1
DONNERSTAG, 30. AUGUST 2012 DIEPRESSE.COM Die Presse Neue Matura – und wer ist eigentlich ein Bildungsexperte? Gastkommentar. Von einer alten Sprache, einer neuen Reifeprüfung und immer gleichen Fragen. VON FRITZ LO ˇ SEK J etzt ist schon wieder was pas- siert. Als Mitglied der ministe- riellen Arbeitsgruppe für die Neue Matura ist man überra- schende Wendungen ja gewohnt. Aber kommt man informations- entwöhnt aus dem Urlaub in den gallischen Dörfern zurück, hat man mediale Auftritte versäumt, deren Nachlektüre einen rasch wieder zum sogenannten „Ernst des Lebens“ zurückführt. Beginnen wir mit Wissen- schaftsminister Karlheinz Töchter- le. Dieser macht sich einerseits Sorgen um gewisse Teile der ge- planten „Teil-Zentralmatura“ wie die vorwissenschaftliche Arbeit, worauf die für das Projekt verant- wortlichen Beamten aus dem Un- terrichtsministerium, Andreas Schatzl und Christian Dorninger, ausführlich auf dieses vermeintli- che „Menetekel“ replizieren. Der Wissenschaftsminister beginnt an- dererseits seine Ausführungen mit einem oft übersehenen Aspekt in der Matura-Diskussion, nämlich dass in vielen Bereichen ein Start jederzeit möglich (gewesen) wäre. Konkret nennt er das Fach Latein. Warum gerade, warum noch immer Latein? Das fälschlich oft totgesagte (ist der Wunsch man- cher Vater des Gedanken?) Fach boomt. „Auferstanden von den To- ten“ konstatiert „Der Spiegel“ vor wenigen Tagen angesichts von fast einer Million Lateinlernenden in Deutschland. In Österreich hat sich die Zahl der freiwillig Latein Lernenden (das Fach ist seit Jahren alternativ zu einer modernen Fremdsprache wählbar) in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gestiegen. Engagierte Lehrkräfte, lebensnahe Lehrplanthemen (wie „Liebe, Lust und Leidenschaft“ oder „Begegnung und Umgang mit dem Fremden“), moderne Unter- richtsbehelfe sind die äußeren Vo- raussetzungen, um den inneren Wert zu sichern. Im „Spiegel“ ist von der Ent- schleunigung die Rede, von der Möglichkeit, Texte und Inhalte langsam und intensiv zu erarbei- ten und nicht nur schnell zu goo- geln. Nennen wir es Textverständ- nis, nennen wir es Lesekompetenz. Jedenfalls nützt es weit über die Fach- und Schulgrenzen hi- naus, nicht zuletzt bei neuen, in Österreich zum Teil (noch) unge- wohnten Prüfungsformaten, die über die Reproduktion, die simple Wiedergabe von Auswendiggelern- tem, hinausgehen. Solche Aufga- benstellungen, bei denen ver- ständnisvolles Lesen Vorausset- zung für das Herangehen an die ei- gentliche Lösung ist, finden sich zum Beispiel bei den berüchtigten PISA-Fragen oder im Medizinauf- nahmetest – und auch in der viel diskutierten, drei Säulen umfas- senden „Zentralmatura“. Zentral oder nicht zentral? Zu den drei Säulen: Die verpflich- tende vorwissenschaftliche Arbeit wird an der Schule im Einverneh- men zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten sowie den betreu- enden Lehrerinnen und Lehrern geschrieben und beurteilt. Die schriftlichen Fächer Deutsch, Ma- thematik, moderne und klassische

N eue Ma tura und w er ist eig entlich ein Bildungse xpert e? · Der Fra gebog en E s istso weit :D as amtlic he Formular für die BH -Volk s-befr agun g istfer tig. Leider konn ten

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

c

n

DONNERSTAG, 30. AUGUST 2012DIEPRESSE.COM Die Presse

Gastkommentar. Das Bumit der deutschen Kanzlehat Angela Merkel beste B

Merkel: Kanzlmit KillerinstiVON DETLEF KLEINERT

S ie gilt als die mächtigsteFrau Europas: Angela Mer-kel, deutsche Bundeskanz-

lerin, CDU-Vorsitzende, Feind-bild von Griechen und Türken.Die Frau, die nach der Wendeeher zufällig als „Kohls Mäd-chen“ in die Politik plumpste, hatdie CDU aufgemischt, hat eigent-lich christdemokratische Werteüber Bord geworfen, hat – wiejüngst in einem Buch mit demTitel „Die Patin“ zu lesen ist – indieser früher liberal-konservati-ven Partei einen „autoritären So-zialismus“ durchgesetzt, der diealte Garde der Funktionäre nurnoch „die Faust in der Tasche“ballen lässt.

Kein Zweifel, Angela Merkelist ein Phänomen. Auch wennman nicht jeden Satz im Buch derEx-Kohl-Beraterin Gertrud Höhlerunterschreiben möchte, jeder-mann weiß, dass die Kanzlerin

26 DEBATTE

das Wertesystem der CDU gründ-lich verändert hat, „ihre Noncha-lance im Umgang mit dem Parla-

nen regelmäßig sehr hohe Mehr-heiten für die Projekte der Regie-rung gemeldet werden, nennen

Der Fragebogen

E s ist so weit: Das amtlichebefragung ist fertig. Leidernicht auf einen einheitlich

SPÖ: Sind Sie für ein Berufsheer?JA NEINÖVP: Sind Sie f. d. allg. WehrpflicJA NEINSPÖ: Für freiwilligen Zivildienst?JA NEINÖVP: Für einen KatastrophenschJA NEINSPÖ: Aber als Profi-Truppe? (DarJA NEINAmtl. Mitteilung: Füllen Sie den Fragebogen sor

haften für ihre Kinder! Senden Sie das Kuvert gu

zwar – Verwaltungsvereinfachung! – gleich direk

ÖVP-Sympathisanten an Hr. LH Dr. Erwin P

SPÖ- -“- an Hr. Bgmstr. Dr. Mich

Für den Rest gilt: Schmeißen Sie ’s weg. Eb

männlich sein (das kann vorkommen), dann betr

Danke! Ihre Bundesregierung (Kompete

! E-Mails an:

h „Die Patin“ geht hartrin ins Gericht. Trotzdemeliebtheitswerte.

erinkt

wir totalitäre Systeme oder Un-rechtsstaaten. Die Regierung Mer-kel hat den Pfad der Demokratieverlassen.“

Das „AbbruchunternehmenEuro-Rettung“ ist nur eines vonvielen Beispielen, die Prof. Höhleranführt, um die „Relativierungvon Werten in der Politik“ zu be-legen, sie führt zahlreiche Rechts-brüche und Verfassungsverstößeauf, die das „autokratische SystemMerkel“ (das das gesamte Werte-potential wegschwemmt) be-schreiben. „Vertrauensbruch, ge-schredderte Versprechen, Täu-schungsmanöver mit Wertezita-ten, Missbrauch von Ethik undMoral zur Befriedung der an-dern, das machen Falschspieler.“

Argumentative Einöde CDUFragt sich, warum in dieser CDUdas alles möglich ist. Die Antwortmag im Killerinstinkt der Kanzle-rin zu finden sein. Eine endloseReihe von möglichen Konkurren-

ten hat sie politisch erledigt, siehat als FDJ-Mädel in der DDR ge-lernt, dass Feigheit und Anpas-

spondent der ARD in Wien.

! E-Mails an: [email protected]

Pizzicato

Formular für die BH-Volks-konnten sich SPÖ und ÖVPen Text einigen.(Es darf aber nichts kosten.)

MIR WURSCHTht? (Darf aber nichts kosten.)

SCHMECKS(Darf aber nichts kosten.)

HUTSCHTS EUCHutz? (Darf aber nix kosten.)

MIR POWIDLf aber nichts kosten.)

GEHT MICH NIX ANgfältig aus, Missbrauch ist strafbar, Eltern

t verschlossen und eingeschrieben ab. Und

t:

röll, St. Pölten, Landhausplatz 1

ael Häupl, 1010 Wien, Rathaus

enso ist zu verfahren, sollten Sie evtl. nicht

ifft Sie die Sache nicht.

nz ist unsere Stärke). hws

[email protected]

e e

Gastkommentar. Von einimmer gleichen Fragen.VON FRITZ LOSEK

J etzt ist schon wieder was pas-siert. Als Mitglied der ministe-riellen Arbeitsgruppe für die

Neue Matura ist man überra-

schende Wendungen ja gewohnt.Aber kommt man informations-entwöhnt aus dem Urlaub in dengallischen Dörfern zurück, hatman mediale Auftritte versäumt,deren Nachlektüre einen raschwieder zum sogenannten „Ernstdes Lebens“ zurückführt.

Beginnen wir mit Wissen-schaftsminister Karlheinz Töchter-le. Dieser macht sich einerseitsSorgen um gewisse Teile der ge-planten „Teil-Zentralmatura“ wiedie vorwissenschaftliche Arbeit,worauf die für das Projekt verant-wortlichen Beamten aus dem Un-terrichtsministerium, AndreasSchatzl und Christian Dorninger,ausführlich auf dieses vermeintli-che „Menetekel“ replizieren. DerWissenschaftsminister beginnt an-

LESERPOST !Leserbriefe bitte an:

„Die Presse“, Hainburger Straße 33,A-1030 Wien oder an:

[email protected]

Wortbruch derBundesregierung„Was Michael Häupl anfängt,bringt Erwin Pröll zu Ende“, Leit-artikel von Rainer Nowak, 28. 8.Zu dieser Abstimmung darf nichtaußer Acht gelassen werden, wiediese Bundesregierung mit einemausdrücklichen Bekenntnis zur all-gemeinen Wehrpflicht angetretenist. Und mit dem konkreten Ver-sprechen: „Die Ausbildung undder Dienstbetrieb der Grundwehr-diener müssen so gestaltet undweiterentwickelt werden, dass sieden geänderten sicherheitspoliti-schen Rahmenbedingungen ent-sprechen und für die jungenStaatsbürger sinnvoll und motivie-rend wirken.“ Der zuständige Mi-

dererseits seine Ausführungen miteinem oft übersehenen Aspekt inder Matura-Diskussion, nämlich

r alten Sprache, einer neu

dass in vielen Bereichen ein Startjederzeit möglich (gewesen) wäre.Konkret nennt er das Fach Latein.

Warum gerade, warum nochimmer Latein? Das fälschlich ofttotgesagte (ist der Wunsch man-cher Vater des Gedanken?) Fachboomt. „Auferstanden von den To-ten“ konstatiert „Der Spiegel“ vorwenigen Tagen angesichts von fasteiner Million Lateinlernenden inDeutschland. In Österreich hatsich die Zahl der freiwillig LateinLernenden (das Fach ist seit Jahrenalternativ zu einer modernenFremdsprache wählbar) in denletzten zehn Jahren um ein Drittelgestiegen. Engagierte Lehrkräfte,lebensnahe Lehrplanthemen (wie„Liebe, Lust und Leidenschaft“oder „Begegnung und Umgang mitdem Fremden“), moderne Unter-richtsbehelfe sind die äußeren Vo-raussetzungen, um den innerenWert zu sichern.

Im „Spiegel“ ist von der Ent-schleunigung die Rede, von der

nister hat diese übernommeneAufgabe und Verantwortung ein-fach nicht erfüllt, sondern stattdes-sen – zunächst parteipolitisch vonHäupl gesteuert – ein übles Spielzur Abschaffung der Wehrpflichtins Werk gesetzt. Das gehört zumÜbelsten, was in der Zweiten Re-publik hervorgebracht worden ist.

„Der bedeutendere Teil derBürgerschaft“ soll es nun in dieHand bekommen, die politischenRepräsentanten in die Erfüllungihrer Aufgaben und Verantwortun-gen zu zwingen. Hoffentlich miteiner entscheidenden Fragestel-lung. Glück auf!Reg.-Rat Prof. Reinhard Horner, 2362Biedermannsdorf

* * *

Ein Rattenschwanz annegativen FolgenIm Jänner gibt es eine Volksbefra-gung zum Bundesheer. Hat aller-dings irgendjemand daran ge-dacht, wie der Zivildienst dannweiter funktionieren soll? OhneWehrpflicht gibt es keine Zivildie-

Möglichkeit, Texte und Inhaltelangsam und intensiv zu erarbei-ten und nicht nur schnell zu goo-

n Reifeprüfung und

geln. Nennen wir es Textverständ-nis, nennen wir es Lesekompetenz.

Jedenfalls nützt es weit überdie Fach- und Schulgrenzen hi-naus, nicht zuletzt bei neuen, inÖsterreich zum Teil (noch) unge-wohnten Prüfungsformaten, dieüber die Reproduktion, die simpleWiedergabe von Auswendiggelern-tem, hinausgehen. Solche Aufga-benstellungen, bei denen ver-ständnisvolles Lesen Vorausset-zung für das Herangehen an die ei-gentliche Lösung ist, finden sichzum Beispiel bei den berüchtigtenPISA-Fragen oder im Medizinauf-nahmetest – und auch in der vieldiskutierten, drei Säulen umfas-senden „Zentralmatura“.

Zentral oder nicht zentral?Zu den drei Säulen: Die verpflich-tende vorwissenschaftliche Arbeitwird an der Schule im Einverneh-men zwischen den Kandidatinnenund Kandidaten sowie den betreu-enden Lehrerinnen und Lehrern

ment, mit Verfassungsgarantien,Rechtsnormen und ethischenStandards“ muß bedenklich stim-men. Sie hat, so analysiert Prof.Höhler, „leidenschaftslos undwertneutral . . . CDU, CSU, SPD,FDP, Grüne und Linke zu einerQuasi-Einheitspartei geformt, mitder sie nach Gutdünken um-springt.

ESM durchgepeitschtSo geschehen, zum Beispiel, inSachen ESM. Dieser Vertrag, derseine Mitglieder bis in alle Ewig-keit ankettet, ist im DeutschenBundestag fast einstimmig (nurdie Linke ist ausgeschert) durch-gepeitscht worden. Frau Merkelist es gelungen, die internationaleFinanzkrise als Hebel zu nutzen,das Parlament auf ihre Linie zubringen. Statt rationaler Überzeu-gung regieren in Berlin die ein-gängigen Phrasen: „Scheitert derEuro, dann scheitert Europa“ und„Meine Politik ist alternativlos.“

Frau Höhler dazu: „Staaten, indenen der Wettbewerb nur vorge-täuscht wird, Nationen, von de-

sung vielen Funktionären die Par-teikarriere öffnen – das hat siesich zunutze gemacht. Die Folgeist, wie der Adenauer-Enkel Ste-phan Werhahn meint, dass dieCDU eine „argumentative Ein-öde“ geworden ist – zu betrachtenim Kabinett der Bundeskanzlerinmit seiner Ansammlung von grau-en Mäusen.

Und trotzdem, Angela Merkelerhält bei Umfragen Spitzenwerte,während die Partei kaum über 30Prozent kommt. Ob sich die Zu-stimmung für die Kanzlerin auchim Wahlergebnis niederschlagenwird, darf bezweifelt werden, im-mer mehr CDU-Wähler und-Sympathisanten wandern ab insLager der Nichtwähler.

Auf Dauer, so wird sich erwei-sen, wird eine Politik scheitern,die auf ethische Standards undeinen moralischen Grundkonsensglaubt verzichten zu können.

Professor Detlef Kleinert begannseine berufliche Laufbahn beimBayerischen Fernsehen. Er war un-ter anderem Südosteuropa-Korre-

Neue Matureigentlich e

a – und werin Bildungse

istxperte?

ner mehr. Und damit ist niemandmehr da, der alte Menschen pflegt,der als Sanitäter bei der Rettungfährt oder der Essen auf Rädernausliefert. Ohne Zivildiener ist un-ser Sozialsystem nicht mehr finan-zierbar. Nur über das Bundesheerabzustimmen ist zu wenig. UnserePolitiker sollten auch den Ratten-schwanz an negativen Folgen be-denken. Wenn die Grundwehrdie-ner und damit auch die Zivildienerweg sind, ist es zu spät.Helga Hauer, 1080 Wien

* * *

EU gescheitert? – Eingrundlegender Irrtum„Diese EU, dieser Moloch, ist ge-scheitert“, LB v. Arno Malik 28. 8.Den „Sprengstoff, aus dem diefurchtbarsten Konflikte gemachtsind“, hatten wir schon. Denkenwir an die fürchterlichen Kriege imEuropa des 18., 19. und zuletzt 20.Jahrhunderts mit zwei Weltkrie-gen. 1945 endete der Zweite Welt-krieg mit Millionen von Toten, zer-störten Städten und darniederlie-

geschrieben und beurteilt. Dieschriftlichen Fächer Deutsch, Ma-thematik, moderne und klassische