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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 425. September 1976. Heft 2, S. 97-192 Nmhweis und Darstellung gemischter Fluoro-Chloro- Komplexe von Platin(lV) und Iridium(lV) Von W. PREETZ und H. KUHL Kiel, Institut fur Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universitat Inhaltsubersicht. Alle Komplexe der Reihen [MF,CI,+J-; M = Pt, Ir; n = 1-6 lassen sich mit Hilfe der Ionophorese qualitativ nachweisen. [PtFCIJ2- und fac-[PtF3CI3]2- werden in reiner Form isoliert und IR-spektroskopisch untersucht. Die Bedeutung wirksamer Trennmethoden fur die Darstellung chemisch sehr ahnlicher Gemischtligandkomplexe wird kritisch diskutiert. Detection and Preparation of Mixed Fluoro-Chloro Complexes of Platinum(1V) and Iridium(1V) Abstract. All complexes of the series [XFnCIG-n]2-; JI = Pt, Ir; n = 1-5 are detected quali- tatively by ionophoresis. Pure [PtFCIJ- and fa~-[PtF,Cl,]~-are isolated and investigated by IR spectroscopy. The importance of effective separation methods for the preparation of chemical very similar mixed-ligand complexes is discussed critically. 1. Einleitung Kurzlich wurde uber die ionophoretische Isolierung der ersten reinen Fluoro- Chloro-Komplexe von Osmium(1V) aus Gemischen, die bei der Umsetziing von K,[OsCl,] mit BrF, anfallen, berichtet und die Darstellung von trans-[ OsF4C1Br]2- beschrieben [ 11. In entsprechender Weise gelang jetzt der qualitative Nachweis aller Glieder der Reihen [MF,C1,-,]2- fur M = Pt und Ir, n = 0-6. Die Hydro- lyseempfindlichkeit und die geringe Farbigkeit der gemischten Komplexe er- schweren die Isolierung einzelner Komponenten aus den Gemischen. In reiner Form sind bisher nur [PtFC1J2- und fac-[PtF3C1,]2- erhalten und IR-spektroskopisch untersucht worden. Die Bedeutung wirksamer Trennmetho- den fur die Reindarstellung chemisch sehr iihnlicher, gemischter Komplexe wird herausgestellt. Die bereits vor langerer Zeit von BROWN, DIXON und SHARP "31 angegebene Vorschrift zur Darstellung einer Verbindung mit der Zusammen- setzung [PtF3C13]2- und andere Arbeiten uber gemischte Hexahalogenokomplexe werden kritjsch diskutiert. 2. Ionophoretischer Nachweis folgenden Gleichung gemischte Fluoro-Chloro-Komplexe : Bei der Umsetzung der Hexachlorokomplexe mit BrF, bilden sich gemal3 der 2 K2[MClG] + n BrF, --f 2 K,[NF,CI,-,] $- n C1, + n BrF. 7 Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 425.

Nachweis und Darstellung gemischter Fluoro-Chloro-Komplexe von Platin(IV) und Iridium(IV)

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 425. September 1976. Heft 2, S. 97-192

Nmhweis und Darstellung gemischter Fluoro-Chloro- Komplexe von Platin(lV) und Iridium(lV)

Von W. PREETZ und H. KUHL

K i e l , Institut fur Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universitat

I n h a l t s u b e r s i c h t . Alle Komplexe der Reihen [MF,CI,+J-; M = Pt, I r ; n = 1-6 lassen sich mit Hilfe der Ionophorese qualitativ nachweisen. [PtFCIJ2- und fac-[PtF3CI3]2- werden in reiner Form isoliert und IR-spektroskopisch untersucht. Die Bedeutung wirksamer Trennmethoden fur die Darstellung chemisch sehr ahnlicher Gemischtligandkomplexe wird kritisch diskutiert.

Detection and Preparation of Mixed Fluoro-Chloro Complexes of Platinum(1V) and Iridium(1V)

A b s t r a c t . All complexes of the series [XFnCIG-n]2-; JI = Pt, Ir; n = 1-5 are detected quali- tatively by ionophoresis. Pure [PtFCIJ- and fa~-[PtF,Cl,]~- are isolated and investigated by I R spectroscopy. The importance of effective separation methods for the preparation of chemical very similar mixed-ligand complexes is discussed critically.

1. Einleitung Kurzlich wurde uber die ionophoretische Isolierung der ersten reinen Fluoro-

Chloro-Komplexe von Osmium(1V) aus Gemischen, die bei der Umsetziing von K,[OsCl,] mit BrF, anfallen, berichtet und die Darstellung von trans-[ OsF4C1Br]2- beschrieben [ 11. I n entsprechender Weise gelang jetzt der qualitative Nachweis aller Glieder der Reihen [MF,C1,-,]2- fur M = Pt und Ir, n = 0-6. Die Hydro- lyseempfindlichkeit und die geringe Farbigkeit der gemischten Komplexe er- schweren die Isolierung einzelner Komponenten aus den Gemischen.

I n reiner Form sind bisher nur [PtFC1J2- und fac-[PtF3C1,]2- erhalten und IR-spektroskopisch untersucht worden. Die Bedeutung wirksamer Trennmetho- den fur die Reindarstellung chemisch sehr iihnlicher, gemischter Komplexe wird herausgestellt. Die bereits vor langerer Zeit von BROWN, DIXON und SHARP "31 angegebene Vorschrift zur Darstellung einer Verbindung mit der Zusammen- setzung [PtF3C13]2- und andere Arbeiten uber gemischte Hexahalogenokomplexe werden kritjsch diskutiert.

2. Ionophoretischer Nachweis

folgenden Gleichung gemischte Fluoro-Chloro-Komplexe : Bei der Umsetzung der Hexachlorokomplexe mit BrF, bilden sich gemal3 der

2 K2[MClG] + n BrF, --f 2 K,[NF,CI,-,] $- n C1, + n BrF.

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Wahrend bei Einwirkung von reinem BrF,, insbesondere bei erhiihter Tem- peratur, ausschliefilich die entsprechenden Hexafluorokomplexe entstehen, 1aBt sich die Reaktion in Frigen 113 (C1,FC-CF,Cl) so moderieren, daB sich bei ge- eigneter Wahl der Reaktionstemperatur und -zeit alle Zwischenprodukte abfangen lasssn. Die Unisetzung kann durch Abschrecken mit flussigem Stickstoff jederzeit unterbrochen worden. Allerdings erhalt man fast immer Gemische, da sich die einzelnen Komplexe durch Folgereaktionen ineinander umwandeln.

Die nebeneinander vorliegenden Gemischtligandkomplexe lassen sich auf Grund der mit steigendem F-Gehalt zunehmenden Ionenbeweglichkeit durch Wanderung im elektrischen Feld voneinander trennen. nber die Arbeitsweise wurde mehrfach berichtet [3, 41. I m vorliegenden Fall hat sich ein 0,05 molsrer Kaliumphosphatpuffer vom pH-Wert 3 bewahrt. Bei einer Feldstarke von etwa 50 V / C ~ betragt die Trennzeit etwa 90 Minuten. Von den fast farblosen gemischten Komplexen sind nur die chlorreicheren im UV-Licht auf den Ionophoresestreifen zu erkenneii. Der Nachweis aller Komplexe gelingt durch thermische Zersetzung bei etwa 120°C. Dabei erscheinen braunschwarze Zonen auf dem Papier. Die dafur erforderliche Zeit steigt mit zunehmendem Fluorgehalt auf maximal 2 Stunden.

Die sukzessive Bildung der verschiedenen gemischten Komplexe geht anschau- lich aus den Abb. 1 und 2 hervor, in denen fur die beiden Systeme [PtF,C1,-,]2- und [IrFnCl6_nl2- jeweils mehrere Pherogramme schematisch zusammengestellt siiicl. Die Rreite der Zonen entspricht den relativen Mengenverhaltnissen. Daraus lassen sich die Reaktionsbedingungen abschiitzen, unter denen ein bestimmter Komplex in masimaler Konzentration jm Gemisch vorliegt.

f T f 7

7 7 0 20 7 7 5 20

-30 20 -30 20

-75 50 ~-70 50

-30 80 -30 50

.-SO 700 ~-20 700

0 7 2 3 4 5 6 0 7 2 3 4 5 6 - n --.c n

Abb. 1 Abb. 2

Abb. 1 Pherogramme der Reaktion von K,[PtCl,] mit BrF, zu [PtF,,CJ,-,J- in Ab- hangigkeit von Zeit und Temperatur

$bb.? Pherogramme der Reaktion von K,[IrCI,] mit BrF, zu [IrFnC16-n]2- in Ab- hiingiglieit ron Zeit und Temperatur

Fluoro-Chloro-Komplexe von Platin(1V) und Iridium(1V) 99

Zwischen der Startlinie und dem Bereich der gemischten Fluoro-Chloro-Komplexe treten hiufig eine Anzahl weiterer Zonen auf, die von anionischen Hydrolysekomplexen herruhren. Ihr Anteil wachst, je weniger sorgfaltig auf FeuchtigkeitsausschluL.3 bei der Umsetzung geachtet wird. Wahrend man bei Einsatz von trockenem K,[IrCI,] ein Produkt erhalt, das durch einen geringen Anteil blauer Hydrolyseverbindungen neben den schwach gelben Fluoro-Chloro-Kornplexen grun erscheint, erge- ben sich mit Na,[IrCI,] . 6 H,O als Ausgangssubstanz rotviolette Gemische. Darin lassen sich neben den Fluoro-Chloro-Komplexen mehrere intensiv rote anionische Verbindungen geringer Wanderungs- geschwindigkeit nachmeisen. Vermutlich handelt es sich nm sauerstoffverbruckte Mehrkernkom- plexe [5].

3. Darstellung und Charakterisierung Aus den Abb.1 und 2 geht hervor, dal3 ohne einen anschliefienden Trenn-

prozel3 nur [PtFClJ- rein zu erhalten ist. Alle ubrigen gemischten Komplexe sind prinzipiell durch Elution der entsprechenden Zonen aus einer grofieren An- zahl von Pherogrammen zuganglich. Dieser Weg ist bisher nur im Falle von fac-[PtF3C13]2- beschritten worden, das ebenso wie [PtFzC1,]2- und [PtFC1,]2- im Licht einer UV-Lampe auf dem Papierstreifen gerade noch erkennbar ist. Das ist nicht mehr der Fall fur die F-reicheren Komplexionen, deren Zonen daher schwer zu lokalisieren sind. Die entsprechenden Komplexe von Ir(1V) verhalten sich analog.

In einem Platintiegel werden 300 mg trockenes, fein gemorsertes K,[PtCl,] mit einem teflonummantelten Magnetruhrer in 10 ml einer mit BrF, gesattigten kalten Frigen 113-Losung suspendiert. Die zunachst mit Eiswasser gekuhlte Suspension wird nach 5 Minuten mit fliissigem Stickstoff abgeschreckt und im Hochvakuum gefriergetrocknet. Der verbleibende, mehrmals mit Aceton ausgewaschene Ruckstand zeigt bei der Ionophorese in tfbereinstimmung mit Abb. 1 nur die Zone des [PtFC1,I2- neben wenig deutlich langsamer wandernden Hydrolyseprodukten. Zur Abtren- nung der letzteren wird der gesamte Ruckstand in eiskalter 2n H,SO, gelost. Bei Zugabe von Cs,SO, flllt Cs,[PtFCI,] als hellgelber, feinkristalliner Niederschlag am. Er ist nach dem Waschen rnit wenig verd. H,SO, und Gefriertrocknung analysenrein.

Cs,[PtFCI,].

Cs,[PtFCI,], Pt: 29,5 (ber. 29,7); F: 2,8 (2,9); CI: 27,3 (27,0)y0.

Fac-Csz[PtF3C1,]. Zu 300 mg fein gemorsertem, in 10 ml Frigen 113 suspendiertem K,[PtCI,] werden bei Raumtemperatnr 2 ml BrF, langsam zugetropft. Nach 30 Minuten wird abgeschreckt und gefriergetrocknet. I n dem mit Aceton gewaschenen, gelben Ruckstand liegen, wie die ionophoretische Trennung parallel mit Referenzsubstanzen zeigt, etwa 40% [PtF,CI,]Z- neben je 30% [PtF,C1J2- und [PtFC1,]2- vor. Ein hoherer Gehalt an [PtF3Cl3I2- wird nicht erreicht. Bei Verlangerung der Reak- tionszeit bzw. Erhohung der Temperatur tritt lediglich eine Verschiebung zu F-reicheren Komplexen ein. Zur Reindarstellung von [PtF,C1,]2- werden die entsprechenden Zonen aus einer grol3eren Anzahl von Pherogrammen ausgeschnitten und mit verd. H,SO, eluiert. Das mit CsT-Ionen fallbare feinkri- stalline, hellgelbe Cs,[PtF,CI,] ist auf Grund des IR-Spektrums das erwartete fac-Isomere.

Fac-Ca,[PtF,Cl,], Pt: 31,l (ber. 31,3); F: 8,9 (9,l); C1: 16,9 (17,0)y0.

I R - S p e k t ren. Die IR-Spektren werden mit $em Beckman-Spektrometer IR-11 im Kereicli von 100 - 600 cin-l aufgenominen. Dazu werden Verreibungen von jeweils 10 -15 mg der Cs-Komplexsalze mit einem Tropfeii Nujol auf Poly- athylenscheiben gleichmafiig aufgestrichen.

Die intensiven und scharfen Valenzschwingungsbanden sind deutlich gegen- einander abgegrenzt ( Y ~ ~ - ~ : 500 -600 cm-l, Y ~ & - ~ , : 330 -380 cm-') und lassen sich daher eindeutig zuordnen. Dagegen ist bei den schwacheren und mitunter -* i

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breiten Deformationsschwingungen mit Koinzidenzen zu rechnen. Fur die in Tab. 1 zusammengestellten IR-Banden ist dalier nur bei den Valenzschwingungen die Zuordnung angegeben worden.

Tabelle 1 Chloro-Komplexe von Platin(1V)

IR-Banden in cm-l der reinen Hexahalogeno- und der gemischten Fluoro-

Komplex Punkt- vpt--F "Pt-Cl Def. -Schw. gruppe

CsJPtCI,] Oh 344 9s (f,,) 155m (flu) Cs*[PtF,I D3d 5 7 5 s ~ (e,, an,) 282s (am,)

260m (e,) 241 w (e,)

Cs,[PtFCI,] CL, 514 ss (al) 3i6 ss(e) 224 s 336m, b (al) 260 m,b

fac-Cs,[PtF,Cl,] C,, 585 ss (al) 368 s (e) 274 s, b, 329 ss (e) 335 m (al) 261 s,

240 w, b, 216 w

Die jeweils zweifache Aufspaltung im Pt --F und Pt -Cl-Valenzschwingungs- bereich weist den Komplex der Zusammensetzung [PtF3Cl3l2- als das fac-Isomere aus. Rei Vorliegen der mer-Form hatte eine dreifache Aufspaltung (2s, + b,) beobaclitet werden mussen. Beim [PtFC1,I2- wird erwartungsgemafl nur eine scharfe Pt -F-Valenzschwingungsbande gefunden, die wegen des groljeren trans-Effekts des gegenuberstehenden C1 stark langwellig verschoben erscheint. Im Pt -C1-Bereich werden unter der breiten Bande bei 336 cni-l zwei nahe bei- einanderliegende Schwingungen der Rasse a1 vermutet.

E l e m e n t a r a n a l y s e . Aus den gemischtenFluoro-Chloro-Komplexen des Platins lassen sich im alkalischen Milieu schneller als bei den entsprechenden Os-Verbindungen alle Liganden quantitativ hydrolytisch abspalten. Dazu werden 1-3 mg der Cs-Salze rnit 5 ml 0,Ol n NaOH in geschlossenen Polyiithylenrohrchen eine Stunde lang auf 80--90°C erwarmt. In der klafen Losung 1aBt sich nach Ansauern mit HCI und Zugabe eines Na-Citratpuffers die F--Konzentration rnit Hilfe einer fluorid- spezifischen Elektrode sehr genau bestimmen [l]. Zur Bestimmnng von Pt und C1 werden etwa 5 mg der Komplexe mit 20 ml Hydraziniumhydroxid in der Hitze reduziert. Das sich abscheidende ele- mentare Pt wird iiber einen Mikrofiltertiegel abgetrennt und gravimetrisch bestimmt. I n dem mit HNO, angesauerten Filtrat wird das C1- potentiometrisch titriert.

4. Diskussion Alle bisher untersuchten Systeme gemischter Hexahalogenokomplexe des

Typs [MX,Y,_.,]2- zeichnen sich durch die grolje Ahnlichkeit der Glieder dieser homologen Reihen im chemischen und physikalischen Verhalten aus [6 -81. Die nur geringen graduelleri Unterschiede der Reaktivitat und St'abilitat bewirken bestenfalls die bevorzugte Bildung einzelner Species. Von ganz wenigen Ausnah- men abgesehen ist es daher nicht moglich, einen speziellen gemischten Komplex direkt rein herzustellen. Das gilt sowohl fur kinetisch als auch thermodynamisch orientierte Methoden.

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Im ersteren Fall scheitert das Vorhaben an den zu geringen Unterschieden in den Substitutionsgeschwindigkeiten fur die einzelnen Liganden, so daB durch Folgereaktionen stets mehrere Komplexe nebeneinander entstehen. Die in Ab- hiingigkeit von den Versuchsbedingungen sich ergebende Zusammensetzung der Gemische liiBt sich nach eingehenden kinetischen Messungen im Fall von [0~ClnJ~.-n]~- quantitativ beschreiben [9, 101. Sie ist fur die hier behandelten Bei- spiele aus den Abb. 1 und 2 abschatzbar. In der Regel liegen jeweils 3 oder 4 ver- schiedene Species in nennenswerten Konzentrationen nebeneinander vor.

Die Untersuchung von im Gleichgewicht befindlichen Losungen, in denen sich bei Angebot von zwei verschiedenen Halogeniden gemischte Komplexe bilden, zeigt gleichfalls, daB stets mehrere Species nebeneinander existieren. Auch dazu liegen fur einige Systeme quantitative Messungen mit Daten uber die individuellen Stabilitatskonstanteii vor, die die Berechnung der Gleichgewichtsverteilung er- inoglichen [ll, 121.

Alle Vorschriften, die die direkte Darstellung gemischter Komplexe mit so ahnlichen Liganden wie den Halogeniden betreffen, sind daher mit groBer Skepsis zu betrachten. Das gilt speziell fur die von BROWN, DIXON und SHARP [ a ] ange- gebene Arbeitsvorschrift zur Darstellung von [PtF,ClJ-, die nach Prufung von unabhangiger Seite Aufnahme in die Inorganic Synthesis [I31 gefunden hat. Bei der Befolgung erhalt man, wie sich ionophoretisch sehr leicht zeigen lafit, stets Gemische mehrerer Fluoro-Chloro-Komplexe nebeneinander, etwa in Verhalt- nissen, die aus Abb. 1 abschatzbar sind. Die in der Arbeit erwahnten Abweichungen in den Ergebnissen der Elementaranalysen erklaren sich aus den von Versuch zu Versuch wechselnden Zusammensetzungen der Gemische. Auch das IR-Spektrum deutet auf ein unreines Produkt hin. Die bei 415 cm-l gefundene Bande durfte von Hydrolysekomplexen herruhren. Zweifel an der Einheitlichkeit der Substanz sind auch be; NMR-Untersuchungen aufgetreten [ 141.

I n diesem Zusammenhang lassen sich aber eine ganze Reihe weiterer Arbeiten nennen [15 -201, bei denen gleichfalls zu bezweifeln ist, daB tatsachlich einheit- liche gemischte Hexahalogenokomplexe vorgelegen haben. Das gilt vor allem fur Zentralionen wie Nb(V), Ta(V), Ti(1V) und Sn(IV), die kinetisch labile Komplexe bilden, so daB sich durch schnelle Austauschreaktionen die jeweiligen dynamischen Gleichgewichte einstellen konnen. Die Verwendung der Reaktionspartner in be- stimmten stochiometrischen Verhiiltnissen bietet keine Gewahr dafur, daB eine reine Substanz mit entsprechendem Verhaltnis der Liganden entsteht. Analytisch ermittelte ganzzahlige Atomverhaltnisse sind kein ausreichendes Kriterium fur die Einheitlichkeit eines Produktes. Grundsatzlich sind alle auf das Kollektiv der Teilchen ansprechenden Methoden zur Unterscheidung reiner Stoffe von Gemischen aus mehreren Verbindungen ungeeignet. Das gilt z. B. auch fur rontgenographische Untersuchungen, weil die sehr ahnlichen gemischten Halogenokomplexe lucken- lose Mischkristallreihen bilden, die der Vegardschen Regel genugen und sich wie einheitliche Phasen verhalten [ll].

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Aber auch die Aussagekraft solcher Methoden, die auf bestimnite Baugruppen oder einzelne Bindungen ansprechen, darf nicht uberschatzt werden, wenn &e Messungen an Mehrstoffgemischen durchgefuhrt werden. So liegen z. B. die IR- Frequenzen oder die Maxima der Absorptionsspektren verschiedener gemischter Komplexe in engen Bereichen und sind meistens vie1 zu breit, uni eine Auflosung nebeneinander zuzulassen.

Selbst ein Zweikomponentensystem, z. B. ein Isomerengeniisch aus cis- und trans-MX,Y, laljt sich auf Grund von UV- bzw. IR-Daten nur dann eindeutig beurteilen, wenn die Spektren der reinen Formen bekannt sind [21]. Allein aus dem IR-Spektrum auf das Vorliegen von cis-[SnC1,Br,12- zu schlieBen, ist gewagt [15], denn die wenigen Valenzschwingungen des trans-Isomeren (D&) werden be- sonders, wenn es in geringen Mengen vorliegt, von dem bandenreicheren cis- Spektrum ((&,) uberdeckt. Das lielj sich an den genau bekannten Schwingungs- spektren der stereoisomeren Chloro-Bromo-Komplexe von Os(1V) nachweisen [22]. Wo in der Literatur ein cis-Komplex vermutet wird, durfte es sich mit groljerer Wahrscheinlichkeit urn Isomerengemische in statistisclien Verhaltnissen, d. h. fur Komplexe vom Typ MX,Y, bzw. MX,Y, um cis :trans wie 4: 1 handeln

Aus den vorangeheiiden uberlegungen folgt als unabdingbare Voraussetzung fur das sinnvolle Studium dieser Verbindungsklasse die Anwendung wirkungs- voller Trennmethoden zur Isolierung der reinen Komponenten aus den Gemischen. Wegcn der zu geringen Loslichkeitsunterschiede sind einfache Fallungsreaktionen nicht geeignet. Dadurch lassen sich gewohnlich nur die wesentlich besser loslichen Hydrolyseprodukte von der Gesamtheit der Gemischtligandkomplexe abtrennen. Mitunter werden aber auch diese hartnackig mitgefallt. Das ist der Fall bei KJIrFJ, das dadurch gewohnlich rosafarben erhalten wird [5, 231. Der mengen- maljig geringe Anteil der Hydrolysekomplexe laBt sich selbst durch vielfaches Umfallen nicht vollig entfernen .

Einzelne gemischte Komplexe sind in vijllig reiner Form nur durch vielstufige Trennprozesse erhaltlich. Bej Komplexionen hat sich die Ionophorese, die die unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld ausnutzt, am best en bewahrt [3]. Fur nicht geladene Teilchen eignet sich die Chromatographie [24]. Voraussetzung ist in beiden Fallen eine ausreichende kinetische Stabilitat der Verbindungen unter den Trennbedingungen.

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Bei der Redaktion eingegangen am 26. September 1975.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. W. PREETZ und DipLChem. H. KUHL, Inst. f . Anorg. Chemie d. Univ., D-2300 Kiel, Olshausenstr. 10-60