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Labora~6rio d~ Produg~o Mineral, Minis~6rio das Minas e Energia, Rio de Janeiro, Brasil Nachweis yon Rhodaniden in der organischen Tiipfelanalyse Von F. Feigl und D. Itaguenauer-Castro (Eingegangen am 8. Januar 1962) Wegen des Fehlens schnell verlaufender Austausch- und Additions- reaktionen der nicht i0nogenen SCN- Gruppe ist bisher kein direkter I~ach- weis organischer Rhodanide (Thiocyanate) bekannt. Desh~lb wurde ver- sucht, dnrch deren l%eduktion zu charakteristisehen, leicht erkennbaren Spaltprodukten zu gelangen. Wir berichten im nachfolgenden fiber ein- schl~gige Versuche mit Xthylendirhodanid und 1-Rhodan-2,4-Dinitroben- zol, die erwarten lassen, dab dutch Einwirkung naszent~n Wasserstoffs zu Nachweisen aliphatischer und aromatischer Rhodanide gelangt werden kann, denen stSchiometrisch definierte Redoxreaktionen zngrunde liegen. Werden salzsaure alkoholische LSsungen der genarmten Rhodanide in einer Eprouvette mit Devarda- oder Raney-Legierung (50~o Ni, 50% A]) erw~rmt, so entsteht Schwefelwasserstoff, wie die Sehwarzung yon Bleiacetatpapier zeigt. Es ist anzunehmen, da~ naszenter Wasserstoff die Teilreaktionen R(Ar)SCN + 2 H 0 --~ I~(Ar)SI4 -~ HCN, (1) R(Ar)SK -~ 2 H o -~ R(Ar)H ~- H2S (2) bewirkt, deren Addition Zur Bruttoumsetzung R(Ar)SCN + 4 H0 --) R(Ar)K ~- H2S + HCN (3) fiihrt. Zu berficksichtigen ist jedoch aueh die erstm~lig yon Mendius 1 festgestellte Reduktion yon Cyanwasserstoff zu Methyl~min (I-ICN-k -~ 4 H ~ -~ CHaNH2), deren quantitativer Ablauf zur Bruttoumsetzung R(Ar)SCN + 8 tt ~ + H + --> R(Ar)I-[ -~ tI2S ~- [CH3NHa] § (3a) ffihrt. Zwischen (3) und (3a) kaml untersehieden werden durch den Nachweis yon Cyanwasserstoff neben Sehwefelwasserstoff. Hierfiir war bisher kein Verfahren bekarmt, da die empfindliche Farbreaktion auf

Nachweis von Rhodaniden in der organischen Tüpfelanalyse

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Page 1: Nachweis von Rhodaniden in der organischen Tüpfelanalyse

Labora~6rio d~ Produg~o Mineral, Minis~6rio das Minas e Energia, Rio de Janeiro, Brasil

Nachweis yon Rhodaniden in der organischen Tiipfelanalyse Von

F. Feigl und D. Itaguenauer-Castro

(Eingegangen am 8. Januar 1962)

Wegen des Fehlens schnell verlaufender Austausch- und Additions- reaktionen der nicht i0nogenen SCN- Gruppe ist bisher kein direkter I~ach- weis organischer Rhodanide (Thiocyanate) bekannt. Desh~lb wurde ver- sucht, dnrch deren l%eduktion zu charakteristisehen, leicht erkennbaren Spaltprodukten zu gelangen. Wir berichten im nachfolgenden fiber ein- schl~gige Versuche mit Xthylendirhodanid und 1-Rhodan-2,4-Dinitroben- zol, die erwarten lassen, dab dutch Einwirkung naszent~n Wasserstoffs zu Nachweisen aliphatischer und aromatischer Rhodanide gelangt werden kann, denen stSchiometrisch definierte Redoxreaktionen zngrunde liegen.

Werden salzsaure alkoholische LSsungen der genarmten Rhodanide in einer Eprouvette mit Devarda- oder Raney-Legierung (50~o Ni, 50% A]) erw~rmt, so entsteht Schwefelwasserstoff, wie die Sehwarzung yon Bleiacetatpapier zeigt. Es ist anzunehmen, da~ naszenter Wasserstoff die Teilreaktionen

R(Ar)SCN + 2 H 0 --~ I~(Ar)SI4 -~ HCN, (1)

R(Ar)SK -~ 2 H o -~ R(Ar)H ~- H2S (2)

bewirkt, deren Addition Zur Bruttoumsetzung

R(Ar)SCN + 4 H0 --) R(Ar)K ~- H2S + HCN (3)

fiihrt. Zu berficksichtigen ist jedoch aueh die erstm~lig yon Mendius 1

festgestellte Reduktion yon Cyanwasserstoff zu Methyl~min (I-ICN-k -~ 4 H ~ -~ CHaNH2), deren quantitativer Ablauf zur Bruttoumsetzung

R(Ar)SCN + 8 t t ~ + H + --> R(Ar)I-[ -~ tI2S ~- [CH3NHa] § (3a)

ffihrt. Zwischen (3) und (3a) kaml untersehieden werden durch den Nachweis yon Cyanwasserstoff neben Sehwefelwasserstoff. Hierfiir war bisher kein Verfahren bekarmt, da die empfindliche Farbreaktion auf

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702 F. Feigl ~md D. I-Iaguenauer-Castro: [Mikrochim. Acta

Cyanwasserstoff nach Sieverts and Hermsdor]/2 (Blauf~rbung yon Kupfer- acetat-BenzidinaeetatlSsung) wegen der Bildung schwarzen Kupfersulfids nicht unmittelbar anwendbar ist. Es wurde gefunden, dM3 dutch diese Farbreaktion der Eintri t t yon (3) nachgewiesen werden kann, wenn man auf das offene Ende der Eprouvette ein Scheibchen trockenes Bleiacetat- papier und auf dieses ein Seheibchen mit dem Blaus~urereagens befeuch- tetes Filterpapier legt. Es wird dann das untere l~eagenspapier sehwarz unddas obere b]au. Man kann auch so vorgehen, dM~ man zum Abfangen des Schwefelwasserstoffs in das obere Ende der Eprouvette einen trockenen, mit Bleiacetat impri~gnierten Wattebauseh einfiihrt. Durch den g]eieh- zeitigen Nachweis des gemag (3) gebildeten Sehwefelwasserstoffs und Cyanwasserstoffs gelangt man demnaeh zu einem spezifischen Naehweis organischer l%hodanide. Bei Ermittlung der Erfassungsgrenzen des Nachweises hut sich gezeigt, dug zum Eintri t t der sehr empfindliehen Blausaurereaktion merklich gr6gere Mengen Rhodanid erforderlieh sind a]s zur Bildung yon Bleisulfid. Dies zeigt, dag zum geringen Tell auch die reduktive Aulspaltung yon Rhodaniden gem~g (3a) erfolgt.

Ein anderes Verfahren zum Nachweis organischer l%hodanide kann auf deren Verhalten beim Erwarmen mit Devarda-Legierung in Mka]ischer LSsung begriindet werden, wobei gleichfMls nascenter Wasserstoff wirksam ist. ttierbei entstehen basische Dampfe, die Indikatorpapier umfarben. Diese enthMten, wie der negative AusfM1 der empfindlichen Nessler- Reaktion zeigt, kein Ammoniak. ttingegen konnte dureh die Farb- reaktion (Gelbf~rbung) mit 2,4-Dinitrochlorbenzol nach Smith und Jones 8 die Bildung von Methylamin nachgewiesen werden. Das Reaktions- gemiseh wurde nach Beendigung der Abgabe basischer D~impfe mit Wasser verdfinnt und filtriert. Im Filtrat war dureh Nitroprussidnatrium kein AlkMisulfid naehweisbar; aus dem festen Rfickstand wurde beim Er- wi~rmen mit retd. SMzs~iure Schwefelwasserstoff abgespalten, was auf die Bildung yon Zinksulfid verweist. Naeh diesen Befunden erfolgt beim Erw~rmen organiseher Rhodanide mit Devarda-Legierung und Lauge die Umsetzung

1%(Ar)SCN d- 8 t t ~ -4- Zn(ONa)2 --" ZnS -4- 1%(Ar)I-I -~ 2 NaOtt d- CI-[sNH~.

Bemerkenswert ist, dab sieh anorganisehe Rhodanide bei gleieher Behandlung anders verhalten; bei diesen konnte durch die Nessler- Reaktion die sofortige Abspaltung yon Ammoniak naehgewiesen werden.

DiG MkMisehe reduktive Aufspaltung yon Rhodanid kann aueh dureh Raney-Legierung herbeigefiihrt werden; obwohl sie mit Devarda-Legierung merklich langsamer verl/~uft, ist diese zu verwenden, weil l%aney-Legierung kleine Mengen yon Nitrid enth/~lt, das beim ErwErmen mit Lauge zu Ammoniak hydrolisiert und dadureh den Naehweis yon Methylamin dureh Indikatorpapier beeintr/iehtigt. Dieser Naehweis ist jedoeh

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1962/4] l~achweis yon l~hodaniden in der organischen Tfipfelanalyse 703

anzuwenden, well die Farbreaktion mit 2,4-Dinitrochlorbenzol unter den Versuchsbedingungen zu wenig empfindlich ist. Wegen der Notwendig- keit, die Abspaltung yon Methylamin aus Rhodanid durch Indikatorpapier nachzuweisen, dfirfen keine Verbindungen zugegen sein, die beim Er- warmen mit Lauge und Devarda-Legierung Ammoniak abspalten. Es sind dies, aul~er Ammoniumsalzen, Amide und ttydrazide yon Carbon- und Sulfonsauren, Hydroxams~uren, Nitro- und 57itrosoverbindungen.

Nachweis dutch redulctive Au/spaltung in saurer L6sung

Arbeitsweise: Eine kleine Menge der festen Probe oder ein Tropfen ihrer L5sung wird in einer Mikroeprouvette mit einigen cg Raney- oder Devarda-Legierung und 2 Tropfen 5-n Salzsi~ure vereinig~, l~ach Be- endigung der stfirmischen Wasserstoffentwicklung wird in den oberen Tell der Eprouvette ein trockener, mit Bleiacetat impr~ignierter Watte- bausch eingeftihrt und auf ihr offenes Ende ein Scheibchen mit Blausiiure- reagens a befeuchtetes Filterpapier gelegt. Beim Erw~rmen (Wasserbad) wird der Wattebausch an seinem unteren Ende schwarz oder braun, das Reagenspapier blau, wenn Rhodanide zugegen waren.

Nachweis dutch reduktive Au/spaltung in all~alischer LSsung

Arbeitsweise: In einer Mikroeprouvette wird eine kleine Menge der festen Probe oder ein Tropfen ihrer LSsung mit 1 bis 2 Tropfen 5-n Natron- lauge und einigen cg Devarda-Legierung vereinigt, l~ach Beendigung der stiirmischen Wasserstoffentwicklung wird auf das offene Ende ein Scheibchen feuchtes Indikatorpapier gelegt und vorsichtig erwarmt (Wasserbad). Die Anwesenheit yon Rhodanid wird durch F~rbumschlag des Indikatorpapiers angezeigt.

Die durch reduktive Aufspaltung yon Rhodaniden erreichbaren Erfassungsgrenzen waren :

durch H2S-Bildung mit Raney-Legierung 5/~g C6H3(N02)2SCN 2,5 #g [--CH~SCN]2,

durch H2S-Bildu~g mit Devarda-Legierung 20/~g C6H3(N0~)2SCI~ 5/~g [~CH~SCN]~,

dutch HCN-Bildung mit Raney-Legiertmg

50 #g C~H3(NO2)2SCN 5 zg [--CH2SCN]2, durch HCN-Bildung mit Devarda-Legierung

50/~g C6H3(NO2)2SCN 10 #g [--CH~SCN]2, dutch CH~NH2-Bildung mit Devarda-Legierung

5/~g C6H3(NO2)2SCN 2/~g [--CH2SCN]2.

Nach obigen Daten wird die grSl~te Empfindlichkeit des Nachweises yon Rhodaniden dutch die gleiehzeitige reduktive Abspaltung yon

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Schwefelwasserstoff und Blausgure mittels Raney-Legierung in saurer LSsung erreicht. Dies ist darauf zurfiekzuffihren, dab hierbei Raney- Nickel, demn~eh Nickelhydrid entsteht, das ein st~rkeres Reduktions- mittel als naszierender Wasserstoff istS. - Die zur Abspaltung yon Methyl- amin fiihrende alkalische l~eduktion rait Devardg-Legierung ist ebenso empfindlich, jedoeh aus den frfiher ~ngeffihrten Griinden nicht spezifisch.

Zusammenfassung

Organische Rhodanide werden durch R~ney- oder Devarda-Legierung in saurer und MkMischer LSsung reduktiv aufgespalten, wobei Schwefel- wasserstoff und Bl~us~ure bzw. Methyl~min entstehen. Aus dem Naehweis dieser flfichtigen Verbindungen l~gt sich auf Mikromengen organischer l~hodanide schlieflen. Der Naehweis durch saure Reduktion ist spezifiseh.

Summary

Organic thiocyanides are cleaved reductively in acid and basic solution by Raney or Devarda alloys. Hydrogen sulfide and hydrogen cyanide, or methylamine result, Micro amounts of organic thiocyanides can be detected through these volatile products. The detection through acid reduction is specific.

R~sum6

On d6truit les thiocyanates organiques par r6duetion par les alliages de Raney ou de Devarda, en solution acide et basique, ce qui donne naissance A de l'hydrog6ne sulfur6 et /~ de l'acide cyanhydrique, ou de la m6thylamine. En recherchant ces compos6s volatiles, on peut en tirer des conclusions quant aux microquantitds de thiocyanates organiques. La recherche par rdduction acide est sp6cifique.

Literatur

1 L. Mend ius , Ann. Chem. 121, 139 (1862). A. Sieverts a n d A . Hermsdor], Z. angew. Chem. 34, 3 (1921). J~. J . S m i t h u n d E. Jones, A Scheme of Qualitative Organic Analysis.

London: 1953. S. 110. Vgl. F. Feigl, Tiipfelanalyse, 4. Aufl. Frankfurt/Main: Akademische

Verlagsges. 1960. S. 283. 5 F. Feigl, Angew. Chem. 73, 113 (1961).