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Henning Schumann Musik als Suggestion in Supermärkten Studienarbeit Dokument Nr. V97280 http://www.grin.com/ ISBN 978-3-638-09955-4 9 783638 099554

Musik Als Suggestion in Supermaerkten

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Page 1: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Henning Schumann

Musik als Suggestion in Supermärkten

Studienarbeit

Dokument Nr. V97280http://www.grin.com/ISBN 978-3-638-09955-4

9 783638 099554

Page 2: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Musik als Suggestion in Supermärkten

Einleitung

Musik ist in der heutigen Zeit allgegenwärtig. Jeder Mensch kann Musik machen, jeder

Mensch sie hören und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ob in Restaurants, Kneipen

oder Supermärkten, überall hört man Musik und kann sich ihr nur schwerlich entziehen.

Diese Arbeit versucht im Ansatz zu klären, was Musik im Eigentlichen ist und welche

Erscheinungsformen es gibt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den möglichen

Wirkungen, die Musik auf den Menschen ausüben kann, auf welche Art und Weise sie

in Kaufhäusern (Supermarkt) eingesetzt wird und welche Intentionen die

Verkaufsleitungen haben. Kann Musik suggestiv wirken und wie muss sie aufgebaut

sein, um entsprechende Wirkungen zu entfalten. Konnten musikalische Wirkungen

bisher überhaupt empirisch nachgewiesen werden?

All diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit zumindest im Ansatz geklärt werden.

Dabei werden bisherige Forschungsergebnisse zu Rate gezogen und es wird versucht,

persönliche Erfahrungen mit einzubeziehen.

Page 3: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

1. Was ist Suggestion

Etymologisch bedeutet suggerieren „verborgen, heimlich herbeibringen“. Im

Bertelsmann - Lexikon wird Suggestion als „Beeinflussung des Denkens, Fühlens,

Wollens oder Handelns eines Menschen definiert, wobei seine rationalen

Persönlichkeitsanteile umgangen werden.“

Die Voraussetzung zum Herbeiführen einer Suggestion ist eine Idee, z.B.: Alle

Produkte bei „Aldi“ sind lecker und gesund und müssen unbedingt gekauft werden. Die

Idee kann dabei vom Suggerierenden (der Beeinflussende) stammen oder vom suggestiv

Beeinflußten selber. Die Suggestion schließlich leitet die Umsetzung ein, d.h. die Idee

wird zur Tat. Der Suggerierende wirkt dabei verstärkend auf den Beeinflußten, er „hilft“

dem Beeinflußten bei der Verinnerlichung der Idee. Allerdings hat er keineswegs

Einfluß darauf, ob beziehungsweise auf welche Art und Weise der Umsetzungsprozess

vonstatten geht.

Im schon erwähnten Beispiel wird also der Beeinflußte beim Einkauf nur auf Produkte

der „Aldi - Kette“ zurückgreifen. Charles Baudoin bezeichnet dieses Ereignis als „intra-

individuelles Phänomen“1, also die unterbewußte Umsetzung einer Idee in eine Tat des

Beeinflußten. Der Käufer ist sich somit im Nachhinein nicht bewußt, weshalb er

„heimlich“ mit 2 Einkaufswagen voller Lebensmittel auf der Straße steht. Es ist ebenso

möglich, daß er sich der Tat (nur Aldi - Produkte zu kaufen) bewußt ist, aber die

Ursache dafür nicht ergründen kann. Er hat die Idee nicht willentlich und nicht unter

ständiger eigener geistiger Kontrolle in die Tat umgesetzt.

Je nach dem nun die Idee eine eigene geistige Geburt ist oder durch fremde Hilfe

jemandem eingeimpft wurde, spricht man von Autosuggestion oder Heterosuggestion.

Bezüglich der zu bearbeitenden Thematik kommt wohl nur die Heterosuggestion in

Frage. Denn wenn Musik als suggestives Mittel im Supermarkt eingesetzt wird, nimmt

sie sozusagen eine suggestive „Vermittlerrolle“ zwischen Kunde und Verkaufsleitung

ein, überträgt also die Wünsche (Kauf Aldi - Produkte und möglichst viele) der

Verkaufsleitung an den Kunden auf den Kunden.

1 Baudoin, Charles: Suggestion, Autosuggestion, S.32

Page 4: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

2.1 Was ist Musik

Dass Musik körperliche und seelische Auswirkungen auf den Menschen hat, ist

hinreichend und schon seit Jahrtausenden bekannt sowie Gegenstand wissenschaftlicher

Forschung. Schon Aristoteles soll erkannt haben, das tiefe Töne weich und beruhigend

wirken, hohe Töne dagegen hart und belebend.

Damit geklärt werden kann, in welchem Maße Musik suggestiv beeinflussen kann, ist es

wichtig, über Aufbau, Arten und mögliche Wirkungen (auf den Menschen) von Musik

Bescheid zu wissen.

2.2. Aufbau, Eigenschaften und Wirkung von Musik

Jede Art von Musik besteht aus folgenden musikalischen Bausteinen: Zeit, (Tempo),

Kraft (Dynamik), Klang und Form. Aus diesen Bausteinen werden Kompositionen

geformt und gestaltet. Die Klangeigenschaften einer Komposition wie Rhythmik,

Melodik, Harmonie und Lautstärke haben Wirkungen auf den Menschen.

Man unterscheidet sowohl ergotrope (stimulierende / aktivierende) als auch

trophotrope (beruhigende, entspannende) Musik. Die jeweilige Wirkung, also mit

welcher Erlebnisstärke der Hörer die Musik aufnimmt, läßt sich psycho - physisch

messen. Die emotionalen Inhalte (traurig, fröhlich, usw.) sind jedoch nicht meßbar.

Im folgenden sind die Merkmale ergotroper und trophotroper Musik und deren

Wechselwirkung auf das Vegetativum2 eines Hörer aufgelistet:

Ergotrope Musik Mögliche Reaktionen auf Hörer

§ Rigide Rhythmen /beschleunigend

§ Dur - Tonarten

§ Dissonanzen

§ Größere Dynamik

§ Stark akzentuierte Rhythmisch

§ Stakkato - Charakter

§ Erhöhung des Blutdrucks

§ Beschleunigung von Atem- und

Pulsfrequenz

§ Rhythm. Kontraktionen der

Skelettmuskulatur

§ Erweiterte Pupillen

2 Willentlich nicht steuerbarer Teil unseres Nervenzentrums

Page 5: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

§ Erhöhte harmonische Aktivität

§ Betonung der Dissonanzen

§ Größerer Hautwiderstand

§ Rauschzustand

§ Trophotrope Musik § Mögliche Reaktionen auf Hörer

§ Schwebende, nicht akzentuierte

Rhythmen

§ Moll - Tonarten

§ Konsonanzen

§ Geringe Dynamik

§ meist Legato

§ harmonische Bewegung

§ Blutdruckabfall

§ Verlangsamung von Atem- und

Pulsfrequenz

§ Entspannung der Skelettmuskulatur

§ Verengte Pupillen

§ Geringerer Hautwiderstand

§ Beruhigung

Übersicht: Merkmale ergotroper und trophotroper Musik und ihre Wechselwirkung mit der Psycho-Physis

des Hörers3

Ein nicht außer acht zu lassender Faktor allerdings, wenn Musik auf einen Menschen

wirkt, ist der induzierte Aktivierungszustand; welche äußeren Einflüsse wirken auf eine

Person vor der Musikrezeption und beeinflussen das Hörerlebnis.

Gembris (1985) wies nach, das Versuchspersonen Musik friedfertiger, gelöster und

ruhiger aufnahmen, wenn sie sich vor der Darbietung bei Vogelgezwitscher entspannen

konnten, als Versuchspersonen, welche davor einen Konzentrationstest unter Zeitdruck

durchstehen mußten. Weiterhin fand Gembris heraus, dass entspannte Menschen ruhige

Musik angenehmer empfinden, gestreßte Menschen eher flotte Musik bevorzugen.

2.3. Zusammenhänge zwischen psychologischen und vegetativen Wirkungen

Ob es eindeutige Zusammenhänge zwischen vegetativen (Herzschlag) und

psychologischen (Freude, Angst) Wirkungen der Musik gibt, ist umstritten, denn die

variable vegetative Reaktion auf ein Musikstück muß nicht unbedingt mit bestimmten

emotionalen Wirkungen konform gehen. Ein Beispiel: Ich sitze in der Bahn und höre

3 Hans-Helmut Decker-Voigt: Aus der Seele gespielt, S. 74-75

Page 6: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Rapmusik im Walkman (ziemlich laut, ergotrop). Eine Frau, sitzt mir schräg gegenüber.

Sie schaut mich grimmig an, sagt aber nichts. Offensichtlich behagt ihr meine Musik

nicht. Dennoch kann ich eine Minute später beobachten, daß ihr Fuß im Takt wippt. Ich

stelle also meinen Walkman aus, und siehe da, der Fuß hört auf zu wippen. Ich

wiederhole das Ganze 3 oder 4 mal und immer, wenn die Musik laut zu hören ist, wippt

der Fuß. Auch ich wippe mit dem Fuß, allerdings finde ich Wohlgefallen an der Musik.

Nach der Emotionstheorie von SCHACHTER & SINGER (1962)4 erregt Musik eine

unspezifische Grunderregung. Diese wird von der Person wahrgenommen und durch

Kognitionen (Einstellungen, Erwartungen, Infos von außen &innen) dieser Person

interpretiert. Also kann das kritische Hören eines Musikstückes das eine Mal

beruhigend wirken, ein anderes Mal erregend.

Zusammenfassend formuliert kann Musik körperliche (vegetative) Vorgänge

beeinflussen, wobei die Wirkung unterschiedlich geartet sein kann, die Intensität vom

musikalischen Verständnis, bzw. den subjektiven Eigenschaften (Sozialisation, Umfeld,

musikalische Bildung) der Person abhängig ist. Und es gibt, wie schon erwähnt noch

keine konkret nachweisbaren Zusammenhänge zwischen psychologischen und

physiologischen Wirkungen.

Unterschiedliche Musik wirkt also unterschiedlich auf unterschiedliche Personen. Wenn

Musik als suggestives Mittel eingesetzt werden soll, ist es somit vonnöten, ihr ein

gewisses Maß an Objektivität zu verleihen. Sie muß breitenwirksam einsetzbar sein,

darf keine bewußten Assoziationen hervorrufen, muß also die kognitiven Bestandteile

eines Menschen möglichst umgehen. Sie hat die Aufgabe, auf das Unterbewußtsein zu

wirken, um Ideen zur Tat werden zu lassen.

Es darf also davon ausgegangen werden, das es sich bei gezielt eingesetzter Musik mit

suggestiven Wirkungen um eine spezielle Form der Musik handelt. Ihr Aufbau dürfte

vom jeweiligen Einsatzfeld abhängig sein.

4 Vanecek, Erich: Die Wirkung von Hintergrundmusik in Warenhäusern, S. 11

Page 7: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

3.1. Hintergrundmusik

Im Gegensatz zur autonomen Musik, mit der sich der Mensch willentlich

auseinandersetzt, gibt es die funktionelle Musik. Diese erfüllt gewisse gesellschaftliche

Funktionen, beispielsweise in Discotheken, bei Gottesdiensten, Empfängen u.s.w..

Eine Spezialform der funktionellen Musik ist die Hintergrundmusik. Sie erfüllt

bestimmte Erwartungen, die in den jeweiligen Einsatzbereichen an sie gestellt werden.

In Restaurants oder Kneipen beispielsweise soll sie die Atmosphäre des Etablissements

unterstreichen, in Kaufhäusern soll sie der Absatz- und Umsatzsteigerung dienlich sein.

Hintergrundmusik ist heutzutage allgegenwärtig.

Es gibt mittlerweile einige Firmen, die sich speziell auf das Herstellen von

Hintergrundmusik, die den Kunden zum Kaufen animieren soll, fixiert haben. 1934

wurde bereits die erste Firma (MUZAK) in den USA gegründet.

3.2. Die „ideale“ Hintergrundmusik im Kaufhaus

Produziert wird ausschließlich Bekanntes und Wohlvertrautes. Bei neueren Sachen wird

darauf geachtet, daß es sich hierbei um simple musikalische Strukturen handelt, die

Motive sind kurz und eingängig und werden oft wiederholt. Hohe Lautstärke -

schwankungen werden tunlichst vermieden, ebenso große Tonhöhenunterschiede

(gelegentlich werden diverse Frequenzbereiche sogar herausgefiltert). Auf gesungenen

Text wird wohlweislich so gut wie verzichtet, ebenso auf Stücke, welche der aktuellen

Hitliste entstammen. Der Lautstärkepegel bewegt sich 2 – 3 Dezibel über dem Pegel der

normalen und ständig vorhandenen Geräuschkulisse des Kaufhauses. Damit soll ein

weiterer Dominanzeffekt der Musik vermieden werden, sie soll erst bei bewußter

Aufmerksamkeit hörbar sein.

Aus der Produktionsweise wird erkennbar, welche Wesenszüge der Hintergrundmusik

zugrunde gelegt werden. Zum Einen kann man von einer „stilistischen Verflachung“5

reden, wichtiger ist aber dass sie nur eine rudimentäre Form des Musik - verstehens

5 Helga de la Motte Haber: Handbuch der Musikpsychologie, S. 217

Page 8: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

(elementares Musikverständnis) voraussetzt. Es zählt allein die unmittelbare Wirkung,

eine Informationsverarbeitung auf höherer Ebene wird nicht angestrebt,

beziehungsweise erst gar nicht erwünscht.

All diese Maßnahmen sollen dazu führen, daß der Aktivierungszustand des Kunden ein

gesundes Mittelmaß erreicht, und er nicht vom Warenangebot auf die Musik abgelenkt

wird.

In der Praxis werden jedoch viele dieser von Firmen entwickelten Idealtypen der

beeinflussenden Hintergrundmusik häufig, und fern der schönen Theorie, gänzlich über

den Haufen geworfen. Wenn man heutzutage über Promenaden zieht (beispielsweise

Prager Strasse) ist man ständigen Dezibelschwankungen ausgesetzt. Nicht nur allein in

Supermärkten werden die neuesten Hits auf- und abgeleiert. Und in der

Medienabteilung eines Kaufparkes prallen erstens verschiedene Musikstücke

aufeinander, um sich zu einem regelrechten Soundbrei zu vermischen und dieser ist

zweitens viel lauter als die allgemeine Geräuschkulisse. Entweder sind sich die

jeweiligen Geschäftsbetreiber nicht im Klaren darüber, daß die speziell für Kaufhäuser

hergestellte Hintergrundmusik ihre gänzliche Wirkungsbreite nur entfalten kann, wenn

die vorgegebenen Kriterien strikt eingehalten werden. Ansonsten läßt diese Divergenz

zwischen Theorie und Praxis die Vermutung aufkommen, ob die suggestive Wirkung

von Hintergrundmusik wirklich existent ist. Mittlerweile gibt es sogar einen

theoretischen Ansatz zur „Wirkungslosigkeit von (Hintergrund) - Musik“6. Ich werde

später noch einmal darauf zurückkommen.

3.3. Wirkungen von Hintergrundmusik

Die Hintergrundmusik im Supermarkt soll mehreres bewirken (laut Katalog diverser

Hersteller):

§ Verbesserung der Kaufhausatmosphäre mit dem Ziel der Imagehebung (es wird des Kunden

Lieblingskaufhaus)

6 Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (Band 14); K-E. Behne: Zu einer Theorie der Wirkungslosigkeit von Musik

Page 9: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

§ Regulierung des Aktivierungszustandes des Kunden, ein ausgeglichener Kunde kauft

zufriedener ein

§ Ein unentschlossener Kunde kauft die Ware aufgrund der sympathischen Musik

§ Bessere Aufnahme des Warenangebotes durch längere Verweildauer aufgrund der

angenehmen Atmosphäre

§ Verbesserte Arbeitsleistung, Arbeitslust des Personals; infolgedessen positives Feedback

auf den Kunden durch bessere Kommunikation zwischen Kunden und Angestellten7

Diese erwünschten Wirkungen beinhalten suggestive Aspekte, wobei der Kunde der

suggestiv Beeinflußte und die Musik den Part des stellvertretenden Suggerierenden (für

die Verkaufsleitung) übernimmt.

All diesen Argumentationen, welche den Einsatz von Hintergrundmusik in Kaufhäusern

befürworten, kann natürlich ebenso widersprochen werden. Die Tatsache, dass

Hintergrundmusik heutzutage allgegenwärtig ist, sie umgibt uns, wie die Luft zum

Atmen, veranlaßt zur berechtigten Frage, ob dadurch nicht ein sogenannter

Habitualisierungseffekt (Gewöhnungseffekt) eintritt. Gewöhnt man sich an bestimmte

Sachen, so verlieren Sie ihre anfängliche Wirkung, sie werden alltäglich. So wird zum

Beispiel ein wunderschöner, ruhiger Landstrich für einen Städter beeindruckend sein, er

wird Kraft tanken, da er der gewohnten Umgebung der stressigen, hektischen und

lärmenden Stadt entflohen ist. Gleichzeitig interessiert es den Landbewohner wenig, wie

schön seine Umgebung ist, da sie ihn alltäglich umgibt, er hat sich an sie gewöhnt.

Ein weiterer Aspekt ,der sich gegen die Verwendung von Hintergrundmusik ausspricht,

ist die Manipulation des Kunden, er wird in seiner freien Kaufentscheidung

eingeschränkt, er kauft wider seines Willens.

Die ständige Klangkulisse am Arbeitsplatz, die angeblich auch das Verkaufspersonal zu

höheren Arbeitsleistungen führen soll, kann man allerdings auch als

„Zwangsbeglückung“ sehen, womit dann das Gegenteil erreicht wäre: Die

Hintergrundmusik wäre dann ein zusätzlicher Störfaktor. Zwar gab es zur Gründerzeit

der Hintergrundmusik Untersuchungen die belegten, dass die Arbeitsleistungen um 2%

bis 6% stiegen, bei Nacht sogar auf etwa 17% (Lundin,1967). Auch gab es in den

Page 10: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

vierziger Jahren eine Radiosendung „Music while you work“, die von 8 Millionen

britischer Arbeiter gehört wurden.8 Aber schon zu dieser Zeit achtete man darauf, dass

wohl dosiert gehört wurde. Man war sich also schon zu dieser bewußt, dass zuviel

Musik leistungsmindernd wirkt. In den letzten 10 Jahren ist der Einsatz von Musik am

Arbeitsplatz jedoch drastisch zurückgegangen. Daraus läßt sich schließen, dass die der

Musik zugeschriebenen arbeitsförderlichen Wirkungen mittlerweile fast gänzlich

aberkannt wurden.

3.4. Ergebnisse bisheriger Forschungen über die Wirkung von Hintergrundmusik

Es scheint sich abzuzeichnen, dass die Frage, ob Hintergrundmusik suggestive

Wirkungen erzeugen kann oder nicht, sehr schwierig zu beantworten ist. Auf der einen

Seite sind die Kaufhausbesitzer und selbstverständlich auch die Betreiber der Firmen,

die Hintergrundmusik herstellen, in verschiedenen Studien zu dieser Thematik befragt

worden. Burleson (1979) wies nach, das sie alle der einhelligen Meinung sind, dass die

Hintergrundmusik die gewünschten Effekte hervorbringt, nämlich Umsatzsteigerung,

eine positive Stimmung der Kunden, sowie die Hebung der Arbeitsmoral. Auch ein

nicht unerheblicher Teil der Kunden sind überzeugt, dass sie durch den Einsatz von

Musik länger im Kaufhaus verweilen und mehr kaufen. Allerdings konnte Burleson

diese Vermutungen nicht bestätigen. Fichtner und Weil (1984) wiesen, bei tageweiser

Ein- und Ausblendung der Hintergrundmusik in zwei Parfümerien innert 14 Tagen,

nach, dass der Einsatz von Musik keinerlei Auswirkungen auf den Umsatz hat.

Vanecek (1991) schließlich, der vier Kaufhäuser untersuchte, fand heraus, dass

beruhigende Musik den Kundenstrom verlangsame, in etwa die Hälfte aller Kunden

überzeugt ist, durch den Musikeinfluß länger im Kaufhaus zu verweilen, ungefähr ein

Drittel meint, die Musikeinwirkung beeinflusse die Kaufentscheidung. Bei 75% des

Verkaufspersonals wurde ein Habitualisierungseffekt (Gewöhnungseffekt) festgestellt.

Vanecek stellte eine positive Korrelation zwischen Verweildauer und Warenabsatz fest.

Das jeweilige Kaufhaus betreffend, war die Auswirkung des Kundenstromtempos auf

Absatz und Umsatz nicht von einheitlicher Wirkung. Vanecek kommt zu dem Schluss,

7 Erich Vanecek: Die Wirkung der Hintergrundmusik in Warenhäusern, S. 18-19

Page 11: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

dass die beste Hintergrundmusik pro Kaufhaus ermittelbar sei unter Einbeziehung

personaler, situativer und imagebezogener Faktoren. Er warnt allerdings auch vor einer

aufgezwungenen „akkustischen Umweltverschmutzung.

3.5. Wirkungslosigkeit von Hintergrundmusik

Im Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie mit dem Schwerpunkt

„Wahrnehmung und Rezeption“ (Band 14, 1999) wird von Klaus - Ernst Behne der

Ansatz zu einer „Theorie einer Wirkungslosigkeit von (Hintergrund)-musik“ aufgestellt.

Seiner Argumentation liegt eine Meta - Analyse von 153 empirischen Arbeiten, die die

Wirkungen von (Hintergrund)-musik untersuchten, zugrunde. Diese Analyse belegt

eindeutig, dass ein Drittel dieser Studien keine signifikanten Wirkungen von Musik

nachweisen konnte. Diese Tendenz stieg in den Neunziger Jahren sogar auf 50%.

Behne versucht anhand einer Studie von Baker (1937) zu belegen, inwieweit

wissenschaftliche Theorien und deren Ergebnisse sich auf die durch Musik

hervorgerufenen Effekte auswirken können. Baker untersuchte die „Wirkungen von

(Hintergrund)-musik in Abhängigkeit von drei verschiedenen Suggestionen.“ Er führte

mit drei verschiedenen Gruppen einen Leistungstest durch. Davor suggerierte er jedoch

der ersten Gruppe, dass Musik die Konzentration erhöhe, der zweiten Gruppe, dass

Musik die Konzentration störe und der dritten Gruppe, dass Musik anfänglich störe,

später jedoch förderlich sei. Die Tests wurden mit und ohne Musik durchgeführt. Die

Ergebnisse sind eindeutig (siehe Anlage).

Dieser Untersuchung sind keine eindeutigen suggestiven Wirkungen von Hintergrund-

musik entnehmbar, da die erzielten Effekte nur durch die Wissenschaftsgläubigkeit der

Versuchspersonen möglich waren.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt, der die Wirkungslosigkeit unterstreicht,

ist für Behne der Habitualisierungseffekt durch die extreme mediale Verfügbarkeit von

Musik.9

8 Helga de la Motte Haber: Handbuch der Musikpsychologie, S. 221 9 Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (Band 14); K-E. Behne: Zu einer Theorie der Wirkungslosigkeit von Musik, Kapitel 5

Page 12: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Auch ist er überzeugt, dass die Aussagekraft einiger Studien (die Wirkungen

nachweisen), die im Auftrag von Hintergrundmusik - Herstellern erstellt wurden,

zweifelhaft sind.

Bemängelt wird auch der einseitige methodische Aufbau diverser Studien. Um konkret

nachzuweisen, ob und welche Wirkungen Hintergrundmusik haben könnte oder nicht,

bedarf es differenzierteren Untersuchungen. Viele Untersuchungsmethoden der

bisherigen Studien seien sehr global angelegt und könnten dadurch diesem

vielschichtigem Thema nur grob gerecht werden.

Abschließende Bemerkungen

Es besteht kein Zweifel, dass Musik Wirkungen auf den Menschen hat. Diese

Wirkungen sind sowohl vegetativ als auch emotionaler Natur. Die Art und Weise der

jeweiligen Wirkung ist von der Art der Musik abhängig, sowie den spezifischen

Kognitionen eines jeden Subjektes. Eine direkte Wechselwirkung zwischen Psyche und

Physis wurde bisher nicht nachgewiesen, da die subjektiven Eigenschaften eines

Musikrezipienten sehr unterschiedlich sind.

Um Musik als suggestives Mittel einsetzen zu können, muß sie gewisse Funktionen

erfüllen. Man bedient sich hierbei der Hintergrundmusik (Spezialform der funktionellen

Musik), die eigens zu diesem Zweck hergestellt wird. Im Kaufhaus (Supermarkt) soll

sie dem Kunden eine angenehme Atmosphäre verschaffen, sowie Umsatz und Absatz

steigern. Dem wäre anzumerken, dass Hintergrundmusik nur ein Teilaspekt der

Verkaufspsychologie ist.

Über das Für und Wider des Einsatzes von Hintergrundmusik wird schon seit längerer

Zeit diskutiert. Eine Partei wünscht den Einsatz von Hintergrundmusik aufgrund ihrer

„positiven“ Wirkungen, die andere beklagt sich über die dadurch entstehende

Manipulation des Kunden mit einhergehender Freiheitsbeschneidung.

Es besteht eine Diskrepanz zwischen angenommener und der tatsächlichen suggestiven

Wirkung von Hintergrundmusik. Nur sehr wenige Studien konnten, meist nicht

relevante Wirkungen nachweisen, beispielsweise Vanecek (1991). Er registrierte eine

Page 13: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Verlangsamung des Kundenstroms bei ruhiger Musik, ohne dass eine meßbare

Umsatzsteigerung nachgewiesen werden konnte. Somit konnten die Erwartungen der

Verkaufsleitungen nicht erfüllt werden.

Mittlerweile gibt es sogar theoretische Ansätze, die der Hintergrundmusik Wirkungen

gänzlich absprechen. Die Faktoren, auf die sich diese Ansätze berufen sind

Habitualisierung (Gewöhnungseffekt) durch die Allgegenwärtigkeit von Musik und die

Tatsache, dass die Hälfte aller Studien, welche die Wirkungen von Musik untersuchten,

keine relevanten Ergebnisse erzielten.

Es bestehen also berechtigte Zweifel, ob Hintergrundmusik in Supermärkten suggestive

Wirkungen erzeugt.

Page 14: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Literaturverzeichnis

Charles Baudoin

Suggestion – Autosuggestion

(4. Auflage 1924)

Sybillenverlag Dresden

Erich Vanecek

Die Wirkung der Hintergrundmusik in Warenhäusern

WUV – Universitätsverlag, Wien 1991

Hans-Helmut Decker-Voigt

Aus der Seele gespielt

Wilhelm Goldmann Verlag, München 1991

Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (Band 14)

Wahrnehmung und Rezeption

Klaus - Ernst Behne

Zu einer Theorie der Wirkungslosigkeit von Musik

hrsg. Von Klaus - Ernst Behne, Günter Kleinen und Helga de la Motte-Haber

Hogrefe – Verlag, Göttingen 1999

Helga de la Motte - Haber

Handbuch der Musikpsychologie

Laaber – Verlag, Laaber 1985

Page 15: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Inhaltsverzeichnis

SEITE

Einleitung 1

1. Was ist Suggestion

2

2.1. Was ist Musik 3

2.2. Aufbau, Eigenschaften und Wirkung von Musik 3

2.3. Zusammenhänge zwischen psychologischen und vegetativen

Wirkungen

4

3.1. Hintergrundmusik 6

3.2. Die „ideale“ Hintergrundmusik im Kaufhaus 6

3.3. Wirkungen von Hintergrundmusik 7

3.4. Ergebnisse bisheriger Forschungen über die Wirkungen von

Hintergrundmusik

9

3.5. Wirkungslosigkeit von Hintergrundmusik

10

Abschließende Bemerkungen

11

Literaturverzeichnis

Anlage

Page 16: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Technische Universität Dresden,

Philosophische Fakultät,

Institut für Kunst- und Musikwissenschaft

August-Bebel-Str. 20

01062 Dresden

Hausarbeit

Thema: Musik als Suggestion in Supermärkten

Sommersemester 1999

Vorlesung: „Einführung in die Musikpsychologie“

Dozent: Dipl. paed. Hendrik Starfinger

vorgelegt von: Henning Schumann

3. Fachsemester

Taubenheimer Str. 1

01324 Dresden

Abgabetermin: 30.10.1999

Page 17: Musik Als Suggestion in Supermaerkten

Anlage