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Sighard Neckel Emotion by design Das Selbstmanagement der Gefühleals kulturelles Progralnm Der Prozess gesellschaltlicher Gefühlsregulationen ist in der soziologischen Theoriegeschichte als Aus- breitung von Selbstzr,r'ängen und Rationalisierung beschrieben worden. Demgegenüber stellte sich die Lockerung emotionaler Disziplin im 20. Jahrhundert als Informalisierung von Emotionsregeln dar. Die gegenrvärtigenProgramme emotionaler Selbststeuemng hingegen, wie sie in aktuellen Konzepten von Arbeit und Management, von Beratung, Training und Therapie vorfindbar sind, deuten daraufhin, dass sich mittlerweile der Gegensatz von Disziplinierung und Informalisierung aufzulösen beginnt. Im Gefol- ge einer modemen Wettbewerbsgesellschaft, die ihren ökonomischen Fluchtpunkt im Markterfolg findet und kulturell von Prozessen der,,Subjektivierung" begleitet wird, breiten sich Programme des Selbstma- nagementsaus, die sich vor allem der kognitiven Veranlassungund des strategischen Einsatzes von Ge- fühlen widmen. Gefllhle sind dadurch nicht mehr allein Objekt subjektiver und sozialer Kontrolle. Viel- mehr zielt modernes Selbstmanagement auf die ,,Optimierung" des emotionalen Erlebens und Darstel- lens ab, woflir das Konzept der ,,emotionalen lntelligenz" beispielhaft ist. Derartige Programme einer modernen Emotionalisicruns von Gesellschaft und Ökonomie hinterlassen iedoch den paradoxen Effekt. erst zu jener ,,affektiven Neritralitat" hinzuführen, der sie vermeintlich bege"gnen wollen. l. Emotionenund ökonomisches Handeln Der Prozessgesellschaftlicher Gefühlsregu- lationen ist in der soziologischenTheoriege- schichte als Ausbreitung von Selbstzwängen, als Versachlichung und Rationalisierung be- schrieben worden. Insbesonderedie wirt- schaftliche Organisationder modemen Ge- sellschaft wwde dabei als eine treibende Kraft identifiziert, durch welche die emotio- nalen Dimensionen von Erleben und Han- deln gemäßigt worden seien. So trugen Nor- bert Elias (1979: 328f.) zufolge die Ver- flechtungszwänge der komplexer werdenden ökonomischen Austauschbeziehungen we- sentlich zur Verstärkung der Affektkontrolle bei. Und Georg Simrnelvermochteals Folge der sich damit ausbreitenden Geldwirtschaft die ,,Abflachung des Gefühlslebens"(Sim- mel 1999: 595) als emotionales Merkmal des modernen Lebensstils zu erkennen. Max Weber wiederum betrachtete das ,,Charis- ma", die am stärksten gefühlsgestützte Yari- ante des Herrschaftsglaubens, als eine ,,not- wendig außerwirtschaftliche Macht" und ,,alsbald in seiner Virulenz geführdet, wenn die Interessen des ökonomischen Alltass zur Übermacht gelangen"(Weber 1980: k60), weshalbim modernen Kapitalismusder Weg des Charismas yon einem ,,stürmisch- emotionalen u'irtschaftsfremden Leben zum langsamen Erstickungstod"(ebd.: 661) vor- gezeichnet sei. Die Annahme, dassdie Sphären des Mark- tes und der Geldökonomie, dass das Innenle- ben modemer Wirtschaftsorganisationen und Arbeitswelten gleichsam gefühlskalte Zonen seien, findet sich schließlich noch in den ne- gativsten Urteilen, die der Kapitalismus in der Gesellschaftstheorie fand. So heißt es etwa in der Entfremdungskritilg die Horkheimer und Adomo in der ,,Dialektik der Aufklärung" hinterließen,dassaufgrund des Imperativs ei ner instrumentellen Vemunft die intimsten Reaktionen der Menschen ihnen selbst ge- genüber so vollkommen verdinglicht seien, dass ,,personality (...) ihnenkaum mehr etwas anderes(bedeutet) als blendend weiße Zähne und Freiheit von Achselschweißund Emotio- nen" (Horkheimer/Adomo | 969 : 17 6). Die moderne Emotionssoliolosie der letz- ten gut 25 labre hat äemgegenüüer vielfach nachweisenkönnen, dass wirtschaftliche Or- eanisationen und ihre Akleure Emotionen 419

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Sighard Neckel

Emotion by design

Das Selbstmanagement der Gefühle als kulturelles Progralnm

Der Prozess gesellschaltlicher Gefühlsregulationen ist in der soziologischen Theoriegeschichte als Aus-breitung von Selbstzr,r'ängen und Rationalisierung beschrieben worden. Demgegenüber stellte sich dieLockerung emotionaler Disziplin im 20. Jahrhundert als Informalisierung von Emotionsregeln dar. Diegegenrvärtigen Programme emotionaler Selbststeuemng hingegen, wie sie in aktuellen Konzepten vonArbeit und Management, von Beratung, Training und Therapie vorfindbar sind, deuten daraufhin, dasssich mittlerweile der Gegensatz von Disziplinierung und Informalisierung aufzulösen beginnt. Im Gefol-ge einer modemen Wettbewerbsgesellschaft, die ihren ökonomischen Fluchtpunkt im Markterfolg findetund kulturell von Prozessen der,,Subjektivierung" begleitet wird, breiten sich Programme des Selbstma-nagements aus, die sich vor allem der kognitiven Veranlassung und des strategischen Einsatzes von Ge-fühlen widmen. Gefllhle sind dadurch nicht mehr allein Objekt subjektiver und sozialer Kontrolle. Viel-mehr zielt modernes Selbstmanagement auf die ,,Optimierung" des emotionalen Erlebens und Darstel-lens ab, woflir das Konzept der ,,emotionalen lntelligenz" beispielhaft ist. Derartige Programme einermodernen Emotionalisicruns von Gesellschaft und Ökonomie hinterlassen iedoch den paradoxen Effekt.erst zu jener ,,affektiven Neritralitat" hinzuführen, der sie vermeintlich bege"gnen wollen.

l. Emotionen und ökonomischesHandeln

Der Prozess gesellschaftlicher Gefühlsregu-lationen ist in der soziologischen Theoriege-schichte als Ausbreitung von Selbstzwängen,als Versachlichung und Rationalisierung be-schrieben worden. Insbesondere die wirt-schaftliche Organisation der modemen Ge-sellschaft wwde dabei als eine treibendeKraft identifiziert, durch welche die emotio-nalen Dimensionen von Erleben und Han-deln gemäßigt worden seien. So trugen Nor-bert Elias (1979: 328f.) zufolge die Ver-flechtungszwänge der komplexer werdendenökonomischen Austauschbeziehungen we-sentlich zur Verstärkung der Affektkontrollebei. Und Georg Simrnel vermochte als Folgeder sich damit ausbreitenden Geldwirtschaftdie ,,Abflachung des Gefühlslebens" (Sim-mel 1999: 595) als emotionales Merkmal desmodernen Lebensstils zu erkennen. MaxWeber wiederum betrachtete das ,,Charis-ma", die am stärksten gefühlsgestützte Yari-ante des Herrschaftsglaubens, als eine ,,not-wendig außerwirtschaftliche Macht" und,,alsbald in seiner Virulenz geführdet, wenn

die Interessen des ökonomischen Alltass zurÜbermacht gelangen" (Weber 1980: k60),weshalb im modernen Kapitalismus der Wegdes Charismas yon einem ,,stürmisch-emotionalen u'irtschaftsfremden Leben zumlangsamen Erstickungstod" (ebd.: 661) vor-gezeichnet sei.

Die Annahme, dass die Sphären des Mark-tes und der Geldökonomie, dass das Innenle-ben modemer Wirtschaftsorganisationen undArbeitswelten gleichsam gefühlskalte Zonenseien, findet sich schließlich noch in den ne-gativsten Urteilen, die der Kapitalismus in derGesellschaftstheorie fand. So heißt es etwa inder Entfremdungskritilg die Horkheimer undAdomo in der ,,Dialektik der Aufklärung"hinterließen, dass aufgrund des Imperativs einer instrumentellen Vemunft die intimstenReaktionen der Menschen ihnen selbst ge-genüber so vollkommen verdinglicht seien,dass ,,personality (...) ihnen kaum mehr etwasanderes (bedeutet) als blendend weiße Zähneund Freiheit von Achselschweiß und Emotio-nen" (Horkheimer/Adomo | 969 : 17 6).

Die moderne Emotionssoliolosie der letz-ten gut 25 labre hat äemgegenüüer vielfachnachweisen können, dass wirtschaftliche Or-eanisationen und ihre Akleure Emotionen 419

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weder aus ihren Funktionskreisen ausschal-ten können noch darauf verzichten, Gefrrhlefür ökonomische Zwecke zu nutzen (vgl.Flam 1990; Fineman 2000a; Schreyögg/Sydow 2001). Statt von ,,affektiver Neu-tralität", wie Parsons (Parsons/Shils 1951:77tf.) die moderne Handlungsorientierungbeschrieb, sind wirtschaftliche Prozessedurch je spezifische Formen des Emotions-managements begleitet, in denen der Ge-fuhlshaushalt von Unternehmensführem undBeschäftigten, von Geschäftsleuten, Anle-gern, Kunden und Dienstleistern eine Mo-dellierung erftihrt.,,Sachlichkeit" als Hand-lungsideal hat sich in der Ökonomie moder-ner Marktgesellschaften längst zerset^, so-fern es die wirtschaftliche Handlungssphäreüberhaupt je dominant prägte. Produlrte undVerkaufsakte werden heute gezielt mit Ge-fühlen aufgeladen, wovon das ,,emotionaldesign" in der Gestaltung modemer Kon-sumgüter ebenso Zeugnis ablegt wie die eu-phorische Theatralisierung von Marken, dieder Beobachter am besten in der ,,Autostadt"von VW, in jedem ,,Nike"-Store oder in Er-lebniseinkaufsstätten wie dem ..CentrOber-hausen" bewundern kann.

Die ökonomische Strategie, massenhafteStandardgüter und standardisierte Dienstlei-stungen als vermeintlich unverl?ilschte undeinzigartige Produkte zu vertreiben, lässt Be-schäftigte in den Konsum- und Serviceberu-fen als gleichsam lebende,,Authentizitätsre-seryen" (Boltanski/Chiapello 2003: 418)fungieren, die mit all ihren individuellen Ei-genschaften die Illusion des ,,persönlichenAagebots" bekräftigen sollen. Gefilhle wer-den in diesem Zusammenhang als glaubhaf-testes Dokument persönlicher Authentizitätbetrachtet, weshalb die Emotionalisierungvon Produkten und Kundenkontalcten vomManagement ausdrücklich angestrebt wird.Auch hat sich das Personalwesen in wirt-schaftlichen Organisationen heute ganz aufdie Psychologisierung der Führungskommu-nikation zwischen Vorgesetzten und Unter-gebenen verlegt (vgl. Pongratz 2004), wasim Alltag betrieblicher Aushandlungsprozes-se emotionale Kompetenzen zugleich schultwie erforderlich macht.

Ökonomisches Handeln stellt emotions-soziolosisch also keinen Sonderfall sozialen

Handelns dar. Wie die soziale Handlungs-praxis im Ganzen, sind auch wirtschaftlicheProzesse mit Geftihlen verbunden, in denenentsprechende Ereignisse eine innere Be-werfung bei wirtschaftlichen Akteuren erle-ben, die vermittels ihrer Gefühie diese Ein-schätzungen zugleich nach außen hin signa-lisieren. Panikkäufe sind ebenso ein Beispielhierfür wie die Scham des wirtschaftlichenBankrotts oder der freudige Enthusiasmuseiner Börsenrallye. Und wie in allen anderengesellschaftlichen Bereichen geben auch imökonomischen Feld soziale Institutionen je-weils spezihsche Gefühlsregeln vor, nachdenen Akteure Emoticlnen in sozial er-wünschter Weise erleben und ausdrückensollen. ,,Affektive Neutralität" mag, wo siewirtschaftlich zweckmäßig ist, als ökonomi-sche Gefühlsnorm fungieren. Aus emotions-soziologischer Sicht indiziert diese Norm in-des nur den Sachverhalt. dass wirtschaftlicheAkteure mitnichten emotionslos materielleInteressen verfolgen, weshalb Gefühlsregelnauch in der ökonomischen Praxis eine so-ziale Notwendigkeit und subjektives Emoti-onsmanagement eine ökonomische Anforde-rung sind.

2. Zwei Thesen der soziologischenForschung: Entfremdung vs.Informalisienrng

Welcher Natur allerdings dieses Emotions-management ist, darüber herrscht bei allenGemeinsamkeiten der Emotionssoziologiedoch weitgehend Uneinigkeit. Ganz in derLinie der Entfremdungskritik, die im moder-nen Kapitalismus eine Domestizierung derEmotionen an Werke sieht, stehen etwa dieUntersuchungen von Arlie Hochschild, diein ihrem bekanntesten Werk ,,The ManagedHeart" (Hochschild 1990) die Kommerziali-sierung von Geftihlen in modernen Service-berufen auf die soziologische Anklagebanksetzt. Im Zenlrum der Arbeiten Hochschildssteht die Aussage, dass Angestellte imDienstleisfungssektor in zweierlei Weise zueiner Art,,mentaler Selbstmanipulation"(Rastefter 2001: 117) gezwutgen seien. DenDarstellungsregeln modemer Kundenorien-

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tierung entsprechend, würden sie zum einenveranlasst, an der sichtbaren Außenseite desVerhaltens Gefühle zu zeigen, die sie nichtwirklich empfinden. In beruflichen Stresssi-tuationen setzten überdies Strategien desemotionalen Tiefenhandelns ein, mit denendie je adäquaten Geflihle vom Akteur selbsterueugl werden müssten. Im Ergebnis dieserAnforderungen des Gefiihlsmanagementsentsteht Hochschild zufolge eine Kluft zwi-schen emotionalem Ausdruck und emotio-nalem Erleben sowie eine strategische Ein-übung emotionaler Inauthentizität, welchedie Gefühlswelt des einzelnen ihm selbst äu-ßerlich macht. Der Markt und die instru-mentellen Beziehungen, die er zwischen Ak-teuren stiftet, kolonialisiert dann die Subjek-tivität bis in die Tiefenschicht der Emotionenhinein.

Hochschilds Untersuchungen haben - ne-ben der soziologischen Emotionsforschung -vor allem auch in der Arbeitssoziologie zahl-reiche Debatten und Kritik ausgelöst. NeuereStudien zur Dienstleistungsarbeit etwa ma-chen darauf aufmerksam, dass Emotionsma-nagement auch aus subjektiven Steuerungs-leistungen gegenüber Kunden, Vorgesetztenund Kollegen besteht, durch die interaktiveMachtgewinne möglich sind. Diese Macht-gewinne könnten von den Beschäftigtenauch als Bestätigung der eigenen Wirkunganderen gegenüber erlebt werden und ihrSelbstbewusstsein stärken (vgl. zur Diskus-sion Thoits 2004; Voswinkel2004).

Weit über diese Detailkritik hinaus gehendie Einwände, die von den zeitgenössischenVertretem der Zivilisationstheorie formuliertworden sind. Die Entfremdungskritik amEmotionsmanagement evoziere das trügeri-sche Bild einer vermeintlich authentischenEmotionalität, die tatsächlich jedoch durchsozial habitualisierte Muster stets schon mit-geformt werde. Zudem erlaube die Informa-lisierung von Gefühlsregeln, die seit derzweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allge-mein Verbreitung gefunden hätte, eine Lo-ckerung emotionaler Disziplin, die in derEntfremdungskritik gar keine Berücksichti-gung fünde. Zu den auffiilligen Veränderun-gen in den Umgangsformen, die die Zeitdia-gnose der Informalisierung sozialer Verhal-tensstandards in kritischer Abarbeitung an

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dem Werk von Norbert Elias konstatiert, ge-höre auch eine weitgehende Akzeptanz ex-pressiver Gefühlsmuster - mithin das Ge-genteil jener Entwicklung, welche die klassi-sche Zivilisationstheorie als moderne Aus-breitung emotionaler Kontrolie in den Blickgenommen hatte. Auch in den modernenServiceberufen nähme die Reichweite, Dich-te und Rigidität sozialer Gefühlskontrollentendenziell ab, während sich umgekehrt dieemotionale Kultur der Gegenwart viel stär-ker auf eine vergleichsweise zwanglose undflexible Form von Selbststeuerung hin be-wege (vgl. Wouters 1999: l43ff.).

So stehen sich heute in der Soziologie derGefühle zwei Auffassungen über gesell-schaftliche Emotionsregulierung gegenüber:In der These der Disziplinierung läuft diekommerzielle Nutzung von Gefühlen auf de-ren Konditionierung hinaus, was sozialesLeid und Entfremdung auslösen soll. DieDiagnose einer Informalisierung von Ge-fühlsregeln hingegen stelit auf die Zunahmevon persönlicher Autonomie in der Gestal-hng des emotionalen Ausdrucks ab, wasnichr zuletzt Resultat einer erheblichen Lo-ckerung der Fremd- und Selbstzwänge in dermodemen Emotionskultur sei.

Als Gemeinsamkeit beider Positionen istallenfalls zu verbuchen, dass in den gegen-läufigen Zeitdiagnosen offensichtlich glei-chermaßen eine Veränderung in den Blickgenommen wird, die man als Subjektivie-rung des Emotionsmanagements bezeichnenkann. In der Entfremdungskritik nimmt dieseSubjektivierung eine strategische Ausprä-gung an. In neueren Analysen spricht Hoch-schild etwa davon, dass Akteure heute er-lernten, ihre Gefühle als ,,emotionales Kapi-tal" zu begreifen und sich selbst als ,,emotio-nal entrepreneurs" zu verhalten, die auf denArbeits- und Beziehungsmärkten Gefühlezum Zwecke sozialer Wertschätzung gezieltinvestieren und auch wieder stornierenmüssten (vgl. Hochschild 1998: lOff.). DieInformalisierungsthese legt demgegenüberSubjektivierung als gesteigerte Seibstreflexi-vität des eigenen Gefiihlslebens aus. Sie ver-danke sich einem stärkeren allgemeinen Be-wusstsein davon, dass Emotionen stets auchsoziale Konstrukte sind, sowie wachsendenAnforderungen an die individuelle emotio- 421

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S. Neckei; Emotion by design

nale Selbstregulation (vgl. Wouters 1999:61ff.).

3. Emotionales Selbstmanagement im,,fl exiblen Kapitalismus"

Das gemeinsame Dritte in den Debatten deraktuellen Emotionssoziologie scheint alsodas Bild eines Akteurs zu sein, der seine Ge-fühle in zunehmendem Maße als eigeneAufgabe begreifen darf oder soll und hierbeientweder neue Freiheitsspielräume \utnoder veränderten gesellschaftlichen Zwängengehorcht. In dieser Alternative betritt die So-ziologie der Gefühle ein Terrain, das der so-ziologischen Zeitdiagnose im Garzen heutenicht unbekannt ist. Zahlreiche Vorschlägezur soziologischen Deutung der Gegenwartbeschäftigen sich mit der paradoxen Ent-wicklung, dass zunehmende Freiheiten undzunehmender Zwang einander korrespondie-ren und sich nicht etwa begrenzen (vgl.Honneth 2002). Yor allem jene Alalysen,die die modeme Markgesellschaft zum Ge-ger:rstand haben, sprechen davon, dass der,,flexible Kapitalismus" Autonomie und Kon-trolle unauflösbar ineinander verschränkt. AlsSubjeklivierung wüd hier der Vorgang ver-standen, individuelle Eigenschaften und Be-dti'rfnisse umfassend in die Funldionsweisevon Arbeit und Markt zu integrieren (vgl.Kocyba 2000; Lohr 2003). Insofern von Be-schäftigten Arbeitsfreude erwartet und zu-gteich selbst angestrebt wird, unternehmeri-sche ,,Visionen" Begeisterung auslösen sol-len, mannigfaltige Formen von Einfühlungdas kommunikative Arbeitshandeln prägen,und Beschäftigte sich selbst motivierenwollen und müssen, entsteht in den moder-nen Strukfuren der Arbeitswelt ein Nexusvon ,,Emotionalität und Efftzienz" (Pongratz2002), der zweckrationales und emotionalesHandeln ununterscheidbar miteinander ver-bindet.

Luc Boltanski und Eve Chiapello (2003:152ff..449ff.) haben in ihrem Buch über den,,neuen Geist des Kapitalismus" diese Ent-wicklung als Ausdruck einer neuen Recht-fertigungsordnung der gesellschaftlichenStatusverteilung interpretiert. Sie basiert dar-

aul dass der Netzwerkkapitalismr.rs der Ge-genwart die einst starren Grenzen zwischenPrivatheit und Arbeitswelt einbrechen lässtund vom Einzelnen die Bereitschaft verlangt,persönliche Kompetenzen und emotionaleRessourcen im Dienst eigenverantrvortlichgesetzter Projektziele einzusetzen. SozialeWertschätzung und gesellschaftliche Vor-teile erhalten danach Alleure, die Arbeit alsEntfalfung ihrer Persönlichkeit interpretie-ren, Eigeninitiative, Selbstverantwofiung,Kontaktfreudö, Vertrauenswludigkeit undein authentisches Selbst im Berufsleben zei-gen und sich hierfi.ir all ihrer mentalen Fä-higkeiten bedienen. Da dieser neue ,,Synkre-tismus von Ökonomie und Lebensform"(vgl. Neckel 2003) aber nicht nur Bedrirfnis,sondern ebenso Zumutung ist, wächst derWunsch wie die Notwendigkeit, sich demaktivistischen Ethos des neuen Kapitalismusdurch,,Selbstmanagement" persöniich anzu-verwandeln.

Richtiges Selbstmanagement ist dennauch zum Fluchtpunkt geworden, auf dendas heute ökonomisch maßgebliche Perso-nenkonzept zulaulbn soll. Und angesichtsder beschriebenen Umbrüche verwundert esnicht, dass es hierbei vor allem das emotio-rale Selbstmanagement ist, das im Zentrumder Bemühungen um die flexible Persönlich-keit steht. Als einen Indikator hierfür dürfenwir die Flut von Ratgebern und populärenSachbüchern betrachten, die sich mit der Be-deutung von Geftihlen für Alltagswelt undBerußleben befassen. Im Unterschied zufrtiheren Wellen populärer Lebenshilfelite-ratur bescheiden sich die Ratgeber von heutenicht darin, Unterweisungen für die Ratio-nalisierung des eigenen Handelns zu erteilen,um sich vermittels methodischer Arbeitsplä-ne erfolgreich zu effektivieren. Vielmehrwerden von den ,,Gefühlsingenieuren"(Bertolt Brecht) der Gegenwart Technikendes ernotionalen Empowement propagiert,die dem Individuum Kenntnisse und Hand-reichungen für das richtige Gefuhlslebenbeibringen sollen. Entsprechende Titel lautenzum Beispiel: ,,Die Glücksformel - Wie dieguten Gefühle entstehen" (Klein 2003); ,,DieKraft der positiven Gefühle - Mit neuenMentaltechniken innerlich frei werden"(Schmidt 2001), oder auch: ,,Emotionales

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Management. Erfolgsfaktoren sozial kom-petenter Führung" (Gonschorrek/B er g 2002).

Das gemeinsame Merkmal dieser Ratge-berliteratur ist, Anleifungen ztr emotionalenSelbststeuerung mit dem Versprechen zuverknüpfen, Emotionen anderer Akteure er-folgreich kontroliieren zu können. Emotio-nales Selbstmanagement wird als Rezeptwis-sen aufbereitet und zum Verkauf angeboten- ,,transforming emotion into a marketableproduct" (Fineman 2000b: 102). Als Markt-produkt hat sich die Emotionsberatung vorallem im therapeutischen Feld sowie im Ge-biet des Organisationsmanagements zu be-währen, wo die emotionale Selbst- undFremdsteuerung als neuartiger blueprint zurLösung verschiedenartigster Effizienzpro-bleme modernen Managements gilt. In bei-den Fällen werden Emotionen nicht um ihrerselbst willen reflektiert, sondern aufgrund ih-rer Nützlichkeit für die Realisierung vonZwecken, die dem eher rationalen Kalkülunterliegen, Sicherheit, Wohlbefinden undWirkung des eigenen Selbst durch ein ver-mehrtes Emotionswissen zu steigem.

In der Vereinigung von emotionalenSelbstverwirklichungspostulaten (,,innerlichfrei werden"), strategischer Emotionskunde(,,Erfolgsfaktor") und der Verheißung subjek-tiver Befriedigung (,,gute Gefühle") gehörendie Ratgeber zum emotionalen Selbstmana-gement damit in typischer Weise zu jenemKorpus neuerer Managementtexte seit denl990er Jabren, aus dem Boltanski und Chia-pello die Maximen der sozialen Bewertungs-ordnung im gegenwärtigen Netzwerkkapita-lismus erschlossen haben. Dieser Bewer-tungsordnung ist eigen, dass sie die gesell-schaftlich weit verbreitete Kritik ucht zuletztan der emotionalen ,,Kälte" des hergebrachtenIndustriekapitalismus in sich aufgenommenhat und in eine ,,Okonomisierung des Au-thentischen" (Boltanski/Chiapello 2003 : 47 8)überführt. Als wichtigster Indikator fir Au-thentizitht firmi ert hierbei d ie,,unverf ?i I s chte "Emotionalität einer Person, welche mit der,,Nafürlichkeit" ihrer Gefühle anzeigen soll,dass die Verwirklichung subjektiver Bedürf-nisse und funktionale Anpasswrgsleistungenvermeintlich keine Gegensätze sind.

Wird daher die ,,Wertigkeit (von Men-schen) immer häufiger an ihrem Selbstver-

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wirkliclrungspotenzial geme ssen" (eb d.: 4 62),kommt der Emotionalität von Personen einevorher kaum gekannte Beachhrng zu. Zu denbesonders wertgeschätzten Beftihigungenund Eigenschaften in der Rekrutienmg vonArbeitspersonal gehört nun, sich als bezie-hungsoff'en und kommunikationsfühig zuerweisen, um durch die Darstellung eines,,umgänglichen Charakters", durch,,ztrver-iässige Beurteilung der Geflihlslagen. ande-rer" und die glaubhafte Präsentation angst-freier Unmittelbarkeit in der Lage zu sein, anflexiblen Netzwerken zu pafüzipieren undwechselnden Berufssituationen immer wie-der aufs Neue Enthusiasmus entgegenzu-bringen (vgl. ebd.: l58ff.).,,Geflihlsarbeit",deren Rezepte die Ratgeberliteratur heuteweithin offeriert, vermiftelt somit Schlüssel-kompetenzen, die nicht nur in den Service-branchen der ,,smile industry" (Fineman2000b: 107) nachgefragt werden, sondernzunehmend auch die Bewertung von Mit-arbeitem in den sonstigen Sphären modernerUnternehmensführung bestimmen.

Die Ratgeberliteratur ist jedoch nur einesder Elemente im akfuellen Diskurs gesell-schaftlicher Geflihlsregulierung, der nebenMedien und Öffentlichkeit heute Arbeit undManagement, Berafung, Training und The-rapie weiträumig prägt. Zahheiche Wissens-formen zielen darauf, Emotionen für instru-mentelle Zwecke verfügbar zu machen. Zu-meist liegt diesem populären Emotionswis-sen die Vorstellung zugrunde, dass Men-schen ihre Gefuhle selbst wählen könnten,wenn sie nur über bestimmte erlernbare Fer-tigkeiten verfügten. Gefühle müssen dem-nach nicht erst im Imern gesucht werden,wie in der Post-68er-Zeit die Kultur deremotionalen Selbsthndung empfahl. Da wiruns Gefi.ihle vielmehr aussuchen könnten,stünden sie uns zum persönlichen Selbstma-nagement ffei. So ist der Glaube an die per-sönliche Wählbarkeit der Gefühle derin auchGrundlage zahlreicher Trainingsprogrammeund Kurztherapien. Am erfolgreichsten indiesem Feld ist gegenwärtig das ,,Neurolin-guistische Programmieren" OILP), eineKombination von verhaltenstheiapeutischenTechniken, Hlpnosetherapie und Esoterik.NLP erklärt Emotionen zu optiotalen ,,Ziel-zuständen" und gibt sich ais Curriculum 423

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hierfür aus. Entsprechend heißt es in einerSchulungsschrift für NlP-Trainer:,,'WennSie lernen, Ihren emotionalen Zustand, dasheißt, Ihre Gedanken und Gefthie seibst zrrwählen, dann fließen Ihnen Ihre Fertigkeitenwie von selbst zu, und Sie werden in der La-ge sein, mit der geringsten Aastrengung dieganze Zeit über das Beste zu tun. (...) Undnahirlich ist die Veränderung Ihres eigenenemotionalen Zustands einer der leichtestenWege, Iltr Publikum zu beeinflussen undauch dessen emotionalen Zustand zu verän-dern" (O'Connor/Seymour 1996: 146).

4. Beispiel,,Emotionale Intelligenz"

Das aktuell gewiss einflussreichste Konzeptdes emotionalen Selbstmanagements ist aberjenes der ,,emotionalen Intelligenz", das deramerikanische Psychologe Daniel Goleman(1991) populär gemacht hat.I GolemansKonzept teilt mit anderen mentalen Trai-ningsprogrammen eine Reihe von Eigen-schaften, vor allem methodischer Art. Dazugehören Anleitungen zur Autosuggestionund zum so genannten ,,Re-Framing", wo-durch schmerzhafte Erlebnisse in motivie-rende Erfahrungen und negative Stimmun-gen in positive Energien verwandelt werdensollen.' Im Zentrum stehen Techniken dercharismatischen Selbstenthusiasmierung, diedem Individuum eingeben, an sich als eineunerschöpfliche Quelle persönlicher Poten-zrale zu glauben, weshalb die Aufforderungzur rastlosen Arbeit am richtigen Selbst imZenlrum aller Botschaften steht. Das Zau-berwort hierbei lautet ..Motivation". Wenndas richtige Selbst sich trotzdem nicht ein-stellen mag, soll den Gefühlen persönlicherUnzulänglichkeit mit der Selbstinszenierungeines stoischen Optimismus begegnet rver-den: Positiv denken.

Was dem Konzept der ,,emotionalen In-telligenz" besonders zur Durchsetzung ver-half; ist der Umstand, dass es sich auf zweiDeutungsrahmen bezieht, die in der moder-nen Kultur eine Führungsrolle einnehmen.Zum einen beruft es sich auf vermeintlicheindeutige Erkenntnisse der Naturwissen-schaften, insbesondere auf neuere Forschun-

gen z\u Funktionsweise des Gehirns (mrKritik vgl. Sieben 2001). Zum anderen ver-spricht emotionale Intelligenz, frir den per-sönlichen ,,Erfolg" von entscheidendem Nut-zen zu sein und bekräftigt damit ein Leitbildder Wettbewerbsgeseilschaft (vgl. Neckel2001,2004):,,Die Marktkräfte, die in unserArbeitsleben eingreifen, belohnen emotio-nale Intelligetu auf noch nie da geweseneWeise mit Erfolg am Arbeitsplatz" (Gole-man 1997:14).

Hirnforschung und Erfolgsstreben mitein-ander kombinierend, lässt emotionale Intelli-genz den Eindruck entstehen, dass erfolg-reich zu sein nur eine Frage der richtigenHandhabung der Gehimanatomie sei. Soheißt es etwa in einer von Goiemans Schrif-ten, die sich dem wirtschaftlichen Führungs-verhalten widmet: .-Die linke Seite derpräfrontalen Region ist (...) ein Teil desSchaltsystems, das Neuronen im Mandelkernblockiert und dadurch verhindert, dass wirvon Distress erfasst werden. Dieses Schalt-system hilft einer Führungskraft, negativeErrotionen zu kontrollieren und eine optimis-tische, begeisterte Stimmung aufrechtzuer-halten" (GolemanrBoyatzis,McKee 2003 : 69).

Emotionale Probleme wiederum werdenals Probleme der Emotionen konstruiert,nicht der Ereignisse, die sie auslösen kön-nen. Ob Gefühle wie Sorge, Trauer oderAngst nicht auch reale Anlässe haben, wirdin den unzähligen Fallbeispielen richtigenGefiihlsmanagements nicht einmal erwähnt(vgl. z.B. Goleman 1997: 93ff.). Stattdessenwird die Verantwortung für problematischeSeelenzustände ganz auf die Gefiihlsarbeitdes Einzelnen übertragen, der es selbst in derHand hätte, emotionale Missstimmungen zuvermeiden. Den Schlüssel hierzu liefert Go-leman zufolge das Gehirn selbst. Aufgrundseiner Plastizität sei es für Veränderungenjederzeit offen, so dass durch entsprechendesTraining eine optimale neuronale Verschal-tung erreicht werden körure. Dem Individu-um käme dabei zugute, dass das Gehirnselbst ein ,,emotionaler Manager" (ebd.: 46)sei und eine,,Kosten-Nutzen-Analyse" (ebd.:45) all seiner Reaktionen aufstellen wüLrde.

Goleman beruft sich in diesem Zusam-rnenhang auch auf eine Anzahl psychologi-scher Experimente, die etwa die Befühigung

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zur Impulskontrolle betreffen. Eines davonist der,,Marshmallowtest", der bei Schulkin-dern eingesetzt wurde, um die Bereitschaftzr.r messen, zugunsten späterer Vorteile aufdie unmittelbare Bedürftisbefriedigung zuverzichten. Demgemäß werden beim ,,Mar-shmalloMest" vierjäkige Kinder vor dieAltemative gestellt, ein angebotenes Mar-shmallow sofort aufzuessen - oder zwanzigMinuten z! warten, um dann zur Belohnungzwei davon zu erhalten. Diejenigen, die imKindesalter der Versuchung widerstanden,den Marshmailow sogieich zu verspeisen,zeiglen sich später als 18-jährige Jugendliche,,durchsetzungsfühig, selbstbewusst und bes-ser in der Lage, mit den Frustrationen desLebens fertig zu werden (...) Sie warenseibstsicher und zuversichtlich, vertrauens-würdig und verlässlich; sie ergriffen die In-itiative und stürzten sich in Projelle" (ebd.:110). Jenem Drittei allerdings, das als Vier-jährige den Marshmallow gleich gegessenhatte, wird für das weitere Leben eine pro-blematische Entwicklung bescheinigt:,,Sieschreckten vor sozialen Kontakten zurück,waren störrisch und unschlüssig; sie ließensich von Frustrationen leicht umwerfen (...);sie waren argwöhnisch und ärgerten sich,dass sie ,nicht genug' bekarnen; sie neigtenzu Eifersucht und Neid; auf Irritationen rea-gierteh sie gereizt und provozierten dadurchStreitereien" (ebd.). Die ungeduldigen Kin-der erwiesen sich überdies beim Abschlussder Highschool als die weit schlechterenSchüler, während die geduldigen bei denZulassungstests für das College die bestenPunktzahlen erreichten.

Unerwünschte Gefühle, die sich trotz desvermeintlichen Nutzenkalküls, nach dem imGehim Neokortex und Mandelkern intera-gieren sollen, dennoch nicht ausschalten las-sen, werden demgegenüber liir pathologischerklärt (ebd.: 107). Sie stellen Goleman zu-folge ,,emotionale Entgleisungen" dar, beidenen ,,limbische Aufwallungen den Restdes Gehirns mit Beschlag belegen" (ebd.:121). Für den Fall, dass negative Stimmun-gen dauerhaft jede Möglichkeit einer positi-ven Motivation unterbinden, empfiehlt Go-leman eine ,,Umerziehung des emotionalenGehirns" (ebd.: 261), bei der neben sugge-stiven Techliken wie der ,,optimistischen

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Verleugnung" (ebd.: i03) die Einnahme vonPsychopharmaka und - in schwereren Fällen- auch der Einsatz von Eleldroschocks (ebd.:100) angezeigt sind.

Genauer betrachtet zielt das Konzept der,,emotionalen Intelligenz" damit auf nichtsGeringeres ab als auf eine grundlegendeVeränderung dessen, was die modeme Kul-tur unter ,,Gefühien" bisher wie selbstver-ständlich verstand. Emotionen, die insofemtatsächlich ,,Gefühle" sind, als sie neben ih-rer kognitiv beeinflussten Bewertungsfunkti-on auch eine leibgebundene und unwillkür-lich auftretende affektive Seite besitzen,werden nicht in ihrem eigenen Wert als In-formationsmedium über den imeren Zustandeiner Person akzeptiert. Wenn sie sich ihrerwillentlichen Steuerbarkeit entziehen undsich somit für kognitiv gesetzte Ziele nichteinsetzen lassen, erhalten sie das Stigma ei-nes psychi schen Krankheitssymptoms.

Gesellschaftlich erwünschte Emotionennehmen dadurch den Charakter eines innerenReservoirs permanent mobilisierbarer men-taler Ressourcen an, die jederzeit für instru-mentelle Zwecke einsetzbar sind. Der Maß-stab für die Abgrenzung zum Normalen istdie reine Nützlichkeit einer Emotion, wennes gilt, persönliche Erfolgsziele zu erreichen.Emotionale Intelligenz nämlich sei in derGegenwart zum wichtigsten Faktor des Le-benserfolges geworden, weit vor beruflicherLeistung oder der kognitiven Intelligenz(ebd.: 53ff.). Und so hat Goleman (2000) einausdifferenziertes Lemmodell entwickelt, dasdurch emotionale Selbstoptimierung auchden,,Erfolgsquotienten" systematisch zu stei-gern verspricht. Im Einzelnen besteht diesesModell aus ftinf Dimensionen emotionalerIntelligenz, denen insgesamt fünfundzwan-zig emotionale Kompetenzen zugeordnetwerden, die flir den Erfolg in Beruf und Pri-vatleben ausschlaggebend seien (ebd. : 36ff.).Zu den intrapersonalen Formen des Emoti-onsmanagements zählen dabei die drei erstenBereiche,,Selbstwahrnehmung",,,Selbstre-gulierung" und,,Motivation", womit das Er-kennen der eigenen Gefühle, ihre richtigeHandhabung und schließlich die Selbster-zeugung nützlicher emotionaler Zuständegemeint ist. Als interpersonelle Emotions-steuerung sind die beiden Dimensionen 425

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,,Empathie" und ,,Soziale Fähigkeiten" zuverstehen, welche die Befühigung zur emo-tionalen Fremdbeobachtung sowie die Ge-schicklichkeit im Hervomrfen erwünschterEmotionen bei anderen Akteuren betreffen.

Lässt sich diese Einteilung noch als einebegreifen, die in irgendeiner Weise dasemotionale Selbstmanagement tatsächlichberührt, so zeigt ein Blick auf die Vielzahlder hierunter subsumierten einzelnen Kom-petenzen, dass ,,emotionale Intelligenz" alsSammelbegriff eingesetzt wird, um insge-samt ein unternehmerisches Personenkon-zepl zu lancieren. So finden wir bei den in-trapersonalen Dimensionen emotionaler In-telligenz auch Lemziele wie ,,Gewissenhaf-tigkeit",,,zutreffende Selbsteinschätzung"oder ,,Leistungsdrang" genannt, die mitemotionalen Kompetenzen nicht das Gering-ste zu tun haben. Im interpersonellen Bereichwiederum werden etwa auch ..Serviceorien-tierung" und ,,Führung" zu den emotionalenKompetenzen gezählt, was wir uns ebenfallsals ganz und gar kognitive Akte vorstellenkönnen. Und auch der ,,Marshmallowtest"repräsentiert ein allgemeines Verhaltenskon-zept, das in Soziologie und Sozialpsycholo-gie als ,,deferred gratification pattern"(Schneiderilysgaard 1953) seit langem be-kannt ist.

Emotionale Intelligenz ist mithin ein,,umbrella term", unter dem sich nicht nurangeblich trainierbare Fähigkeiten des Ge-fi.ihlslebens, sondem auch eine Reihe er-wünschter Eigenschaften und persönlicherDispositionen sowie kulturell präferierteWertmuster und Moralvorstellungen verber-gen. Als umfassendes Sinnangebot nimmtdas emotionale Selbstmanagement damit ei-ne Rolle ein, die ansonsten vor allem religiö-ser Glaube und politische Ideologien beset-zen, nämlich ganze Menschenbilder undOrdnungsprinzipien nt generieren. Weit-schweifige Kosmologien stehen ihrer klein-teiligen Umsetzung bekanntlich nicht entge-gen, sondern bedürfen ihrer vielmehr, um fürdie Gläubigen fassbar zu sein. Und so hat -

dem herkömmlichen Intelligenztest ver-gleichbar - auch das Modell der ,,emotiona-len Intelligenz" mirtlerweile die Form einesstandardisierten Bewertungssystems (,,emo-tional competence inventory") angenommen,

mit dem der Grad emotionaler intelligenzverlässlich evaluiert werden soll. In Wirt-schaftsunternehmen wird es inzwischenweltweit zum Zweck der Personalauswahleingesetzt, lizenziert vom ,,Emotional Intel-iigence Service", einer Beratungsfirma, dieDaniel Goleman selber sesründet hat.

5. Das Programm'der authentischenSelbstprogrammiemng

Insgesamt kann emotionales Selbstmanage-ment, für das die Konzeption der ,,emotio-nalen Intelligenz" beispielhaft ist, als einkompaktes kultuelles Programm verstandenwerden, weil es ebenso organisierte Deu-tungsschemata zum Zweck der Selbstinter-pretation umfasst wie normative Richtwertedes Handelns und konkrete Verfahren zurSteuerung des Verhaltens. Das Neuartigedieser kulturellen Wegweisungen zur emo-tionalen Verbesserung ist, sich der kogniti-ven Veranlassung von Gefühlen zu widmen:Emotion by design. Ziel ist eine Art emotio-naler Selbstprogrammierung, die es vermag,Gefühle situationsadäquat zu erzeugen undbedarfsgerecht zu verwerten. Dadurch gehtdas Programm des emotionalen Selbstmana-gements weit über ältere Konzepte der Emo-tionsregulierung hinaus, die zumeist stetsschon vorhandene Gefrihle, die es vermittelsgeeigneter Techniken zu beherrschen galt,unterstellten und sich darin versuchten, Hil-festellung bei der interaktiven Gefühlsinsze-nierung zu geben. Das Paradebeispiel hierfürist der füihe Klassiker der modernen Bera-tungsliteratur, Dale Camegies (2002) How toWin Friends and Influence People von L937,der sich die Aufgabe stellt, Gefühle anderengegenüber so geschickt zu manipulieren,dass diese sich selbst nicht manipuliert füh-len müssen. Selbstkontrolle und Fremdtäu-schung gehen Hand in Hand und vereinigensich in dem Zrel. andere Akteure durchDramaturgien der Zuneigung flir eigeneZwecke zu inslrumental isieren.

Das Programm des emotionalen Selbst-managements hingegen ist an der Vortäu-schung von Emotionen nur mäßig interes-siert, weil es die Emotionen selbst verändern

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will, die in den Rollenskripten der Gefühls-inszenierung als gegebene Faktizitäten vor-ausgesetzt sind. Modernes Selbstmanage-ment strebt nunmehr grundlegend die ,,Op-timierung" des emotionalen Erlebens an, dievom Akteur authentisch selber bewerkstel-ligt werden soll. Gefühle werden dadurchnicht mehr allein zum Objekt subjekliverund sozialer Kontrolle. Im Zentrum stehtvielmehr der emotionale Habitus, der syste-matisch geprägt werden soll, was auch dieexplizite Ermunterung einschließt, emotionalzu sein. Die emotionssozioloeische Entfrem-dungskritik3, die seit jeher an-der erzwunge-nen Diskrepanz zwischen Erleben und Aus-druck Anstoß nahm, steht heute deshalb inder Gefahr, das eigentlich Anstößige im Pro-gmmm des emotionalen Selbstmanagementszu verfehlen. Sie ist letztlich einem Repres-sionsmodell der Emotionen verhaftet, das dieUnterscheidung von ,,realen" und ,,gespiel-ten" Gefühlen schon immer voraussetzenmuss und ,,echte" Gefühle stets als Störungim Ablauf moderner Organisationen begreift.Doch die Unterdrückung oder Veränderung,,realer" Geflihle ist nicht die eir.zige Metho-de gesellscha{tlicher Gefühlsregulation. ImKapitalismus der Gegenwart, der emotiona-les Engagement von seinen Arbeitskräftenerwartet, entsteht auch ein wachsender Be-darf an Emotionalität, den die Akteure vonsich aus zu decken haben. Dem entsorechendie heutigen Selbsttechniken, sich beftihlezu induzieren, wobei ein vorab bereits exis-tenter Bestand authentischer Emotionenkaum mehr unproblematisch in Rechnungeestellt werden kann.'

Umgekehrt wird man das Selbstmanage-ment der Gefühle aber auch nicht als einPhänomen der Informalisierung begreifenkönnen. Mit einer zunehmenden emotionalenFreizügigkeit und der gesellschaftlichenLockerung von Affektkontrolle haben dieneuen Muster der Gefühlsregulierung rechtu'enig gemein. Emotionales Selbstmanage-ment tritt vielmehr als gesellschaftlich stan-dardisierte Forderung auf, die sozial uner-wünschte Gefühle sanktioniert und die vomEinzelnen erwartet, ,,gute Gefühle" in voll-ständiger Aufrichtigkeit zu erleben. Unddass der Versuch, auf sozial organisierteWeise gefühlsmäßig authentisch zu sein,

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nicht olme emotionale Kosten zu haben ist,wird auch die Kritik an der Entfremdungs-diagnose einräumen mtissen. Wenn emotio-nales Selbstmanagement als allgemeineskulturelles Programm fungiert, und das Er-reichen der Ziele, die solche externen Pro-gramme vorgeben, als Beweis emotionalerAutonomie gilt, besteht offenkundig kein,,schwächerer Zwang von anderen her"(Wouters 1999: 62), wie die Informalisie-rungsthese grundsätzlich unsere heutige Zi-vilisationsphase beschreibt. Wie auch dieEliassche Zivilisationstheorie selbst, auf diesich die Informalisierungsthese kritisch be-zieht, ist sie in einem gleichsam pneumati-schen Theoriemodell von Geflihlsregulatio-nen gefangen. Das Verhältnis von Fremd- zuSelbstzrvängen stellt sich daher stets als ei-nes dar, in dem die Zunahme des einen dieAbnahme des anderen bedingt. Die kultu-rellen Konstellationen der Gegenwart schei-nen sich aber von solchen Mechanismen desemotionalen Druckausgleichs zu entfernen.In ihnen entsteht vielmehr der paradoxe Ef-fekt, dass erhöhte Selbststeuerung und ver-stärkte Kontrolle einander entsprechen, waszivilisationsgeschichtlich einen anderenRichfungswechsel markiert als die Informa-lisierungsthese vermutet.

6. Paradoxien der modernenEmotionssteuerung

Die Gegensätze von Konditionierung undAutonomie, von Instrumentalismus undSelbststeuerung, von Entfremdung und In-formalisierung, an denen sich die Emotions-soziologie gegenwärtig entzweit, lösen sichim kulturellen Programm des emotionalenSelbstmanagements somit tendenziell auf.Die Ökonomisierung der Gefühle (et viceversa die Emotionalisierung der Ökonomie)scheint in der Lage zu sein, emotionaleZwänge gerade dadurch subjektiv zu verar-kern, dass sie die Emotionalität der Akeureselbst beeinflusst und in sich integriert. NeueAnläufe in der Theoriebilduhg sollten daherzunächst die empirischen Konsequenzen deraLtuellen Muster von Gefühlsreguliemngstudieren. Denn der Versuch, Akteure zu Ä 4 1

+ - l

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,,reflexiven Mitspielern" (vgl. Neckel 2005:198ff.) emotionaler Selbstprogrammierungzu machen, hinterlässt eigene paradoxe Ef-fekte und neue subjektive Belastungen, dieaus diesen Paradoxien erst resultieren. Einerdieser Effekte ist die Enftäuschung. Durchihre Leibgebundenheit sind Gefühle nierestlos durch mentales Training zu induzie-ren. Auch besitzen sie stets eine unbewussteDimension, die durch kognitive Anstrengungnicht einfach auszuschalten ist. Beim Unter-fangen, dies dennoch willentlich zu vollfüh-ren, treten nicht selten nichtintendierte Ne-benfolgen auf. Am besten bekannt ist dasemotionale Burn-Out-Syrdrom: die Erschöp-fung, die in der emotionalen Arbeit entsteht,lässt das persönliche Gefrihlsleben schließ-lich zeitweilig vö11ig verannen.

Gefühle sind - mit einem Ausdmck vonJon Eister (1987: 141) - ,,Zustände, die we-sentlich Nebenprodukt sind": Werden siebewusst angestrebt, stellen sie sich nicht ein,sofern das Gefühlstraining nicht gar das Ge-genteil dessen erreicht, was es dem Subjektverspricht. Die Emotionspsychologie kennthier den ,,ironischen Prozess", dass beimVersuch der willentlichen Kontrolle uner-wünschter Gefühle diese nur umso häufigerin die persönliche Aufinerksamkeit gelangenund so zu eben den Stimmungen führen, dieman eigentlich vermeiden will (vgl. Leary2003: 782). Auch emotionales Seibstmana-gement hat emotionale Konsequenzen, diedem einzelnen dadurch aufgezeigt werden,dass Emotionen auf das eigene Emotionsma-nagement reagieren, die selbst nicht zu ma-nagen sind. Die Emotionstherapie setzt danngenau jene emotionalen Störungen frei, alsderen Kurierung sie sich versteht.

Auch lässt uns der Druck, positive Ge-fühle haben zu müssen, unsere negativen Ge-fühle als umso größeres persönliches Versa-gen empfinden. Eine Folge davon ist die An-f?illigkeit für Depression, wie in seiner Sfu-die über ,,Das erschöpfte Selbst" der franzö-sische Sozioioge Alain Ehrenberg (2004)aufgezeigl hat. Überanstrengt davon, nunmehrauch für die letzten persönlichen Strebungenselbst veranfwortlich zu sein und am Endefrustriert darüber, am Ideal der totalen Mach-barkeit des glücklichen und erfolgreichen In-dividuums immer wieder zu scheitern. ver-

wandelt sich das notorische Gefühl des per-sönlichen Mangels in seelische Dunkelheit.Depression ist danach die moderne Zeit-krankheit der dauerhaften Empfindung eige-ner Unzulänglichkeit. Sie entsteht in einerGesellschaft, die zwar weniger stane Regelnfür Konformismus kemt, dafür aber Initiati-ve und mentale Fähigkeiten von den Indivi-duen verlangt und ihnen hierbei das Leitbilddes autonomen Selbst auferlegt. In denWorten von Ehrenberg (ebd.: 277f.):,,Wenn,wie Freud dachte,

'der Mensch neurotisch

wird, weil er das Ausmaß des Verzichts, dasdie Gesellschaft fordert, nicht ertragen kann,so rvird er depressiv, weil er die Illusion er-tragen muss, dass ihm alles möglich ist."

Derartige Illusionen über das eigene Ge-fühlsleben sind es schließlich, die den mo-dernen Menschen erst zu jener ,,affektivenNeutralität" hinführen können, von der diesoziologische Theorie einst in einem Trug-schluss annahm, dass sie von Anfang an einWesenszug der rationalisierten Modeme sei.Die ,,Ausschaltung aller rein persönlichenEmpfindungselemente", die Max Weber(1980: 563) als Eigenart der modemen Kul-tur und ,,speziell ihres technisch-ökono-mischen Unterbaues" bezeichnet hatte, wäredann nicht die Folge einer vermeintlichemotionslosen Moderne, sondem entsfündeerst durch die modeme Emotionalisierungder Ökonomie. In ihrem dokumentarischenRoman ,,Wir schlafen nicht", der die seelischen Krisen im Berufsmilieu der IT-Branche literarisch bebildert, lässt die Auto-rin Kathrin Röggla (2004: 205) eine jungeKey-Account-Managerin sagen:,,,Du bistund bleibst so ein Exemplar', habe man im-mer zu ihr gesagt. ,ein Exemplar deinerselbst.' Ja, Selbstausgabe sei sie, was sonstauch. So eine Nummer sei sie, hat man ihrimmer wieder gesagt. Nur sie erinnere sichnicht mehr von was. Von was sei sie dieAusgabe, von was die Nummer?"

Anmerkungen

I Wissenschaftlich wurde das Konzept der

,,emotionalen Intelligenz" 1990 zunächst vonden amerikanischen Psvcholosen Peter Sa-428

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lovey und John D. Mayer entwickelt (vgl. zu-letzt Salovey et al. 2004), die sich mittlerweilevon der populären Version, die Goleman ihmgegeben hat, deutlich abgrenzen (vgl. ebd.:326).

2 Zu den Verfahren der emotionalen Selbstre-gulation im Allgemeinen vgl. Leary 2003:781f., der als einzelne Methoden die Anpas-sung subjekliver Erwarh:ngen, die Auswahlpassender sozialer Vergleiche sowie die Modi-fikation von Aufinerksamkeit unterscheidet.AII diese Methoden finden sich auch im Kon-zept der ,,emotionalen tntelligenz" wieder -

etwa als Technik der,,optimistischen Verleug-nung" (Goleman 199'7'. 103), als Hinweise zur,,Verlagerung der Aufmerksamkeit" (ebd.: 92)oder als Empfehlung für ,,Vergleiche nachunten" (ebd.: 102). Darüber hinaus aber kon-zentnert sich ,,emotionale Intelligenz" vor al-lem auf die Umdeutung negativer Erlebnisse(Re-Framing), was den Anspruch dieses Kon-zepts, neue Gefühlswelten erschaffen zu kön-nen. unterstreicht.

3 Die Entgegensetzung von Emotion und Ent-fremdung scheint - neben jener von Gefühl undVerstand - insgesamt eine der beiden funda-mentalen kulturellen Dichotomien zu sein, durchdie der modeme Diskurs über Emotionen inwestlichen Gesellschaften geprägt ist, wie dieamerikanische Emotionsethnologin CatherineLutz (1988) herausgearbeitet hat. Vgl. au Dis-I'rrssion dieser These Röttger-Rössler 2004: 53ff

4 Demgegenüber Arlie Hochschild in einerjüngeren Definition von Emotionsmanage-ment: ,,An act of emotion management, as I usethis term. is an effort by any means, consciousor not, to change one's feeling or emotion. Wecan try to induce feelings that we don't at firstfeel, or to suppress feelings that we do. Wecan - and continually do - try to shape and re-shape our feelings to fit our inner culturalguideiines" (Hochschild 1998: 9). Die Auffas-sung, Emotionsmanagement beträfe nur dieModifikation,,realer" Gefuhle, teilt im übrigenauch ein emotionstheoretischer Ansatz, der dem,,Konstruktivismus" Hochschilds ganz' entge-gengesetzt ist. Auch in den eidlussreichen Ar-beiten Paul Ekrnans, der von der Amahme aus-geht, dass es angeborene und daher universaleEmotionen gibt, die durch k-ulturelle ,,displayrules" nur ,,nachträg1ich" überformt würden, istausschlielllich von subjelrtiven Darstellungs-mitteln die Rede, die vorg:ingige emotionaleZustände zwar verändem, nicht aber selbst her-vorbringen könnten (vgl. Ekman 1 98 I : 1 79).

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