert istoder sich außerhalb einer solchen Legitimati-onsgrenze bewegt, ist nicht maßgeblich. Mi-kropolitik wird als ein organisationstheoreti-sches Konzept verstanden, das konsequentvon der Perspektive Interessen verfolgenderAkteure ausgeht, um das Organisationsge-schehen als Gesamtheit von Struktur undHandlung verknüpfender Prozesse zu er-klären. In diesen Prozessen erzeugen, nutzenund sichern Akteure organisationale Ungewis-sheitsbereiche als Machtquellen, um ihre Au-tonomiezonen aufrecht zu erhalten bzw. zu er-weitern (vgl. Küpper/Felsch 2000, S. 149).

3 Vgl. Bogumil/Kißler 1998, S. 125.4 Vgl. Bogumil 1997, S. 39.

insbesondere diejenigen einzubinden, diedas Projekt umsetzen sollen, die Mitarbei-ter. Umgestaltungen können nur funktio-nieren, wenn die Belegschaft aller Ebenenvon der Vorhersehbarkeit, Handhabbarkeitund dem Sinn der an sie gestellten Anfor-derungen überzeugt ist, andernfalls ist einScheitern programmiert.5

Im Vergleich zur Politikwissenschaft istman in der Betriebswirtschaftslehre – unddie NSI-Einführung wird von ihr dominiert– ex professione in Gefahr, die Gestaltbar-keit von Organisationen und ihrer Funkti-onserfüllung zu überschätzen.6 Trotz allerAnstrengungen, mit denen die Visionäreihre technokratischen Träume verwirkli-chen wollen, hat die Empirie nie auch nurim Entferntesten dieser Fiktion entspro-chen. Viele Analysen zeigen, wie sehrmenschliche Verhaltensweisen in Organisa-tionen komplex bleiben können, und wiewenig ein Modell mechanischer Koordina-tion oder ein einfacher Determinismus zumErfolg verhilft.7 Die Implementations-schwierigkeiten bei Modernisierungspro-zessen liegen nach Bogumil/Kißler in einerzu »rationalistischen« Sichtweise.8 In Anlehnung daran wird hier davon ausge-gangen, dass das NSI-Konzept dem mikro-politischen Akteurshandeln zu naiv gegenü-bersteht. Die dem Konzept inhärente Pla-nungsrationalität kann die Funktionsweiseder Landesverwaltung wahrscheinlich nurunzureichend erfassen, so dass die Vor-schläge an der Realität zu scheitern drohen.Es ist anzunehmen, dass die partiellen Inter-essenkonvergenzen, die organisationsinter-nen Bündnisse und Koalitionen und diverseMachtaspekte übersehen werden.9 EineAnalyse der Machtbeziehungen verlangtgrundsätzlich eine Antwort darauf, überwelche Mittel jeder »Spieler« verfügt, dasheißt welche »Trümpfe« es ihm möglichmachen, in einer bestimmten »Spielsituati-on« seinen Freiraum auszudehnen, welcheKriterien die Ressourcenrelevanz definierenund ihre mehr oder weniger leichte Mobili-sierbarkeit.10

Akteure

Bei Modernisierungsvorhaben handelt essich um Regelproduktion. Das Regelsystemspezifiziert, wer partizipiert und wer nichtund wer, was, wann, wo und wie in Bezie-hung mit wem tut. Dabei sind die Teilnah-mechancen unterschiedlich und die Vertei-lung der Definitionsmacht ist ein Spiegel-bild für die Machtverteilung in derOrganisation. Das Ausmaß der Definitions-macht der Akteure ist zudem von der Artund Weise ihrer Partizipation im Regelpro-duktionsprozess abhängig, also der bewus-

sten und abgesicherten Teilhabe an Ent-scheidungsprozessen. Diese Teilhabe istzwar durch institutionelle Rahmenbedin-gungen geprägt, innerhalb dieser ergebensich jedoch durchaus Spielräume zur Aus-gestaltung. Partizipation beschränkt sich da-bei nicht auf die Informationsweitergabe,sondern es muss die Möglichkeit geben,Einfluss auf Entscheidungen nehmen zukönnen, sei es mittelbar oder unmittelbar.Akteur ist demnach, wer über Definitions-macht verfügt. Damit erfolgt auch eine Un-terscheidung nach dem Partizipationsgrad,also zwischen Akteuren, Agierenden undlediglich Ausführenden oder gar nur Betrof-fenen.11

Akteursrationalitäten und Machtpotenziale

Zeitraum vor Projektstart

Die Regierung (CDU/FDP) und die mini-sterialbürokratischen Spitzen sind die zen-tralen Promotoren des Projekts. Sie domi-

nieren die Pilotphase bis zum Projektstart.Ihre Interessen richten sich auf Erhöhungder Verwaltungssteuerung, Kostenreduzie-rung, persönliche Profilierung und Wieder-wahl. Als zentrale Machtmittel sind ihre Organisationshoheit, Expertenmacht,Steuerungs-/Durchführungskompetenz undihr Informationsvorsprung zu verifizieren.Sie werden durch die Mehrheitsverhältnis-se im Parlament handlungsfähig, da derenEntscheidungen durch die Regierungsfrak-tionen vorab legitimiert werden. Es gelingt,die Modernisierung dem Parlament gegen-über zu vertreten, was dadurch erleichtertwird, dass die bis 1996 regierungsbeteiligteSPD maßgeblich in den Initiierungsprozessinvolviert war und die Oppositionsfraktio-nen (SPD/ Grüne) eine Modernisierunggrundsätzlich befürworten. Im Spannungs-fall wird oftmals auf unklare Zuständig-keitsabgrenzungen und die Richtlinien-kompetenz der Politik verwiesen. Die Ver-waltungsspitze zieht sich hierbei immer aufihre Organisationshoheit zurück, wobei siein aller Regel durch ihre Mehrheitsfraktiongedeckt wird. Ubiquitär ist der argumenta-tive Rekurs auf externen, privaten Sachver-stand. Dadurch gelingt es der Regierung,eine Machtbasis zu institutionalisieren.12

Die Grundsatzbeschlüsse gehen vomMinisterrat aus, der Modernisierungsinhaltund -verlauf wesentlich bestimmt. Dort

spielt der Finanzminister eine tragende Rol-le. Der nachgeordnete Amtschef des Fi-nanzressorts (politischer Beamter) stehtdem Lenkungsausschuss13 vor. Insgesamtzeigt sich die Ministerialbürokratie demProjekt gegenüber vor dem Start aufge-schlossen, wobei allerdings deutlich wird,dass die Interessen differieren. Das in denSpitzenpositionen der zentralen Gremienvertretene Finanzministerium priorisiertEinsparungen, für die anderen Ressorts sindspezifische Fachinteressen und die Berück-sichtigung der Ergebnisse aus den Pilot-dienststellen vordergründig und das Bestre-ben, dass diese nicht von übergeordneten(Einspar-) Interessen kompensiert werden.Die Divergenzen werden jedoch durchLoyalitätsverpflichtungen, Dominanzver-hältnisse und die bestehende Hierarchieüberlagert. Die Ressorts sind dadurch wei-testgehend fremdbestimmt und können sichnur bedingt in den Prozess einbringen.

Den Pilotdienststellen kommt zu einemfrühen Zeitpunkt nur eingeschränkte Defini-tionsmacht zu, weil die Leitlinien vorgege-ben sind. Die »Piloten« und die vorgesetz-

ten obersten Landesbehörden bewerten ihrePilotergebnisse insgesamt positiv und zuwenig differenziert, da unter anderem keineDistanzierung von der nicht unkritischenKosten-Leistungs-Rechnung erfolgt. Durchdie überwiegend positive Ergebnisdarstel-lung verlieren die Landesbehörden zuneh-mend Spielräume, weil ein »Umkehren imProzess« danach weitestgehend ausge-schlossen erscheint. Die Außendarstellunghat somit weit reichende Konsequenzen,denn eine eventuelle spätere Erkenntnis,dass die NSI keinen Sinn machen könnten,wird schon deshalb unwahrscheinlicher,weil ein Verlassen der bei der Pilotierung

Markus Reiners, Modernisierung der Landesverwaltung Baden-Württemberg

VM 2/2004 99

»Die Einführung der Neuen Steuerung ist ein ›Machtspiel‹.«

5 Vgl. Baumbach/Ritsert 2002, S. 225.6 Ortmann 1995, S. 37.7 Crozier/Friedberg 1979, S. 25.8 Bogumil/Kißler 1998, S. 124.9 Bogumil/Kißler 1998, S. 124 f.; vgl. Küp-

per/Ortmann 1992, S. 7 f.10 Crozier/Friedberg 1979, S. 44.11 Bogumil/Kißler 1998, S. 127 f.12 So genannte »Expertise Games«, in Küpper/

Felsch 2000, S. 200 f.13 Der Ausschuss setzt sich aus den Amtschefs

der Ressorts zusammen, fungiert als höchstesadministratives Steuerungsorgan unterhalb derpolitischen Ebene, ist vorbereitend für denMinisterrat tätig, setzt auf administrativerEbene die Rahmenbedingungen, bewertet dieErgebnisse aus den Ressorts vor der Zuleitungan den Ministerrat und hat den Auftrag, dieUmsetzung sicherzustellen.

im Entscheidungskorridor gefassten Vorge-hensweisen durch hohe interne und externeBarrieren begrenzt wird, was bedeutet, dassdie vorangegangenen Entscheidungen einehohe Bindungswirkung für das weitere Vor-gehen entfalten und dieses restringieren.14

Zu den Pilotergebnissen und der geplantenEinführungsstrategie bezieht nur der Vize-präsident des Rechnungshofs äußerst kri-tisch Stellung, was den weiteren Fortgangzunächst jedoch nicht entscheidend beein-flusst, da die Problematiken in dieser Phaselediglich auf den inneradministrativenRaum begrenzt bleiben.

Die Oppositionsfraktionen erwarten sichvon der Modernisierung üblicherweise einebessere Transparenz, Kontrolle und Lei-stungsfähigkeit der Verwaltung. Sie verfü-gen über weniger Expertenwissen sowieInformations- und Kommunikationskanälein die Verwaltung hinein als die Regie-rungsfraktionen. Um die Defizite wenig-stens teilweise kompensieren zu können,sind detailorientierte Einzeleingriffe insTagesgeschäft der Verwaltung notwendig.Eine Vernachlässigung der Einmischungins Tagesgeschäft – wie es die NSI durcheine Steuerung auf »Abstand« intendieren

– liegt außerhalb deren Funktionslogik undwird von dieser als Kontrollverlust betrach-tet, da der Einzeleingriff allgemein als sehrentscheidende Einflussressource gilt. Dieparlamentarische Opposition verhält sichjedoch bis weit in die Umsetzungsphasezurückhaltend. Dies verdeutlicht, dass dieDetailproblematiken vor der Implementati-on noch nicht perzipiert werden. Bogu-mil/Kißler bezeichnen in ihrer Studie dasparteiübergreifende Stillhalten als ein inno-vationsförderndes rationales Politikspiel,bei dem sich die politischen Spitzen und(Oppositions-) Fraktionen in einem Bünd-nis darauf verständigen, dass letzterewährend des Umstrukturierungsprozessesnicht in Verwaltungsentscheidungen inter-venieren und dafür im Gegenzug mit ent-sprechenden Informationen versorgt undam Prozess beteiligt werden.15 Im vorlie-genden Fall kann allerdings nicht von ei-nem derartigen Politikspiel gesprochenwerden, denn die anfängliche oppositionel-le Zurückhaltung gründet nicht in einemBündnis, sondern in einem breit angelegtenInformationsdefizit, den dadurch beschei-denen Profilierungsmöglichkeiten und der

quer durch alle Parteien bestehenden allge-meinen Unkenntnis über die Folgen einerNeuen Steuerung. In den Projektgruppensind die Parlamentarier nicht beteiligt. Diemangelnden Profilierungsmöglichkeitenbewirken, dass der durch die Kontrollrech-te der Landesverfassung kodifizierte Defi-nitionsspielraum nicht genutzt wird. DasInformationsdefizit lässt sich von daherauch nicht minimieren, was einen Kreislauferzeugt. Informationen erhält die Oppositi-on nur auf Anfragen, denn für die Regie-rung besteht aus rational fassbaren Grün-den keine Veranlassung, eine umfassendeInformationspolitik zu betreiben. Diese isthochgradig selektiv und auf Erhaltung bzw.Ausdehnung der eigenen Machtbasis ge-richtet. Diesen »Spielzug« bezeichne ichals »Informationsselektionsspiel«. Als beider Umsetzung die Detailprobleme sichtbarwerden, gibt die Opposition ihre reservierteRolle auf und versucht, öffentlichkeitswirk-sam Profil zu gewinnen, denn die bei derImplementation schwindenden Gewinn-möglichkeiten der Mehrheitsfraktionen/Regierung implizieren eine höhere Ge-winnaussicht beim Wählermaximierungs-spiel bzw. beim Kampf um die Macht.16

Konzeptionsphase

Der Projektverlauf ist seit dem Start wei-testgehend festgelegt, steht unter Zeitdruckund enthält insgesamt wenig flexible Kom-ponenten. Die bisher maßgeblichen Akteu-re bleiben in dieser Phase dominierend. Siebestimmen die Verfahren, das Regelsy-stem und verfügen über ein Letztentschei-dungsrecht. Die Dominanz zeigt sichdurch den Ministerratsbeschluss vom Mai2001, der auf Vorschlag des Lenkungsaus-schusses, entgegen mancher Warnungender ministeriellen Expertenebene, zur Um-setzung beschließt. Das Handeln der politi-schen und administrativen Spitzen wird indieser Phase ganz wesentlich durch die au-tonomieorientierte Ministerialbürokratiebzw. die dortige ministerielle Expertenebe-ne und den seit dem Start beteiligten, pri-vatwirtschaftlich organisierten und damitauf Gewinnmaximierung ausgerichtetenGeneralunternehmer bestimmt.

Im Laufe dieser Phase bezweifeln ein-zelne Experten der Fachressorts zuneh-mend das Projekt. Teilweise entwickeltsich eine verhaltende bis ablehnende Stim-

mung. Die ausschließlich interne Kritikkommt zunächst von der Stabsstelle fürVerwaltungsreform im Innenministerium,dann erneut vom Rechnungshof undschließlich aus den Ressortteams, welchebei den jeweiligen Ministerien eingerichtetwurden, da sich die Ressortanforderungennur bedingt zentral erheben lassen. DieKritiken führen zu erheblichen Verzöge-rungen. Teilweise plädieren die Ressortsfür eine Neuausrichtung, einer zeitnahenImplementation steht man zu diesem Zeit-punkt eher ablehnend gegenüber. DieEmpfehlung einzelner Ressorts, das Pro-jekt selbst auszurichten, dieses in Ressort-projekte aufzuteilen und den mittlerweileäußerst kritisch beurteilten Generalunter-nehmer von seinen Pflichten zu entbinden,wird vom Finanzministerium bzw. der Re-gierung allerdings nicht geteilt.

Eine gewisse »Bindekraft« bekommtder Prozess durch die Vernetzung derFührungsfunktionen des Finanzministeri-ums im Projektmanagement, welche sichauf administrativer Ebene vorwiegend inder Akteurstrilogie von Lenkungsaus-schuss, strategischer Projektsteuerung17

und NSI-Jour fixe18 ausdrückt. Mit Blickauf die dortigen individuellen Akteurekommt vorwiegend der Amtsspitze des Fi-nanzressorts und den Leitern der Stabstel-len NeStUL/StaV19 eine wichtige Funktion

Anatomie eines Reformvorhabens

100

14 Vgl. Ortmann/Becker 1995, S. 62 f.; vgl. Bo-gumil/Schmid 2000, S. 67.

15 Bogumil/Kißler 1998, S. 142 f.16 Vgl. ebd., S. 130ff; vgl. Bogumil 1997, S. 36.17 An dessen Spitze befinden sich Vertreter aus

dem Finanz- und Innenministerium (NeStUL/StaV; siehe dazu Fußnote 19). Sie berichtendem Lenkungsausschuss, setzen dessen Aufträ-ge um und führen die Gesamtprojektleitung,welche gemeinsam durch das Finanzministeri-um (NeStUL) und einen Projektleiter des Ge-neralunternehmers wahrgenommen wird. Ih-nen obliegt die operative Gesamtsteuerung undorganisatorische Leitung. Sie sind der strategi-schen Projektsteuerung rechenschafts- und be-richtspflichtig.

18 Dieser ist unterhalb des Lenkungsausschussesangegliedert, ebenfalls zur politischen Steue-rung und Koordination und vorbereitend fürden Lenkungsausschuss tätig. Er dient als Fo-rum für die Leiter der Abteilungen 1 (dort sinddie Ressortteams angegliedert; im Innenmini-sterium bei der Abteilung 1 und 3) und dieKopfstellenleiter der Ressorts (= Leiter derRessortteams). Geleitet wird der NSI Jour fixedurch einen der Leiter der strategischen Pro-jektsteuerung (Finanzministerium/NeStUL).

19 Die Stabsstelle Neue Steuerung und Umwand-lung von Landesbetrieben (NeStUL) ist derAmtsspitze des Finanzressorts unterstellt. Sieberät die Ressorts mit ihren nachgeordnetenBereichen und ist mit der Stabsstelle für Ver-waltungsreform (StaV) beim Innenministeri-um und dem Generalunternehmer für die Ein-führungsstrategie verantwortlich. Die NeStULund StaV haben die Federführung bei ver-schiedenen Projekten und können als »Wis-senszentralen« bezeichnet werden.

»Für Veränderungen wird insbesondere das mittlere Management mit seinem

organisatorischen und technischen Expertensachverstand benötigt.«

zu. Die Akteure aus den anderen Ressortsspielen eine zweitrangige Rolle. Die Ein-flussmöglichkeit der Ressorts darf aller-dings nicht gänzlich unterschätzt werden.Sie haben die Möglichkeit, Expertenwis-sen einzubringen oder vorzuenthalten, In-formations- und Kommunikationskanälezu kontrollieren und Organisationsregeln(zum Beispiel Mitzeichnungsregelungen)zu nutzen. Das Machtpotenzial wird imWege (der Verweigerung) der Mitzeich-nung intensiv genutzt, wenn es beispiels-weise darum geht, fachspezifische Interes-sen zu vertreten. Damit können die Ent-wicklungen innerhalb eines »Korridors«beeinflusst werden. Zum Veränderungs-prozess wird insbesondere das mittlereManagement benötigt. Dort ist der organi-satorisch und technische Expertensachver-stand konzentriert, was eine nicht unerheb-liche Verhandlungsmacht verleiht. Da dieRegierungsspitzen den Prozess unter denGesichtspunkten der politischen Verwert-barkeit betrachten, wird ein Übermaß anKonflikten vermieden, da sonst die Legiti-mationsbasis in Gefahr gerät. Auf eine par-tielle Kooperation und Interessenberück-sichtigung können die Spitzen somit nichtverzichten. Die institutionelle Nähe zurSpitze bietet für die mittlere Ebene ebensodie Möglichkeit, sich zu profilieren. Hierentstehen Loyalitäts- und Vertrauensbezie-hungen und ein privilegierter Zugang zuBesitznetzwerken und Expertenkulturen.20

Eine gewisse Rolle spielen in diesemKontext die Ressortteams bei den Ministe-rien und die dortigen Teamleiter, welchedie jeweiligen Kopfstellen der Ressortsführen und im NSI-Jour fixe repräsentiertsind. Die Teams können den Prozess insge-samt jedoch nur bedingt beeinflussen, weilsie einerseits in die hierarchischen Ent-scheidungsstrukturen ihrer jeweiligen Ab-teilung eingebunden, andererseits die Leit-linien der Modernisierung vorgegeben sindund schließlich die spezifischen Interessen-lagen oberhalb des NSI-Jour fixe im Len-kungsausschuss nicht mehr angemessenvertreten werden, da die Amtschefs derRessorts ob ihrer Position auf Loyalität be-dacht sind und sich eher der Rationalitäten-logik der politischen Spitzen verpflichtetfühlen als den spezifischen Ressortinteres-sen. Die jeweiligen Leiter der Abteilungen1 der Ministerien sind ebenso im NSI-Jourfixe präsent, können auf Grund ihrer Trans-missionsstellung die spezifischen Interes-sen ebenfalls nur moderat vertreten, dennein Zuviel an Kritik ist ob ihrer Positionnicht angezeigt, da auch ihre Stellung einhohes Maß an »Gewähr für Handlungsver-bindlichkeit« verlangt. Ihnen kommt imProzess eine heikle Doppelrolle zu. Einer-seits sind sie bzw. auch die hierarchisch

unterstellten Referatsleiter für die Aufrech-terhaltung der alltäglichen Routinetätigkei-ten verantwortlich, andererseits sind sievielfach in das Innovationsprojekt in leiten-der Stellung eingebunden. Sie müssen denantagonistischen Anforderungen von Be-stand/Routine, Bewegung/Innovation, Si-cherheit und Risiko standhalten und sehensich divergierenden Handlungs- und Grati-fikationslogiken ausgesetzt.21

Wie erwähnt, arbeitet die Projektorgani-sation nicht abgekoppelt von der Hierar-chie, orientiert sich an dieser und ist insge-samt als eine Top-down-Struktur zu kenn-zeichnen. Dies fördert die Aufrechterhal-tung von routinemäßigen Abläufen undsteht einer umfassenden Innovation entge-gen. In den Ressortteams werden demnach»nicht authentische Teamarbeitsspiele« ge-spielt. Dieser Begriff wird hier gewählt,weil die Teams in der »Parallelhierarchie«zwar prinzipiell teamorientiert arbeiten, siejedoch einer strikten Top-down-Determi-nierung unterliegen. Trotz des Gestaltungs-spielraums kann dadurch kein effizienterProzess eingeleitet werden. Verwaltungsab-

läufe müssen sich auch »von unten nachoben modernisieren«. Dies gelingt nur,wenn die ausführenden Beschäftigten selbstam Prozess teilnehmen. Die Projektorgani-sation durchbricht nicht die Struktur derherkömmlichen Entscheidungsprozesse.Jede Ebene des Projektmanagements besitztfür die jeweils nächsthöhere eine Zulieferer-funktion, und den Teams werden von obennach unten Aufgabenstellungen vorgege-ben. Damit hat sich innerhalb des Projektsein hierarchisches Delegationsprinzipdurchgesetzt. Jenseits dieser inhaltlichenVorgaben haben die Teams nur einen be-grenzten Freiraum, um über die Partizipati-onsgegenstände zu reflektieren. Ein derarti-ger Partizipationstrichter, in dem sich dieGestaltungsspielräume nach unten veren-gen, zementiert eher die vorhandenen Hier-archiestrukturen, damit die Aufrechterhal-tung von Routine und letztlich die bestehen-den Spielregeln.22 Die Beziehungsmusterlassen sich somit als Dominanz-/Abhängig-keitsverhältnisse verifizieren. Ungeachtetdessen existieren genügend informelle In-formations- und Kommunikationskanäle imProjekt, welche insbesondere im Vorfeldvon Gremiensitzungen genutzt werden, um

die Problemlagen und Sachstände zu erör-tern, bevor diese dort einem höheren Ver-bindlichkeitsgrad zugeführt werden.

Die Bemühungen des Generalunterneh-mers sind in der Konzeptionsphase starkvon der Motivation getragen, schnellst-möglich eine Beauftragung für die Umset-zung zu erhalten. Sein Akteursstatus ist biszum Eintritt in die Implementationsphaseäußerst vage, da im Zweifelsfall der Aus-schluss aus dem Modernisierungsprozessdroht. Erst mit der Umsetzung erhält er einlangfristiges, lukratives Engagement, wasihm unter anderem deshalb ermöglichtwird, weil er im Prozess immer wieder, fürdie Regierung glaubhaft, auf seine (ver-meintlichen) Kompetenzen und Erfahrun-gen verweist, demnach auf seine Experten-macht.23 Das Land hatte in der Konzepti-onsphase noch einen relativ großenDispositionsspielraum (vertragliche Aus-stiegsklausel) und wäre nicht gezwungengewesen, diesen aufzugeben. Dass danndoch, entgegen mancher Expertenmeinung,zur Umsetzung entschieden wird, lässt sichdamit begründen, dass weitere Projektver-

zögerungen externe Kritik erzeugt und fürdie Regierung Image- bzw. Machtverlustebedeutet hätten. Die Regierung geht mitdem Beschluss zur Umsetzung eine langfri-stige Abhängigkeit zum Generalunterneh-mer ein und verringert dadurch ihre»Spielanteile« zu dessen Gunsten.

Umsetzungsphase

Mit Beginn der Umsetzung stellen sich dieRessorts in der Außendarstellung wiederrechtfertigend hinter das Projekt, was abernicht bedeutet, dass Zweifel intern keinenBestand mehr haben. Die Kurskorrekturliegt einerseits daran, dass der Prozess mitder Umsetzung quasi irreversibel gewor-den ist, das heißt, der Ministerrat hat der»konzeptionellen Diskussionsphase« imMai des Jahres 2001 ein Ende gesetzt, an-dererseits haben teilweise auch personelleund organisatorische Umstrukturierungenbei den Ressorts dazu beigetragen.

Markus Reiners, Modernisierung der Landesverwaltung Baden-Württemberg

VM 2/2004 101

»Eine Projektorganisation, die nicht von der Hierarchie abgekoppelt ist, durchbrichtnicht die herkömmlichen Entscheidungs-abläufe.«

20 Vgl. Göbel 1999.21 Ortmann/Becker 1995, S. 65.22 Naschold/Bogumil 1997, S. 159 f.23 So genannte »Expertise Games«, in: Küpper/

Felsch 2000, S. 200 f.

Bei der Umsetzung gerät insbesonderedie Belegschaft ins Blickfeld. Es stellt sichimmer die Frage, inwieweit diese überhaupteinen Akteursstatus hat. Ein solcher kannbegrenzt nur für diejenigen angenommenwerden, welche sich in der Implementati-onsphase in Projektgruppen beteiligen (dür-fen). Man kann hierbei überwiegend vonAgierenden sprechen, da sie nur ausführendtätig sind. Hingegen haben die übrigen Be-schäftigten keinen Einfluss, sie sind von derEinführung lediglich betroffen. Insgesamtfürchten sie vielfach unabhängig davon, obsie »mitspielen« dürfen oder nicht, und ähn-lich wie das mittlere Management, um denErhalt der Arbeitsbedingungen und des Ar-beitsplatzes, denn der überwiegende Teilder Beschäftigten betrachtet die Moderni-sierung als Sparmaßnahme. Insgesamt istbekannt, dass das Projekt auf allen Ebenenauf äußerste Reserviertheit, wenn nicht garAblehnung stößt. Großteils ist auch ein aus-geprägtes Unwissen um die Neue Steuerungzu verzeichnen.24

Akteursqualität kommt allen Beschäfti-gen allerdings über die Personalräte zu. IhreRationalität ist auf Beschäftigtenschutz,Einflusssicherung und Wiederwahl ange-

legt. Vor allem Rationalisierungsschutz undPartizipation stehen bei der Modernisierungim Vordergrund. Ihre Machtmittel beziehensie aus den Beteiligungsrechten des Landes-personalvertretungsgesetzes, weshalb Re-gierung und Ministerialbürokratie auf derenMitarbeit angewiesen sind. Durch diese Or-ganisationsregeln kommt den Beschäftig-tenvertretern ein nicht unerhebliches Bar-gainingpotenzial zu.25 Zu einem im Poli-tikprozess oft zu beobachtenden Bargai-ningspiel, bei dem konkurrierende Akteureüblicherweise zu kooperativen Lösungengelangen, kommt es jedoch weitestgehendnicht, weil es häufig allein um die Streitfra-ge geht, ob der Personalrat rechtlich über-haupt zu beteiligen ist. Dieser hat zwar inverschiedenen Gremien einen Sitz, einewahre, konstruktive Beteiligung im Sinneeines »konzertierten Vorgehens« wird sei-tens der Ministerialbürokratie allerdingsmeistens nur dort bejaht, wo dies gesetzlichzweifelsfrei feststeht. Eine rechtzeitige, in-tensive Beteiligung und gleichberechtigteMitsprache wird hingegen innerhalb der perse konkurrierenden Akteursbeziehung nichtin Erwägung gezogen. Dennoch verfügendie Beschäftigtenvertreter über erhebliche

Macht auf Grund der Option eines »non-decision-making«, den Prozess öffentlich-keitswirksam zu stören und zu blockieren,bis hin zu gerichtlichen Entscheidungen.26

Man spricht bei den Spielzügen auch von»Insurgency Games«, da bei der Implemen-tation und Ausführung von EntscheidungenWiderstand gegen die übermächtige Lan-desverwaltung ausgeübt wird.27 Es stelltsich die Frage ob es nicht versäumt wurde,schon weit vor Projektstart eine engere undvertrauensvollere Zusammenarbeit mit denPersonalräten zu suchen, was beispielswei-se durch frühzeitige Dienstvereinbarungenhätte geschehen können. Die Chance einerinnovationsfördernden Projektbegleitung,im Sinne eines Co-Managements, dürftebereits seit Anfang 2002 deutlich zurück-gegangen sein.28

Bei der Implementation schwindet derSpielraum von Regierung und Ministerial-bürokratie. Mit der Entscheidung zur Um-setzung verlieren sie bereits »Spielanteile«an den Generalunternehmer. Circa ab Ende2001 geraten sie neben dem Rechnungshofauch durch die Personalräte und Gewerk-schaften unter »Beschuss«. Die Verknüp-fung der Führungsfunktionen zwischen

einzelnen Hauptpersonalräten und denmitgliederorientierten Gewerkschaften isthierbei ein wichtiges Moment für einenwirkungsvollen Widerstand. Der Druckverschärft sich, als sich die drei zunächstvorrangig opponierenden Polizeigewerk-schaften in einem Kooperationsvertrag for-mieren und damit eine Allianz gegen dasProjekt bilden. Auf Grund des Entschei-dungsspielraums und Vorsprungs der Re-gierung und Verwaltung sind die Fachrefe-rate der Ministerien der erste Ansprech-partner. Die dortige Blockadehaltung lenktjedoch die Aktionen der Interessenvertre-ter auf die parlamentarische Opposition.Sie nutzen intensiv ihre Kommunikations-kanäle zu Parlament und Medien und be-treiben eine öffentlichkeitswirksame Infor-mationspolitik. Die Kritik bleibt somit, imGegensatz zu den Prozessphasen zuvor,nicht mehr auf das inneradministrative»Spielfeld« begrenzt. Dadurch wird dieOpposition im Landtag sensibilisiert, derenInformationsstand zunehmend erweitertund eine bessere Profilierungsbasis ge-schaffen, was sie veranlasst, einen konkur-rierenden, kritisch-offensiven bzw. wähler-maximierenden Kurs gegen das Projekt

einzunehmen. Das Wählermaximierungs-spiel nimmt auf der gesamten politischenEbene die entscheidende Rolle ein. DieRegeln besagen, dass Parteien auf Grundder Wahlen zwangsläufig in Konkurrenzzueinander treten. Ihrer Wahlchancen we-gen sind sie gezwungen, sich zu profilierenund zu konkurrieren. Interfraktionelles ko-operatives Verhalten wird weder innerpar-teilich noch vom Wähler belohnt und wür-de sie eines ihrer zentralen Machtmittelberauben, nämlich der Aussicht, bei dennächsten Wahlen die Mehrheit bzw. dieMacht zu erlangen oder auszubauen. DieInteressen von Machterwerb und -siche-rung verlangen demnach eine Orientierungan der Logik einer medienwirksamen, par-teipolitischen Profilierung.29

Der Druck auf die Regierung kulminiertin einem Schulterschluss der vorgenanntenOpponenten mit der parlamentarischen Op-position bzw. in einer ExpertenanhörungAnfang 2003, in der die SPD-Fraktion zumVorreiter einer Gegenallianz aus Akteurender verschiedensten Bereiche des öffentli-chen Sektors avanciert.30 Die Gewerkschaf-ten und Personalräte müssen nicht mehr anvorderster Front gegen die NSI mobil ma-chen, diese Rolle wird nunmehr durch dieOpposition ausgefüllt. Die opponierendenAkteure fühlen sich zwar verschiedenenRationalitäten verpflichtet, auch variierenderen Machtmittel und Strategien erheblich,ihre Interessen und Handlungsorientierun-gen sind jedoch homogen und zielen wei-testgehend in eine Richtung, was den Ge-gendruck letztlich entscheidend verschärft.

Eine neue Situation ergibt sich EndeMärz 2003, als die Regierung, ohne sichvom NSI-Projekt zu distanzieren, einenKurswechsel auf ein anderes tief greifendesReformprojekt vollzieht, welches die NSI-Einführung entscheidend beeinflussenwird, weil nunmehr ein Großteil der Lan-desverwaltung, und damit die von den NSIumfassten Landesbehörden, in die drittebaden-württembergische Verwaltungsebe-ne eingegliedert werden soll: in Kreis-behörden, die nicht vom NSI-Landespro-jekt umfasst sind, bzw. in Behörden der un-teren Verwaltungsebene, die teilweiseschon seit längerer Zeit mit neuen Steue-rungsmodellen arbeiten, die mit den NSIauf Landesebene offensichtlich nicht kom-patibel sind. Zudem strebt das neue Projekt

Anatomie eines Reformvorhabens

102

24 Vgl. Bogumil/Kißler 1998, S. 133 ff.25 Vgl. ebd., S. 133.26 Vgl. ebd., S. 132 ff.27 In Küpper/Felsch 2000, S. 199.28 Vgl. Bogumil/Kißler 1998, S. 132.29 Bogumil/Kißler 1998, S. 131; vgl. Bogumil

1997, S. 35.30 So genanntes »Alliance-Building Game«, in:

Küpper/Felsch 2000, S. 200.

»Die Rationalität der Personalräte ist auf Beschäftigungsschutz, Einflusssicherung und

Wiederwahl angelegt.«

noch weitaus mehr Stelleneinsparungen an.Die Reform wird von der Regierung damitbegründet, dass angesichts der dramati-schen Haushaltslage eine Haushaltskonso-lidierung nur durch eine drastische Redu-zierung der Personalkosten gelingen könne,weshalb ein Paradigmenwechsel einzulei-ten sei, welcher sich auf die Änderung derAufbaustrukturen zu konzentrieren hat.

Das Vorhaben wird von den Vertreternder dritten Verwaltungsebene, den Landrä-ten und (Ober)Bürgermeistern, begrüßt.Nach Ansicht der Regierung ergänzen sichbeide Projekte, da beim einen der Verwal-tungsablauf und beim anderen der -aufbauangesprochen ist. Es drängt sich allerdingsdie Frage auf, ob hierbei nicht der zweitevor dem ersten Schritt gemacht wurde undes nicht günstiger gewesen wäre, zunächstdie Aufbaustrukturen zu ändern und dannzu entscheiden, ob, wo und wie eine NeueSteuerung eingeführt werden soll.31 Die Re-gierung bezieht in der weiteren Folge einenach wie vor rechtfertigende Haltung zuden NSI und verweist einerseits auf dieVertragspflichten und anstehenden Ge-spräche mit dem Generalunternehmer unddie der unteren Verwaltungsebene, um zeit-liche Dispositionsspielräume zu gewinnenrespektive die notwendig gewordenen Pro-jektmodifikationen ausloten zu können. Eswird abermals deutlich, dass der Verhand-lungsspielraum für eine Änderung oderKündigung des Generalunternehmerver-trags äußerst eng bemessen ist. Seitens derRegierung wird zunächst davon ausgegan-gen, dass die betroffenen Behörden mit ein-geführten NSI an die untere Verwaltungse-bene übergeben und mit den dortigen Syste-men kompatibel gemacht werden können.

Den neuen Plänen stellt sich insbesonde-re die SPD-Landtagsfraktion in den Weg.Sie reagiert mit der Forderung, die NSI-Einführung müsste jetzt erst recht gestopptwerden, weil eine Kompatibilität zwischenden beiden Reformprogrammen nicht mög-lich sei. Sie fordert, die schnelle, flächen-deckende, für alle Behörden gleichermaßengeltende Konzeption zu verwerfen und einmaßgeschneidertes Neukonzept im Hin-blick auf unterschiedliche Verwaltungsbe-reiche und Behördentypen zu erarbeiten, dieNSI für die in die untere Verwaltungsebenezu überführenden Behörden des Landesauszusetzen und die Verträge dahingehendzu überprüfen, ob sie eine Neuorientierungdes NSI-Konzepts ermöglichen.

Die Regierungsfraktionen haben per seeinen größeren Einfluss auf die Verwaltung,und sie sehen sich weniger gezwungen, inverwaltungsinterne Abläufe einzugreifen.Ihnen geht es per se darum, ihren Informati-onsvorsprung gezielt einzusetzen, ihre Poli-tik zu rechtfertigen und die Macht zu erhal-

ten bzw. auszubauen.32 Die bis dahin immerwieder zu vernehmende moderate Kritik derbeiden Regierungsfraktionen wird jedochim Zuge der Neuerungen ebenfalls offensi-ver, und es werden sowohl von der CDU alsauch der FDP Konsequenzen beim NSI-Projekt gefordert. Die in der Kreisverwal-tung aufgehenden Landesbehörden wärenvon den NSI auszunehmen, so die CDU.Weitere CDU-Fraktionsmitglieder betonen,dass die NSI nur Sinn machen, wenn dieuntere Verwaltungsebene künftig in dasNSI-Projekt eingebunden wird. Genau dieseEinbindung kann der dritten Verwaltungse-bene auf Grund ihrer Hoheitsstellung je-doch nicht aufgezwungen werden, was dieÜberlegung hinfällig macht, denn es ist of-fenbar, dass die Kreisebene an den NSI keinInteresse entwickeln wird. Auch die FDP-Fraktion macht klar, dass das NSI-Projektvon der Regierung überprüft und neu ju-stiert werden muss. Nach deren Ansichtsind Abstriche und eine zeitliche Streckungnotwendig, denn das neue Vorhaben hättedie Geschäftsgrundlage hinsichtlich desNSI-Vertrags verändert.

Wie ist die Situation Mitte 2003?

Die Sachlage ist durch die neuen Entwick-lungen komplexer geworden, und die künf-tigen Vorgehensweisen gelten innerhalbder Ministerialbürokratie Mitte 2003zunächst als weitestgehend ungeklärt. Ge-gen das Projekt steht eine geschlosseneFront, bestehend aus den Oppositionsfrak-tionen, Teilen des Rechnungshofs, den Ge-werkschaften und Personalräten und damiteinem Großteil der Bediensteten, ob an derBasis oder in den Führungsebenen. Es istschwer vorstellbar, dass eine erfolgreicheImplementation ohne deren partielle Ko-operation gelingen kann. Auch die Regie-rungsfraktionen distanzieren sich zuneh-mend. Auf der rechtfertigenden Seite befin-den sich seitens der Landesverwaltung dieVerantwortlichen aus Regierung und Mini-sterialbürokratie. Im August 2003 werdenschließlich auch bei der Regierung Überle-gungen laut, die NSI vertraglich zu begren-zen. Man ist hierbei allerdings auf die Ku-lanz des Vertragspartners angewiesen. Esist ersichtlich, dass Projekt einen schwerenStand hat und die Wahrscheinlichkeit einesScheiterns nicht unbegründet ist. Die Argu-mente werden in einem Folgebeitrag ergän-zend beleuchtet werden.

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Markus Reiners, Modernisierung der Landesverwaltung Baden-Württemberg

VM 2/2004 103

31 Vgl. Lehner 2002, S. 4 f.32 Weller 2000, S. 121 f.; vgl. Bogumil/Kißler

1998, S. 129 ff.

Vorbetrachtungen zu der Auslegung von Normen

Bevor die einzelnen Elemente und Ge-sichtspunkte (Regeln, Methoden etc.) derAuslegung von Normen näher beleuchtetwerden, sind einige Vorbetrachtungen an-gezeigt.

Die Interpretation der Verfassung

Die Verfassung unterliegt als Kodifikationnatürlich ebenso der Sinndeutung wie an-dere Regelwerke.43 Allerdings gilt es, Be-sonderheiten zu beachten, die durch denRang der Verfassung als Gipfel der Geset-zeshierarchie beeinflusst werden. Eskommt hinzu, dass die Verfassung mehr alsandere Vorschriften eine gewisse termino-logisch-begriffliche Offenheit aufweisen

muss, damit durch Exegese eine Anpas-sung an veränderte gesellschaftlich-techni-sche Rahmenbedingungen erleichtertwird,44 ohne dass stets eine Änderung desGesetzestextes notwendig wäre, die oh-nehin auf größere Hemmnisse stößt als dieNovellierung einfacher Gesetze (vgl. Arti-kel 79 GG). Freilich dürfen sprachlicheUngenauigkeiten nicht dazu führen, derVerfassung durch semantische Übungen ei-nen substanziell anderen Inhalt zu unterle-gen, oder besser gesagt zu unterschieben,45

als der Verfassungsgeber in sie gelegt hat.Denn selbst dem letztentscheidenden Inter-preten, dem BVerfG, fehlt – anders als demParlament – der unmittelbare demokrati-sche Auftrag für ein solches Unterfangen.

Für die Text- und Inhaltsanalyse derVerfassung sind Prinzipien und Paradigmenmaßgebend, die bei der Exploration anderer– untergeordneter – Rechtssätze nicht lei-tend sind. Dabei handelt es sich nicht um ei-genständige Auslegungsregeln, sondern umGrundsätze, die dem Ergebnis des Interpre-tationsvorganges den Weg weisen.

Einheit der Verfassung

Schon in einer frühen Entscheidung, derdie Literatur gefolgt ist,46 befand das Bun-desverfassungsgericht (BVerfG),47 eineeinzelne Verfassungsbestimmung könnenicht isoliert betrachtet und allein aus sich

heraus ausgelegt werden. Sie stehe in ei-nem Sinnzusammenhang mit den übrigenBestimmungen der Verfassung, die eineinnere Einheit darstellten. Aus dem Ge-samtinhalt der Verfassung ergäben sich ge-wisse Grundsätze und Grundentscheidun-gen, denen die einzelnen Verfassungsbe-stimmungen untergeordnet seien. – Somüsste man hier zur Beantwortung derFrage, ob der Bund die Kompetenz hat,das »Gesetz zur Verbesserung derAgrarstruktur« zu erlassen, nicht nur aufArtikel 91 a Absatz 1 Nr. 3 GG zurück-greifen, der im Übrigen eher für die Zu-ständigkeit der Länder streitet, sondern auf

Methodik der Auslegung in der Staats- und Verwaltungspraxis

(Teil 2)

von Hans Blasius

Recht und Wort sind Partner. Die Sprache ist Werkzeug, Materialund Produkt der Rechtsarbeit. Das Recht bedient sich der Alltags-und Umgangssprache; daneben hat sich das Fachvokabular eta-bliert. Namentlich Recht in Gestalt der Umgangssprache bedarfwegen mancher Unschärfe und Mehrdeutigkeit der Interpretation.Generell sind sämtliche Rechtserzeugnisse, also Normen, Verwal-tungsakte, privatrechtliche Willenserklärungen, Verträge etc., aus-legungsbedürftig. Der Rechtsanwender schöpft bei seinem seman-tischen Tun aus einem Fundus hermeneutischer, von der Dogmatikentwickelter Instrumente. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht derMethodenkanon, den die Wissenschaft für die Auslegung von Nor-men bereit stellt.

Dr. Hans Blasius warbis Ende Oktober 2001Vizepräsident des LandesrechnungshofesNordrhein-Westfalen.

Vom schwierigen Weg, mit Sollenssätzen das Sein zu beeinflussen

104 Verwaltung und Management10. Jg. (2004), Heft 2, S. 104-109

43 Deshalb gelten für die Interpretation von Ver-fassungsnormen die herkömmlichen Ausle-gungsregeln: Sachs, in: Sachs (Anm. 29) RdNr37 der Einführung; H. D. Jarass, in: Hans D.Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl.2002, RdNr 7 der Einleitung; Ingo von Münch,Staatsrecht, Bd. 1, 6. Aufl. 2000, S. 11 ff.

44 Stern (Anm. 12), S. 128: Die Gegenstände derVerfassung müssen zwangsläufig »breit undblankettartig« formuliert werden, vielfach inGestalt von Generalklauseln. Speziell mitBlick auf die Verfassung merkt Stern an, jederInterpretationsakt sei ein »Übergang vom Ab-strakten zum Konkreten«, und insofern sei In-terpretation stets »Normenkonkretisation«. –Generalklauseln, nicht nur in Verfassungen,»begünstigen Innovationen« und erlauben dasflexible Angleichen an veränderte »sozioöko-nomische und soziotechnische Gegebenhei-ten«: Hugger (Anm. 2), S. 283 ff. – EbensoJochen Rozek, in: Christian Starck (Hrsg.),Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 4. Aufl.2000, RdNr 48 zu Artikel 70 GG.

45 In diesem Sinne sind wohl auch Müller/Chri-stensen (Anm. 8), S. 105, zu verstehen.

46 Stellvertretend Sachs (Anm. 43) RdNr 50 derEinführung; v. Münch (Anm. 43), S. 13; der-selbe, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig (Hrsg.),Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl.2000, RdNr 57 der Vorbemerkungen zu denArtikel 1-19; Jarass (Anm. 43), RdNr 7 derEinleitung. – Im Grunde handelt es sich umein Axiom, das dem Denken in Systemen undHierarchien entspringt, welches in dem umfas-senden Prinzip von der Einheit der Rechtsord-nung Gestalt und Ausdruck findet: In diesemSinne Rolf Wank, Die Auslegung von Geset-zen, 2. Aufl. 2001, S. 63.

47 BVerfGE 1, S. 14 ff. (32 f.), Urteil vom 23.Oktober 1951.

weitere Vorschriften des Grundgesetzes,etwa Artikel 72 Absatz 2 sowie Artikel 74Nr. 12 (Sozialversicherung), Nr. 17, Nr. 18(landwirtschaftliches Pachtwesen), evtl.Nr. 20 (Lebens- und Genussmittel, Futter-mittel, land- und forstwirtschaftlichesSaat- und Pflanzgut), ggf. sogar Artikel 75Absatz 1 Nr. 3 GG.

Größtmögliche Effektivität

Speziell für die Interpretation der Grund-rechtsverbürgungen betont das BVerfG,48

dass im Zweifel diejenige Auslegung zuwählen sei, welche »die juristische Wir-kungskraft der Grundrechtsnorm am stärk-sten entfaltet.« Ingo von Münch49 vertrittden Standpunkt, dieses Auslegungsprinzipgelte für alle Verfassungs-, nicht nur für dieGrundrechtsvorschriften. Es existiere indes-sen keine allgemeine Auslegungsregel derFreiheitsvermutung.50 Gäbe es beispiels-weise eine – heute wegen des Gebots ge-schlechtsneutraler Formulierung so nichtmehr lautende – Grundrechtsregel folgen-den Inhalts: »Jeder, der mindestens dreißigJahre lang berufstätig war, hat einen An-spruch auf angemessene Altersversorgung«,dann stünde dieses Recht ebenso den Frau-en zu (Artikel 3 Absatz 2, Artikel 117 Ab-satz 1 GG), und über den Kreis der abhän-gig Beschäftigten hinaus zum Beispiel auchden Freiberuflern und den Gewerbetreiben-den (Artikel 2 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1,Artikel 12 Absatz 1 u. 2, evtl. Artikel 14Absatz 1 S. 1 Altern. 1 GG).

Verfassungskonforme Auslegung

Dieses Postulat betrifft nicht die Interpre-tation der Verfassung, sondern setzt Maß-stab und Ziel für die Analyse von Bestim-mungen unterhalb der Verfassung.51 Es be-sagt, dass ein Gesetz im Zweifel imEinklang mit der Verfassung auszulegenist, sofern die herkömmlichen Interpretati-onsregeln bei mehreren Deutungsmöglich-keiten ein solches Verständnis und Resul-tat (noch) zulassen.52 Nicht ohne Grundwarnen allerdings Müller/Christensen53

vor dem Überschreiten philologischerSchranken: Auch die verfassungskonformeAuslegung finde ihre Grenze am Wortlautdes Normtextes. Diese Grenze sei verletzt,wenn die mit Hilfe der verfassungskonfor-men Auslegung gewählte Variante auf eineKorrektur der vom Gesetzgeber getroffe-nen Aussage hinauslaufe. Hingegen hatdas BVerfG54 in seinem Beschluss vom27. Januar 1998 den Standpunkt einge-nommen, eine Auslegung gegen den Wort-laut eines Rechtssatzes sei dann nicht vonvornherein ausgeschlossen, wenn andereIndizien eindeutig belegten, dass der Sinn

der Norm im Text unzureichend Ausdruckgefunden habe.

Das Prinzip der verfassungskonformenAuslegung steht nicht isoliert im Raume,sondern ist selbst Ausprägung eines um-fassenderen Theorems: Nachrangige Vor-schriften sollten zur Vermeidung ihrerNichtigkeit bei verschiedenen Deutungs-versionen möglichst so gelesen werden,dass sie höherrangigen Rechtssätzen nichtwidersprechen. In diesem Sinne formuliertbeispielsweise Achterberg55 die Begriffe»gesetzeskonforme Auslegung« und»normkonforme Interpretation«. Würdeetwa in unserem Falle eine auf Grund desGesetzes ergangene Rechtsverordnung dieBewilligung der Altersbeihilfe davon ab-

hängig machen, dass Anträge nur einmaljährlich nach dem Abschluss der Ernte ge-stellt werden dürfen, so wäre eine solcheEinschränkung ohne entsprechende gesetz-liche Grundlage unzulässig und könnte,falls nicht als nichtig einzustufen, im Sinneeiner Soll-Vorschrift interpretiert werden,auf deren Einhaltung es für die Gewährungder Beihilfe aber nicht ankäme. – MehrereAutoren weisen in diesem Zusammenhangauf das zunehmend wichtige europäischeRecht hin: Nationales Recht muss – auch –im Kontext der Einwirkungen der EU-Rechtsordnung betrachtet und interpretiertwerden. Mit anderen Worten: Über die un-mittelbare Geltungskraft bestimmter Nor-men des EU-Rechtes hinaus muss deut-sches Recht gemeinschaftskonform, spezi-ell bei den auf Grund des Artikel 249Absatz 3 EG-Vertrag ergangenen Vor-schriften richtlinienkonform ausgelegtwerden.56 In dem hier konstruierten Geset-zesfall spielt EU-Recht ohnehin eine be-deutsame Rolle, da ein Großteil der EU-Fördermittel für den Agrarsektor bereit-steht und zahlreiche EU-Regelungenexistieren, welche die Landwirtschaft, na-mentlich deren Subventionierung betref-fen. Gäbe es zum Beispiel eine EU-Be-stimmung, die definierte, was unter Land-wirtschaft zu verstehen ist, so wären diestaatlichen deutschen Organe des Bundesund der Länder, hier: Gesetzgeber, Regie-rungen und auch Gerichtsbarkeit, gehalten,sich bei der Anwendung unseres fiktiven

Gesetzes und bei der Deutung der einzel-nen Rechtssätze an den Vorgaben des EU-Rechtes zu orientieren.

Weite und enge Auslegung; Grenzen derAuslegung

Häufig begegnet man, etwa in Gerichtsent-scheidungen oder Kommentaren, der For-mulierung, ein Wort oder ein (Rechts-)Satz sei weit oder eng ausgelegt wordenbzw. auszulegen. Nicht immer allerdingsist klar, was diese Aussage konkret bedeu-tet. In Anlehnung an Larenz,57 der auf den»Anwendungsbereich« der interpretiertenNorm abhebt, sollte man von weiter (aus-dehnender, extensiver) Auslegung dann

sprechen, wenn die Zahl der Elemente, dieunter die Bezeichnung fällt, groß ist. Eng(einengend, restriktiv) wäre die Ausle-gung, wenn die Menge der Elemente, dievon dem Begriff erfasst werden, klein(er)ist. Eng wäre in unserem Beispielsfalle dieInterpretation des Ausdrucks »Landwirt«,wenn hierunter nur Bauern zu verstehenwären, die Ackerwirtschaft betreiben. Als

Hans Blasius, Methodik der Auslegung in der Staats- und Verwaltungspraxis

VM 2/2004 105

»Mehr als andere Vorschriften muss die Verfassung begriffliche Offenheit aufweisen,damit durch Exegese eine Anpassung anveränderte gesellschaftlich-technische Rahmenbedingungen erleichtert wird.«

48 Stellvertretend BVerfGE 39, S. 1 ff. (38), Ur-teil vom 25. Februar 1975.

49 v. Münch (Anm. 43), S. 13; ähnlich auch Ja-rass (Anm. 43), RdNr 9 der Einleitung, derden Begriff »optimale Wirksamkeit« verwen-det.

50 v. Münch (Anm. 46), RdNr 51 der Vorbemer-kung zu den Artikel 1-19 GG.

51 Dazu Th. Clemens in: Dieter C. Umbach/Tho-mas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I,2002, RdNr 59 vor Artikel 2 ff.; H. Dreier in:Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I,1996, RdNr 61 zu Artikel 1 Absatz 3; Sachs(Anm. 43), RdNr 52-56 der Einführung.

52 Stellvertretend BVerfGE 69, S. 1 ff. (55), Ur-teil vom 24. April 1985.

53 Müller/Christensen (Anm. 8), S. 105.54 BVerfGE 97, S. 186 ff. (196).55 Norbert Achterberg, Allgemeines Verwal-

tungsrecht, 1988, S. 25 f. – Ebenso Wank(Anm. 46), S. 66 ff., der den Terminus »rang-konforme Auslegung« verwendet.

56 Müller/Christensen (Anm. 8), S. 321 ff.; Ja-rass (Anm. 43), RdNr 41 zu Artikel 23 sowieRdNr 9 der Einleitung.

57 Larenz (Anm. 24), S. 353 ff. – Die Linguistikverwendet in diesem Zusammenhang den Be-griff »Extension«, vgl. Bußmann (Anm. 1), S.232.

weit(er) stellte sich die Auslegung dar,wenn unter den Terminus »Landwirt« auchViehhalter, Winzer, Imker und Binnenfi-scher fielen, weil deren Zahl (einschließ-lich der Ackerbauern) insgesamt größer istals die Menge der Ackerbauern allein.

Nach überwiegender Auffassung mar-kiert der »mögliche Wortsinn« die Grenzeerlaubter Auslegung von Rechtsvorschrif-ten. Allerdings kann es im Einzelnenschwierig sein, nachvollziehbar zu begrün-den, dass das Feld der Interpretation nichtverlassen und demgemäß die Zone derRechtsfortbildung noch nicht betreten ist.58

Die Rechtsfortbildung bedient sich man-nigfacher dogmatischer Ansätze und Figu-ren, die hier zwar aufgezählt, aber nichtnäher erläutert werden können:59 Analo-

gie, verfassungskonforme Ergänzung, ar-gumentum a fortiori mit seinen verschiede-nen Formen, Umkehrschluss sowie teleo-logische Reduktion (Restriktion). Ein Fallformal zulässiger Rechtsfortbildung durchAnalogie wäre es, wenn man den gesetzli-chen Beihilfeanspruch auf Küstenfischerausdehnte, weil gewisse Parallelen zwi-schen diesem Berufszweig und den Land-wirten bestehen. Schwerlich zu begründenwäre es, wenn man den Anspruch durchAnalogieschluss auf die Züchter von Pelz-tieren erstrecken wollte. Ein Fall der teleo-logischen Reduktion könnte evtl. anzuneh-men sein, wenn man Großagrarier von derAnspruchsberechtigung mit der Begrün-dung ausschließen wollte, sie bedürftenwegen der Ertragskraft ihrer Betriebe kei-ner (zusätzlichen) Alterssicherung. Be-zweckte das Gesetz allerdings nicht (vor-rangig) die Altersversorgung der Landwir-te, sondern die Verringerung derlandwirtschaftlichen Produktion, so wäreein Ausschluss dieser Gruppe von der Be-willigung der Altersbeihilfe mittels Re-striktion nicht zu rechtfertigen.

Theorien zur Interpretation und die verschiedenen Arten derAuslegung

Theorienstreit

Bei diesem für die Praxis wenig bedeutsa-mem, also vorwiegend akademischem

Streit geht es – verkürzt – um die Frage,ob die Auslegung sich an dem »Willen«des historischen Gesetzgebers, seinenÜberlegungen und Vorstellungen, zu ori-entieren habe (subjektive Theorie), oder andem im Gesetz enthaltenen Sinn, den es zuerhellen gelte (objektive Theorie). Soweiterkennbar, wird nicht einmal in der Litera-tur die subjektive Theorie als einzig denk-bares Argumentationsregime gepriesen,zumal es schwierig wäre, zuverlässig undgültig festzustellen, wer genau der Gesetz-geber ist und welche Materialien im Ein-zelnen durchleuchtet werden müssten.60

Letztlich ausschlaggebend für die rechts-dogmatische Skepsis ist die Sorge, bei ei-ner der Vergangenheit, nämlich der Entste-hung des Gesetzes verhafteten Deutung

könnten neuere wissenschaftliche, techni-sche, soziale, kulturelle Erkenntnisse, Ge-gebenheiten, Entwicklungen und Wertun-gen ausgespart bleiben, so dass die (inter-pretierten) Aussagen des Gesetzes denErfordernissen der Gegenwart nicht ge-recht würden. Deshalb kommt es auchnicht darauf an, ob es überhaupt den Wil-len und das Wollen einer so großen, hete-rogenen Personengesamtheit, des Gesetz-gebers, geben kann,61 zumal im gleichenAtemzuge bestritten wird, dass Gesetzeüber einen Willen verfügten. Wenn mandaher den Theorienstreit schon nicht als

überflüssig oder gar unbrauchbar qualifi-zieren mag, so muss man mit Larenz je-denfalls zu dem Urteil gelangen, dass inden Prozess und das Ergebnis der Ausle-gung alle, das heißt sowohl objektive wiesubjektive Elemente einzubeziehen sind.62

Die verschiedenen Arten der Auslegungund ihr Verhältnis zueinander

Es ist hier nicht zu erörtern, ob es sich beiden verschiedenen Arten der Auslegungvon Gesetzen lediglich um unterschiedli-che Gesichtspunkte, Kriterien, Momente(Larenz), Elemente oder Argumente han-delt, oder um mehr oder weniger eigen-ständige und spezifische Sichtweisen,Grundsätze, Regeln, Methoden, Ebenen,Muster, und wie viele Figuren dieser Gat-tung begegnen. Der Einfachheit halberwird die Darstellung auf den klassisch-tra-ditionellen, schon von F. C. von Savignydiskutieren Vierer-Kanon beschränkt:� philologische Interpretation� systematische Interpretation� teleologische Interpretation� historische Interpretation.Wie schon erwähnt, ist außer Streit, dassder Vorgang der Interpretation mit derAnalyse des Wortlautes der Vorschrift, alsomit dem Ausmessen der philologischen (le-xikalischen, grammatischen) Konturen auf-genommen wird, nicht zuletzt deshalb, weilder Normtext von dem demokratisch legiti-mierten Gesetzgeber unmittelbar erzeugtist.63 Was für das Freilegen des Wortsinnesgilt, beansprucht Geltung nicht minder fürdie systematischen Strukturen, sind diesedoch ebenfalls unmittelbar zu entnehmender äußeren Gliederung, zum Beispiel denÜberschriften einzelner Paragraphen, Ab-schnitte etc., und dem inneren Aufbau des

Vom schwierigen Weg, mit Sollenssätzen das Sein zu beeinflussen

106

zum Beispiel E 1, S. 299 ff. (312) und E 11, S.126 ff. (129 f.) – auf den »objektivierten Wil-len des Gesetzgebers« beruft, tatsächlich aberhäufig die Motive und Intentionen des psycho-logisch-historischen Gesetzgebers (Larenz)zur Untermauerung seiner Entscheidungenbemüht: Joachim Rahlf, Die Rolle der histori-schen Auslegungsmethode in der Rechtspre-chung des BGH, in: v. Savigny (Anm. 12), S.27 ff; ebenso ausdrücklich BGHZ 46, S. 79 f.– Eine ähnliche Tendenz stellen Müller/Chri-stensen (Anm. 8), S. 43, für die Auslegung desGrundgesetzes durch das BVerfG fest.

62 Larenz (Anm. 24), S. 318.63 Stellvertretend BGHZ 46, S. 76; Larenz

(Anm. 24), S. 321 f.: Der Wortlaut bildet denAusgangspunkt und zugleich die Grenze derAuslegungstätigkeit; Müller/Christensen(Anm. 8), S. 148, 391; Gern (Anm. 60), S. 432ff., folgert aus dem Demokratie- und aus demRechtsstaatsprinzip nicht nur eine zeitlicheAbfolge des Interpretationsablaufes, sondernauch einen Vorrang, also ein Übergewicht derWortinterpretation gegenüber den anderenAuslegungsmodi.

»Es kann im Einzelnen schwierig sein, dasFeld der Auslegung von Rechtsvorschriften

von der Zone der Rechtsfortbildung abzugrenzen.«

58 Dazu stellvertretend Larenz (Anm. 24), S.367; Maximilian Herberger/Hans-JoachimKoch, Zur Einführung: Juristische Methoden-lehre und Sprachphilosophie, JuS 1978, S. 810ff. (811, 813 f.); Müller/Christensen (Anm. 8),S. 244 ff.; BGHZ 46, S. 74 ff. (78 f.), Urteilvom 30. Juni 1966.

59 Einzelheiten hierzu etwa bei Larenz (Anm.24), S. 366 ff.; Wank (Anm. 46), S. 95 ff.; sie-he noch die Beispiele bei Blasius (Anm. 3), S.103 ff.

60 Dazu Larenz (Anm. 24), S. 318; Müller/Chri-stensen (Anm. 8), S. 275 ff., 376 f.; Wank(Anm. 46), S. 35; Alfons Gern, Die Rangfolgeder Auslegungsmethoden von Rechtsnormen,VerwArchiv 80. Bd., 1989, S. 415 ff., (S. 419f.); Blasius (Anm. 3), S. 90 f.

61 Hierzu und zu dem Folgenden stellvertretendMüller/Christensen (Anm. 8), S. 378 ff.: DerWille des Gesetzgebers sei eine Chimäre undder Wille des Gesetzes ein Phantom. – Bemer-kenswert ist in diesem Zusammenhang, dassder Bundesgerichtshof (BGH) in Strafsachensich in Übereinstimmung mit dem BVerfG –

betreffenden Gesetzes, aber auch dem Ge-füge und den Bezügen der gesamten, vondem Gesetzgeber geschaffenen Rechtsord-nung. Besonders deutlich wird dieser ge-genüber anderen Elementen dominierendeRang bei den bereits dargestellten Prinzipi-en der verfassungskonformen und der amEU-Recht orientierten Auslegung. – Oft-mals wird der Interpretationsvorgang abge-schlossen mit teleologischen Erwägungen.Konsequent ist dies jedenfalls dann nicht,wenn man mit dem BVerfG64 behauptet,der Entstehungsgeschichte einer Vorschriftkomme für die Auslegung nur insofern Be-deutung zu, als sie die Richtigkeit einernach den anderen Grundsätzen ermitteltenDeutung bestätige oder Zweifel behebe.Allerdings herrscht Einigkeit in einemPunkte: Die Historie darf nur dann Auf-merksamkeit beanspruchen, wenn der Wil-le des Gesetzgebers »in dem Gesetz selbsteinen hinreichend bestimmten Ausdruckgefunden hat.«65 Insgesamt bleibt festzu-halten, dass dem Ziel, den in der Vorschriftobjektivierten Willen des Gesetzgebers zuerfassen, die »nebeneinander zulässigen,sich gegenseitig ergänzenden Methodender Auslegung aus dem Wortlaut derNorm, aus ihrem Zusammenhang, ausihrem Zweck sowie aus den Gesetzesmate-rialien und der Entstehungsgeschichte (die-nen)«.66 Dabei dürfen die verschiedenenAspekte nicht isoliert werden, sondernmüssen zusammenspielen, da es sich beiden Auslegungskriterien nicht um je eigen-ständige Methoden handelt, sondern umunterschiedliche Gesichtspunkte eines ein-heitlichen Arbeitsganges, die immer dannzu berücksichtigen sind, wenn sie etwaszur Deutung des interpretierten Rechtssat-zes hergeben.67

Die einzelnen Auslegungskriterien

Philologische Auslegung

Das philologisch geprägte Vorgehen be-steht darin, den Wortlaut des Gesetzes se-mantisch-hermeneutisch zu analysieren,das heißt verstehend in den Normtext ein-zudringen, um den sprachlichen Wesens-gehalt der rechtlichen Aussagen zu ergrün-den. Es wurde bereits erwähnt, dass derErkenntnisprozess seinen Beginn vomWortlaut aus nimmt – und dort auch endet.Aber das ist leichter gesagt als getan, dennschon die Umgangssprache ist vieldeutig-schillernd. Neben sie tritt für Rechtstextedie zwar präzisere, keineswegs jedochstets eindeutige Fachsprache, hier in Ge-stalt der Gesetzessprache, welche – nichtunumstritten – in der Regel dem allgemei-nen Sprachgebrauch vorgeht.68

Was ein »Landwirt« ist, scheint auf denersten Blick frei von Zweifeln zu sein,nämlich eine Person, die Land bewirt-schaftet. Gewiss gibt es Gruppen, die un-strittig als Landwirte zu qualifizieren sind,etwa Personen, die im Vollerwerb als Ei-gentümer ihrer Scholle Ackerwirtschaftbetreiben. Pächter solcher Betriebe dürftenebenfalls dazu gehören, Verpächter hinge-gen schwerlich. Wer Rinder mästet, um siean Schlachthöfe und Metzger zu verkau-fen, ist gleichfalls Landwirt, obwohl seineTätigkeit kaum dem Berufsbild frühererZeiten entspricht, wenn er kein eigenesLand besitzt und deshalb das Viehfuttervon Dritten beziehen muss. Züchtet je-

mand Tiere, welche zum Füttern vonSchlangen in zoologischen Gärten be-stimmt sind, so dürfte es sich mitnichtenum einen Landwirt handeln. Kein Land-wirt ist eine Person, die Blindenhundezüchtet, während jemand, der ausschließ-lich Hofhunde oder Hunde zur Bewachungvon Schafherden heranzieht, möglicher-weise als Grenzfall betrachtet werdenmuss. Wer berufsmäßig zum Verzehr be-stimmte Forellen aufzieht, wird wohl alsLandwirt anzusehen sein, anders als jener,der Zierfische züchtet und verkauft. Frag-lich ist, ob jemand als Landwirt bezeichnetwerden darf, der im großen Stile Hochsee-fischerei betreibt, bei der die gefangenenTiere noch auf dem Schiff zu Fischkonser-ve verarbeitet werden. – Wegen der großenVielfalt der Fallgestaltungen reicht esmeist nicht aus, vermittelt aber einen Ein-stieg in die Diskussion, wenn Werke derLinguistik (Sprachwissenschaft) zu Rategezogen werden, zum Beispiel Lexika, Be-deutungs- und Herkunftswörterbücher,Abhandlungen über die Regeln der Gram-matik oder sprachphilosophische Literatur.

Systematische Auslegung

Dieser Argumentationstypus führt über dieErkundung der sprachlichen Substanz ein-zelner Wörter und Sätze hinaus, indem ge-wissermaßen das Innere einer Norm ver-mittels ihres Standortes, ihrer Funktion, ih-rer Einbindung in das Gesetz, aber auchvermöge ihrer Stellung in dem – im Ideal-fall widerspruchsfreien – Gefüge der ge-samten Rechtsordnung aufgedeckt wird.

Es gilt, den Sinnzusammenhang und denKontext, in welche die gedeutete Rechtsre-gel hineingestellt ist, zu enthüllen und fest-zuhalten. Selbst die äußere Gliederung unddie Verankerung der interpretierten Vor-schrift in diesem Rahmen lassen Folgerun-gen über den Inhalt der Norm zu.69 Somüssten in unserem Beispielsfall bei derAbklärung des Zentralbegriffes »Land-wirt« zum Vergleich andere Gesetze nutz-bar gemacht werden. Es drängt sich auf,das »Gesetz zur Förderung der Einstellungder landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit«zu befragen, das eine ähnliche Zielrichtungwie unser fiktives Gesetz zu verfolgenscheint.70 Ebenso hilfreich wäre es, das

»Gesetz über die Alterssicherung derLandwirte« zu durchmustern oder einenBlick in das Einkommensteuergesetz(EStG) zu werfen. Dann würde man bei-spielsweise erfahren, dass das »Gesetzüber die Alterssicherung der Landwirte«die Forstwirtschaft offenbar direkt zurLandwirtschaft rechnet (§ 1 Absatz 4),während §§ 2 Absatz 1 Nr. 1, 13 EStG dieForstwirtschaft gegenüber der Landwirt-schaft anscheinend als eigenständig, die

Hans Blasius, Methodik der Auslegung in der Staats- und Verwaltungspraxis

VM 2/2004 107

»Die Interpretation des Wortlauts von Vorschriften kann philologisch, systematisch,teleologisch oder historisch ansetzen.«

64 BVerfGE 1, S. 299 ff. (312).65 BVerfGE 11, S. 126 ff. (130). – An der Rich-

tigkeit dieser These könnten Zweifel bei derLektüre der erwähnten Entscheidung vom 27.Januar 1998 aufkommen (vgl. Anmerkung 54).

66 BGHZ 46, S. 76, bezugnehmend auf dieRechtsprechung des BVerfG und des BGH.

67 Larenz (Anm. 24), S. 319, unter Berufung aufv. Savigny. Mit Müller/Christensen (Anm. 8),S. 373, ist daher zumindest für die Praxis da-von auszugehen, dass im einzelnen Fall nurjene »Konkretisierungsaspekte« herangezogenund aktualisiert werden sollten, die etwas zurLösung des Problems beizutragen vermögen.

68 So Larenz (Anm. 24), S. 321 f., und Wank(Anm. 46), S. 50 f.

69 Zum Ganzen Larenz (Anm. 24), S. 324 ff., so-wie Wank (Anm. 46), S. 63 ff.

70 Als der Verfasser das »Gesetz zur Verbesse-rung der Agrarstruktur« konstruierte, gab esdas »Gesetz zur Förderung der Einstellung derlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit« vom21. Februar 1989 noch nicht (vgl. Blasius,Anm. 1, S. 326). Da es hier nicht um eine rea-listische Interpretation geht, sondern um eineDarstellung für Lehrzwecke, hat der Verfasserdieses fiktive Gesetz beibehalten. Bestündenbeide Gesetze tatsächlich nebeneinander,wären neben den Auslegungsproblemen auchnoch Konkurrenzkonflikte zu erörtern.

Einkünfte hieraus indessen als gleichartigbehandelt. Jedenfalls wäre darüber zu de-battieren, welche Auswirkung diese unter-schiedliche Darstellung in den beiden ge-nannten Gesetzen für die Exegese unseresGesetzes hätte.

Teleologische Auslegung

Die unter diesen Terminus gestellte Argu-mentationsweise bildet vielfach den Kerndes Interpretationsprozesses, soll sie dochden Zweck (griech. télos), gleichsam die inWorte gekleideten Vorstellungen undIdeen des Gesetzes offen legen. Es gehtalso darum, die Ratio der Norm, das heißtdie mit dem Gesetz – objektiv – verfolgtenZiele festzustellen und sie zum Maßstabder Ausdeutung zu erheben. Larenz71 be-merkt, dass mit jedem Gesetz unabhängig

von seinen spezifischen Intentionen objek-tive, allgemeine Zwecke erreicht werdensollen, als da sind die Sicherung desRechtsfriedens, der Schutz der Güter undihre gerechte Verteilung, die ausgewogeneBewertung und angemessene Berücksichti-gung der im Spiel befindlichen Interessen.Die meisten Gesetze, so Larenz, erstrebteneine sachgemäße Ordnung, die der Eigen-art und Natur des Regelungsgegenstandesadäquat sei. Dazu gehöre an vorderer Frontdas Prinzip der Gleichbehandlung desGleichartigen.

Bei unserem Gesetz wäre etwa zu fra-gen, ob die Regelung dazu dienen soll, dieÜberproduktion von Agrarerzeugnissen zudrosseln. Dann wäre der Ausdruck »Land-wirt« so auszulegen, dass möglichst nurjene Zweige erfasst werden, welche land-wirtschaftliche Produkte im Übermaß her-stellen, also nicht etwa die Binnenfischereioder die Imkerei. Keinen Unterschied wirdman zum Beispiel nach der Größe des Be-triebes oder den Eigentumsverhältnissenam Unternehmen machen können, wobeiallerdings Verpächter – wie bereits an an-derer Stelle dargetan – kaum als Landwirteim Sinne des Gesetzes angesehen werdenkönnen. Liegen dem Gesetz hingegen so-ziale Erwägungen zu Grunde, dann wirdman, falls der Wortlaut das (noch) erlaubt,nach der Ertragskraft oder auch nach derGröße des Betriebes oder nach anderen

materiellen Merkmalen differenzieren kön-nen. So müssten beispielsweise Nebener-werbsgärtner, wenn diese Kategorie über-haupt unter den Begriff »Landwirt« subsu-miert werden kann, jedenfalls dann vonden Wohltaten des Gesetzes ausgeschlos-sen werden, wenn ihre Altersversorgunganderweitig sichergestellt ist. Zu diskutie-ren wäre ferner, ob die Altersbeihilfe nachdem Anliegen des Gesetzes nur den Be-triebsinhabern, den landwirtschaftlichenUnternehmern, zu gute kommen oder obdie Beihilfe auch den abhängig Beschäftig-ten zustehen soll. Für diese Alternativekönnte ins Feld zu führen sein, dass dasGesetz von den »in der Landwirtschaft be-schäftigten Personen« spricht und davon,»dass sie ihren Beruf aufgeben«, und nichtetwa formuliert ist: »Landwirte erhalten ...,wenn sie ihren Betrieb aufgeben.«

Zu beachten bleibt, dass sich die Beur-teilung und Bewertung der Dinge im Laufeder Zeit ändern kann, was freilich bei unse-rem Gesetz wegen seiner verhältnismäßigkurzen Geltungsdauer kaum zutreffen dürf-te.72 So können sich die inhaltlichen Maß-stäbe der Auslegung eines Gesetzes infolgegewandelter technischer, wirtschaftlicher,wissenschaftlicher, gesellschaftlicher Ge-gebenheiten73 oder moralisch-sittlicher An-schauungen verschieben. Könnten etwa inunserem Falle infolge neuer klimatischerBedingungen Lebensmittel nicht mehr inausreichender Menge erzeugt werden, dannmüsste ggf. der Begriff »Landwirt« künftigeng(er) interpretiert werden.

Historische Auslegung

Allzu oft lassen weder Wortlaut und Sinn-zusammenhang, noch die hierauf fußendeteleologische Sichtweise zweifelsfrei er-kennen, welche Zwecke der Norm inne-wohnen. Es bleibt dann gar nichts anderesübrig, als die Vergangenheit in Erinnerungzu rufen und die Geschichte sprechen zulassen. Ob man dabei mit Müller und Chri-stensen74 von zwei verschiedenen Metho-den ausgehen oder – wie es allgemein ge-halten wird – innerhalb dieser Regel diffe-renzieren sollte, kann offen bleiben;jedenfalls sollte man zwei unterscheidbareArgumentationsblöcke bilden:

� Die historische Auslegung im engerenSinne beschäftigt sich mit Normvorbil-dern und Normvorläufern, forscht alsodanach, ob es bereits vorher ein Gesetzähnlichen Inhalts gab, das vielleicht nurumgestaltet worden ist. Ebenso müsstein diesem Zusammenhang die Frageaufgeworfen werden, ob andere Staaten,besonders der Europäischen Union an-gehörende, vor vergleichbaren Schwie-rigkeiten stehen oder standen und wel-che gesetzlichen Wege sie zur Lösungoder Entschärfung der Probleme disku-tiert und beschritten haben.

� Die genetische Auslegung führt dieEntstehungsgeschichte des Gesetzes vorAugen und durchgräbt die Gesetzesma-terialien danach, ob sie Andeutungenund Anhaltspunkte oder auch handfesteBelege darüber enthalten, was Ursache,Motiv und Anlass für das Tätigwerdendes Normgebers war. Zwar kann nichtdie »subjektive Vorstellung der am Ge-setzgebungsverfahren beteiligten Orga-ne oder einzelner ihrer Mitglieder« aus-schlaggebend sein,75 denn »der Staatspricht nicht in den persönlichen Äuße-rungen der an der Entstehung des Ge-setzes Beteiligten, sondern nur im Ge-setz selbst.«76 Gleichwohl könnenVerlautbarungen, die sich in Entwürfen,Begründungen, Vorlagen für das Parla-ment und Beratungsprotokollen finden,als hermeneutische Erkenntnisquellenergiebig sein.77 Der BGH78 steht zudem Befund, dass der Zweck einer Vor-schrift sich mitunter »zweifelsfrei nuraus ihrer Entstehungsgeschichte entneh-men (lässt).« Trotz mancher gegenteiligklingender Sätze habe die höchstrichter-liche Rechtsprechung die Entstehungs-geschichte immer wieder maßgeblichherangezogen. Die Gesetzesmaterialienerbrächten oft geradezu einen Beweisdafür, welche wirtschaftlichen und so-zialen Verhältnisse die Gesetzesverfas-ser vor Augen hatten, von welchemRechtszustand man ausging und wel-chen Reformbestrebungen der Gesetz-geber Rechnung tragen wollte. – In un-

Vom schwierigen Weg, mit Sollenssätzen das Sein zu beeinflussen

108

71 Larenz (Anm. 24), S. 333 f.72 Wank (Anm. 46), S. 39 ff., misst der Dauer ei-

nes Gesetzes ebenfalls Bedeutung bei: Je jün-ger ein Gesetz sei, um so eher sei es so auszu-legen, wie der historische Gesetzgeber esverstanden habe.

73 Hierzu BVerfGE 74, S. 297 ff. (350 ff.), Be-schluss vom 24. März 1987, zu dem Begriff»Rundfunk« iSv Artikel 5 Absatz 1 S. 2 GG.

74 Hierzu und zu dem Weiteren Müller/Christen-sen (Anm. 8), S. 275 f.

75 BVerfGE 1, S. 312.76 BVerfGE 11, S. 130.77 Larenz (Anm. 24), S. 328 ff.78 BGHZ 46, S. 79 f.

»Die Deutung gesetzlicher Bestimmungen liefert selten das einzig richtige Ergebnis,

sondern es bieten sich oftmals mehrere vertretbare Lösungen.«

serem Beispielsfalle wären die Materia-lien daraufhin zu durchforsten, welcheLage der Gesetzgeber im Zeitpunkt desWerdens des Gesetzes anzutreffenglaubte, ob und ggf. auf welchen Sekto-ren die Überproduktion landwirtschaft-licher Erzeugnisse festgestellt oder pro-gnostiziert wurde, ob nach derEinschätzung von Parlament und Regie-rung zu viele Menschen in der Land-wirtschaft, ggf. in welchen Zweigentätig waren, oder ob die Besorgnis be-stand, die Alterssicherung der in derAgrarwirtschaft Beschäftigen könne aufeinem anderen Weg als dem neuen Ge-setz nicht gewährleistet werden.

Schlussbemerkung

Recht und Sprache gehen auf allen Ebenen– Normgebung, staatlicher wie privaterVollzug der Gesetze, Judikatur – eineenge, wechselseitige Verbindung ein.Recht ist ohne Sprache, ohne gesprochenesund geschriebenes Wort, praktisch nichtexistent. Gesetzgeber und Rechtsanwendertrifft daher die Pflicht, Rechtstexte so zu

verfassen, dass die ihnen immanentenrechtlichen Aussagen klar und zweifelsfreiersichtlich sind. Rechtskundige wissen esund Laien erfahren es, dass dieses hoheZiel bisweilen verfehlt wird, namentlichwegen der Komplexität der Materie undnaturgegebener Unschärfen der Sprache.Deshalb besteht immer wieder der Zwang,Rechtsdokumenten mit Hilfe der Interpre-tation Antwort zu entlocken auf die Frage,was ihr erklärter Wille, welcher Sinn denWorten und Sätzen beizulegen, wie derText in seinem Aussagegehalt zu verste-hen, was also rechtlich gewollt und beab-sichtigt ist. Die Notwendigkeit dieser exe-getischen Prozedur betrifft abstrakt-gene-relle Rechtsregeln, nicht minderkonkret-individuelle Einzelakte, also vor-nehmlich einseitige Willenserklärungen,Verträge und Verwaltungsakte. Schwer-punkt dieses Beitrags war es, allgemeinemethodische Aspekte und die verschiede-nen Argumentationsmuster der Deutunggesetzlicher Bestimmungen darzustellen.Dabei sollte auch gezeigt werden: Es gibtselten das einzig richtige Ergebnis, son-dern es bieten sich oftmals mehrere ver-tretbare Lösungen des Rechtsfalles. Das

hängt damit zusammen, dass der Prozessder Interpretation kein streng formal-logi-sches Verfahren ist, bei dem die Folgerungschlicht aus der Verknüpfung von Prämis-sen abgeleitet wird. Vielmehr handelt essich um einen durch theoretische Erkennt-nisse geleiteten Vorgang, bei dem aus ei-ner Gesamtschau sämtlicher Gesichtspunk-te und nach Abwägung aller Argumentedie Entscheidung für jene Variante getrof-fen wird, für welche die meisten Gründesprechen und die demzufolge der Mehr-zahl der Teilnehmer eines geistig-virtuel-len Diskurses überzeugend erscheint. Einsolches Vorgehen nimmt für sich – tref-fend – das Prädikat »wissenschaftlich« inAnspruch. Daher muss dieses Verfahrendie Regeln der Logik79 beachten, darf alsokeine widersprüchlichen Aussagen dulden,und es hat die Ergebnisse wie auch denWeg zu ihnen nachvollziehbar und somitkontrollierbar80 aufzubereiten.

Hans Blasius, Methodik der Auslegung in der Staats- und Verwaltungspraxis

VM 2/2004 109

79 Stern (Anm. 12), S. 125 f., erwähnt übrigensneben den vier klassischen Auslegungsmittelnals weitere die logische sowie die komparati-ve Interpretation.

80 Luhmann, Rechtssoziologie 2, 1972, S. 282 ff.

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KDN ist Dachverband kommunaler IT-Dienstleister

Zu einer konstituierenden Verbandsversammlung kamen die Ver-waltungsspitzen der KDN Ende Januar 2004 im Kölner Rathauszusammen. Damit ist die Gründung der neuen KDN als »Dachver-band kommunaler IT-Dienstleister« nun auch faktisch vollzogen.Mit diesem ersten Treffen der Mitglieder in neuer Rechtsstrukturwurde der Zweckverband mit dem Namen »KDN – Dachverbandkommunaler IT-Dienstleister« nun auch mit den notwendigenVerantwortungsträgern ausgestattet. Die Leitung der KDN über-nimmt Herr Winkelhog (Stadtdirektor der Stadt Köln) als Ver-bandsvorsteher. Zu seinem Vertreter wurde Herr Paus (Bürger-meister der Stadt Paderborn) gewählt. Die Leitung der Verbands-versammlung hat Herr Hübner (Stadtdirektor der BundesstadtBonn). Vertreten wird er durch Herrn Schmitz (Ltd. Kreisvermes-sungsdirektor des Rhein-Sieg-Kreises).

Berliner Knöllchen mit elektronischer Akte

In Berlin werden Verkehrssünder künftig schneller als bislang zuKasse gebeten. Wer in der Hauptstadt mit seinem Pkw bei Rotüber eine Ampel fährt, falsch parkt oder zu beherzt Gas gibt, be-kommt in Zukunft in kürzester Zeit nach seiner begangenen Ord-nungswidrigkeit Post von der Bußgeldstelle. Die Berliner Polizeierwartet neben der Beschleunigung der Bußgeldverfahren auch er-hebliche Einsparungen durch Senkung des personellen und mate-riellen Aufwands. Siemens Business Services hat für den Landes-betrieb für Informationstechnik Berlin (LIT) eine entsprechendeLösung entwickelt, mit der das Verfahren automatisiert und alleInformationen über die Ordnungswidrigkeit in einer elektroni-schen Akte gebündelt werden.

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Online-Ausschreibungen

Die bayerische Staatsanzeiger Online Logistik GmbH (SOL) bie-tet bereits seit fünf Jahren eine nach VOB/L/F rechtssichere Onli-ne-Ausschreibungsdatenbank an. Der Arbeitsaufwand und damitdie Prozesskosten bei der Submission werden dadurch deutlichgesenkt. Allein in Bayern haben über 350 öffentliche Ausschrei-ber auf die elektronische Vergabe mit SOL umgeschwenkt.

Die von SOL entwickelte Anwendung erfüllt alle Standardsnach VOB, VOL und VOF. Nach dem Einstellen der Ausschrei-bungsunterlagen in die SOL-Datenbank im Internet sind die Infor-mationen für die Bieter direkt online abrufbar. Bei Interesse kön-nen sie das entsprechende Leistungsverzeichnis per Mausklickselbst ausdrucken oder anfordern. Die Bestellung wird an ein

Druckzentrum weitergeleitet, das die Unterlagen wunschgemäßzusammenstellt und zuschickt. Für die ausschreibende Behördeentfällt damit die gesamte Bearbeitung der Bieteranfragen, was inder Praxis eine enorme Arbeitserleichterung bedeutet.

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Stadt Mülheim an der Ruhr baut Bürger-Service aus

Die Stadt Mülheim an der Ruhr und der IT-Dienstleister MaternaGmbH haben gemeinsam das Konzept für ein kommunales Kom-munikations-Center entwickelt. Bürger-Service-Center dienenBürgern und Unternehmen als service-orientierte Schnittstelle zuihrer städtischen Verwaltung und unterstützen diese dabei, einge-hende Anfragen in gleich bleibender Qualität zu beantworten, un-abhängig davon, ob der Kontakt per Telefon, persönlich, posta-lisch, per E-Mail, Fax oder Internet initiiert wird. Wesentliche Be-standteile sind ein Wissens- und Kontakt-Management-System,eine Komponente für das Beschwerde-Management sowie eineVorgangssteuerung.

Die Lösung soll zum einen telefonische Anfragen schneller be-antworten und zum anderen die Telefonanfragen zielgenauer andie zuständigen Sachbearbeiter weitervermitteln. Hierzu wird denCall-Center-Agenten zur qualifizierten Auskunft eine Wissensda-tenbank zur Verfügung stehen. Anders als dies oft in Unterneh-men der Fall ist, soll in Mülheim an der Ruhr kein »Single Pointof Contact« geschaffen werden: Bürger können und sollen sichauch weiterhin direkt an ihren zuständigen Sachbearbeiter wen-den, daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Das Bürger-Service-Center wird modular aufgebaut, um in weiteren Ausbau-stufen auch die Kommunikationswege E-Mail, Fax und Internetberücksichtigen zu können. Damit verfolgt die Stadt Mülheim ander Ruhr konsequent einen Multi-Channel-Ansatz.

Weitere Informationen: Stadt Mülheim an der Ruhr, LeiterKommunikationsCenter, Thomas Brinkmann, Ruhrstraße 32-34,45468 Mülheim an der Ruhr, Telefon (0208) 4551152, Internet:http://www.muelheim-ruhr.de.

9. Kehler Forum

Im Mittelpunkt des 9. Kehler Forums am 8. Juni 2004 in der Fach-hochschule Kehl stehen wieder Strategien und Maßnahmen zurVerwaltungsmodernisierung. Trägerin dieser Veranstaltungsreiheist die Kehler Hochschule in Zusammenarbeit mit der Kommunal-Beratung Kehl und der Kehler Akademie. Folgende Themen wer-den behandelt:� Die Feuerwehr als gesamtstädtische Aufgabe� Kommunale Kinder- und Jugendarbeit auf dem Prüfstand� Eingliederungshilfe für Behinderte: eine neue Aufgabe der

Stadt- und Landkreise� Umsetzung der Neuen Steuerung in der Praxis� Die kommunale Bilanz – Erfassung und Bewertung von Ver-

mögen und SchuldenWeitere Informationen und Anmeldung unter www.kommunalbe-ratung-kehl.de.

NPO-Jahresprogramm

Das Österreichische Controller-Institut hat sein Jahresprogramm2004 zum Thema »Controlling und Management für NPOs unddie öffentliche Verwaltung« vorgelegt. Das Programm ist erhält-

Nachrichten

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lich im Internet unter http://www.oeci.at, E-Mail: [email protected] oder beim OECI, Billrothstraße 4, A-1190 Wien, Tele-fon: +43 1 3686878.

Italienisches Verteidigungsministerium ordertSmart-Cards

Nachdem die italienischen Heeresstreitkräfte die Siemens-Smart-Cards bereits in der Praxis getestet haben, können sich nun auchihre Kollegen von der Marine, der Luftwaffe und den zivilen Ein-heiten zweifelsfrei ausweisen. Das Verteidigungsministerium inRom hat einen weiteren Auftrag über so genannte Defense Mul-tipurpose Cards an Siemens Business Services vergeben.

Die Defense Multipurpose Card enthält neben allgemeinen per-sonenbezogenen Informationen und einem Foto auch Fingerab-druck, medizinische Daten sowie digitale Zertifikate. Diesebraucht der Karteninhaber für die Authentifizierung, Verschlüsse-lung von E-Mails und für die digitale Signatur. Die Karte verfügtüber einen 32-Kilo-Byte-Speicher und ist nach der höchsten eu-ropäischen Sicherheitsstufe für digitale Signaturen (ITSEC e4high) zertifiziert.

Weitere Informationen: Siemens Business Services, Presserefe-rat, 81730 München, Telefon: (089) 636-44374, E-Mail: [email protected].

»Kundenorientierung« verbindet alle Portfolio-Themen

Die ehemalige Trennung zwischen Geschäftsprozessen und IT-Aktivitäten ist endgültig passé. IT-Verantwortliche sind heutemehr denn je gefordert, Vorschläge zur nachhaltigen Verbesse-rung zentraler Geschäftsprozesse mittels IT-Lösungen zu ent-wickeln.

Materna trägt dieser Entwicklung Rechnung und hat sein Port-folio entsprechend neu positioniert. Hierbei steht die Kundenori-entierung konsequent im Vordergrund – die Technologie-Ent-scheidung wird nachgelagert betrachtet. Neben den Endkundenwerden auch Mitarbeiter, Lieferanten und Partner im Managementder Kundenbeziehungen berücksichtigt. Dazu gehören auch dieLösungen für den Government-Sektor.

Bürger und Unternehmen wollen ihre Kommune moderner,transparenter und serviceorientierter erleben. Diese Aufgabe über-nehmen zunehmend Bürger-Service-Center. Ein weiteresTrendthema sind Portale für die öffentliche Verwaltung, die sichan den Vorgaben der Initiative BundOnline 2005 orientieren. Ma-terna ist seit vielen Jahren etablierter Partner für Bund, Länderund Kommunen. Das Government-Geschäft wird auch in diesemJahr weiter ausgebaut mit Themen wie Content-Management undPortale, kommunale Bürger-Services sowie IT-Fachverfahren.

Weitere Informationen: Materna GmbH, Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit, Christine Siepe, Voßkuhle 37, 44141 Dortmund,Telefon (0231) 5599-168, E-Mail: [email protected]: http://www.materna.de/presse.

Online-Marktplatz

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)will künftig über einen internen Online-Marktplatz einkaufen unddadurch ihre Einkaufsprozesse beschleunigen sowie Prozess-kosten reduzieren. Die Bundesbehörde greift in der Umsetzungauf ein speziell für öffentliche Einrichtungen konzipiertes Soft-

waresystem zurück. Es stammt vom Software- und BeratungshausMACH. Jetzt integriert die Bundesanstalt für Arbeitsschutz undArbeitsmedizin den »Web Marktplatz« in das System. Die neueSoftware unterstützt sämtliche Arbeitsabläufe. Der integrierteWorkflow sorgt für einen optimierten Beschaffungsverlauf. Dieserbeginnt bereits bei der Anforderung durch die Bedarfsstelle. Sokönnen die einzelnen Dienststellen – neben dem Sitz in Dortmundunterhält die Bundesanstalt noch Standorte in Berlin, Bremen,Chemnitz und Dresden – ihre Bedarfsanforderungen über das In-tra- oder Internet an die zentrale Beschaffungsstelle oder direkt andie Lieferanten übermitteln. Das Besondere an der Lösung vonMACH: Sämtliche Bewegungen werden online in das integrierteFinanzmanagementsystem übertragen. Auf dem jeweiligen Markt-platz stehen über Intra- oder Internet Kataloge mit Waren undDienstleistungen zum direkten Abruf bereit, die in der Regel überRahmenverträge beschafft werden können. Der Bedarfsmelderfüllt seinen Warenkorb auf der Grundlage von Verträgen mit Auf-tragnehmern, die im Beschaffungsverfahren ausgewählt wurden.Verschiedene Bestellungen können so komfortabel gebündelt undMengeneffekte erzielt werden. Darüber hinaus ermöglicht dieSoftware effiziente Arbeitsabläufe in den Bereichen Beschaffung,Materialwirtschaft und Rechnungslegung. Wegen der großen Be-deutung dieser Bereiche und der dafür eingesetzten Haushaltsmit-tel hat die Bundesanstalt ein besonderes Interesse daran, die inter-nen Abläufe weiter zu verbessern und damit Kosten zu reduzieren.

Weitere Informationen: MACH AG, Jochen Michels, Wieland-straße 14, 23558 Lübeck, Telefon: (0451) 70647-271, E-Mail:[email protected], Internet: http://www.mach.de.

eGovernment 2004 – Zeit zum Paradigmenwechsel

Unter diesem Titel hat die ADMAC Consult eine Studie vorge-legt. Sie befasst sich mit der aktuellen sehr kostenintensiven Mo-dernisierungsstrategie von Staat und Kommunen. Geprüft wird, obsich die verbreiteten Vorstellungen zum Nutzen des Einsatzes vonInformations- und Kommunikationstechnologien tatsächlich reali-sieren lassen und ob die daraus abgeleiteten Maßnahmeprogram-me wirksam und wirtschaftlich sind. Die Studie kommt zu demErgebnis, dass einerseits unterstellte Wirkungen zum Teil über-schätzt und andererseits Potenziale nicht ausreichend erkannt undgenutzt werden. Für den öffentlichen Sektor in Deutschland be-darf es deshalb noch erheblicher Anstrengungen, um mit der Spit-zengruppe gleich zu ziehen.

Die Studie, ein Management Summary und die PM stehen alsPDF-Download zur Verfügung: http://www.admac-consult.de (aufder Serviceseite) oder kann angefordert werden bei ADMAC Con-sult, Angerhöhe 9, 95497 Goldkronach, Telefon: (09208) 5709944, E-Mail: [email protected].

Integration zweier Behörden

Die Landeshauptstadt Düsseldorf wird im Herbst 2004 dasStraßenverkehrsamt in ein neu errichtetes Dienstleistungszentrumeröffnen. Dies war mit ein Anlass die Organisation des Straßen-verkehrsamtes, mit seinen beiden eigenständig agierenden Abtei-lungen – Zulassungs- und Führerscheinbehörde – zu analysierenund neu zu gestalten.

Beide Abteilungen wurden daraufhin zusammengefasst, Prozes-se vereinheitlicht, Schalterfunktionen erweitert und Teamstrukturengeschaffen. Für die Integration der beiden Abteilungen als Einheitwar eine Veränderung der Führungs- und Arbeitskultur notwendig.Entscheidender Erfolgsfaktor war die transparente mitarbeiterorien-

Nachrichten

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tierte Organisationsentwicklung und das maßgeschneiderte Konzeptzur Personalentwicklung. Aus zwei unabhängig voneinander agie-renden Behörden entstand eine teamorientierte Organisation mitLeistungsethos und verstärkter Eigenverantwortlichkeit, die auf derBasis von Zielvereinbarungen partnerschaftlich geführt wird. DieOrganisationsentwicklung erfolgte in aufeinander abgestimmtenfünf Entwicklungsphasen mit Hilfe externer Begleitung. Für dieneue Organisation wurde ein Managementhandbuch, in Anlehnungan die Strukturen des EFQM-Modells, erstellt.

Die Organisationsentwicklung wurde von Thüns & Partnerführend begleitet. Weitere Informationen und ein Erfahrungsbe-richt: Thüns & Partner, Wuppertal, Peter Thüns, Telefon (02058)9816-49, Internet: http://www.thuens-partner.de.

European Microsoft Innovation Center

Das European Microsoft Innovation Center (EMIC) in Aachen istdie vierte europäische Forschungseinrichtung des Unternehmensund das erste Microsoft Forschungs- und Entwicklungszentrum inDeutschland. Mit dem EMIC, das im Rahmen von Forschungsver-bünden anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung be-treibt, will Microsoft einen signifikanten Beitrag zur Entwicklunginnovativer Technologien und Lösungen für die Wissensgesell-schaft leisten. Forschungsschwerpunkte sind die Themen Sicher-heit, Datenschutz, Mobilität, drahtlose Anwendungen und Web-Services. Hierbei liegt unser Augenmerk zurzeit auf Lösungen fürdie Bereiche eGovernment und eHealth.

Das EMIC wird am 26. April 2004 offiziell in Anwesenheitvon Bundesinnenminister Otto Schily und dem Ministerpräsiden-ten des Landes Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, eröffnet.

In der IT-Branche geht es aufwärts!

Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) hat erste Ergebnisse ei-ner Umfrage unter Informatikfachleuten zur Situation der Infor-matik in Deutschland vorgelegt. Der Umfrage zufolge sind 65Prozent der Befragten der Auffassung, dass sich die Lage der IT-Branche im Jahr 2004 verbessern wird. 30 Prozent meinen, dassdie Lage gleich bleiben wird und nur 4 Prozent rechnen mit einerVerschlechterung der Situation.

GI-Präsident Matthias Jarke: »Das Tief in der IT-Branchescheint überwunden. Um nun adäquat auf den voraussichtlich stei-genden Bedarf an Informatikfachleuten reagieren zu können, müs-sen wir darauf achten, dass unser Nachwuchs grundständig undpraxisorientiert ausgebildet wird.« Mit Sorge verfolge die Gesell-schaft für Informatik seit einiger Zeit, dass sich außerhalb derHochschulen ein unüberschaubares Angebot an Informatikaus-und weiterbildungen entwickelt. Jarke: »Grundsätzlich begrüßt dieGI, dass auch außeruniversitär IT-Fachkräfte ausgebildet werden.Allerdings dürfen diese IT-Fachkräfte nicht mit Informatikfach-leuten aus den Hochschulen gleich gesetzt werden.«

Nach wie vor hätten Informatikfachleute mit einem Diplom-oder Masterabschluss die besten Chancen, einen Arbeitsplatz zufinden. Gerade in Zeiten, in denen Themen wie Arbeitsplatzabbauund Offshoring-Aktivitäten für manche Programmier- und Pro-jektarbeiten aktuell seien, biete eine breite Hochschulausbildungim Fach Informatik noch immer eine gute Grundlage für einen at-traktiven Arbeitsplatz mit vielfältigen Möglichkeiten.

Tagungsankündigung

Vom Intranet zum Mitarbeiterportal

Strategie – Technik – Wirtschaftlichkeit

am 22. April 2004 in Bremen

Die Veranstaltung gibt einen intensiven Einblick in die Praxis desAufbaus und Betriebs von Mitabeiterportalen. Beispiele aus Wirt-schaft und Verwaltung demonstrieren Funktionalitäten und Vortei-le solcher Lösungen. Dabei wird deutlich, dass dieses Thema auchfür kleinere und mittelgroße Verwaltungen interessant ist. In zweiPraxisforen können Erfahrungen mit Einführungsprozessen bzw.der technischen Realisierung ausgetauscht und diskutiert werden.Die Veranstaltung richtet sich an Entscheidungsträger, Webmasterund Verantwortliche für die interne Kommunikation aus der öf-fentlichen Verwaltung. Sie bietet darüber hinaus auch Interessier-ten aus der Privatwirtschaft aktuelle Einblicke und Erfahrungen.

Organisiert wird die Tagung vom Arbeitskreis 1.4 «E-Govern-ment» der AWV in Kooperation mit der E-Government-Akademiedes Instituts für Informationsmanagement Bremen (ifib) sowiedem Behörden Spiegel als Medienpartner des Instituts.

Nähere Informationen bei der AWV-Geschäftsstelle: HerrKlocke, Telefon: (06196) 495-386 oder -382, E-Mail: [email protected]. Online-Anmeldung: http://www.e-government-akade-mie.de oder per Telefax: (0421) 218-4894.

Nachrichten

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Vorschau auf die kommenden Hefte:

Olaf Winkel: E-Government – die Konturen zeichnen sich immerdeutlicher abChristina Schaefer: Öffentliches Beteiligungscontrolling vor dem Hintergrund aktueller Reformentwicklungen im öffentlichenRechnungswesenAstrid Schmitt und Hilmar Reinemann: Haushaltsreform und Budgetrecht in Rheinland-PfalzThomas Triska und Peter Haßmann: Prime-Cost-Kalkulation imFood & Beverage-Bereich des Studentenwerks MünsterThoma Mosiek und Axel Preuß: Ergebnis- und wirkungsorientier-te Steuerung der Amtlichen LebensmittelüberwachungKarl-Heinz Hasenritter: E-Learning und VerwaltungsausbildungJens Rudolph: Die Reform der EU-KommissionMarkus Reiners: Modernisierung der Landesverwaltung Baden-WürttembergAxel Thomas : Prozessorientiertes Qualitätsmanagement in derkommunalen WohnungswirtschaftMichael Trick: Die Selbstbewertung nach dem EFQM-ModellHans-Peter Schwöbel: Mit den Augen lauschenHyung-Seo und Yong-Chul Han und Kim: Der Einfluss der Finanzkrise Südkoreas auf die Beziehungen zwischen Staat undWirtschaftAndreas Gourmelon und Christine Kirbach: Im Test: Manager undInspektoranwärter