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Nachhaltigkeitsbericht 2008 Zahlen und Fakten zum Zustand des Berner Waldes revidiert nach definitiven LFI-3-Ergebnissen 2010 Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern Amt für Wald

Nachhaltigkeitsbericht 2008 Zahlen und Fakten zum Zustand ...€¦ · Quelle: LFI 3 Anteil an Gesamt- waldfl äche (%) Bewaldungs-prozent (%) Jura 14 47 Mittelland 25 28 Voralpen

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Nachhaltigkeitsbericht 2008

Zahlen und Fakten zum Zustand

des Berner Waldes

revidiert nach defi nitiven

LFI-3-Ergebnissen 2010

Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern

Amt für Wald

Impressum

Nachhaltigkeitsbericht 2008 – Zahlen und Fakten

zum Zustand des Berner Waldes

revidiert nach defi nitiven LFI-3-Ergebnissen

Herausgeber

Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern

Amt für Wald

Laupenstrasse 22

3011 Bern

Redaktion

Hansruedi Walther, Rudolf von Fischer, Adrian Meier,

Christian Menn, Ulrich Hug, Sonja Stalder

Layout

Tuxa Ayús Pellitero, Sonja Stalder

Grafi ken / Karten

Tuxa Ayús Pellitero, Ulrich Hug,

Christian Menn, Claude Wenger

Bilder

Karin Allenspach (Seite 10)

Tuxa Ayús Pellitero (Seite 22)

Rudolf von Fischer (Seite 14, 25)

Thomas Peter (Seite 18)

Christian Pfammatter (Seite 28)

Ueli Ryter (Seite 26)

Michael Stahl (Seite 3)

Daten Landesforstinventar 1–3

© 2008 Eidgenössische Forschungsanstalt WSL

8903 Birmensdorf

Übersetzung ins Französische

Yves Berger

Korrektorat

Ursula Affolter Eicher (deutsch)

Claude Wenger (französisch)

Aufl age

500 (deutsch), 100 (französisch)

Drucksachen-Nummer

835.25 / 05.08

Bezug

Amt für Wald des Kantons Bern

Laupenstrasse 22

3011 Bern

www.be.ch/wald (unter: Publikationen)

© Amt für Wald, Bern, März 2010

Vorwort

Der Wald im Kanton Bern erfüllt viele Funktionen: Er ist Einkommen für die einen, ein

Ort der Erholung für die anderen. Er schützt uns und unsere Bauten vor Naturgefahren.

Und er ist wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Pfl anzen und Tieren.

Der Wald steht somit in einem Spannungsfeld. Die verschiedenen Ansprüche

können sich gegenseitig konkurrenzieren. Es gilt, ein langfristiges Gleichgewicht

zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Ansprüchen zu

fi nden: Wie nutzen wir den Wald heute, so dass er seine Funktionen auch für die

nach uns kommenden Generationen erbringen kann? Entwickelt sich der Berner Wald

nachhaltig?

Der Regierungsrat übernimmt die Verantwortung für die Zukunft und stützt sein

gesamtes Handeln auf die Grundmaxime der Nachhaltigen Entwicklung. Die

Verwaltung hat die dazu nötigen Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen. Der

vorliegende Nachhaltigkeitsbericht stellt eine solche für die Waldpolitik dar.

Der Bericht zeigt, dass vor allem in drei Bereichen grosser Handlungsbedarf besteht:

Im Berner Wald ist zu lange zu wenig Holz genutzt worden, viele Bestände sind

überaltert. Die Schutzwälder müssen intensiv gepfl egt werden, sonst steigt das

Risiko für Schäden. Die übermässigen Stickstoff-Einträge belasten die Gesundheit

des Waldes.

Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern hat diese Probleme erkannt. Im

letzten Jahr haben wir eine Kampagne lanciert, mit der die Waldbesitzerinnen und

Waldbesitzer aufgerufen werden, mehr Holz zu nutzen. Die Situation der Schutzwälder

haben wir den Berner Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern dargelegt

und um mehr Mittel für die Schutzwaldpfl ege nachgesucht. Im Rahmen des

lufthygienischen Massnahmenplans setzen wir uns in verschiedenen Bereichen für

eine Reduktion der Stickstoff-Emissionen ein. Dasselbe Ziel verfolgen wir mit einem

breit abgestützten Pilotprojekt im Rahmen des Ressourcenprogramms Boden. Dieses

ist auf die Landwirtschaft fokussiert und startet voraussichtlich 2009.

Der Volkswirtschaftsdirektor

Andreas Rickenbacher, Regierungsrat

Vorwort zur revidierten Ausgabe 2010

Im Mai 2008 hat die Volkswirtschaftsdirektion den Nachhaltigkeitsbericht zum Zustand

des Berner Waldes veröffentlicht. Die Analyse beruht im Wesentlichen auf den Daten des

dritten Landesforstinventars. Dabei handelt es sich um eine nationale Studie, die von der

Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) alle zehn Jahre

herausgegeben wird.

Die Ergebnisse der kantonalen Verdichtung der Stichprobenfl ächen waren vor zwei

Jahren noch provisorischer Natur. Inzwischen liegen die defi nitiven Resultate vor. Die

Volkswirtschaftsdirektion hat diese Zahlen studiert und ist zu folgendem Schluss gekommen:

Die Differenzen sind gering und betreffen ausschliesslich das Kapitel „Nutzung“. Die darin

enthaltene Hauptbotschaft des Berichtes ist immer noch gültig:

„Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die nach wie vor hohen Holzvorräte

in den Berner Wäldern weiter reduziert werden. Dafür müsste in den nächsten Jahren mehr

Holz genutzt werden, als heute nachwächst.“

Das Amt für Wald (KAWA) legt Wert auf eine glaubwürdige und nachvollziehbare Information.

In Absprache mit der Volkswirtschaftsdirektion hat sich das KAWA deshalb entschieden,

trotz geringer Änderungen eine aktualisierte Ausgabe des Nachhaltigkeitsberichtes

herauszugeben. Die Zahlen im Kapitel „Nutzung“ sind angepasst worden und entsprechen

den defi nitiven Ergebnissen des dritten Landesforstinventars.

Der stellvertretende Amtsvorsteher

Rudolf von Fischer

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 7

1 Einleitung 9

2 Ressourcen 10

2.1 Waldfl äche 11

2.2 Waldaufbau nach Altersstufen 12

2.3 Holzvorrat 13

3 Gesundheit und Vitalität 14

3.1 Schadstoffe 15

3.2 Borkenkäferbefall 16

3.3 Wildschäden 17

4 Nutzung 18

4.1 Holznutzung 19

4.2 Zuwachs 20

4.3 Nutzungspotenzial 21

5 Biologische Vielfalt 22

5.1 Totholz 23

5.2 Reservate und naturnahe Wälder 24

6 Schutzwald 26

6.1 Schutz vor Naturgefahren 27

7 Sozioökonomie 28

7.1 Beschäftigte in der Waldwirtschaft 29

7.2 Erfolg in den Holzproduktionsbetrieben 30

7.3 Erholung 31

8 Fazit 32

9 Literatur 34

10 Abkürzungen 35

7

Zusammenfassung

Der vorliegende Nachhaltigkeitsbericht beschreibt und analysiert anhand verschiedener Indikatoren den

Zustand und die Entwicklung des Berner Waldes. Geordnet sind diese Indikatoren nach den sogenannten

„Helsinki-Kriterien“: Ressourcen, Gesundheit und Vitalität, Nutzung, biologische Vielfalt, Schutzwald und

Sozioökonomie.

Aufgrund dieser Resultate wird im Fazit der Handlungsbedarf verschiedener Akteure im Interesse einer

nachhaltigen Waldentwicklung abgeleitet. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht:

Handlungsbedarf

klein mittel gross

Ressourcen x

Waldfl äche x

Waldaufbau nach Altersstufen x

Holzvorrat x

Gesundheit und Vitalität x

Schadstoffe x

Borkenkäferbefall x

Wildschäden x

Nutzung x

Holznutzung x

Zuwachs x

Nutzungspotenzial x

Biologische Vielfalt x

Totholz x

Reservate und naturnahe Wälder x

Schutzwald x

Schutz vor Naturgefahren x

Sozioökonomie x

Beschäftigte in der Waldwirtschaft x

Erfolg in den Forstbetrieben x

Freizeit und Erholung x

8

9

Regionen nach LandesforstinventarQuelle: LFI

Jura

Mittelland

Voralpen

Alpen

Biel

Bern

Thun

1 Einleitung

Was ist eine nachhaltige Waldentwicklung? Auf diese Frage gibt es eine Antwort, die auf

breiten Konsens stösst: Der Wald muss so gepfl egt und genutzt werden, dass die biologische

Vielfalt, das Produktionspotenzial, die Verjüngungsfähigkeit und die Vitalität erhalten bleiben.

Er muss wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen erfüllen können – auf

lokaler, nationaler und globaler Ebene, gegenwärtig und in Zukunft. Anderen Ökosystemen

sollte dabei kein Schaden zugefügt werden.

Ist die Waldentwicklung im Kanton Bern nachhaltig im Sinne dieser Defi nition? Für diese

Beurteilung soll der vorliegende Bericht eine Grundlage bieten; er richtet sich an Politik und

Öffentlichkeit.

Die Analyse beruht auf eigenen Erhebungen sowie auf Daten der kantonalen Verdichtung

des dritten Landesforstinventars (LFI). Dieses wird gegenwärtig von der Eidgenössischen

Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) erstellt. Der Kanton Bern hat die

bis anhin noch nicht publizierten Zahlen freundlicherweise im Voraus zur Verfügung gestellt

bekommen.

Wie bereits das Titelbild zeigt, ist Nachhaltigkeit ein vielschichtiger Begriff. Die

verschiedenen Aspekte werden im Folgenden nach den sogenannten „Helsinki-

Kriterien“ gebündelt und dargestellt: Ressourcen, Gesundheit und Vitalität,

Nutzung, biologische Vielfalt, Schutzwald, Sozioökonomie. Gewählt wurde

dieses international anerkannte Konzept, weil es die Vergleichbarkeit zu anderen

Nachhaltigkeitsberichten über die Waldentwicklung gewährleistet.

In jedem Kapitel geht es darum, den Zustand und die Entwicklung der Indikatoren

zu beschreiben und einzuordnen. Am Schluss folgt das Fazit: In welchen Bereichen

besteht Handlungsbedarf im Interesse einer nachhaltigen Waldentwicklung? Wo

braucht es neue Ansätze, wo kann die bisherige Waldpolitik fortgesetzt werden?

Viele der folgenden Aussagen werden nach den Regionen im Kanton Bern

differenziert. Eine Hilfe zum besseren Verständnis bietet die nebenstehende

Karte.

10

2 Ressourcen

„Den Wald erhalten“: So lautet die Vorgabe des kantonalen Waldgesetzes. Der

Rückblick auf die letzten 20 Jahre zeigt, dass die Waldpolitik dieses Ziel erreicht hat.

Die Fläche hat leicht zugenommen und liegt heute bei 178 490 Hektaren.

Die Kahlschläge im 19. Jahrhundert zeigen ihre Folgen bis heute: Die Bestände der

anschliessenden Aufforstung dominieren den Altersaufbau und sind jetzt 100 bis

140 Jahre alt. In den Wäldern des Kantons Bern fehlt es an Nachwuchs.

Die Wälder im Kanton Bern bergen überdurchschnittlich grosse Holzvorräte. Der

Sturm Lothar Ende Dezember 1999 hat die Vorräte – gemessen an der gesamten

Menge – nur leicht abgebaut.

Jahr um Jahr: Im Berner Wald liegt das durchschnittliche

Alter der Bäume bei 95 Jahren.

11

Waldanteile und Regionen

Quelle: LFI 3

Anteil an Gesamt- waldfl äche

(%)

Bewaldungs-prozent

(%)

Jura 14 47

Mittelland 25 28

Voralpen 34 35

Alpen 27 24

Kanton Bern 100 30

Entwicklung der Waldfl äche seit 1986

Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3

Wal

dfl ä

che

(10

00

ha)

2.1 Waldfl äche

30 Prozent der Berner Kantonsfl äche sind

bewaldet. Damit liegt der Waldanteil leicht

unter dem Schweizer Durchschnitt (31 %).

Zum Vergleich: In Österreich ist fast die Hälfte

des Landes (47 %) von Wald bewachsen, in

Deutschland sind es ebenfalls 31 Prozent.

Wo liegen diese insgesamt 178 490 Hektaren

Wald im Kanton Bern? Rund ein Drittel (34 %)

fi ndet sich in den Voralpen, über ein Viertel

in den Alpen (27 %), genau ein Viertel im

Mittelland (25 %) und 14 Prozent liegen im

Jura. Gemessen an der Grösse der jeweiligen

Region verfügt jedoch gerade der Jura über

einen sehr hohen Waldanteil (47 %). Unter

dem Berner Durchschnitt liegen die Anteile

im Mittelland und in den Alpen: Im Mittelland

beschränken die Ballungsräume und die

Landwirtschaft die potenzielle Waldfl äche, in

den Alpen sind es vor allem die klimatischen

Bedingungen.

Hauptziel des Waldgesetzes erfüllt

In den letzten 20 Jahren hat der Wald im

Kanton Bern um rund 5 Prozent zuge-

nommen. Diese Tendenz hat sich zwischen

1996 und 2006 deutlich abgeschwächt.

Insgesamt erfüllt die bisherige Waldpolitik das

Hauptziel des kantonalen Waldgesetzes: den

Wald zu erhalten.

Diese Vorgabe äussert sich auch in der

Rodungsstatistik: Seit 1986 sind nur gerade

664 Hektaren Wald bzw. 0,37 Prozent der

gesamten Fläche gerodet und zu mehr als

100 Prozent auf gleichwertigen Standorten

neu angelegt worden. Rodungen sind

grundsätzlich verboten und bedürfen einer

Ausnahmebewilligung.

Konfl iktpunkt: verbuschende Flächen

Wo aber legt der Wald an Fläche zu? Die

Zahlen zeigen, dass sich der Wald vor

allem in den Alpen ausdehnt; dort, wo

sich die Landwirtschaft von

der Bewirtschaftung wenig

ertragsfähiger Böden zurückzieht.

Dieser Prozess wird je nach Ort

und Perspektive unterschiedlich

beurteilt: Die zunehmende

Waldfl äche kann zum Schutz

vor Naturgefahren beitragen;

dabei verändert sich jedoch das

traditionelle Landschaftsbild, was

nicht überall erwünscht ist.

Fest steht aber Folgendes: Laut

kantonalem Waldgesetz gelten

verbuschende Flächen erst ab

einer gewissen Grösse sowie

einem bestimmten Alter der

Büsche und Bäume als Wald. Bis

zu diesem Zeitpunkt bleibt unklar,

bei wem die Aufsicht über diese

Gebiete liegt.

Der Wald nimmt im Kanton Bern knapp ein Drittel der Gesamtfl äche ein. In den letzten

20 Jahren ist die Waldfl äche um 5 Prozent gewachsen. Die Zunahme erfolgt dort,

wo sich die Landwirtschaft von der Bewirtschaftung wenig ertragsfähiger Böden

zurückzieht. Dieses Phänomen lässt sich vor allem in den Alpen beobachten.

12

Flächenverteilung nach Altersklassen

Quelle: LFI 3

Fläc

he (1

00

0 h

a)

2.2 Waldaufbau nach Altersklassen

Der Altersaufbau im Berner Wald ist unaus-

geglichen: Wie die Grafi k zeigt, sind die Al-

tersklassen der 80- bis 140-jährigen Bäume

übervertreten. Diese Tatsache erklärt sich

historisch. Im 19. Jahrhundert wurden die

Berner Wälder stark übernutzt, ab 1870 be-

gann das Aufforsten. Die Bäume dieser Auf-

bauphase dominieren heute die Bestände.

Demgegenüber sind die Altersklassen der

40- bis 80-jährigen Bäume klar untervertre-

ten, diejenigen der 0- bis 40-jährigen Bäu-

me vergleichsweise schwach besetzt. Kurz:

Dem Berner Wald fehlt es an Nachwuchs,

die Generationenfolge ist nicht

gesichert. Es gibt zu viele Wälder,

in denen der gesamte Bestand

ein zu hohes Alter aufweist.

Alte Bestände weniger stabil

Problematisch ist dies vor allem

in den Nutz- und Schutzwäldern.

Diese Bestände sollten ihre Funk-

tion stetig erfüllen können. Des-

halb streben Fachleute dort eine

möglichst gleichmässige Altersverteilung

an, die nach oben begrenzt ist: Überalterte

Bestände verlieren an Holzqualität und Sta-

bilität; sie werden anfälliger auf Sturm und

andere Naturereignisse.

Eine Korrektur ist möglich, indem intensiver

genutzt und die Verjüngung vorangetrieben

wird.

Altholz ist im Naturwald gefragt

Anders verhält sich dies im Wald, der dem

Naturzustand möglichst nahe kommen soll.

Dort stehen Qualitäts- und Stabilitätsfragen

eher im Hintergrund. Stattdessen bieten die

sehr alten Bäume als sogenanntes Altholz

wertvolle Lebensräume für viele Tiere und

Pfl anzen.

Im Berner Wald sind die 80- bis 140-jährigen Bestände übervertreten. Die Frage nach

der idealen Altersstruktur hängt davon ab, welche Funktion ein Baumbestand erfüllen

soll. Im Nutz- und Schutzwald wird eine gleichmässige Altersverteilung angestrebt.

13

Holzvorrat nach Regionen

Quelle: LFI 3

Holzvorrat (m3/ha)

Jura 394

Mittelland 416

Voralpen 470

Alpen 345

Kanton Bern 414

Entwicklung des Holzvorrates seit 1986

Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3

Ho

lzvo

rrat

(m3/h

a)

Kanton Bern

Schweiz

2.3 Holzvorrat

Der Berner Wald birgt nach wie vor überdurchschnittlich grosse Holzvorräte. Der

Sturm Lothar Ende Dezember 1999 und der darauf folgende Borkenkäferbefall haben

die Vorräte – gemessen an der gesamten Menge – nur leicht abgebaut.

Wie aufgezeigt, sind die über 80-jährigen

Waldbestände im Kanton Bern übervertre-

ten. Alte Bäume weisen naturgemäss mehr

Volumen auf als jüngere. Deshalb erstaunt

es nicht, dass der Kanton Bern über einen

vergleichsweise grossen Holzvorrat verfügt:

Pro Hektare zugänglichen Wald fi nden sich

414 Kubikmeter Holz. Im schweizerischen

Durchschnitt liegt diese Masszahl bei 359,

in Österreich bei 325 und in Deutschland bei

320 Kubikmetern pro Hektare.

Innerhalb des Kantons differiert der Holzvor-

rat nach Regionen. An der Spitze stehen die

Voralpen mit 470 Kubikmetern pro Hektare,

gefolgt vom Mittelland mit 416 Kubikmetern

pro Hektare. Der Grund liegt darin, dass die

Bäume je nach geografi scher Lage unter-

schiedlich gute Wachstumsbedingungen

vorfi nden.

Deutliche Schwankungen seit 1986

Der Rückblick auf die letzten 20 Jahre zeigt,

dass der Holzvorrat deutlichen Schwan-

kungen unterworfen war. Zwischen 1986

und 1996 stieg der Vorrat von 409 auf

448 Kubikmeter pro Hektare – analog zum

schweizerischen Mittel, aber auf höherem

Niveau. Gründe dafür waren mangelnde

Nachfrage und tiefe Holzpreise.

Zwischen 1996 und 2006 sank der Vorrat

wieder auf 414 Kubikmeter pro Hektare: Der

Sturm Lothar und der darauf folgende Bor-

kenkäferbefall haben zu überdurchschnittlich

grossen Zwangsnutzungen geführt.

Laubholz: Zunahme wird begrüsst

Wie teilt sich dieser Vorrat auf die Nadel- und

Laubbäume auf? Bei drei Vierteln handelt

es sich um Nadelholz, bei einem

Viertel um Laubholz. Zwischen

1986 und 1996 blieb der Laub-

holzanteil konstant bei 22 Prozent,

seither ist er leicht am Steigen.

Verantwortlich für dieses relative

Ergebnis sind zwei Faktoren: Der

Laubholzvorrat ist tatsächlich ge-

stiegen, und der Nadelholzvorrat

ist zurückgegangen.

Aus ökologischer Sicht wird die

Zunahme von Laubholz begrüsst.

Zum einen nimmt die biologische

Vielfalt zu, zum anderen verbes-

sern Laubbäume die Qualität des

Standortes: Das gefallene Laub

führt dem Boden Nährstoffe zu.

14

3 Gesundheit und Vitalität

Die hohen Stickstoffeinträge belasten den Wald. Der weitaus grösste Teil dieser

Emissionen stammt aus der Landwirtschaft. Der Kanton Bern beteiligt sich an einem

Programm, das die Folgen für den Wald beobachtet und dokumentiert.

Kantonale Erhebungen liefern weitere Daten zur Frage, wie stark der Berner Wald in

seiner Gesundheit beeinträchtigt ist. Näher betrachtet werden der Borkenkäferbefall

sowie die Wildschäden.

Der Borkenkäfer hat sich insbesondere nach dem Sturm Lothar Ende Dezember

1999 und dem Hitzesommer 2003 stark ausgebreitet. Dank einer konsequenten

Bekämpfungsstrategie ist die Situation unter Kontrolle.

Untragbare Wildschäden treten momentan nur lokal auf. Der Verbissdruck wird mit

dem Einwachsen der Lothar-Sturmfl ächen vermutlich wieder ansteigen.

Weniger gut verankert: Die Stickstoff-Emissionen lassen

den Boden versauern. Das Wurzelwerk der Bäume ver-

schlechtert sich, dadurch stehen sie weniger stabil.

15

Jährliche Stickstoff-Emissionen in der Schweiz (%)

Quelle: BUWAL 2004

Verkehr

Industrie und Gewerbe

Haushalte

Landwirtschaft

3.1 Schadstoffe

Eine interkantonale Studie zeigt, dass die hohen Stickstoffeinträge das Gleichgewicht

der Nährstoffe stören, den Boden versauern lassen und sich negativ auf das

Wachstum der Bäume auswirken. Rund 60 Prozent dieser Emissionen stammen aus

der Landwirtschaft.

Der Wald ist von Schadstoffen belastet.

Das zeigen die Ergebnisse einer seit 1984

laufenden Studie, an der sich auch der

Kanton Bern beteiligt. Der Zwischenbericht

von 2004 weist unter anderem auf folgende

Punkte hin:

• Bei über 20 Prozent der Buchen und

Fichten ist die Krone um mehr als

25 Prozent verlichtet. Gemäss einer

internationalen Beurteilungsskala gelten

diese Bäume als „gestresst“.

• Die hohen Stickstoffeinträge im Wald

stören das Gleichgewicht der Nährstoffe,

was sich auf das Wachstum der Bäume

auswirkt.

Bei den Buchenfl ächen hat der Anteil mit

einem Phosphormangel innerhalb von

knapp 20 Jahren von 9 auf 80 Prozent zu-

genommen. Beim Magnesium lauten die

entsprechenden Werte 11 bzw. 50 Prozent.

Bei den Fichten weisen 68 Prozent

der Flächen eine Unterversorgung mit

Phosphor auf.

Der jährliche Stammzuwachs der unter-

suchten Buchen und Fichten ist zwischen

1998 und 2002 um 22 bis 23 Prozent

gesunken.

• Zudem lassen die Stickstoff-Emissionen

den Boden versauern. In kalkfreien

Böden hat der pH-Wert zwischen

1996 und 2005 um 0,1 abgenommen.

Die Basensättigung sank im gleichen

Zeitraum um 5 Prozent. In der Folge

verschlechtert sich das Wurzelwerk der

Bäume, dadurch sind sie weniger gut im

Boden verankert.

Das Dauerbeobachtungsprogramm be-

rücksichtigt über 120 Flächen mit einer

Grösse von 0,25 bis 2 Hektaren.

80 500 Tonnen Stickstoff pro Jahr

Wie das Bundesamt für Umwelt aufzeigt,

gelangen jährlich 80 500 Tonnen Stickstoff in

die Luft. Davon stammen 61 Prozent alleine

aus der Landwirtschaft, weitere

24 Prozent aus dem Verkehr.

16

Käferholz und Befallsherde 1984 bis 2007

Quelle: KAWA

Käf

erho

lz (1

00

0 m

3)

Anzahl B

efallsherde (1

00

0)

3.2 Borkenkäferbefall

Im Sturmholz fi ndet der Borkenkäfer ideale Brutbedingungen: Das zeigt die Zunahme

der Befallsherde nach „Vivian“ und „Lothar“. In der Folge mussten die Eigentümerinnen

und Eigentümer grosse Mengen an Käferholz nutzen. Diese Massnahme trug dazu

bei, dass der Borkenkäferbefall wieder stark gesunken ist.

Borkenkäfer fi nden nach Orkanen in den

grossen Mengen des liegenden Sturmholzes

ideale Bedingungen zur Vermehrung: Nach

dem Sturm Vivian im Februar 1990 nahmen

die Populationen ein erstes Mal zu, danach

beruhigte sich die Lage wieder. Nach „Lo-

thar“ im Dezember 1999 sprang die Zahl der

neuen Käfernester innerhalb eines Jahres

von rund 130 auf über 3800. Der Hitzesom-

mer 2003 verschärfte die Situation zusätz-

lich.

Seither hat der Borkenkäferbefall erneut

deutlich abgenommen. Verantwortlich dafür

sind verschiedene Gründe: Die Waldbesit-

zerinnen und -besitzer bemühten sich, die

befallenen Bäume rechtzeitig zu räumen.

Im Jahr 2002 wurden rund 340 000 Kubik-

meter Käferholz genutzt, im folgenden Jahr

waren es gar 481 000 Kubikmeter. Zudem

behagten die eher kühlen und kurzen Som-

merperioden der letzten Jahre dem Borken-

käfer weniger.

Es muss jedoch davon ausgegangen wer-

den, dass bei einem erneuten Sturmereignis

der Borkenkäferbefall wieder stark zuneh-

men und zu grossen Schäden führen wür-

de.

17

Wildschadengutachten 2008

Quelle: KAWA

tragbare Schäden

kritische Schäden

untragbare Schäden

3.3 Wildschäden

Gegenwärtig treten untragbare Wildschäden im Kanton Bern nur lokal auf: Das Wild

fi ndet auf den Lothar-Sturmfl ächen genug Nahrung. Mit dem Heranwachsen der

jungen Bäume wird das Nahrungsangebot wieder knapper. Die Wildschäden werden

vermutlich zunehmen.

Aus forstlicher Sicht scheint die Wildsituati-

on im Kanton Bern momentan weitgehend

unter Kontrolle zu sein: Untragbare Schäden

treten nur lokal auf.

Der Verbissdruck ist aber nur deshalb be-

schränkt, weil das Wild vielerorts ein breites

Futterangebot fi ndet: Der Sturm Lothar hat

das Kronendach aufgerissen; auf den da-

durch entstandenen Blössen gedeihen Grä-

ser, Kräuter, Sträucher und junge Bäume.

Mehr Wild, weniger Nahrung

Allerdings lassen diese vorteilhaften Lebens-

bedingungen die Wildzahlen ansteigen. Zu-

dem fördert der Kanton seit zwei Jahren die

Ausbreitung des Rothirsches.

Mit dem Einwachsen der Sturmfl ächen

werden sich deshalb mehr Tiere ein kleiner

werdendes Futterangebot teilen müssen.

Der Verbissdruck wird zunehmen, falls die

Wildbestände nicht rechtzeitig angepasst

werden.

Die Forst- und Jagdbehörden des Kantons

Bern beobachten diese Situation aufmerk-

sam und erstellen jährlich ein Gutachten.

Dieses Dokument dient als Grundlage, um

die nötigen Schritte festzulegen. Dazu ge-

hören das Bejagen des Wildes, aber auch

forstliche Massnahmen wie beispielsweise

der Einzelschutz von Jungpfl anzen. Das

Schaffen von Freihaltefl ächen wertet den

Lebensraum des Wildes auf und erleichtert

zugleich das Bejagen.

18

4 Nutzung

Bis zum Sturm Lothar Ende 1999 haben die Waldbesitzerinnen und -besitzer jedes

Jahr ungefähr gleich viel Holz aus dem Wald geholt. Danach führte das Sturmholz zu

wesentlich höheren Nutzungsmengen. Seit 2004 nehmen die Werte zu, weil Nachfrage

und Preise wieder angestiegen sind.

Zwischen 1996 und 2006 ist weniger Holz nachgewachsen als in den vorhergehenden

Jahren. Erklären lässt sich dies wiederum durch den Sturm Lothar und dessen

Folgen.

Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die nach wie vor hohen

Holzvorräte in den Berner Wäldern weiter reduziert werden. Dafür müsste in den

nächsten Jahren mehr Holz genutzt werden, als heute nachwächst.

Gebunden und gestapelt: Die Anteile der verkauften Sor-

timente sind über die Jahre relativ stabil geblieben. 20

Prozent werden als Energieholz umgesetzt.

19

Durchschnittliche Nutzung

Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 31986

– 19961996

– 2006

Durchschnittliche Nutzung pro Jahr (Mio. m3)

1,3 1,85

Durchschnittliche Nutzung pro Hektare und Jahr (m3/ha)

8,3 11,6

Jährliche Holznutzung seit 1986

Quelle: Forststatistik, hochgerechnet auf die ausgewiesene Nutzung gemäss LFI 3

Nut

zung

(Mio

. m

3)

4.1 Holznutzung

Bis zum Sturm Lothar Ende 1999 haben die Waldbesitzerinnen und -besitzer jedes

Jahr ungefähr gleich viel Holz aus dem Wald geholt. Danach führte das Sturmholz zu

wesentlich höheren Nutzungsmengen. Seit 2004 nehmen die Werte zu, weil Nachfrage

und Preise am Steigen sind.

Die Waldbesitzerinnen und -besitzer haben

zwischen 1996 und 2006 mehr Holz genutzt

als in den zehn Jahren vorher: Die durch-

schnittliche Nutzung betrug 1,85 Millionen

Kubikmeter pro Jahr. Bezogen auf die Flä-

che entspricht das einem Wert von 11,6 Ku-

bikmetern pro Hektare. Demgegenüber lie-

gen die Kennzahlen der ersten Periode bei

1,3 Millionen Kubikmetern pro Jahr bzw. bei

8,3 Kubikmetern pro Hektare.

Zwangsnutzungen nach „Lothar“

Wie erklärt sich die Zunahme in der Zeit-

spanne von 1996 bis 2006? Zentraler Faktor

war der Sturm Lothar Ende Dezember 1999:

In den Jahren 2000 und 2001 mussten die

Verantwortlichen rund 3,8 bzw. 2,5 Millionen

Kubikmeter Holz nutzen. Diese Werte liegen

2,5 bzw. 1,2 Millionen Kubikmeter höher als

die durchschnittliche jährliche Nutzung von

1986 bis 1996. Seit 2004 wachsen die Zah-

len, weil Nachfrage und Preise am Steigen

sind.

Sortimente abhängig vom Weltmarkt

Von der jährlichen Nutzungsmenge kommen

nach Abzug der Ernteverluste rund 68 Pro-

zent auf den Markt. Die Anteile der verkauften

Sortimente sind über die Jahre relativ stabil

geblieben: 70 Prozent Stammholz, 20 Pro-

zent Energieholz, 10 Prozent Industrieholz.

Das Stammholz wird von den Sägewerken

weiterverarbeitet; das Industrieholz dient als

Rohmaterial für die Papier-, Zellstoff- und

Plattenindustrie.

Der Rohstoff Holz steht in Konkurrenz zu an-

deren Produkten. Wenn beispielsweise der

Erdölpreis steigt, nimmt die Nachfrage nach

Energieholz zu. Je nachdem wie sich die

Preise dieser Substitutionsprodukte künftig

verändern, können sich die An-

teile der Sortimente verschieben.

20

Durchschnittlicher jährlicher Zuwachs

Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 31986

– 19961996

– 2006

Durchschnittlicher Zuwachs pro Jahr (Mio. m3)

1,8 1,6

Durchschnittlicher Zuwachs pro Hektare und Jahr (m3/ha)

10,8 10,1

Durchschnittlicher jährlicher Zuwachs

Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3

Zuw

achs

(Mio

. m

3)

4.2 Zuwachs

Zwischen 1996 und 2006 ist weniger Holz gewachsen als in den zehn Jahren vorher:

Der Sturm Lothar hat viele Bäume gefällt, die folgenden Jungpfl anzen sind in der

Statistik noch nicht ausgewiesen. Schwankungen beim Zuwachs sind in nach

Altersklassen unausgeglichenen Wäldern typisch.

Die Baumstämme im Berner Wald haben in

der zweiten Periode weniger an Umfang und

Höhe gewonnen als in der ersten, kurz: Der

Zuwachs hat sich verringert. Der Wert sank

von 1,8 auf 1,6 Millionen Kubikmeter pro

Jahr. Das entspricht einem Minus von rund

11 Prozent.

Wodurch erklärt sich dieser Rückgang? Eine

zentrale Rolle hat auch hier der Orkan Lothar

gespielt. Wie aufgezeigt, mussten die Wald-

besitzerinnen und -besitzer grosse Mengen

an Sturmholz nutzen; die darauf folgenden

Jungpfl anzen haben noch keinen mess-

baren Zuwachs ausgebildet und

erscheinen deshalb nicht in den

Aufnahmen des dritten Landes-

forstinventars.

Wie sich der Zuwachs mittelfris-

tig verändern wird, ist schwierig

abzuschätzen, weil er – wie das

Beispiel Lothar belegt – auch von

unbekannten Faktoren abhängt.

Einen positiven Einfl uss wird aber der Um-

stand haben, dass die gegenwärtigen Jung-

wälder in die wachstumsstarken Altersgrup-

pen gelangen werden.

Längere Beobachtungsreihen zeigen, dass

gewisse Schwankungen beim Zuwachs in

nach Altersklassen unausgeglichenen Wäl-

dern typisch sind.

21

Entwicklung des Vorrates: zwei Szenarios

Quelle: KAWA, basierend auf LFI 3

41410,1

10,1

Jährlicher Zu-wachs(m3/ha)

Vorrat heute (m3/ha)

Jährliche Nutzung(m3/ha)

12,1

414

394

Vorrat in zehn Jahren (m3/ha)

4.3 Nutzungspotenzial

Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die hohen Holzvorräte in den

Berner Wäldern reduziert werden. Mit einer jährlichen Nutzung von 2 Millionen

Kubikmetern würde der Vorrat innerhalb von zehn Jahren um 20 Kubikmeter pro

Hektare sinken.

Wie aufgezeigt, weist der Kanton Bern viele

überalterte Waldbestände auf. Der Holzvor-

rat ist dementsprechend hoch. Es liegt im

Interesse eines gesunden, stabilen Waldes,

dass hier korrigierend eingegriffen wird.

In der Forstwirtschaft gilt die traditionelle

Regel, dass gleich viel Holz genutzt werden

darf wie nachwächst. So kann das Volumen

des Waldes stetig erhalten bleiben. Für die

gegenwärtige Situation bietet dieser Ansatz

jedoch keine optimale Lösung. Vorüberge-

hend sollten die Waldbesitzer und -besitze-

rinnen mehr Holz nutzen als nachwächst.

Nur so kann Platz geschaffen werden für die

notwendige Verjüngung.

Immer noch über Schweizer Mittelwert

Ein vertretbares Ziel könnte lauten: Redukti-

on der Vorräte um 20 Kubikmeter pro Hek-

tare innerhalb von zehn Jahren. In diesem

Fall müssten die Verantwortlichen jährlich

2,0 Millionen Kubikmeter Holz oder durch-

schnittlich 12,1 Kubikmeter pro Hektare

und Jahr nutzen. Mit 394 Kubikmetern pro

Hektare läge der neue Vorrat immer noch

deutlich über dem gegenwärtigen Schwei-

zer Durchschnitt von 359 Kubikmetern pro

Hektare.

Allerdings muss klar festgehalten werden,

dass diese Zahlen nur Durchschnittswerte

darstellen. Welches der ideale Vorrat für

einen bestimmten Waldbestand ist, hängt

unter anderem von dessen Standort und

Funktion ab.

Kohlenstoffspeicher Wald

Aus klimapolitischer Sicht könnte ein Inte-

resse daran bestehen, möglichst hohe Holz-

vorräte zu haben: Mehr Holz bindet mehr

Kohlenstoff (CO2) aus der Luft.

Dieses Argument ist jedoch kurzsichtig. Wie

erwähnt, verlieren zu vorratsreiche Wälder an

Stabilität, das Risiko für Schäden steigt. Das

gilt in besonderem Masse für die Schutzwäl-

der. Ein Sturm könnte dann den wertvollen

Kohlenstoffspeicher Wald in einem gänzlich

unerwünschten Ausmass reduzieren.

22

Erblüht: Licht liebende Arten wie diese Orchidee profi tie-ren von der Pfl ege heller Laub- und Nadelwälder.

5 Biologische Vielfalt

Im Berner Wald fi nden sich 15 verschiedene Nadel- und 35 Laubbaumarten. Den

Vorrat dominieren jedoch nur gerade drei: die Fichte (49 %), die Tanne (23 %) und die

Buche (18 %).

Der Wald bietet einen Lebensraum für viele Pfl anzen und Tiere. Mehr als ein Drittel der

50 000 in der Schweiz bekannten Arten kommen im Wald und am Waldrand vor.

Die beiden folgenden Indikatoren – das Totholz und die naturnahen Wälder – bilden

wichtige Grundlagen für eine grosse biologische Vielfalt. Ohne Totholz könnten

beispielsweise rund 1300 Käferarten und über 2300 höhere Pilzarten nicht überleben.

Im Berner Wald hat sich der Anteil Totholz seit 1996 fast verdoppelt. Verantwortlich

dafür ist vor allem der Sturm Lothar Ende Dezember 1999.

Von der Berner Waldfl äche sind 2 Prozent als Reservate gesichert. Der Kanton Bern

konzentriert sich vor allem auf den Schutz bedrohter Naturwerte.

23

Totholz: Vergleich 1996 und 2006

Quelle: LFI 2, LFI 31996 2006

Totholz (m3/ha) 9,3 18,1

Anteil am Gesamtvorrat (%) 2,1 4,4

Totholz nach Höhenlage

Quelle: LFI 3

Volu

men

(m3/h

a)

< 800 m ü. M. 800–1200 m ü. M. > 1200 m ü. M.

5.1 Totholz

Seit 1996 hat sich der Totholz-Anteil im Berner Wald fast verdoppelt: Der Sturm Lothar

hat seine Spuren hinterlassen. Je nach Höhenlage variiert dieser Wert stark, weil es im

Berggebiet schwieriger ist, Holz aus dem Wald zu holen.

Zwischen 1996 und 2006 hat sich die Men-

ge Totholz in den Berner Wäldern nahe-

zu verdoppelt: Die abgestorbenen Bäume

– stehend oder liegend – bilden nun ein Vo-

lumen von 18,1 Kubikmetern pro Hektare.

Das entspricht einem Anteil von 4,4 Prozent

am gesamten Holzvorrat.

Wie können diese Zahlen eingeordnet wer-

den? Grundsätzlich ist ein gewisser Totholz-

Anteil im Interesse der biologischen Vielfalt

erwünscht. Bis anhin fehlen jedoch wissen-

schaftliche Grundlagen, um nach Waldtypen

differenzierte Soll-Werte zu defi nieren. Unter

Fachleuten weitgehend anerkannt ist ein

Durchschnittswert von 10 Kubikmetern pro

Hektare.

Der Kanton Bern verfügt somit im Moment

über hohe Totholz-Vorräte. Verantwortlich

dafür ist der Sturm Lothar Ende Dezember

1999 sowie der darauf folgende Borkenkä-

ferbefall. Weil sich jedoch das damals ent-

standene Totholz laufend biologisch abbaut,

wird der durchschnittliche Vorrat in den

nächsten Jahren eher wieder etwas sinken.

Vier Mal mehr Totholz in hohen Lagen

Wo aber fi nden sich die heute vorhandenen

Totholz-Mengen? Wie die Grafi k zeigt: vor

allem in den höheren Lagen. Auf über 1200

Metern über Meer hat es in den Wäldern vier

Mal mehr Totholz als unter 800 Metern über

Meer (32 m3 zu 8 m3 pro ha).

Dafür gibt es eine pragmatische

Erklärung: Im Berggebiet ist das

Totholz weniger gut zu erreichen;

die Erntekosten fallen entspre-

chend höher aus. Deshalb bleiben

abgestorbene Bäume eher im

Wald zurück als in tieferen Lagen.

24

Geschützte Waldfl ächenQuelle: KAWA, BFS GEOSTAT, BAFU

Reservate

Bundesinventare der Auen-, Flach- und Hochmoore

5.2 Reservate und naturnahe Wälder

Der Bund will bis ins Jahr 2030 10 Prozent

der Waldfl äche als Reservate sichern. Hin-

ter diesem Ziel steht der Kanton Bern ge-

genwärtig noch weit zurück: Unter Schutz

stehen erst 2 Prozent der gesamten Berner

Waldfl äche. Bis anhin hat sich der Kanton

darauf konzentriert, die tatsächlich bedroh-

ten Naturwerte zu sichern.

Die eigentlichen Reservate umfassen

1618 Hektaren; weitere 1685 Hektaren Wald

sind über die Bundesinventare der Auen-,

Flach- und Hochmoore geschützt.

14 500 Hektaren Wald werden von ihren

Besitzerinnen und Besitzern seit mindestens

50 Jahren nicht mehr bewirtschaf-

tet oder sind unzugänglich. Die-

sen Flächen fehlt zwar der offi zielle

Status eines Reservats, dennoch

können sie als reservatsähnliche

Wälder bezeichnet werden.

Waldränder und Altholzinseln

Daneben setzt sich der Kanton

auf qualitativer Ebene für die bio-

logische Vielfalt ein. Dazu gehört

Im Kanton Bern sind 2 Prozent der Waldfl äche als Reservate geschützt. Statt einem

Flächenziel hat sich der Kanton bis anhin vor allem dem Schutz bedrohter Naturwerte

gewidmet.

beispielsweise das Aufwerten von Waldrän-

dern sowie das Schaffen von Alt-holzinseln.

Im Weiteren engagiert sich der Kanton für den

Erhalt historischer Bewirtschaftungsformen

wie der sogenannten „Wytweiden“ im Jura.

Diese Waldgebiete umfassen 5 Prozent der

gesamten Waldfl äche im Kanton Bern und

bilden einen wertvollen Lebensraum für Licht

liebende Arten.

Wald naturnah bewirtschaften

Zudem ist der Grundsatz der naturnahen

Bewirtschaftung im kantonalen Waldgesetz

festgehalten und gilt somit für die gesamte

Waldfl äche.

25

Im Kreislauf: Ohne Totholz könnten rund 1300 Käferarten und über 2300 höhere Pil-zarten nicht überleben.

26

6 Schutzwald

Wirksam: Der Wald schützt – zusammen mit Schutz-

bauten – Siedlungen und Strassen vor Naturgefahren wie

beispielsweise Lawinen.

Der Wald stellt eine kostengünstige, aber dennoch wirksame Möglichkeit zum Schutz

vor Naturgefahren dar. Ein Fünftel der Berner Waldfl äche erfüllt eine solche besondere

Schutzfunktion. Der Anteil der stabilen Bestände hat zugenommen.

Auch in einem umfassenderen Sinn trägt der Wald zur Sicherheit einer Region bei:

Der Waldboden beispielsweise ist fähig, grosse Mengen an Wasser zu speichern

und somit die Überschwemmungsgefahr zu reduzieren. Im Kanton Bern dienen rund

61 Prozent der Waldfl äche dem indirekten Schutz der Bevölkerung.

27

Zustand des Schutzwaldes 1996 und 2006

Quelle: LFI 2, LFI 3

1996 2006

stabil

vermindert stabil

labil

6.1 Schutz vor Naturgefahren

Rund 20 Prozent der Berner Waldfl äche schützen den Menschen und seine Bauten vor

Lawinen, Steinschlägen und anderen Naturgefahren. In den letzten zehn Jahren hat

sich der Zustand der Schutzwälder verbessert. Nach wie vor gelten jedoch 5 Prozent

dieser Bestände als labil.

Ein Fünftel der gesamten Waldfl äche hat eine

besondere Schutzfunktion: Diese 35 000

Hektaren schirmen Siedlungen und Stras-

sen vor Naturgefahren ab. Dazu gehören vor

allem Lawinen und Steinschläge, aber auch

Rutschungen und Murgänge. Im Vergleich

zu den Schutzbauten stellt der Wald eine

kostengünstige, aber dennoch wirksame

Möglichkeit der Gefahrenprävention dar.

Allerdings kann nur ein gesunder, stabiler

Wald diese anspruchsvolle Aufgabe dau-

erhaft erfüllen. Fehlende Verjüngung und

überalterte Bestände schränken den Wald in

seiner Schutzkraft ein. Deshalb kommt der

Pfl ege dieser Wälder im Kanton Bern eine

hohe Priorität zu.

Rund 60 Prozent sind stabil

In den letzten zehn Jahren hat sich der Zu-

stand des Berner Schutzwaldes verbessert.

Heute gelten 58 Prozent der Bestände als

stabil, 37 Prozent als vermindert stabil und

5 Prozent als labil. Im Jahr 1996 wurden

noch 49 Prozent als vermindert stabil und

ebenfalls 5 Prozent als labil eingestuft. Ins-

gesamt hat die Stabilität im Wald mit beson-

derer Schutzfunktion auf einer Fläche von

rund 4200 Hektaren zugenommen.

Dieses Ergebnis darf jedoch nicht darüber

hinwegtäuschen, dass auf einer Fläche von

rund 15 000 Hektaren ein kurz- und mittel-

fristiger Handlungsbedarf bestehen bleibt.

28

7 Sozioökonomie

Mit Mass und Augenmerk: In den letzten Jahren hat die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte deutlich abge-nommen.

Der Wald muss vielfältigen Ansprüchen gerecht werden: Er ist Arbeitsstätte und

Einnahmequelle für die einen, ein Ort der Erholung für die anderen sowie Lebensraum

für Tiere und Pfl anzen.

Der wirtschaftliche Druck der letzten Jahre hat sich auf die Produktivität ausgewirkt:

Heute arbeiten deutlich weniger Beschäftigte in der Waldwirtschaft als noch vor

zwanzig Jahren. Ebenfalls abgenommen hat die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte

und Förster.

Die verbesserte Produktivität und die gestiegenen Holzpreise haben dazu geführt,

dass sich die fi nanzielle Lage der Forstbetriebe etwas erholt hat. Nach wie vor schreibt

aber ein beachtlicher Teil dieser Betriebe rote Zahlen. Die zukünftige Entwicklung des

Holzpreises hängt stark vom Weltmarkt ab.

Vor allem in den grossen Ballungsgebieten ist der Wald ein intensiv genutzter Ort der

Erholung. Gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass auch der Lebensraum

Wald durch die Erholungssuchenden immer stärker belastet wird: Die Umwelt wird

zunehmend mit Abfällen verunreinigt, die Intensität der Freizeitaktivitäten wächst.

29

Entwicklung Holzpreis und Lohnkosten 1980 bis 2006

Quelle: Waldwirtschaft Schweiz, Forstliche Betriebsabrechnung

Jahr Holzpreis (CHF/m3) Lohnkosten (CHF/Std.)

1980 140.– 20.–

1985 112.– 24.–

1990 110.– 36.–

1995 103.– 42.–

2000 68.– 43.–

2005 66.– 47.–

2006 71.– 48.–

Anz

ahl V

ollz

eits

telle

n

Anzahl Vollzeitstellen in der Waldwirtschaft

Quelle: Eidgenössische Betriebszählungen

Vollzeitstellen

Vollzeitstellen in Forstunternehmen

Vollzeitstellen in Forstbetrieben

7.1 Beschäftigte in der Waldwirtschaft

Der wirtschaftliche Druck der letzten Jahre hat sich auf die Produktivität ausgewirkt:

Heute arbeiten deutlich weniger Beschäftigte in der Waldwirtschaft als noch vor

zwanzig Jahren, spezialisierte Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Die Zahl der

Unfälle ist rückläufi g. Es fehlt an neu ausgebildeten Forstwarten und Förstern.

Die Zahl der Beschäftigten in der Waldwirt-

schaft ist am Sinken: 1986 gab es noch 953

Vollzeitstellen, im 2005 waren es noch 553.

Nur nach dem Sturm Lothar Ende 1999

nahm das Stellenangebot vorübergehend

etwas zu.

Seit 1995 lassen sich diese Zahlen nach Ar-

beitgeber unterteilen. Die Vollzeitstellen bei

den Forstbetrieben sind in diesem Zeitraum

fast um die Hälfte zurückgegangen, bei den

Forstunternehmen blieb der Wert stabil.

Waldarbeit immer rationeller

Grund für diese Entwicklung ist der wirt-

schaftliche Druck: Der Holzpreis hat sich seit

1980 halbiert, die Lohnkosten haben sich

zwischen 1980 und 2006 mehr als verdop-

pelt. Der Waldwirtschaft blieb nichts anderes

übrig, als ihre Produktivität zu steigern. In

diesem Umfeld haben die Forstunterneh-

men an Bedeutung gewonnen: Sie sind häu-

fi g auf bestimmte Holzernteverfahren spezi-

alisiert und verfügen über die notwendigen

Maschinen, um rationell arbeiten zu können.

Es ist davon auszugehen, dass sich das Ar-

beitsangebot weiterhin von den Betrieben zu

den Unternehmen verlagern wird.

Unfälle nehmen ab

Auf die Arbeitssicherheit wirkt sich dieser

Prozess tendenziell positiv aus. Im Jahr

2006 zählte die Suva-Statistik für den Kan-

ton Bern 156 Betriebsunfälle mit Taggeld-

zahlungen pro 1000 Vollbeschäftigte; 1994

lag dieser Wert noch bei 193 Fällen. Eben-

falls zu diesem Resultat beigetragen haben

die intensivierten Massnahmen zur Unfall-

verhütung sowie die verbesserte Aus- und

Weiterbildung der Beschäftigten.

Weniger Forstwarte und Förster

Abgenommen hat in den letzten

Jahren die Zahl der neu ausgebil-

deten Forstwarte und Förster: Bei

den Forstwarten gelten 25 Absol-

venten im Durchschnitt der letzten

drei Jahre als angemessene Ziel-

grösse; diese ist im 2007 erstmals

nicht mehr erreicht worden.

Die Försterschulen konnten in

den letzten Jahren nur noch ver-

einzelt Abgänger aus dem Kanton

Bern verzeichnen. Allerdings hat

diese Zahl schon immer stark ge-

schwankt.

30

Holzerlöse in der Schweiz 1986 bis 2007

Quelle: Waldwirtschaft Schweiz (Schätzungen: 1986–1990 / 2007)

Ho

lzer

löse

(CH

F/m

3)

7.2 Erfolg in den Holzproduktionsbetrieben

Dank den gestiegenen Holzpreisen und der höheren Produktivität hat sich die fi nanzielle

Lage der Forstbetriebe in den letzten Jahren etwas entspannt. Das darf nicht darüber

hinwegtäuschen, dass nach wie vor ein beachtlicher Teil der Betriebe rote Zahlen

schreibt. Die künftige Entwicklung des Holzpreises hängt stark vom Weltmarkt ab.

Die fi nanzielle Situation der Forstbetriebe hat

sich erst seit Kurzem etwas beruhigt. Vorher

mussten diese Betriebe lange Jahre mit stei-

genden Produktionskosten und sinkenden

Erlösen kämpfen. Seit 1990 schreiben die

meisten rote Zahlen.

Abgenommen haben die Erlöse deshalb,

weil der Holzpreis in den letzten 20 Jahren

drastisch gefallen ist: Für die Forstbetriebe

stellt der Holzverkauf die zentrale Einnahme-

quelle dar.

Konkret sank der Holzpreis zwischen 1986

und 2001 von 112 auf 62 Franken pro Ku-

bikmeter. Dafür verantwortlich waren im We-

sentlichen drei Faktoren: Die Nachfrage auf

dem internationalen Markt nahm ab; die Ver-

arbeitungskapazitäten in der Schweiz waren

zu klein; nach den Stürmen Vivian und Lo-

thar entstand jeweils ein Überan-

gebot an Rohholz.

Holzpreis steigt seit 2004

Seit 2004 steigt der durchschnitt-

liche Holzpreis stetig; heute steht

er bei geschätzten 85 bis 90 Fran-

ken pro Kubikmeter. In den letzten

Jahren hat Holz als alternativer

Baustoff und Energieträger an

Bedeutung gewonnen, die Nach-

frage nimmt zu.

Gleichzeitig haben die Forstbe-

triebe Massnahmen ergriffen, um

ihre Produktivität zu steigern: Vor zwanzig

Jahren haben die Betriebe für die Ernte

eines Kubikmeters Holz drei Arbeitsstun-

den aufgewendet, heute liegt dieser Wert im

schweizerischen Mittel bei 0,5 bis 0,6 Stun-

den.

Der Kanton Bern unterstützt diesen Prozess

mit entsprechenden Anreizen. Im Rahmen

des Projekts „Auriga“ beispielsweise erhal-

ten Betriebe und Waldbesitzer, die eigen-

tumsübergreifend zusammenarbeiten, eine

Anschubfi nanzierung.

Wie die Finanzlage der Forstbetriebe in Zu-

kunft aussehen wird, ist schwierig zu beur-

teilen: Der Schweizer Holzmarkt ist einge-

bunden in die gesamte Weltwirtschaft und

von deren Entwicklung abhängig.

22 Millionen Franken pro Jahr

Die Forstbetriebe erbringen Leistungen im

Auftrag der öffentlichen Hand; entsprechend

werden diese mit öffentlichen Mitteln abge-

golten. Zwischen 1995 und 2007 fl ossen

433 Millionen Franken in die Berner Waldwirt-

schaft, davon dienten 145 Millionen Franken

der Schadensbewältigung nach „Lothar“.

Ohne diese Summe lag der jährliche Durch-

schnitt bei rund 22 Millionen Franken.

Über den gesamten Zeitraum betrach-

tet, wurden die ordentlichen Beiträge wie

folgt eingesetzt: 30 Prozent für Waldpfl e-

ge, 26 Prozent für Strukturverbesserungen,

21 Prozent für Schutz gegen Naturgefahren,

15 Prozent für Forstschutz, 8 Prozent für

Beratung sowie Aus- und Weiterbildung.

31

Nachfrage nach Naherholung

Quelle: LFI 2

mässige Nachfrage

grosse Nachfrage

sehr grosse Nachfrage

7.3 Erholung

Vor allem in den grossen Ballungsgebieten ist der Wald ein intensiv genutzter Ort der

Erholung. Dies bringt für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer Zusatzkosten mit

sich. Eine Studie für die Region Bern nennt die Zahl von rund 420 Franken pro Hektare

und Jahr.

„Das Betreten von Wald“ ist „in ortsüblichem

Umfange“ allen gestattet: So sieht es das

Schweizerische Zivilgesetzbuch vor. Von

diesem Recht macht die Bevölkerung in ih-

rer Freizeit gerne Gebrauch. Vor allem in den

grösseren Ballungsgebieten sind die Wälder

ein intensiv genutzter Ort der Erholung.

Eine 2005 erschienene Studie liefert dazu

genauere Angaben für die Region Bern:

• Im Durchschnitt verbringen die befragten

Waldbesucherinnen und -besucher 311

Stunden pro Jahr im Wald. Jeder Aufent-

halt dauert rund 80 Minuten.

• Rund 50 Prozent der Befragten suchen

nach „innerer Erholung“, mehr als 30 Pro-

zent möchten etwas für ihre Gesundheit

tun.

• Fast zwei Drittel dieser Personen wären

bereit, diesen Nutzen abzugelten: im

Durchschnitt mit 84 Franken pro Jahr.

• Die Kehrseite: Den Waldbesitzerinnen

und Waldbesitzern entstehen jedes Jahr

durchschnittliche Zusatzkosten von rund

420 Franken pro Hektare Erholungswald.

Dazu gehören Mehraufwände für Sicher-

heitsmassnahmen, aber auch Minder-

erträge durch Schäden am Holz und an

Infrastrukturen.

Gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu,

dass auch der Lebensraum Wald durch die

Erholungssuchenden immer stärker belastet

wird: Die Umwelt wird zunehmend mit Abfäl-

len verunreinigt („Littering“), die Intensität der

Freizeitaktivitäten wächst.

32

8 Fazit

Welche Schlüsse lassen sich aus den aufgezeigten Resultaten ziehen? Wie gross ist der daraus

abgeleitete Handlungsbedarf? Eine dreistufi ge Rangfolge gibt einen Überblick, angesprochen sind

unterschiedliche Akteure:

Handlungsbedarf gross

• Der Kanton Bern verfügt über zu viele überalterte Bestände. Die Holzvorräte sind entsprechend

hoch. Im Interesse eines gesunden, nachhaltig wachsenden Waldes sollten diese Vorräte

in den nächsten Jahren moderat abgebaut und die Bestände weiter verjüngt werden. Die

gegenwärtige Marktsituation bietet dazu günstige Voraussetzungen.

Der Kanton Bern hat die Waldbesitzerinnen und -besitzer mit einer Kampagne dazu

aufgerufen, diesen Prozess an die Hand zu nehmen. Noch verstärkt müssten diese darauf

achten, ihre Nutzung den waldbaulichen Notwendigkeiten anzupassen. Das Amt für Wald hat

den Forstdienst beauftragt, die Waldbesitzerinnen und -besitzer dahingehend zu beraten.

• Eine kantonsübergreifende Studie zur Waldgesundheit zeigt, dass die hohen Stickstoffeinträge

im Wald das Gleichgewicht der Nährstoffe stören, sich negativ auf das Wachstum der Bäume

auswirken und den Boden versauern lassen. Der Kanton Bern wird sich weiter an diesem

Dauerbeobachtungsprogramm beteiligen und die Entwicklung verfolgen.

Rund 60 Prozent der Stickstoff-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Der Bund fördert

deshalb Projekte, die einen nachhaltigeren Umgang mit Stickstoff und anderen Ressourcen

zum Ziel haben. Das Amt für Wald des Kantons Bern begrüsst es, dass sich das Amt für

Landwirtschaft und Natur in diesem Rahmen für eine Reduktion der Stickstoff-Emissionen in

der Landwirtschaft engagieren will: Das Pilotprojekt „Ressourcenprogramm Boden“ startet

voraussichtlich 2009, ein Modul ist dem Thema „Nährstoffeffi zienz – Emissionsminimierung“

gewidmet.

• Rund 37 Prozent des Waldes mit besonderer Schutzfunktion gelten als vermindert stabil,

5 Prozent als labil. Somit besteht auf einer Fläche von rund 15 000 Hektaren kurz- und

mittelfristiger Handlungsbedarf. Zusätzlich müssen auch die heute als stabil geltenden Flächen

weiter gepfl egt und verjüngt werden. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln können die

Verantwortlichen nicht alle anstehenden Arbeiten zeitgerecht ausführen. Mit zunehmenden

Pfl egerückständen steigt das Risiko für Schäden. Soll dies nicht in Kauf genommen werden,

müssen die Ressourcen aufgestockt werden.

Handlungsbedarf mittel

• Bei der biologischen Vielfalt will der Kanton Bern den eingeschlagenen Weg intensivieren: Er

hat mit dem Bund eine Programmvereinbarung für die folgenden vier Jahre unterzeichnet. Darin

vorgesehen sind unter anderem das Schaffen weiterer Reservatsfl ächen und Altholzinseln

sowie die Pfl ege von Waldrändern.

33

• Die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte und Förster hat abgenommen. Der berufl iche

Nachwuchs muss gesichert werden. Zudem zwingt das sich verändernde Umfeld dazu, über

die heutigen Ausbildungen nachzudenken.

• In den letzten Jahren hat ein Grossteil der Forstbetriebe mit roten Zahlen abgeschlossen.

Hier sind die Betriebe vor allem in ihrer Eigenverantwortung gefordert. Der Kanton engagiert

sich aber für gute Rahmenbedingungen: Er unterstützt Massnahmen zur Verbesserung

der Absatzmöglichkeiten und beschränkt die administrativen Hürden. Ausserdem schafft

der Kanton Anreize für Innovationen: Das Programm „Auriga“ bietet beispielsweise

eine Anschubfi nanzierung für Betriebe und Waldbesitzer, die eigentumsübergreifend

zusammenarbeiten. Der Kanton setzt seine Beiträge gezielt und leistungsorientiert ein: Im

Zentrum steht das Sichern öffentlicher Interessen, Beispiele sind der Schutzwald und die

biologische Vielfalt. Das bisherige Förderkonzept ist jetzt in den Neuen Finanzausgleich des

Bundes eingebettet und angepasst worden. Nun muss sich der neue Ansatz in der Praxis

bewähren.

• Gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass der Lebensraum Wald durch die

Erholungssuchenden immer stärker belastet wird: Die Umwelt wird zunehmend mit Abfällen

verunreinigt („Littering“), die Intensität der Freizeitaktivitäten wächst. Die rechtlichen Grundlagen

sind vorhanden, um diesen Druck in vertretbaren Grenzen zu halten. Allerdings führen diese

Aufgaben bei den Zuständigen – den Förstern – zu Rollenkonfl ikten. Es muss deshalb nach

Lösungen gesucht werden, wie die Waldaufsicht in Zukunft neu organisiert werden kann.

Handlungsbedarf gering

• Die Waldfl äche des Kantons Bern ist in den letzten 20 Jahren um rund 5 Prozent gewachsen.

Die bisherige Walderhaltungspolitik hat sich bewährt und kann fortgeführt werden.

• Die sprunghafte Zunahme der Borkenkäferpopulationen nach „Lothar“ Ende Dezember 1999

hat erkennen lassen, dass bei der Bekämpfung klare Prioritäten gesetzt werden müssen:

Vorrang haben jene Waldgebiete, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht (Beispiel

Schutzwald). Diese Strategie hat sich als geeignet erwiesen und kann weiterverfolgt werden.

• Die Wildschäden sind zur Zeit in weiten Teilen des Kantons tragbar. Allerdings führt das

auf den Lotharfl ächen entstandene Nahrungsangebot zu einer Zunahme der Reh- und

Gämsbestände. Zudem fördert der Kanton Bern die Ausbreitung der Rothirsche. Die

verantwortlichen Behörden beobachten diesen Prozess und leiten falls nötig Massnahmen

ein. Insbesondere im Schutzwald dürfen keine untragbaren Schäden entstehen.

• Die Waldwirtschaft ist eine Branche mit einem vergleichsweise hohen Unfallrisiko. Die

Arbeitgeber und Beschäftigten müssen auf die Arbeitssicherheit sensibilisiert werden.

34

9 Literatur

BAFU 2007: Wald in Wert setzen für Freizeit und Erholung. Bern. 39 S.

BAFU 2007: Waldfl äche, Vorrat und Laubholz nehmen zu – grosse regionale Unterschiede.

Veröffentlichter Text und Anhänge der WSL zur Medienkonferenz vom 9.11. 2007, Bern. 15 S.

Bernasconi, A., Schroff, U. und Ayús Pellitero, T. 2005: Erholung in den Wäldern der Region

Bern – Synthesebericht zu den Fallstudien Erholung und Walddynamik. Bern. 19 S.

Brändli, U-B., Forster, B. und Meier, F. 2008: Vorratsabbau – auch durch Sturm und Käfer.

Wald und Holz 3/08. S. 52–54

BUWAL 1995: Die nachhaltige Entwicklung des Schweizer Waldes. Bern. 37 S.

BUWAL, WSL 1999: Schweizerisches Landesforstinventar: Ergebnisse der Zweitaufnahme

1993–1995. Birmensdorf. 442 S.

BUWAL 2004: Nährstoffe aus der Luft machen Waldböden sauer. Umwelt 2/04. S. 26–29.

BUWAL, WSL 2005: Waldbericht 2005 – Zahlen und Fakten zum Zustand des Schweizer

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Departement Bau, Verkehr und Umwelt 2007: Bericht zur Entwicklung des Waldes im Aargau

– waldentwicklungAARGAU. Aarau. 76 S.

Institut für Angewandte Pfl anzenbiologie (IAP) 2004: Wie geht es unserm Wald? Ergebnisse

aus den Dauerbeobachtungsfl ächen von 1984 bis 2004, Bericht 2. Schönenbuch. 67 S.

Kaufmann, E. 2007: Drittes Schweiz. Landesforstinventar – Erste Resultate. Abgegebene

Unterlagen zum Vortrag am 8. Seminar für die Holzindustrie und die Waldwirtschaft 2007

(WSL). 9 S.

Naturschutzinspektorat des Kantons Bern 1992: Berner Biotope – Naturelemente innerhalb

und ausserhalb von Schutzgebieten. Bern. 41 S.

Pfi ster, Ch. und Egli, H.-R. 1998: Historisch-Statistischer Atlas des Kantons Bern. Bern. 172 S.

Volz, K-R. 2006: Prinzip der Nachhaltigkeit – Ein Beitrag zum Umgang mit konstruierten

Idealbildern. AFZ-DerWald 21/2006. S.1154–1157

Volz, R., Stöckli, V. und Walz, A. 2008: Offene Fragen zur Anrechnung der CO2-Bindung in

der Schweiz. Wald und Holz 2/08. S. 41–43

35

10 Abkürzungen

CHF Schweizer Franken

ha Hektare

m3 Kubikmeter

m ü. M. Meter über Meer

Mio. Million

Std. Stunde

BAFU Bundesamt für Umwelt

BFS Bundesamt für Statistik

BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (heute: BAFU)

KAWA Amt für Wald des Kantons Bern

LFI Landesforstinventar

LFI 1 Landesforstinventar: Erstaufnahme (1983–1985)

LFI 2 Landesforstinventar: Zweitaufnahme (1993–1995)

LFI 3 Landesforstinventar: Drittaufnahme (2004–2007)

WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft