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14 l STADTKULTUR l DER LANDBOTE l MITTWOCH, 17. FEBRUAR 2010 LISTE 1: SP, Gewerkschaften und Juso In den Gemeinderat Ihre Kandidaten/innen aus Altstadt/Mattenbach: Vorne: Yvonne Beutler, Jack Würgler, Ursula Braunschweig-Lütolf, Marianne Frehner Ablinger, Rafael Steiner, Patrizio Fusco Hinten: Marion Krüsi, Doris Meier-Hauenstein, Heidi Witzig Vetterli, Priska Braun, Kilian Schmid, Stefan Hostettler ANZEIGE Surab Narmania malt eigen- willige Bilder, voller Anspie- lungen und leiser Ironie. Der gebürtige Georgier diskutiert leidenschaftlich gern über Kunst, Gott, die Welt und was sonst noch interessant ist. Hier wünscht er sich mehr Lust an der Debatte. Niemand käme darauf, was sich da hinter heruntergelassenen Rollläden in einem ehemaligen Verkaufsladen in Dättnau verbirgt. Ein richtiges Künst- leratelier nämlich. Eins, wie man es sich vorstellt, mit Farbklecksen am Boden und einem bullernden Ofen, der winters den Raum wärmt. Warum Surab Narmania nicht bei Tageslicht arbeitet? Er schätzt es, im intimen Rahmen arbeiten zu können, wo sein Schaffensprozess ungesehen bleibt. «Wir leben auf dem Land», lächelt er halb und seufzt er auch, ja: Er sei hier eher ein Exot. Narmania redet, genauer: debattiert und diskutiert aus Leidenschaft; aus- serdem, gesteht er: «Ich brauche Stadt- luft.» Kein Wunder, denn Narmania ist in Tiflis aufgewachsen, der quirligen und multikulturell geprägten Kapitale Georgiens. «Tiflis ist eine exotische Stadt», sagt er, «und im Sommer ist es unerträglich heiss». Er wächst inmitten der Grossstadt auf, die seit Jahrhun- derten von unterschiedlichsten kultu- rellen Einflüssen geprägt wurde, von Byzanz über die Perser, Seldschuken, Araber, Europäer und nicht zuletzt Russen liessen viele Völker und Herr- scher ihre Spuren zurück, ebenso Reli- gionen wie die Orthodoxie, das Juden- tum, die Zoroastrier, Katholiken. Auch die heutige Stadt sei kulturell sehr viel- fältig, «doch beeindruckte mich im- mer die Toleranz, die geherrscht hat», sagt er. Toleranz, die auf Debattenkul- tur beruht. Narmania wächst in einer Künstlerfamilie auf, sein Vater ist Do- zent an der Kunstakademie von Tiflis. Keine Frage also, dass der Sohn am Technikum zunächst vier Jahre Kunst und Pädagogik studiert und anschlies- send an der Kunstakademie in sechs Jahren das Diplom erlangt. Worte und Wein Er verbringt nach dem Studium sechs Monate in Moskau und verkehrt in der Kunstszene. «Eine aufregende Zeit, auf jeden Fall», blickt er zu- rück. Die jungen Künstler organisier- ten Ausstellungen – es gab reichlich Wein und noch reichlicher Diskussio- nen. «Wir tauschten uns aus, übten Kritik, fragten uns, warum einer et- was auf eine bestimmte Art und Wei- se macht», erinnert sich der Künstler. Aber auch Theorien werden disku- tiert, analysiert, genüsslich zerpflückt: «Ist Metaphysik akzeptabel?», «Sind Zeichentheorie und Semiotik über- haupt noch aktuell?» – Es seien gute Gespräche gewesen, immer ehrliche, unter guten Freunden. Aus wenig viel machen «Die Versenkung im Wahrnehmbaren ist typisch für den Osten», ist Narma- nia überzeugt. Man denke intensiver über Wahrnehmung nach als etwa in Europa. «Hier wird mehr gemacht, man lebt die Realisierung der Kunst aus», sagt er. Dies liege auch daran, dass man damals in Georgien oder Russland einfach weniger Möglich- keiten hatte, etwas umzusetzen, als im Westen. Es mangelte an industrieller Vielfalt. «Wir mussten aus dem We- nigen, das wir hatten, etwas machen», dies habe intensives Nachdenken vor- ausgesetzt. Diese Reflexion über die Wahr- nehmung und Kunst charakterisiert noch heute das Schaffen des Künst- lers. Viele Bilder enthalten äusserst realistische Elemente, sind virtuos ge- malt – und persiflieren auf ihre Art das virtuose Können (von dem Kunst ja kommen soll) als inhaltsleer. Ande- re Bilder zitieren Filme, arbeiten mit Zeichen und Verweisen. «Ich führe ein parasi- täres Leben», sagt er mit seiner für ihn so typischen leisen Selbstironie, er dringe gerne in Kunstwerke anderer ein und analysiere deren Bildaufbau. Diesen dekonstruiert er wiederum, um eine eigene Bildwelt zu schaffen. Die Lernprozesse Wer sich mit Narmania unterhält, ist beeindruckt von dessen Bildung – Phi- losophie, Kunstgeschichte, Ästhetik – seinen Horizont hat er beharrlich erweitert. Der Künstler verlässt 1994 Georgien Richtung Bonn. Hier er- innert er sich besonders gerne an die Aufnahme in der Bibliothek des Mu- seums für Zeitgenössische Kunst. Die sei eigentlich forschenden Kunstwis- senschaftlern vorbehalten – doch die Bibliothekarin macht bei dem bil- dungshungrigen Georgier eine Aus- nahme. Narmania kniet sich in die Bücher, findet sogar noch Briefwech- sel zwischen berühmten Galerien, die Briefbögen einfach so in die Bän- de eingelegt. In Deutschland lernt er seine künftige Frau kennen und zieht mit ihr 1998 in die Schweiz. «Warum nach Winterthur? «Weil hier grad eine Wohnung frei war», sagt er. Glücklich sei er ja darüber am Anfang nicht ge- wesen. Aber mit der Zeit habe er die Stadt lieb gewonnen und habe viele in- teressante Leute kennen gelernt. «Ich musste hier viel lernen», blickt er zu- rück. Die Welt des Protestantismus war für ihn eine völlig neue, «sehr diesseitig», sagt er, das sei eine neue und wichtige Er- fahrung für ihn gewesen, der eine andere Geistes- haltung bevorzugt – «es gibt nichts Essenzielles, die Welt ist so, wie man sie sieht», zitiert er aus der indischen Philosophie. Kunst ist kein Luxus Lernen musste er auch, dass man hier eine Sache thematisiert und struktu- riert angeht. «Die Leute hier debattie- ren nur, wenn sie einen offiziellen An- lass haben», sagt er. Zum Beispiel eine Podiumsdiskussion. Schlicht aus purer Lust an der Auseinandersetzung eine Diskussion anzuzetteln, das erlebe er selten. Wenn ihn die Lust überkommt, dann telefoniert er Freunden in Geor- gien, um über einen Film von James Cameron zu diskutieren oder über ein Konzept. Einfach so. Er wünscht sich auch, dass die Kunst als Ereignis mehr Wertschätzung er- fahre. Kunst durchdringe das ganze Leben, Kunst gebe den Dingen über- haupt erst Form. Ohne Kunst würde auch die Wirtschaft nicht laufen, ist er überzeugt. «Kunst beeinflusst die Lebensqualität», betont er. Kunst sei kein Luxus, wie sie immer wieder ge- handelt werde. «Kunst ist eine konsti- tutive Kraft in unserem Leben.» lCHRISTINA PEEGE «Die Welt ist, wie man sie sieht» Surab Narmania pflegt die Kunst des ironischen Zitates. Der Maler schöpft aus einem reichen Bildungsschatz. Bild: Marc Dahinden In Winterthur leben und arbeiten Kunst- schaffende  aus  aller  Herren  Länder.  Sie  sind  auf  abenteuerlichen,  ver- schlungenen oder ganz direkten Wegen  (und manchmal auch einfach wegen der  Liebe) hierhergekommen. Wir stellen in  dieser  neuen  Serie  Künstler  vor,  die  zwar  von  ihrer  Herkunft  geprägt  sind,  die ihr Leben und ihr Schaffen aber mit  dieser Stadt verbunden haben. Was sie  aus ihrer Heimat mitbringen, bereichert  das  Leben  dieser  Stadt.  Die  Auswahl  der ersten sechs Künstler geht von ei- ner  Ausstellung  unter  dem  Titel  «Out- side  Inside»  aus,  die  im  Januar  2010  auf  Initiative  von  Michelle  Bird  im  Al- ten  Stadthaus  Winterthur  stattgefun- den  hat  (www.outside-inside.ch).  Wei- tere Interessenten für ein Porträt sind  willkommen,  Hinweise  aus  der  Leser- schaft  auf  Kunstschaffende  ebenfalls  auf: [email protected]. (cp) AUSSENSICHT UND BLICK NACH INNEN Kunst ist kein Luxus – sie ist eine konstituierende Kraft in unserem Leben » Surab Narmania OUTSIDEINSIDE INTERNATIONALE KUNST Wie Kunstschaffende aus aller Welt  Winterthur sehen und beleben Filigrane Klänge, schwebend im Zwischenraum Die junge Dänin Sofie Nielsen zimmert sich in ihren musikalischen Performances eine eigene Welt zwischen Wachen und Schlafen. Das Stück «Open Secret» beginnt mit Keyboardklängen, als würde auf einem Glockenspiel frei improvisiert. Nach und nach wird ein komplexer Rhyth- mus sichtbar. Eine lang gezogene Ton- spur aus sphärischen Weiten tritt hin- zu, ferner ein Stampfen und Klacken wie in einem Werkraum, von draussen ein vom Wind verwehtes Kinderla- chen. Schliesslich webt sich die Stim- me der Sängerin hinein, zerbrechlich und erotisch. Sie singt ein Lied und doch keines, bleibt schwebend im Un- gefähren. Von solchen Andeutungen lebt die Musik der jungen, aus Aalborg stam- menden Dänin Sofie Nielsen. In ihrem musikalischen Einfrauprojekt namens Tone zimmert sie sich eine eigene Welt zusammen, die an Tagträume er- innert. Die zehn Nummern ihres ers- ten, 2008 beim Kopenhagener Label Ponyrec erschienenen Albums «Small Arm Of Sea» sind voll von Chiffren des Dazwischen: «Just wake me up be- fore you go», heisst es im Stück «Wake Me Up», «I need a break» in einem anderen; ein weiterer Titel lautet viel- sagend «Undecided». Musikalisch dominieren raffinierte Breakbeats, elektronische Klänge und eine oft vervielfältigte, narkotisieren- de Stimme. Stilistisch ist Tone irgend- wo in der weiteren Umgebung von Trip-Hop einzuordnen. Der stark va- riierende, verspielte Gesang orientiert sich zuweilen recht klar an Björk. Was macht den eigentümlichen Reiz dieser Musik aus? Die Abwesenheit starrer Strukturen. Alles scheint inein- anderzufliessen. Darauf muss man sich zuerst einstellen: Wer herkömmliche Songs erwartet, wird enttäuscht. Statt- dessen betritt man eine Gegenwelt, in der sich die gewohnten Dinge in neu- en, Konstellationen wieder finden. Die Offenheit erlaubt es Nielsen, zu expe- rimentieren. Etwa mit der Textzeile «How Hard Did You Try», die unzäh- lige Male wiederholt wird, als gelte es, einem Verfahren der konkreten Poe- sie vergleichbar, die Bedeutungsmög- lichkeiten auszuloten, die in ihr ste- cken. Im Konzert werden ausserdem mit der Musik abgestimmte, experi- mentelle Videos gezeigt. (dwo) Tone Live: Fr, 19. 2., 21 Uhr, Kraftfeld. Anschliessend   DJs Nikolai Volkoff & Dr. Brunner.  CD: Small Arm Of Sea (Ponyrec/Urlyd). Kidjo in Halle 53 Mit zwei grossen Namen kann das diesjährige Afro-Pfingsten-Festival aufwarten. Zugesagt haben die in New York lebende Sängerin Angélique Kidjo und das Orquesta Buena Vista Social Club aus Kuba. Das komplette Programm wird am 1. März bekannt- gegeben, wie die Organisatoren des Festivals gestern mitteilten. Dann be- ginnt auch der Ticket-Vorverkauf. Die Konzerte des Festivals finden vom 21. bis 23. Mai wiederum in der Halle 53 des Sulzer-Areals statt. (red)

Narmania

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Worte und Wein   Aus wenig viel machen Die Lernprozesse Vorne:YvonneBeutler,JackWürgler,UrsulaBraunschweig-Lütolf, MarianneFrehnerAblinger,RafaelSteiner,PatrizioFusco Hinten:MarionKrüsi,DorisMeier-Hauenstein,HeidiWitzigVetterli, PriskaBraun,KilianSchmid,StefanHostettler Kunst ist kein Luxus intErnationalE KunSt Er verbringt nach dem Studium sechs Monate in Moskau und verkehrt in der Kunstszene. «Eine aufregende Zeit, auf jeden Fall», blickt er zu­ tone l CHRISTINA PEEGE anzEigE

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Page 1: Narmania

14  l  Stadtkultur    l   der landbote   l   Mittwoch, 17. FEBruar 2010

LISTE 1:SP, Gewerkschaften und JusoIn den GemeinderatIhre Kandidaten/innen aus Altstadt/Mattenbach:Vorne: Yvonne Beutler, Jack Würgler, Ursula Braunschweig-Lütolf,Marianne Frehner Ablinger, Rafael Steiner, Patrizio FuscoHinten: Marion Krüsi, Doris Meier-Hauenstein, Heidi Witzig Vetterli,Priska Braun, Kilian Schmid, Stefan Hostettler

anzEigE

Surab Narmania malt eigen­willige Bilder, voller Anspie­lungen und leiser Ironie. Der gebürtige Georgier diskutiert leidenschaftlich gern über Kunst, Gott, die Welt und was sonst noch interessant ist. Hier wünscht er sich mehr Lust an der Debatte.

Niemand käme darauf, was sich da hinter heruntergelassenen Rollläden in einem ehemaligen Verkaufsladen in Dättnau verbirgt. Ein richtiges Künst­leratelier nämlich. Eins, wie man es sich vorstellt, mit Farbklecksen am Boden und einem bullernden Ofen, der winters den Raum wärmt. Warum Surab Narmania nicht bei Tageslicht

arbeitet? Er schätzt es, im intimen Rahmen arbeiten zu können, wo sein Schaffensprozess ungesehen bleibt. «Wir leben auf dem Land», lächelt er halb und seufzt er auch, ja: Er sei hier eher ein Exot.

Narmania redet, genauer: debattiert und diskutiert aus Leidenschaft; aus­serdem, gesteht er: «Ich brauche Stadt­luft.» Kein Wunder, denn Narmania ist in Tiflis aufgewachsen, der quirligen und multikulturell geprägten Kapitale Georgiens. «Tiflis ist eine exotische Stadt», sagt er, «und im Sommer ist es unerträglich heiss». Er wächst inmitten der Grossstadt auf, die seit Jahrhun­derten von unterschiedlichsten kultu­rellen Einflüssen geprägt wurde, von Byzanz über die Perser, Seldschuken, Araber, Europäer und nicht zuletzt Russen liessen viele Völker und Herr­scher ihre Spuren zurück, ebenso Reli­gionen wie die Orthodoxie, das Juden­tum, die Zoroastrier, Katholiken. Auch die heutige Stadt sei kulturell sehr viel­fältig, «doch beeindruckte mich im­mer die Toleranz, die geherrscht hat», sagt er. Toleranz, die auf Debattenkul­tur beruht. Narmania wächst in einer Künstlerfamilie auf, sein Vater ist Do­zent an der Kunstakademie von Tiflis. Keine Frage also, dass der Sohn am Technikum zunächst vier Jahre Kunst und Pädagogik studiert und anschlies­send an der Kunstakademie in sechs Jahren das Diplom erlangt.

Worte und WeinEr verbringt nach dem Studium sechs Monate in Moskau und verkehrt in der Kunstszene. «Eine aufregende Zeit, auf jeden Fall», blickt er zu­

rück. Die jungen Künstler organisier­ten Ausstellungen – es gab reichlich Wein und noch reichlicher Diskussio­nen. «Wir tauschten uns aus, übten Kritik, fragten uns, warum einer et­was auf eine bestimmte Art und Wei­se macht», erinnert sich der Künstler. Aber auch Theorien werden disku­tiert, analysiert, genüsslich zerpflückt: «Ist Metaphysik akzeptabel?», «Sind Zeichentheorie und Semiotik über­haupt noch aktuell?» – Es seien gute Gespräche gewesen, immer ehrliche, unter guten Freunden.

Aus wenig viel machen«Die Versenkung im Wahrnehmbaren ist typisch für den Osten», ist Narma­nia überzeugt. Man denke intensiver über Wahrnehmung nach als etwa in Europa. «Hier wird mehr gemacht, man lebt die Realisierung der Kunst aus», sagt er. Dies liege auch daran, dass man damals in Georgien oder Russland einfach weniger Möglich­keiten hatte, etwas umzusetzen, als im Westen. Es mangelte an industrieller Vielfalt. «Wir mussten aus dem We­nigen, das wir hatten, etwas machen», dies habe intensives Nachdenken vor­ausgesetzt.

Diese Reflexion über die Wahr­nehmung und Kunst charakterisiert noch heute das Schaffen des Künst­lers. Viele Bilder enthalten äusserst realistische Elemente, sind virtuos ge­malt – und persiflieren auf ihre Art das virtuose Können (von dem Kunst ja kommen soll) als inhaltsleer. Ande­re Bilder zitieren Filme, arbeiten mit Zeichen und Verweisen. «Ich führe ein parasi­täres Leben», sagt er mit seiner für ihn so typischen leisen Selbstironie, er dringe gerne in Kunstwerke anderer ein und analysiere deren Bildaufbau. Diesen dekonstruiert er wiederum, um eine eigene Bildwelt zu schaffen.

Die LernprozesseWer sich mit Narmania unterhält, ist beeindruckt von dessen Bildung – Phi­losophie, Kunstgeschichte, Ästhetik – seinen Horizont hat er beharrlich erweitert. Der Künstler verlässt 1994 Georgien Richtung Bonn. Hier er­innert er sich besonders gerne an die Aufnahme in der Bibliothek des Mu­seums für Zeitgenössische Kunst. Die sei eigentlich forschenden Kunstwis­senschaftlern vorbehalten – doch die Bibliothekarin macht bei dem bil­dungshungrigen Georgier eine Aus­nahme. Narmania kniet sich in die Bücher, findet sogar noch Briefwech­sel zwischen berühmten Galerien, die Briefbögen einfach so in die Bän­de eingelegt. In Deutschland lernt er seine künftige Frau kennen und zieht mit ihr 1998 in die Schweiz. «Warum nach Winterthur? «Weil hier grad eine Wohnung frei war», sagt er. Glücklich

sei er ja darüber am Anfang nicht ge­wesen. Aber mit der Zeit habe er die Stadt lieb gewonnen und habe viele in­teressante Leute kennen gelernt. «Ich musste hier viel lernen», blickt er zu­rück. Die Welt des Protestantismus

war für ihn eine völlig neue, «sehr diesseitig», sagt er, das sei eine neue und wichtige Er­fahrung für ihn gewesen, der eine andere Geistes­haltung bevorzugt – «es gibt nichts Essenzielles, die

Welt ist so, wie man sie sieht», zitiert er aus der indischen Philosophie.

Kunst ist kein LuxusLernen musste er auch, dass man hier eine Sache thematisiert und struktu­riert angeht. «Die Leute hier debattie­ren nur, wenn sie einen offiziellen An­lass haben», sagt er. Zum Beispiel eine Podiumsdiskussion. Schlicht aus purer Lust an der Auseinandersetzung eine Diskussion anzuzetteln, das erlebe er selten. Wenn ihn die Lust überkommt, dann telefoniert er Freunden in Geor­gien, um über einen Film von James Cameron zu diskutieren oder über ein Konzept. Einfach so.

Er wünscht sich auch, dass die Kunst als Ereignis mehr Wertschätzung er­fahre. Kunst durchdringe das ganze Leben, Kunst gebe den Dingen über­haupt erst Form. Ohne Kunst würde auch die Wirtschaft nicht laufen, ist er überzeugt. «Kunst beeinflusst die Lebensqualität», betont er. Kunst sei kein Luxus, wie sie immer wieder ge­handelt werde. «Kunst ist eine konsti­tutive Kraft in unserem Leben.»

lCHRISTINA PEEGE

«Die Welt ist, wie man sie sieht»

Surab narmania pflegt die Kunst des ironischen Zitates. der Maler schöpft aus einem reichen bildungsschatz. Bild: Marc dahinden

in winterthur leben und arbeiten kunst­schaffende  aus  aller  herren  länder. Sie  sind  auf  abenteuerlichen,  ver­schlungenen oder ganz direkten wegen (und manchmal auch einfach wegen der liebe) hierhergekommen. wir stellen in dieser  neuen  Serie  künstler  vor,  die zwar  von  ihrer  herkunft  geprägt  sind, die ihr leben und ihr Schaffen aber mit dieser Stadt verbunden haben. was sie aus ihrer heimat mitbringen, bereichert 

das  leben  dieser  Stadt.  die  auswahl der ersten sechs künstler geht von ei­ner  ausstellung  unter  dem  titel  «out­side  inside» aus, die  im  Januar 2010 auf  initiative  von  Michelle  Bird  im  al­ten  Stadthaus  winterthur  stattgefun­den  hat  (www.outside­inside.ch).  wei­tere interessenten für ein Porträt sind willkommen,  hinweise  aus  der  leser­schaft  auf kunstschaffende ebenfalls auf: [email protected].  (cp)

  auSSenSicht und Blick nach innEn

«�Kunst ist kein Luxus – sie ist eine

konstituierende Kraft in unserem Leben»

Surab narmania

OUTSIDEINSIDEintErnationalE KunStwie kunstschaffende aus aller welt winterthur sehen und beleben

Filigrane Klänge, schwebend im ZwischenraumDie junge Dänin Sofie Nielsen zimmert sich in ihren musikalischen Performances eine eigene Welt zwischen Wachen und Schlafen.

Das Stück «Open Secret» beginnt mit Keyboardklängen, als würde auf einem Glockenspiel frei improvisiert. Nach und nach wird ein komplexer Rhyth­mus sichtbar. Eine lang gezogene Ton­spur aus sphärischen Weiten tritt hin­zu, ferner ein Stampfen und Klacken wie in einem Werkraum, von draussen ein vom Wind verwehtes Kinderla­chen. Schliesslich webt sich die Stim­me der Sängerin hinein, zerbrechlich und erotisch. Sie singt ein Lied und doch keines, bleibt schwebend im Un­gefähren.

Von solchen Andeutungen lebt die Musik der jungen, aus Aalborg stam­menden Dänin Sofie Nielsen. In ihrem musikalischen Einfrauprojekt namens Tone zimmert sie sich eine eigene Welt zusammen, die an Tagträume er­innert. Die zehn Nummern ihres ers­ten, 2008 beim Kopenhagener Label Ponyrec erschienenen Albums «Small Arm Of Sea» sind voll von Chiffren des Dazwischen: «Just wake me up be­fore you go», heisst es im Stück «Wake Me Up», «I need a break» in einem anderen; ein weiterer Titel lautet viel­sagend «Undecided».

Musikalisch dominieren raffinierte Breakbeats, elektronische Klänge und eine oft vervielfältigte, narkotisieren­de Stimme. Stilistisch ist Tone irgend­wo in der weiteren Umgebung von Trip­Hop einzuordnen. Der stark va­riierende, verspielte Gesang orientiert sich zuweilen recht klar an Björk.

Was macht den eigentümlichen Reiz dieser Musik aus? Die Abwesenheit starrer Strukturen. Alles scheint inein­anderzufliessen. Darauf muss man sich zuerst einstellen: Wer herkömmliche Songs erwartet, wird enttäuscht. Statt­dessen betritt man eine Gegenwelt, in der sich die gewohnten Dinge in neu­en, Konstellationen wieder finden. Die Offenheit erlaubt es Nielsen, zu expe­rimentieren. Etwa mit der Textzeile «How Hard Did You Try», die unzäh­lige Male wiederholt wird, als gelte es, einem Verfahren der konkreten Poe­sie vergleichbar, die Bedeutungsmög­lichkeiten auszuloten, die in ihr ste­cken. Im Konzert werden ausserdem mit der Musik abgestimmte, experi­mentelle Videos gezeigt.  (dwo)

tonelive: Fr, 19. 2., 21 uhr, kraftfeld. anschliessend  dJs nikolai Volkoff & dr. Brunner. cd: Small arm of Sea (Ponyrec/urlyd).

Kidjo in Halle 53Mit zwei grossen Namen kann das diesjährige Afro­Pfingsten­Festival aufwarten. Zugesagt haben die in New York lebende Sängerin Angélique Kidjo und das Orquesta Buena Vista Social Club aus Kuba. Das komplette Programm wird am 1. März bekannt­gegeben, wie die Organisatoren des Festivals gestern mitteilten. Dann be­ginnt auch der Ticket­Vorverkauf. Die Konzerte des Festivals finden vom 21. bis 23. Mai wiederum in der Halle 53 des Sulzer­Areals statt.  (red)