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Sitzungsmappe erstellt am: 25.10.2020 11:38:47 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode E 17/830 01.07.2019 Neudruck Ausschuss für Schule und Bildung Kirstin Korte MdL Einladung 47. Sitzung (öffentlich) des Ausschusses für Schule und Bildung am Mittwoch, dem 3. Juli 2019, 10.00 Uhr, Raum E 3 A 02 Landtag Nordrhein-Westfalen Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf Gemäß § 53 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Landtags berufe ich den Ausschuss ein und setze folgende Tagesordnung fest: Tagesordnung A. Öffentlicher Teil 1. Weiterentwicklung der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur Landesinstitut für Schule (QUA-LiS NRW) Bericht der Landesregierung 2. Mehr Demokratie wagen - Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4441 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/4798 Ausschussprotokoll 17/561 - Abstimmung gemäß Vereinbarung der Fraktionen -

Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

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Sitzungsmappe erstellt am: 25.10.2020 11:38:47

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode

E 17/830

01.07.2019

Neudruck Ausschuss für Schule und Bildung Kirstin Korte MdL

Einladung 47. Sitzung (öffentlich) des Ausschusses für Schule und Bildung am Mittwoch, dem 3. Juli 2019, 10.00 Uhr, Raum E 3 A 02 Landtag Nordrhein-Westfalen Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf Gemäß § 53 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Landtags berufe ich den Ausschuss ein und setze folgende Tagesordnung fest: Tagesordnung A. Öffentlicher Teil

1. Weiterentwicklung der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut

für Schule (QUA-LiS NRW) Bericht der Landesregierung

2. Mehr Demokratie wagen - Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4441 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/4798

Ausschussprotokoll 17/561

- Abstimmung gemäß Vereinbarung der Fraktionen -

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3. Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4456

Ausschussprotokoll 17/598

- Abstimmung gemäß Vereinbarung der Fraktionen -

4. IT-Sicherheit in NRW stärken – Freiheit sichern Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5056

Ausschussprotokoll 17/641

- Abstimmung gemäß Vereinbarung der Fraktionen -

5. Sexueller Missbrauch

Bericht der Landesregierung Vorlage 17/2088

6. Neuausrichtung der Inklusion Bericht der Landesregierung

Vorlage 17/2147 in Verbindung mit

Neuausrichtung der Inklusion: Aufnahmeverfahren von Schülerinnen und Schü-lern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung zum Schuljahr 2019/2020 an den weiterführenden Schulen Bericht der Landesregierung Vorlage 17/2206

7. Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen Bericht der Landesregierung

Vorlage 17/2201 Vorlage 17/2262

in Verbindung mit

Fachlehrkräfte an Förderschulen Bericht der Landesregierung

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8. Mobile Digitalwerkstatt Bericht der Landesregierung in Verbindung mit

Hat sich die Vergabe des Digitalbusses an den Grundprinzipien von Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit und Ver-hältnismäßigkeit orientiert? Bericht der Landesregierung

9. Sachstand International School Düsseldorf Bericht der Landesregierung

B Nichtöffentlicher Teil

10. Sachstand International School Düsseldorf Bericht der Landesregierung

gez. Kirstin Korte

- Vorsitzende - F. d. R. Markus Müller Ausschussassistent

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP -

Öffentlicher Teil 

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 1 -

Weiterentwicklung der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule(QUA-LiS NRW)

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 2 -

Mehr Demokratie wagen - Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant füreine demokratische Gesellschaft

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode

Drucksache 17/4441

04.12.2018

Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft I. Ausgangslage Studien von Prof. Dr. Hedtke belegen die Unterrepräsentanz der Anteile politischer Themen innerhalb der Fächer Politik bzw. Politik/ Wirtschaft. Sie nehmen lediglich ein Drittel ein: „Im Durchschnitt der Fächer ‚Politik‘ bzw. ‚Politik/Wirtschaft‘ der nordrhein-westfälischen Sekundarstufe I liegt der Anteil politischer Themen etwas über einem Drittel der Unterrichtszeit“1 Wenig ausgeprägte eigenständige Urteilskompetenz kann zu einer höheren Anfälligkeit für rechtsextreme und rassistische Ideologien führen. Dies gilt insbesondere, wenn der verbleibende Politikunterricht sich lediglich technisch mit dem System des demokratischen Rechtsstaats befasst, anstatt Grund- und Menschenrechte als Ausgangspunkt für Demokratie intensiv zu diskutieren. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderung des Rechtspopulismus bedarf es einer Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Haltungen in der Gesellschaft. Schule hat die zentrale Aufgabe und Verantwortung, Schülerinnen und Schüler die Teilhabe an einer sozialen und demokratischen Gesellschaft zu ermöglichen, indem sie die Heranwachsenden in ihrer Mündigkeit fordert und fördert. Die

1 Hedtke, Reinhold; Gökbudak, Mahir: 17 Minuten Politik, 20 Minuten Redezeit. Daten zum Politikunterricht in der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, in: Hedtke, Reinhold; Zurstrassen, Bettina (Hg.): Didaktik der Sozialwissenschaften. Social Science Education. Working Papers No.6, Bielefeld 2018², S. 8

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4441

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Stärkung der eigenen Urteilsfähigkeit, die in den Gesellschaftswissenschaften ausgeprägt wird, muss vor diesem Hintergrund bewahrt und gestärkt werden. Jedwede Implementierung anderer Fächer, wie das Fach Wirtschaft, darf sich nicht nachteilig auf die bestehenden Gesellschaftswissenschaften in Bezug auf die Lernzeit und die bestehenden Inhalte auswirken. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt im Fach Politik/ Wirtschaft mehr wirtschaftliche Themen im Lehrplan abgebildet sind als politische Themen.2 Es ist in der aktuellen Unterrichtspraxis jetzt schon zu monieren, dass in den Gesellschaftswissenschaften die Praxis herrscht, fachfremden Unterricht durchführen zu lassen. Insbesondere das Fach Sozialwissenschaften ist davon im hohen Maß betroffen. Hier ist zu konstatieren, dass das Fach Politik fast vier Mal häufiger von fachfremden Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet wird als andere Schulfächer in NRW. Professor Hedtke resümiert: „Die mangelnde Anerkennung der Fächer ‚Politik‘ und ‚Politik/Wirtschaft‘ kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie in einem hohen Ausmaß fachfremd unterrichtet werden, d. h. von Lehrkräften, die nicht dafür ausgebildet wurden. Es gibt in der Sekundarstufe I in NRW kein anderes Schulfach, das auch nur annähernd so häufig fachfremd erteilt wird. Im Schuljahr 2016/17 war an Realschulen 62,7 %, an Gesamtschulen 64,7 % und an Gymnasien 27,2 % des Unterrichts in diesen beiden Fächern fachfremd.“3 Die verschiedenen Schulformen praktizieren einen unterschiedlichen Umgang in der Umsetzung der Fachlichkeit in den Gesellschaftswissenschaften in Bezug auf die Demokratiebildung. Das Lehren und Lernen bezüglich der Demokratiefähigkeit in den Gesellschaftswissenschaften variiert folglich in Nordrhein-Westfalen in der Umsetzung in Abhängigkeit der Schulform. Dass der Besuch der Schulform über den Grad der Demokratiebildung entscheidet und unsere Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Kompetenzstufen in Bezug auf die eigene Urteilsfähigkeit ausstattet, ist inakzeptabel. II. Der Landtag stellt fest: In Anbetracht einer sachlichen Betrachtung des derzeitigen politischen Klimas und eingedenk der neuen großen Herausforderungen, wie der Globalisierung und der Digitalisierung, muss der Demokratieförderung in unserem Lande ein besonders hoher Stellenwert in der Schulbildung zukommen. Alle Herausforderungen können nur in gemeinsamen demokratischen Prozessen zielführend gemeistert werden. Demokratie ist ein hohes Gut und die Schule ist in der Pflicht, den Grundstein für Demokratiefähigkeit bei den Schülerinnen und Schüler zu legen und auszubauen, damit sie als mündige Bürger in dieser Gesellschaft partizipieren können. Schule als zentrale sozialisierende Instanz ist der Ort für die Demokratie von morgen, daher muss sie Ort der gelebten Demokratie sein. Hierfür muss der Lernort Schule die zeitliche Ressource für den Unterricht mit den entsprechenden Fachlehrerinnen und Fachlehrern zur Verfügung stellen.

2 Hedtke, Reinhold; Gökbudak, Mahir: 17 Minuten Politik, 20 Minuten Redezeit. Daten zum Politikunterricht in der

Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, in: Hedtke, Reinhold; Zurstrassen, Betina (Hg.): Didaktik der Sozialwissenschaften. Social Science Education. Working Papers No.6, Bielefeld 2018², ABB. 5 3 Hedtke, Reinhold; Gökbudak, Mahir: 17 Minuten Politik, 20 Minuten Redezeit. Daten zum Politikunterricht in der

Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, in: Hedtke, Reinhold; Zurstrassen, Betina (Hg.): Didaktik der Sozialwissenschaften. Social Science Education. Working Papers No.6, Bielefeld 2018², S. 13

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4441

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Der Konnex Bildungserfolg und Elternhaus wird in der Studie der Bertelsmanns-Stiftung hinreichend beleuchtet, ein besonderes Augenmerk gilt an dieser Stelle aber dem Konnex Demokratiekompetenz und Elternhaus: Demokratische und politische Kompetenzen sind ebenfalls stark vom Elternhaus abhängig. Minderjährige Jugendliche mit Migrationshintergrund zeigten in der „International Civic an Citizenship Education Study 2016“ eine geringere Bereitschaft an Wahlen teilzunehmen, was u.a. auf ein mögliches Fehlen der deutschen Staatsbürgerschaft und damit auch des perspektivischen Wahlrechts oder auf Sozialisationserfahrungen zurückgeführt wird. In allen anderen Formen der politischen Partizipation waren keine signifikanten Unterscheide zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund erkennbar. Diese Studien zeigen, dass Schule in der Verantwortung steht, Schülerinnen und Schüler stärker zur politischen Teilhabe zu motivieren, und dabei auch die unterschiedlichen Sozialisationsfaktoren zu berücksichtigen sind.4

Diese Studien demonstrieren, dass Schule in der Verantwortung ist die Demokratiekompetenz zu stärken.

Dies belegen auch bisherige parlamentarische Auseinandersetzung um die Frage der Stärkung der politischen Bildung und Demokratieförderung5. Die derzeit regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP haben in ihrer Argumentation stets betont, dass bei der Demokratieförderung, Bereiche der schulischen und außerschulischen politischen Bildung zu stärken sein (APr 17/215). Auf der Grundsatztagung zur Politischen Bildung in Schulen im Oktober 2018 wurde eine „Hofgeismarer Erklärung“ verabschiedet, die zentrale Forderungen an bildungspolitische Akteure richtet. Sie fordert eine durchgängige Stärkung der Demokratiebildung in allen Schulstufen und weist auch darauf hin, dass sie mehr ist als ein Unterrichtsfach. Sie ist auch Aufgabe demokratischer Schulkultur und –entwicklung mit ihren Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten. Die von Ministerin Gebauer vorgestellte Einrichtung eines Fachs Wirtschaft und damit verbundene Änderungen in den Stundentafeln gehen dagegen in die entgegengesetzte Richtung. Die unbestritten notwendige ökonomische Grundbildung, die heute auch im Zusammenhang mit politischen, sozialen und ökologischen Aspekten erfolgt, wird herausgelöst und in allen Lernbereichen bevorzugt. Politik wird der Wirtschaft nachgeordnet. Notwendig ist aber die Stärkung der Politischen Bildung im Sinne der Demokratiebildung. III. Der Landtag fordert: - für den Fächerkanon der Gesellschaftswissenschaften:

o die Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer gleichermaßen über alle Schulformen hinweg, um allen Schülerinnen und Schülern die gleiche Ausgangsbasis für die gesellschaftliche Teilhabe in einer Demokratie zu ermöglichen,

4 Abs, Hermann Josef; Hahn-Laudenberg, Katrin (Hg.), Das politische Mindset von 14Jährigen. Ergebnisse der

International Civic and Citizenship Education Study 2016. Münster, New York 2017, S. 228 (Volltext abrufbar unter: https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=3737Volltext.pdf&typ=zusatztext) 5 Anträge der SPD-Fraktion „Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz“, Drs. 17/508,und „Demokratie leben,

Demokratie schützen, für Demokratie werben – Politische Bildung muss alle mitnehmen!“ , Drs. 17/815 sowie Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen „Ideenwerkstatt Demokratie – Die Sicherung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat ist eine Querschnittsaufgabe der parlamentarischen Arbeit“, Drs. 17/66

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4441

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o eine Stärkung der Demokratiebildung in den Sozialwissenschaften, indem der Anteil politischer Themen im Fach Sozialwissenschaften auf 50 % angehoben wird (vgl. Hedtke Studie, z. Z. nur 36,9 %),

o die Durchführung des Fachunterrichts in den Gesellschaftswissenschaften durch grundständig ausgebildete Fachlehrerinnen und Fachlehrer sowie die Überprüfung dieser Maßnahme durch die Bezirksregierungen.

- für die Ausbildung demokratischer Kompetenzen einen klaren Lebensweltbezug in der Schule sowie eine Verankerung politischer Themen über alle Fächer hinweg:

o mehr politische Partizipationsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler, o verbindliche Nutzung außerschulischer Lernorte, wie Besuche der Parlamente,

Rathäuser, Gedenkstätten oder andere Orte der Erinnerungskultur, o mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung und des Mitentscheidens in schulischen

Gremien, o Implementation eines „Tags der politischen Bildung“, o mehr schulische Unterstützung für Schülerinnen und Schüler, die ein politisches

Engagement an ihrer Schule oder in ihrer Freizeit ausüben. - für den Bereich der Lehreraus- und Fortbildung:

o ein flächendeckendes Angebot an fachspezifischen Fortbildungen für den Bereich der Gesellschaftswissenschaften mit dem Fokus auf die Ausbildung der Demokratiekompetenz,

o Konzeption von inhaltlich-fachlichen Unterrichtsmaterialien und Bereitstellung eines Materialpools von QUALiS zur Unterstützung der Lehrkräfte.

- die Landesregierung auf, die Pläne zur Einführung eines Fach Wirtschaft und die

vorgestellten Änderungen in den Stundentafeln zur Priorisierung von Wirtschaft nicht weiter zu verfolgen.

Thomas Kutschaty Monika Düker Sarah Philipp Arndt Klocke Eva-Maria Voigt-Küppers Verena Schäffer Jochen Ott Sigrid Beer Elisabeth Müller-Witt und Fraktion und Fraktion

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode

Drucksache 17/4798

15.01.2019

Datum des Originals: 15.01.2019/Ausgegeben: 15.01.2019

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4441 – „Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft“ Politische Bildung als Querschnittsaufgabe – Bewährtes erhalten und Neues denken I. Ausgangslage Politische Bildung beginnt schon in der Familie – im praktischen Erlernen und Erleben menschlichen Zusammenlebens. Menschenwürde, Menschenrechte, Respekt, Toleranz und gemeinschaftliche Regeln haben hier letztlich ihren Ursprung. Das Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW), beschreibt darüber hinaus den „Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule“ in § 2 Absatz 4 wie folgt: „[Die Schule] fördert die Entfaltung der Person, die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Schülerinnen und Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten.“ Absatz 8 führt fort: „Die Schule ermöglicht und respektiert im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschiedliche Auffassungen.“ Die Kultusministerkonferenz formuliert den Anspruch, die Schule müsse „ein Ort sein, an dem demokratische und menschenrechtliche Werte und Normen gelebt, vorgelebt und gelernt werden.“1 Das Erlernen und Erfahren von Demokratie in der Schule stellt eine zentrale Querschnittsaufgabe dar. Alle Lehr- und weiteren unterstützenden Fachkräfte sind in ihrem

1 Kultusministerkonferenz: Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009 i. d. F. vom 11.10.2018, S. 3.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4798

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Handeln unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie verpflichtet. Damit ist Politische Bildung als Unterrichtsprinzip für alle Fächer relevant. Diese erfolgt im Rahmen der schulpraktischen Anwendung des „Beutelsbacher Konsenses“. Neben dem Überwältigungsverbot und der Subjektorientierung enthält er auch das Kontroversitätsgebot. Zur schulischen wie außerschulischen Politischen Bildung gehört die Vermittlung der Fähigkeit, andere Positionen nachzuvollziehen, zu verstehen und zu reflektieren. Respekt vor Freiheit und Meinung der Anderen bedeutet jedoch nicht Beliebigkeit und Neutralität. Politischer Extremismus von links oder rechts und Radikalismus jeglicher Couleur sind mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Beutelsbacher Konsens nicht vereinbar. Diesen Grundsätzen ist die NRW-Koalition aus tiefster Überzeugung verpflichtet. Der Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft“ (Drucksache 17/4441) versucht letztlich zu suggerieren, dass die NRW-Koalition mit der Stärkung der Ökonomischen Bildung eine Schwächung der Politischen Bildung in der Schule in Kauf nimmt – dies ist unzutreffend. Vielmehr stellt der Antrag der eigenen rot-grünen Regierungszeit zwischen 2010 und 20172 ein schlechtes Zeugnis aus. So dokumentiert er aus Sicht der antragstellenden Fraktionen den nachrangigen und defizitären Status „politischer Themen“ in der Sekundarstufe I der nordrhein-westfälischen Schulformen Gymnasium, Gesamtschule und Realschule. Die dargestellten Befunde beruhen im Kern auf Analysen von Stundentafeln und Kernlehrplänen. Die Autoren der dem Antrag zugrundeliegenden Studie haben jedoch keine Kenntnis darüber, wie die Rahmenvorgaben der Kernlehrpläne an den Schulen umgesetzt werden: „Daten über die beiden Ebenen Schule und Unterricht liegen nach unserem Wissensstand nicht vor.“3 Trotzdem wird eine Gültigkeit der Erkenntnisse für alle Schulen der Schulformen Gymnasium, Gesamtschule und Realschule (und darüber hinaus) behauptet. So haben Gökbudak und Hedtke unter anderem Haupt- und Sekundarschulen, Bildungsgänge in der Sekundarstufe II und an Berufskollegs nicht untersucht und auf die Einbeziehung des Wahlpflichtbereiches an den untersuchten Schulformen verzichtet. Das zeigt: Die allgemeinen Forderungen des Antrags nach einer „Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer gleichermaßen über alle Schulformen hinweg“ und der „Stärkung der Demokratiebildung in den Sozialwissenschaften, indem der Anteil politischer Themen im Fach Sozialwissenschaften auf 50 % angehoben wird“, entbehrt einer fundierten Datengrundlage. Zudem ist die Herleitung dieser Forderung des Antrags aus der Studie von Gökbudak und Hedtke nicht nachvollziehbar und es werden Begriffe falsch benutzt: Weder existiert der Begriff „Sozialwissenschaften“ in den Kernlehrplänen der Sekundarstufe I als „Überkategorie“ noch werden alle Schulformen von der Studie untersucht. Die im Antrag beschriebene „Demokratiebildung“ ist eine Verengung der in den Kernlehrplänen vorgesehenen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer und wird so nicht in der Studie erfasst. Zudem verzichten die Autoren der Studie darauf, die vorgenommene Klassifizierung als Grundlage der Berechnungen sowie einen aufgeschlüsselten Datenanhang offenzulegen.

2 Als Stichtag für die den aufgestellten Thesen zugrundeliegenden Untersuchungen wird der 30. Juli 2017 genannt; vgl. Mahir Gökbudak und Reinhold Hedtke 2017: 17 Minuten Politik, 20 Sekunden Redezeit. Daten zum Politikunterricht in der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen, Didaktik der Sozialwissenschaften,Working Paper No. 6, Universität Bielefeld, S. 3. 3 Ebd., S. 5.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4798

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Gökbudak und Hedtke schreiben in Bewertung des in der rot-grünen Regierungszeit unverändert gebliebenen Kernlehrplans für das Fach Politik/Wirtschaft an Gymnasien (Sekundarstufe I) nüchtern: „Mit Blick auf die tatsächliche thematische Gewichtung in den curricularen Vorgaben müsste das Fach ‚Politik/Wirtschaft‘ in ‚Wirtschaft/Politik‘ umbenannt werden – jedenfalls dann, wenn Schulfachnamen sachgerecht informieren sollen.“4 Als besonders „wirtschaftsaffin“ identifiziert die Studie das Fach Politik/Wirtschaft an der Gesamtschule. Dessen Kernlehrplan wurde 2011 von der damaligen Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann, in Kraft gesetzt. Wenn SPD und Grüne nun eine vermeintliche nachgeordnete Behandlung von „Politik“ monieren und eine Stärkung der „Politischen Bildung im Sinne der Demokratiebildung“ fordern, ist dies eine in der Opposition erlangte Erkenntnis, da in der Zeit der Regierungsverantwortung keine Handlungsnotwendigkeit gesehen wurde. Gökbudak und Hedtke attestieren den Fächern „Politik“ und „Politik/Wirtschaft“ im letzten Jahr der rot-grünen Regierungszeit „eine einzigartige Position“ – im negativen Sinne – innerhalb des Fächerkanons: „Im Schuljahr 2016/17 war an Realschulen 62,7 %, an Gesamtschulen 64,7 % und an Gymnasien 27,2 % des Unterrichts in diesen beiden Fächern fachfremd.“5 In keinem anderen Fach werde ein so hoher Anteil an fachfremd erteiltem Unterricht gemessen. Die nun im Antrag geforderte „Durchführung des Fachunterrichts in den Gesellschaftswissenschaften durch grundständig ausgebildete Fachlehrerinnen und Fachlehrer sowie die Überprüfung dieser Maßnahme durch die Bezirksregierungen“ fand zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Auch sind bezüglich der Lehrerversorgung unter der rot-grünen Vorgängerregierung schwere Versäumnisse erfolgt, welche die Schulen auf Jahre hinaus belasten werden. Die NRW-Koalition hingegen legt großen Wert auf die Fachlichkeit der Lehrkräfte in allen Fächern. Daher werden große Anstrengungen unternommen, um trotz der angespannten Lage der Personalversorgung eine Unterstützung der Schulen durch Fachkräfte sicherzustellen. Für die NRW-Koalition steht außer Frage, dass die Stärkung ökonomischer Bildung nicht zulasten anderer Inhalte und Fächer im gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich geht. Daher begrüßen wir die Planungen des Schulministeriums zu fünf zusätzlichen Wochenstunden in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern an den Gymnasien im Vergleich zu G8, die Erhöhung um eine Stunde im Vergleich zum “alten G9“ sowie zur Erhöhung des Stundenumfangs der jeweiligen Fächergruppen in den weiteren Schulformen der Sekundarstufe I. Im Rahmen der Kernlehrpläne und anderer schulrechtlicher Rahmensetzungen werden die von der KMK gefassten Beschlüsse miteinbezogen und umgesetzt. Die im Antrag behauptete nachrangige Behandlung von „Politik“ gegenüber „Wirtschaft“ im Zuge der von der NRW-Koalition begonnenen Stärkung der Ökonomischen Bildung im Rahmen eines „Faches Wirtschaft“ wird nicht schlüssig belegt und ist unzutreffend. Vielmehr werden die Kernlehrpläne in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern verantwortungsvoll weiterentwickelt und dabei auch die Stellung der politischen Bildung gefestigt. II. Beschlussfassung

4 Ebd., S. 12. 5 Ebd., S. 2.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4798

4

Der Landtag stellt fest:

Zentrale Aufgabe von Schule ist es, junge Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben in unserer Gesellschaft vorzubereiten und sie darin zu befähigen, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse verantwortungsvoll mitzugestalten. Dazu tragen alle Fächer, insbesondere auch die Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereichs bei. Eine erweiterte Schwerpunktsetzung für und daraus folgend innerhalb dieser Fächergruppe ändert diese Zielsetzung und Verpflichtung nicht.

Schule ist kein wertneutraler Ort. Das pädagogische Handeln in Schulen erfolgt auf der Grundlage bzw. im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und wird wie jüngst von der KMK bestätigt, „von demokratischen Werten und Haltungen getragen, die sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und aus den Menschenrechten ableiten lassen. […] Ziel der Schule ist es daher, das erforderliche Wissen zu vermitteln, Werthaltungen und Teilhabe zu fördern sowie zur Übernahme von Verantwortung und Engagement in Staat und Gesellschaft zu ermutigen und zu befähigen.“ (KMK 2018, S. 5)

Der Rückbezug zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Vermittlung demokratischer Werte ist zentraler, bleibender Auftrag und seit Jahrzehnten gelebte Praxis in Schul- und Unterrichtsentwicklung und Aufgabe aller Fächer. Sie findet sich darüber hinaus im Schulalltag und ebenso als Aufgabe in außerschulischen Angeboten wieder. Besuche von politischen Institutionen und die Teilnahme an Angeboten der außerschulischen politischen Bildung sind daher – im Rahmen der pädagogischen Freiheit von Schulen – ausdrücklich erwünscht.

Fachspezifische Fortbildungen sowie Lern- und Unterrichtsmaterialien werden im Bereich der Gesellschaftswissenschaften kontinuierlich weiterentwickelt und Veränderungen in den Kernlehrplänen hierbei berücksichtigt.

Die Kritik, dass mit der Etablierung eines „Faches Wirtschaft“ Politik der Wirtschaft untergeordnet würde, läuft ins Leere. Die von den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN suggerierte vermeintlich intendierte Beschränkung von Inhalten der Politischen Bildung ist weder beabsichtigt noch findet sie statt.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

die Kernlehrpläne in den Gesellschaftswissenschaften mit Blick auf den gesamten Fächerkanon verantwortungsvoll weiterzuentwickeln;

die Einführung des Faches „Wirtschaft“ entlang der vorgestellten Kriterien umzusetzen;

die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften insbesondere für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer mit Blick auf eine Stärkung der Fachlichkeit, aber auch bezogen auf die zentrale Aufgabe der Demokratiebildung, weiterzuentwickeln und dabei alle relevanten Akteure miteinzubeziehen,

in der Politischen Bildung Schulen zu ermutigen, verstärkt mit anerkannten außerschulischen Trägern in Ergänzung schulischer Angebote zu kooperieren und den Besuch politischer Institutionen und deren Bildungsangebote zu empfehlen.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4798

5

Bodo Löttgen Matthias Kerkhoff Petra Vogt Frank Rock Martin Sträßer

Christof Rasche Henning Höne Franziska Müller-Rech

und Fraktion

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Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 17/561 17. Wahlperiode 13.03.2019

N e u d r u c k

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) und Hauptausschuss (26.)

Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

13. März 2019

Düsseldorf – Haus des Landtags

13:30 Uhr bis 16:25 Uhr

Vorsitz: Kirstin Korte (CDU) (ASB)

Protokoll: Sitzungsdokumentarischer Dienst

Verhandlungspunkt:

Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 17/4441

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/4798

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

* * *

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Vorsitzende Kirstin Korte: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein herzliches Willkommen zu unserer heutigen Anhörung! Ich darf Sie auch im Namen meines Kol-legen, des Vorsitzenden des Hauptausschusses, Herrn Dr. Optendrenk, aufs Herz-lichste begrüßen. Das gilt ebenfalls sowohl für die Kolleginnen und Kollegen aus den beiden beratenden Ausschüssen, dem Hauptausschuss und dem Ausschuss für Schule und Bildung. Ganz besonders aber gilt es unseren heutigen Gästen und den Sachverständigen. Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, kennen wir. Wir sagen Danke, dass Sie uns Ihre Expertise wieder zur Verfügung stellen. Heute wollen wir in einen konstruktiven Austausch miteinander kommen. Natürlich begrüße ich auch die Gäste, die uns heute bei der Anhörung begleiten. Wenn Pressevertreter anwesend sein sollten, gilt auch Ihnen mein herzlicher Gruß.

Ich darf auf ein paar formale Dinge hinweisen: Bild- und Tonaufnahmen sind während dieser Sitzung nicht gestattet. Auch darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir uns in der Obleute-Runde – das ist auch Ihnen als Sachverständige entsprechend zugegangen – darauf verständigt haben, dass wir keine Eingangsstatements erwarten. Sie haben uns vieles schriftlich zukommen lassen. Das dürfen Sie als bei den Abgeordneten bekannt voraussetzen. Aus der im Schulbereich gemachten Erfahrung haben wir uns ebenfalls darauf verständigt, dass wir – anders als bisher praktiziert – zunächst nicht Fragen der Abgeordneten sammeln. Vielmehr wird direkt eine Frage an idealerweise einen Sach-verständigen oder aber auch an mehrere Sachverständige gestellt. Wir werden dann direkt eine Antwort von Ihnen bekommen. Danach wird eine Vertreterin bzw. ein Ver-treter der nächsten Fraktion eine Frage stellen. Wir haben uns darauf verständigt, dass bei dieser Anhörung die antragstellende Fraktion, die SPD, startet. Im weiteren Verlauf werden die Fraktionen – gestaffelt nach ihrer Größe – mit ihren Fragen in die darauf-folgenden Runden eintreten. Ist das soweit klargeworden? – Wunderbar.

Ich darf Sie weiterhin darüber informieren, dass wir, wenn alle Fraktionen einmal ge-fragt haben, die Reihenfolge im Antwort-Modus verändern werden, so dass die Ersten dann auch einmal die Letzten sind, was die Antworten anbelangt. Wir versuchen von daher, ein wenig mehr Leben in die Diskussion hineinzubringen. Das würden Sie mit unterstützen, wenn Sie sich – ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen – präzise auf die Ihnen gestellten Fragen beziehen. – Wir können nun in die Diskussion des ersten und einzigen Tagespunktes einsteigen, wenn Sie keine Fragen mehr haben.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 4 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der

Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 17/4441

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/4798

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

Jochen Ott (SPD): Ich möchte mir das Recht herausnehmen, Herrn Silbernagel be-sonders zu begrüßen, weil er heute an seiner letzten Anhörung hier teilnimmt. Da ich mich schon als Referendar mit ihm gestritten habe, freue ich mich darüber, dass er heute hier ist.

Ich möchte jetzt meine einleitende Frage stellen, die zunächst an Herrn Professor Hedtke geht. Ich stelle sie aber auch Herrn Professor Loerwald. Herr Professor Hedtke, Sie haben im letzten und in diesem Jahr zwei Studien zum Politik- und Wirt-schaftsunterricht an den Schulen in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Sind Sie der Auffassung, dass ökonomische Bildung an den Schulen Nordrhein-Westfalens zu kurz kommt?

Prof. Dr. Hedtke (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld): Wenn man die Verordnungen – also das, was der Gesetzgeber vorgegeben hat – zugrunde legt, kann niemand guten Gewissens sagen, dass ökonomische Bildung an den Schulen zu kurz kommt. Der bildungspolitische Wille, der sich in Lehrplänen, Verordnungen und Erlas-sen ordnet, war die Grundlage unserer Studien. Ich glaube, dass, egal ob man jetzt über eine Stelle hinter dem Komma streiten kann oder nicht, die Linie eigentlich sehr klar ist. Es gibt von der bildungspolitischen Entscheidung her sehr viel ökonomische Bildung an den Schulen, eindeutig mehr als politische Bildung.

Eine andere Frage ist, was empirisch in den Schulen passiert. Darüber wissen wir wenig. Wir haben aber angefangen, Studien hinsichtlich dessen zu erstellen, was Schulen auf ihren Homepages und Homewebs vortragen. Die Aktivitäten, welche von den Schulen positiv hervorgehoben werden, sind ganz überwiegend solche im Bereich der ökonomischen Bildung, der Ausbildungsplatzorientierung sowie der Kooperation mit Unternehmen, Kammern usw. Nach dem, was uns aus wissenschaftlicher Sicht vorliegt, gibt es, empirisch gesehen, keinen Grund anzunehmen, dass ökonomische Bildung sehr förderungswürdig ist. Im Gegenteil, sie findet in stärkerem Maße als po-litische Bildung statt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Wenn man in die Vergangenheit schaut, muss man sa-gen, dass die ökonomische Bildung in Nordrhein-Westfalen in den 70er-Jahren gut verankert war. Da gab es zumindest an den Sek-I-Schulen das Fach Wirtschaftslehre. Es wurden 14 Professuren für Wirtschaftswissenschaften und ihre Didaktik mit ent-sprechenden Mitarbeiterstäben eingerichtet. Kurz danach wurde diesen Professoren gesagt, dass das Fach Wirtschaftslehre abgeschafft werde; künftig werde es das Fach Sozialwissenschaften geben. Im Laufe der Zeit sind von diesen 14 Professuren mit Mitarbeitern nur noch vier Standorte übriggeblieben. Insofern sieht man, dass es seit den 70er-Jahren eine starke Abschmelzung gegeben hat.

Ich glaube, dass es um das grundsätzliche Problem geht. Die Frage ist, ob man im 21. Jahrhundert die komplexen Bildungsanliegen, welche es auf den Gebieten der politi-schen und ökonomischen Bildung gibt, in ein Fach packen kann. Die Ökonomie ist sozusagen als Neuerung spät in das allgemeinbildende Schulsystem hineingekom-men. Das hat in den 60er-Jahren in Deutschland überhaupt erst angefangen. Für ein Schulfach oder ein Bildungsanliegen ist das keine besonders lange Zeit. In Österreich heißt das Fach „Wirtschaftslehre und Geografie“. Dort ist man völlig der Überzeugung, dass Wirtschaft nur im Zusammenhang mit Erdkunde unterrichtet werden kann.

Im Endeffekt stellen die Integrationsfächer aus meiner Sicht so etwas wie Kompro-missformeln dar, weil Stundentafeln begrenzt sind und man Schülern nicht so viel zu-muten kann. Das bedeutet aber auch, dass man bei einem Fach wie Sozialwissen-schaften die Anteile in Bezug auf die Lehrerausbildung durch drei teilen muss. Die Schulzeit, die mit Kindern verbracht wird, muss ebenfalls durch drei geteilt werden. Das ist für ökonomische Bildung deutlich zu wenig. Ich sage aber gleich dazu, dass das ebenfalls für politische Bildung gilt. Deswegen bin ich der Meinung, NRW würde gut daran tun, für diese beiden Bildungsanliegen einen entsprechenden Rahmen – wie das auch für andere Nebenfächer in Schulen der Fall ist – zu schaffen.

Martin Sträßer (CDU): Gegenstand unserer Anhörung sind zwei Anträge. Es gab ur-sprünglich den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Dann kam unser Ent-schließungsantrag. Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bezieht sich ins-besondere auf Ihre Studien, Herr Professor Hedtke. Da wurde die Grundlage gebildet. In Ihren Ausführungen legen Sie großen Wert auf Wissenschaftlichkeit und Faktenba-siertheit Ihrer Interpretationen. Dabei hat uns schon ein wenig irritiert, dass Sie in ei-nem Debattenbeitrag in der Zeitschrift „Politikum“ festgestellt haben, dass diejenigen, die das Fach Wirtschaft fordern und fördern, nach dem Prinzip – ich zitiere – „täuschen, tarnen und tricksen“ handeln. Sie führen dann sogar – Zitat – aus:

Das wird nur diskutiert, weil monetär, medial und politisch mächtige Lobby-netzwerke diese Forderungen seit vielen Jahren über viele Kanäle kommu-nizieren und weil ein relevanter Teil der Medien dies auch aus wirtschaftli-chen Interessen unterstützt.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Das konterkariert ein bisschen die Feststellung, es handele sich um Wissenschaftlich-keit und Faktenbasiertheit. Sie haben in den Studien – das haben Sie gerade teilweise angedeutet – gar nicht die Praxis selbst oder eigentlich nur die Lehrplan-Curricula-Entwicklung betrachtet. Meine Frage richte ich aber mehr an die Praktiker. Dabei geht es mir nicht um den Blick zurück; denn das, was Sie untersucht haben, betraf nicht die jetzige bzw. die geplante Situation, sondern die Situation unter rot-grüner Regierung. Insofern ist der Antrag in der Tendenz schon ein wenig widersprüchlich. Mir geht es mehr um die Zukunft.

Meine Fragen gehen insbesondere an Herrn Silbernagel und Frau Balbach. Dabei richte ich meinen Blick auf die neuen Kernlehrpläne, in denen schon die stärkere In-tegration in Bezug auf Wirtschaft und Politik formuliert wurde. Ich stelle relativ einfache Fragen: Stellen Sie im Zusammenhang mit den Kernlehrplänen eine Degradierung der Politik gegenüber der Wirtschaft fest? Oder ist nicht im Sinne eines in allen anderen Bereichen immer geforderten fächerübergreifenden oder themenübergreifenden Ler-nens eigentlich eine sehr gute Integration genau dieser verschiedenen Gebiete gelun-gen? Diese Fragen gehen speziell an Frau Balbach und Herrn Silbernagel. Wer jedoch die neuen Kernlehrpläne schon kennt und diesbezüglich betrachtet hat, möge sich gerne aufgefordert fühlen, ebenfalls zu antworten.

Peter Silbernagel (Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen): Herr Sträßer, wenn man sich den Entwurf des neuen Kernlehrplans für G9 bezüglich Wirtschaft und Politik anschaut, stellt man große Übereinstimmungen im inhaltlichen Bereich mit dem bishe-rigen Fach Politik-Wirtschaft fest. Rein quantitativ betrachtet, gibt es eigentlich nur ein Inhaltsfeld, das jetzt neu hinzugekommen ist. Darüber kann man streiten. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, ob die Rolle der Gewerkschaften in der sozialen Marktwirtschaft in der Sekundarstufe I thematisiert werden sollte oder nicht. Es ist aber nicht umstritten, dass eine ganze Reihe von Themen neu sind bzw. wieder aufgegriffen werden bzw. dass sie gegebenenfalls neu akzentuiert oder zusammengefasst und ge-bündelt sowie, was die Darstellung anbelangt, in positivem Sinne neu akzentuiert wer-den.

Ich spreche jetzt über das Gymnasium, weil die anderen Lehrpläne noch gar nicht vorliegen. Sie sind erst angekündigt. Von daher stellen sich die Unterschiede nicht so dramatisch dar, wie es gemeinhin in der Presse bzw. in der Öffentlichkeit formuliert wird. Hinzu kommt, dass es viel Sympathie dafür gibt, dass nach wie vor die Kopplung zwischen politischer Ausrichtung – ich würde das, in Klammern gesetzt, als Demokra-tieerziehung und Demokratiekompetenzbetonung bezeichnen – und gleichermaßen wirtschaftspolitischer Ausrichtung bei einem solchen Kombifach erhalten bleibt. Aus unserer Sicht ist die Balance zwischen diesen beiden Schwerpunkten gelungen. Es kann nicht davon gesprochen werden, dass die wirtschaftspolitischen Anteile jetzt ein Übergewicht bekommen. Ich kann aber auch nicht behaupten, dass das – anders als es Professor Hedtke gerade betont hat – in der Vergangenheit der Fall war.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Brigitte Balbach (lehrernrw, Düsseldorf): Ich möchte von einem etwas anderen An-satz ausgehen und mich nicht schon jetzt in Themen wie Kernlehrpläne usw. verlieren. Erst einmal möchte ich vom Grundsätzlichen ausgehen. Die heutige Diskussion hatte bereits unter Ministerpräsident Rüttgers begonnen. Sie war für uns verloren, als eine rot-grüne Landesregierung kam.

Wir hatten an unseren Schulen bereits – das war ein Modellversuch – das Fach Wirt-schaft. Dabei handelte es sich um ein Alleinstellungsmerkmal auch in Bezug auf un-sere Schulform. Das sollte, wenn der Modellversuch weitergeführt worden wäre, even-tuell im Hinblick auf andere Schulformen überprüft werden. Wir haben das – mit Blick auf den mündigen Bürger, zu dem wir unsere Kinder irgendwann einmal entwickeln möchten; auch wollten wir an diesem Prozess teilhaben – sehr begrüßt. Diesen Ansatz haben wir für richtig befunden, weil wir folgender Ansicht sind: Erst sollten Schüler mit Geld umgehen sowie marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen und auch Fallstricke erkennen können. Auch sollten sie in der Lage sein, Vorsorge im Hinblick auf ihre Fi-nanzen zu treffen. Sie sollten also hinsichtlich des im Moment bestehenden Gewirrs den Durchblick haben. Ich denke, dass das – mit Blick auf die Digitalisierung – durch-aus für jüngere Schüler gilt. Sie sollten wissen, was ein Handy kostet und was sie für das Herunterlanden bestimmter Apps bezahlen müssen. Ich halte das für sehr wichtig.

Wir haben es damals geschafft, das der damaligen schwarz-gelben Landesregierung zu entlocken. Das geschah übrigens zunächst einmal ohne das Haus, welches dage-gen war. Diese Entscheidung ist, was mich angeht, damals im Hauptpersonalrat ge-fallen. Die Ministerin ist aufgestanden und hat gesagt: Wir machen das, das wird jetzt probiert. Unter Rot-Grün ist das wieder beseitigt worden. Ich sage das so, wie ich dar-über denke. Einigen mag es wehtun. Frau Beer kennt mich schon längere Zeit. Wir können ganz gut miteinander leben. Auch schätzen wir uns, denke ich, auf jeweils eigene Weise. Es ging aber um ideologische Gründe. So war es schlicht. Das Zusam-menführen von Fächern in anderen Kombinationen sollte ein Hype werden. So etwas führt – um es einmal auf den Punkt zu bringen – aber nicht zu mehr Kompetenz in der Sache. Deshalb begrüßen wir es, dass es jetzt wieder möglich ist, dieses Fach als Alleinstellungsmerkmal für viele Schulformen wieder aufzulegen.

Ich habe auch gelesen, was sonst noch so – auch über andere Schulformen – ge-schrieben wurde. Es war interessant zu lesen, dass Vorurteile – auch ich habe natür-lich welche – immer wieder bedient werden, indem man feststellt, dass in bestimmten Schulformen nicht richtig unterrichtet werden kann. Bei ihnen klappe dieses und jenes nicht. Ich glaube, dass es – auch vonseiten dieses Hauses – unklug ist, diese ideolo-gischen Diskussionen weiterzuführen.

Die aktuelle Situation stellt sich wie folgt dar: Die Schüler und Schülerinnen müssen mit Geld besser umgehen können, als sie es im Vorfeld getan haben. Wir haben die Chance, sie in wirtschaftliche Bereiche zu führen, die auch von Lehrern kaum ange-dacht werden, weil schlicht die Zeit fehlt bzw. weil sie nur einen Bereich in ihren Fä-chern wahrnehmen können. Ich bedaure, dass es im Vorfeld dazu gekommen ist, dass wir quasi Demokratiegestaltung als gegen das Fach Wirtschaft gerichtet sehen. Ich

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 8 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) finde, dass das eine Hausnummer ist. Insofern freue ich mich schon auf die nächste Fragerunde.

Franziska Müller-Rech (FDP): Meine erste Frage geht an Professor Loerwald. Be-sonders spannend fand ich Ihre Ausführungen in Bezug darauf, dass ökonomische und politische Bildung die Partizipation stärken und dass dabei auch die Bildungsge-rechtigkeit eine große Rolle spielt. Auch haben Sie auf den Zusammenhang zwischen dem Bildungshintergrund der Eltern und dem Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler sowie auch darauf hingewiesen, dass die ökonomische Bildung das bis zu einem gewissen Grad auflösen kann. Man kann nicht sagen, dass ökonomische Bil-dung böse und politische Bildung gut ist. Das Thema ist also ein wenig komplexer. Ich bitte Sie, auch mit Bezug auf die Studien von Herrn Hedtke darauf eingehen, inwiefern Bildungsgerechtigkeit bei diesem Fach eine große Rolle spielt.

Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Ich glaube, dass Bildungsgerechtigkeit in diesem Zusam-menhang eine ganz zentrale Frage ist. Seit ich auf diesem Feld aktiv bin – ich habe in Münster Sozialwissenschaften studiert, war dann im Referendariat und habe danach die wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen –, musste ich mir immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, ich sei ein neoliberaler Typ, der den Schülern das Ellbogen-Denken beibringt. Völliger Blödsinn!

Ökonomische Bildung – so wie sie auch in den vielfach vorliegenden Konzepten seit den 60er- und 70er-Jahren vorliegt; man muss das nur lesen – ist eine kritische Bil-dung. Sie setzt sich kritisch mit dem Wirtschaftssystem und mit Verbraucherfragen auseinandersetzt. Es gibt dazu viele Materialien. Mein Schwerpunkt ist beispielsweise der Bereich „Wirtschaft und Ethik“. Dazu könnte ich Ihnen viel Material zusenden. Die-ser Bereich muss selbstverständlich kritisch sein. Wer die Welt bzw. ein System hin-terfragen will, musss das verstehen. Ich glaube, dass das ganz zentral ist. Auch der-jenige, der Kapitalismuskritiker werden will, sollte erst einmal den Kapitalismus ver-standen haben.

Wir sehen aufgrund der Studien, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Un-ternehmerhaushalten und ökonomischer Bildung gibt. Wem halten wir denn diese Art von Bildung vor? Da muss Schule, glaube ich, gegenwirken. Das muss heutzutage – egal in welche Richtung man geht – eine Bildung für alle sein; denn Ökonomie betrifft uns in allen Phasen des Lebens.

Einen Zusammenhang zwischen Bildungsgerechtigkeit und den Daten des Kollegen Hedtke kann ich jetzt – das tut mir leid – nicht herstellen. Ich wüsste nicht, wo ich ansetzen sollte.

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Professor Loerwald, Sie haben zum Thema „Separierung“ bzw. zur Separatstellung des Faches Stellung genommen. Das ist leider eine Abbil-dung des Kernlehrplans, den wir jetzt in der Neufassung vorliegen haben. Denn da

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 9 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) wird, was äußerst bedauerlich ist, bereits eine stärkere Separierung vorgenommen wird. Es gibt eben keine sozialwissenschaftliche Einbettung gerade auch von Wirt-schaftsfragen. Deswegen frage ich die Herrn Professoren Hedtke, Braukmann und Goll, ob das wirklich so sinnvoll ist. Denn die Fragen von Macht, Interessen und Ein-fluss müssen natürlich auch sozialwissenschaftlich diskutiert werden. Ich richte diese Frage aber auch an die Landesschüler*innenvertretung sowie an Frau Schäfer von der GEW. Denn es geht darum, was jetzt eigentlich insgesamt im Bildungssystem in Bezug auf dieses Thema notwendig ist. Dabei geht es auch um das G9.

Das, was jetzt in Schule stattfindet, hängt mit der Gestaltung der Kernlehrpläne zu-sammen. Es geht um die Frage, welche Fachanteile vorhanden sind. Des Weiteren – das ist der Kern meiner Frage – geht es auch darum, ob man nicht eher ein ganz anderes Aufstellen der Stundentafel und auch der Fächerkombination braucht, um nicht in eine Atomisierung der Fächer hineinzulaufen.

Prof. Dr. Hedtke (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld): Vorweg möchte ich zwei Dinge klarstellen. Erstens. Der alte Kernlehrplan am Gymnasium, über dessen Renovierung wir jetzt sprechen, stammt von der schwarz-gelben Landesregierung und ist aus dem Jahr 2007. Der hatte die Überschrift „Politik-Wirtschaft“. Wir haben jetzt wieder eine schwarz-gelbe Landesregierung, die ihren eigenen Lehrplan vom Kopf auf die Füße oder – je nachdem von welcher Seite aus man das betrachtet – von den Füßen auf den Kopf stellt. Sie macht nun aus „Politik-Wirtschaft“ „Wirtschaft-Politik“. Das bleibt nicht folgenlos.

Erstens. Wenn Sie einmal genau in den Lehrplan hineingucken, ist die Reihenfolge immer wie folgt: ökonomische, politische, gesellschaftliche Bildung. Vorher hieß es im-mer: politische, ökonomische, gesellschaftliche Bildung. Sie können daraus ganz ge-nau erkennen, dass da umbewertet wurde. Das kann man – unabhängig von der Frage der Inhalte; ich stimme Herrn Silbernagel völlig zu, dass es da nicht so viele Änderun-gen gegeben hat – an ganz vielen Stellen sehen.

Zweitens. Herr Sträßer, es liegt auf der Hand, dass es aus der Zivilgesellschaft her-aus – aus den Wirtschaftsorganisationen bzw. -verbänden – über mehr als zehn Jahre hinweg immer Kampagnen für das Fach „Wirtschaft“ gegeben hat. Das kann man em-pirisch ganz einfach daran erkennen, dass wir in Nordrhein-Westfalen kein Fach „Recht“ haben. Es gibt keine Kampagne für das Fach „Recht“, weil es keine Verbände gibt, die das interessiert. Die rechtliche Bildung aber ist von zentraler Bedeutung. Man könnte einen erheblichen Teil des Arbeits-, Verbraucher- und Unternehmensrechts ge-rade unter „rechtlicher Bildung“ behandeln.

Nach diesen beiden Vorbemerkungen komme ich jetzt zur Frage, warum es eigentlich geht. Nach der letzten Stundentafel – der APO Sek I –, die ebenfalls von der schwarz-gelben Landesregierung kam, gab es 22 Stunden für den gesellschaftswissenschaftli-chen Lernbereich. Von diesen 22 Stunden standen mindestens 6 Stunden für das Fach „Politik“ zur Verfügung. Jetzt haben wir 23 Stunden. Das ist eine Stunde mehr gegen-über 2005. Mit diesem Jahr muss verglichen werden; denn da gab es noch G9. Ich kann das neue G9 nicht mit dem alten G8 vergleichen. Das wäre Quatsch. Das heißt,

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 10 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) dass die Unterrichtszeit für den gesellschaftliche Lernbereich von der neuen Regie-rung gegenüber der von ihr 2005 geschaffenen alten Situation um eine Stunde erhöht wird. Das sind weniger als 5 %. Der Zuwachs ist also relativ gering. Darin sehe ich keine Anerkennung der Bedeutung der gesellschaftswissenschaftlichen Bildung, der politischen Bildung und auch der ökonomischen Bildung.

Wenn wir die Argumentation gelten lassen würden, dass die Fachlichkeit, welche die Kollegen Goll und Loerwald auf unterschiedliche Weise stark machen, mit der Diszip-linarität identifiziert werden muss – das heißt, dass Politik nur Politikwissenschaft, Wirt-schaft nur Wirtschaftswissenschaft ist und Gesellschaft nur Soziologie ist –, dann brau-chen wir, wenn wir diesem Prinzip folgen, mindestens drei Fächer. Dann haben wir für jedes Fach dieser Fächer in den Klassen 5 bis 10 zwei Stunden. Übrig bleibt dann die siebte Stunde, die irgendwie verteilt werden kann. Das ist doch absoluter Unsinn.

Ich sage Ihnen jetzt einmal, wie das auf der Lehrplanebene konkreter gestaltet werden kann. Was sollen wir mit dem Thema „Sozialstaat“ machen? Wo soll das behandelt werden? Soll das zur Volkswirtschaftslehre bzw. zum Fach „Wirtschaft“ gehören, wäh-rend es dann ein Jahr später unter „Politik“ behandelt wird? Wenn es danach zwei Jahre später im Fach „Soziologie“ aufgegriffen werden würde, wäre das doch Non-sens.

Wie wollen wir mit Steuerpolitik umgehen? Natürlich kann ich aus wirtschaftswissen-schaftlicher, politikwissenschaftlicher und übrigens auch aus soziologischer Sicht an Steuerpolitik herangehen. Wie soll das curricular organisiert werden? Oder machen das dann nur die Soziologen? Natürlich nicht.

Ich kann jetzt alles weiter durchgehen und könnte sagen: Wir haben einen erheblichen Kern der klassischen Inhaltsfälle bzw. der klassischen Themen, mit denen sich die Fächer Politik, Politik-Wirtschaft oder Wirtschaft-Politik – wie auch immer das heißen mag – beschäftigen müssen. Sobald ich das auf mehrere Fächer aufteile, gibt es dra-matische Probleme auf dem Gebiet der Koordination. Das wird dann insofern der Fall sein, als die Kinder und Jugendlichen – wenn das völlig nebeneinander herläuft – dem, was ihre Bildungsentwicklung anbelangt, überhaupt nicht folgen können.

Ich komme zu meinem letzten Punkt. Die Debatte über die Anhörung der Kernlehr-pläne wird noch kommen. Sie spielt hier aber mit hinein. Wenn wir genau darauf schauen, was in den neuen Kernlehrplänen und im Entschließungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion steht, kann man ganz deutlich erkennen, dass vieles, was dort drinsteht, gar nicht vorkommt.

Ich nenne Ihnen Beispiele. Freiheit kommt im Wesentlichen nur als ökonomische Frei-heit vor. Die Binnenmarktfreiheit kommt vor als Spannungsfeld in Bezug auf Freiheit und Sicherheit. Aber Freiheit als ein eigener Themenbereich kommt nicht vor. Gemein-wohl steht im Schulgesetz bzw. in Ihrem Entschließungsantrag ganz weit vorne. Es kommt aber in dem gesamten neuen Entwurf des Kernlehrplans für Wirtschaftspolitik nicht vor. Das heißt also, dass wir eine riesige inhaltliche Debatte zu führen haben, wenn wir ernstnehmen, was in den diversen Anträgen steht und bildungspolitischer

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Wille des Gesetzgebers ist. Auch muss darüber diskutiert werden, ob das in der Fä-cherstruktur umgesetzt werden kann. Des Weiteren ist zu fragen, ob es auch in Bezug auf den neuen Kernlehrplanentwurf der Fall ist. Diesbezüglich habe ich die allergröß-ten Zweifel.

Ich sage es noch einmal: Wenn wir ernstmachen und alle Fächer gleich behandeln würden, würden wir in der Sekundarstufe I mindestens ein Fach Wirtschaft, ein Fach Politik und ein Fach Gesellschaft benötigen. Das aber ist Quatsch.

Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Frau Beer, Sie sprachen von „separieren“ und von „Sepa-ratfach“. Das klingt nicht schön. Man hat mir das schon oft in den Mund gelegt. Es klingt nach Separatorenfleisch, und auch das will niemand essen. Ich glaube, dass das bei dem Begriff manchmal so angelegt ist. Ich würde einfach von einem „eigenständi-gem Schulfach“ sprechen, wie es für Erdkunde, Geschichte, Kunst, Musik und Sport üblich ist. Das ist im Schulsystem nichts Ungewöhnliches. Vielmehr sind letztlich die Integrationsfächer eigentlich ungewöhnlich. Man hat es in NRW auch mit Naturwissen-schaften probiert. Das war relativ schnell wieder erledigt, denn man hat bemerkt: Wenn der Physiklehrer Chemie unterrichtet, fallen die Schwierigkeiten schneller auf, als wenn der Politiklehrer Wirtschaft unterrichtet.

Ich glaube, dass wir mit einem eigenständigen Fach ganz andere Vorteile haben, die nichts mit „separieren“ zu tun haben. Natürlich müssen in solch einem Fach Bezüge zu politischen, ethischen und juristischen Dimensionen hergestellt werden. Auch zur Geografie und Geschichte gilt das. Das kann man aber aus meiner Sicht nicht alles in ein Fach packen.

Ich habe Sozialwissenschaften in NRW studiert und als Lehrer unterrichtet. Man ist überfordert, wenn man in zwei Wochenstunden all diese drei Disziplinen mit ihren ver-schiedenen Perspektiven und Themen behandeln soll. Deswegen sind die Integrati-onslehrpläne immer sehr selektiv. Und es fehlen – Herr Hedtke, Sie haben es gesagt – viele Themen, die man sich wünschen würde.

In Niedersachsen wurde irgendwann das Fach „Politik“ in „Politik-Wirtschaft“ umbe-nannt. Es gab einen Riesenaufschrei bei den Lehrern, die sagten, dass ihnen die Hälfte der Themen wegbricht. Das verstehe ich gut. Das ist eben das Problem mit einem Integrationsfach.

Deswegen glaube ich Folgendes: Wenn wir im 21. Jahrhundert Bildungsanliegen für wichtig halten und gleichzeitig unser Schulsystem nach Fächern organisieren wollen, müssen wir für diese Bildungsanliegen auch die Fachstrukturen schaffen. Denn nur dann gibt es eine entsprechende Lehrerausbildung an den Hochschulen und Lehr-kräfte, die für das Fach ausbilden können. Da gibt es aus meiner Sicht einen ganz klaren Zusammenhang.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 12 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Prof. Dr. Thomas Goll (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften, Technische Universität Dortmund): Wir haben hier eine hochnormative Diskussion, der eigentlich die empirische Grundlage fehlt. Es gibt nämlich überhaupt keinen evi-denzbasierten Vergleich von Integrations- und Nichtintegrationsfächern, was die Wir-kung auf die Schülerschaft anbelangt. Jedenfalls haben wir weder bei der politischen noch bei der sozialwissenschaftlichen Bildung einen ernstzunehmenden Vergleich.

Wir haben unterschiedliche Modelle in unterschiedlichen Bundesländern. Nun kann man nicht sagen, dass zum Beispiel die Schülerinnen und Schüler des Freistaats Bay-ern um so viel schlechter wären als die in Nordrhein-Westfalen, obwohl es bei allen Schulleistungsvergleichsstudien anders aussieht. Da gibt es ein Fach „Wirtschaft-Recht“ und es gibt ein Fach „Sozialkunde“ Ich habe noch nie gehört, dass die in all den Schulleistungsvergleichsstudien bezüglich zum Beispiel des Bereichs Politik wirklich schlechter abschneiden. Offensichtlich geht es da nicht um eine Integrations- oder Nichtintegrationsorganisation. Vielmehr beobachten wir hier in Nordrhein-Westfalen – das ist ausweislich der schulministerialen Daten der Fall – einen extrem hohen Anteil von fachfremdem Unterricht in allen Fächern der gesellschaftswissenschaftlichen Aus-bildungsrichtungen. Das ist ein Grundsatzproblem. Dieses Grundsatzproblem wird dadurch verschärft, dass systematisch Fächerverbindungen gewählt und als nicht fachfremd deklariert werden, wo ein Teil – zum Beispiel Geschichte – studiert worden ist und der Rest eben nicht. All diese Konstruktionen von Integrationsfächern führen dazu, dass am Ende die Kolleginnen und Kollegen extrem belastet sind und wir Prob-leme mit der Erreichung der im Lehrplan definierten Lernziele bzw. Kompetenzformu-lierung haben.

Kollege Hedtke hat durchaus recht, wenn er sagt, dass die monodisziplinäre Ausrich-tung an einer Fachwissenschaft nicht wirklich überzeugend wäre. Jedoch sind all die Fachdisziplinen, die wir hier haben – Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft o-der Soziologie –, keine monodisziplinären Angelegenheiten. Vielmehr sind sie in sich extrem heterogen und mit all ihren Schwerpunkten aufgefaltet, so dass wir eher davon ausgehen müssten, dass es sich um eine Ausbildungsfrage handelt.

Wenn man sich die Lehramtsausbildungsstrukturen in NRW anschaut und dann die Leistungspunkte im Bachelor/Master-System nimmt, sieht man, dass 100 Leistungs-punkte im gymnasialen Lehramt für ein Unterrichtsfach vorgesehen sind. In den Lehr-ämtern der anderen Schulformen sind es 80 Leistungspunkte. Ein Leistungspunkt ent-spricht 30 Stunden tatsächliche Lernzeit für die Studierenden. Wenn das jetzt auf drei unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen verteilt wird, indem dann auch noch alles andere, was da hineinspielt, herausgenommen wird, kann man sich ausrechnen, wie viel Ausbildungszeit im Universitätssystem für eine dieser Perspektiven übrigbleibt. Man muss sehen, was dann an Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung notwendig wäre, um die Kolleginnen und Kollegen wirklich unterrichtskompetent zu machen. Des-halb ist die Frage berechtigt, ob die Ausbildung für ein Fach, das dann entsprechend so heißt, nicht einen Mehrwert an Ausbildungszeit für die Kolleginnen und Kollegen schaffen würde, der sich dann auch in der Unterrichtsqualität und im Outcome – also in der Schülerleistung bzw. in den Schülerkompetenzfeldern – deutlich widerspiegeln

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) würde. Auch dazu haben wir aber, wie gesagt, keine vergleichende Empirie. Das ist ein Problem. Das Beste wäre, wenn wir solche Bundesländer-Vergleichsstudien un-terstützend finanzieren würden. Die könnten von unterschiedlicher Seite aus betrach-tet werden – dabei geht es einmal um die Integrationskollegen, aber andererseits auch um die Kollegen, die eher für eigenständige Unterrichtsfächer sind –, so dass gar nicht erst der Geruch von Befangenheit in Bezug auf die Konstruktion einer solchen Studie aufkommt. So etwas haben wir aber nicht.

Es kann aber – wenn wir davon ausgehen, dass gesellschaftswissenschaftliche bzw. sozialwissenschaftliche Fragestellungen im Unterricht eine Rolle spielen sollen – fest-gestellt werden, dass wir in aller Regel von problemorientiertem Unterricht reden. Das ist der Punkt, an dem wir uns mit unseren unterschiedlichen Fragestellungen wieder-finden. Problemorientierung setzt aber voraus, dass die Probleme identifiziert werden und dass man eine fachliche Grundlage hat, um dann sinnvoll über Probleme verhan-deln zu können. Wenn das nicht gegeben ist, führt Problemorientierung eigentlich im Ergebnis immer zu dem, was man über das Fach Politik – das gilt aber auch für die Sozialwissenschaften – sagt: Es handelt sich dann um ein Laberfach. Das wollen wir nicht. Deshalb ist in jedem Fall die Frage zu stellen, ob nicht eine fachliche Expertise der Lehrkräfte beispielsweise auch durch eine fachlichere Ausbildung in den betreffen-den Bereichen gefördert werden kann.

Im Bereich der musischen Fächer gibt es das Ein-Fach-Studium „Kunst und Musik“. Ich weiß, dass dies mit einem dreidisziplinären Fach auf dem Gebiet der Sozialwis-senschaften nicht geht. Es funktioniert nicht wegen Stundenverwendbarkeit, Einplan-barkeit der Kräfte usw. Das aber ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Sie be-steht darin, Leute für diese Integrationsfächer fit zu machen. Daran scheitern wir aus verschiedenen Gründen. Die sind – je nachdem, wer da sitzt und wie die jeweilige Ausstattung für die Schulformen ist – auch universitätsspezifisch. Insofern weigern sich Fakultäten, in bestimmten Bereichen mitzumachen. Bei den Vertretern des Fa-ches Sachunterricht ist die Situation noch viel schlimmer. Dieses Fach hat nicht nur drei Wissenschafts-Bezugsbereiche, sondern mindestsens zehn. Die Ausbildungsform sieht letztendlich im gesamten Studium für Geschichte oder Wirtschaft oder Politik – oder was auch immer – vier bis sechs Semesterwochenstunden vor. Dass es da keine fachliche Vertiefung gibt, ist wohl evident.

Prof. Dr. Ulrich Braukmann (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Gründungspädagogik und Gründungsdidaktik, Bergi-sche Universität Wuppertal): Wir konnten, glaube ich, schon bei dem Vortrag der drei Vorredner feststellen, dass es sich erstens um eine sehr komplexe Angelegenheit handelt und dass sie zweitens aus unterschiedlichen Kontexten völlig unterschiedliche Maßstäbe und Kriterien heranziehen. Man weiß nicht genau, welche Motive abschlie-ßend dahinter stehen. Es könnte sich dabei ausschließlich um qualitätssteigernde Mo-tive oder um solche der partiellen Befriedung von Supportern bzw. Promotoren han-deln.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Ich glaube, dass ich halbwegs intelligent bin. Es ist mir aber schwergefallen, all das, was meine drei Vorredner sagten, zusammenzufassen. Vor dem, der hier im Raum sitzt und all die Aussagen wiedergeben könnte, würde ich meinen Hut ziehen. Dabei geht es um die gesamte Diskussion, die wir schon seit 30, 40 oder 50 Jahren haben. Heute, am 13. März 2019, ist eine neue Etappe erreicht. Ähnliche Etappen haben wir schon vor 30, 20 oder 10 Jahren erlebt. Es stehen sich immer Vertreter von Grundpo-sitionen gegenüber, die, um ihre Interessen zu realisieren, Argumente vortragen.

Frau Beer, ich glaube, Sie haben – wenn ich das einmal mit einfachen Worten wieder-geben darf – gefragt, ob es eine Berechtigung gibt, ein eigenes Schulfach einzurichten. Die Person tritt in den Hintergrund, während das Lager in den Vordergrund tritt. Wir erkennen ganz deutlich, dass es uns schwerfällt, über einen gemeinsamen Maßstab hier noch das Verbindende, das Gemeinsame bzw. Konsensuelle herauszukristallisie-ren.

Ich bin Befürworter eines Bildungsansatzes in den allgemeinbildenden Schulen, der das Persönlichkeitsprinzip, aber auch die Employability-Perspektive in den Vorder-grund stellt. Wenn wir dann noch das Wissenschaftlichkeitsprinzip als drittes Kriterium dazu nehmen würden, wäre das für die Universitäten heutzutage ehrenvoll.

Wenn wir die Argumentation so führen, wie es jetzt gerade geschah, verzehren wir uns in Partikular-Artikulationen, in fraktionales Denken und Nuancen. Dabei werden ein-zelne Akzentuierungen nach vorne gespült. Wir haben dann aber keinen gemeinsa-men Maßstab, auf dessen Grundlage wir eine solche Frage beantworten können.

Ich bin Wirtschaftswissenschaftler und komme aus der Schumpeter-School of Busi-ness and Economics. Dabei geht es – wenn der eine oder andere das so sehen möchte – um Kapitalismus par excellence. Ich bin für die Einführung eines Schulfa-ches, das eindeutig auch ökonomische Bildung enthalten soll und muss. Mir ist es nur sehr wichtig, dass das auf stabilem Grund steht.

Wenn wir keinen parlamentarischen Konsens und noch nicht einmal einen solchen in der Professorenschaft herstellen können, welche diese Referenzwissenschaften lehrt und durch Forschung vorantreiben soll, wird es ganz schwierig, das sachlich und fach-lich, aber auch wissenschaftlich als gerechtfertigt zu interpretieren. Sie degradiert sich dann selbst zu einer reinen Interessensdurchsetzungspolitik.

Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen: Ein einzelnes Schulfach ignoriert in er-heblichem Umfang die Dynamik unserer Gesellschaft bzw. die verschiedenen Strö-mungen, die in einer pluralistischen Gesellschaft ihre Geltung haben sollten. Das führt dazu, dass wir ein eindimensionales Denken in den Vordergrund stellen. Wenn das dann auch noch durch ein neoklassisches Ökonomiemodell geprägt wird, sind, Herr Loerwald, die Vorwürfe des Egoismus durchaus berechtigt. Denn schon Adam Smith und Nachfolgende haben den Individualismus regelrecht verherrlicht, damit das Wirt-schaftssystem funktioniert. Wir kommen dann, was die Grundwerte anbelangt, in ein Spannungsfeld. Dabei geht es um Gemeinschaftssinn und Solidarität auf der einen Seite und andererseits um gute Funktionsfähigkeit der Wirtschaft durch Individualis-mus und dessen Verabsolutierung.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Deswegen habe ich in meiner Stellungnahme, Frau Vorsitzende, auch sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es – wenn Sie mir diesen kleinen Ausflug in den Egoismus und die Selbstverliebtheit erlauben – für den Landtag und unser Land nicht gut ist, wenn wir so wie bisher weiterstreiten, dass alle ihre einzeln dekorierte Sichtweise vor die Füße des jeweils anderen legen. Vielmehr appelliere ich sehr deutlich, dass wir uns erst einmal über die Maßstäbe und die Leitlinien austauschen und dabei auch den anderen ernstnehmen sollten.

Ich bin für eine gute, fundierte Implementation neuer Ansätze in den einzelnen Fä-chern. Das setzt voraus, dass wir das auf stabilem Grund bauen. Des Weiteren setzt das voraus, dass alle dies halbwegs mittragen. Mathematik ist in breiten Kreisen der Bevölkerung nicht beliebt, weil ihre Anwendung Anstrengung mit sich bringt. Das wird aber als bildend und notwendig erachtet. Wenn wir das nicht für das Fach Wirtschaft hinbekommen, sollten wir es lieber erst später einrichten – egal wie die parlamentari-sche Strategienlandschaft oder das Strategieportfolio gerade aussieht.

Es kann nicht angehen, dass wir zu schnell weiter falsch machen, was wir jahrzehnte-lang falsch gemacht haben. Jetzt ist es an der Zeit, sich einmal – in Form einer En-quetekommission oder Expertenkommission – zusammenzusetzen, um diese Dinge erst einmal sachlich und ohne Druck von irgendwelchen Förderern, Promotoren oder Geldgebern anzugehen. Das muss überparteilich geschehen. Auch müssen ver-schiedenste Dimensionen berücksichtigt werden. Es darf nicht nur von einer Referenz-disziplin der ökonomischen Bildung – welche, Herr Loerwald, Verdienstvolles erarbei-tet hat – begleitet werden. Damit aber eben ein überparteilicher Konsens geschaffen werden kann, muss die Rezeption der Gesellschaft antizipiert werden. Wir müssen darauf schauen, ob es angenommen und akzeptiert wird. Auch muss gefragt werden, ob wir es so darlegen können, dass es von allen Seiten zumindest als halbwegs ver-nünftiger Kompromiss akzeptiert werden kann.

Die Aufregung, die in allen Lagern herrscht, ist in diesem Raum deutlich spürbar. Es wäre schön, wenn wir dieses gemeinsame Credo bei seinem Verlassen vielleicht als für uns relevant erachten.

Vorsitzende Kirstin Korte: Vielen Dank, Herr Professor Braukmann. Ich sehe aber die Kollegen hier völlig entspannt sitzen. Das geht auch anders. Insofern glaube ich, dass die Anwesenheit der Fachkompetenz schon richtig gut ist. – Es geht weiter mit Frau Schäfer.

Dorothea Schäfer (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen): Nach diesem Appell von Herrn Professor Braukmann fällt es mir ein wenig schwer, noch einmal auf das zurückzukommen, was wir in unserer Stel-lungnahme geschrieben haben. Ich möchte aber gleich am Anfang sagen, dass ich seinen Ansatz – dabei geht es vor allem um das, was er zum Schluss ausgeführt hat – aus Sicht der GEW sehr unterstütze. Wir stellen – das passt auch zu der Frage, die Frau Beer gestellt hat – die Frage: Reicht es, wenn es um Schule im 21. Jahrhundert geht, über die Einführung eines einzelnen Faches zu streiten? Es gibt auch die Debatte

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) um die Einführung des Faches Informatik, und es gibt noch andere Bereiche, deren Vertreter sagen, dass sie eigentlich zu kurz kommen.

Wir haben an unsere Stellungnahme die DGB-Stellungnahme aus dem Jahr 2012 an-gehängt. Wenn Sie die gelesen haben, wissen Sie, dass der DGB gemeinsam mit dem BDA im Jahr 2002 die Einführung eines Faches „Wirtschaft“ gefordert hatte. Warum sind wir jetzt zu einem anderen Ergebnis gekommen? Es hat sich inzwischen gezeigt – da kann ich Herrn Professor Hedtke recht geben –, dass viele Lobbyverbände in die Schulen eindringen. Sie stellen – das ist für die Schulen sehr angenehmen, weil es sich um aktuelle Sachen handelt – kostenlos Materialien zur Verfügung, die aber, was die Darstellung angeht, immer einseitig sind.

Die Beispiele, die Frau Balbach aus dem Modellversuch „Wirtschaft an Realschulen“ genannt hat, sind eigentlich allesamt solche, die eher in ein Fach „Verbraucherbildung“ gehören. Dabei geht es um Handy- oder Mietverträge. Ich glaube nicht, dass das mit dem Fach „Wirtschaft“ gemeint ist. Das sind Themen, die inzwischen in den Lehrplä-nen enthalten sind.

Im Rahmen des Modellversuchs, bei dem der DGB vertreten war, gab es einen Beirat, in dem das immer begleitend diskutiert worden ist. Da konnten wir beobachten, dass es bei den Realschulen, die an dem Modellversuch teilgenommen haben, in aller Re-gel auf Kosten des Faches „Sozialwissenschaften“ gegangen ist. Die mussten sich entscheiden, denn es gab nicht mehr Stunden. Es gab lediglich ein Entweder-oder. Gerade ökonomische Bildung kann aber nicht so isoliert unterrichtet werden.

Ich komme zur Kritik von Herrn Professor Loerwald, was die integrierten Fächer an-geht, sowie zu noch einigen anderen Anmerkungen in dem Zusammenhang: Das Fach „Wirtschaft“ würde von denselben Lehrkräften unterrichtet werden. Also geht es dann ganz zentral um eine bessere Lehrerfortbildung und nicht nur um die Lehrerausbil-dung. Ich bin Physiklehrerin. Natürlich musste ich auch ein paar Semester Chemie studieren. Als ich in der Sekundarstufe I integrierten naturwissenschaftlichen Unter-richt geben musste, war ich auf eine richtig gute bzw. intensive Fortbildung angewie-sen. Ich glaube, wir haben jede Woche einen Tag lang im Landesinstitut in Soest ver-bracht, wo wir uns verschiedene Konzepte erarbeitet haben.

Vor allen Dingen was die Sekundarstufe I im Bereich Naturwissenschaften angeht – das ist aber auch bei den Gesellschaftswissenschaften der Fall –, ist, wenn man ein-mal ein bisschen darüber nachdenkt, Folgendes zu beachten: Unsere Welt ist nicht in Fächer aufgeteilt. Wenn wir den Regenbogen analysiert, geht es nicht nur um Physik. Das gilt auch, wenn wir uns zum Beispiel das, was im Auge passiert, genauer angu-cken wollen. Auch bei der ökonomischen Bildung ist es so. Man kann das nicht isolie-ren. Wenn man das aber tut, besteht die Gefahr, dass bestimmte Aspekte fehlen oder zu kurz kommen.

Ich gebe Herrn Silbernagel recht: Bei den neuen Kernlehrpläne bzw. bei den Entwürfen für das G9-Gymnasium gibt es nicht so sehr große Änderungen. Ich frage mich aber auch, ob das eher ein Aushängeschild nach dem Motto ist: Wir benennen es jetzt um

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) und sagen „Wirtschaft-Politik“ statt „Politik-Wirtschaft“. Die Auswirkungen für die ande-ren Schulformen werden aber viel gravierender sein. Wenn es jetzt bei der Diskussion um die Einführung eines Faches „Wirtschaft“ geht, geht es durchaus auch um die an-deren Schulformen. An den Gesamtschulen wird im Moment bereits das Fach „Arbeits-lehre“ in Frage gestellt. Auf den Fachkonferenzen wird gesagt: Das wird demnächst gar nicht mehr so gehen können. Dann wird „Wirtschaft“ aus einem integrierten Fach herausgebrochen, das wirklich gut funktioniert hat. Man möchte jetzt, dass „Hauswirt-schaft“, „Technik“ und „Wirtschaft“ für sich unterrichtet werden. Es gibt Lehrkräfte, die sagen, dass sie nicht darauf vorbereitet sind. Dann aber kann nicht die Schlussfolge-rung sein, alles zu atomisieren und sich in den Universitäten nur auf die einzelnen Fächer auszurichten. Man muss vielmehr eine Lehrerfortbildung ansetzen, welche den Kolleginnen und Kollegen ein übergreifendes Denken und Arbeiten vermittelt. Es ist falsch, folgende Schlussfolgerung zu ziehen: Wir separieren lieber wieder die einzel-nen Fächer. Beim Einzelfach „Musik“ gibt es die Möglichkeit des Seiteneinstiegs nur für dieses Fach. In den Schulen besteht dann aber durchaus das Problem, die Kolle-ginnen und Kollegen anders einzusetzen. Ich kann die nicht mit 25 Stunden Musik einsetzen, weil dann der Unterricht zum Teil parallel läuft.

Es ist also keine Lösung, jetzt einfach Lehrerinnen und Lehrer auszubilden. Ich sage es noch einmal: Wenn das Fach „Wirtschaft“ eingeführt wird, hat man die Lehrkräfte, die sich in den Schulen befinden, die im Moment Sozialwissenschaften, Politik oder Gesellschaftslehre unterrichten. Die müssen das dann unterrichten; denn es gibt nicht von einem Tag auf den anderen Lehrerinnen und Lehrer, die das Fach „Wirtschaft“ als Fach mitbringen.

Nikolaj Grünwald (Landesschüler*innenvertretung Nordrhein-Westfalen): Ich habe gehört, dass Sie hier schon seit etwa 30 Jahren diskutieren. Vielleicht schaffen wir es als frische Gesichter, etwas frischen Wind in diese Runde zu bringen. Ich werde versuchen, mich in meinem Beitrag an Herrn Professor Braukmann zu orientieren und ganz klar und ohne Dekoration zu sprechen. Indem wir über Demokratiebildung, De-mokratieerziehung oder Erziehung zum Mündigwerden gesprochen haben, haben wir schon zur Genüge über den politischen Unterricht oder die Politik gesprochen. Da kann ich mich einigen Vorrednern anschließen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, auch über die politische Praxis in der Schule zu reden. Dabei geht es zum Beispiel um die Fragen: Was heißt es, partizipativ tätig zu werden? Was heißt es, Demokratie zu erfahren und zu lernen? Das kann geschehen, indem tatsächlich demokratisch gehan-delt wird.

Ich finde es, wenn wir uns diesen Bereich anschauen, ganz wichtig zu erkennen, dass sich politische Partizipation in den nordrhein-westfälischen Schulen – das gilt aber für die Schulen in ganz Deutschland insgesamt – in einer desolaten Lage befindet. Schü-lervertreterinnen und -vertreter, Schülerräte und Schülerzeitungen finden noch lange nicht die Unterstützung, die sie benötigen würden. Sie haben auch nicht die Rahmen-bedingungen, die sie brauchen, um eine politische Kultur an den Schulen zu ermögli-chen. Das sehen wir – damit beginnt es –, wenn wir uns anschauen, welche Kompe-tenzen Schülervertreterinnen bzw. -vertreter haben. Des Weiteren geht es dabei auch

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) um die Anerkennung der Leistung von Schülerinnen- und Schülervertreter sowie um die Fortbildung derselben. Was ist mit Rhetorik? Was ist mit der Einladung zu Konfe-renzen? Wie funktionieren überhaupt politische Prozesse?

Wir halten es für sehr wichtig – das mag in diesem oder in jenem Lehrplan geschehen –, dass beides im Grunde irgendwie ideologische Dokumente sind, weil man eine Ideo-logie bzw. Werte braucht, mit denen man Dinge vermittelt. Es sollte aber in beiden Lehrplänen der Freiraum gegeben sein, das politische Primat – also den Gedanken der Demokratie bzw. der Veränderbarkeit – aufrechtzuerhalten.

Wir sollten eine demokratische Schule gestalten, in der Demokratie bedeuten muss, Kontrolle an die Schülerinnen und Schüler abzugeben und wo Demokratie keine Scheindemokratie sein kann, in deren Rahmen wir einmal eine Veranstaltung machen, bei der wir üben, die Hände zu heben, um dann wieder in den Unterricht zurückzuge-hen. Wenn wir das wollen, müssen wir die Schulstruktur bzw. den Unterricht ändern. Es gibt positive Beispiele dafür, zum Beispiel die Laborschule in Bielefeld. Sie zeigt auf ansprechende Weise sehr gut, wie eine demokratische Schule funktionieren kann.

Es liegen politische Forderungen auf den Tisch, die dahin gehen, eine demokratische Schule bzw. eine demokratische Struktur zu legitimieren, um zum Beispiel endlich der Bildungsungleichheit zu begegnen, wie wir sie gravierenderweise in NRW bzw. in ganz Deutschland haben. An dieser Stelle wäre es nötig, im Rahmen des politischen Willens Schritte hin zu einem gerechteren Schulsystem und zu einer demokratischeren Schule zu machen. Das geschieht, indem sichergestellt wird, dass politischer Unterricht in den Sozialwissenschaften genügend Raum einnimmt. Und es geschieht, indem wir sicher-stellen, dass Ökonomie auch immer eine politische Ökonomie ist, die nicht nur als Betriebswirtschaft für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verstanden werden kann. Auch geschieht es, indem wir sicherstellen, dass jede Schülerin bzw. jeder Schüler entscheiden kann, wie sie bzw. er etwas lernt und was es eigentlich bedeutet, ein Teil der Gemeinschaft zu sein.

Im Rahmen einer Ideologiedebatte ist – da erinnere ich mich an Ihre Frage, Frau Beer – zu fragen: Was ist – von der Stundentafel bis hin dazu, wie wir Unterricht gestalten – notwendig, dass Schule stattfinden kann? Wir müssen überlegen, wie wir das Demo-kratiekompetente in allen Fächern – also fächerübergreifend – fassbar machen. Inso-fern bitte ich Sie, sich zum Beispiel die Laborschule in Bielefeld sowie Forderungen anzuschauen, die wir in unserer Stellungnahme aufgeführt haben, um sie in einen Kernlehrplan – oder allgemein in die Grundsätze, wie Schule jetzt auch in Bezug auf G9 als neugestaltete Schule funktionieren könnte – zu integrieren.

Helmut Seifen (AfD): Vielleicht haben Sie von Goethe „Die Wahlverwandtschaften“ gelesen. Und Georg Christoph Lichtenberg sagt: „Wer nichts als Chemie versteht, ver-steht auch die nicht recht“. Des Weiteren geht es auch um folgenden Satz: „Denn das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch“. – Das sollte die Grundlage der Diskussion sein, die wir hier führen. Herr Loerwald, die Fächer sollen bilden. Und bil-den heißt, Sinnzusammenhänge und Interdependenzen aufzuzeigen. Dass das, Frau Schäfer, bei den Naturwissenschaften nicht so gut gelungen ist, liegt einfach an der

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Sachlage. Da gibt es jede Menge Interdependenzen zwischen den Fächern Mathema-tik, Physik, Biologie und Chemie. Der Blick auf diese Einzelfächer ist aber nötig, weil die Komplexität so groß ist.

Auch Geschichte ist ein Mischfach. Jedoch blickt sie auf die diachrone Entwicklung, während die Sozialwissenschaft auf die synchrone schaut. Im Grunde genommen sind aber beide Fächer Mischfächer. Warum? Weil das Handeln des Menschen – als Homo Ökonomicus und Homo Politicus sowie vielleicht nur als Privatmensch – in all diesen Räumen – und nicht isoliert – stattfindet. Deswegen möchte ich diejenigen, die für ein Fach „Wirtschaft“ sind, fragen: Was verstehen Sie unter einer Wirtschaftsbildung, ohne dass das Handeln des Menschen in diesem Wirtschaftsraum politisch und meinetwe-gen auch privat gedanklich durchlebt wird? Ich bin Geschichtslehrer. Wie soll man – Entschuldigung! – die Französische Revolution ohne das Schildern der damaligen wirt-schaftlichen Zustände unterrichten? Ich weiß von Englischlehrern, dass es bei ihnen im Englischunterricht um die industrielle Revolution geht. Das heißt, all diese Bereiche werden selbstverständlich angesprochen.

Es stellt sich aber die Frage: Wollen Sie Betriebswirte oder Volkswirte aus der Schule entlassen? Wir entlassen auch keinen Juristen, Mediziner, Handwerksmeister und In-genieure. Vielmehr entlassen wir Leute, die zum Beispiel einen Physikunterricht hat-ten, der dazu führte, dass sie maschinelle und physikalische Prozesse erkennen und Ingenieurwesen studieren können. Deswegen geht folgende Frage an Herr Loerwald und an Frau Balbach, die sich, wenn ich das richtig verstanden habe, für das Fach „Wirtschaft“ einsetzen: Was versprechen Sie sich davon, dass wir das Fach „Jura“ nicht hineinnehmen, das Fach „Wirtschaft“ aber isoliert. Sollen wir das in Bezug auf Geschichte auch machen? Da können wir auch zwischen politischer Geschichte und Wirtschaftsgeschichte trennen. Wir machen das aber – und zwar aus gutem Grund – zusammen. Man könnte auch noch die Militärgeschichte dazunehmen.

Die Frage lautet also: Wieso soll in SoWi getrennt werden, in Geschichte aber nicht? Was versprechen Sie sich davon? Dieselbe Frage richte ich an Herrn Silbernagel, Frau Schäfer, Herrn Goll und Herrn Braukmann, welche die Dinge etwas anders sehen. Wie sehen Sie das in Bezug auf die Interdependenzen bzw. die Vermischung dieser ver-schiedenen Bereiche in einem Fach? Das interessiert mich, weil es da um Bildung und nicht um Spezialausbildung geht.

Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Ich kann das, was Sie sagten, gut nachvollziehen. Bei allen Konzepten ökonomischer Bildung sowie in den Materialien, die ich kenne – das betrifft auch die Lehrpläne in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, in Niedersachsen und Bayern –, kommt das auch nicht vor. Vielmehr spielt der Staat bzw. das Politische in jedem Lehrplan für das Fach Wirtschaft eine zentrale Rolle. Es ist aber die Frage, aus welcher Perspektive man darauf schaut. Ich plädiere auch nicht dafür, für Wirt-schaft fünf Fächer – VWL, BWL, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftspolitik und Wirt-schaftstheorie – einzuführen. Das ist klar, denn so arbeiten Universitäten.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Wenn wir das aber in ein Fach packen wollen, stellt sich die Frage, wo wir aufhören. Packen wir juristisches, historisches, geografisches, soziologisches, politisches und ökonomisches Lernen in ein Fach, weil diese sechs Dimensionen eigentlich jedes ge-sellschaftliche Problem betreffen? Wenn man über eine Standortverlagerung von Un-ternehmen spreche, geht es auch um die Kategorie Raum. Vielleicht brauche ich dafür aber auch die historische Dimension.

Es stellt sich folgende Frage: Ist für das Denken, was die Zusammenhänge zwischen diesen Bereichen sowie das vernetzte Denken angeht, ein Integrationsfach oder ein eigenständiges Fach besser? Was die Beantwortung dieser Frage angeht, habe ich eine andere Auffassung. Wenn ich über den Tellerrand blicken möchte, brauche ich einen Teller. Den muss ich erst einmal haben. Das heißt, ich brauche so etwas wie ein eigenes Fach. Wenn ich fachübergreifend arbeiten und eine Brücke bauen will, brau-che ich zwei Säulen. Ich kann an der Universität interdisziplinär am besten mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Politikwissenschaften oder anderen Fächern arbei-ten, die ihr Fach am besten verstanden haben und eine bestimmte Perspektive ein-bringen.

Mir hat einmal ein SoWi-Referendar aus NRW nach einer Fortbildung gesagt: Sie mit ihrem Fach Wirtschaft! Das ist so ähnlich wie mit einem eindimensionalen, zweidimen-sionalen oder dreidimensionalen Sehen beim Auge. Man bräuchte alle drei Fächer – Soziologie, Politik und Wirtschaft –, um die drei Dimensionen zu verstehen. – Darauf habe ich wie folgt geantwortet: Wenn man aber auf zwei Augen blind ist, weil in der Lehrerausbildung nur ein Modul zur Verfügung stand, hilft das nicht.

Ich bin voll bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass diese Zusammenhänge gebraucht wer-den. Die jeweiligen Anliegen müssen für sich eingebettet sein und Zusammenhänge zu den anderen Anliegen herstellen. Ich bin nur sehr skeptisch, dass das gelingt.

Eine Schulleiterin hat während einer Podiumsdiskussion einmal gesagt, dass sie, was ökonomische Bildung angeht, Zeit mit Kindern haben möchte. Wenn man zwei Stun-den in der Woche hat, die mit drei Disziplinen angefüllt sind – der Lehrer soll dann Soziologe, Politikwissenschaftler, Ökonom und gleichzeitig noch Germanist sein, um das Fachliche zu verstehen –, kann das Ganze nicht didaktisch rekonstruiert und zu-einander in Beziehung gesetzt werden. Das wird, glaube ich, nicht funktionieren.

Wenn es eine Lösung gibt, ist es die, welche Herr Goll angedeutet hat: Machen Sie ein Schulfach Politik-Wirtschaft und verbieten Sie den Lehrern, ein zweites Fach zu studieren. Dann haben Sie zumindest ausgebildeter Lehrer. Geben Sie diesem Fach Politik-Wirtschaft in Schulen die doppelte Stundenanzahl wie für das Fach Erdkunde. Dann ist genug Zeit, das zu entfalten. Es geht gar nicht darum, dass man das nicht in ein Fach packen kann. Es handelt sich letztlich um ein Zeitproblem, das alles zusam-menzubekommen.

Brigitte Balbach (lehrernrw): Miet- und Kaufverträge können heutzutage von Ju-gendlichen, aber auch von Erwachsenen schlecht gelesen werden. Marktwirtschaftli-che Mechanismen können nicht durchschaut werden. Das fällt uns sehr schwer. Die

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 21 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Bürger sind auf Informationen aus dem Internet angewiesen, was auch, wie wir wissen, eine schwierige Angelegenheit ist. Denn da ist Einflussnahme von außen – zum Bei-spiel von wirtschaftlichen Verbänden oder von Firmen – möglich.

Die Internetforen informieren nicht wertfrei. Das bedeutet für uns, dass wir unsere Kin-der im Grunde sehr gut ausbilden müssen, damit die auch gut Bescheid wissen. Da gibt es die Unterschiede – die haben sich hier heute bereits gezeigt – in der Auffassung in Bezug darauf, was eine allumfassende Ausbildung in manchen Bereichen bedeutet.

Ich möchte von der Zusammenlegung der Fächer sowie verschiedener anderer Struk-turen absehen, damit man sich immer auf das Wesentliche konzentrieren kann. Wenn ich mich auf das Wesentliche konzentriere, muss ich erst einmal über bestimmte Be-reiche Bescheid wissen, um dann andere Bereiche mit hinzuzunehmen. Wenn ich den Überblick über einen Punkt – zum Beispiel Wirtschaft – habe, kann ich auch in andere Bereiche – Verbraucherschutz etc. – gehen, um zu gucken, was ich dort mit meinem Wissen anfangen kann. Je intensiver und umfassender das Wissen darüber im Einzel-nen ist, umso besser kann ich hinterher mit anderen Bereichen jonglieren, auf die ich im Laufe des Lebens treffe. Wenn ich als Schüler bestimmte Mechanismen durch-schauen kann – ich glaube, es wäre durchaus möglich, das mit einem Fach „Wirt-schaft“ hinzubekommen –, kann ich später fundierte Entscheidungen treffen.

Ich gebe allen vollkommen recht, dass es sich um eine grundsätzliche Frage handelt. Was will ich? Will ich, dass die Bürger dieses Landes vom Kern her gesehen sehr gut ausgebildet sind? Oder möchte ich, dass jeder nur ein bisschen von allem weiß, um Grundentscheidungen treffen zu können? Dann stellt sich die Frage: Wer trifft denn die Vorentscheidung, was wichtig ist und was nicht? Wer trifft denn die Entscheidung, ob es sich gerade um den Punkt handelt, den ich in meine Überlegungen mit auf-nehme, oder ob es ein anderer ist? Die wesentlichen Punkte können nur gestreift wer-den. Wir können nicht alle integrieren. Nicht alle Punkte können behandelt werden, wenn wir gleichzeitig ein zweites Fach mit in das erste hineinnehmen. Deshalb halte ich vom Ansatz her zunächst einmal die Denkweise, in einem Bereich auf den Grund der Sache zu gehen, für richtig. Das schafft Möglichkeiten, vom Ansatz her in einem anderen Bereich sehr viel wirksamer tätig zu sein.

Es geht um eine Grundsatzentscheidung. Diese wurde von Schwarz-Gelb in diesem Land, was die Werte betrifft, bisher zumindest immer, soweit ich es zurückverfolgen kann, unterstützt. Sicherlich gibt es – das ist richtig – genug Gründe, für die andere Überlegung zu sein. Ich sage es aber noch einmal: Ich halte das aus pädagogischer Sicht für sehr wichtig.

Ich möchte an der Stelle noch einen weiteren Aspekt anführen, nämlich den der Eltern. Der Schulversuch, den wir damals mit dem Fach „Wirtschaft“ durchgeführt haben, ist evaluiert worden. Man hat dazu Überlegungen angestellt. 70 Schulen waren daran beteiligt. Weitere hatten sich bereits gemeldet. Dann wurde er aber beendet. Damals stimmten die Beteiligten mehrheitlich für ein Fach „Wirtschaft“: Bei den Eltern waren es 88 %, bei den Lehrkräften 76 %, bei den Schülerinnen und Schülern 64 % und bei den Schulleitungen 71 %. Die stimmten dafür, dass es weitergehen soll und auf keinen Fall aufhören darf. Es wurde also mehrheitlich dafür gestimmt, dass diese intensive

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Wertschätzung für den Alltag der Kinder – und nicht nur im Hinblick auf gesamtwirt-schaftliche Überlegungen – weitergeführt und das eigenständige Fach beibehalten werden soll.

Das war eine hohe Hausnummer. Weitere Schulen hatten sich gemeldet, die daran teilnehmen wollten. Das ist ihnen aber nicht gelungen, weil gesagt wurde: Wir beenden das jetzt. Wir fanden das sehr bedauerlich. Ich sage es aber noch einmal: Die Ent-scheidung ist natürlich – auch was den Landtag angeht – frei im Hinblick darauf, dass jeder sagen kann, dass er es nicht möchte, dass eine solche Intensivierung stattfindet, sondern dass er vielmehr irgendwo ein bisschen den Überblick haben und die Einzel-teile – ich sage das einmal so – halbwertig aufnehmen will. Damit gehen die Schüler – um es einmal auf den Punkt zu bringen – dann auch halbwertig ins Leben. Das finde ich persönlich sehr bedauerlich.

Peter Silbernagel (Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen): Folgende Fragen durchzogen eine ganze Reihe von Beiträgen: Was soll Schule leisten? Was kann Schule leisten? Und wie bildet sich das, was Schule leisten will, beispielsweise im An-gebot der Fächer ab? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Das hat auch viel mit Güterabwägung zu tun. Sicherlich hat es gleichermaßen auch mit allgemeinem Verständnis, Konsens und gesellschaftlicher Akzeptanz zu tun.

Erste Anmerkung dazu: Das Fächerangebot muss nicht in allen Schulformen identisch sein. In der Grundschule muss es nicht mit dem in den Berufskollegs identisch sein. Es kann in der Realschule – auch was die Wirtschaftspolitik angeht – einen anderen Schwerpunkt als an Gymnasien geben. Das Fach „Hauswirtschaft“ kann es bei der einen Schulform geben, während es bei der anderen „Arbeitslehre“ ist. Und bei der dritten Schulform kann es das Fach „Wirtschaft-Politik“ geben. So etwas ist nicht ver-boten. Das kann insgesamt ein Beitrag zu einem vielgliedrigen und vielfältigen Schul-system sein. In einer Situation, wo man von G8 auf G9 umsteuert, darf es jedoch eine Diskussion über die Frage geben: Ist jetzt nicht der Zeitpunkt, wo andere oder neue Fächer implementiert werden können und sollen? Das ist nicht unnatürlich.

Es gibt eine Diskussion über das Fach „Informatik“. Dabei geht es um die Frage: Soll es ein Pflichtfach beispielsweise an den Gymnasien in Nordrhein-Westfalen geben? Der Philologen-Verband hat dazu eine bestimmte Position, die besagt: Das, was jetzt als Möglichkeit eröffnet wird, ist vernünftig. Was im Wahlpflichtbereich als Soll-Vor-schrift hineingeschrieben worden ist, ist sinnvoll. Das, was Schulen bisher auf diesem Gebiet schon praktizieren, ist gleichermaßen mit zu berücksichtigen.

Es gibt eine politische Entscheidung, wie man mit den Themen der Verbrauchererzie-hung umgeht. Unter Rot-Grün gab es ein großes Bestreben, ein Fach „Verbraucherer-ziehung“ einzuführen. Das wird jetzt auf viele Fächer verteilt. Ebenso gilt das für die Herausforderungen bei der Digitalisierung im Umfeld schulischer Themen. Ich glaube, dass das politische Entscheidungen sind, die ausgewogen sein müssen. In Bezug auf diese Entscheidungen, die aber auch nachvollziehbar sein müssen, muss man sich aber der Kritik stellen.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Ich halte es für vernünftig, dass man so mit dem Thema „Digitalisierung“ umgeht. Es sollte kein neues Fach „Digitalisierung“ – abgekoppelt von anderen Fächern – geschaf-fen werden. Gleichermaßen sollte beispielsweise auch nicht ein neues Fach „Verbrau-chererziehung“ eingeführt werden.

Es gibt auch – so wie ich das sehe – im Bereich der Wirtschaft bzw. der wirtschaftspo-litischen Akzente kein Hauruck-Verfahren. Ich spreche jetzt einmal für das Gymna-sium. Da gibt es ein Kombifach, bei dem wirtschaftspolitische Akzente vielleicht etwas deutlicher als gestern oder vorgestern hervortreten. Das ist aber begründet, und es hat nichts damit zu tun – das ist gerade gesagt worden –, dass plötzlich ein Freiheitsbegriff nur noch unter ökonomischen Vorzeichen gesehen wird. Das ist Quatsch.

Beim Inhaltsfeld 4 „Identität und Lebensgestaltung“ geht es um Freiheitsbestrebungen von Kindern und Jugendlichen im Kontext gesellschaftlicher Normierungsprozesse. Das hat nichts mit ökonomischer Ausrichtung zu tun. Ich bitte, wenn man solche Be-hauptungen hier vorträgt, sich die Texte etwas genauer anzuschauen.

Herr Professor Braukmann, es ist nicht schlimm, wenn wir hier darum streiten, ob die-ser Weg der richtige ist oder nicht. Wir müssen in dem Zusammenhang auch nicht behaupten, dass Partikularinteressen an dieser Stelle dem schulpolitischen Frieden abträglich sind. Wenn wir immer zuwarten würden, bis wir im Schulpolitischen auf ei-nen Weg des Konsenses kommen, würden entsprechende Sitzungen gar kein Ende mehr nehmen. Ganz abgesehen ist es so, dass uns das in Bezug auf viele andere Stellen ebenfalls zur Verzweiflung führen würde.

Es ist leider so, dass wir in Deutschland – weil in diesem Land die Kopplungen mit gesellschaftspolitischen Vorstellungen sehr heftig sind – über viele Dinge heftig strei-ten. Das alles ist aber legitim, solange es einen gewissen Konsens in der Ausrichtung gibt. Sie haben das auch angemahnt. Leitlinien und Maßstäbe sollten schon erkennbar sein. Da knüpfe ich an das an, was ich am Anfang gesagt habe: Es muss bei der Leitlinie doch um die Frage gehen, wie wir Kinder und Jugendliche aus der Schule entlassen wollen, so dass sie in gewisser Weise auf ihr Leben vorbereitet sind. Sie sollten – charakterlich gesehen – Gestaltungsmöglichkeiten für sich selbst haben. Auch sollte das an Interessen und Berufsvorstellungen angebunden sein, die wir ihnen vonseiten der schulisch Verantwortlichen Ihnen in sinnvoller Weise mit auf den Weg geben können. Das ist, glaube ich, die Leitlinie bzw. der Maßstab. Daran kann man sich orientieren.

Dorothea Schäfer (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband NRW): Ich muss zugeben, dass ich etwas ratlos bin. Es geht um folgende Fragen: Wie entlassen wir Schülerinnen und Schüler? Worauf bereiten wir sie eigentlich vor? In Bezug auf diese Frage muss es doch zentral darum gehen, sie zu selbständigem Ler-nen anzuleiten. Wir müssen sie zu kritischem Denken erziehen. Des Weiteren müssen wir ihnen Raum geben, ihre Fähigkeiten auszuprobieren.

Wenn es so eng um die Einführung eines neuen Faches oder um eine Abgrenzung geht, kann es zum Beispiel um folgende Fragen gehen: Soll der Teil „Ökonomische

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Bildung“ im Kombifach „Politik-Wirtschaft“ gestärkt werden? Oder soll die politische Bildung gestärkt werden? Auch die Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer ha-ben sich an uns gewandt und gesagt: Eigentlich gibt es bestimmte Themen – das wer-den wir auch in unsere Stellungnahmen zu den Kernlehrplänen schreiben –, die jetzt wirklich vorkommen müssten, die aber gar nicht auftauchen.

Das Weltwissen wird von Tag zu Tag oder sogar von Stunde zu Stunde in einem Maße größer, dass völlig klar ist, dass Schule das alles gar nicht vermitteln kann. Auch ist es gut, dass es andere Quellen gibt. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, verschie-dene Quellen zu benutzen. Gleichzeitig müssen sie aber auch lernen, wie sie die kri-tisch bewerten können. Das kommt, glaube ich, bei den Themen „Digitalisierung“ und „Informatik“ noch ein bisschen zu kurz. Es wird immer in positivem Sinne gesehen. Dabei geht es überwiegend darum, was uns das alles helfen kann, weniger aber da-rum, worauf man kritisch schauen muss.

Dass wir hier debattieren, hängt damit zusammen, dass SPD und Grüne den Antrag bezüglich der Stärkung der Demokratiekompetenz eingebracht haben. Darin steht auch das, was ich vorhin bereits gesagt habe, dass wir nämlich eine andere Lehrerfort-bildung für die Fächer brauchen, in denen es integriert um die Themen geht. Das wird vielleicht weniger bei den Fächern „Deutsch“ oder „Mathematik“ – das ist ja ein isolier-tes Fach – der Fall sein. Sie haben mich übrigens falsch verstanden, Herr Seifen. Ich habe sehr gerne integrierten naturwissenschaftlichen Unterricht gegeben. Auch war ich für die Fortbildung dankbar. Die habe ich allerdings gebraucht.

Herr Silbernagel, man muss manchmal auch Entscheidungen treffen. Wir wollten im Grunde, dass die Umstellung von G8 auf G9 für die Lehrerinnen und Lehrer nicht wahnsinnig viel Arbeit macht. Das war ein Grund, warum über Jahre hinweg viele Kol-leginnen und Kollegen gesagt haben: Wir wollen eigentlich nicht zurück zu G8. Jetzt wird es so kommen. Es gibt fast keine Gymnasien, die bei G9 bleiben. Wir wollten dabei bleiben, weil wir gerade alle Lehrpläne umgestrickt hatten. Jetzt ist es aber gut. Man könnte jetzt eine Entscheidung für die Klassen 5 und 6 treffen, sich aber die Zeit nehmen, um in Ruhe über die Rolle der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer – da-bei geht es um die Kombination aus Politik, Sozialwissenschaften, Ökonomische Bil-dung, Verbraucherbildung – zu diskutieren und sie auf andere Füße zu stellen, als das jetzt mit einer Stärkung der Fall wäre. Ein eigenständiges Fach wird jetzt an den Gym-nasien nicht eingeführt. Bei den anderen Schulformen ist es, glaube ich, aber noch viel weiter gediehen, das aus den integrierten Fächern loszulösen. Es wäre fatal, wenn man jetzt sagen würde: Der Ansatz ist eigentlich, dass wir mit den Gymnasien zum neunjährigen Bildungsgang zurückkehren.

Nehmen Sie deswegen bitte die Anregung auf, eine Enquetekommission zu schaffen, um eine breitere Diskussion zu ermöglichen, bei der die unterschiedlichen Positionen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbezogen werden Das sollte aber im-mer unter dem Aspekt geschehen, was Schule im 21. Jahrhundert braucht.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Prof. Dr. Thomas Goll (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften, Technische Universität Dortmund): Wenn wir schon bei Goethe sind, zitiere ich Fol-gendes: „Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen“ und „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“. Ich will damit sagen, dass dieses Vorspiel des Theaters, das wir hier jetzt aufführen, in die falsche Richtung geht. Es geht nicht darum, etwas Überladenes zu konstruieren, sondern sich im Rahmen der didaktischen Grundfrage die Fragen zu stellen: Was sind die Werte des Bildens im Hinblick auf die Gegen-stände? Und wie organisieren wir die Arbeit mit den Gegenständen so, dass am Ende ein gebildeter Mensch herauskommt? Im Kontext unserer Fachdidaktik wäre das letzt-endlich – in seinen einzelnen Dimensionen – ein gesellschaftlich mündiger Mensch.

Wir behandeln hier in der Tat eine organisatorische Frage. Die wird sich nur evidenz-basiert beantworten lassen. Das wird die besten Erträge bringen. Das Wort „beste“ setze ich in Anführungszeichen, weil wir auch dafür die Indikatoren usw. bestimmen müssten.

Wir denken hier komischerweise immer nur horizontal, aber nicht vertikal. Es gibt zum Beispiel im Rahmen von Universitätsstudien Y-Modelle in der einen oder anderen Richtung – oder auch kombiniert. Dabei geht es um die Frage: Was ist der Sinn spe-zifischer Perspektiven in der Analyse von Realität? Er besteht darin, den Blick zu schärfen bzw. mit einer spezifischen Brille auf einen Sachverhalt zu schauen.

Schulorganisatorisch lässt sich das innerhalb von Makrostrukturen der Unterrichtspla-nung machen. Sie können entweder analytisch oder synthetisch vorgehen. Entschei-dend ist letzten Endes immer, dass man den Blick auf das Ganze gewinnt. Das ist der zentrale Punkt. So etwas ist aber auch schulstufenspezifisch organisierbar. Was zwingt uns denn, für alle Schulformen und alle Schulformen immer das Integrations-fach zu nehmen, wenn wir wissen, dass es sinnvoll sein kann, je nach Organisation auch disziplinär zu denken?

Das Unterrichtsfach „Geschichte“ ist genauso gut an andere Integrationsfächer an-bindbar. Trotzdem würden die Historiker und die Geschichtsdidaktiker sagen, dass es einen spezifischen Sinn macht, Geschichte so zu betreiben, wie wir es tun, nämlich als eine Disziplin, die sich mit der Konstruktion von Vergangenheit mit Bezug auf die Gegenwart beschäftigt. Das kann man mit Politik usw. gut verbinden. Dann wären wir bei „Geschichtspolitik“ und dem Sinn, historische Konstruktionen für die Gegenwart heranzuziehen.

Das alles kann man machen. Man wird aber niemals diesen Konstruktionsprozess so analysieren und dekonstruieren können, wenn man nicht die genannte Brille aufge-setzt hat und nicht weiß, was es bedeutet, mit historischen Quellen usw. zu arbeiten. Das gilt für all diese Gegenstandsbereiche, die es im sozialwissenschaftlichen Feld gibt, ebenfalls. Man wird besser sein, wenn man sich diese Brille aufsetzt. Wir müssen sicherstellen, dass das geschehen kann. Nicht nur die Lehrkräfte, die das unterrichten, sondern auch die Schülerinnen und Schüler sollten sich diese Brille aufsetzen. Sie können bzw. müssen dann Wirklichkeit analytisch zergliedern, um sie besser zu ver-stehen und Vorgänge einordnen zu können.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Wir sollten daran arbeiten, diese Brillen als Optionen im Unterricht in Form von Kom-petenzbereichen mitzugeben. Wie man das organisiert, ist nachrangig, wenn nur das Ziel erreicht wird. Trotzdem ist es legitim, darüber nachzudenken, ob man die bisherige Konstruktion der Unterrichtsfächer für sinnvoll und leistungsfähig erachtet. Daran müsste man weiterarbeiten.

Prof. Dr. Ulrich Braukmann (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Gründungspädagogik und Gründungsdidaktik, Bergi-sche Universität Wuppertal): Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Seifen, geht es um das bildende Moment im Sinne eines Nukleus und vielleicht eines Spektrums, was sich uns jetzt anlässlich der Referenztheorie „Wirtschaft-Wissenschaft“ als Neues und Glückbringendes offenbaren soll.

Alle Vorredner haben sehr pointiert gesagt, was jetzt das neue Unique ist, das es rechtfertigt, andere Fächer in Bezug auf deren Wochenstundenumfang zu reduzieren. Da wir bei der Umstellung von G8 auf G9 ein paar Stunden Spielraum haben, taucht das Problem beim Gymnasium nicht so gravierend auf.

Ich bin jetzt seit über 30 Jahren auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften tätig. 15 Jahre lang habe ich Staatsexamensprüfungen in Wirtschaftswissenschaften abge-nommen, war stets auf der Suche nach dem Allgemeinbildenden und muss zugeben, dass auch ich noch auf dem Weg bin.

Es ist sehr schwierig, Fächer zu diskreditieren, indem man sagt: Mit einem neuen Fach kann man das besser und anders machen; denn auch wir in den Wirtschaftswissen-schaften haben keinen allgemeinbildenden Kanon. Wir haben noch nicht einmal einen Konsens darüber, was in den Wirtschaftswissenschaften allgemeinbildend sein soll.

Es gibt sehr viele interessenspolitische Beugungs- bzw. Dehnungseffekte sowie kont-räre Positionen in den Wirtschaftswissenschaften. Insofern kann ich nur sagen: Es ist gut, wenn man sich auf den Weg machen würde, Herr Seifen, das mit allen interes-senspolitisch Verankerten zu diskutieren, um es auf dem Weg eines konstruktiven Dis-kurses zu identifizieren. Letztlich bleibt es eine gemeinsame Konstruktion.

Man kann sagen: Wir machen Finanzbuchhaltung. Das ist nichts anderes als eine Technik, die man auch mit den Kompetenzen, welche man in den anderen Fächern erworben hat, beherrschen kann. Frau Balbach, auch ich konnte mit meiner einfachen NRW-Allgemeinbildung nach Einarbeitung einen Mietvertrag abschließen. Dafür be-durfte es keines eigenen Faches. Das ist Oberflächenstruktur. Hier geht es um die Tiefenstruktur. Dazu muss ich als Wirtschaftswissenschaftler selbstkritisch sagen: Wir können uns diskreditieren, wenn wir das Fach einfach nur einführen.

Es steht im Koalitionsvertrag und soll jetzt mit Mehrheit – die könnte sich jetzt vielleicht noch um ein paar Stimmen erhöhen – realisiert werden. Als Wirtschaftswissenschaftler würde ich mich freuen, wenn ein aufgeklärtes Verständnis von Wirtschaftswissen-schaft bzw. Wirtschaft vermittelt würde. Die Gründe haben hier alle erwähnt. Wir kön-nen die Auflistung von Bildungs- und Erziehungszielen sicherlich fortführen. Diese Gründe sind nicht ersichtlich, und sie werden nicht prägnant vorgetragen. Stattdessen

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) gibt es dazu heute in der „Rheinischen Post“ Äußerungen des Verbandsvorsitzenden der Familienunternehmen. Er sagt, dass es keine Weichspülungslösung bezüglich der Wirtschaftswissenschaften geben solle. Das ist nicht konstruktiv. Damit geht man nicht aufeinander zu. Auch kann man so keine Brücken bauen.

Herr Silbernagel, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich es trotz meines Bemühens um eine präzise und vielleicht auch eindrucksvolle Sprache nicht geschafft habe zu verdeutlichen, dass ich hier gar nichts kritisiere. Ich finde es sehr gut, dass diese Anhörung stattfindet, und bin sehr daran interessiert, dass hier jede Stimme ge-hört wird. Auch finde ich es sehr gut, dass man sich umfangreich austauscht.

Nicht gut finde ich es, wenn man einfach etwas auf den Weg bringt und weiß, dass es schon auf der Hälfte dieses Weges von vielen nicht angenommen und respektiert wird. Dabei geht es auch um die Eltern, die Schülerinnen und Schüler sowie die Politiker. Die Politiker im Landtag repräsentieren die Bevölkerung. Sie könnten sagen: Jetzt ha-ben wir eine Stimme mehr, jetzt ziehen wir es durch. Damit nimmt man sich aber – das möchte ich beiden Lagern mit auf den Weg geben – die Chance zur Brückenbildung sowie zur Schaffung von etwas, das im Interesse aller realisiert werden und auch dem Modernitäts- bzw. Fortschrittsanspruch unseres Landes entspricht. Deswegen kann ich an die rot-grüne Opposition – an beide Fraktionen – nur appellieren, ihren nach-vollziehbaren Wunsch nach einem Gegengewicht bzw. Ausgleichsmoment bezüglich der Demokratiekompetenz vielleicht ein wenig zurückzustellen und sich in einem ge-ordneten und systematischen Rahmen – dabei geht es um § 61 der Geschäftsordnung dieses Landtags – mit einzubringen. Das Thema sollte nicht nur innerhalb einer Sit-zung an einem Nachmittag abgearbeitet werden. Die gleiche Feststellung mache ich mit aller Deutlichkeit in Richtung CDU und FDP.

Natürlich kann die Koalition das mit der Mehrheit, die sie hat, realisieren. Wenn ich es richtig sehe, sind beide Fraktionen mit 100 Stimmen ausgestattet. Ich will gar nicht von der der Gefahr des Rückgängigmachens sprechen. Wir haben das – Frau Balbach es eindrucksvoll vorgetragen – schon einmal erlebt. Ich spreche nicht einfach nur – Herr Silbernagel hat das indirekt ebenfalls angesprochen – von der Frage der Akzeptanz. Vielmehr geht es um einem parteiübergreifenden Konsens und darum, sich im Span-nungsfeld von Elastizität und Stabilität der Schulfächer neu zu positionieren. Das ist nichts, was mit einer Stimme Mehrheit geschehen kann. Damit würde man gleichzeitig die Kollateralschäden wissentlich mit in Kauf nehmen. Deswegen ist es vonnöten, neue Wege zu gehen. Das muss nicht nur die gesellschaftspolitisch relevanten Fächer bzw. die Sozialwissenschaften betreffen. Dabei kann es sich auch um all das handeln, was ebenfalls vor der Tür steht. An meinem Lehrstuhl sind 15 verschiedene Initiativen dokumentiert, die alle als Schulfach Geltung für die Gesellschaft und für sich selbst haben wollen. Da stehen ganz Mächtige und Kräftige vor der Tür. Herr Silbernagel hat die Digitalisierung erwähnt. Des Weiteren geht es in dem Zusammenhang um die Öko-nomische Bildung.

Bei uns an der Universität haben wir vor kurzem zwei Tagungen durchgeführt. Eine befasste sich mit der Digitalisierung. Dabei wurde gefordert, dass das ein Schulfach

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) sein soll. Die zweite Tagung befasste sich mit der Ökonomischen Bildung. Dabei wurde ebenfalls gefordert, dass das ein Schulfach sein soll.

Es steht jetzt ein Satz im Koalitionsvertrag, der besagt, dass das Fach „Wirtschaft“ kommen soll. Der Dringlichkeitscharakter ist sicherlich erkennbar. Er muss aber kom-muniziert werden. Auch muss das – wie Herr Silbernagel es genannt hat – nachvoll-zogen werden können. Es muss respektiert und akzeptiert werden. Solange das nicht der Fall ist, ist es sehr wertvoll, dass Sie, Herr Ott, bzw. Ihre Fraktion diesen Antrag gestellt haben und ihn als Anlass nehmen, sich – auf dem Weg nach dem Unique, dem Nukleus bzw. Spektrum des neuen Allgemeinbildenden im Rahmen eines eigenen Fachs „Wirtschaftswissenschaften“ – miteinander auszutauschen.

Vorsitzende Kirstin Korte: Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die erste Fra-gerunde hinter uns und treten jetzt in eine zweite Fragerunde ein.

Jochen Ott (SPD): Ich bin einer der Kollegen, die sowohl das Fach „Sozialwissen-schaften“ als auch das Fach „Wirtschaft“ unterrichtet haben. Das gilt übrigens gleicher-maßen auch für die Fächer „Geschichte“ und „GL“. Deshalb, Herr Kollege Loerwald – ich darf „Kollege“ sagen, obwohl Sie Professor sind und ich nicht –, stelle ich fest: Angesichts der beeindruckenden Offenheit der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln – sie hat sich gerade in den 80er-Jahren und 90-er Jahren deutschlandweit im Hinblick auf ihre Vielfalt bemerkenswert ausgezeichnet – kann ich Ihre Einlassung nur am Rande verstehen. Das ist aber ein anderes Seminar.

Ich möchte gerne noch einmal zum Thema „Fächerauflösen“ eine Nachfrage stellen. Der Hintergrund ist, dass man so neoklassisch unterwegs gewesen ist, dass es Wi-derworte bzw. andere Positionen an dieser Universität nicht mehr gab. Sie wissen das. Dass Sie mit dem Kopf nicken, freut mich.

In der Tat ist die spannende Frage – Herr Goll und andere haben das bereits ange-sprochen –, ob Fächer eigentlich unser Problem lösen. Ich fasse einmal zusammen, was ich als einfacher Abgeordneter verstanden habe: Gute Bildung gibt es eigentlich nur, wenn man in einem Fach gut ausgebildet ist. Nur dann ist Bildung gut. Das habe ich als Ergebnis der Ausführung jedenfalls einiger Sachverständigen verstanden.

Dazu habe ich noch eine Nachfrage. Im Moment gibt es eine Diskussion im Zusam-menhang mit „Fridays For Future“. Darüber haben wir heute Morgen im Ausschuss diskutiert. Alle Experten sagen: Es ist doch gut, wenn sich die Kinder mit solchen The-men beschäftigen. Was den Klimawandel angeht, werden wir uns, glaube ich, schnell einig, dass das ein Thema ist, welches unterschiedliche Kompetenzen erfordert, wenn man sich damit beschäftigt. Es gilt dabei die Gebiete Ökonomie, Ökologie und Sozio-logie – das könnte ich fortführen – zu beachten. Es stellen sich also sehr viele Fragen. Die Frage ist, wie man so etwas angeht.

Finnland hat unseres Wissens sehr frühzeitig „Projektorientierung“ eingeführt. Dort will man ab 2020 im Rahmen der schulischen Bildung – soweit ich weiß ist Finnland nach

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) allen Vergleichsstudien eines der erfolgreichsten Länder – eine massive Projektorien-tiertheit verpflichtend einführen. In all den Diskussionen um die Bildung der Zukunft wird in dem Zusammenhang gesagt, dass wir Kommunikation, Kollaboration, Kreativi-tät und kritisches Denken – die vier K‘s – als Maßstab für die Bildung des 21. Jahrhun-derts brauchen.

Ich will Herrn Braukmann in diesem Punkt ausdrücklich widersprechen: Ich habe Be-denken im Hinblick darauf, dass die Beschäftigungsfähigkeit das Entscheidende ist. Vielleicht sollten es doch eher die vier K’s sein. Wenn sie es aber sind, frage ich: Was ist – in Bezug darauf, was wir den Kindern in einer Demokratie beibringen sollten – eigentlich zu Beginn des 21. Jahrhunderts richtig? Und wie kommt man eigentlich da hin? Gemessen an dem, was wir gerade gehört haben, heißt das, dass wir das alles über separate Fächer machen müssten, damit sie am Ende überhaupt zu einem Er-gebnis kommen.

Deshalb stelle ich noch einmal die Frage: Was muss eigentlich angesichts der Her-ausforderungen, vor denen wir gerade stehen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts unter-richtet werden? Könnten die vier K’s hier nicht das Entscheidende sein? Ich bitte da-rum, dass Frau Hußmann und Herr Grünwald als Erste antworten. Sie sind diejenigen, die, wenn sie Glück haben, das am längsten von uns allen erleben werden. Jedenfalls wünsche ich ihnen das. Ich würde mich freuen, wenn dann die Professoren das noch einmal aus ihrer Sicht beschreiben würden. Abschließend würde ich mich über ein Statement von Herrn Behlau, der bisher noch nicht gesprochen hat, freuen, denn ich finde, dass alle Verbände gehört werden müssen.

Anna Hußmann (Kinder- und Jugendrat Nordrhein-Westfalen): Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es Ihnen hauptsächlich darum, dass die Schüler selber im Rah-men dieser vier K’s – ich kenne mich damit nicht konkret aus – eigeninitiativ arbeiten. Das ist aber quasi unsere Arbeit, die wir im Außerschulischen machen. Die wird pro-jektorientiert und eigenständig durchgeführt. Das gibt es schon. Uns wäre viel mehr daran gelegen, das, was es gibt, besser in die Schule zu integrieren.

Ich nenne das Beispiel, dass mein Nachbar der Schule fernbleibt. In diesem Zusam-menhang sollte es Verständnis dafür geben, wenn man sich politisch engagiert. Es sollte mehr Raum dafür geschaffen werden, dass andere Meinungen in der Schule zugelassen werden und dass nicht immer nur die politische Meinung des Lehrers als die einzig richtige angesehen wird. Man sollte einfach einmal politische Debatten auch im schulischen Raum zulassen. Natürlich spielt da irgendwo auch das Projektbezo-gene eine Rolle; aber wenn es von der Schule bzw. von den Lehrern vorgekaut wird, ist man dann auch nicht mehr eigeninitiativ.

Es gibt in vielen städtischen Räumen Angebote. Ehrenamt bzw. politisches Engage-ment müssen nicht direkt im Rahmen von Jugendorganisationen einer Partei stattfin-den, sondern es gibt auch unsere Gremien. Des Weiteren gibt es noch andere Orga-nisationen, wo so etwas möglich ist. Das sollte verknüpft werden, damit es besser funktioniert und akzeptiert wird.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 30 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Nikolaj Grünwald (Landesschüler*innvertretung Nordrhein-Westfalen): Wenn wir schon heute sagten könnten, was genau für die Bildung des 21. Jahrhunderts wichtig ist, hätten wir es – das schätze ich einmal – schon erlebt. Ich versuche – als Person, die, statistisch gesehen, von den Anwesenden aller Voraussicht nach am längsten le-ben wird – einige Worte dazu zu sagen. Wenn es gewünscht wird, kann ich noch mehr auf die Entwürfe zum neuen Kernlehrplan eingehen, um es damit abzugleichen. An-sonsten kann ich das auch lassen. Ich möchte nicht Gefahr laufen, mich in meinem letzten Beitrag zu wiederholen.

Zunächst komme ich zur Einführung. Es ist offensichtlich so, dass wir nicht an den Strukturen, über die wir gerade sprechen, scheitern dürfen. Die einzelnen Fächer, die wir herausgearbeitet haben, haben eine Geschichte. Auf der einen Seite müssen wir Herausforderungen annehmen. Es kommt uns in der Landesschüler*innenvertretung häufig so vor, als sei „Digitalisierung“ ein Wortewort, das plötzlich da war. Dabei be-gegnen wir hier auch einer menschengemachten Entwicklung. Sofern wir es wollten, könnten wir sie wohl auch verhindern. Wenn wir in der Schule die gesamte Person ausbilden möchten, müssen wir an verschiedenen Fronten kämpfen. Das machen wir auch.

Bevor ich mich weiter in Allgemeinheiten verzettele, möchte ich noch etwas zum Kern-lehrplan und dazu sagen, warum er nicht das sein kann, was wir brauchen. Wir haben uns bei der Analyse an verschiedenen Dingen gestoßen. Einerseits habe ich schon erwähnt, dass wir in diesem neuen Kernlehrplan – das möchte ich noch einmal her-ausstellen – so eine Art Primat des Ökonomischen über das Politische erkennen. Es beginnt mit dem Namen, der sehr symbolisch ist. Das setzt sich fort, wenn man das liest, was auf den ersten Seiten zum Beispiel bezüglich der Segregation von politischer und ökonomischer Mündigkeit steht. Dazu frage ich: Gibt es überhaupt ökonomische Mündigkeit? Gibt es da überhaupt einen Konsens? Wenn wir uns vors Arbeitsamt stel-len und die Menschen dort sehen, stellt sich die sehr politische Frage, ob sie ökono-misch mündig sind oder ob sie es verpasst haben. Die Frage ist, ob sie nicht irgend-wann einmal durch die falsche Tür – Hartz IV – gegangen sind und sich in einer selbst-verschuldeten Unmündigkeit befinden. Das halte ich, ideologisch gesehen, für einen sehr problematischen Begriff.

Wir sprechen über Ökologie als Herausforderung. Fridays For Future“: Es ist eine tolle Sache, dass sich Schüler demokratisch engagieren, indem sie herausgehen und auch einmal gegen die Regeln demonstrieren. Insofern müssen wir uns auch fragen: Wo streckt Ökologie in solch einem Lehrplan? Ich habe mir ein wenig angeschaut, was eigentlich darin enthalten ist. Ökologie wird behandelt. Ich finde jedoch, dass das im Vergleich zur Digitalisierung in sehr enttäuschender Weise geschieht.

Ich komme auf die Lernbereiche 2.1 „Kompetenzbereich und Inhaltsfelder des Fa-ches“. Da wird nicht einmal das Wort „Ökologie“ oder irgendeine Abwandlung dieses Begriffs verwendet. Dafür geht es um Digitalisierung. Das ist, denken wir, auch eine Prioritätenfrage. Wenn wir den Lehrplan langfristig so gestalten wollen, wie es hier vorgeschlagen wurde, müssen wir das so machen, dass er keine Modeerscheinung von interessengeleiteten Gruppen darstellt – wobei die einen Gruppen immer mehr

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Geld haben als die anderen. Auch das dürfen wir offen sagen: Wir als Landesschü-ler*innenvertreter werden nicht so häufig in solche Gremien wie diesem eingeladen. Ich glaube, dass andere sehr viel mehr Kontakt zu politischen Vertreterinnen bzw. Ver-tretern haben. Umso dankbarer sind wir, dass wir hier heute eingeladen worden sind.

Ich habe noch einen letzten Kritikpunkt vorzutragen. Wir lesen aus diesem Kernlehr-plan schon jetzt eine Art von dogmatischem Charakter heraus, den wir gerne einmal zur Diskussion stellen würden. Wo ist zum Beispiel Raum für die Diskussion von alter-nativen Systemen des Wirtschaftens? Ich kann nachvollziehen, dass wir uns hier in der Unterstufe befinden. Aber auch Menschen in der Unterstufe können sich damit auseinandersetzen, dass es mehr als freie und soziale Marktwirtschaft gibt, die in die-sem Kernlehrplan als zwei Pole dargestellt werden. Das ist einfach unrichtig. Dazu muss wissenschaftlich mehr diskutiert werden.

Gerade in Anbetracht der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen – wo be-stimmte Medien schon über Spätkapitalismus sprechen, während die anderen eine neue sozialistische Bewegung sehen –, ist es im Rahmen der Tagesaktualität geboten, auch über sozialistische Ideen bzw. Konzepte des Kommunismus zu sprechen und einen Marx zu thematisieren, indem man die gesamten ideologischen Grabenkämpfe in der Schule ganz kurz einmal außer Acht lässt bzw. sie zunächst einmal abbildet. Dann kann man sich mit der Frage beschäftigen: Was brauchen wir als Bürgerinnen und Bürger? Die Schüler selbst stehen in der Verantwortung, für die Zukunft etwas auszuarbeiten. Dafür brauchen sie Begegnungsräume, in denen sie das machen kön-nen. All das würde in einen neuen Kernlehrplan gehören. Insofern ist da, denke ich, noch sehr viel Arbeit zu leisten.

Stefan Behlau (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband Nordrhein-Westfalen): Ich habe manchmal das seltsame Gefühl, als würden manche meinen, dass wir heutzutage an unseren Schulen weder über Wirtschaft noch über demokrati-sche Beteiligung sprechen. Das ist mitnichten der Fall. Ich stelle fest, dass die Schü-lerinnen und Schüler schon heute in Nordrhein-Westfalen sowohl über die Zusammen-hänge von Wirtschaft als auch über die demokratische Beteiligung sehr wohl informiert werden. Sie bekommen das dort auch vorgelebt. Auch setzen sie sich kritisch damit auseinander.

Die Frage lautet also: Wie können wir das Ganze noch ein Stück weit besser machen? Ich glaube, dass es allein darum geht. Insoweit fehlt mir bei dieser Diskussion momen-tan noch der Fokus. Sie ist meiner Meinung nach – das ist in der Schule häufig leider häufig der Fall – defizitorientiert. Dazu gehört der Aspekt, den die Kollegin Schäfer eben angeführt hat. Richtig ist, auch, dass das Weltwissen in den letzten Jahren im-mens angewachsen ist, was auch uns Lehrkräfte in der Schule vor große Herausfor-derungen stellt, denen wir begegnen müssen.

Herr Ott, Sie stellen deshalb wiederum die richtigen Fragen: Was ist richtig? Was sol-len wir den Kindern in Zukunft beibringen? Insofern möchte ich auf das verweisen, was Professor Braukmann gesagt hat und was, glaube ich, der springende Punkt ist. Ich glaube, dass wir hier nicht singulär über die Einführung einzelner Fächer zu streiten

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) haben. Übrigens bin ich der festen Überzeugung, dass sowohl die CDU-Fraktion als auch die FDP-Fraktion auf der einen Seite als auch die Grünen-Fraktion und die SPD-Fraktion auf der anderen Seite, was einen Grundkonsens angeht, gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie es hier manchmal den Anschein hat. Es ist viel wichti-ger, sich dieser Frage gemeinschaftlich zu stellen und sie vielleicht auch einmal au-ßerhalb des tagespolitischen Alltagsgeschäftes zu behandeln. Denn das größte Prob-lem, das wir zurzeit im Bereich der Schulpolitik haben – das wird auch in Zukunft so sein –, besteht in wechselnden Mehrheiten. Schul- und Bildungspolitik ist – ich bin kein Verfechter des Zentralismus – ein wichtiger Bestandteil unsers föderalen Systems. Das enthebt aber gerade deswegen die Landespolitikerinnen und Landespolitiker nicht der Verantwortung, hier perspektivisch zu denken. Perspektivisches Denken beinhal-tet auch ein Denken über die jeweilige Wahlperiode hinaus.

Wir haben etwas vom Fach „Naturwissenschaften“ gehört. Ich möchte darauf verwei-sen, dass an den Schulen vor vielen Jahren alles vorbereitet wurde. Lehrpläne wurden erarbeitet und umgesetzt. Es wurden, was die Sekundarstufen-I-Schulen angeht, schulinterne Curricula erstellt, weil eine Landesregierung sagte: Wir führen jetzt das Fach „Naturwissenschaften“ ein. Die Schulbuchverlage hatten sich darauf eingestellt; die Bücher waren angeschafft. Es kam zu einem Wechsel in der Politik, und von heute auf morgen war dieses Fach – und damit die in den Schulen von den Lehrkräften ge-leistete professionelle Arbeit – obsolet. Das war eine Missachtung und Minderwert-schätzung der Arbeit in den Schulen – nur geschuldet einer kurzfristigen Sicht auf Schule.

Ich hoffe – das zeigt die Diskussion heute –, dass dies, was das Fach „Wirtschaft“ anbelangt, nicht auch so kommen wird. Denn wir haben in der Schule viel vordringli-chere Probleme. Ich glaube, dass es wirklich an der Zeit ist, dass sich Politiker – die das Abbild unserer Gesellschaft sind – einvernehmlich darüber auseinandersetzen, was sie in Schule und was wir als Gesellschaft in Zukunft verlangen wollen. Ich habe keine Antwort auf Ihre Frage, Herr Ott, jedoch diesen Wunsch. Mein Gedanke mag ein wenig optimistisch sein, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Prof. Dr. Hedtke (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld): Ich halte erst ein-mal fest, dass die letzte rot-grüne Landesregierung sowie die davor in Vorleistung ge-gangen sind. Sie haben den Lehrplan „Politik-Wirtschaft“ nicht angetastet. Auch haben sie nicht gesagt, dass sie die Mehrheit haben und es anders machen wollen. Vielmehr hat das bis heute Bestand. Es ist die neue Regierung, die das antastet. Man kann verstehen, dass die Regierung unter Handlungsdruck steht, weil sie spontan von bei-den Wahlprogrammen abgewichen ist. Sie haben spontan das Fach „Wirtschaft“ er-funden und in den Koalitionsvertrag geschrieben. Jetzt müssen Sie liefern. Die Diskus-sion hier hat aber gezeigt: Es gibt keine guten Gründe für das Liefern. Also sind Sie noch einmal in einer schlechteren Situation. Sie müssen liefern, aber Sie haben keine guten Argumente dafür.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Insofern schließe ich mich dem Tenor meiner Vorrednerinnen und Vorredner an und sage: Man sollte an dieser Stelle einmal innehalten und versuchen, darüber nachzu-denken, was man eigentlich im Bereich „Sozialwissenschaften“ erreichen will und was das gemeinsame Bildungsverständnis in Bezug auf die Fächer „Politik-Wirtschaft“, „Sozialwissenschaften“ oder „Wirtschaft-Politik“ – wie auch immer das nachher heißen wird – ist. Man sollte innehalten und sich fragen: Was ist eigentlich die Aufgabe, die wir für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erfüllen müssen? Das Land hat aber auch die Aufgabe, Bundesbürgerinnen und Bundesbürger auszubilden. Insofern ist es nicht ganz egal, welcher Freiheitsbegriff im Lehrplan vorkommt. Wenn man ge-nau hinguckt, ist, Herr Silbernagel, ein sozialer Freiheitsbegriff gemeint. Das zeigt nur wieder, dass wir darüber diskutieren müssen, weil die Dinge unklar sind. Insofern un-terstütze ich die Initiative von Herrn Braukmann in starkem Maße.

Wir müssen entweder im gesamten gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich oder auch darüber hinaus – wenn man vorsichtiger ist, spricht man lediglich vom sozialwis-senschaftlichen Fächerbereich – über folgende Fragen nachdenkt: Was sind eigentlich konsensfähige Bildungsziele? Wie kann man diese erreichen? Des Weiteren muss man angesichts der Wissensexplosion festhalten, was wir in diesen popeligen sechs oder sieben Stunden – so viele werden es jetzt sein – leisten können. Bitte bedenken Sie, wir haben im Fach Politik-Wirtschaft oder Politik pro Disziplin ein Drittel der Zeit, die Geschichte oder Geografie für sich haben.

Die Frage ist, wie man das Problem lösen kann. Man kann bei der Bildungstheorie einmal nachschauen, wie das gelöst worden ist. Für die Sekundarstufe II kennen wir – sie ist eigentlich unbestritten – die Lösung. Wir wollen keine nach Disziplinen aufgefä-cherte Grundbildung in den Klassen 5 bis 10. Wir wollen Wissenschaftsorientierung und nicht Disziplinorientierung. Das ist etwas anderes, da gibt es einen Unterschied. Wir wollen kein kumulatives Lernen der Disziplinen. Vielmehr sollen den Kindern und Jugendlichen Weltzugänge erschlossen, die wissenschaftlich fundiert sind.

Ich kann meinen Kollegen Goll und Loerwald nur zustimmen. Die Zeit wird niemals reichen. Denn selbst wenn jetzt der Durchbruch käme und der Landtag bzw. die Re-gierung sich dafür entscheiden würden, aus den sieben Stunden zehn Stunden zu machen, reicht es immer noch nicht, um die Unmenge an wirtschaftswissenschaftli-chem, politikwissenschaftlichem, soziologischem und juristischem Wissen zusammen-zubekommen. Wir brauchen eine andere Lösung. Wahrscheinlich brauchen wir aber mehr Fächer für das Sozialwissenschaftliche, als wir jetzt zur Verfügung haben. Denn anders wird es nicht funktionieren. Ich finde, dass man ergebnisoffen darüber nach-denken muss. Es dürfen keine roten Linien gezogen werden. Vielmehr muss man sich fragen: Wie bekommen wir die Wissensexplosion bzw. die große Bedeutung dieses Bereiches eigentlich in den Griff?

Wir haben die Option für alle Fächer. Wenn ich von Digitalisierung und Verbraucher-bildung als Querschnittsaufgabe spreche, muss ich mich fragen: Wieso ist Politik eine Querschnittsaufgabe, Wirtschaft aber nicht? Das müssen wir doch einmal in Ruhe dis-kutieren. Was soll denn Querschnittsaufgabe sein? Und warum braucht man ein eige-nes Fach? Dann müssen wir darüber diskutieren, wie wir die Lehrerbildung in den Griff

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) bekommen. Natürlich hat der Kollege Goll recht, dass es eng wird, wenn jemand drei Disziplinen studiert und anschließend Sozialwissenschaften unterrichten soll. Ist es denn überhaupt richtig, dass er drei Disziplinen und nicht über den sozialwissenschaft-lichen Weltzugang studiert? Wenn man das fragen würde, käme man nämlich zu eini-gen Punkten, bei denen sich die Frage ergäbe, ob die Disziplinen nicht große Gemein-samkeiten haben. Das wäre das Y-Modell. Man könnte sagen, dass man mit den Ge-meinsamkeiten anfängt und das dann in den Klassen 8 bis 10 auffächert. Das wäre einmal ein ganz anderes Modell.

Mir fehlt in der Debatte die Kreativität, die Gründlichkeit und das Fundament. Wenn man das hinbekommen will, braucht man Zeit. Diese kann man gewinnen, indem man beispielsweise eine Enquetekommission einrichtet. Ich habe die Diskussion so ver-standen, dass all diejenigen, die hier sind, dazu bereit sind, sich ergebnisoffen daran zu beteiligen.

Ich komme zur empirischen Evidenz. Natürlich hat der Kollege recht, wenn er sagt, dass wir keine empirische Evidenz für unsere Fächer haben. Aber wir haben empiri-sche Evidenz für die Naturwissenschaften. Die hilft aber, bildungspolitisch gesehen, überhaupt nicht. Denn alle Metastudien, die es darüber gibt – dabei geht es um die Frage: Ist es eigentlich gut, das integriert oder getrennt nach Physik, Biologie und Che-mie zu unterrichten? –, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die eine Hälfte dieser hoch anspruchsvollen methodischen Studien besagt, dass es besser ist, wäh-rend die andere zum Schluss kommt, dass es keinen Unterschied macht. Wir wissen aber, dass wir die bildungspolitische Freiheit haben zu entscheiden, was wir für sinn-voll halten.

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Wir sollten – das wissen Sie besser als ich – bei der Bildungspolitik die organisatorischen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Wie wollen Sie das denn bei einem Stundenkontingent von sieben Wochenstunden für „Politik-Wirtschaft“ – wie das Fach auch immer heißen soll – machen? Wollen Sie für drei Fakultas ausbilden? Wie soll das gehen? Wer soll das bezahlen? Wer soll das organisieren? Wenn wir drei Fächer haben, werden drei Leute mit drei Fakultas benö-tigt. Das heißt, dass all bzw. viele Lehrerinnen und Lehrer drei Fächer studieren müss-ten. Oder es gibt doch wieder die Problematik, dass sie fachfremd unterrichten müss-ten; denn Sie könnten die alle an mittleren und kleinen Schulen gar nicht einstellen. Es gibt nicht so viele Stellen, dass man einen Soziologielehrer, einen Wirtschaftslehrer und einen Politiklehrer einstellen kann. Das funktioniert nicht.

Es gibt – wie der Kollege Goll gesagt hat – ein Problem beim Studium. Weiterhin gibt es ein Problem in Bezug auf die Frage, wie man das eigentlich in Bezug auf die Leh-rereinstellung an den Schulen lösen will. Des Weiteren ist zu fragen, wie das eigentlich im Stundenplan gelöst werden soll, wenn man plötzlich drei Fächer braucht. Das braucht Zeit. Eine Lösung sehe ich nicht. Ich finde also, dass man sich zusammenset-zen und über gemeinsame Lösungen nachdenken muss.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Herr Ott, Sie haben nach den Kompetenzen für das 21. Jahrhundert gefragt und die vier K’s vorgeschlagen. Ich bin völlig damit einverstanden. Man könnte aber quer dazu noch eine Zweier-Unterscheidung treffen. Ich glaube, dass allgemeine Bildung im 21. Jahrhundert zur Bewältigung von Lebenssituationen befä-higt. Das ist kein ganz neuer Gedanke. Er ist schon in den 60er-Jahren ins Schulsys-tem getragen worden. Über die Lebensbewältigung hinaus sollte allgemeine Bildung auch ein Verständnis von Welt – und damit auch eine Teilhabe an derselben – ermög-lichen. Wenn es stimmt, dass Ihre vier K’s zusätzlich mit der Bewältigung von Lebens-situationen und dem Verständnis von Welt zum Erfolg führen würden, kann ich mir kein Bildungssystem vorstellen, wo ökonomische Kompetenzen keine Rolle spielen. Das gehört integrativ dazu.

Die Diskussion ist, was das anbelangt, schon weiter. Herr Braukmann hat gesagt, die Diskussion habe sich nicht entwickelt, deshalb benötige man eine Enquetekommis-sion. Ich glaube aber, dass sich die Diskussion bereits entwickelt hat. Noch vor drei Jahrzehnten hat man darüber gestritten, ob ökonomische Bildung überhaupt in die all-gemeinbildende Schule gehört oder ob das nicht etwas ist, was man ausschließlich in den beruflichen Schulen behandelt. Über diese Frage gibt es keinen Dissens. Es geht aber um die Frage des Maßes bzw. des Umfangs sowie darum, mit welchen Diszipli-nen zusammen das behandelt werden soll.

Die Frage entzündet sich immer an den Schulfächern. Wir merken, dass wir eigentlich, abgesehen von Herrn Grünwald, das Thema verfehlt haben. Der hat in seiner Antwort als Einziger etwas dazu gesagt, wie man mehr Demokratiebildung in den Schulen um-setzen könnte. Der Antrag heißt ja „Mehr Demokratie wagen“ und nicht „Schulfach Wirtschaft?“. Wir reden die ganze Zeit über das Schulfach „Wirtschaft“. Ich kann die Logik nicht verstehen, dass man für ein Mehr an Demokratiebildung unbedingt ein We-niger an ökonomischer Bildung braucht. Ich weiß, dass das nicht so gemeint ist; jedoch reden wir die ganze Zeit so darüber.

Ich finde – vielleicht brauchen wir keine Enquetekommission –, dass hier eine Arbeits-gruppe hilfreich wäre, die sich schlau überlegen würde, wie man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen. Dann können wir hier auch über Demokratiebildung reden. Dazu würden Sie mich wahrscheinlich nicht einladen, weil ich mich darauf nicht spezi-alisiert habe. Herr Goll könnte trotzdem kommen und Ihnen etwas zur Diskussion in Bezug auf die politische Bildung sagen. Man könnte über schulische bzw. Fachkon-zepte nachdenken. Auch Herr Grünwald müsste dann kommen, denn er hat als Einzi-ger das Thema nicht verfehlt.

Über die Frage, ob es insgesamt Schulfächer geben soll oder nicht, kann man – das ist eine andere Diskussion – sprechen. In dem Moment, wo NRW sagt, dass es keine Schulfächer mehr macht, würde ich hier – das ist klar, weil es dann keine mehr gibt – auch kein Schulfach „Wirtschaft“ mehr fordern. In dem Moment, wo Sie das im Rah-men von Projekten durchführen, müssen Sie sicherstellen, dass das organisiert wird.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Außerdem geht es dann um die Frage, wie Sie die Fachkompetenz sicherstellen kön-nen. Das ist eine sehr komplexe Aufgabe.

Es gab einmal ein Projekt – das kenne ich ansonsten nur aus dem Bereich der Öko-nomischen Bildung – „Klasse 8 Dotcom“. In dessen Rahmen hat der Südwestfunk eine 8. Klasse, die als nicht mehr beschulbar galt und von der man sich in Bezug auf das laufende Schuljahr keine großen Hoffnungen mehr gemacht hatte, einfach herausge-nommen und – in der Hoffnung, dass die Schüler dort alles lernen: rechnen, schreiben, lesen sowie die wichtigen ökonomischen Dinge, auch Employability – vier Schülerfir-men gegründet. Das ist völlig in die Hose gegangen. Es war ein katastrophales Projekt, weil es kein didaktisches Konzept hatte.

Wenn man so etwas machen wollte, müsste man sich Folgendes fragen: Wie stelle ich Fachkompetenz sicher? Wie können in Schulen Projektteams eingerichtet werden, welche die entsprechenden Kompetenzen mitbringen? Das ist eine spannende Frage. Solange es das aber nicht gibt und wir nach Fächern organisierte Schulsysteme ha-ben – wofür auch einiges spricht –, würde ich sagen: Wenn man ein wichtiges Bil-dungsanliegen hat, sollte man es in einen fachlichen Rahmen packen, der dafür ange-messen ist. Dann ist es in Bezug auf so etwas wie Ökonomische Bildung kein Haupt-fach mit vier Wochenstunden, vielleicht aber ein Nebenfach.

Prof. Dr. Thomas Goll (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften, Technische Universität Dortmund): Vielen Dank für die Frage in Bezug auf die vier K’s. Aus meiner Sicht fehlt ein fünftes „K“, nämlich dasjenige, welches für Konzepte steht. Das alles ist inhaltsleer. Es handelt sich um Kompetenzbeschreibungen, die erst noch gefüllt werden müssen. Wir wissen jetzt zum Beispiel aus der ICCS-Studie, die sich mit politischer Bildung beschäftigt, dass das Wissen der Schüler in Nordrhein-Westfalen, was dieses Fach anbelangt, jetzt nicht so wirklich beglückend ist.

Es kommt also nicht darauf an, irgendwie zu kommunizieren. Man kann doch nur über etwas kommunizieren, wenn man darüber etwas sagen kann. Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Die Grenzen werden dadurch festgelegt und nach außen verschoben, wenn man einen inhaltlichen Kern hat. Sonst redet man über schwarze Löcher, in denen alles verschwindet. Das ist aber nicht der Sinn der Sache. Das heißt, wenn wir Schule so organisieren wollen, dass wir zu Ergebnissen kommen, kann man sie niemals ohne konzeptuelles Wissen definieren.

Damit sind wir bei der Frage der Wissensgesellschaft. Es besteht offensichtlich ein sehr breiter Konsens darüber, dass wir immer mehr wissen bzw. mit Wissen überladen werden. Das Wissen ist aber fraktal aufgebaut. Wir wissen doch nicht viel mehr in der Breite, sondern gehen, was das Wissen anbelangt, immer spezifischer in die Tiefe. Das bedeutet, dass viele Wissensbestände, die wir in der Grundstruktur haben, auf der Oberfläche relativ stabil bleiben. Im Kontext von Wissenschaftlichkeit – sie produ-ziert dieses Wissen im Wesentlichen – gibt es immer Aushandlungsprozesse. Dabei geht es um die Frage: In wie starkem Maße gehen wir in die Vernetzungen, Vertiefun-gen oder Verästelungen? Wir produzieren an den Rändern und in den Tiefen sehr viel

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) mehr neues Wissen. Trotzdem bleiben die Grundstrukturen im Wesentlichen erhalten. Ich wüsste keine großartige revolutionäre Entdeckung oder Erfindung im Bereich der sozialwissenschaftlichen Bildung, die unsere Welt in den letzten Jahrzehnten massiv vom Kopf auf die Füße – oder umgekehrt – gestellt hätte. Wir reden häufig über ähnli-che Konzepte.

Das heißt, dass wir, von der Logik ausgehend, Menschen brauchen, die in der Lage sind, diese Grundstrukturen – damit sind wir wieder bei den Konzepten der Fachlich-keit – zu verstehen und zu thematisieren. Damit sind wir bei Schulfächern. Schulfächer stellen einmal eine völlig kontingente Struktur, zum anderen eine traditionelle Struktur dar. Beides geht ineinander über. Irgendwann einmal sind sie beliebig so organisiert worden, wie sie uns jetzt – und zwar als stabil – erscheinen. Dabei geht es um die Tradition, die wir fortschreiben.

Im Ländervergleich sehen wir, dass es überall anders gemacht wird. In den angelsäch-sischen Schulsystemen gibt es ein Fach „Science“, das die naturwissenschaftlichen Disziplinen umfasst. Außerdem gibt es ein Fach „Humanities“, das die gesellschafts-wissenschaftlichen Disziplinen umfasst. Wir in Deutschland leisten uns – das gilt in allen Bundesländern – das Fach „Sachunterricht“, wo diese beiden Fächer in der Grundschule zusammen unterrichtet werden, während das in allen anderen Schulsys-tem auseinandergezogen wird. Man sieht, es ist relativ beliebig, wie es gemacht wird. Es hat aber, was die Organisation bzw. Institution angeht, Folgen. Jede Institution stellt zunächst einmal eine Grundlage für Handeln dar. In diesem Handeln der Institutionen werden jeweils soziale Praktiken ausgeprägt, die dann sehr dominant werden und vor allem relativ schnell zu Scheuklappeneffekten führen. Der Scheuklappeneffekt besteht darin, dass gemeint wird: So, wie es ist, ist es gut, weil es schon immer so war. Es ist schon immer gutgegangen usw. usf. Es geht aber nicht gut. Das sieht man, wenn man sich die Ergebnisse der Schulleistungsvergleichsstudien anschaut. Dementsprechend ist das Nachdenken über Alternativen nicht nur legitim, sondern erforderlich, um zu sehen, was die Stärken und die Schwächen der jeweiligen Strukturen, wie wir sie hier vor Ort haben, sind.

Ihre Frage bezog sich auf Einzelfächer. Das ist aber nicht die Frage. Vielmehr geht es um die Frage: Leisten wir innerhalb der Strukturen, die wir uns selber geben, tatsäch-lich das, was wir uns auf die Fahne geschrieben haben? Da sollten wir ergebnisoffen sein und nicht von vornherein sagen: Das, was da überdacht wird, ist Mist. Das ist es nicht. Es muss sich erst erweisen, ob es etwas taugt. Danach können wir eine sinnvolle Diskussion führen.

Prof. Dr. Ulrich Braukmann (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Gründungspädagogik und Gründungsdidaktik, Bergi-sche Universität Wuppertal): Ich möchte zunächst einmal bei Ihnen, Herr Ott, Abbitte leisten. Als ich von „Employability“ sprach, war es das falsche Wort. In der Theorie ist es eigentlich das Situationsprinzip. Ich habe mich sehr vorschnell dazu hinreißen las-sen, das unpräzise Wort „Employability“ zu nennen. Sie haben mit Ihrer Kritik recht.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Ich nehme das Wort zurück. Gerade im allgemeinbildenden Bereich kann die Emplo-yability nicht zu direkt im Vordergrund stehen. Insofern haben Sie mich angemessen darauf aufmerksam gemacht.

Ich empfinde die Darlegungen des Kollegen Loerwald als schwierig. Das, was er aus-führte, ist, von einer wissenschaftstheoretisch fundierten Perspektive aus gesehen, nicht hinnehmbar und nicht akzeptierbar. Die Frage nach dem Nukleus bzw. Spektrum des Allgemeinbildenden wurde schlicht und einfach nicht beantwortet. Auch wenn sie beantwortet wird, muss sie in der Breite der Bevölkerung auf entsprechende Akzep-tanz stoßen.

Damit bin ich bei Ihren vier K’s: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken. Das könnte ich, Herr Ott, mit sehr vielen attraktiven anderen Begriffen aus der Methodik der Wirtschaftsdidaktik, aber auch aus der Didaktik der Sozialwissen-schaften heraus – das Fach vertrete ich auch – ergänzen bzw. erweitern.

(Jochen Ott (SPD): Ich wollte Sie herausfordern!)

– Das tun Sie ja, Herr Ott! Ich gebe mir aber maximal Mühe, mit Ihnen in einer Kon-sensbeziehung zu stehen. Jedoch sage ich: Das ist eben Ausdruck dieser individuel-len, fragmentierten jeweiligen Präferenzstruktur. Ich schließe mich den Vorrednern sehr gerne an, die sich alle – insofern, Herr Silbernagel, ist das hier heute wirklich eine konstruktive Sitzung – irgendwie mehr in Richtung aufeinander zu bewegen. Hier wird nicht mehr pauschal gefordert, das Fach nicht zuzulassen, sondern von den ver-schiedensten Rednerinnen und Rednern wurde gesagt, dass man diese Brücke nutzen sollte, um für alle eine vertretbare Lösung herbeizuführen und einen jahrzehntelangen Prozess, bei dem es ständig hin und her ging, zu beenden. Dieser Prozess war im Hinblick auf die institutionelle Etablierung unergiebig.

Vor diesem Hintergrund wäre es sehr wertvoll, wenn man das machen würde, was Herr Silbernagel am Rande mit eingefordert hat. Man sollte sich auch an dem orientie-ren, was die Theorie der Schule bezüglich der Sinngebung bzw. Sinnstiftung und Funk-tionalität der Schule für die Gesellschaft offeriert. Dabei geht es auch um die Frage, worüber wir überhaupt verfügen dürfen bzw. können. Deswegen wäre es, weil wir mehr Dynamik haben, ganz gut, wenn der Bogen breiter gespannt werden würde.

Wir haben die Schulen nach den Hardenberg’schen Reformen im Sinne von Wilhelm von Humboldt aufgebaut. Er hat zum Beispiel das Gymnasium in starkem Maße vor-strukturiert und das Allgemeinbildungsverständnis in den Vordergrund gestellt. Das hat über Jahrzehnte hinweg erfolgreich gewirkt. Jetzt kommen wir in Zeiten hinein, wo es sinnvoll ist, die vier K’s zu nennen. Auch ist es jetzt sinnvoll, über eine Neuausrichtung nachzudenken. Wir sind in einer gewissen Trägheit verankert. An den Universitäten haben wir Studiengänge und Professuren. Wir wollen niemanden arbeitslos machen. Es ist nicht so einfach, eine Professur aufzulösen und eine neue zu schaffen. Auch für ein so reiches Land wie Nordrhein-Westfalen sind die Gelder letztlich begrenzt. Vor diesem Hintergrund verharren wir in sehr starkem Maße im Stabilitätskontext. Sicher-lich brauchen wir die wertvollen Impulse aus der FDP-Fraktion, genauso aber auch die vonseiten der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Wahrscheinlich müssen wir uns – das haben Sie, Herr Goll, letztlich indirekt angespro-chen – paradigmatisch neu aufstellen, wenn wir uns wappnen wollen. Da besteht si-cherlich ein erheblicher Bedarf. Insofern ist ein Antrag, jetzt das Fach „Wirtschaft“ ins Leben zu rufen, sicherlich verdienstvoll. Man macht sich Mühe, weil man das mit guter Absicht auf den Weg bringen will. Das ist aber vielleicht sogar ein wenig kontraproduk-tiv im Hinblick auf das Anliegen, was hier jetzt insgesamt ansteht.

Alle Vorredner haben deutlich Folgendes gesagt: Die Erziehungs- und Bildungsideale der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte sind weiterhin gültig. Sie bedürfen aber auch einer strikten Überarbeitung. Das könnte sich auch in den Strukturen von Fächern – auch was die Einführung neuer Fächer anbelangt – abbilden. Dabei könnte es auch um ein Fach gehen, das die Inter- und Transdisziplinarität widerspiegelt. Das erfahren wir auch im allgemeinen Leben. Da geht es auch nicht um Probleme, die eine einzige Schublade betreffen. Vielmehr gibt es verschiedene Schubladen. Deswegen müssen wir sowieso neu denken. Da ist ihr Ansatz in Bezug auf die vier K’s unter anderem sicherlich ein Impuls, das Etablierte und Träge – gegebenenfalls kann das mittel- und langfristig gefährlich sein – aufzubrechen. Dieser Ansatz ist vielleicht ganz gut. Wir sollten in dieser Richtung versuchen, Parlamentarier zu einem Konsens zu bringen, den sie möglicherweise demonstrativ im Landtag praktizieren und in die Bevölkerung hinein kommunizieren können. Die unendlichen Streitereien auf Podiumsdiskussio-nen, die wir erfahren haben, sollten beendet werden. Herr Sträßer von der CDU hatte berechtigterweise vorgetragen, dass das in Zeitschriften etc. erfolgt. Vielleicht würde sich das dann ein wenig moderater gestalten und hätte gegebenenfalls mehr konstruk-tive Anteile. Das wäre der Fall, wenn der Landtag da vorangehen und den Maßstab eines neuen politischen Verantwortungs- wie auch Gestaltungsmoments in den Vor-dergrund stellen würde.

Martin Sträßer (CDU): Ich möchte an das anknüpfen, was zuletzt gesagt wurde. Denn es ist mir in der Tat wichtig, die Debatte nicht mit großen Gegensätzen zu befrachten, indem wir uns zum Beispiel auf das Thema „Fächerstrukturen“ konzentrieren. Ich möchte das einfach einmal auf das herunterbrechen, was auch Gegenstand des Koa-litionsvertrages, aber auch der Anträge – zumindest unseres Antrages – ist. Dabei geht es um den Kernlehrplan.

Frau Schäfer hat mit Blick auf den Kernlehrplan „Wirtschaft-Politik“ gesagt, dass sich da so viel gar nicht ändert. Herr Behlau hat festgestellt, dass das nicht neu, sondern besser gemacht werden soll. Das ist schlichtweg der Anspruch. Anstoß war, dass der Eindruck – dabei geht es auch um die öffentliche Diskussion bzw. um Wahlkämpfe und Wahlprogramme – besteht, dass die Themenbereiche der ökonomischen Sachver-halte in den Schulen bisher noch nicht ausreichend dargelegt werden. Wir versuchen, das jetzt entsprechend umzusetzen.

Es gibt eine Wechselwirkung zwischen freiheitlicher Wirtschaftsordnung und freiheit-lich-demokratischer Grundordnung. Ich könnte auch umgekehrt sagen, dass eine frei-heitlich-demokratische Grundordnung auf eine freiheitliche Wirtschaftsordnung Aus-wirkungen hat. Dass dazwischen Beziehungen bestehen, ist doch hier in diesem Raum

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) hoffentlich Konsens. Ich finde es eigentlich ganz normal, dass man das in einen stär-keren Bezug zueinander bringt.

Ich möchte zu einer Feststellung von Herrn Professor Hedtke Stellung nehmen. Es ist nicht richtig, dass die schwarz-gelbe Regierung unter Professor Rüttgers hier den An-fang gemacht hat. Die entsprechende Rahmenvorgabe stammt aus dem Jahr 2001 und ist eine rot-grüne Vorgabe. In ihr wurde festgestellt, dass die Wirtschaftswissen-schaften eine Bezugswissenschaft der politischen Bildung sind. Es wurde zuletzt im-mer wieder von unterschiedlichen Rednern eingefordert, das wieder stärker in einen Bezug zueinander zu bringen. Es gab aus einem Wahlkampf heraus – in Wahlkämpfen wird so etwas noch sehr verstärkt – Aufgeregtheiten.

Wenn es jetzt um die praktische Umsetzung geht, würde ich sagen: So weit sind wir da doch bei allem gar nicht auseinander. Ich gehe jetzt – um auf Herrn Grünwald ein-zugehen – noch ein bisschen weiter. Herr Grünwald sagte, er vermisse, was den in-ternen Lehrplan angeht, das Thema „sozialistische Alternative“ sowie andere planwirt-schaftliche Ansätze. Ich bin sehr dafür, dass das in den Schulen eine Diskussions-grundlage sein wird. Denn für die heutige Generation sind die Erfahrungen mit sozia-listischer Planwirtschaft eigentlich eher schon – jetzt könnte ich auf Herrn Seifen ver-weisen – Teil des Geschichtsunterrichts. Zu unserer Zeit war das noch Teil des Poli-tikunterrichts oder der täglichen Erfahrungen. Insoweit muss man das sicher mit hin-einnehmen. Das sehe ich auch im Hinblick auf den Ansatz der Kernlehrpläne.

Herr Professor Hedtke, es stimmt nicht, dass der Begriff „Freiheit“ in den Kernlehrplä-nen gar nicht oder nur in ökonomischem Zusammenhang vorkommt. Ich bin das ge-rade einmal durchgegangen. Das fängt an bei den Freiheiten der EU-Bürgerinnen und Bürger an und geht weiter mit den Freiheitsrechten der Kinder und Jugendlichen im Bereich gesellschaftlicher Normierungsprozesse. In ganz vielen Inhaltsfeldern spielt das eine Rolle. Man sollte einfach ein bisschen ehrlicher mit dem umgehen, was da vorhanden ist. Mit Blick auf Frau Schäfer sage ich es noch einmal ein wenig intensiver: Soviel ändert sich dann nicht.

Das war jetzt – Entschuldigung! – die lange Einleitung für eine Frage. Ich möchte an das Jahr 2001 anknüpfen. Dabei ging es um den Bezug zwischen Wirtschaftswissen-schaften und politischer Bildung. Wir müssen die Entwicklung der Welt um uns herum sehen. Dabei geht es nicht nur um Nordrhein-Westfalen, Deutschland und Europa, sondern um die Welt insgesamt. Insofern ist zu fragen: Ist es deshalb nicht eine kon-sequente Weiterentwicklung, wenn wir sagen, dass wir auch wirtschaftliche Sachver-halte stärker in eine Beziehung zur politischen Bildung – dabei geht es auch um eine stärkere Schwerpunktsetzung – setzen müssen. „Schwerpunktsetzung“ ist vielleicht eine schwierige Formulierung. Wir sollten das aber in einen stärkeren Zusammenhang bringen.

Herr Professor Goll hat darauf in seiner Stellungnahme verwiesen. Insofern gebe ich ihm jetzt bei der Beantwortung den Vorzug. Vielleicht kann man auch aus der Praxis heraus dazu noch Antworten geben.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Prof. Dr. Thomas Goll (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften, Technische Universität Dortmund): Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, geht es darum, ob politische und auch ökonomische Urteilsfähigkeit ohne das jeweils andere gedacht werden können oder nicht. Die Antwort lautet ganz einfach: Nein. Das gilt für alle Bereiche, in denen wir uns bewegen und in denen diese Felder miteinander in Bezug stehen.

Man kann sich natürlich Aspekte von Urteilsfähigkeit vorstellen, wo das eine schwä-cher als das andere ausgeprägt ist. Die Entscheidung, was für ein Produkt man erwirbt, ist nicht zwingend politisch konnotiert, kann es aber sein. Wenn man zum Beispiel etwas boykottieren will, kann man viele schöne politische Ideen haben, die ökono-misch nicht unterfüttert sind. Dann taugt das nichts. Das gehört also zusammen. Es ist am besten aufeinander zu beziehen, indem man die zwei Ebenen der Sach- und der Werturteile deutlich im Blick behält. Sich Sachurteile zu bilden heißt, sich in der Sache soweit kundig zu machen, dass man keine fehlerhaften Schlüsse zieht. Ein Werturteil kann nicht ohne Präferenzen gefällt werden. Das wird weltanschaulich different sein.

Franziska Müller-Rech (FDP): Ich komme auf die konkreten Anträge zurück. Dazu habe ich eine Frage an Frau Balbach. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme, dass der Antrag von SPD und Grünen – ich zitiere – „in geradezu manipulativer Weise vorgibt, Demokratiekompetenz fordern zu wollen, um das Fach Wirtschaft verhindern zu kön-nen“. Können Sie uns bitte noch einmal konkret aus dem Modellversuch „Fach Wirt-schaft an Realschulen“ insbesondere im Hinblick darauf berichten, welchen Einfluss das Schulfach „Wirtschaft“ bzw. dieser Schulversuch auf die politische Bildung hatte? Hat sie darunter gelitten? Ist sie dadurch vielleicht eher noch verstärkt worden? Oder gab es keine Veränderung? Können Sie bei der Beantwortung auch Bezug auf das nehmen, was Professor Hedtke in der letzten Runde gesagt hat?

Brigitte Balbach (lehrernrw): Ich kann Ihre Frage erst einmal mit einem klaren Nein beantworten. Es gab da keine Negativeinflüsse. Ich möchte aber auf den von Ihnen gerade angeführten Gedanken eingehen. Dabei geht es um die Frage: Wie ist es über-haupt dazu gekommen, dass man die Demokratieförderung dem Fach Wirtschaft ent-gegengesetzt hat? Ich hatte schon zu Beginn meine Schwierigkeiten damit. Da sehe ich – das muss ich gestehen – keinen Gegensatz. Auch sehe ich nicht, dass in irgend-einer Weise das Eine das Andere großartig berühren würde bzw. dass es sich um Alternativen handelt.

Ich sehe schlicht und ergreifend – ich denke da einmal sehr politisch – Folgendes: Das Fach ist unter einer rot-grüner Regierung entsorgt worden. Es war unerwünscht. Das ist, finde ich, legitim. Es ist aber eben nicht meine oder unsere Richtung. Jetzt stellt sich die Frage: Wollen wir wirklich dabei bleiben? Diese Regierung hat schon davor dafür gestanden, das Fach „Wirtschaft“ einzuführen und dafür zu sorgen, dass es an der Stelle für die Schülerinnen und Schüler eine gute Ausbildung gibt.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Ich glaube, dass es heute mit Blick auf die Digitalisierung noch in sehr viel stärkerem Maße notwendig ist, diesen Schritt zu tun. Es ist auch notwendig im Hinblick darauf, wie früh Kinder über recht viel Geld verfügen und schauen müssen, wie sie damit zu-rechtkommen, wie sie ihre Berufswahl treffen usw. Ich denke, es ist darum ganz wich-tig, dass man das nicht gegeneinander stellt, sondern es zusammen denkt.

Ich kann nicht erkennen, dass die beiden gestellten Anträge in einem gewissen Ge-gensatz zueinander stehen. In meinen Augen geht es nach wie vor lediglich um eine ideologische Absicht, die schon während der letzten rot-grünen Regierungszeit umge-setzt worden ist. Jetzt gibt es eine andere Regierung, und man wird schauen, ob es dazu kommt, dass das Fach „Wirtschaft“ – das halten wir für notwendig – auf den Weg gebracht wird.

Ich glaube auch, dass es, was manche Stellen angeht, gar nicht möglich ist, dass sich alle im Konsens befinden, wenn sie den Landtag verlassen. Dann wüsste ich nicht, warum wir noch wählen gehen sollten. In diesem Fall wäre quasi alles gleich. Man ist ja leidenschaftlich in Bezug auf bestimmte Dinge, für die man steht. Mein Verband hat schon immer dafür gestanden, dass, was das Fach „Wirtschaft“ betrifft, klare Kante gezeigt wird. Wir haben es immer schon für wichtig erachtet, dass Familienunterneh-men, Wirtschaftsverbände usw. auch in den schulischen Bereich einbezogen werden. Sie müssen da aber nicht vorturnen. Vielmehr sollte darauf geschaut werden, was Menschen hinterher machen. Das ist heute umso notwendiger. Deshalb glaube ich, dass dieses Gegeneinandersetzen – dabei geht es um die angebotenen Alternativen – nicht in Ordnung ist. Diese Alternativen sind nämlich keine Alternativen.

Die Demokratie nach vorne zu bringen, ist nicht die Aufgabe von Lehrkräften bestimm-ter Fächer, sondern aller Lehrkräfte in jedem einzelnen Unterricht. Deshalb fand ich manche Äußerungen etwas quer und ideologisch, denn sie hatten kein Fundament. Das Fundament muss sein, dass wir in jedem einzelnen Unterrichtsfach demokrati-sche Strukturen nicht nur erklären, sondern leben, und dass wir dafür sorgen, dass Kinder andere ausreden lassen und Statements abgeben können, die von anderen akzeptiert werden. Das ist unsere Aufgabe, damit wir dieses Gegeneinander nicht le-benslang fortführen müssen. Gleichzeitig muss es aber möglich sein, die Meinung an-derer zu akzeptieren.

Wir mussten damals die Meinung von Rot-Grün akzeptieren. Das Fach wurde entsorgt. Jetzt hoffen wir, dass es wieder zurückkommen und damit auch Kompetenz in wirt-schaftlichen Bereichen fortgeführt werden kann. Wir möchten auch sehr gerne an den Modellversuch anknüpfen, den wir – nicht mein Verband, sondern die Lehrkräfte mit den Eltern und den Schülern – mit sehr viel Herzblut durchgeführt haben. Wir wären froh, wenn die daraus entstandene Expertise – die wurde auch festgehalten – weiter-geführt werden könnte. Das ist unsere Absicht. Wir werden sehen, welche Entschei-dung hier im Hause fällt.

Ich bin der Ansicht, dass es unglücklich war, dass das Erlernen von Demokratie dem Fach Wirtschaft entgegengesetzt wurde. Ich fände es sehr gut – da gebe ich Herrn Sträßer recht –, wenn an der einen Stelle gemeinsam gedacht werden würde. Man sollte nicht versuchen, zugunsten der eigenen Sache etwas abzuschießen, was der

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) andere als wichtig empfindet. Ich glaube, dass man an der Stelle, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist, durchaus auch bestimmte Dinge, die andere nach vorne bringen wollen, anerkennen und akzeptieren kann.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sprache macht ja auch etwas. Hier soll nichts abgeschossen werden. Genauso wenig ist es der Fall, dass das Fach „Wirtschaft“ entsorgt worden ist. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass der Modellversuch ausgelaufen ist. Es wurde gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass das in der Realschule vor allen Dingen auf Kosten der Sozialwissenschaften gegangen ist. Bezogen auf die Ebene, die Sie bei der Formulierung verwandt haben, ging es vor allen Dingen, was die Inhalte anbelangte, um die allgemeine Finanzkompetenz, die dort vertreten war. Das ist – auch unter Einbeziehung von Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirt-schaftswissenschaftlern – in einen Prozess übernommen worden, Kompetenzbereiche zu beschreiben.

Herr Silbernagel, ich darf Sie einmal korrigieren: Rot-Grün hat nicht vorgehabt, ein Fach „Verbrauchererziehung“ – das schon mal gar nicht – einzuführen, sondern das Fach „Hauswirtschaft“ im Bereich „Ernährung, Gesundheit und Verbraucherbildung“ zu innovieren. Ansonsten hat es – genau wie bei der Ökonomischen Bildung – eine Rahmenvorlage gegeben. Das sollte einmal klargestellt werden; denn das ist schon ein bisschen etwas anderes.

Ich will Ihnen verraten, dass ich zusammen mit Herrn Sträßer auf einer Tagung zur Stärkung der politischen Bildung in Hofgeismar gewesen bin. Die haben wir dort beide – übrigens ganz im Konsens – kommentiert. Das Thema „Verbraucherbildung“ haben wir unter Rot-Grün zusammen mit der CDU im Konsens gestaltet und vorange-bracht. Aus diesem Grund bin ich für Ihren Appell, die Diskussion zu öffnen, um aus einer vermeintlichen Konfrontation herauszukommen, auch sehr dankbar. Wenn das geschähe, wäre ich mit dabei. Schauen wir einmal, wie uns das – auch unter Einbe-ziehung der Expertise der Landesschüleri*nnenvertretung sowie des Kinder- und Ju-gendrates – gelingen wird.

Meine Fragen beziehen sich auf diesen Bereich. Es geht jetzt nicht nur darum, dass „Politik-Wirtschaft“ jetzt „Wirtschaft-Politik“ heißen soll. Im Kernlehrplan gibt es in der Tat eine größere Separierung der Bereiche. Lieber Kollege Sträßer, das ist, was die Änderung anbelangt, so. Ich möchte aber auch noch einmal auf die anderen Schulfor-men schauen. Da wäre, Herrn Behlau, Ihre Einschätzung sehr wichtig. Warum brau-chen es die Schulen jetzt, dass die Lernbereiche der „Arbeitslehre“ sowohl in der Haupt- wie in der Gesamtschule umfirmiert werden? Es soll jetzt „Wirtschaft und Ar-beitswelt“ heißen. Die Fächer „Hauswirtschaft“, „Technik“ und „Wirtschaft“ liegen ja darunter. Auch die haben ein eigenes Profil sowie eine eigene Fachwissenschaft und sind nicht der Wirtschaft untergeordnet. Hier wird also ein ganz falsches Signal ge-setzt. Wir müssen uns schon damit auseinandersetzen, was das inhaltlich bedeutet. Ich bitte, auch darauf einmal zu schauen. Kollege Sträßer nickt. Das ist ein erstes po-sitives Zeichen. Darüber sollten wir also einmal sprechen.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Herr Behlau, brauchen das die Schulen jetzt eigentlich? Auch Frau Schäfer hat darauf hingewiesen. Auch Sie möchte ich – auch in Bezug auf die Frage, was im Bereich der Lehreraus- und -fortbildung notwendig ist – um Kommentierung bitten. Ist es nicht – auch im Sinne von Fachlichkeit – notwendig – da bin ich ganz bei denen, die in der Hochschule arbeiten – zu sagen: Wir brauchen für die Fächer, die studiert werden, zwei Standbeine, eins für den Bereich „Gesellschaftswissenschaften“ und eins für den Bereich „Ökonomie“? Wir haben überhaupt keinen Dissens darüber, dass auch Öko-nomische Bildung genauso wie Politische Bildung in die Schule gehört. Aber braucht man nicht zwei Standbeine, die im gesellschaftswissenschaftlichen Feld verortet sein müssen? Dann kann ein Standbein natürlich auch die Ausbildung im Bereich „Wirt-schaft“ bzw. „Ökonomische“ Bildung betreffen.

Der Kern – dabei geht es um das, was Herr Braukmann als „Unique“ bezeichnet hat – sollte klar erkennbar sein. Deswegen benötigen wir einen Diskurs in Bezug auf die Frage, was da eigentlich hineingehört. Dabei geht es um mehr als allgemeine Finanz-kompetenz. Muss also das gesellschaftswissenschaftliche Feld in den Schulen insge-samt nicht gestärkt werden? Ist es nicht notwendig, bei der Lehrerausbildung diese beiden Standbeine zu haben, damit man die Frage der Fächerintegration auch hinbe-kommen kann? Es wäre mir sehr wichtig, wenn das aus Sicht der Lehrerverbände GEW und VBE kommentiert werden würde.

Wir sollten uns darüber unterhalten, was jetzt eigentlich inhaltlich in den Schulen ge-schehen soll, damit eine Fächerkombination – wie auch immer sie aussehen wird – gefüllt werden kann. Ich habe mit meinem Partner bei der Antragstellung zwar noch nicht darüber gesprochen: Aber wie wäre es, die Anträge erst einmal zurückzustellen und – und zwar unter Einbeziehung auch der Schülerinnen und Schüler – in diesen Prozess hineinzugehen? Dabei geht es auch um die Zukunftserwartung der Schüle-rinnen und Schüler, die fragen, was sich da eigentlich abspielen soll. Das wäre viel-leicht ein gangbarer Weg. Deswegen finde ich diese Anhörung sehr wertvoll. Wir könn-ten doch solch einen Weg gehen. Dann bräuchte man eine Übergangsregelung für das nächste oder das übernächste Schuljahr. Man könnte sich dann aber inhaltlich anders in Bezug darauf aufstellen, was in Schule eigentlich zukunftsorientiert vorkom-men soll. Wenn die Hochschulen dann noch darauf reagieren würden und wir das dann noch im Rahmen einer Rahmenvorgabe im Wissenschaftsbereich aushandeln könn-ten, wären die Dinge, glaube ich, besser aufgestellt.

Meine Frage ist, ob die Landesschüler*innenvertretung das begrüßen würde. Wie se-hen die Lehrerverbände das? Des Weiteren bitte ich die Professoren, für einen solchen Prozess zur Verfügung zu stehen.

Nikolaj Grünwald (Landesschüler*innvertretung Nordrhein-Westfalen): Ich möchte am Anfang noch etwas Grundsätzliches betreffend den Konsens in dieser Runde klären. Wir als Landesschüler*innenvertretung lehnen die Einführung des Fachs „Wirtschaft“ – zumindest in der Form, wie sie uns vorliegt – immer noch ab. Wir sind aber selbstverständlich, was die Gesellschaftswissenschaften und die Stärkung

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) der Partizipationsmöglichkeiten von Schüler*innen betrifft, für einen Prozess der Dy-namisierung in der Fächerlandschaft offen.

An dieser Stelle sagen wir gerne zu, dass wir dabei sind, wenn ernsthaft darüber ge-sprochen wird, die Anträge zurückzuziehen und solch eine Fächerlandschaft zu öffnen. Wir sind gerne dabei, wenn ernsthaft weiter über gesellschaftswissenschaftliche Bil-dung gesprochen wird. Allerdings fordere ich, dass einige Punkte, die uns besonders wichtig sind – sie stehen im ursprünglichen Antrag der Fraktion der SPD und der Grü-nen –, nicht nur sozusagen Platzhalter in einem beigelegten Antrag bleiben. Diese Punkte betreffen mehr politische Partizipationsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler sowie mehr schulische Unterstützung von Schülerinnen und Schülern, die sich an ihrer Schule oder in ihrer Freizeit politisch engagieren. Wir möchten, dass die ge-nannten Forderungen in die nächste Runde mitgenommen werden. Auf diese Weise können wir vielleicht politisch-praktisch neue Konzepte – solche haben wir vorgeschla-gen – erstellen. Dabei geht es unter anderem um Lehrer, die in praktischer Demokratie im Hinblick auf Schüler*innenvertretungsarbeit ausgebildet werden. Die könnten uns praktisch sehr nahestehen. Es geht uns aber auch um die anderen Forderungen. – Das sollten wir also mitnehmen. Vielleicht können wir das in der nächsten Sitzung wie-der aufgreifen. Dafür wären wir sehr dankbar.

Dorothea Schäfer (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen): Es wurde gefragt, ob die Schulen jetzt solch eine Verbände-rung brauchen. Nein, Frau Beer. Es gibt in den Schulen, wo der Bereich „Arbeitslehre“ nach der Ankündigung der Schulministerin in „Wirtschaft und Arbeitswelt“ gesplittet werden soll, große Aufregung. Im Bereich „Arbeitslehre“ gab es die Gebiete „Wirt-schaft, Technik und Hauswirtschaft. Es gibt überhaupt kein Verständnis dafür – und auch keine Notwendigkeit –, dass jetzt Technik und Hauswirtschaft unter der Über-schrift „Arbeitswelt“ zusammengefasst werden sollen.

Folgendes ärgert mich: Allen, die sagen, dass wir kein eigenständiges Fach „Wirt-schaft“ brauchen, wird unterstellt, sie seien dagegen, dass Schülerinnen und Schüler ökonomisch gebildet werden. Außerdem stelle ich immer wieder fest, dass es sehr viele Menschen gibt, die überhaupt keine Ahnung haben, was in den Lehrplänen schon vorhanden ist, sich aber dazu äußern. Manchmal sind es die Medien, die sagen: Das ist doch wichtig, ich habe das in der Schule auch nicht gelernt. Da wird also ganz viel aus dem Bauch heraus argumentiert.

Es ist so, dass in den Schulen im Moment sehr viele Umstrukturierungen dazukom-men. Wenn es tatsächlich gelingen sollte, die Schulen anders auszustatten sowie auch die digitalen Medien zu einem normalen Arbeitswerkzeug zu machen, brauchen wir in dem Bereich massive Fortbildung. Schulen bzw. Lehrkräfte brauchen Unterstützung, wenn sie in der Schule mit einem dieser Fächer anfangen. Es geht dabei zum Beispiel um Technik und Mathematik. Wenn sie dann in einem fächerübergreifenden Lernbe-reich eingesetzt werden, brauchen sie selbstverständlich umfangreiche Fortbildung in diesem Bereich. Sie brauchen aber keine Umstrukturierung der Fächer. Wir als GEW sind ganz klar dagegen. Das ist kontraproduktiv.

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Ich sage es noch einmal: Ich glaube, dass die Veränderung, die jetzt beim Gymnasium vorgenommen wird, noch die harmloseste ist. Auch der Philologenverband hatte sich gegen ein eigenständiges Fach „Wirtschaft“ in der Sekundarstufe I der Gymnasien ausgesprochen. Da wird jetzt wahrscheinlich die kleinste Änderung vorgenommen. Es ist aber die Frage, ob das richtig ist. Außerdem glaube ich, dass nicht genügend er-kannt bzw. berücksichtigt wird, dass es eine Veränderung bei der Berufsorientierung gibt. „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist auch noch nicht so sehr lange her. Die Schu-len mussten deshalb etwas anderes machen. Sie konnten sich nicht nur auf die Klasse 9 konzentrieren. Vielmehr betraf das schon den Anfang.

Es sind viele Veränderungen durchgeführt worden, bei denen es auch um Berufsori-entierung, Arbeitswelt sowie die Themen ging, die jetzt auch hier bei der Diskussion über das Fach „Wirtschaft“ eine Rolle spielen. Auch das ist in den Schulen noch gar nicht so lange etabliert. Wir haben immer noch Probleme, das alles umzusetzen bzw. die Zeiten zur Verfügung zu stellen, die dafür benötigt werden. Deshalb appelliere ich, einfach einmal zu schauen, wie die Situation in den Schulen ist, und zu fragen: War es nötig – jetzt nehme ich einmal das Gymnasium heraus – wegen der Umstellung auf G9 neue Kernlehrpläne zu erstellen? Brauchen wir jetzt in allen anderen Schulformen die Zerschlagung von gut funktionierenden Arbeitsbereichen? Wir sagen dazu: Nein.

Brigitte Balbach (lehrernrw): Für mich ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Die Ent-scheidung, die jetzt fällt, ist für mich eine politische Entscheidung. Wir warten ab, wie es wird. Ich habe vorhin schon gesagt, wofür wir stehen. Unsere Leute – in erster Linie die an den Realschulen – warten darauf. Sie möchten gerne auf das zurückgreifen, was zu erarbeiten sie schon begonnen haben. Auch wenn sie es zum Beispiel exklusiv bekommen würden, weil alle anderen das nicht haben wollten, wäre das für uns okay. Das wäre schon in Ordnung. Wir haben unter Rot-Grün auch erlebt, dass man den Gesamtschulen in gewisser Weise sehr viel zur Verfügung stellte. Insofern werden unsere Leute darauf warten, welche Entscheidung fällt. Wir hoffen darauf, dass wir dort anknüpfen können, wo wir aufhören mussten.

Stefan Behlau (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband Nordrhein-Westfalen): Kollegin Balbach, ich möchte Sie in Bezug auf eine Stelle korrigieren. Das Alleinstellungsmerkmal obliegt der Schulform Realschule nicht. Denn es ist so, wie eben schon gesagt wurde: An der Gesamtschule, vor allen Dingen aber an der Schul-form Hauptschule ist das Fach „Arbeitslehre-Wirtschaft“ integraler Bestand des Lehr-plans und übrigens auch Hauptfach in der Klasse 10 A sowie auch in der 9. Klasse Insofern handelt es sich um eine Diskussion – die wurde auch heute geführt –, die wiederum sehr schulformspezifisch ist. Sie fragen, ob wir da überhaupt Änderungen brauchen.

Ich hoffe, dass die Änderungen, welche gerade jetzt die Schulform Hauptschule, aber auch die Schulform Gesamtschule angehen, nicht so fundamental sein werden. Denn dort – das habe ich eben schon erläutert – wird beste Arbeit geleistet. Ich komme aus der Schulform Hauptschule. Dort ist das ein fester und integraler Bestandteil sowohl in

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) der theoretischen Ausbildung zum Arbeitslehrer Wirtschaft als auch in der sehr praxis-bezogenen Ausbildung gewesen. Dabei ging es um die stark praktikumsorientierten Phasen, welche gerade die Schulform Hauptschule ausgemacht haben. Ich glaube, dass die Hauptschule – übrigens neben der Förderschule – in Bezug auf Berufsorien-tierung hier Pionierarbeit leistet. Meine Hoffnung ist – ganz im Gegenteil – die folgende: Wenn dieser Aspekt der Wirtschaft – weil es immer weniger die Schulform Haupt-schule gibt – auf die anderen Schulformen ausgeweitet werden wäre es vielleicht für die anderen Schulformen ein Erbe in der Hinsicht, dass sie etwas von der Schulform Hauptschule lernen könnten. Denn in ihr sind gute Konzepte erarbeitet worden. Es wäre schade, wenn diese verfallen würden.

Des Weiteren hatten Sie etwas zur Lehreraus- und -fortbildung gesagt. Warum war das so gut? Weil sich die Lehrkräfte an den Hauptschulen dieses Fach in der Regel in sehr starkem Maße eigenständig angeeignet haben. Sie haben das übrigens nahezu ausschließlich fachfremd getan. Was zeigt uns das? Wenn die Wünsche, die ich ge-äußert habe, nicht erfüllt werden, wäre es sehr wichtig, wenn die Politik folgenden An-satz verfolgen würde: Bevor Fächer eingeführt werden, sollte ein intensiver Diskurs mit den die Lehrer ausbildenden Universitäten geführt werden, um dort entsprechend Leh-rerinnen und Lehrer auszubilden, bevor diese Fächer überhaupt kommen. Ansonsten werden wir hauptsächlich sogenannten fachfremden Unterricht haben, der, wenn man fächerorientiert denkt, nicht unbedingt gewünscht wird. Das heißt, hier müsste eigent-lich, bevor über Kernlehrpläne und ähnliches gesprochen wird, erst einmal über die Lehrerausbildung nachgedacht werden. Wenn das nicht reicht, müsste man wenigs-tens vorgreifend in der Lehrerfortbildung tätig werden. Das müsste geschehen, wenn das Substanz haben und ein Fach „Wirtschaft“ greifen soll.

Prof. Dr. Hedtke (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld): Ich kann dem, was Herr Behlau gesagt hat, eigentlich nur zustimmen. Genauso ist es. Das Fach „Arbeits-lehre-Wirtschaft“ stellt eine große Stärke dar. Auch ich meine, dass andere Schulfor-men – das ist ein bisschen in Vergessenheit geraten – von der Hauptschule lernen können.

Ich komme zu einem anderen Bereich: Wenn man an die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen denkt, muss festgestellt werden, dass ein Pflichtfach „Technologie“ völlig in Vergessenheit geraten ist. Das Fach könnte vielleicht „Techno-logie-Design“ heißen. Das wäre vielleicht vonnöten, um den Horizont ein wenig zu er-weitern. Darüber könnte noch viel nachgedacht werden.

Insoweit bin ich der Meinung, dass wir darüber nachdenken sollten, ob wir nicht erst einmal nachdenken sollten. Das wäre meiner Meinung nach der nächste Schritt. Ich kann für die Seite der Hochschulen nur sagen: Was Nordrhein-Westfalen angeht, ist es ganz sicher so, dass die große Mehrheit der wissenschaftlichen Expertinnen und Experten konstruktiv in solch einen Prozess einsteigen würden. Sie würden auch einen Konsens hinsichtlich dessen finden, was wir in diesem gesellschaftswissenschaftli-chen – genauer gesagt: sozialwissenschaftlichen – Bereich benötigen. Denn an den Hochschulen sind wir in den Grundsatzfragen überhaupt nicht weit auseinander. Von

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) unserer Seite aus würden wir also sagen: Wir sollten darüber nachdenken und nicht darauf schauen, ob wir die Anträge mit einer Stimme oder mit fünf Stimmen Mehrheit – oder wie auch immer – durchbekommen. Es geht nicht darum, eine Mehrheit zu nut-zen. Vielmehr sollte man vernünftig sein. Das bedeutet, miteinander zu sprechen bzw. auszuloten, was denn die Gemeinsamkeiten sind.

Ich glaube, dass für die Schulen in Nordrhein-Westfalen eine Art Fachfrieden erreicht werden könnte. Früher sprach man immer von „Schulfrieden“. Ich würde von „Fach-frieden“ sprechen. Wir sollten versuchen zu erreichen, einen Konsens hinzubekom-men, damit wir nicht permanent bei jedem Regierungswechsel an der Fächerfrage her-umdrehen müssen. Vielmehr sollten sich die Lehrerinnen und Lehrer darauf verlassen können, dass eine gewisse Kontinuität herrscht. Natürlich muss es aber hin und wieder eine Anpassung geben. Auch die die Lehrer ausbildenden Universitäten müssen sich auf eine bestimmte Kontinuität verlassen können, in deren Rahmen sie Professionalität vorführen und aufbauen können. Aus diesem Grund scheint mir alles dafür zu spre-chen, dass ausgelotet wird, wie weit man gemeinsam gehen kann. Am Ende kann das aber immer noch scheitern. Dann zählt die Mehrheit – und sonst nichts. Ich glaube aber, dass man vorher andere Wege ausprobieren sollte.

Prof. Dr. Dirk Loerwald (Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bil-dung gGmbH Oldenburg): Ich wüsste gar nicht so viel hinzuzufügen.

Vorsitzende Kirstin Korte: Dann erteile ich Herrn Professor Goll das Wort.

Prof. Dr. Thomas Goll (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften, Technische Universität Dortmund): Natürlich werden Hochschulen bei jedem Dis-kurs mitmachen sowie auch kontroverse Standpunkte einbringen und vertreten. So homogen, wie es der Kollege Hedtke dargestellt hat, sind wir an den Hochschulen nicht. Das wäre, wissenschaftlich gesehen, auch ein wenig merkwürdig.

Es ist zu bedenken, dass alle Kontinuitätsformeln, die wir im Moment gerade verwen-den, immer die Formeln der Bestandswahrer sind. Natürlich bedeutet das Sprechen über das, was jetzt im Raum steht, Ergebnisoffenheit im Hinblick auf den Umstand, dass man das auch ganz anders machen kann. Sich vorzustellen, dass alles so bleibt, wie es bisher war, ist damit nicht verbunden. Wenn es so wäre, sind auch diejenigen, die sich etwas anderes vorstellen, sicher mit dabei. Wenn es nicht so wäre, würde es sich um eine Formel handeln, um einen Diskurs lahmzulegen. Das würde ich nicht unterstützen.

Prof. Dr. Ulrich Braukmann (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Gründungspädagogik und Gründungsdidaktik, Bergi-sche Universität Wuppertal): Ich habe in sehr vielen Redebeiträgen sehr viel gehört,

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Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) das man aufeinander beziehen kann. Für jedes Lager sehe ich viele Anknüpfungs-punkte in Bezug auf das jeweils andere Lager. Ich sehe viele Schnittmengen und auch viele Synergieoptionen.

Man kann kein Fach mit folgender Begründung auf dem Verordnungsweg erhalten: Wir haben damals erlebt, wie schrecklich es war, dass unser räumlich und institutionell begrenzter Modellversuch nicht zum Erfolg gekommen ist. Frau Balbach, das muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, so sehr ich ihr Unterfangen nachvollziehen kann und mit unterstützen möchte. Ich habe sehr viele Projekte erlebt, die nicht weiterge-führt worden sind, die in einer neuen Umgebung keine Geltung erlangten. Das ist ein-fach so. Wenn wir, wie auch immer, versuchen, eine Kausalität herzustellen, dann wird es sehr schwierig, aus einem solchen Modellversuch die Kraft zu ziehen, um sagen zu können: Es ist jetzt vonnöten, ein neues Fach einzuführen.

Herr Sträßer, ich bin sehr über Ihre Befähigung beeindruckt, einmal in dieses ganz andere Lager hineinzugehen. Die entsprechende Erklärung aus dem letzten Jahr hat sich auch ein wenig als Grundlage für Ihren Antrag erwiesen. Wir aus den Hochschu-len sind hier aber gerne mit dazugekommen, um die Schwierigkeit, ein Fach einzufüh-ren, entsprechend darzulegen. Wenn jetzt gesagt wird, dass man das mit einer Stimme Mehrheit machen will, kann ich nur noch einmal betonen, dass das dann von der Wis-senschaft zur Kenntnis genommen werden muss. Wir alle müssten uns nicht wundern, wenn es dann im Vollzug, bei der Implementation und der Dissemination eben nicht den Erfolg in Bezug auf die Wirksamkeit hat, die wir uns auf diesem Gebiet wünschen.

Ich wiederhole noch einmal: Wirtschaftswissenschaften können nicht eindimensional abgemessen werden, sondern sie sind etwas, über das mit Bezug auf Wahrnehmung und Gestaltungskraft verhandelt werden muss.

Ich komme zu dem, was die jungen Damen und Herren aus der Schülerschaft bzw. der Jugendvertretung gesagt haben. Das ist nichts, was wir so einfach „ex cathedra“ vom Tisch fegen dürfen. Vielmehr wäre es für die FDP ein großer Erfolg, wenn ver-bucht werden könnte, dass CDU und SPD Gesprächsbereitschaft an den Tag legen und sich in irgendeiner Form um einen konstruktiven Überbau bemühen. Es wäre ein großer Erfolg, wenn sie sich an etwas beteiligen würden, was wir aufbauen müssen und was dann eben auch den Konsens herbeiführen kann.

Einseitige Ausführungen über die Schönheit und Brillanz der Ökonomischen Bildung helfen uns da sehr wenig. Vielmehr muss es bei dem jeweils anderen ankommen. Das ist etwas, was die Vertreter leisten und vertreten müssen. Es wäre schade, wenn das, nachdem wir Professoren hierhergekommen sind, dann doch mit einer Stimme Mehr-heit in der vorgesehenen Form praktiziert werden würde. Dann käme man fast an die Grenze, darüber nachzudenken, ob das sehr höflich und zielführend war. Entschuldi-gen Sie, wenn ich ausnahmsweise diese Verletzung zum Ausdruck bringe.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 50 - APr 17/561

Ausschuss für Schule und Bildung (37.) 13.03.2019 Hauptausschuss (26.) Gemeinsame Sitzung (öffentlich) Vorsitzende Kirstin Korte: Ich schaue noch einmal in die Runde auf die Uhr. – Ich sehe überall Nicken. Damit befinden wir uns in der Abschlussphase der heutigen An-hörung. Nach knapp drei Stunden macht es, glaube ich, Sinn, sie zu beenden. Die Aufmerksamkeit lässt nach einer solchen Zeit dann doch nach.

Ich darf mich im Namen des Ausschusses ganz herzlich bei allen Sachverständigen bedanken, dass sie den Weg zu uns gefunden haben. Und ich hoffe – ganz gleich welche politischen Entscheidungen wir fällen werden –, dass Sie den Weg zu uns am Ende ohne Frust wahrnehmen werden.

Ganz herzlich möchte ich noch einmal bei Herrn Silbernagel bedanken und mich bei ihm verabschieden. Sie waren uns allen über viele Jahre hinweg ein vertrauter Gast in den Anhörungen, der uns immer wieder ein Stück weitergebracht hat. Mit Herrn Ott kann ich nicht mithalten. Ich habe Sie als Referendarin nicht erlebt. Immerhin kenne ich Sie aber schon sieben Jahre. Das, was Sie uns zu sagen hatten, war für uns immer wichtig. Ich glaube, dass Sie alle guten Wünsche dieses Ausschusses begleiten. Blei-ben Sie vor allen Dingen gesund und der Schulpolitik weiter gewogen. Vielen herzli-chen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich auch noch beim Sitzungsdokumentari-schen Dienst zunächst einmal dafür bedanken, dass sein Vertreter hier ist. Weiterhin möchte ich mich dafür bedanken, dass er uns die Mitschrift dieser Anhörung zu Beginn der 19. Kalenderwoche – das wäre die zweite Maiwoche – zur Verfügung stellen wird.

Ich darf Ihnen weitere Hinweise zum Beratungsverlauf geben: Der mitberatende Hauptausschuss könnte sein Votum in der Sitzung am 16. Mai 2019 abgeben. Die Auswertung der Anhörung sowie die Abgabe einer Beschlussempfehlung im federfüh-renden Ausschuss für Schule und Bildung ist für den 19. Juni 2019 geplant. Demzu-folge könnte der Antrag abschließend im Juni-Plenum bzw. im Sommer beraten wer-den.

Meine Damen und Herren, ich darf mich noch einmal herzlich bei Ihnen allen bedanken und wünsche Ihnen einen angenehmen Heimweg durch Regen und Sturm. Ich wün-sche Ihnen noch einen schönen Abend.

gez. Kirstin Korte Vorsitzender

Anlage 06.05.2019/08.05.2019 78

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Stand: 14.03.2019 Anhörung von Sachverständigen

Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung und des Hauptausschusses

"Mehr Demokratie wagen – Stärkung der Demokratiekompetenz in der Schule als Garant für eine demokratische Gesellschaft"

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/4441 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP, Drucksache 17/4798

am Mittwoch, dem 13. März 2019

13.30 Uhr, Raum E 3 A 02

Tableau

eingeladen Redner/in

Weitere Teilnehmer/-innen

Stellungnahme

Professor Dr. Reinhold Hedtke Fakultät für Soziologie Universität Bielefeld Bielefeld

Prof. Dr. Reinhold Hedtke

17/1224

Professor Dr. Dirk Loerwald Department für Wirtschafts- und Rechts-wissenschaften Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Oldenburg sowie Institut für Ökonomische Bildung gGmbH Oldenburg

Prof. Dr. Dirk Loerwald

17/1233

Peter Silbernagel Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Peter Silbernagel Sabine Mistler

17/1221

Dorothea Schäfer Gewerkschaft Erziehung und Wissen-schaft Landesverband Nordrhein-Westfalen Essen

Dorothea Schäfer Christof Bickendorf

17/1231

Landtag Nordrhein-Westfalen - 51 - APr 17/561Anlage, Seite 1

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eingeladen Redner/in

Weitere Teilnehmer/-innen

Stellungnahme

Brigitte Balbach lehrernrw Düsseldorf

Brigitte Balbach

17/1232

Stefan Behlau Verband Bildung und Erziehung Landesverband Nordrhein-Westfalen Dortmund

Stefan Behlau Anne Deimel

17/1234

Professor Dr. Thomas Goll Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psy-chologie und Soziologie Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften Technische Universität Dortmund Dortmund

Prof. Dr. Thomas Goll

17/1156

Professor Dr. Ulrich Braukmann Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Grün-dungspädagogik und Gründungsdidaktik Bergische Universität Wuppertal Wuppertal

Prof. Dr. Ulrich Braukmann Dr. Dominik Bartsch

17/1250

Anna Hußmann Kinder- und Jugendrat Nordrhein-Westfalen Wuppertal

Anna Hußmann Cihat Sengül

17/1223

Nikolaj Grünwald Landesschüler*innenvertretung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Nikolaj Grünwald Timon Nikolaou

17/1230

Landtag Nordrhein-Westfalen - 52 - APr 17/561Anlage, Seite 2

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 3 -

Landesregierung  muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode

Drucksache 17/4456

04.12.2018

Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 04.12.2018

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Antrag der Fraktion der SPD Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen I. Ausgangslage Der Ganztag ist aus bildungspolitischer Sicht von großer Bedeutung: Mit seiner Einführung ist eine maßgebliche Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelungen. Mehr als 300.000 Grundschülerinnen und -schüler nutzen Ganztagsangebote, was deren Familien enorm entlastet. Besonders profitieren hiervon Alleinerziehende und Haushalte, in denen beide Elternteile berufstätig sind. Mit einer derart großen Nachfrage nach OGS-Plätzen war vor 15 Jahren kaum zu rechnen. Der Ganztag ist in einem hohen Maße akzeptiert, deshalb ist es folgerichtig, dass die Bundesregierung ab 2025 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz schaffen möchte. Auch die Kinder profitieren von der Ganztagsschule: Nachweisbar fördert der Ganztag die die Bildungsqualität und die Möglichkeiten individueller Förderung. Zahlreiche Bildungsstudien weisen darauf hin, dass qualitativ guter Ganztag eine zwingende Voraussetzung dafür ist, die Zukunft und den Erfolg von Schülerinnen und Schülern von ihrer Herkunft zu entkoppeln. Unter den Stichworten Inklusion oder Prävention sind diese Punkte zentral. II. Herausforderungen Trotz des großen Zuspruchs und der gesellschaftlichen Akzeptanz ist der Offene Ganztag seit seiner Einführung ein bildungspolitisches Provisorium: Eine gesetzliche Verankerung existiert nicht und die Frage der finanziellen Zuständigkeit ist nicht abschließend geklärt. Ebenfalls nicht gewährleistet ist eine landesweit einheitliche Qualität des Angebots. 2017 haben die Träger der freien Wohlfahrtspflege zu der landesweiten Kampagne „OGS darf keine Glückssache sein“ aufgerufen und drei Kernforderungen aufgestellt: Verlangt werden Qualitätsstandards für Räume, Personal und inhaltliche Ausgestaltung des Ganztags, gefordert wird der Gesetzesrang für die OGS sowie eine einheitliche und auskömmliche Finanzierung.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4456

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Diese drei Punkte sind partei- und fraktionsübergreifend wenig umstritten. Allerdings ist es seit Einführung der OGS im Schuljahr 2003/ 2004 keiner Landesregierung gelungen, den Ganztag strukturell weiterzuentwickeln und diese Kriterien zu erfüllen. Nicht allein die Forderungen und Ansprüche der Träger sind zu beachten – auch weitere Fragen sind für die Weiterentwicklung des Ganztags zu diskutieren:

- Eltern fordern mehr Flexibilität ein, für ein gutes Bildungsangebot ist allerdings auch eine verlässliche Planbarkeit notwendig.

- Die OGS unterscheidet sich in ihrer inhaltlichen und qualitativen Ausgestaltung von Ort zu Ort. Neben den Qualitätsstandards, die die Träger bereits fordern, muss die OGS klar als Bildungseinrichtung definiert werden.

- Wie bei den Kita-Gebühren besteht ein Wildwuchs an Gebührensatzungen für die OGS. Dies hat die Große Anfrage 4 der SPD-Landtagsfraktion eindrucksvoll belegt. Es gilt, diesen Wildwuchs zu beenden, damit es nicht vom Wohnort und Einkommen der Eltern abhängt, wie die Zukunftschancen eines Kindes sind. Die finanziellen Beziehungen zwischen Land und Kommunen sind zu klären und es ist ein Weg aufzuzeigen, wie die OGS in ganz NRW ohne Elternbeiträge auskommen kann.

- Nach Absicht der Bundesregierung erhalten Eltern ab 2025 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Dies erfordert einen großen Aufwuchs an Ganztagsplätzen und erfordert zahlreiche Abstimmungen über die Ausgestaltung. Bereits im März 2018 hat die SPD-Landtagsfraktion deshalb gefordert, einen Ganztagsgipfel einzuberufen. Die regierungstragenden Fraktionen sahen keinen Handlungsbedarf.

- Die Beschäftigungssituation in den Offenen Ganztagsschulen ist vielerorts prekär: Es gibt keine Vorgaben, ob und in welchem Ausmaß Fachkräfte eingesetzt werden. Zudem können die Beschäftigten nur stundenweise – und mitunter auch nur von Schuljahr zu Schuljahr angestellt werden.

Der Ganztag ist eine Erfolgsgeschichte und er ist von großer Bedeutung für das nordrhein-westfälische Bildungssystem. Doch um seine Potentiale auszuschöpfen, muss das System weiterentwickelt werden. Da die OGS eine Querschnittsaufgabe darstellt, sind in den weiteren Beratungen im Landtag die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales (A01), für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen (A02), für Gleichstellung und Frauen (A03), für Familie, Kinder und Jugend (A04), für Kultur und Medien (A12), für Schule und Bildung (A15) sowie der Sportausschuss (A16) zu beteiligen. III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

- anhand der aufgezeigten Herausforderungen ein Zukunftskonzept für den Ganztag in der Primarstufe zu erarbeiten und dem Landtag vorzulegen. Dieses Konzept umfasst eine Weiterentwicklung der OGS zu einem rhythmisierten Angebot, das nicht länger ein Nebeneinander von Schule und OGS-Träger darstellt. Vielmehr ist der Träger in den Schulalltag einzubeziehen und seine Fachkräfte sollen im Sinne einer multiprofessionellen Ausrichtung der Schule beispielsweise auch am Vormittag zum Einsatz kommen. In der Schule sollen alle Professionen einander auf Augenhöhe begegnen; eine Einbindung des Trägers auch in die Schulleitung ist zu prüfen. Es müssen landesweit gültige Standards für Räume, Ernährung, Personal und Unterrichtsinhalte definiert werden.

- in Verhandlungen mit den Kommunalen Spitzenverbänden einzutreten, um die zukünftige Ausgestaltung des Ganztags in organisatorischer und finanzieller Hinsicht abzustimmen. Eine OGS-Reform wird in den Kommunen umgesetzt, deshalb ist die Mitwirkung der Spitzenverbände von zentraler Bedeutung. Diese Verhandlungen sind Teil eines New

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4456

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Deal, in dem die Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen neu festgelegt werden.

- in Verhandlungen mit Bund und Ländern einzutreten, um die Rahmenbedingungen für den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab 2025 abzustimmen. Der Bund muss darstellen, wie er die Länder bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs in der Ganztagsschule unterstützt.

Thomas Kutschaty Sarah Philipp Eva-Maria Voigt-Küppers Jochen Ott Regina Kopp-Herr Dr. Dennis Maelzer und Fraktion

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Landtag AusschussprotokollNordrhein-Westfalen APr 17/59817. Wahlperiode 03.04.2019

Ausschuss für Schule und Bildung (40.) undAusschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)

Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

3. April 2019

Düsseldorf – Haus des Landtags

13:30 Uhr bis 16:35 Uhr

Vorsitz: Kirstin Korte (CDU) (ASB)

Protokoll: Sitzungsdokumentarischer Dienst

Verhandlungspunkt:

Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschulevorlegen 3

Antragder Fraktion der SPDDrucksache 17/4456

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

* * *

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 17/598

Ausschuss für Schule und Bildung (40.) 03.04.2019Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen

Antragder Fraktion der SPDDrucksache 17/4456

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

Vorsitzende Kirstin Korte: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie ganzherzlich zur 40. Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung sowie zur 32. Sitzungdes Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend begrüßen. Das tue ich auch im Na-men meines Kollegen, Herrn Wolfgang Jörg, des Vorsitzenden des Ausschusses fürFamilie, Kinder und Jugend, der aufgrund einer anderen Sitzung zeitlich gebunden ist.Ich bitte Sie um Verständnis dafür.

Beide Ausschüsse sagen ein herzliches Dankschön dafür, dass Sie uns als sachver-ständige Damen und Herren Ihr Wissen zuteilwerden lassen. Intern haben wir uns da-rauf verständigt, neben den Stellungnahmen, die Sie uns haben zukommen lassenund deren Kenntnis Sie bei den Abgeordneten voraussetzen dürfen, keine Eingangs-statements von Ihnen zu erbitten. Wir räumen Ihnen aber gerne, wenn Sie möchten,die Möglichkeit ein, am Ende der Veranstaltung ein kurzes Drei-Minuten-Statementabzugeben.

Ebenso haben wir uns darauf verständigt, dass pro Fragerunde nur eine Frage derAbgeordneten an idealerweise nur einen Sachverständigen gerichtet werden soll.Dadurch gibt es einfach mehr Bewegung. Dann kann sofort die entsprechende Antwortdes Sachverständigen gegeben werden. Es ist so einfacher, das Ganze zu verfolgen.Auch ist diese Verfahrensweise, glaube ich, ein Stück weit lebendiger, als in eine ge-meinsame Monotonie zu verfallen.

Wir haben vereinbart, dass eine Fragestellung sowie auch Ihre Antwort keinesfallsmehr als drei Minuten dauern sollten. Ich würde mir, wenn die drei Minuten erreichtwerden, erlauben, einmal kurz mit dieser blauen Mappe zu wedeln. Bisher haben wires aber geschafft, ohne dass das notwendig war. Ich denke, dass der gute Wille beiallen Beteiligten vorhanden ist. – Wir können jetzt, glaube ich, starten. Die erste Fragekommt von Frau Vogt-Küppers und die zweite von Herrn Rock.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Liebe Sachverständigen, zunächst einmal vielenDank für Ihre Stellungnahmen, die uns in weiten Teilen inhaltlich sehr darin bestärkthaben, an diesem Thema weiterzuarbeiten. Erfreulich für uns ist, dass viele der vonuns aufgestellten Thesen auch von Ihnen geteilt werden. Nichtsdestotrotz bleiben füruns viele Fragen offen. Wir wollen jetzt die Zeit nutzen, Ihnen diese zu stellen.

Als Ersten möchte ich Herrn Hebborn, der für die kommunale Seite spricht, fragen, ober – das ist eigentlich nur eine Detailfrage – den Erlass als ausreichend anerkennt, um

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 4 - APr 17/598

Ausschuss für Schule und Bildung (40.) 03.04.2019Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

all die Anforderungen, die wir an den Ganztag haben, zu erfüllen, oder ob es einegesetzliche Verankerung geben muss, damit der Bedarf geregelt werden kann. Wenner diese Frage bejaht, frage ich weiter, wo wir die am besten unterbringen müssen.Denn bisher ist in dem Erlass eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen Land undKommunen sowie zwischen Schule und Jugendhilfe vereinbart worden. Wenn wir dasauf einem anderen Weg regeln würden, müsste auch gesagt werden, wer dann dieVerantwortlichen sein würden und in welchen Gesetzen das geregelt werden müsste.

Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Ich spreche heute für alle dreikommunalen Spitzenverbände. Angesichts der Vielzahl der Anhörungen des Landtagsmüssen wir das ein bisschen aufteilen. Ich denke, es ist gut, wenn das Parlament aktivund fleißig ist. Das finden die Bürger gut, die Kommunen übrigens auch.

Ich beantworte die Frage ganz klar: Es ist eine alte Forderung der kommunalen Spit-zenverbände, dass die OGS aus dem Erlassstatus in den Gesetzesstatus kommenmuss. Man hätte das eventuell 2003/2004 noch vertreten können, denn da war dieOGS erst einmal ein Projekt. Inzwischen können wir aber – ich begleite das schon seitdieser Zeit – sagen, dass die OGS zur Regel bzw. ein Regelangebot geworden. Siegehört unverzichtbar zum Bildungsangebot und unterliegt damit auch dem sogenann-ten Wesentlichkeitsprinzip. Und alles, was wesentlich ist, muss in Gesetzen geregeltwerden. Insofern plädieren wir ganz klar dafür, die OGS im Schulgesetz zu regeln.Insbesondere im § 9 könnte man das machen. Es könnte aber auch korrespondierendim Kinder- und Jugendhilfegesetz geschehen, weil es da eine gewisse Verschränkunggibt. Das hat nicht nur fachliche, sondern auch finanzielle Gründe. Denn dann kommenwir in ganz andere Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen.

Frank Rock (CDU): Liebe Expertinnen und Experten! Erst einmal von unserer Seiteaus herzlichen Dank. Wir behandeln ein ganz breites Thema. Das sieht man an derAnzahl der Ausschüsse, die daran beteiligt sind, aber auch an der Vielzahl der Exper-tinnen und Experten, die hervorragende Stellungnahmen verfasst haben. In ihnen ha-ben sie die große Vielfalt des Themas – das betrifft die Schnittmengen Jugendhilfe undSchule, aber auch den Bereich Soziales – dargestellt.

Ich möchte gerne eine Frage an Herrn Buchholz stellen, der Mitglied des Expertengre-miums der ISA, der Serviceagentur, ist. Wir sprechen, wie der Kollege Hebborn sagte,bis dato von einem Prozess. Die OGS ist schon – das kann man so sagen – zu einemErfolgsgarant geworden. Anfangs ist sie kleiner gedacht worden. Jetzt ist sie eigentlichBestandteil der Schullandschaft geworden. Im Rahmen des bestehenden Systems ha-ben wir schon ohne den gesetzlichen Rahmen landauf, landab eine, wie ich finde, hoheQualität.

Herr Buchholz, Sie sind auch Beigeordneter. Was für Erfahrungen haben Sie im Hin-blick auf einen qualitätsvollen OGS-Betrieb schon gemacht bzw. gesehen? Gibt es inIhren Augen Best-Practice-Beispiele? Ein Beispiel dafür verkörpert der Kollege ausBonn. Ich konnte mich davon überzeugen, dass Offene Ganztagsschule unter den jet-zigen Voraussetzungen schon über einen hohen Qualitätsstandard verfügt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 17/598

Ausschuss für Schule und Bildung (40.) 03.04.2019Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

Marc Buchholz (bis Ende März Dezernat II Jugend, Soziales, Schulen und Sport,Kevelaer, jetzt Beigeordneter der Stadt Mülheim an der Ruhr): Bis Freitag in derletzten Woche hatte ich 460 OGS-Kinder. Seit Montag sind es 2002. Das hat etwasdamit zu tun, dass ich bis Freitag vergangener Woche als Beigeordneter im ländlichenKevelaer – das ist eine kreisangehörige Stadt – tätig war. Seit Montag darf ich in derRuhrgebietsstadt Mülheim in ähnlicher Funktion als Beigeordneter tätig sein.

Die Frage nach Qualitätsstandards möchte ich dahingehend beantworten, dass esauch in den zurückliegenden Jahren vonseiten des Expertengremiums sowie auch derKommunen – das gilt aber ebenfalls für ISA – eigentlich keine einheitliche Definitiondes Qualitätsstandards gab. Es wäre wünschenswert, wenn es gesetzliche Regelun-gen gäbe, die entsprechende Vorgaben machen würden. Ansonsten wäre es den Be-darfen vor Ort geschuldet, ob eine OGS mehr oder weniger gut läuft. Aber auch dagibt es sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen.

Ich erlebe jetzt in der neuen Funktion in Mülheim, dass es eine Warteliste gibt. 125Kinder sind unversorgt. Sie können zum kommenden Schuljahr nicht in die OGS ge-hen. Meine bisherigen Erfahrungen im ländlichen Kevelaer waren so, dass alle Kinder,die einen OGS-Platz haben wollten, einen solchen, und zwar auch unterjährig, beka-men; denn mit den Trägern waren entsprechende Vereinbarungen möglich. Das hatetwas damit zu tun, dass Kinder mit einem OGS-Anspruch zuziehen und auch wiederwegziehen. Auch die Bedarfe in Bezug auf die Betreuung verändern sich.

Ein Qualitätsmerkmal ist sicherlich die Angabe bezüglich des Zeitraums, in welchemdie Kinder zu betreuen sind. Ich habe in der Stellungnahme darauf hingewiesen, dasses Bundesländer gibt, die andere Vorgaben machen als in der Regel fünf Tage min-destens bis 15 Uhr. Ich bitte die Landespolitik, einmal darauf zu schauen, ob man denQualitätsbegriff im Hinblick auf eine größere Flexibilität nicht noch einmal optimierenkann. Denn Eltern wünschen sich durchaus die OGS. Sie wünschen sich aber genausoeine Betreuungsform, die fünf Tage – mit einem Muss von morgens bis in den Nach-mittag hinein – umfasst.

Regina Kopp-Herr (SPD): Meine Fragen gehen an Frau Siemens-Weibring von derArbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Erstens. Wel-che Standards hätten für Sie Priorität? Zweitens. Welche Auswirkungen haben IhrerMeinung nach aus Sicht der Kinder, der Mitarbeitenden, der Schule, der Eltern und derTräger der OGS Standards auf die Arbeit in der OGS?

Helga Siemens-Weibring (Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.):Uns ist wichtig, dass die Kinder bei den Standards im Mittelpunkt stehen. Wir müssenIhnen in der OGS die bestmögliche pädagogische Begleitung bieten. Das heißt, dasswir Standards beim Personal brauchen. Nicht jeder oder jede ist in der Lage, Kinderrichtig gut zu begleiten. Wir brauchen die Möglichkeit, Mitarbeitende einzustellen, wel-che diese Qualifikation mitbringen. Sie sollten Verträge bekommen, die dazu führen,dass Sie Interesse daran haben, bei uns in der OGS tätig zu sein. Der Fachkräfteman-gel im Bereich der Erzieherinngen und Erzieher – das wissen Sie selber – ist groß.

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Ausschuss für Schule und Bildung (40.) 03.04.2019Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

Jeder und jede, der bzw. die einen vernünftigen unbefristeten Arbeitsplatz bekommenkann, wird sich in dieser Situation nicht in eine OGS begeben. Wir denken auch, dassqualifiziertes Personal in der OGS dazu beitragen wird, dass das Verhältnis zwischenLehrkräften und Erzieherinnen bzw. Erziehern besser wird, weil sich Expertinnen undExperten unterschiedlicher Couleur gegenüberstehen würden, wodurch Kompetenz-gerangel verhindert werden würde.

In Bezug auf die Eltern kann gesagt werden: Wenn wir all das erfüllt haben, könnenauch sie sich darauf verlassen, dass es einen Ort gibt, an dem ihre Kinder nicht nurbetreut, sondern auch begleitet werden. Auch sollten sie sich darauf verlassen können,dass ihnen dort Hilfe angeboten wird. Es muss also möglich sein, auch für Eltern imOGS-Bereich einen Platz zu finden. Das bedeutet, dass wir nicht nur Erzieherinnen„am Kind“ brauchen, sondern eben auch Möglichkeiten, Elternberatung und ähnlichesdurchzuführen.

Sigrid Beer (GRÜNE): Herzlichen Dank für die Stellungnahmen und auch dafür, dassSie heute hier sind und uns Ihre Zeit zur Verfügung stellen. – Ich möchte die Frage,welche die Kollegin Kopp-Herr gestellt hat, auch an Frau Brautmeier-Ulrich vomGrundschulverband, an Frau Deimel vom VBE sowie an Frau Borns von der GEWrichten. Sie betrifft den Aspekt des Bildungsangebotes der OGS, denn das ist mir bis-her ein wenig zu verkürzt behandelt worden. Ich weiß, dass Frau Siemens-Weibringund auch Herr Buchholz das auch immer mit im Blick haben. Es ist mir wichtig, dassdas bei der Beantwortung meiner Frage noch einmal betont wird.

Maxi Brautmeier-Ulrich (Grundschulverband NRW): Der Grundschulverband stehtfür das Motto „Kindern gerecht werden“ ein. Für ihn sind die Kinder in der Schule wich-tig. Das gilt für alle Kinder. Sie brauchen in der Schule die Gelegenheit, Bildung undErziehung genießen zu können. Dafür ist es ganz wichtig, dass sie länger in die Schulegehen. Es gibt Kinder, denen wir das aus pädagogischen Gründen schon heute er-möglichen können. Damit allen Kindern Gerechtigkeit widerfahren kann, ist der Ausbauder Plätze nötig. Um das qualitätsvoll durchführen zu können, brauchen wir den Ein-satz von qualifizierten Fachkräften im Vor- und Nachmittagsbereich. Ich möchte dazuergänzen: Lehrer, aber auch Erzieher müssen im Vor- und Nachmittagsbereich einge-setzt werden; denn nur dann kann man gut miteinander kooperieren, weil Zeit dafürvorhanden ist. Das ist uns ein ganz wichtiges Anliegen.

Ich komme zu einem zweiten Anliegen. Qualität entsteht vor Ort in den Schulen. DieSchulen haben – da gebe ich Herrn Rock recht – schon sehr gut gezeigt, wie quali-tätsvolle OGS-Arbeit aussehen kann. Diese Beispiele bzw. Ansätze müssen – das istganz klar – fortgeführt werden. Sie müssen letztendlich auch einer breiten Öffentlich-keit bekanntgemacht werden, damit man nicht nur die Schule vor Ort kennt, sondernauch die Möglichkeit hat zu gucken: Wie machen das andere Schulen? Wie realisierendie Schulen die Kooperationsmöglichkeit? Des Weiteren ist es wichtig, dass Bildungs-ansätze auch im Nachmittagsbereich möglich sind, dass nachmittags ein breitgefä-

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chertes AG-Angebot sowie schulisches Angebot stattfinden kann. Dazu ist es vonnö-ten, dass die Bildungszeit für alle Kinder ausgebaut wird. Es ist, wenn man ein quali-tätsvolles Bildungsangebot gewährleisten will, nicht so hilfreich, wenn man sagt: Dereine kommt am Montag und am Mittwoch, der andere am Donnerstag und am Freitag.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Ichmöchte – das ist schon erwähnt worden – mit dem Personal anfangen. Einmal geht esdarum, qualifiziertes Personal in den Ganztag zu bekommen. Das vorhandene Perso-nal sowie das, was gegebenenfalls noch eingestellt wird, muss auch die Möglichkeithaben, ständig für sich Weiterqualifizierung in Anspruch nehmen zu können. Es mussdie Möglichkeit haben, Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen, um das Bildungs-angebot überhaupt darstellen zu können.

Die Verknüpfung von Vor- und Nachmittag wird von uns als ganz wesentlich angese-hen. Das muss bedeuten, dass wir eine offene Ganztagsgrundschule bzw. eine Ganz-tagsschule sind. Nur dann ist es möglich, Kinder vom Vormittag an bis in den Nach-mittag so zu begleiten, dass man sie je nach ihren Bedarfen individuell begleiten kann.Sie haben es in den Stellungnahmen gesehen: Es gibt viele Übereinstimmungen.

Was die Bereiche bei den Bildungsangeboten angeht: Das fachliche Lernen spielt einesehr starke Rolle. Wenn es viele Kinder mit Zuwanderungsgeschichte gibt, muss manüber den Tag verteilt zusätzliche Sprachangebote anbieten können. Ein Beispiel istauch das soziale Lernen, welches in den Grundschulen immer wichtiger wird. Außer-dem muss es vielfältige ausgeglichene Angebote – dabei kann es sich um die BereicheSport, Kunst oder Musik handeln – geben. Das machen viele Kinder in ihrer Freizeitnicht mehr, weil die Eltern dafür keine Zeit mehr haben.

Bei all dem darf Folgendes nicht vergessen werden: Wenn wir uns das Idealbild vonGanztagsschule im Grundschulbereich vorstellen, dürfen wir die Räumlichkeiten nichtvergessen. Das wird, wenn die Kinder vom Morgen bis zum späten Nachmittag dasind, nur funktionieren, wenn der Ganztag bzw. die Schule insgesamt in entsprechen-den Räumlichkeiten stattfindet. Es wird von „pädagogischer Architektur“ gesprochen.Es gibt viele alte Schulgebäude. Die entsprechen nicht den heterogenen Klassen, wel-che die Kollegen vorfinden. Es gibt kaum Lernlandschaften. Darüber muss man nach-denken. Man kann einen gelingenden Ganztag nicht in Räumlichkeiten durchführen,in denen morgens unterrichtet wird. Das gesamte Schulkonzept muss gemeinsamüberdacht werden.

Ich fasse zusammen: Ziel muss sein, dass in Bezug auf die Schule als Ganzes sowohldie Lehrkräfte als auch die Mitarbeiter – das betrifft alle, die in der Schule tätig sind –gesehen werden. Dabei geht es auch um die Partizipation von Eltern und Kindern. Esmuss ein gemeinsames Schulprofil neu überdacht und für die Zukunft aufgestellt wer-den.

Rixa Borns (GEW, Landesverband NRW): Ich kann das, was meine beiden Vorred-nerinnen gesagt haben, nur unterstützen. Die GEW hat sehr deutlich gesagt, dass wireigentlich einen Ganztag für alle Kinder sowie eine Rhythmisierung brauchen. Wir

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brauchen alle Kinder, um das gemeinsame Lernen voranzutreiben. Es kann nicht sein,dass die einen nur bis zum Mittag und die anderen irgendwie danach noch etwas be-kommen. Vielmehr geht es um die Gemeinsamkeit.

Das Vorhalten vielfältiger Angebote ist gerade angesprochen worden. Ich möchte dazunoch einen weiteren Aspekt erwähnen: Wir haben in der Zwischenzeit in den Schu-len – das ist regional sehr unterschiedlich – eine ganze Reihe von Kindern, deren Fa-milien verschiedene Aufgaben, die sie vorher übernommen hatten, nicht mehr über-nehmen können. Da müssen wir als Schulen schon sehr stark mit eintreten und Ange-bote machen. Wenn man das mit Freunden aus der Wohnumgebung macht, ist dasein Vorteil. Es sollte nicht so sein, dass immer die Erwachsenen etwas tun.

Auch wir fordern die Bildungsangebote, die gerade schon von meinen beiden Vorred-nerinnen angesprochen worden sind. Wir denken, es ist ganz wichtig, dass die Kinderan andere Dinge herangeführt werden, die sie sonst nicht bekommen können. Ich habees gerade jetzt bei uns im Münster erlebt, was zum Beispiel im musikalischen Bereichgeleistet werden kann, wenn man Kinder da heranführen kann.

Uns ist die Feststellung wichtig: Die Kinder brauchen Freizeiten. Auch brauchen sieSpielmöglichkeiten. Es ist aber so, dass viele Kinder im Rahmen ihrer Wohnverhält-nisse nicht mehr spielen können. An der Schule, an der ich lange gearbeitet habe, waram Nachmittag der sogenannte „Toberaum“ der begehrteste Platz. Dort konnten siefrei spielen, ohne dass ihnen jemand sagte, was sie tun sollen. Ich glaube, das ist fürdie Bildung auch im Hinblick auf Sozialverhalten ein ganz wichtiger Aspekt, den mannicht aus dem Auge verlieren darf.

Alle anderen Dinge, die gerade angesprochen worden sind – Qualifizierung von Per-sonal usw. –, werden auch von uns – das kann aus unserer Stellungnahme herausge-lesen werden – unterstützt.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Auch vonseiten unserer Fraktion vielen Dank für dieumfangreichen Stellungnahmen, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Sie ha-ben sehr viele Fragen aufgeworfen. Ich muss mich, da ich mich auf eine Frage be-schränken soll, ein wenig disziplinieren.

Frau Brautmeier-Ulrich, Sie hatten in Ihrer schriftlichen Stellungnahme zum „Stand-punkt Ganztagsschule“ – unter Punkt 2 „Mehr Zeit für das Lernen in rhythmisiert ge-stalteten Tagesabläufen“ Folgendes ausgeführt:

Mit längeren schulischen Bildungszeiten für alle Kinder soll die Grundschuleden veränderten Lebensbedingungen der heranwachsenden Generationgerecht werden.

Mich interessiert, welche veränderten Lebensbedingungen Sie konkret meinen. Weiterhätte ich gerne erfahren, inwiefern die längeren schulischen Bildungszeiten da konkreteinen positiven Einfluss haben können. Also was genau hilft jetzt – im Gegensatz zudem, was früher war – konkret?

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Christiane Mika (Grundschulverband NRW): Für den Grundschulverband und auchals Schulleiterin einer großen OGS sehe ich es so, dass die Aufgaben der Grundschulesehr viel kompensatorischer als früher geworden sind. Kinder benötigen umfänglichdas, was Frau Borns gerade darstellte, nämlich vielfältige Erfahrungen, die so nichtmehr möglich sind. Wir formulieren es häufig so, dass Kinder die Welt nicht mehr be-greifen. Sie erfahren sie meistens eindimensional und digital. An der Stelle ist dieSchule – die Grundschule ist die erste verbindliche Bildungsrichtung – als wichtigsteBildungseinrichtung von sehr großer Bedeutung.

Ich arbeite in der Dortmunder Nordstadt. Unsere Aufgaben umfassen alle Bereiche,die Kinder brauchen. Dabei geht es unter anderem um die elementaren Erfahrungenverlässlicher Beziehungen, den Aufbau von Bindung, die Heranführung an eine ge-sunde Ernährung sowie Elternbildung und -begleitung. Eltern kommen mit demWunsch, das Beste für ihr Kind zu bekommen und auch zu geben, haben aber häufigrelativ diffuse bzw. ganz andere Vorstellungen von dem, was sich in unserer Gesell-schaft verändert hat und wo ihnen Handlungsmöglichkeiten bzw. ein angemessenesHandlungsrepertoire fehlen.

Kinder brauchen unmittelbare Erfahrungen. Die bekommen sie, indem wir vor allenDingen viel aus der Schule herausgehen. Von daher ist die Schule als Bildungsein-richtung mit den instruktiven Phasen des fachlichen Lernens ein Ort, wo die Kinderdas bekommen, was früher durch Alltagserfahrung draußen ermöglicht wurde. An vie-len Standorten ist das nicht mehr möglich. Die Kinder haben Wohnverhältnisse, wogroße Familie unter schwierigsten Bedingungen leben. Das kann besonders am Bei-spiel von Großstädten deutlich gemacht werden. Die Großstädte bieten kaumSpielmöglichkeiten. Wenn es sie doch gibt, werden sie auch von anderen Bevölke-rungsgruppen genutzt, so dass die Kinder diese Bereiche nicht unbedingt für die ge-nannten Erfahrungen nutzen können.

Kinder brauchen aber auch Möglichkeiten, das Lernen zu lernen. Wir stellen bei Nach-fragen fest, dass sich die Kinder heute, was den häuslichen Bereich angeht, komplettmit digitalen Medien beschäftigen. Auch das Essen findet vor dem Tablet bzw. vorBildschirmen statt. All das, was fehlt, muss Schule heute leisten. Das geschieht imRahmen vielfältiger Angebote. Dabei geht es um die Gelegenheit, das in Bezug aufdas Leben zu lernen, was sich oft außerhalb der Schule befindet. Im Hinblick daraufist der Bereich OGS bzw. eine andere Rhythmisierung von OGS sehr wichtig.

Josefine Paul (GRÜNE): Ich möchte mich der Qualitätsfrage noch einmal sozusagenvon der Seite aus nähern. Dabei geht es mir um die strukturellen Voraussetzungendafür. In der Stellungnahme der Freien Wohlfahrtspflege ist darauf hingewiesen wor-den, dass eine verbindliche Kooperation vonnöten ist. Dementsprechend richte ichmeine Frage an Frau Siemens-Weibring, aber auch an Herrn Hebborn: Wie wäre eineverbindliche Kooperation zwischen dem System Schule und dem System Jugendhilfeauszugestalten, wenn der Rechtsanspruch 2025 vorhanden bzw. im SGB VIII veran-kert ist? Dann wird sich diese Schnittstelle ganz anders darstellen. Was bedeutet daszum einen auf der systematischen Seite für die beiden Großsysteme, aber eben auch

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hinsichtlich der alltäglichen Kooperation und Kommunikation zwischen Schule undfreien Trägern? Und was bedeutet das im Hinblick auf das Stichwort „Augenhöhe“ fürStruktur und Konzeptionierung?

Helga Siemens-Weibring (Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.):Es ist uns schon bewusst, dass das ein schwieriges Feld ist, denn es sind zwei Berei-che betroffen, die nicht so leicht miteinander in Übereinklang zu bringen sind. Wir mei-nen allerdings, dass es eine gesetzliche Grundlage geben muss. Denn nur so sindüberhaupt verbindliche Standards möglich.

Sie können sich sicherlich vorstellen, dass wir als Freie Wohlfahrtspflege das naturge-mäß eher im SGB-VIII-Bereich sowie im Jugendhilfebereich angesiedelt sehen; dennfür uns ist das Angebot der OGS ein Angebot der Jugendhilfe im Schulbereich. Wiedas dann im Rahmen von Ausführungsrichtlinien in die Schulgesetzgebung mit einge-arbeitet werden muss, kann ich nicht sagen, weil ich zu wenig Systematikerin bin. Esist aber, glaube ich, notwendig, dass sich beide Systeme mit verändern. Nur dann wirddas möglich sein. Wir würden das allerdings im Jugendhilfegesetz verankert sehenwollen.

In Bezug auf das alltägliche Miteinander gibt es sehr unterschiedliche Erfahrungen.Sie haben das gerade aus Sicht der Schulleitungen bzw. des Schulverbandes geschil-dert. Überall dort, wo den Teams auf beiden Seiten klar ist, dass sie gemeinsam ander Bildung der Kinder arbeiten und gemeinsam auf dem Weg sind, klappt es ganzgut. Überall dort aber, wo der Ganztag als ein zusätzliches, eventuell auch den Schul-alltag störendes Angebot angesehen wird, gibt es Schwierigkeiten. Das ist nicht derFall, wenn sich Fachmänner und Fachfrauen auf Augenhöhe begegnen und sagen:Wir haben eine bestimmte fachliche Kompetenz, ihr aber habt eine andere Kompetenz,die wir auch gar nicht haben können. Deshalb würde es uns im täglichen Schullalltagüberfordern, alles abzudecken. Sie haben gerade sehr gut geschildert, was in derSchule alles abgedeckt werden muss. Da kommen unterschiedliche pädagogische Er-fahrungen sowie Ausbildungen zueinander. Die müssen verschränkt werden, und esmuss gesehen werden, was die beiden Teile beitragen können. Wir finden es beson-ders gut, wenn das anders zu rhythmisieren wäre, als es jetzt möglich ist. Dazu ist eswahrscheinlich auch in der Schulgesetzgebung zu verankern. Ich bin aber, wie gesagt,keine Systematikerin.

Wir erleben innerhalb des Landes – das betrifft bestimmte Städte bzw. sogar Stadtteile –Unterschiedlichkeiten. Dort wachsen die Kinder unterschiedlich auf. Wir müssen ver-suchen, das im Rahmen eines gemeinsamen Schulkonzeptes zu kompensieren. Dasgeht nur, wenn beide Seiten beteiligt sind.

Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Das ist ein weites Feld. Ich willaber versuchen, ein paar Stichwörter zu nennen. Die Kooperationsverpflichtung beiderBereiche ist im Prinzip schon geregelt. Es steht sowohl im Schulgesetz als auch imKinder- und Jugendhilfegesetz, dass Schule und Jugendhilfe zu kooperieren haben.

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Im Übrigen geschieht das schon. Es ist nicht so, dass sich diese beiden Bereiche im-mer noch so fremd gegenüberstehen, wie es vielleicht vor 20 oder 30 Jahren einmalder Fall war. Trotzdem gibt es gewisse strukturelle Unterschiede. Auch gibt es, denkeich, andere Blickwinkel, was Kinder und Jugendliche angeht. Das muss man sehen.Gerade daraus erwächst aber die Möglichkeit, beides zusammenzuführen und einenMehrwert zu erreichen.

Eine einseitige Sicht auf das Kind vonseiten der Schule ist unserer Auffassung nachgenauso falsch wie eine einseitige Sicht von Jugendhilfe auf das Kind. Das zusam-menzubringen wäre ein großer Mehrwert für die Schulen. Wir auf kommunaler Ebeneversuchen, das ein wenig durch Konzepte wie regionale Netzwerke zu erreichen. Da-mit versuchen wir, die unterschiedlichen Professionalitäten zusammenzubringen. ZumTeil wird das auch in Kooperationsvereinbarungen heruntergebrochen, wo beide Be-reiche konkrete Ziele und Maßnahmen vereinbaren und wo es gewisse Finanzierungs-regelungen gibt. Auch das könnte man sich gut vorstellen.

Wir brauchen aber, glaube ich, auch noch ein paar strukturelle Änderungen. ZwischenLand und Kommunen muss endlich einmal die Frage geklärt werden, wer eigentlichfür die Schulsozialarbeit zuständig ist. Da vergraben sich – ich sage das einmal sosalopp – beide Partner und zeigen jeweils mit dem Finger auf den anderen. Das gehtnicht. Es gibt auch andere Beispiele. Die niedersächsischen Kommunalverbände unddie niedersächsische Landesregierung haben eine Regelung dazu getroffen, ohnedass Gesetze verändert wurden. Man hat sich geeinigt, wer was macht. So etwaskönnte in Nordrhein-Westfalen auch getan werden. Dann hätte man das Thema „Mul-tiprofessionalität“ – wir wollen das, und die Ganztagsschule braucht das – geregelt.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt struktureller Art – er ist gerade schon genanntworden – ansprechen. Dabei geht es um den Raum als dritter Pädagoge, also umzukunftsgerichteten Schulbau. Damit beschäftigen wir uns im Moment sehr stark. Da-für bräuchten wir entsprechende Schulbaurichtlinien. Das Land hat diese – aus nahe-liegenden Gründen – 2010 außer Kraft gesetzt, ohne neue Regelungen zu schaffen.Wir müssen, was das Bauliche und Ausstattungsmäßige angeht, über Schule neunachdenken. Ich sage an der Stelle als Vertreter der Kommunen aber auch: Wenn Sieversuchen, diese Vorstellungen mit dem Thema „Brandschutz“ in Einklang zu bringen,werden Sie sehr schnell Grenzen aufgezeigt bekommen. An der einen oder anderenStelle bräuchten wir also auch im baurechtlichen Bereich Änderungen.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist mir ebenfalls ganz wichtig. Es wirdimmer von Augenhöhe geredet, wenn es um die Zusammenarbeit von Schule und Ju-gendhilfe geht. Wir plädieren dann aber auch für Augenhöhe in der Schule. Das betrifftdie Mitwirkungsregelungen. Heute haben in Bezug auf die schulische Mitwirkung aus-schließlich Lehrerinnen und Lehrer, Schüler und Eltern das Sagen. Alle anderen aber,die nicht unmittelbar zum Lehrkörper gehören – um das einmal ein wenig formalistischauszudrücken –, haben in der Schule eigentlich relativ wenig zu sagen. Von dahermüsste man, wenn man Augenhöhe und gleichberechtigte Zusammenarbeit am Lern-

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ort Schule will, die Mitbestimmungsregelungen auch im pädagogischen Bereich so ge-stalten, dass beide Partner in der Schule gleichrangig vertreten sind und an pädago-gischen Konzepten mitwirken können.

Martina Hannen (FDP): Auch vonseiten der FDP herzlichen Dank für Ihr Kommen undIhre Stellungnahmen. – Herr Hebborn, Sie wiesen gerade auf die Räumlichkeiten hin.Ich möchte dazu gerne Herrn Bednarz fragen, der in seiner Stellungnahme von einermultifunktionalen Nutzung von Räumlichkeiten in der Schule spricht. In anderen Stel-lungnahmen dagegen wird ausdrücklich gesagt, dass Räumlichkeiten stets getrenntsein müssen, da sie unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen müssen. Können Sie, HerrBednarz, uns genau erläutern, wie Sie die Räumlichkeiten multifunktional gestaltet ha-ben und wie diese entsprechend genutzt werden?

Peter Bednarz (Landesjugendring Nordrhein-Westfalen): Da geht es um den im-merwährenden Konflikt zwischen außerschulischer Jugendarbeit und schulischer Ju-gendarbeit. Wir als Verbände arbeiten gerne daran mit, ein vernünftiges und tragfähi-ges Bildungskonzept bzw. eine entsprechende Bildungslandschaft mitzugestalten. Da-für bieten wir auch außerschulische Lernorte an. Wir halten sie in der Verbandsland-schaft vor. Auch finden wir es – das wurde in anderen Beiträgen schon erwähnt –wichtig, hinauszugehen. Die Schule ist nicht der einzige Ort, an dem Bildung stattfin-den kann. Wir brauchen auch außerschulische Lernorte. Bildung hat etwas mit Emoti-onen zu tun. Man muss herausgehen, fühlen, schmecken, riechen usw.

In früheren Stellungnahmen haben wir sehr dafür geworben, das getrennt zu lassen,weil wir eigentlich der Ansicht sind, dass in der Schule bestimmte Emotionen entste-hen. Lernen hat oft auch etwas mit Schwierigkeiten, Anstrengungen und schlechtenEindrücken zu tun, so dass man diesen Ort gerne verlassen würde. Nichtsdestotrotzwollen wir hier zum Ausdruck bringen, dass wir durchaus ein offener Gesprächspartnersind. Wir glauben, dass im Rahmen einer gemeinsamen Arbeit die OGS vielleicht alsPlattform begriffen werden kann. Das kann erfolgreich sein, weil wir auf jeden Fall Kin-der und Jugendliche – und nicht die Belange eines Raumes – in den Mittelpunkt unse-rer Betrachtungen stellen.

Dr. Christian Blex (AfD): Vielen Dank für Ihre Stellungnahmen. – Es ist deutlich ge-worden, dass der Wunsch der Eltern – wenn sie nicht vielleicht gerade im DortmunderNorden wohnen – nach einer Flexibilisierung sehr stark verbreitet ist. Das sieht man,wenn Gebundene Ganztagsschulen in ländlichen Bereichen eingerichtet werden sol-len, wo sich die Eltern mit Händen und Füßen dagegen wehren, ihre Kinder ganztägigin staatliche Einrichtungen abgeben zu müssen.

Es gibt die Offene Ganztagsschule, über deren Strukturen man sicher reden kann, dasie freiwillig ist. Des Weiteren gibt es die von Ihnen – das betrifft gerade den Grund-schulverband – favorisierte Form des gebundenen Ganztags. Ich habe vor dem ge-nannten Hintergrund folgende Fragen: Schule gerade im Sekundarstufe-I-Bereich so-wie an den Primarschulen fand immer vormittags statt. Am Nachmittag konnten die

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Schüler etwas anderes machen. Wie rechtfertigen Sie vor diesem Hintergrund Ihr Ein-treten für den gebundenen Ganztag im Hinblick auf den Flexibilisierungswunsch unddas Recht der Eltern an ihrem Kind?

Christiane Mika (Grundschulverband NRW): Wenn ich erfahrungsgeleitet berichtethabe, heißt das nicht, dass wir nicht für standortbezogene Konzepte sind. Die Bedarfevon Kindern sind – das wurde hier mehrfach betont – sehr unterschiedlich. Sie stehenim Vordergrund. Es geht nicht darum, etwas über die Köpfe und die Bedürfnisse vonKindern hinweg zu fordern, sondern sehr genau zu schauen, was Kinder brauchen.

Wenn ich vorhin von großen kompensatorischen Aufgaben einer Grundschule bzw.einer OGS gesprochen habe, muss gesehen werden, an welchen Stellen diese Be-darfe besonders groß sind. Wenn wir das im Kontext von Chancengerechtigkeit bzw.Annäherung an Chancengerechtigkeit diskutieren, müssen wir sehr genau hin-schauen, was Kinder wann und wo brauchen.

Bei Diskussionen geht es häufig um die Flexibilität. Die Flexibilität der Eltern ist eben-falls gefordert. Auch im Dortmunder Norden gibt es Sprachkurse, die verpflichtendsind. Es gibt hier Maßnahmen, an denen Eltern teilnehmen müssen. Auch da brauchenEltern verlässliche Betreuungszeiten. An anderen Standorten, wo Eltern gute Ange-bote der OGS gerne nutzen wollen – die werden durch eigene familiäre Angebote so-wie durch freie Spielmöglichkeiten ergänzt –, muss man sehr genau prüfen, ob derStandort dies trotzdem für Kinder, die es brauchen, in ausreichendem Maße zur Ver-fügung stellt.

In Bezug auf Kriterien für ganztägiges Lernen muss man sehr komplex diskutieren. Ichfinde es schwierig, Ganztagsschule zu verordnen. Es ist aber wichtig, dass wir an denOrten, wo sie dringend nötig ist, die Möglichkeit haben, sie auch durchzusetzen.

Von anderen Grundschulen im Verband hören wir immer wieder, dass gute OGS-Kon-zepte bei der Elternschaft schwer zu vermitteln sind, die mit Flexibilität Folgendes ver-binden: Ich orientiere mich an meinen Bedürfnissen. Wenn ich mit meinem Kind gerneetwas unternehmen möchte, dann mache ich das. Und an den Tagen, wo nichts statt-findet, nutze ich gerne die Angebote der OGS. – So aber sind gute, durchgängigeAngebote organisatorisch unglaublich aufwändig. Ich muss dann täglich daraufschauen: Wer ist wann da? Wann nutzt er welches Angebot? Damit untergräbt manso etwas wie einen hohen Standard der Angebote. Kinder müssen die Möglichkeit ha-ben, sich spontan zu entscheiden. Ich halte so etwas im Hinblick auf den organisatori-schen Aufwand, der entsteht, wenn flexible Angebote für Eltern in dem Umfang vorge-halten werden, für hochproblematisch.

Rixa Borns (GEW, Landesverband NRW): Gebundener Ganztag ist ein Angebot, beidem das, was wir eigentlich wollen – nämlich eine Rhythmisierung, ein Nebeneinanderund ein Miteinander von Jugendhilfe und Schule –, funktioniert. Bei der jetzigen Formder OGS handelt es sich um ein additives Modell: Morgens wird unterrichtet, nachmit-tags findet alles andere statt. Eine Zusammenführung klappt nur, wenn alle den gan-zen Tag über in der Schule sind. Alle anderen europäischen – das gilt aber auch für

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außereuropäische Länder – machen uns das – auch in Bezug auf Grundschulkinder –schon vor. Ich habe in Schulen vieler europäischer Länder hospitiert. Dort habe ichgesehen, wie gut das klappt und wie selbstverständlich es ist, wenn sich auch Grund-schulkinder den ganzen Tag über in der Schule aufhalten.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine ganze Reihe Gebundener Ganztagsgrund-schulen gehabt, die sehr erfolgreich gearbeitet haben. Einige wenige gibt es noch. Diesind aber nicht freiwillig aus dem gebundenen Ganztag ausgestiegen, sondern eigent-lich nur aus dem Grund, dass der offene Ganztag, was die Finanzierung angeht, einehöhere Zuwendung benötigt. Viele dieser Schulen arbeiten unter dem Mantel OGS so,wie sie es auch vorher schon getan haben. Denn sie finden – man muss das ganzdeutlich sagen – das Modell ganz wichtig.

Wir haben in unserer Stellungnahme deutlich Folgendes zum Ausdruck gebracht:Nicht alle Schulen sollten von heute auf morgen als Gebundene Ganztagsschule ar-beiten. Wir wissen aber, dass sich – aus der Erfahrung heraus; dabei geht es um dieNotwendigkeit sowie um den Bedarf der Kinder und der Eltern – eine ganze Reihe vonSchulen auf den Weg machen möchten. Die werden im Augenblick in Nordrhein-West-falen ausgebremst. Keine Grundschule hat die Chance, dass ein entsprechender An-trag genehmigt wird. Von daher glauben wir, dass es ganz wichtig ist, dass Nordrhein-Westfalen in diesen Bereich einsteigt.

In unserer Stellungnahme haben wir darauf hingewiesen, dass es dabei vorrangig ge-nau solche Schulen wie die sein sollten, die zum Beispiel Frau Mika leitet. Oder essollte sich um Schulen in anderen Stadtteilen handelt, von denen wir wissen, dass dieKinder dort in Bezug auf den Sozialindex einer ganz anderen Unterstützung bedürfen.

Ich bin hier auch Vertreterin der GEW und weiß, dass unsere Kolleginnen, die in diesenSchulen arbeiten, eine andere Form von Unterstützung – das betrifft teilweise auchden Vormittag – brauchen. Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule sowohlim Vormittags- als auch im Nachmittagsbereich ist dringend erforderlich. Denn wirkommen in den besonderen Schulen in diesen besonderen Stadtteilen an unsereGrenzen. Die Kollegen dort haben eigentlich die Grenze der Belastbarkeit überschrit-ten. Insofern ist die Zusammenarbeit von beiden in einem gebundenen und rhythmi-sierten Ganztag notwendig und erforderlich. Wenn wir nicht ganze Generationen vonGrundschulkindern verlieren wollen, indem wir ihnen nicht einen guten Start in derGrundschule ermöglichen, wird man hier in 20 Jahren sitzen und sich fragen: Wasmachen wir eigentlich mit den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die einen soschlechten Start gehabt haben?

Vorsitzende Kirstin Korte: Ich schließe die erste Fragerunde und möchte darauf hin-weisen, dass wir uns eigentlich darauf verständigt hatten, dass pro Fraktion erst einmalnur eine Frage kommen soll. Das beschleunigt das Verfahren. Jetzt sollten wir versu-chen, in dieser Runde pro Fraktion nur einen Fragesteller zu Wort kommen zu lassen.Das wird, denke ich, mit Absprache ganz gut klappen. – Wir starten jetzt mit Frau Paul.

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Josefine Paul (GRÜNE): Ich habe eine Frage zur Fachkräftegewinnung. Wir sprechenbei der Frage des Ausbaus bzw. des Ausbaubedarfs eben nicht nur von Räumlichkei-ten und Plätzen, sondern auch in sehr massiver Form davon, dass wir Fachkräfte brau-chen. Es ist schon durchaus angeklungen, wie schwer das gegebenenfalls auch inBezug auf die Systeme ist. Im Antrag wurde eine Gesamtkonzeptionierung eingefor-dert. Meine Frage an den VBE und die GEW bezieht sich auf die Fachkräftegewinnungund das Halten von Fachkräften im Bereich des Ganztags. In welcher Weise müsstedieses Problem aufgegriffen werden?

Rixa Borns (GEW, Landesverband NRW): Das Thema „Fachkräftemangel“ ist füruns in der GEW, gerade was den Grundschulbereich angeht, ein vielfältiges. Es betrifftnicht nur die Erzieherinnen, sondern es geht dabei auch um die Grundschullehrerin-nen, von denen wir nicht mehr genug haben. Das ist, glaube ich, ein Thema, dessenBehandlung die Diskussion hier fast sprengen würde. Wir sollten aber darauf achten,dass das Personal, welches wir brauchen, unter bestimmten Bedingungen arbeitenkann, nämlich solchen, die dazu führen, dass wir überhaupt Personal gewinnen kön-nen.

Die Erzieherinnen – das wurde vorhin schon erwähnt – sind im Rahmen von OGShäufig nur im Rahmen einer halben Stelle beschäftigt. Sie sind ganz schnell wiederweg, wenn sie eine volle Stelle bekommen. Denn mit einem halben Erzieherinnen-Gehalt kann man nicht leben, es sei denn man hat einen finanzkräftigen Partner. Inso-fern muss, glaube ich, sehr viel für die Bedingungen getan werden, unter denen dieKolleginnen arbeiten. Es muss etwas in Bezug auf die Gehaltsschraube getan werden.Auch muss es mehr Ausbildungsplätze für diese Berufe geben, und sie müssen attrak-tiver gemacht werden, wenn man mehr Menschen dafür gewinnen will. Ich weiß, dassdieser Bereich spannend ist und dass die Arbeit in ihm sehr viel Freude machen kann.Aber ich glaube auch, dass es sehr notwendig ist, Arbeitsbedingungen zu schaffen,die dazu führen, dass mehr Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich arbeiten wol-len.

Meine Betonung liegt sehr auch darauf, dass wir gerne mehr Kollegen haben möchten.Im Bereich der Primarstufe gibt es eigentlich viel zu wenig Männer. Gerade die Jungsin den Grundschulen brauchen auch andere Identifikationsfiguren oder Menschen, mitdenen sie ganz anders spielen können, weil sie solche Erfahrung zu Hause gar nichtmehr machen können.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Ichschließe mich dem grundsätzlich an. Das hat ganz viel mit der Attraktivität des Berufeszu tun. Es hängt insoweit auch mit den Verdienstmöglichkeiten zusammen. Im Momentist die Situation – Frau Borns hat das ausgeführt – schwierig. Es gibt im offenen Ganz-tagsbereich viele Stellen, die nicht so bezahlt werden, dass es für Alleinerziehendebzw. die Familie reicht. Wenn man den Menschen dann von der Bezahlung her attrak-tivere Berufe anbietet, finden Wechsel statt. Das macht das Berufsfeld in der Schule,was diesen Bereich angeht, noch unattraktiver.

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Die Praktikantenerzieher in den Anerkennungsjahren sind ein Jahr an der Schule. Siesind morgens mit im Unterricht. Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass in An-fängen deutlich wurde, was im offenen Ganztagsbereich der Grundschulen möglichist. Dabei geht es auch um die Frage, wie Männer in diesen Bereich kommen. DieKinder werden nicht nur ab halb zwölf oder manchmal vor dem Unterricht erlebt. Durcheine andere Anerkennung und eine andere Nähe zu den Lehrkräften und Klassen gibtes – das sehe ich so – eine große Chance, die wir nutzen sollten. Das geht aber nur,wenn wir im offenen Ganztag keine prekären Arbeitsverhältnisse haben.

Wenn wir Bildung in Bezug auf die Kinder wirklich ernst nehmen und sie in den Mittel-punkt stellen, brauchen diese von morgens bis nachmittags feste Bezugspersonen.Das geht nur über eine solide Finanzierung.

Jochen Ott (SPD): Wir haben jetzt sehr viel mit den Vertretern der Lehrer sowie mitdem kommunalen Spitzenverband und der Wohlfahrtspflege gesprochen. Ich möchtegerne Professor Radisch als Wissenschaftler ins Gespräch bringen. Im Zusammen-hang mit der Antragstellung haben wir eine große Fachveranstaltung mit ProfessorTillmann und anderen durchgeführt, die untersucht haben, was Gelingensbedingun-gen für gute Ganztagsschulen sind. Wir haben versucht, das in die parlamentarischeDebatte einzuspeisen. Das ist die Grundlage dessen, was wir heute diskutieren. Vondaher, lieber Herr Professor Radisch, hätten wir von Ihnen gerne gewusst – Sie habendie Debatte hier mitbekommen, aber auch die Texte gelesen –, was man aus wissen-schaftlicher Sicht empfehlen kann. Welche Grundlagen sollte Politik setzen? Wie be-trachten Sie als Wissenschaftler die gemachten Hinweise, was das Verhältnis zwi-schen Jugendhilfe und Schule bzw. die gesetzliche Struktur angeht? Können Sie unsda aus wissenschaftlicher Perspektive weiterhelfen?

Prof. Dr. Falk Radisch (Institut für Schulpädagogik, Grundschulpädagogik,Philosophische Fakultät der Universität Rostock): Ich fand es sehr spannend,dass hier Perspektiven aufeinandergetroffen sind, die sich schon lange aneinanderreiben. Die Vertreter dieser Perspektiven arbeiten in den Offenen Ganztagsschulenhier im Land zusammen. Ich war in Wuppertal und habe lange Zeit bei der Unterstüt-zung der Entwicklung von Ganztagsschulen mitgearbeitet. Auch das von Ihnen ange-sprochene Gutachten habe ich mit Herrn Herrn Klemm und Herrn Tillmann mitbetreut.Von daher halte ich aus externer Sicht das, was hier im Land passiert, mittlerweileeigentlich für sehr beachtlich. Die dazu stattfindende Diskussion halte ich für wichtigund zielführend. Sie ist für das gesamte Bundesgebiet beispielhaft.

Ich glaube aber auch, dass man in Bezug auf die Offene Ganztagsgrundschul hier imLande ein Modell fährt, bei dem man – das ist der Tenor der Stimmen, die ich jetzt hiergehört habe, sowie auch der Stellungnahmen, die ich gelesen habe – gut daran täte,das in eine andere Form der Offenheit und Gebundenheit zu überführen. Gerade ausdem Gutachten von Herrn Tillmann, Herrn Klemm und mir geht hervor, dass man ge-rade im Grundschulbereich durch die Umfänge der verbindlichen Stundentafeln eigent-lich Möglichkeiten hat, die Gebundenheit auf eine Art und Weise einzuführen, die das

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Recht der Familie auf das Kind – auch das ist bereits angesprochen worden – nichtbeschneidet. Trotzdem kann man eine bestimmte Form von Rhythmisierung sowie Un-terstützungs- und Flexibilisierungsmöglichkeiten in die Schulen bringen, die, glaubeich, für die Heterogenität und die Unterschiedlichkeit der Lebens- und Aufwachsens-bedingungen zu deutlich mehr Gerechtigkeit führen, als das im Moment mit der starrenbzw. nachvollziehbar im Moment notwendigen Trennung zwischen Unterricht und au-ßerunterrichtlichen Angeboten der Fall ist.

Ich glaube, wir tun gut daran, gerade unter dem Stichwort „Inklusion“ für die Kinderund Jugendlichen – das ist in einem weitergehenden Verständnis zu sehen – Angebotevorzuhalten, mit denen Unterrichtszeiten so flexibilisiert werden, dass wir besser aufdie unterschiedlichen Bedarfe eingehen können. Dabei rede ich nicht nur von sonder-pädagogischem Förderbedarf, sondern dies betrifft auch das, was wir aus der Dort-munder Nordstadt sowie aus bestimmten Teilen Wuppertals gehört haben.

Ich glaube, das ist etwas, worüber wir noch einmal ganz anders nachdenken müssen.Wir sollten darüber nachdenken, wie so etwas in Gesetze und Verordnungen gegos-sen werden kann, damit es am Ende im praktischen Zusammenspiel zwischen Schule,Wohlfahrtsverbänden und Freier Jugendhilfe gemeinsam umgesetzt werden kann.Das ist, glaube ich, ein viel trickreicherer Bereich, den man sich anschauen muss. Dasist besser, als immer weiter darüber zu reden, dass es darum geht, nach dem Unter-richt etwas in der Schule zu tun.

Ich glaube, man muss anfangen, Schule anders zu verstehen, und zwar sowohl vonschulischer Seite als auch von Jugendträgerhilfeseite aus. Man muss sich gemeinsaman einen Tisch setzen und darüber nachdenken, wie man flexible Angebote so schafft,dass gemeinsam gearbeitet werden kann. Ich könnte noch sehr viele Stichwörter dazuansprechen. Zum Beispiel geht es dabei auch darum gehen, dass Mitbestimmungs-rechte ausgeübt werden können, dass diejenigen, die in der Schule arbeiten, auchgleichberechtigt in den Gremien sitzen. Das ist nicht nur in NRW ein großes Problem,sondern es betrifft auch alle anderen Bundesländer. – Ich glaube, das sind die Bau-stellen, an die wir schneller herangehen müssen, wenn wir die Schule zukunftsfähigaufstellen wollen.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Meine Frage richtet sich an Professor Radisch. HerrVielhaber, der nicht persönlich anwesend ist, hat in seiner Stellungnahme unter ande-rem geschrieben, dass der Einfluss der Familien auf den Bildungserfolg der Kinderkeinesfalls zu unterschätzen sei. Die neuen wissenschaftlichen Studien bestätigen,dass der familiäre Einfluss auf den Bildungserfolg im Guten und im weniger Gutendeutlich größer ist als der schulische.

Die Ausführungen von Frau Mika kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich erlebe dasselbst bei meinen Kindern in der Kita – dabei geht es nicht um einen sozialen Brenn-punkt –, wie dominant dieses Marathon-Seriengucken usw. das Leben der Kinder, ihreEntwicklung und auch schon den Kita-Alltag verändert. Die Erzieherinnen müssen sichmit völlig überfrachteten und desolaten Kindern auseinandersetzen, die sie fördernmöchten.

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Vor diesem Hintergrund interessiert mich, wie Sie als Wissenschaftler den Einfluss derFamilien bewerten und ob man mit einem ganztägigen Bildungsangebot die genanntenDefizite kompensieren kann. Bei der Situation zu Hause kann man im Prinzip – wiesoll man das ausdrücken? – fast schon von einer Verwahrlosung auf der zwischen-menschlichen Ebene sprechen.

Prof. Dr. Falk Radisch (Institut für Schulpädagogik, Grundschulpädagogik, Phi-losophische Fakultät der Universität Rostock): Natürlich ist der Einfluss der Familieder größte. Die Familie ist die Sozialisations- und Bildungsinstanz Nummer 1. Wir alsGesellschaft haben aber ein System namens Schule und ein etwas größer gefasstesBildungssystem, das dazu angehalten ist, auch Integration und Sozialisation zu betrei-ben. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir dieses System – soweit es möglich ist –nicht dafür nutzen, Dinge, die in den Familien passieren, zu kompensieren oder aus-zugleichen.

Wir sind ein freiheitlich-demokratisches System. So etwas kann nicht über eineZwangsbeglückung laufen. Es ist aber ein Angebot zu machen, welches es den Kin-dern ermöglicht, auf Angebote zurückzugreifen, die sie zu Hause vielleicht nicht oderin anderer Form bekommen. Offene Ganztagsschule ist dafür sicherlich eines derHauptinstrumente. Ich rede aber auch hier wieder davon, dass wir eine Form von Bin-dung bzw. Verbindlichkeit brauchen, weil bestimmte Bevölkerungsschichten sich die-sen Dingen sonst systematisch entziehen könnten. Solche Hinweise haben wir. Wirwissen zum Beispiel aus der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, dass dieBevölkerungsgruppen, welche eigentlich besonders profitieren sollten, nicht in demUmfang systematisch teilnehmen, der dazu führen würde, dass sie das auch könnten,wenn sie es denn – um es einmal so zu sagen – wollten.

Das heißt also, dass der schulische Auftrag von Bildung weit über das hinausgeht, waswir mit der Vermittlung von Wissen in irgendwelchen Fächern meinen. Vielmehr gehtes um Beteiligung, Demokratisierung, Einsozialisierung in gesellschaftliche Verhal-tensweisen, Regeln usw. usf. In Bezug auf diese Blickrichtung tun wir gut daran, wennwir gerade die Angebote der Offenen Ganztagsschule in diese Richtung weiterdenken.Dabei sollten wir die hier vielfach angesprochenen Möglichkeiten und die Notwendig-keiten hinsichtlich bestimmter Bevölkerungsschichten sehen. Das sollte ganz syste-matisch geschehen. Dafür bin ich aber als Bildungswissenschaftler die falsche An-sprechperson. Um sich das einmal genau anzuschauen, benötigt man einen Sozial-wissenschaftler. Wir sollten die Schule wieder stärker dafür nutzen und nicht nur dieWissensvermittlung in den wichtigen Fächern – gerade als Bildungswissenschaftlerwill ich das nicht kleinreden – sehen.

Gerade den gesellschaftlichen Gesamtauftrag von Schule sollten wir mit Bezug aufdiese Richtung wieder mehr verstehen und das als Zielsetzung für die Ganztagsschulenutzen. Auf dieser Grundlage muss man dann über Qualitätsmerkmale nachdenken.Was führt dazu, dass Schülerinnen und Schüler in diesem sozialisatorischen Bereichunterstützt werden? Es kann für mich nicht nur um fachliches Lernen gehen, sondern

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es geht darum, dass Schülerinnen und Schüler zum Beispiel Zusammenhalt und Zu-sammenarbeit lernen.

Das finnische System – das zu sehen ist spannend – hatte jahrzehntelang keine Ganz-tagsschulen. In Finnland hat man zu dem Zeitpunkt, als wir angefangen haben, ver-stärkt über Ganztagsschule nachzudenken – das war 2001 –, aus einer PISA-orien-tierten Sichtweise heraus damit begonnen, aus sozialpolitischer Sicht über dieseSchulform nachzudenken. Dabei handelt es sich um das sogenannte Mukava-Projekt.Das dient nach wie vor dazu, die Schülerinnen und Schüler im ländlichen Raum – ichkomme aus einem solchen in Mecklenburg-Vorpommern – wieder stärker und näherzusammenrücken zu lassen, weil man gemerkt hatte, dass die Gesellschaft im Zugeder Individualisierung der Lebensweisen auseinanderbricht. Bei der ländlichen Struk-tur in Finnland ist das – wie bei mir in Mecklenburg-Vorpommern auch – noch vielstärker als in städtischen Regionen der Fall. Das ist aber eine ganz andere bzw. kon-krete Zielsetzung für Ganztagsschulen. Mit dem Begriff „Ganztagsschule“ kann mansehr viel verbinden. Wenn wir über Qualität reden, müssen wir eine Zielsetzung vorAugen haben, sonst wird das zu sehr auseinanderklaffen.

Frank Rock (CDU): Die Beiträge waren allesamt sehr interessant. Sie haben sehr klardie Vielfältigkeit der Themen im Bereich Bildung bzw. OGS dargelegt. Dabei geht esauch um Beratung für die jungen Menschen. Wir haben im Rahmen der OGS einenBildungs-, Erziehungs- und auch Beratungsauftrag für alle Beteiligten. Das macht dieSache so komplex. Man streitet sich immer wieder in Bezug auf die Frage: Um wie vielBildung geht es? Wie viel Rhythmisierung kann zugelassen werden? Wie viel an An-geboten kann nachmittags gemacht werden, ohne ein Kind auszuschließen, das nichtam OGS-Angebot teilnehmen möchte? Dann kommt man direkt zur SchnittmengeGanztagsschule bzw. Gebundene Ganztagsschule.

Ich habe drei Kinder und hätte mir keine Gebundene Ganztagsschule für meine Kindergewünscht, auch wenn ich die Notwendigkeit in vielen Bereichen sehe. Persönlichhabe ich die Entscheidung getroffen, die Kinder da herauszunehmen. Das habe ichmit Bedacht getan. Meine Frau ist arbeiten gegangen. Aus dem Grunde muss man –ich bitte darum – den Fokus ein wenig darauf legen, es nicht in einer Einheitsschulelaufen zu lassen. Und man muss die Diskussion darüber ein Stück weit offener lassen.

Wir sprachen eben über gute Ganztagsschulen und nicht so gute Ganztagsschulen,die bisher noch nicht – wie es bei vielen Schulen der Fall ist – additiv, sondern verzahntlaufen. Meine Frage geht an Frau Siemens-Weibring. Was ist Ihrer Ansicht nach dieUrsache, dass es freie Träger gibt – sie vertreten die –, die bis dato mit den Schullei-tungen schon echt auf Augenhöhe agieren können? Und warum gibt es solche, diedas noch nicht geschafft haben?

Wir haben erfahren, dass es Schulen gibt, wo es wirklich gut klappt, bei denen esschon einen hohen Qualitätsanspruch gibt. Und es gibt Schulen, wo wir merken, dassdort die Mauer ein bisschen höher ist. Wer hat Einfluss, diese Mauern abzubrechen?Wir haben auch bei uns im Gebiet Qualitätszirkel, wo man sehr viele Gespräche führt.Können Sie aus Ihrer Erfahrung schildern, warum es bei manchen Schulen noch nicht

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so gut klappt und was für Kriterien Sie als freie Wohlfahrtsverbände ausgemacht ha-ben, warum das Zusammenarbeiten auf Augenhöhe noch nicht funktioniert?

Helga Siemens-Weibring (Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.):Warum schaffen wir als freie Wohlfahrtspflege es nicht, in ein System hineinzukom-men, das über Jahrhunderte ein sehr geschlossenes war? Das ist, glaube ich, eineFrage, wo die Antwort darauf an vielen Stellen selbsterklärend ist. Außerdem habenwir freie Träger, die sagen: Wir wollen nicht in bestimmte Bereiche hineingehen, wennwir unsere Qualitätsstandards nicht halten können. Wir werden keinen Ganztag anbie-ten, wenn uns von vornherein klar ist, dass es nicht gut für die Kinder, die Eltern unddie Schule ist.

Wir sind mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Schulministerium an vielenStellen im Gespräch. Dabei sagen wir: Wir versuchen, dieses System, welches unend-lich lange sehr geschlossen war, anzunehmen und gemeinsam daran etwas zu än-dern. Das wird versucht, wo sich Schulleitungen mit Leitungen von OGS zusammen-setzen. Da können Elternvertreterinnen und -vertreter mit dabei sein. Man kann soeine gewisse Partizipation von Kindern noch hinbekommen. Das ist möglich. Wir soll-ten es aber gemeinsam erreichen, Lernorte zu schaffen, die nicht durch Schulgebäudebegrenzt sind und so aussehen, als seien sie aus den 50er-Jahren, sondern die unsdie Möglichkeit geben, Lernlandschaften zu gestalten. Wenn alle da mitmachen wol-len, klappt das sehr gut. Das Problem besteht darin, dass der Wunsch nach dem ge-meinsamen Gestalten eines Lernortes nicht überall gleich ausgebildet ist. Dann erach-ten wir es als freie Träger manchmal als besser, dort nicht hineinzugehen; denn solcheAnsätze sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Dort aber, wo es klappt, erleben wir, dass es sowohl für die Schulen als auch für dieTräger und – das ist das Wesentliche – die Kinder eine große Verbesserung ist, weilsich die Kinder dort nicht so vorkommen, als befänden sie sich – dieser Begriff wurdeeben erwähnt – an einem „Zwangsort“. Das erleben die Kinder dort nicht mehr. Wennsie dann noch mitbekommen, dass diese Räume nicht nur dazu da sind, um Zensurenzu produzieren, sondern dass man dort auch Leben – und zwar nicht nur am Vormittag,sondern auch am Nachmittag; von daher ist die Überlegung in Bezug auf das Rhyth-misierung so gut – gestalten kann, profitieren alle davon. Das funktioniert häufig nicht,weil die zur Verfügung stehenden Räume zum Beispiel nicht inklusiv gestaltet sind. Esgibt immer noch offene Ganztage, die in Kellerräumen arbeiten müssen. Dort – zwi-schen Heizungsrohren – fühlen sich die Kinder nicht besonders wohl. Es gibt immernoch Räume, in denen sie sich nicht bewegen können und wo auf kleinstem Raumsowohl Hausaufgabenbetreuung stattfindet wie auch Tobe-Zeiten durchgeführt wer-den müssen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Schulleitungen oder die Trägerdas wollen, sondern an den baulichen Kapazitäten.

Es gibt eine breite Vielfalt überall dort, wo wir alle zusammenarbeiten, um zu erreichen,dass die Kinder einen guten Lernort haben. Dort klappt es. Wo es nicht funktioniert,gehen unsere Träger heraus. Sie gehen auch dann heraus, wenn unser Personal nichtanständig bezahlt wird.

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Elisabeth Müller-Witt (SPD): Ich habe eine Frage an Frau Ackermann vom Lan-dessportbund. Sie haben in Ihrer Stellungnahme geschrieben, eine auskömmliche Fi-nanzierung der OGS sei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür,dass die angestrebte Zusammenarbeit von Schule, Kinder- und Jugendhilfe sowohlgemeinwohlorientierten Institutionen und Organisationen gelingen könne. Der Lan-dessportbund hat große Erfahrungen im Bereich der OGS. Sie sind da ein geschätzterPartner. Was sind denn in Ihren Augen die weiteren Bedingungen, die für ein Gelingenoder für eine erfolgreiche OGS so wichtig sind?

Susanne Ackermann (Landessportbund Nordrhein-Westfalen): Bedingung ist –das steckt in dem Satz schon drin – eine auskömmliche Finanzierung. Das ist eineGrundbedingung dafür, dass auch Kooperationen mit außerschulischen Partnern ein-gegangen werden können. Wir als Landessportbund machen durchaus die Erfahrung,dass ein Engagement auf ehrenamtlicher Basis stattfindet. Aber auch aufseiten außer-schulischer Partner ist das an Qualität erforderlich, was im offenen Ganztag notwendigist. Das heißt, auch wir müssen für qualifiziertes Personal und Verlässlichkeit sorgen.Auf ehrenamtlicher Basis ist das hier und da durchaus möglich, aber nicht in der Breitebzw. in der Fläche.

Seit 2003 haben wir eine Rahmenvereinbarung mit der Landesregierung. Wir wareneiner der ersten Partner, die diesen Schritt gegangen sind. Dort haben wir schon 2003festgehalten, dass, wenn es um Bewegung, Spiel und Sport im Ganztag geht, die ge-meinwohlorientierten Sportorganisationen Vorrang vor anderen Anbietern haben sol-len, welche ebenfalls in diesem Bereich tätig sind.

Wir sind seit vielen Jahren dabei und haben diese Rahmenvereinbarung im Rücken,stellen aber doch immer wieder fest, dass diese vor Ort nicht bekannt ist oder nichtBeachtung findet, weil dort bequemere Lösungen gefunden werden. Oder aber es gehtum nicht ausreichende finanzielle Mittel. Deshalb haben wir festgestellt, dass die fi-nanzielle Ausstattung eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist. Mo-mentan ist es immer noch so, dass dort, wo sportaffine Personen im Ganztag oder inder Schulleitung tätig ist, durchaus die Notwendigkeit gesehen wird, eine Schule zumStadtteil hin zu öffnen und Kinder auch über die Verweilzeit im Ganztag hinaus in die-sem – auch durch das Angebot anderer Partner – zu verankern. Dort, wo das abernicht der Fall ist, stehen wir häufig vor verschlossenen Türen. Deswegen benötigenwir eine Lösung, die mehr Verbindlichkeit bringt. Einen Vorschlag dazu habe ich in derStellungnahme gemacht. Das Ganze müsste mit einer entsprechenden Finanzierungverbunden sein. In Bezug auf die Frage, wie genau ein solcher Schritt gestaltet werdenkönnte, würden wir sehr gerne in weitere Beratungen eintreten. Wir würden auch gernein Gesprächen mit kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern des Ganztagsgemeinsam nach möglichen Lösungen suchen.

Vorsitzende Kirstin Korte: Damit haben wir unsere zweite Runde beendet. Jetzt tre-ten wir in die dritte ein. Das Wort hat jetzt Herr Müller.

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Frank Müller (SPD): Ich richte meine Frage an die kommunalen Spitzenverbände, dieGewerkschaften und die Wohlfahrtsverbände. Frau Siemens-Weibring ist leider nichtmehr anwesend. – Es wurde gesagt, dass guter Ganztag unter aktuellen Bedingungenbereits möglich ist, und es wurde eine Frage in Bezug auf Best-Practice-Modelle ge-stellt. Können Sie uns schildern, wie unterschiedlich sich die Situation darstellen kann?Wenn ich es richtig sehe, hängt es sehr mit dem zusätzlichen Engagement der Kom-munen vor Ort zusammen, ob ein guter oder ein schlechter Ganztag möglich ist. Dar-aus ergeben sich in der logischen Folge sehr unterschiedliche Standards. Wenn Siedas so bestätigen können – ich vermute, dass Sie das werden –, frage ich: Wie müsstedenn Ihres Erachtens nach die künftige Finanzierung und die Struktur mit Blick auf diegemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen aussehen?

Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Ich kann den Befund nur be-stätigen. Manchmal ist die Wahrheit ganz einfach. Die Qualität der OGS hängt in vielenKommunen von deren Finanzsituation ab. Wir haben jetzt eine Finanzierung, die aufdrei Säulen basiert, nämlich sogenannten Pro-Kopf-Beiträgen, den Elternbeiträgenund dem kommunalen Anteil, wobei der Elternbeitrag auf den kommunalen Anteil an-gerechnet werden kann. Er ist nach oben hin limitiert.

Wir wissen aus vielen praktischen Erfahrungen, dass mit diesem Geld ein qualitativguter Ganztag – so wie er hier beschrieben worden ist – nicht durchzuführen ist. Dasführt dazu, dass viele Kommunen Geld obendrauf legen. Die Kommunen, welche daskönnen, erreichen damit auch eine gewisse Qualität. Das trifft zum Beispiel auf dieStadt zu, in der wir uns jetzt befinden. Die ist finanziell bekanntlich besser gestellt alsmanche Ruhrgebietsstadt. Sie kann das mit hauptamtlichem Personal machen. An-dere Städte machen das – ich verwende jetzt einmal diesen Begriff – mit Honorarkräf-ten oder anderem nicht dauerhaft beschäftigtem Personal. Das setzt sich fort bei denRäumlichkeiten usw. usf.

Es gibt also eine Abhängigkeit von der kommunalen Finanzsituation. Deshalb sagenwir: Wir brauchen ein Element, das die OGS zunächst einmal rechtlich im Schulgesetzverankert. Dann kann man auch regeln, welche Standards gelten. Das ist im Schulbe-reich auch nicht anderes. Es gibt eine Regelung zu den Lehrern. Dazu gibt es eineVerordnung, in der die Schüler-Lehrer-Relationen festgelegt werden. Man kann dasalso regeln. Wir bewegen uns dann nur in anderen Finanzbeziehungen zwischen Landund Kommunen, als das jetzt der Fall ist. Deshalb ist es unter den letzten vier Landes-regierungen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, bisher nicht gelungen, das zuverankern. Dann reden wir auch über Konnexität. Das ist – wir wissen das – ein Reiz-wort. Darüber muss man aber reden, sonst kommt man letztendlich nicht weiter. Dennes ist klar, dass die Kommunen alleine das so nicht finanzieren können. Das gilt selbstfür die bessergestellten Kommunen.

Wir wollen einen konstruktiven Beitrag leisten. Dann aber müssen wir aber – ich wie-derhole mich – über grundlegende Fragen wie „Wer finanziert Schulsozialarbeit?“ usw.reden. Ich glaube, es ist überfällig, dass Land und kommunale Spitzenverbände dar-über noch einmal in Gespräche eintreten.

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Wir haben jetzt im vorschulischen Bereich Rechtsansprüche, die mit einer gewissenQualität versehen sind. In der Schule bricht das dann irgendwo ab. Deshalb ist eseigentlich folgerichtig zu sagen: Wir brauchen auch für die Grundschulkinder einenRechtsanspruch; denn es gibt diese Kinder ja. Deshalb müssen wir – zumindest biszum Alter von zehn Jahren, eventuell je nach Bundesland auch bis zum Alter von zwölfJahren – einen Rechtsanspruch haben. Wir als kommunale Spitzenverbände haltendas für richtig; aber wir sehen das auch mit einer gewissen Sorge, weil der Bund dasnur über das SGB VIII regeln kann. Das SGB VIII verpflichtet dann die Kommunen.Dann läuft das so ähnlich wie beim Kita-Rechtsanspruch oder beim U3-Rechtsan-spruch. Wir würden dann im Rahmen eines zähen Kampfes ständig über Qualität,Geld, Standards usw. reden und müssten uns das Geld erstreiten. Das kann nicht derWeg sein. Deshalb sagen wir: Wenn man einen Rechtsanspruch will, muss man ihnschulrechtlich verankern. Man muss die Länder verpflichten, schulgesetzliche Rege-lungen einzuführen. Dann wird das auch funktionieren. Ansonsten haben wir die Be-fürchtung, dass wir weiter so arbeiten werden, wie das bisher der Fall war.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Auch wirhaben die Erfahrung gemacht, dass die Bedingungen vor Ort sehr unterschiedlich sind.An vielen Orten ist die OGS ein Sparmodell. Das ist eine sehr schwierige Angelegen-heit. Es geht um die kompletten Ressourcen. Ich möchte noch einmal konkret auf diepersonellen Ressourcen eingehen. Wir haben an den Schulen im Moment die Situa-tion, dass Lehrkräfte – da schließe ich Sozialpädagogen und alle anderen mit ein –eine knappe Ressource sind. Des Weiteren sind auch die Mitarbeiter im Ganztagknapp.

Ein guter Ganztag kann nur funktionieren, wenn auch Kooperation und Kommunikationklappen. Was aber braucht man für einen guten Ganztag? Zeit. Wenn im Moment inder Schule etwas nicht vorhanden ist, ist es Zeit. Zeit zu haben ist aber wichtig

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für mich, dass man, wenn man ein gemeinsamesSchulprofil vertritt, gemeinsame Fortbildung braucht. Dann müssen die pädagogischenTage gemeinsam gestaltet werden. Wir bekommen immer wieder die Rückmeldung –in dieser Beziehung geraten wir in den Grundschulen an unsere Grenzen –, dass diepädagogischen Tage von den Trägern außerhalb der Arbeitszeiten gelegt werden. Eskönnen nur die Kolleginnen und Kollegen aus dem Offenen Ganztag teilnehmen. Dasist dann sozusagen deren Privatvergnügen. Sie bilden sich also ohne Bezahlung fürunsere Schulen bzw. unsere Kinder fort. Das ist eigentlich ein Unding.

Von den Eltern her gesehen möchte ich – auch das hat etwas mit Qualität im Ganztagzu tun – auf das Essen zu sprechen können. Das ist für uns in den Schulen ebenfallsein großes Problem. Es gibt unterschiedliche Anbieter. In den Kommunen wird dasganz unterschiedlich gehandhabt. Auch wenn es eine Teilnahme am Bildungs- undTeilhabepaket gibt, nimmt die Zahl der Kinder zu, die große Probleme haben, 1 € fürdas Essen zu bezahlen. Außerdem gibt es große Probleme bei den Familien, wo El-ternteile geringfügig beschäftigt sind. Die fallen aus dem BuT heraus. Es hängt vomSchulstandort ab, ob die Schulleitung es – mit Förderverein oder wem auch immer –

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hinbekommt, das Essen für diese Kinder zu bezahlen, ohne dass es für alle Beteiligtenunangenehm wird. Wir brauchen dringend einen Ganztag in dieser Form ohne Eltern-beiträge. Das hier zu sagen, war wichtig.

Sebastian Krebs (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, LandesverbandNRW): Wir reden zunächst einmal über den Bildungsanspruch der Kinder. Der ist na-türlich gesellschaftlich zu leisten. Da kann es nicht sein, dass Kommunen, die überweniger Geld verfügen, entsprechend schlechter gestellt sind, womit dann auch dieKinder schlechter gestellt sind. Das sind oft die Kommunen, in denen gerade die Prob-leme hochkommen. Sozial schwache Kommunen haben in der Regel nicht so vielGeld. Da gilt es anzusetzen und einen einheitlichen Standard zu schaffen. Dieser mussgewährleistet werden. Das muss vom Land in Abstimmung mit den Kommunen ge-schehen. Wir fordern Kostenfreiheit und die Bereitstellung von Bildung. Das gilt auchfür die OGS.

Es wurde gerade angesprochen, dass Personal fehlt. Dieses geht leider lieber dorthin,wo die sozialen Probleme nicht so hochkochen. Auch da gibt es das Problem, dassdie Menschen, welche die Arbeit leisten sollen, unter Umständen nicht zur Verfügungstehen. Man muss überlegen, Anreizsysteme zu schaffen, damit auch in den Berei-chen, wo Personal fehlt und eh schon alles knapp ist, Leute bereit sind zu arbeiten,damit der eben angesprochene Bildungsanspruch der Kinder erfüllt werden kann.

Ursula Harwighorst (Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.): Ichvertrete Frau Siemens-Weibring, die nicht mehr anwesend ist. – All das, was die Vor-redner in Bezug auf einen guten Ganztag gesagt haben, haben auch wir in unsererStellungnahme beschrieben. Wir weisen seit zwei Jahren, unterstützt durch unsereKampagne, auf diese Dinge hin. Dazu haben wir auch Zahlen hinterlegt. Das, was wiran Forderungen – dabei geht es um die angegebenen Zahlen – aufgestellt haben, istdas absolute Minimum: Wir haben 3.200 € als Minimum für ein Kind berechnet. EinKind in der Kita kostet aber unter Inanspruchnahme gleicher zeitlicher Ressourcenungefähr 1.000 € mehr. Es kann nicht sein, dass in diesem Land Kinder im Alter vonfünf Jahren anders als solche unterstützt werden, die sich ein Jahr später im OffenenGanztags bzw. in der Ganztagsbetreuung der Schule befinden.

Es ist uns wichtig darzustellen, dass die große Ungerechtigkeit im Lande, die allerortenzu beklagen ist, darauf zurückzuführen ist, dass die Städte freiwillige Beiträge – oderauch nicht – leisten. Die Rahmenbedingungen der Finanzierung – letztlich geht es da-bei um die gesetzlichen Vorgaben – reichen überhaupt nicht aus. Das bestreitet fastniemand mehr. Die Städte legen an der einen oder anderen Stelle noch etwasobendrauf – oder eben nicht. Es geht darum, diese Unterschiedlichkeiten ganz beson-ders und ziemlich dringlich in den Blick zu nehmen.

Die SPD fordert in ihrem Antrag ein Zukunftskonzept. Aus unserer Sicht ist es – nochbevor 2025 der Rechtsanspruch gewährleistet ist – nötig, sich in dieser Hinsicht mit

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den kommunalen Spitzenverbänden und allen anderen Beteiligten der freien Wohl-fahrtspflege entsprechend auseinanderzusetzen, um die eklatanten Ungerechtigkeitenzu beseitigen.

Aus unserer Sicht ist der Offene Ganztag im SGB VIII sehr gut angesiedelt, weil indiesem Fall all die Standards, die es beschreibt, umgesetzt werden könnten. Ich denkedabei zum Beispiel an die Betriebserlaubnis, Kinderschutzstandards etc. Das gilt aberauch für alle anderen Angebote, die das SGB VIII sonst noch in Kombination mit derJugendhilfe anbietet. Das machen die auch an vielen Stellen. Die freie Jugendhilfebietet aus ihrer Angebotspalette sehr viele Unterstützungssysteme an. Dabei geht esbeispielsweise um Inklusionsaspekte sowie um die besonderen Jugendhilfeangebote,die auch im Offenen Ganztag oder in Kombination damit durchgeführt werden.

Zum Schluss möchte ich auf die Schwierigkeit eingehen, die wir als Träger haben,wenn das Thema „Ausschreibungen“ auf den Tisch kommt. Das ist gerade in Bochumvirulent. Wir haben das aber auch in anderen Städten schon gehabt. Die Jugendhilfe-träger richten sich meistens an den Bedingungen der Schule aus. Die schreiben soge-nannte Profilierungen, auf die wir uns bewerben müssen. Da ist schon keine Augen-höhe mehr vorhanden. Wir agieren also nach einer Ausschreibung auf Bedarfe. Dannbekommen wir als Ergebnis noch eine Befristung vorgelegt. Das ist eine ganz unseligeAngelegenheit. Da kann von einer Verlässlichkeit der Betreuung und auch der Perso-nalbindung keine Rede mehr sein.

Sigrid Beer (GRÜNE): Wir haben jetzt sehr viel über Multiprofessionalität und Zusam-menarbeit auf Augenhöhe gehört. Ich möchte gerne Herrn Eberhard eine Frage stel-len. Er hat in seiner Stellungnahme auch zu den Fragen des Miteinanders in der kon-kreten Ausgestaltung Stellung bezogen. Was bedeutet das für das Leben miteinander,für die Fortbildung, die Gestaltung von Räumlichkeiten, die Zuordnung usw.? Sie ha-ben auch gesagt, dass es keine Sonderrolle für die Sonderpädagoginnen und Sonder-pädagogen geben soll. Ich könnte das jetzt noch um Inklusionsassistenten ergänzen.Es geht mir um die Frage von Rollenklärung bzw. um das Miteinander. Was hat dasfür Auswirkungen auf Rhythmisierung und Räumlichkeiten, wenn man es wirklich ernstmeint?

Christian Eberhard (Offene Ganztagsschule Gottfried Kinkel, Bonn): Sie habenein großes Feld angesprochen. Professor Radisch hat mir mit dem, was er sagte, sehraus dem Herzen gesprochen. Es wurde auch der Satz gesagt: Wir unterrichten Men-schen und nicht Fächer. Ich glaube, wir sind auf einem Stand, wo wir insgesamt überSchule bzw. die Struktur derselben nachdenken müssen. Das alles ist sehr komplex.Bei 65 % der Kinder, die demnächst zu uns in die Schule kommen, wissen wir über-haupt nicht, welche Berufe sie im Rahmen der Digitalisierung ergreifen werden. Esgeht also um die Frage, was diese Kinder eigentlich lernen müssen.

Da muss das Feld aufgemacht und gesagt werden: Lernen ist sehr viel mehr und kannrhythmisiert auch im Offenen Ganztag stattfinden. Dabei geht es um Teamarbeit. Wirsagen von uns, dass wir eine inklusive ganztägige Bildungseinrichtung sind. Darin sind

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schon drei ganz wesentliche Bereiche enthalten. Alle Personen, die in dieser Schulearbeiten, haben sich diesem Bild sozusagen verschrieben. Wir bilden die Kinder überden ganzen Tag hinweg an Lernorten, die wir gemeinsam gestalten. Da helfen unszum Beispiel die Bildungsgrundsätze für Kinder von der Geburt an bis zum Alter vonzehn Jahren, welche beide Ministerien 2011 verabschiedet haben. Man könnte das alsGrundlage für das verbindliche Ganztagskonzept festlegen. Dazu könnte noch etwasausgearbeitet werden. Das entlastet. Bildung findet eben nicht bis halb zwölf statt,sondern den ganzen Tag über. Es ist gut, wenn im Bildungsbereich Musik der Lehreretwas macht – und eben ein Erzieher. Für diese gesamte Bildungsarbeit braucht esaber Zeit.

Während meiner Berater- und Schulleitertätigkeit sind sehr viele Schulleitungen anmich als Berater herangetreten. Denn es gibt in diesem Prozess, in dem wir stecken,Widerstände. Das heißt, das Lehrerrollenbild verändert sich. Wir sind eben nicht nurbis halb zwölf da. Auch sagen wir nicht: Mein Fach, meine Klasse, mein Raum. Viel-mehr muss man Räume teilen und gemeinsam gestalten. Das kann aber gelingen. Esgibt gute Beispiele. Bei uns ist das, glaube ich, gelungen. Aber auch da gab es Wider-stände. Ich glaube, dass es möglich ist, Widerstände zu überbrücken, wenn Schullei-tungen gestärkt werden. Das kann man machen, indem man klarmacht, dass zu einemLehrerrollenbild Präsenzzeiten für Lehrkräfte gehören. Ich habe jetzt schon als Schul-leiter die Aufgaben, ein Ganztagskonzept zu schreiben und für einen regelmäßigenAustausch zu sorgen. Das geht nur, wenn ich Zeit habe. Es geht also darum, Präsenz-zeiten bzw. pädagogische Tage festzulegen.

Die schon vorhandenen Lehrerstunden am Nachmittag werden von uns – so ist dasauch gedacht – in den Nachmittag gegeben. Es gibt aber keine vorgeschriebene Uhr-zeit. Ab wann beginnt denn eine Lehrerstunde am Nachmittag? Es wäre eine Möglich-keit zu sagen: Der Nachmittag beginnt um 13 Uhr oder um 13.30 Uhr. Da kann alsoverzahnt werden.

Wir definieren unser Raumkonzept nicht immer nur über Räume. Vielmehr reden wirmittlerweile von einem Flächenkonzept. Wir nutzen die gesamte Fläche. Wir haben mitder kommunalen Verwaltung bzw. mit dem Brandschutz gut zusammengearbeitet.Zum Beispiel haben wir gesagt: Wir legen die Brandschutztür nach draußen und kön-nen die gesamten Erschließungsflächen in Teilen mit nutzen. In Köln gibt es eineSchule, wo 80 % der Erschließungsfläche nutzbar ist. Es geht da um modernen Schul-bau. In Deutschland – aber auch darüber hinaus – gibt es gute Modelle, wo geöffnetwird und wo die gesamte Lernfläche mit in den Blick genommen wird. Da ist also sehrviel möglich.

Auch mobile Arbeitsplätze sind zu erwähnen. Die Lehrer sollen mehr Zeit in der Schuleverbringen. Dazu sind sie bereit. Sie fragen aber: Wo können wir denn arbeiten? Esgilt dann, auf die Raumnutzungspläne zu schauen: Wo sind Räume bzw. Flächen frei?Gleichzeitig kann ein Schritt weitergegangen werden, indem man sagt: Ein Raum hatnicht immer nur vier Wände. Vielmehr kann ein Raum – wie in einem modernen Un-ternehmen – ein mobiler Arbeitsplatz sein. Man nimmt sich einen Laptop und suchtsich verschiedene Arbeitsplätze, wo man im Team gemeinsam gut arbeiten kann.

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Ich komme zur Mitwirkung. Es wird empfohlen, dass die Lehrerkonferenz eine Stimmeabgibt. Vielleicht kann man auch da eine Verbindlichkeit mit hineinnehmen und sagen:Bei einem solch großen System, welches wir haben – wo personell und finanziell allesinhaltlich zusammenhängt –, ist es notwendig, dass der OGS-Träger oder der Jugend-hilfeträger in der Schulkonferenz mit dabei sitzt.

Dr. Christian Blex (AfD): Ich habe eine Frage an Herrn Buchholz. Von den Mitstrei-tenden zu Ihrer Linken wurden nicht die unterrichtlichen Aspekte, die da zum Tragenkommen, stark propagiert, sondern es ging um gesellschaftliche Vorstellungen bzw.gesellschaftliche Erwartungen, die man im Zusammenhang mit der Ganztagsschulehat. Des Weiteren wurde eben gesagt, es gebe Bevölkerungsgruppen, die gar nichtwollen. Von manchen ist der Wunsch geäußert worden, man müsse gerade die Kinderaus diesen Gruppen dazu bringen, dass sie da hingehen. Dazu habe ich die Frage:Wer legt fest, wen ich zur Zwangsbeglückung schicke und wen nicht? Von den Mit-streitenden zu Ihrer Linken wurde unterschwellig vorgebracht, es müssten alle da hin,damit dann auch die Richtigen „ganztagsbeglückt“ werden.

Kevelaer ist eine mittelgroße Stadt. Sie hat, glaube ich, etwa 30.000 Einwohner undist ländlich geprägt. Wie sieht es denn da eigentlich bei den Eltern aus, die Wünschenach einem flexiblen offenen Ganztag bzw. nach einem gebundenen Zwangsganztaghaben?

Marc Buchholz (Bis Ende März Dezernat II Jugend, Soziales, Schulen und Sport,Kevelaer, jetzt Beigeordneter der Stadt Mülheim an der Ruhr): Bevor ich die Fragebeantworte, möchte ich zu den Ausführungen meines Vorrednern noch etwas sagenund von meinen Erfahrungen aus Kevelaer berichten, nachdem 2005/2006 der Ganz-tag eingerichtet wurde. Genau diese Diskussion haben wir mit den Lehrern geführt. Daging es um folgende Argumentation: Mein Klassenraum gehört mir, und am Nachmit-tag geht da niemand hinein, denn meine Schüler haben dort ihr Unterrichtsmaterial. –Wenn es dafür mittlerweile nach 15 Jahren vernünftige Konzepte gibt, ist es widersin-nig, wenn neben dem Schulgebäude ein mindestens gleichgroßes Gebäude mit wei-teren Funktionsräumen – zum Beispiel eine Mensa – errichtet wird, um den offenenGanztag dann vielleicht auch noch in die Rhythmisierung zu bringen. Dazu fehlt unsdie Fläche an den Schulgebäuden und mir die Fantasie, dass das bezahlbar ist. Inso-fern finde ich es toll, wie Sie das beschrieben haben.

In Kevelaer hat der Stadtrat aufgrund der Finanzlage der Stadt beschlossen, bei denElternbeiträgen nicht die Maximalhöhe abzuverlangen. Es gab um das Jahr 2010herum eine Untersuchung des OGS-Trägers, der Caritas, die das Ergebnis erbrachte,dass eine Durchmischung mit Kindern aus sozial benachteiligten und sozial stärkerenFamilien deutlich mehr als anderswo im Kreis Kleve gegeben ist. Diese Untersuchunggibt einen Hinweis darauf, dass, wenn keine Elternbeiträge genommen werden, dieje-nigen, die es freiwillig nutzen möchten, sagen, dass sie das auch tun wollen.

In Kevelaer und im Mülheim wurde die Erfahrung gemacht, dass es Eltern gibt, welchedie OGS nutzen wollen. Ich sprach von 460 Eltern in Kevelaer und von etwa 2.500

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Kindern in Mülheim. Daneben gibt es aber eine Größenordnung von rund 130 Elternin Kevelaer, die aus dem Offenen Ganztag in den verlässlichen Halbtag hinein wollen,weil ihnen das System – mindestens bis 15 Uhr an fünf Tagen in der Woche – trotzder großzügigeren Regelungen gegenüber der Vergangenheit im Offenen Ganztageinfach noch zu starr ist. In Mülheim gibt es neben den 2.500 Eltern, die den OffenenGanztag wählen, rund 1.100 Eltern, welche den verlässlichen Halbtag wählen.

Bei der Diskussion über diese Frage bin ich hin und hergerissen. Dabei geht es umdie Frage, ob es notwendig ist, einen gebundenen Ganztag dort verpflichtend einzu-richten, wo es aus sozialer Sicht vielleicht erforderlich wäre. Die Erfahrungen zeigen,dass es im Land unterschiedliche Bedarfe gibt.

Ich habe vorhin etwas in Bezug auf Elternbindung gehört. Herr Radisch war es, glaubeich, der davon gesprochen hat, dass das Wichtigste die Elternbindung ist. Gleichzeitigdiskutieren wir aber heute – zumindest in Teilen – darüber, dass wir den GebundenenGanztag einführen wollen. Es wurde von der PISA-Studie 2000/2001 und den darausresultierenden Folgen – ich nenne in diesem Zusammenhang G8 und G9 – ausgegan-gen. Möglicherweise wiederholen wir in diesem Land einen Fehler, den der Landtag inder Vergangenheit erst einmal wieder korrigiert hat. Ich möchte davor warnen, dasswir an der Stelle im Ganztag eine Zwangsbeglückung – so nannten Sie es – umsetzen.

In diesem Land gibt es soziale Unterschiede, und es gibt Eltern, die aufgrund ihrerBedarfe sehr deutlich sagen, dass sie den Ganztag möchten. Ich glaube, dass man inStadtquartieren – gerade dort, wo es mehrere Grundschulen gibt – durchaus Schulenfinden kann, die – auch das ist seitens der GEW beschrieben worden – den Wunschäußern, gebundenen Ganztag zu machen. Das ist der Punkt, der im Moment aufgrundder rechtlichen Regelungen nicht umsetzbar ist. Vielleicht sollte man sich auf die Fragefokussieren, ob man im Land diese Möglichkeiten, die es ursprünglich einmal gab,nicht beispielhaft umsetzen kann, um zu schauen, wie diese Regelung auf dem Wegbis hin zum Jahr 2025 laufen könnte.

Die bundesgesetzlichen Regelungen werden uns wieder Maßstäbe vorgeben. Ichhabe vorhin sehr viel über Standards gehört, ohne dass ich genau weiß, was eigentlichder Standard ist, den wir wollen. Mittagessen ist angesprochen worden. Wie sieht esmit der Frischeküche aus? Soll es „Cook and Chill“ sein? Oder reicht das Baguetteaus? Ich weiß nicht, was der Landesgesetzgeber eigentlich möchte, aber ich weiß,was die Eltern wollen. Des Weiteren weiß ich, was der Schulträger bezahlen kann. Derkann nicht das bezahlen, was die Eltern gerne wollen.

Wir werden – lassen Sie mich das abschließend sagen – an der Stelle bei der Fach-kräftegewinnung ein Riesenproblem bekommen. Ich bin heute vom Landschaftsver-band aus hierhergekommen, bei dem die Weiterentwicklung des KiBiz zur Diskussionstand. Zur Erzieherinnen- bzw. Fachkräftegewinnung im Bereich der OGS muss ichIhnen als Schul-, Jugend- und Sozialdezernent ganz ehrlich sagen, dass wir eineFachkräftegewinnung haben, weil es im SGB VIII ein Fachkräftegebot für den Kita-Bereich gibt. Ich bin froh, dass wir diesen – im Moment jedenfalls – noch nicht für dieOGS haben, weil wir diese Bedarfe gar nicht befriedigen können.

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Abschließend möchte ich davor warnen, dass wir uns selber auf dem Weg bis hin zumJahr 2025 einer Diskussion hingeben, die den Eltern suggeriert, dass wir Fachkräftehaben und dass wir dafür sorgen werden, dass die OGS, der Bereich G8/G9 sowiealles, was mit der Digitalisierung zusammenhängt, funktioniert, obwohl wir wissen,dass wir bei den Themen „Inklusion“, „Kita“ und „OGS“ eine lange Zeit brauchen wer-den, um uns mit helfenden bzw. stützenden Systemen dem Ziel zu nähern. Darüberist heute, meine ich, viel zu wenig gesprochen worden.

Frank Rock (CDU): Ich habe, seitdem ich im Landtag bin, schon an einigen Anhörun-gen teilgenommen. Wir könnten über dieses Thema noch ein paar Stunden diskutie-ren. Bei dieser Anhörung wurde sehr in die Tiefe gegangen. Dafür möchte ich michvon unserer Seite aus bedanken.

Der Kollege Buchholz ist schon ein wenig in die Richtung gegangen, wo ich ansetzenwollte. Ich möchte aber auch den Kollegen Hebborn dazu gerne befragen. Wir spra-chen über das Jahr 2025 und den Rechtsanspruch. Es gibt einen Antrag. Wir müsseneinen Zukunftsplan erstellen. Wie schätzen Sie es ein? Gehört zu diesem Zukunftsplandringend auch ein Blick auf den Rechtsanspruch, um 2025 eine konkrete Umsetzungerreichen zu können? Unabhängig davon ist festzustellen, dass wir ein System haben,zu dem es jetzt notwendigerweise Antworten geben muss. Ich glaube aber, dass wir,wenn wir über Konzepte und rechtliche Grundlagen sprechen, an den Bund bzw. diegroße Koalition – in ihr befindet sich ja auch die SPD – denken müssen, die hieranintensiv beteiligt ist. Das gilt auch für die zuständige Ministerin. Zumindest sollten wirdie entsprechenden Eckpunkte kennen, um uns zukunftsfähig zu machen.

Herr Hebborn, es ist deutlich geworden, dass die über Jahre hinweg zur Verfügunggestellten Mittel der ehemaligen Landesregierung – das haben Sie ausdrücklich ge-sagt – eine Unterfinanzierung repräsentierten. Die neue Landesregierung hat zumin-dest etwas mehr gegeben. Im letzten Jahr waren es 3 %, in diesem Jahr sind es 14 %.Was für Erfahrungen haben Sie als Städte- und Gemeindebund in dieser Hinsicht ge-macht? Wie sind die Gelder angekommen? Sind sie vor allem bei den Trägern ange-kommen? Denn unsere Sichtweise war es zu sagen: Wenn wir mehr Geld in die Sys-teme geben, soll es auch beim Träger ankommen.

Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Ich fange einmal mit demRechtsanspruch auf Bundesebene an. In dieser Hinsicht tue ich mich schwer, nachvorne zu blicken. Denn das ist im Moment noch sehr offen. Man weiß nicht, was daswirklich werden wird. Klar ist nur, dass es der Bund nur über das SGB VIII machenkann. Die Länder sind im Moment aber noch sehr mit dem Bund über Kreuz. Dabeigeht es um die Frage der Nachhaltigkeit. Der Bund kann bisher eigentlich nur investivfördern. Hier geht es jedoch um eine Dauerleistung bzw. einen Dauerrechtsanspruch,der erbracht und auskömmlich finanziert werden muss.

Insofern muss man das jetzt sicherlich mit im Blick haben, wenn jetzt über ein Zu-kunftskonzept für die OGS geredet wird. Ich glaube aber, dass es nicht möglich ist,

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das im Augenblick darauf auszurichten, weil wir die notwendigen Korsettstangen aufder Bundesebene noch nicht haben.

Wir haben sehr begrüßt, dass noch unter der alten Regierung die Dynamisierung derFörderung – übrigens auch die Dynamisierung der kommunalen Förderung – auf denWeg gebracht worden ist. Nicht nur das Land legt 3 % drauf, sondern auch die Kom-munen müssen das machen. Beide befinden sich da in einem Boot. Wir findendas gut, deswegen haben wir es auch befürwortet. Wir nehmen des Weiterenauch mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die Landesregierung ihren Anteil nochzusätzlich erhöht hat. Damit macht sie – zumindest punktuell – klare Verbes-serungen möglich, die an die Schulen bzw. die Träger – das sind diejenigen,die das durchführen – weitergereicht werden. Das muss auch an sie weiterge-reicht werden, denn wir wollen nicht, dass die eine Seite etwas einspart, wäh-rend die andere etwas mehr macht. Vielmehr wollen wir damit insgesamt einehöhere Qualität erreichen.

Ich weiß aber, dass es durchaus Verrechnungen gibt. Das geschieht durch Kommu-nen, die finanziell in großen Schwierigkeiten oder sogar im Stärkungspakt sind. Dasist ein Problem, das ich hier klar ansprechen möchte. Ich möchte aber auch sagen,dass man trotz all dieser Verbesserungen das Problem, dass es aufgrund der jeweili-gen finanziellen Situation große Unterschiede in den Kommunen gibt, nicht in den Griffbekommt. Man kann zwar – das ist gut, wir begrüßen das – punktuelle Verbesserun-gen erreichen, aber das Problem kann so nicht gelöst werden. Von daher sehen wirim Moment nur eine einzige Schiene, dass man auf eine landesweit gültige Regelungin Bezug auf die Qualität abzielt. Das kann nur auf dem Rechtsweg geschehen.

Das, was Herr Buchholz sagte, ist vollkommen richtig. Die Frage, wie wir das letztlichpersonell alles umsetzen können, kann im Moment niemand beantworten. Auf der an-deren Seite sagen wir auch: Man kann jetzt nicht das Ende von Politik herbeiführenund sagen, dass wir nicht in die Zukunft schauen dürfen. Das gilt zum Beispiel auchfür die Kitas, wo wir das gleiche Problem haben. Im Übrigen gilt das auch in Bezug aufdie Lehrerinnen und Lehrern. Berlin kann zum Beispiel in diesem Jahr ein Drittel desLehrerbedarfs nur durch grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer decken.Das andere sind Seiteneinsteiger usw. Gerade in den Bereichen der Vorschule undSchule haben wir das Problem des Fachkräftemangels. Wir müssen es mit anderenMitteln angehen. Da sind, denke ich, auch die Kommunen gefordert; denn die sindschließlich Tarifpartner, was etwa den vorschulischen Bereich angeht. Wir müssen daauch zu einer Steigerung der Attraktivität kommen. Das wird geschehen, ist aberschwer zu erreichen. Auch weiß ich, dass ich damit bei meinen Kollegen Finanzdezer-nenten keine zusätzlichen Freundschaften erwerben kann. Daran wird meines Erach-tens aber kein Weg vorbeiführen.

Ich möchte noch etwas zum Thema „Zwangsbeglückung“ sagen. Es gibt keine Ganz-tagsschulpflicht in Nordrhein-Westfalen. Herr Blex, es gibt eine Schulpflicht und eineBerufsschulpflicht, aber keine Ganztagsschulpflicht. Niemand, der sein Kind nicht ineine Ganztagsschule schicken möchte, muss das tun. Er kann eine Halbtagsschule

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bzw. eine gesicherte Halbtagsschule – wie immer man das nennen will – oder eineOffene Ganztagsschule wählen.

Uns als kommunale Spitzenverbände, die wir dieses Konzept der Offenen Ganztags-schule sehr befürworten, weil es ein freiwilliges, optimales und auch flexibles Angebotist, leuchtet nicht ein, warum man denjenigen, welche die Gebundene Ganztagsschulefür ihr Kind möchten, das nicht ermöglicht. Obwohl es im Schulgesetz steht, genehmigtdas Land seit Jahren keine Ganztagsgrundschulen mehr.

Wir als Kommunen – ich spreche da genauso für den Städte- und Gemeindebund wiefür den Landkreistag – wollen keine verpflichtende Ganztagsgrundschule überall. Wirsetzen auf das flexible Modell, das sich maßgeblich am Elternwillen orientiert. Auf deranderen Seite sagen wir aber auch: Denjenigen, die es wollen, muss man es auchermöglichen, Gebundene Ganztagsgrundschulen zu errichten. Das sollte möglichsein, wenn es auch die entsprechende Kommune für sinnvoll erachtet.

Franziska Müller-Rech (FDP): Ich möchte erst einmal Herrn Eberhard für seine aus-führliche Darstellung der Raumsituation danken, aber auch eine Frage zu einem an-deren Themengebiet, das auch schon gestreift worden ist, stellen, nämlich zur Flexi-bilisierung und gleichzeitigen Planbarkeit bei Offenen Ganztagsschulen. Hauptsäch-lich richtet sich meine Frage an Frau Deimel. Aber auch die Meinung von Frau Mikadazu interessiert mich.

Flexibilisierung und gleichzeitige Planbarkeit für die Träger sind keine Ziele, die sichgegenseitig ausschließen. Dabei geht es um eine Frage der Organisation. Man kannzum Beispiel sagen: Wir erlauben eine Flexibilisierung – so wie es jetzt nach den Än-derungen vorgesehen ist –, damit zum Beispiel an einem bestimmten Wochentag The-rapieangebote gemacht werden können. Ich habe von Trägern gehört, dass sie ganzgute Vereinbarungen mit den Eltern in dem Sinne getroffen haben, dass gerade solcheregelmäßigen Dinge mit einer gewissen Vorlaufzeit angemeldet werden sollen. Dem-nach funktioniert das eigentlich gut, und alle Betroffenen sind mit dieser Regelungglücklich. Würden Sie zwischen diesen beiden Zielen einen Konflikt sehen? Oder sindSie nicht eigentlich auch der Meinung, dass diese beiden Ziele von den Trägern ganzgut in Einklang gebracht werden?

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Wir habenuns in unserer Stellungnahme zu der Frage „Flexibilität versus verlässliche Planbar-keit“ grundsätzlich geäußert. Das haben wir aus dem Grund getan, weil es immer Mo-delle und Organisationsformen gibt, bei denen es im offenen Ganztagsbereich mit derForm der Flexibilität, die im Moment möglich ist, klappt. Eltern sagen: Unser Kind hatam Nachmittag, was wichtig ist, ein Angebot. Dann wird eben mit der Schulleitung undmit dem Koordinator Ganztag – oder mit dem, der da zuständig ist – darauf geschaut.

Wir haben heute gehört – ich glaube, von Frau Mika – dass die Schulstandorte unddie Offenen Ganztagsschulen sehr unterschiedlich sind. Aber wir haben eben auchOffene Ganztagsgrundschulen in Bereichen, wo Eltern diese Flexibilität nicht reicht.

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Wir erleben es immer wieder, dass jedes Jahr zum Schuljahresanfang Eltern uns wäh-rend der Anmeldung erstaunt angucken, wenn sie erfahren, dass es nicht möglich ist,an beliebigen zwei Tagen pro Woche, wo irgendetwas passt, teilzunehmen. Das istetwas, was das System nicht schafft. Aber auch wenn es mehr Ressourcen gibt bzw.wenn die Finanzierung besser ist, wird das schwierig sein. Deshalb ist es uns wichtig,auf Folgendes hinzuweisen: Wenn Ganztag für die Kinder gelingen soll, braucht maneine gewisse Verlässlichkeit.

Es gibt Schulen, die bis unters Dach voll sind, und solche, die gar keine Ganztagskin-der aufnehmen können. Wir haben aber auch Schulen, wo es noch Puffer und be-stimmte Angebote gibt. Dort, wo die familiären Situationen sehr speziell sind, plädiereich immer für eine Einzelfallentscheidung. Man sollte vielleicht einmal generell darübernachdenken, ob es nicht auch Situationen gibt, wo Eltern für ein halbes Jahr den Ganz-tag anmelden können. Das ist im Moment sehr schwierig. Die Kommunen haben dasgar nicht gerne. Bei den Kindern in diesem Alter verändern sich oft die Arbeitssituatio-nen der Eltern. Das erleben wir während der Grundschulzeit sehr oft. Mit dem Eintrittin die Schule kommt eine Veränderung in der Familie. Es werden andere Arbeitsstellenangenommen, und die Arbeitszeit wird ausgedehnt. Deshalb fordern Eltern Flexibilität.

Man muss aus meiner Sicht aber genau darauf schauen, wie man das integriert. Essollen keine Ganztagsplätze geteilt werden. Wir stehen schon zum offenen Ganztag,wie er im Moment stattfindet. Vielleicht ist es aber für einzelne Kinder möglich, gezieltan Angeboten teilzunehmen, die für sie sehr sinnvoll sind. Das würde einen erhöhtenOrganisationsaufwand nach sich ziehen. Generell ist uns verlässliche Planbarkeitwichtig. Das ist im Hinblick auf die Effektivität wichtig. Wenn einer mal kommt und dannwieder nicht, funktioniert das einfach nicht. Trotzdem brauchen wir für die Eltern bzw.die Familien eine gewisse Flexibilität, um dem Familienleben Rechnung tragen zu kön-nen.

Maxi Brautmeier-Ulrich (Grundschulverband NRW): Ich vertrete eine Schule in Pa-derborn, die ein ganz anderes Klientel als die Schule im Dortmunder Norden hat. Beiuns fordern die Eltern durchaus Flexibilität. Unser oberstes Ziel darf nicht ein, die Fle-xibilisierung der Eltern ganz oben auf die Liste zu setzen. Vielmehr ist es unser An-spruch, die Belange der Kinder in den Vordergrund zu rücken. Wenn man das macht,ist man ganz schnell bei der Qualität. Wenn die Qualität des offenen Ganztags gut ist,treten bei uns Kinder an ihre Eltern heran und sagen: Ich möchte gerne in den offenenGanztag.

Es ist mitnichten so, dass der Ganztag – das wird immer so dargestellt – schrecklichist, weil Kinder gezwungen werden, lange in die Schule zu gehen. Das ist nicht so. Sieerleben die Schule mit den unterschiedlichen Möglichkeiten, die wir haben, als sehrpositiv. Sie sind dann manchmal auch in der Lage, sich vor überbehütenden Eltern einbisschen freizumachen, und sie lernen dort Sozialkompetenz, die sie als Einzelkinderin einem sehr behüteten Elternhaus nicht lernen könnten. Eltern nehmen das danndurchaus als sehr positiv wahr. Sie sagen dann nicht: Um Gottes willen, mein Kind will

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in die Offene Ganztagsschule. Vielmehr unterstützen sie das durchaus. Deswegensollte man nicht immer so schwarz-weiß argumentieren.

Kinder brauchen – das brauchen alle Kinder, sowohl die im Dortmunder Norden alsauch die im mehr ländlichen Paderborn – gute Bedingungen. Wenn es um Qualitätbzw. um die Frage geht, was Offene Ganztagsschule braucht, können die Eltern gutenGewissens diesen Anspruch erheben. Denn es geht nicht um eine Ganztagspflicht,sondern darum, einen Rechtsanspruch auf offenen Ganztag umsetzen zu können. DieEltern können insoweit ihren Kindern damit etwas Gutes ermöglichen. Ich glaube, daist Schule als Bildungseinrichtung durchaus gefragt, ein gutes Konzept zu entwickeln.Die einzelnen Schulen vor Ort setzen das schon heute sehr individuell um. Da bedarfes der Kompetenz der Schulen vor Ort. Dann sehen Eltern auch, was da alles möglichist, und man findet auch Lösungen.

Ich gebe Frau Deimel recht. Es gibt immer Ausnahmefälle, wo man sagen muss: DasKind bleibt erst einmal nur bis 14 Uhr. Das kann bis 15 Uhr verlängert werden, wenndas Kind nach einem halben Jahr soweit ist. Schulleitungen können diese Möglich-keit – das habe ich in diesem Hause schon vor einigen Jahren gesagt – in Absprachemit dem OGS-Träger wahrnehmen. Ich habe und nutze sie.

Vorsitzende Kirstin Korte: Ich schließe damit die dritte Runde und habe schon zweiWortmeldungen für die vierte Runde. Wir starten mit Frau Voigt-Küppers.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Wir haben über die vielfältigen Möglichkeiten desGanztages und auch darüber gesprochen, dass wir in Zukunft durchaus kreativer seinund unter Umständen ganz anders denken müssen, um die Anforderungen des Ganz-tages so bewältigen zu können, dass alle sagen, dass er gut gelungen ist. Insoweitrichte ich meine Frage ganz speziell an den Stadtsportbund Aachen, von dem ich weiß,dass er für seinen Bereich ein sehr breites Angebot macht. Wir haben gerade gehört,dass die Kinder im Gegensatz zu früher heute unter Bewegungsmangel leiden. Ichhabe Studien gelesen, in denen nachgewiesen wird, dass Kinder im Alter von sechsJahren nicht mehr in der Lage sind, geringste Steigungen zu bewältigen. Insoweit hatder Sport mit Sicherheit eine ganz besondere Rolle im Ganztag. Von daher möchte ichgerne von Ihnen, Herr Jansen, wissen, wie das Modell in Aachen aussieht, wo Sie sovielfältige und breit angelegte Angebote machen.

Ich komme zu einem zweiten Aspekt. Sie sagen, dass Sie gerne auch während desVormittags eine professionelle Verknüpfung hätten. Dazu habe ich eine konkreteFrage: Wäre es eine Möglichkeit, weitere Fähigkeiten und Professionen mit in denGanztag einzuflechten? Ich denke dabei zum Beispiel an andere Bereiche der Jugend-hilfe bzw. der kulturellen Bildung, die wir überhaupt noch nicht in Betracht gezogenhaben, wie zum Beispiel Kunst- und Musikschulen. Sehen Sie da Möglichkeiten einerverlässlichen und guten Anbindung an den Ganztag?

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Björn Jansen (Stadtsportbund Aachen e. V.): Sehr geehrte Frau Voigt-Küppers,Angebote im Ganztag bedeuteten von Beginn an auch immer einen gewissen Wett-streit der Träger untereinander. Frau Ackermann hat das eben noch einmal deutlichgemacht: Die guten musisch-kreativen Angebote, die teuer bezahlt waren, standenimmer dem gegenüber, dass man sagte, der Sport könne auch im Ehrenamt abgebil-det werden. Da benötige man keine Professionalität. Auch die Qualität ist dabei nichtimmer in den Blick genommen worden.

Wir haben – das ist uns sehr wichtig – seit 2006 in Aachen einen Rahmenkooperati-onsvertrag. Das gibt uns die Möglichkeit des Miteinanders mit anderen Trägern. Wirkönnen eine vernünftige Bezahlung der Übungsleiter, die überwiegend als Hono-rarkräfte arbeiten, gewährleisten. Es ist aber auch gewährleistet, dass wir im Sport imRahmen des Ganztags eine verlässliche Qualität haben.

Ich glaube, wir müssen landauf, landab mehr in den Fokus rücken, dass auch der Sportein Bildungspartner ist. Bei ihm geht es nicht nur darum, im Rahmen freier Angeboteirgendwie Verstecken oder Fangen zu spielen. Vielmehr ist Sport – das dürfen wir nichtvergessen – auch ein Bildungsträger. Für uns ist das wichtig. Das wird mittlerweileauch von den anderen Trägern bzw. Anbietern im Ganztag anerkannt. Am Anfang wardas durchaus ein schwieriges Thema nach dem Motto: Jetzt kommt noch jemand, derpartizipieren will, indem er qualitativ hochwertige Angebote macht; der Topf ist ehschon begrenzt. – Wir koordinieren, wie wir auch in der Stellungnahme deutlich ge-macht haben, über 100 Angebote wöchentlich. Darüber sind wir sehr froh. Das istdurchaus ein Erfolg. Den haben wir in Aachen aufgrund der dortigen politischen Betei-ligung ohne Landesdruck erreicht. Wir können auf Augenhöhe mit den anderen Trä-gern agieren. Mir ist es sehr wichtig, noch einmal zu betonen, dass wir das im Rahmendieser Verknüpfung geschafft haben.

Man hat sehr oft als Beispiel angeführt, dass man keine Zwangsbeglückung habenmöchte, weil es nach dem Ganztag bzw. nach der Schule auch noch Angebote vonSportvereinen gibt. Seit 2003 konnten wir nicht feststellen, dass wir Kinder oder Ju-gendliche in den Sportvereinen verloren haben. Im Hinblick auf den Ganztag müssenwir Konzepte haben, die von der Schule, aber auch von der OGS sozialraumbezogengedacht sind. Es muss berücksichtigt werden, dass es – mit den Sportangeboten vorOrt – Verknüpfungen in den Sozialraum hinein gibt. Man sollte die Chance erkennen,Kinder und Jugendliche für Angebote im Sozialraum zu begeistern, die sie vorher, wasdie Prägung durch die Eltern angeht, gar nicht auf dem Schirm hatten. Für uns ist esalso eher eine Chance, Kinder im Rahmen der Ganztagsangeboten für Sportarten be-geistern können, zu denen sie bisher keinen Zugang hatten. Für Kinder aus sozialschwächeren Gebieten könnte vielleicht einmal ein Reitkurs unterstützt werden, dendie Eltern aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen selber auch nicht auf dem Schirm hat-ten.

Ich habe bei meinen Kindern erlebt, dass der Ganztag an zwei Tagen doch „gebunden“ –ich sage das in Anführungszeichen – durchgeführt wurde. Die Flexibilität bestand da-rin, auf die Kinder einzugehen und darauf zu gucken, wie sie sich gerade fühlen. Essollte die Möglichkeit gegeben sein, auch am Vormittag einmal ein Bewegungsangebot

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zu machen, um dann nachmittags die Mathe-Stunde durchzuführen. Wir hatten in Be-zug auf diese Flexibilität sehr große Erfahrungen. Von daher konnten wir sie auch le-ben.

Ich komme zu einem wichtigen weiteren Feld. Im Ganztag sprechen wir überwiegendüber den Primarbereich. Im Augenblick gibt es – das dürfen wir nicht vergessen – ei-nen sehr großen Bruch auch in der Sekundarstufe I. Wir kommen – ich berichte jetztwieder über meine Kinder – aus einem sehr gut funktionierenden Ganztagssystem inder Sekundarstufe I. Die Kinder sind dann, wenn man Pech hat, um 12 Uhr oder 13 Uhrzu Hause. Das kannten sie auch von vorher gar nicht anders. Ich glaube, dass wir daauch als Träger im Ganztag Angebote schaffen müssen, die dann vernünftig finanziertwerden müssen. Wir müssen das aber weiterdenken, zumindest noch in die Sekun-darstufe I hinein. Auch da müssen wir verlässliche Angebote mit einer vernünftigenQualität schaffen, die finanziert werden müssen. Ansonsten ist der Bruch, wenn dieKinder aus einem funktionierenden OGS-System in eine weiterführende Schule kom-men, zu groß.

Ich kann nur für Aachen sprechen. Wir haben da sehr gute Erfahrungen auch mit denanderen Anbietern im Ganztag gemacht. Mit Blick auf den Landessportbund würdenwir uns wünschen, dass solch ein System verbindlich für das ganze Land umgesetztwird, damit man einfach eine Qualität in Bezug auf die Spiel- und Bewegungssportan-gebote hat. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt.

Es gibt bei uns auch im Hinblick auf das inklusive Denken sehr viele Aspekte. Wirbehandeln das Thema der Prävention sexualisierter Gewalt, die man im Rahmen vonkörperlichen Aktivitäten sehr in den Vordergrund rücken muss. Dazu braucht man eineAusbildung, die im ganzen Land, auch was die Sportangebote angeht, gewährleistetsein muss.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich bin Herrn Hebborn für den Satz dankbar: „Man kann jetztnicht das Ende von Politik herbeiführen und sagen, dass wir nicht in die Zukunftschauen dürfen.“ Bei den Ausführungen von Herrn Buchholz wurde ich ein wenig un-ruhig. Er sagte, dass uns G9 und Kita so beschäftigen, dass nichts mehr für die Ganz-tagsschule, und zwar vorrangig für die Grundschule, übrigbleibe. Sie haben vollkom-men recht: In der Sekundarstufe I muss es weitergehen. Bei der Grundschule gibt esaber den größten Bedarf an Weiterentwicklung.

Ich wünsche mir auch, dass wir beim Thema „Flexibilisierung“ nicht in etwas hinein-laufen, was wir im Rahmen eines unseligen Sprachgebrauchs in Bezug auf die Kitahaben. Ich nenne beispielhaft das Wort „Buchungszeiten“. Das ist nicht unser Ver-ständnis von Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Schule. In diesem Bereichvon Buchungszeiten zu sprechen, wäre also falsch.

Ich habe eine Frage an den Grundschulverband. Herr Eberhard hatte Ausführungenzu den Präsenzzeiten und zum gemeinsamen Miteinander gemacht. Was für System-zeiten benötigen Sie jetzt eigentlich im Rahmen der Schulentwicklung im Ganztag,damit das alles funktionieren kann? Gerade diejenigen, die aus dem Trägerbereich

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OGS kommen, nehmen freiwillig an Fortbildungen teil. Was braucht man in Bezug aufverlässliche Systemzeiten, wenn man über Qualitätsentwicklung miteinander redenwill?

Maxi Brautmeier-Ulrich (Grundschulverband NRW): Was die Struktur der Koope-ration anbelangt, denken wir, dass es sehr wichtig ist, eine strukturelle Regelung inBezug auf die Zusammenarbeit zu haben. Es ist nötig, da die Zeit mit in den Blick zunehmen. Die OGS-Leitung ist bei uns an der Schule schon jetzt Mitglied des Kollegi-ums und in jeder Lehrerkonferenz vertreten. Das regelt der Träger. Es wäre zwingendnotwendig, dass es Vertreter der OGS in der Lehrerkonferenz gibt.

Es gibt genauso die Möglichkeit, dass ein Vertreter des Ganztags in der Schulkonfe-renz sitzt. Das hatten wir auch einmal, es war aber nur eine Möglichkeit. Beim nächs-ten Mal haben die Lehrer wieder anders abgestimmt. Es sollte gesetzt sein, dass sichauf jeden Fall ein Mitglied des Trägers in der Schulkonferenz befinden. Das wäre sinn-voll. Der Träger muss dann aber dafür sorgen, dass die Zeit in der SchulkonferenzArbeitszeit ist.

Ganz wichtig ist die Zusammenarbeit von Schulleitung und OGS-Leitung. Die findetbei uns jetzt schon statt. Die Schulleitung – zum Teil auch das Schulleitungsteam –und, wenn es sich um größere Systeme handelt, das OGS-Leitungsteam brauchendafür Zeit. Sie müssen diese Zeit irgendwie anrechnen können. Die Schulleitung kannvieles mit der Schulleitungspauschale regeln. Die OGS-Leitung braucht diese Zeitobendrauf, denn sie geht der Arbeitszeit mit den Kindern verloren.

Bei der nächsten Ebene geht es um die sehr wichtige Fallberatungszeit. Wenn wirdavon reden, dass Vormittag und Nachmittag Hand in Hand laufen sollen, muss es dieMöglichkeit geben, dass sich OGS-Mitarbeiter und Lehrer über die Kinder einerKlasse – über bestimmte Fälle bzw. über bestimmte Herangehensweise – unterhalten.Das heißt, dass Lehrer, aber auch OGS-Mitarbeiter, dafür Zeit brauchen. In der Regelkann das nicht in der Zeit stattfinden, in der eine OGS-Betreuung stattfindet. Es kannauch nicht während des Unterrichts stattfinden, sondern es muss eine entsprechendeZeit dazwischen geben.

Nicht zuletzt geht es um die Zeit, während der im Team gearbeitet wird. Es ist sehrwichtig, dass Lehrer und Erzieher gleichzeitig in einer Klasse oder einer Gruppe arbei-ten, damit man miteinander und voneinander lernen kann. Auch dafür muss Zeit ge-geben sein. Das Ganze wird jetzt mit drei Lehrerstunden pro Gruppe bewerkstelligt.Die Schulleitungszeit hat sich ein bisschen verändert. Es ist etwas mehr Entlastungdazugekommen. Der größere Aufgabenbereich OGS, den auch Schulleitungen schul-tern, ist aber obendrauf gekommen. Auch das muss ich, glaube ich, nicht weiter aus-führen.

Damit diese Zusammenarbeit funktioniert, ist es wichtig, dass das in jeder Schule vorOrt konzeptionell verankert ist. Es muss ein gutes Konzept mit geregelten Zeiten ge-ben. Dafür könnte die Grundlage geschaffen werden.

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Rixa Borns (GEW, Landesverband NRW): Eben sind die verschiedenen Kooperati-onsmöglichkeiten benannt worden. Im Augenblick haben wir in der Grundschule – jetzteinmal von der Lehrerseite her gesehen – eigentlich so gut wie überhaupt keine Zeit.Es gibt keine Anrechnungsstunden. Eine normale Grundschule hat für alles, was zutun ist, zwei Anrechnungsstunden. Das reicht hinten und vorne nicht. Sie kennen un-sere Forderungen, die wir als GEW immer wieder gestellt haben. Wir sind der Meinung,dass das ein Unding ist und dass man damit heutzutage keine Schule mehr so gutorganisieren kann, wie es eigentlich sein müsste. Das heißt, dass man auf jeden FallZeit für das Kollegium und für die Kollegen braucht, um genau das zu machen, waseben angeführt worden ist, nämlich im Kollegium Absprachen mit den Menschen zutreffen, die im Ganztag tätig sind. Die Kinder sind nicht nur am Vormittag da. Wir erle-ben immer wieder, dass von den Kindern gerade im Nachmittagsbereich Themen an-gesprochen werden, die zu kennen für uns im Vormittagsbereich sehr notwendig ist.Die Kinder haben im Vormittagsbereich gar nicht die Zeit, den Lehrerinnen etwas an-zuvertrauen. Plötzlich merkt man da: Hallo, da gibt es ein großes Problem, das wireigentlich zusammen bearbeiten müssen.

Deswegen möchte ich die Aufstellung, welche die Kollegin eben gerade vorgetragenhat, ergänzen. Es gibt in unserem Bereich derzeit eine vielfältige Problematik. Dabeigeht es zum Beispiel um die Teilnahme an Hilfeplangesprächen. Da müssen Jugend-hilfe und Schule sehr intensiv mit hineingenommen werden. Eigentlich sind dafür auchkeine Zeiten vorgesehen. Das alles muss abgeknapst werden. Ansonsten kann dasnicht verantwortlich gemacht werden. Wir müssen sehen, dass beide Teile für die Kin-der verantwortlich sind. Es muss da sehr viele Absprachen geben.

Ich kann in Bezug auf eine zeitliche Abgrenzung nur sagen, dass eigentlich alles zuwenig ist. Es wäre gut, wenn feste Zeiten während der normalen Arbeitszeit dafür vor-gesehen wären. Wöchentlich muss es bestimmte Zeiträume geben, um etwas zu ver-abreden. Bei den drei Stunden, von denen du gerade gesprochen hast, handelt es sicheigentlich um den Einsatz der Kolleginnen im Ganztag. Das ist nicht die Zeit, die siehaben, um etwas miteinander zu verabreden. In dieser Hinsicht sollte kein Irrtum auf-kommen. Da muss also etwas gemacht werden.

Die eine Stunde, welche die Schulleitungen für die OGS-Koordination zusätzlich be-kommen hat, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist aber besser als gar nichts.Man kann es manchmal, wenn man das gruppenmäßig sieht, gar nicht vorhersehen,aber man braucht für jede Gruppe mindestens drei oder vier Stunden, in denen aufunterschiedliche Weise Menschen miteinander in Kontakt kommen. In einer Gruppebefinden sich 25 Kinder. Insofern muss da eine ganze Menge verabredet werden.

Wenn man dann noch mit anderen Partnern etwas verabreden muss, kommt man aufsehr heftige Zeiten. In den Schulen wird da, glaube ich, im Augenblick – es geht hierbeium die Verantwortung für die Kinder – sehr viel aus der Substanz heraus gemacht.Letztendlich merkt man, dass dies dazu führt, dass die Kolleginnen – sowohl diejeni-gen, die im Ganztagsbereich arbeiten, als auch diejenigen, die im Vormittagsbereichtätig sind – langsam überfordert sind und an die Belastungsgrenze kommen. Also damuss richtig was getan werden. Insofern sind wir wieder bei dem Punkt, dass wir im

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Moment nicht das Personal dafür haben. Insofern geht im Augenblick sehr viel mitSelbstausbeutung.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Ich möchteauf drei Aspekte hinweisen. Es wurde eben von Arbeitsplätzen in den Schulen gespro-chen. Dazu möchte ich sagen: Wir haben in den Schulen keine Arbeitsplätze. Es wirdauch von mobilen Arbeitsplätzen gesprochen. Trotzdem muss bedacht werden, dassSchule in vielen Bereichen ein lauter Arbeitsplatz ist. Mitarbeiter im Ganztag benöti-gen – das gilt aber genauso für die Lehrkräfte und alle anderen, die in der Schule tätigsind – Räume zum Rückzug. Sonst hält das keiner aus. Mobilität ist schön. Man mussdas aber auch abwägen. Wir befinden uns im digitalen Zeitalter. Bei uns in der Grund-schule sind die Teamräume voll mit Material, das auch für die Vorbereitung noch ge-braucht wird; denn wir sind in den Schulen technisch noch nicht so weit.

Sie haben nach Systemzeiten gefragt. Das kann man, was die Lehrkräfte angeht, aus-einanderklamüsern. Wir haben in der Grundschule – Frau Borns hat das schon aus-geführt – 21 Stunden Unterrichtsverpflichtung. Die Wochenarbeitszeit beträgt 41 Stun-den.

(Zuruf vonseiten einer Sachverständigen.)

– Nein, wir gehen jetzt einmal von den 41 vollen Stunden Wochenarbeitszeit aus.

(Zuruf: Ich hatte „21“ gehört!)

– Wir haben 28 Unterrichtsstunden. Man muss ehrlich miteinander diskutieren. Wir ha-ben 41 Stunden Wochenarbeitszeit. Die 28 Unterrichtsstunden dauern jeweils 45 Mi-nuten. In Bezug auf die 41 Wochenarbeitsstunden sind 21 Stunden reine Unterrichts-zeit. Trotzdem macht das die Situation an den Grundschulen nicht besser. Man mussdabei den gesamten Bereich der Vor- und Nachbereitung berücksichtigen. Dann bleibtnicht mehr so viel übrig, weil alles andere bei den Grundschullehrkräften hineingepacktwird. Deshalb machen Unterrichtsvor- und -nachbereitung sowie der Unterricht selberdas meiste aus. Da bleibt einfach nicht viel übrig.

Frau Borns hat es gesagt: In Bezug auf Anrechnungsstunden ist die Situation kata-strophal. Man muss aber sagen: Für diejenigen, die sich im offenen Ganztag befinden,ist das noch katastrophaler. Sobald Besprechungen stattfinden – es ist vom Grund-schulverband ausführlich dargestellt worden, was alles notwendig ist –, geht das aufKosten derer, die da sind. Das ist wie in der Schule: Die anderen übernehmen Kindermit. Oder es geht auf Kosten derjenigen, die es in ihrer Freizeit machen. In Bezug aufden gesamten Bereich darf man auch Folgendes nicht außer Acht lassen: Wir brau-chen ausgeweitete Zeiten. Dabei geht es zum Beispiel um die Sekretärinnen. Auf diewird hinsichtlich der Organisation im offenen Ganztag viel übertragen. Außerdem ha-ben wir in den Grundschulen ein Riesenproblem mit den Hausmeisterzeiten. Denn esgibt kaum noch Grundschulen, die einen Hausmeister haben.

Vorsitzende Kirstin Korte: Ich schließe damit die vierte Runde und eröffne die fünfteRunde. Herr Ott möchte die erste Frage stellen.

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Jochen Ott (SPD): Ich habe eine Frage an Herrn Eberhard und Herrn Hebborn zu denunterschiedlichen Perspektiven. Herr Hebborn hat eben gesagt, dass wir endlich ein-mal die Fragen in Bezug auf die Schulsozialarbeit regeln müssen. Es muss geregeltwerden, wer zuständig ist. Mit Bezug auf Schulsozialarbeit und Ganztag haben wir dasgesamte Thema „multiprofessionelle Teams“ aufgeworfen. Sie haben gerade darübergesprochen, dass die Beschäftigten in der Schulkonferenz – oder wie auch immer –angebunden sein sollten. Deshalb möchte ich eine konkrete Frage stellen: Wie orga-nisieren wir eigentlich ein System, in dem verschiedene Fachexpertisen zusammen-kommen und in dem jeder der Fachleute für den Fachbereich, den er vertritt, rekla-miert, der Chef zu sein?

Die Schulbegleitung wirkt ein. Des Weiteren wirken in bestimmten Bereichen Thera-peuten ein. Dabei handelt es sich um das Gesundheitsamt. Bei Erziehern im Ganztagoder bei Vertretern der Jugendhilfe würde es sich vielleicht um das Jugendamt han-deln, das hier die Aufsicht hat. Dann gibt es den Träger selber, der ebenfalls einwirkt.Außerdem gibt es die rechtlichen Verzahnungen in Bezug auf die Hilfen zur Erziehung.Als langjähriger Gesamtschullehrer kann ich nur darüber berichten, wie schwierig eineZusammenarbeit mit dem Jugendamt an einer Stelle ist, wo man auf Expertise ange-wiesen ist, um Fehler – zum Beispiel in Zeugniskonferenzen – zu vermeiden.

Es stellt sich also die Frage: Wie organisiert man ein solches Modell vor dem Hinter-grund, der eben beschrieben wurde, dass sich alle Systeme verändern müssen, wennes gelingen soll? Alle müssen sich bewegen. Die Schule kann nicht mehr das Hum-boldt’sche Bildungsideal von vor 200 Jahren verwirklichen, weil sie sich in der Zwi-schenzeit verändert hat. Des Weiteren stellt sich die Frage nach Dienst- und Fachauf-sicht. Wer organisiert das in der Schule? Wir haben einen Vorschlag in Bezug auf dieFührung in der Schulleitung eingebracht. Danach sollen die Berufsgruppen, deren An-gehörige nicht Lehrer sind, quasi gesetzmäßig in die Leitung hineingebracht werden.Eine Nichtlehrerin bzw. ein Nichtlehrer könnte dann auch in Vertretung der anderenBerufsgruppen quasi Schulleitung sein. Könnte das ein Weg sein? Langer Rede kurzerSinn: Was raten Sie uns da?

Die unterschiedlichen Fachleute in unserer Fraktion, die in verschiedenen Arbeitskrei-sen tätig sind, haben selbstverständlich einen jeweils anderen Blick auf diese Fragen.Sie geben unterschiedliche Bewertungen im Hinblick darauf ab, wie das geregelt wer-den soll. Wenn das in anderen Institutionen vielleicht auch so ist, wette ich, dass dasim Städtetag, in der Wissenschaft sowie in den einzelnen Parteien genauso ist. Des-halb die Frage: Was raten Sie uns im Hinblick auf das Einwirken multiprofessionellerTeams, um das Ganze zukunftsfähig aufzustellen? Diese Frage geht an Herrn Ra-disch, Herrn Eberhard und Herrn Hebborn.

Prof. Dr. Falk Radisch (Institut für Schulpädagogik, Grundschulpädagogik, Phi-losophische Fakultät der Universität Rostock): Oha! – Ich bin leider – das will icham Beginn zu bedenken geben – kein Jurist. Aber ich kann aus wissenschaftlicherPerspektive etwas dazu sagen, wie multiprofessionelle Teams zusammenarbeitenkönnen, was die Gelingensbedingungen wären und was vor allem die strukturellen

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Notwendigkeiten sind. Vielleicht wird es ein bisschen für Unmut sorgen: Aber das istdas, was Kolleginnen und Kollegen – das gilt auch für mich selber – bei der Beschäf-tigung mit dem Thema herausgefunden haben. Bezüglich dieses Themas gab es sehrumfangreiche Forschungen gerade im Bereich der Ganztagsschulen. Die Forschun-gen betrafen aber nicht nur Ganztagsschulen, denn es gibt noch andere bildungsbe-zogene Settings, in denen multiprofessionelle Teams aufeinandertreffen.

Die strukturelle Zuständigkeit ist – das weiß ich – ein ganz heikles Thema. Es wirdaber notwendig sein, das Dienst- und Aufsichtsrecht in einer Institution zusammenzu-fassen. Das ist immer wieder ein ganz großer Hinderungsgrund im Hinblick auf dasGelingen multiprofessioneller Kooperation. Die Kollegen Speck und Olk zum Beispielkonnten sehr gut zeigen, dass dort, wo es gelingt, auf einer mehr oder weniger regio-nalen Ebene dafür zu sorgen, dass Dienst- und Aufsichtsrecht zusammenfallen, auchdie Zusammenarbeit eine andere wird. Denn bei Problemen oder Auseinandersetzun-gen sind dann andere Rückzugsmöglichkeiten gegeben.

In welcher Form das zu gestalten ist, ist eine ganz andere Frage. Natürlich ist es immerbesser, dass kooperativ zu machen und entsprechend Ihrem Antrag – den kenne ichaber nicht im Einzelnen – dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Berufsgruppen inder Schulleitung beteiligt sind. Das wäre das, was man favorisieren müsste. Manmüsste allerdings darauf schauen, wie das gehen kann. Denn wir reden nach wie vorüber sehr unterschiedliche Systeme, bei denen es unterschiedliche Ansichten, Rege-lungsnotwendigkeiten sowie gesetzliche Grundlagen gibt. Da muss noch ganz viel –nicht nur bei den Trägern, sondern auch bei der gesetzlichen Grundlegung – passie-ren. Dabei geht es nicht nur um das Schulgesetz. Ich sehe aber vor allem dort denHandlungsbedarf.

Auch die Kollegen Speck, Karsten und Olk aus Bielefeld haben gezeigt, dass gemein-same Fortbildung ein ganz zentraler Schlüssel für das gemeinsame Arbeiten am Kindist. Da darf es eben nicht mehr um „meine Zuständigkeit, deine Zuständigkeit“ gehen.Das bedeutet, dass – dies wurde schon an verschiedenen Stellen angesprochen – einganz anderer Umgang mit diesen Dingen zu finden ist. Es muss also dazu kommen,dass nicht mehr getrennt wird. Man darf auch nicht das Gefühl haben: Da kommt einerin meinen Unterricht und macht etwas in einem Bereich, wo eigentlich ich die Hoheithabe. Oder es kommt ein Lehrer, der plötzlich etwas von mir wissen will oder mir etwaszu dem sagen will, wo ich in der Schule Verantwortung trage.

Es geht aber nicht nur um einen ganz anderen Umgang mit dem Thema „Fort- undWeiterbildung“ im Lehrerbereich, sondern auch im Bereich der freien Jugendträger.Da ist das oft – ich sage das einmal so – Freizeitangelegenheit. Dafür muss Urlaubgenommen werden. Es muss eine Freistellung gemacht werden. Und so weiter, undso fort. Das alles zu organisieren, ist, glaube ich, einer der ganz großen Knackpunkte,wenn in der Praxis dafür gesorgt werden soll, dass die Leute auf der Arbeitsebenelernen, auf eine Art und Weise miteinander umzugehen, bei der nicht mehr die Unter-schiedlichkeit in den Raum gestellt wird, sondern das gemeinsame Arbeiten am unter-schiedlich gesehenen Kind. Es muss respektiert werden, dass jeder unterschiedlicheVor- und Nachteile sowie Kompetenzen hat. Da muss man zusammenkommen. Auch

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muss es, was die Kompetenzen anbelangt, irgendwie eine Steuerung geben. Und esmuss entschieden werden. Wer braucht denn beispielsweise, wenn es um Weiterbil-dung geht, bestimmte andere Dinge, die dazukommen müssen? In Bezug auf die Wei-terbildung müssen folgende Fragen gestellt werden: Brauchen wir das gemeinsam,oder braucht das einer von uns? Reicht das?

Das muss bei der gemeinsamen Fortbildung sowie über – ich sage das einmal so sa-lopp – die Kaffeefahrten außerhalb der Dienstzeiten geschehen, wo man sich auf derpersönlichen Ebene kennenlernt. Dabei kann man merken, dass das Gegenüber nichtderjenige ist, der kommt, um mir etwas wegzunehmen. Man bemerkt vielleicht sogar,dass er als Mensch etwas taugt. Das sind die Dinge, die wir aus der Forschung wissenund die Grundlage für eine gute Kooperation sind.

Christian Eberhard (Offene Ganztagsschule Gottfried Kinkel, Bonn): Ich kann dasnoch konkretisieren. Vor Ort geht es nicht mehr darum, wer den Hut auf hat. Das zufragen, ist, glaube ich, einfach falsch. Dabei geht es dabei um rechtliche Schwierigkei-ten, die vielleicht nicht schnell zu lösen sind. Wir verstehen uns als Leitungsteam. Dasfängt mit der Außendarstellung an. Es gibt ein Bild auf der Homepage, auf dem mandie Schulleitung bzw. die pädagogische Leitung sieht. Darunter steht: „Leitungsteam“.Dann gibt es ein Bild, auf dem „Gesamtteam“ steht. Es beinhaltet Hausmeister, Sek-retärin, Integrationsassistenten, Lehrkräfte und Erzieher. Das ist eine Außendarstel-lung. An den Klassentüren findet man ein Bild von der Lehrkraft und dem Erzieher, dieim Tandem für diese Kinderklasse arbeiten. Sie sind über den ganzen Tag hinwegfeste Bezugspersonen.

Wir gestalten die Lernzeiten, die wir am Nachmittag haben. Es sind immer eine Lehr-kraft und ein Erzieher bei den Kindern. Man ist gemeinsam vor Ort und schaut: Wiegehst du mit dem Kind um? Wie siehst du es? Im Personalzimmer hängt ein Bild, aufdem steht: Gut, dass du das anders siehst. – Diese Perspektive „Gut, dass du dasKind und das System anders siehst“ muss eingeübt werden.

Wir haben mit einem gemeinsamen Personalraum angefangen. Das Lehrerzimmerwurde aufgelöst. Wir haben die Tische woandershin gebracht. Dort finden jetzt Konfe-renzen statt. Vormittags befinden sich auch Kinder in diesem Raum. Im Medienraumfinden auch die Konferenzen des Erzieher- und Lehrerteams statt. In dem anderenRaum, der wieder frei wurde, befindet sich das gemeinsam genutzte Personalzimmer.

Es war ein harter Kampf, immer wieder zu sagen: Sie als Integrationsassistenten ge-hen jetzt bitte schön da hinein. Man hat uns gesagt: Wir dürfen da aber nicht hinein.Da ist Leitung gefragt. Leitung und Unterstützung ist vonnöten. Es geht darum zu sa-gen: Wir sind eine OGS; das wird von der Politik gewünscht. Es gibt das gemeinsameBildungsverständnis sowie gemeinsame Bildungsgrundsätze. Auf der Grundlage dürftihr als Leitung auch so arbeiten.

Wir haben die Tandemstruktur Lehrer/Erzieher. Einmal in der Woche findet dort eineTeamzeit statt. Das geht über das Stundendeputat der Lehrkräfte. Die bekommen abervon mir als Schulleiter eine Struktur. Es gibt im Stundenplan eine Freistunde, in der

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sich ein Fachlehrer in der Klasse befindet. Die Lehrkräfte tauschen sich dabei mit ihrenTandempartnern aus. Sie planen zum Beispiel Elterngespräche bzw. Elternabende.

Ich komme zur Multiperspektive. Wir haben damit begonnen, in diese Teams eine Pro-fessionalisierung hineinzubringen. Auch daran fehlt es, glaube ich, bei beiden Seitenan vielen Stellen. Sie müssen sich eine Tagesordnung geben. Des Weiteren müssendie Teammitglieder sich fragen, worüber sie sprechen wollen. Wenn die Erzieherinüber das Mittagessen, der Lehrer über die Lernzielkontrolle und der Sonderpädagogenur über den Schüler Willy sprechen will, gehen zwei nicht zufrieden nach Hause. DieTeamarbeit muss effektiv sein. Nur dann macht ein Team Sinn. Ein Team bedeutetnicht, dass man sich zusammensetzt und die Arbeit nachher genauso ist wie vorher.Es geht darum zu sagen: Gebt euch eine Tagesordnung und Spielregeln. Wenn dasgeschieht, kann das auch eine Entlastung sein. Dann kann eine Teamzeit auch alsEntlastung für beide Seiten empfunden werden. Es ist im Rahmen eines kollegialenFeedbacks jemand da, der mir meine Sorgen, die ich in Bezug auf ein Kind sehe, aucheinmal abnimmt.

Wenn die Lernzeiten gemeinsam gestaltet werden, finden sich auch im Rahmen vonBeziehungsarbeit Zeiten für Gespräche mit Kindern. Der Lehrer oder der Erzieher kanndas Kind einmal eine Stunde herausnehmen und fragen: Wie geht es dir? Warumlernst du gerade nicht? Was steht an? Man kann dann sehr viel Zeit mit dem Kindverbringen.

Wir haben damit begonnen, im Rahmen von pädagogischen Tagen ein Kennenlernenzu ermöglichen. Es gibt eine Fotoleine mit allen Personen, die sich in der Schule be-wegen. Dort stehen der Name und das Geburtsdatum sowie den Zeitpunkt der Auf-nahme der Tätigkeit. Es gibt – auch wenn es sich noch so albern anhört – Kennenlern-spiele. Man braucht die. Dafür benötigen wir entsprechende Zeit. Dann kann das aber,glaube ich, gelingen.

Zur Lautstärke während der Teamarbeit: Wenn wir zum Beispiel mit unseren LaptopsPowerpoints schreiben, ist es wahnsinnig laut. Wir alle können da aber arbeiten. Dasheißt nicht, dass wir das immer tun. Auch bedeutet es nicht, dass das jeder kann. Esgibt aber eine große Breite, die man nutzen kann. Rückzugsorte muss es geben. Dafürbraucht man aber vielleicht nicht immer vier Wände. Wir haben einen tollen Ruheraummit Wasserbett. Der wird aber von den Kindern gar nicht so sehr frequentiert. Wennich sie aber frage, was für sie ein Rückzugsort ist, sagen sie: Ein Tisch mit einer Deckedarüber. Man sollte sich in dieser Hinsicht gedanklich öffnen.

Multiprofessionelle Teamarbeit kann gelingen. Die Leitung muss aber gestärkt werden.Wenn wir von der Organisation weggehen, kommen wir zur Kooperation in Bezug aufeine inhaltliche Auseinandersetzung bzw. auf einen Austausch.

Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Das, was meine beiden Vor-redner gesagt haben, ist genau der Kern dieses Prozesses. Insofern geht es nichtunbedingt um die kommunale Ebene, sondern eher um die Ebene der Schulen. Ichdenke aber, dass die Kommunen das durchaus unterstützen können.

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Ich möchte noch einmal den Gedanken der regionalen Bildungsnetzwerke, verbundenmit strukturierter und institutionalisierter Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ak-teure, im Bereich der Bildung ansprechen. Das spielt sich auf der kommunalen Ebeneab. Ich will aber durchaus auch die kommunalen Ämter sowie die Dezernatsstruktur inden Städten nennen. Wir haben gute Beispiele, wo sich Schule und Jugendhilfe ineinem Dezernat befinden. Dort können sich ganz andere Möglichkeiten auch der Zu-sammenarbeit und der Förderung entwickeln. Kommunalpolitisch gesehen hat mandas zwar formal in der Hand, aber jeder, der Kommunalpolitik gemacht hat, weiß, dassdas nicht immer so zu organisieren ist. In den Fällen, wo es geht, sollte man es aberdurchaus machen.

Mir ist sehr wichtig, Folgendes zu sagen: Ich glaube, dass man das Problem nichtformal lösen kann. Formal ist das ganz klar geregelt: Die Schulleitung ist Vorgesetzteraller an der Schule Tätigen. Das bringt aber nichts, wenn man das einfach nur formalbetrachtet. Vielmehr geht es in der Tat um Teambildung. Ich glaube, dass in dieserHinsicht gemeinsame Fortbildung wichtig ist. Wir merken das übrigens auch bei derZusammenarbeit von Kitas und Grundschulen, wo wir als Kommunen konkret mit imGeschäft sind. Das bringt eine ganze Menge. Sie haben noch andere Dinge genannt.Ich denke, dass Schulleitung im Team schulrechtlich möglich ist. Ob man das für nichtlehrendes Personal öffnet, ist eine Entscheidung des Landes. Wir haben uns, offengestanden, mit dem Thema noch nicht beschäftigt.

Die letzte Frage lautete: Wie sieht es mit der Schulaufsicht aus? Wir sagen, dass Fach-und Dienstaufsicht grundsätzlich in eine Hand gehören, und finden, dass eine Tren-nung, die es zum Teil gibt, falsch ist. Auch die Schulaufsicht sollte im Rahmen dieserStruktur möglichst vor Ort sein, damit sie auch als Kooperationspartner zur Verfügungsteht. Das alte Verständnis lautet: Schulaufsicht ist umso besser, je weiter sie vonSchule weg ist, weil sie dann die Schule in Ruhe lässt. Ich glaube, dieses Schulauf-sichtsverständnis hat sich gewandelt. Das muss sich – gerade im Hinblick auf die Ein-beziehung auch derjenigen Aspekte, die insbesondere die Jugendhilfe betreffen –noch weiter wandeln. Von daher heißt es zwar „Schulaufsicht“, diese müsste aber ei-gentlich eine Bildungs- und Erziehungsaufsicht sein bzw. sich in diese Richtung wei-terentwickeln. Eine große Änderung der Struktur halte ich erst einmal nicht für erfor-derlich.

Sigrid Beer (GRÜNE): Es ist von der Stärkung der Schulleitung gesprochen worden.Frau Deimel hat darauf hingewiesen, dass es gerade im Bereich der Grundschulennoch ein Problem gibt. Dabei handelt es sich um Verwaltungsunterstützung und Haus-meister. Bevor Herr Hebborn weg muss, möchte ich – auch Herrn Buchholz – fragen:Was machen denn die kommunalen Spitzenverbände, um genau bei diesem Punkt zuunterstützen? Denn das ist sehr dringend. Bei den Grundschulen – gerade im Ganz-tagsbereich der OGS – stellt sich die Frage der Unterstützung durch Verwaltungs-kräfte. Wir haben gerade etwas über die Abstimmungs- und Koordinationsbedarfe ge-hört. Wie kann das stärker flankiert werden? Es kann auch nicht sein, dass die Schul-leitung während der Hilfegespräche die Telefonzentrale mit bedient.

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Klaus Hebborn (Städte- und Gemeindebund NRW): Auch das ist ein Thema, dasschon seit vielen Jahren thematisiert wird und wo man gerade im Prozess der Entwick-lung der stärkeren Selbstständigkeit der Schule zu anderen Lösung als denen kommenmuss, die wir jetzt haben. Auch da gibt es erhebliche Unterschiede in den Kommunen,was auch etwas mit der Finanzlage zu tun hat. Es gibt Schulen, die, was Schulsekre-tariate angeht, eine sehr knappe Ausstattung haben. Andere Schulen dagegen habeneine bessere Ausstattung. Es gibt sogar Schulformen, die Verwaltungsleiterinnen und-leiter haben.

Ich könnte mich hier jetzt insofern aus der Affäre ziehen, dass ich sage: Auch zu die-sem Thema sollten sich Land und Kommunen bzw. kommunale Spitzenverbände ein-mal an einen Tisch setzen, um zu einer Lösung zu kommen. Das haben wir schonx-mal versucht. Aus anderen Bundesländern sind durchaus Modelle bekannt, in derenRahmen man mehr Verwaltungskapazität sowie auch -kompetenz in die Schulen hin-eingebracht hat. Ich räume aber gerne ein, dass das ein schwieriges Thema ist, waskommunal sehr kontrovers diskutiert wird. Da wird – das halte ich in großen Teilen fürberechtigt – immer argumentiert, dass die Abgrenzung zwischen innerer und äußererSchulangelegenheit – mit der Folge, dass gefragt wird, was eigentlich Länderzustän-digkeit und was Kommunalzuständigkeit ist – schwierig ist. Dabei geht es um die Ab-bildung der konkreten Arbeitsplätze. Ich rede jetzt nicht vom Hausmeister, sondernvom Sekretariat. Das sollte – wenn das überhaupt geht – sauber abgegrenzt werden.Ich glaube nicht, dass das geht. Man muss aber zumindest versuchen, da eine Lösungzu finden. Ich kann hier keine konkrete Antwort geben, bestätige aber, dass es daHandlungsbedarf gibt.

Was die Hausmeister anbelangt: Auch deren Leistungen sind in den Kommunen sehrunterschiedlich organisiert. Ich weiß, dass alle Schulen gerne einen eigenen Haus-meister haben wollen. In vielen Fällen ist das übergreifend organisiert. Im dem einenoder anderen Fall klappt es auch gut und kostengünstig. Andere Kommunen habenandere Modelle. Es ist jetzt ein wenig schwierig, das zu generalisieren.

Marc Buchholz (Bis Ende März Dezernat II Jugend, Soziales, Schulen und Sport,Kevelaer, jetzt Beigeordneter der Stadt Mülheim an der Ruhr): Herr Hebborn hatdas Generelle beschrieben. Ich will jetzt aber als Schul-, Jugend- und Sozialdezernentsprechen. Die Stadt Kevelaer hat seinerzeit beispielsweise, was Sekretärinnen angeht,genau untersucht, wie eigentlich die Arbeitszeitverteilung in Bezug auf Schule aus-sieht. Was macht eigentlich Sekretariatsarbeit für die OGS aus? Das ist – Herr Heb-born hat es beschrieben – ein spannendes Feld. Es gibt da auch ein Spannungsfeldzwischen Schulleitungen und den betreffenden Fachlichkeiten von Hausmeistern undSekretärinnen. Dabei geht es um die Fragen: Wie werden sie eingebunden? Wie sinddie persönliche Beziehung geregelt? Da wird – das darf ich Ihnen aus der Praxis be-richten – auch viel im Rahmen von Gefälligkeiten getan.

In der OGS haben wir ganz konkret die Aufgaben des Sekretariats dahingehend gere-gelt, dass alle OGS-Leitungen – und zwar in den Gruppen – über Mobiltelefon erreich-bar sind. Das ist schon einmal Entlastung für das Sekretariat. In Kevelaer – da geht es

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um zwei-, drei- und vierzügige Gesamtschule – gibt es nur im klassischen Vormittags-bereich eine Besetzung. Die Erreichbarkeit der OGS muss aber notwendigerweise vor-handen sein. Das OGS-Personal bewegt sich im gesamten Schulgebäude. Wir habengehört, dass man rausgehen soll. Man hat die Möglichkeit, andere Räume aufzusu-chen. Von daher war es uns wichtig, dass die OGS-Mitarbeiter für die Eltern über Mo-biltelefone erreichbar sind. Sie können aber auch von sich aus nach draußen gehen,wenn sie denn entsprechende Bedarfe haben. Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sindmit einem Team zu einem Spielplatz unterwegs sind und brauchen Hilfestellung. Dannbenötigen man ein entsprechendes Mobiltelefon. Es war keine Frage, dass das in dieentsprechenden Leistungen der OGS-Finanzierung mit aufgenommen wurde.

Ich möchte aber noch Folgendes sagen: Die Overheadkosten für die Organisation beiden Trägern sind erlassmäßig immer noch nicht so geregelt, dass wir als Träger siemit abrechnen dürfen. Das heißt, dass das, was uns die Träger im Rahmen von Koor-dinierungsleistungen für den offenen Ganztag in Rechnung stellen, durchaus immerBestandteil von Diskussionen mindestens mit der Bezirksregierung ist. Manche Trägerlassen – möglicherweise gut gemeint – die eine oder andere Fortbildung mit einfließen,über die diskutiert werden kann, ob das Qualifizierung im Rahmen von OGS oder Over-head ist. Man kann da durchaus kreativ sein. Dann gelingt das. Aber auch da wäre essicherlich hilfreich, weil zeitsparend, Regelungen zu haben, wie der offene Ganztag,was Overhead anbelangt, über die Träger mit abgerechnet werden kann.

Die Akteure vor Ort sind die Lehrer, die Schulleitung, die OGS-Mitarbeiter und übrigensauch die Elternschaft. Wir haben vorhin davon gesprochen, dass in den Schulgremiendie OGS mit vertreten sein soll. Wir haben eine Diskussion über die Frage geführt: Wiesieht es eigentlich mit den Eltern aus der OGS aus, die nicht zwangsläufig in der Schul-konferenz vertreten sein müssen? Ich bitte darum, diesen Part mitzudenken, wennman denn über Schulgremien spricht. Elternvertreter im Schulgremium sind nichtOGS-Eltern. Es sollte nicht nur an die OGS-Mitarbeiter, sondern auch an die Eltern-vertreter gedacht werden, um das Mitwirkungsgremium auch in der Bandbreite abzu-decken.

Möglicherweise könnte das, was seitens des Bundes über das Thema „sozialer Ar-beitsmarkt“ an uns herangetragen wird, eine Hilfestellung sein, indem wir auch im Be-reich von SGB II vielleicht den einen oder anderen finden, der im Bereich der Haus-meisterdienste oder auch Sekretariate hilfreich zur Verfügung stehen kann. Ich will einBeispiel aus Duisburg anführen, wo an der Schule meines Sohnes ein entsprechenderMann morgens drei Stunden lang nichts anderes macht, als das Telefon des Sekreta-riats zu übernehmen, um Anrufe von Eltern bzw. Schülern, die sich krank melden, ent-gegenzunehmen. Er arbeitet Sekretariatsaufgaben mit ab. Wenn das Sekretariat ein-mal ausfällt, bekäme der vielleicht zukünftig die Chance, dort dauerhaft einen Arbeits-platz zu finden. Es gibt da durchaus Verbindungen und Überlegungen, in dem Bereichsinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen.

Frank Rock (CDU): Jetzt haben wir schon drei Stunden gesprochen, die Elternvertre-ter aber noch nicht gefragt. Sie durften drei Stunden lang lauschen, was Fachleute,

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Kommunalträger und Politik meinen. Ich möchte die Elternvertreter fragen, wie die El-ternsicht auf das Thema „OGS“ – dabei geht es auch um den Blick in die Zukunft – ist.Was ist Ihre Erfahrung, was Flexibilität angeht? Die Elternschaft hat dazu ja auch eineMeinung. Des Weiteren frage ich Sie: Was würden Sie als Eltern hier noch einmaleinfordern wollen?

Andrea Honecker (Katholische Elternschaft Deutschlands, LandesverbandNRW): Wir sind ein Elternverband, der Eltern aus allen Schulformen sowie auch ausdem Kita-Bereich vertritt. Wir haben heute sehr viel darüber gehört, was in unseremVerband bzw. von unseren Mitgliedern diskutiert wird. Einmal geht es darum, dass dieEltern aus dem Kita-Bereich gewöhnt sind, dass ihre Kinder dort über den Mittag hin-aus – möglicherweise auch ganztags – eine gute, qualifizierte Betreuung erfahren. ImSchulbereich wird es manchmal schwierig. Besonders schwierig wird es beim Über-gang in eine weiterführende Schule.

In der OGS haben wir – auch das wurde schon oft angesprochen – die Erfahrunggemacht, dass kein flächendeckender gebundener Ganztag gewünscht wird. Das sollnicht heißen, dass es den an Schulen überhaupt nicht geben darf. Es ist aber so, dasssich Eltern schon wünschen, dass es auch in ihrer Kommune immer die Möglichkeitder Wahl einer freiwilligen Teilnahme an der OGS gibt. Wenn die Kinder dann in derOGS angemeldet sind, wird eine möglichst große Flexibilität gewünscht. Wir sehenaber auch – auf verschiedenen Tagungen bzw. bei Zusammenkünften haben wir unsdamit beschäftigt –, dass es im Rahmen des Systems Erschwernisse gibt, wenn dieFlexibilität maximal ausgenutzt wird. Insofern muss man da eine gute Abwägung fin-den.

Für uns ist es ganz wichtig festzustellen, dass die OGS als Bildungseinrichtung einemöglichst individuelle Förderung gewährleisten soll. Zurzeit gibt es bei uns sehr großeGruppen, die – das ist, wie wir bereits gehört haben, mit großer Lautstärke und vielUnruhe verbunden – eine individuelle Förderung nicht immer ermöglichen. Aus unse-rer Sicht heraus ist es auf jeden Fall wünschenswert, dass die Gruppen kleiner werdenund dass das Angebot, was da geleistet wird, eine möglichst große Vielfalt abbildet.Das schließt auch ein – die Sportvereine kamen hier schon zu Wort –, dass verschie-dene andere Träger solcher Angebote – das können unter Umständen auch die Kir-chen oder die Musikschulen sein; es geht dabei auch um therapeutische Angebote –in den OGS-Bereich hineingeholt werden. Das passiert an vielen Orten bereits. Schönwäre es, wenn das finanziell und institutionell unterfüttert werden würde.

Insgesamt ist klar: Auch unseren Eltern ist es besonders wichtig, dass die OGS einemöglichst gute qualitative Ausstattung hat. Das betrifft einmal das Personal und zumanderen ganz besonders die räumliche Situation. Ich kann den Vorrednern nur bei-pflichten: Die Eltern beklagen sich am meisten über die Qualität des Essens sowieüber die Räume, in denen das Essen eingenommen werden muss. Es geht aber auchum bauliche Mängel bzw. Renovierungsstaus, die es an den Schulen überall gibt. Dasist etwas, was uns immer wieder zugetragen wird und woran im OGS-Bereich dringendgearbeitet werden müsste.

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Vorsitzende Kirstin Korte: Damit schließe ich die fünfte Runde. Ich eröffne diesechste Runde mit Herrn Ott.

Jochen Ott (SPD): Die letzte Frage geht an die Vertreter von VBE und GEW. Ich gehezunächst auf meine Vorrednerin ein: Die Schulbaurichtlinie war ein wesentliches In-strument, das 2010 abgeschafft wurde. Damit ist es für die Ewigkeit nicht mehr einzu-führen. Die Schulsozialarbeit wird nächste Woche im Plenum behandelt. Es gibt einenAbstimmungsbedarf zwischen Kommunen und Land. Auch über den Ganztag habenwir heute etwas gehört. Die Digitalisierung wurde heute Morgen angesprochen: Dagibt es das dringende Anliegen der kommunalen Spitzenverbände in Bezug auf eineAbsprache. Sekretariate bzw. Verwaltungsassistenten haben wir gerade ebenfalls an-gesprochen.

Meine Fragen an VBE und GEW lauten: Haben Sie eine Priorität in Bezug auf dieFrage, wer das übernehmen bzw. zahlen soll? Was raten Sie uns als Parlament? Waswünschen Sie sich als Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer von ihrem Parlament hin-sichtlich der Regelung dieser Frage?

Rixa Borns (GEW, Landesverband NRW): Wenn es ein Wunschkonzert gäbe, wür-den wir uns wünschen, dass sich beide unheimlich gut einigen. Uns kommt es eigent-lich darauf an, dass bei den Kindern bzw. bei uns in den Schulen etwas ankommt. InBezug auf das politische Problem, ob die Kommunen, das Land oder der Bund mehrfinanzieren sollen, können wir als Schule unsere Kompetenz nicht einbringen bzw.keinen Ratschlag geben. Wir wissen nur, dass es dringend notwendig ist, dass sichalle Teile darauf einigen, wie es laufen soll.

Für uns bedeutet es, dass wir wieder sehr viele Anträge stellen müssen. Das ist erfor-derlich, wenn wir Unterstützung brauchen bzw. wenn es darum geht, ob das Jugend-amt mit hineinkommt. Es gibt die Auseinandersetzung mit Schulbegleitern. Dabei gehtes um die Frage: Inwieweit können die in einer OGS arbeiten oder nicht? Das hängtanscheinend immer wieder vom Sozialamt oder vom Jugendamt ab. Es gibt dabei sehrviele Dinge, zu denen wir sagen: Es geht um die Kinder und darum, dass sie die best-mögliche Förderung bekommen.

Wir haben hier heute festgestellt, dass da noch sehr viel zu tun ist. Es gibt einen quan-titativen Ausbau bei der OGS. In der Zwischenzeit befinden sich in den nordrhein-westfälischen Offenen Ganztagsschulen sehr viel mehr Kinder. Wir müssen jetzt aberauch etwas für die Qualität tun. Von daher gibt es von unserer Seite her eher denAppell, dass sich die drei angesprochenen Partner darüber auseinandersetzen müs-sen, um zu einer entsprechenden Einigung zu kommen. Wir können dazu jetzt, glaubeich, schlecht einen Vorschlag machen. Wir wollen nur, dass es verlässlich geregelt ist.Das ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Wir sehendas ähnlich. Heute ist die Dimension des Problems deutlich geworden. Wer sich damitbeschäftigt, weiß, dass 2 Milliarden € vom Bund eigentlich nichts sind – schon gar

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nicht, wenn das über die ganze Legislaturperiode verteilt wird. Es wäre sicher schön,wenn es diesen Betrag jährlich gäbe. Das ist ein großes Problem.

Man kennt das ja: Das Geschreie fängt immer dann an, wenn das Land möchte, dassdie Kommunen zuzahlen. Wir haben – das ist schon deutlich gemacht worden – ein-fach unterschiedliche Finanzsituationen in den Kommunen. Deshalb können wir nursagen: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche die Politik zu lösen hat.Die Verantwortlichen sind gefordert, sich an einen Tisch zu setzen, Tacheles zu redenbzw. genau festzustellen, wie viel Geld gebraucht wird. Dabei muss geklärt werden,wer sich darum kümmert, dass das bei jeder Schule – egal an welcher Kommune –landet.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich möchte noch gerne das Thema „Inklusion und Ganztag“ansprechen. Dazu frage ich den Grundschulverband, die GEW und den VBE, wie einRaumkonzept aussehen kann, wenn auch Therapie- und Pflegeräume mit aufgenom-men werden sollen. Wie wichtig ist das für Sie? Wir können das Herrn Hebborn für dieGespräche mit der Montag Stiftung noch mitgeben.

Maxi Brautmeier-Ulrich (Grundschulverband NRW): Für Kinder in der Inklusion istwichtig, was auch für alle anderen Kinder wichtig ist, dass es nämlich unterschiedlicheMöglichkeiten gibt. In einer der ersten Runden haben wir über die gemeinsame Nut-zung von Räumen gesprochen. Das ist sehr wohl möglich, aber nur begrenzt. Da, woes sinnvoll ist, müssen Klassen als OGS-Räume für die zweite Lernzeit genutzt wer-den. Umgekehrt profitieren wir sehr davon, wenn es OGS-Räume gibt, die im Vormit-tagsbereich genutzt werden können.

Bei inklusiven Schulen ist es also ganz wichtig, dass man sowohl im Vormittags- alsauch im Nachmittagsbereich zusätzliche Räume für Auszeiten, Therapien, besondereAngebote und kleinere Gruppen hat. Die Elternvertreter haben es eben angesprochen:Wenn man im Nachmittagsbereich kleinere Gruppen bilden will, kann man das nichtmit dem Raumangebot machen, das schon während des Vormittags komplett ausge-schöpft ist. Dafür muss man zusätzliche Räume haben. Insofern ist es sehr wichtig,dass es kleinere Räume für andere Angebote gibt.

Zum anderen geht es darum, wie die Begleitung von Kindern mit besonderen Bedarfenim Nachmittagsbereich aussieht. In dieser Hinsicht scheint es eine gute Bewegunggegeben zu haben. Bei uns in der Schule ist es so, dass sich das entsprechende So-zialamt auf den Weg macht und dass Anträge von Eltern bearbeitet werden. Das istzwingend notwendig. Man muss die Bedürfnisse aller Kinder berücksichtigen. Deshalbist es notwendig, dass Kinder, die besondere Bedarfe haben, auch besonders unter-stützt werden. Das kann die OGS definitiv nicht leisten, wenn nicht auch am Nachmit-tag die Unterstützung vorhanden ist, die am Vormittag mittlerweile durchaus selbstver-ständlich ist.

Sebastian Krebs (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, LandesverbandNRW): Wer solche Rahmensetzungen wie die in Bezug auf die Inklusion setzt, muss

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dafür sorgen, dass auch die entsprechenden räumlichen Kapazitäten bereitstehen.Das gilt insbesondere für OGS-Systeme. Ich denke, es ist ganz wichtig – das stehtauch in unserer Stellungnahme –, dass Standards gesetzt werden, so dass nicht jedeSchule für sich allein überlegen muss, was zu entwickeln ist. Vielmehr muss man dahinkommen, dass es gemäß der Größenordnungen, die vor Ort zur Verfügung stehen,entsprechende Standards gibt, auf die man sich verlassen kann und die man aucheinfordern kann.

Anne Deimel (Verband Bildung und Erziehung, Landesverband NRW): Für dasGelingen der Inklusion benötigt man entsprechende Räumlichkeiten. Dann könnte –das wäre spannend – Therapie in der Schule stattfinden. Das wäre ein Riesenschrittnach vorne. In den öffentlichen Schulen ist das derzeit in der Form gar nicht möglich.Es gibt Riesenprobleme in Bezug auf die Organisation. Wenn weitere Berufsgruppenin die Schule kommen, geht das ein wenig in die Richtung, nach der Herr Ott geradegefragt hat.

Wir haben das Gremium der Steuergruppe. Man muss vielleicht neu darüber nachden-ken, wie die Arbeit der Steuergruppen in den Schulen aussehen soll und wie man dieanderen Professionen an der Stelle mit hineinnehmen kann. Denn das erfordert ganzneue Arbeitsfelder und Kommunikationsstrukturen in den Schulen.

Es ist dringend notwendig, dass die Schulbegleiter auch nachmittags anwesend sind.Auch Schulen sollten sie für Kinder beantragen können, welche entsprechende Be-darfe haben. Das können bis jetzt nur die Eltern. Wenn wir schon bei Ressourcen sind:Es ist nicht notwendig und sinnvoll, dass in einer Klasse vier Schulbegleiter sitzen, diejeweils für ein Kind zuständig sind. Das ist Verschwendung von Ressourcen. Es wäresinnvoller, da auf Professionen, Fertigkeiten und Kenntnisse zu schauen und zu fra-gen, welche Schulbegleitung zu welchen Kindern passt. Es wäre schöner, wenn dieSchule dabei mit einbezogen würde.

Vorsitzende Kirstin Korte: Ich glaube, wir hatten eine ausgesprochen intensive, ru-hige, sachliche und konstruktive Diskussion. Dafür darf ich mich sehr herzlich im Na-men des Ausschusses bei Ihnen, verehrte Damen und Herren Sachverständige be-danken. Es war sehr angenehm mit Ihnen. Wir freuen uns über den immensen Input,den Sie hier eingebracht haben, und werden das entsprechend verarbeiten.

Ich darf Sie vielleicht noch darüber informieren, wie die weitere Beratungsabfolge ist.Zunächst einmal möchte ich mich beim Sitzungsdokumentarischen Dienst bedanken,der uns bis zur 20. Kalenderwoche das Protokoll zur Verfügung stellen wird. Der mit-beratende Sportausschuss könnte sein Votum in seiner Sitzung am 21. Mai abgeben.Am 6. Juni könnten der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, der Ausschuss fürGleichstellung und Frauen sowie der Ausschuss für Kultur und Medien votieren. Dermitberatende Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen könnte seinVotum in der Sitzung am 7. Juni abgeben. Der ebenso mitberatende Ausschuss fürArbeit, Gesundheit und Soziales – Sie sehen, dass ein äußerst viele Ausschüsse be-

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Ausschuss für Schule und Bildung (40.) 03.04.2019Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (32.)Gemeinsame Sitzung (öffentlich)

teiligt ist – könnte am 19. Juni votieren. Die Auswertung der Anhörung sowie die Ab-gabe einer Beschlussempfehlung im federführenden – also unserem – Ausschuss pla-nen wir für den 3. Juli, so dass der Antrag abschließend im Juli-Plenum – also nochvor den Sommerferien – beraten werden könnte.

Ich bedanke mich noch einmal bei den Sachverständigen, den Kolleginnen und Kolle-gen sowie unseren Gästen für das wackere Durchhalten an diesem interessantenNachmittag. Ihnen allen wünsche ich einen schönen Abend und sage auf Wiedersehenbis zum nächsten Mal.

gez. Kirstin KorteVorsitzender

Anlage06.05.2019/08.05.201973

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Stand: 06.05.2019 Anhörung von Sachverständigen

Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung und des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend

"Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen" Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/4456

am Mittwoch, dem 3. April 2019

13.30 Uhr, Raum E 3 A 02

Tableau

eingeladen Redner/in

Weitere Teilnehmer/-innen

Stellungnahme

Helmut Dedy Städtetag Nordrhein-Westfalen Köln

Klaus Hebborn

17/1385

Dr. Bernd-Jürgen Schneider Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Dr. Martin Klein Landkreistag Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Christian Heine-Göttelmann Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Helga Siemens-Weibring Ursula Harwighorst

17/1367

Helga Siemens-Weibring Diakonisches Werk Rheinland- Westfalen-Lippe e.V. Münster

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eingeladen Redner/in

Weitere Teilnehmer/-innen

Stellungnahme

Andrea Honecker Katholische Elternschaft Deutschlands Landesverband Nordrhein-Westfalen Bonn

Andrea Honecker Anne Embser

nein

Prof. Dr. Falk Radisch Institut für Schulpädagogik / Grundschulpä-dagogik Philosophische Fakultät Universität Rostock Rostock

Prof. Dr. Falk Radisch

nein

Christian Eberhard Offene Ganztagsschule Gottfried Kinkel Bonn

Christian Eberhard Ilka Seulen

17/1337

Stefan Behlau Verband Bildung und Erziehung Landesverband NRW Dortmund

Anne Deimel Alexander Spelsberg

17/1320

Marc Buchholz Dezernat II Jugend, Soziales, Schulen und Sport Wallfahrtsstadt Kevelaer Kevelaer

Marc Buchholz

17/1363

Nadine Frey Stadtsportbund Aachen e.V. Aachen

Björn Jansen Nadine Frey

17/1339

Peter Bednarz Landesjugendring Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Peter Bednarz

17/1354

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eingeladen Redner/in

Weitere Teilnehmer/-innen

Stellungnahme

Dorothea Schäfer Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband NRW Essen

Sebastian Krebs Rixa Borns

17/1348

Stephan Vielhaber Gemeinschaftsgrundschule Köller-holzschule Bochum

nein

17/1355

Dr. Christoph Niessen Ilja Waßenhoven Martin Wonik Landessportbund Nordrhein-Westfalen e.V. Duisburg

Susanne Ackermann

17/1342

Christiane Mika Grundschulverband NRW Dortmund

Maxi Brautmeier-Ulrich Christiane Mika

17/1374

Landtag Nordrhein-Westfalen - 53 - APr 17/598Anlage, Seite 3

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 4 -

IT-Sicherheit in NRW stärken – Freiheit sichern

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode

Drucksache 17/5056

12.02.2019

Datum des Originals: 12.02.2019/Ausgegeben: 12.02.2019

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IT-Sicherheit in NRW stärken – Freiheit sichern I. Ausgangslage Das neue Jahr 2019 bescherte der Öffentlichkeit die Nachricht von einem weiteren groß angelegten und gezielten Hacking- und Doxing-Skandal, der sich im Dezember des Vorjahres ereignete. Durch ihn wurden die zuvor geklauten Daten von rund 1.000 Personen des öffentlichen Lebens in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Neben privaten Telefonnummern, Kontodaten, Rechnungen und privaten Fotos wurden auch Chatverläufe zum Beispiel mit Familienangehörigen öffentlich gemacht. Ziel der Angriffe und Veröffentlichungen war es, die Betroffenen bloßzustellen und einzuschüchtern. Das Netzwerk der Bundesregierung registriert täglich Hunderte Angriffe. Gleiches gilt für Mittelständler, Konzerne, Verbände und selbst Einzelpersonen werden täglich Opfer von Hackerangriffen. Der jüngste Doxingfall größeren Ausmaßes von Dezember 2018 ist allerdings keine neue Erscheinung. Er ereignete sich, nachdem in der Bundesrepublik und in NRW bereits mehrere gravierende Angriffe registriert worden waren: Im Mai 2017 wurde der Einsatz der Ransomware „WannaCry“ bekannt. Sie sorgte dafür, dass ca. 230.000 Computer von Unternehmen, Einrichtungen und von Verbraucherinnen und Verbrauchern in ca. 150 Ländern verschlüsselt wurden und erst gegen Zahlung eines „Lösegeldes“ in der Kryptowährung Bitcoin entschlüsselt wurden. Anfang 2018 wurde bekannt, dass das IT-Netz der Bundesregierung von Unbefugten vermutlich über ein Jahr lang infiltriert und ausgespäht wurde – mit bislang unbekannten Folgen für die Sicherheit der Bundesrepublik. Der Fall von „WannaCry“ zeigt, dass strategisch eingesetzte Angriffe dieser Art einen flächendeckenden Effekt und schlimmstenfalls verheerende Konsequenzen haben können und dass IT- und Datensicherheit ganz konkret dem Schutz elementarer Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen und andernorts dient – wie etwa dem Leben oder der körperliche Unversehrtheit. Von „WannaCry“ waren u.a. Einrichtungen betroffen, die der kritischen Infrastruktur zuzurechnen sind. In Großbritannien etwa waren in Krankenhäuser Magnetresonanztomographie-Apparaturen und Kühlschränke für Blutkonserven betroffen. In Spanien war ein Telekommunikationsunternehmen Ziel der Schadsoftware. Ebenso denkbar wären Angriffe auf Einrichtungen der Strom- oder Wasserversorgung mit gravierenden Folgen für die Bevölkerung.

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Der jüngste Hacking- und Doxing-Skandal zeigt zwei weitere Gefahrenaspekte: Zum einen die Gefahr der Verletzung von Persönlichkeitsrechten von Bürgerinnen und Bürgern oder der rechtswidrigen Veröffentlichung wichtiger, unter Umständen vertraulicher Informationen von Wirtschaft oder der öffentlichen Verwaltung. Zum anderen offenbart der Skandal Gefahren für unsere Demokratie: Durch die Veröffentlichung privater Daten oder privater Korrespondenz sollten Personen des öffentlichen Lebens und Politikerinnen und Politiker gezielt unter Druck gesetzt oder der Lächerlichkeit preisgeben werden. Dies kann zu einem veränderten Kommunikationsverhalten von Abgeordneten führen und die freie Kommunikation von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern beeinträchtigen. Diese Gefahren lassen sich nur durch ein hohes Maß an IT- und Datensicherheit eindämmen. IT- und Datensicherheit werden aus dem Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-Grundrecht) abgeleitet und haben damit Verfassungsrang. Sie bedeuten Schutz der Bürgerinnen und Bürger im Netz, Schutz der Wirtschaft und nicht zuletzt Schutz unserer Demokratie. Aus dem IT-Grundrecht folgt daneben eine Pflicht des Staates, diese IT-Sicherheit zu schützen. Dass akuter Handlungsbedarf besteht und die Landesregierung zu schnellen Maßnahmen gezwungen ist, zeigt der jüngste Datenleak-Skandal. Wer in einer „Digitalisierung-first-Bedenken-second“-Logik den digitalen Bevölkerungsschutz als Bedenkenträgerei abqualifiziert, setzt Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung erheblichen Gefahren aus. Stattdessen muss die Landesregierung für einen sicheren Umgang mit Daten sensibilisieren bzw. die Angebote ausweiten, für die strenge Einhaltung von IT-Sicherheit werben und in der Landesverwaltung penibel für eine sichere IT-Infrastruktur sorgen. Dafür müssen auch auf Landesebene Strukturen ausgebaut und neue geschaffen werden, die wirksam helfen, die Cybersicherheit zu erhöhen. Für Einbruchsschutz gibt es seit langem die unter Rot-Grün eingeführte Kampagne der Polizei NRW „Riegel vor! Sicher ist sicherer.“ Jede Polizeibehörde bietet Bürgerinnen und Bürgern ein umfangreiches Beratungs- und Informationsangebot an. Es muss ein vergleichbares Angebot einer umfassenden Präventionsstrategie für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft in NRW zum Schutz von Endgeräten, IT-Systemen und Daten vor Angriffen, Datenklau und Datenmissbrauch geschaffen werden. Dabei können Hochschulen und Forschungseinrichtungen helfen. NRW ist eines der führenden Bundesländer in Sachen IT-Sicherheit und belegt in der modernen IT-Sicherheitsforschung einen der weltweiten Spitzenplätze. Forscherinnen und Forscher, zum Beispiel am Horst Görtz Institut der Ruhr-Universität Bochum oder der Westfälischen Hochschule, unterstützen Unternehmen und Institutionen dabei, immer komplexere IT-Systeme sauber zu halten, Sicherheitslücken rechtzeitig zu erkennen und zu schließen, branchenabhängige Risiken richtig einzuschätzen und Maschinen in vernetzten Fabriken gegen Angriffe von außen abzusichern. Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wie etwa die TU Dortmund, die RWTH Aachen, die Hochschule Niederrhein, die Universität Bonn oder das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie, entwickeln Konzepte, damit kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Kraftwerke oder Telekommunikationsnetze geschützt werden können. Zudem erarbeitet die NRW-Wissenschaft, etwa die Universität Münster, Ansätze, den Datenschutz in Internet und sozialen Netzwerken weiterzuentwickeln sowie Identitätsdiebstahl zu erschweren. Um die Menschen in jeder Phase ihrer Ausbildung abzuholen, müssen Angebote nicht nur in Schulen und Hochschulen geschaffen und erweitert werden, sondern auch in der beruflichen Bildung und der gemeinwohlorientierten Weiterbildung.

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Um die gleichen Schutzstandards wie in der analogen Welt auch in der digitalen Welt zu gewährleisten, brauchen wir ein unabhängiges Beratungsnetzwerk. Informationsangebote müssen gebündelt und ergänzt werden – Betroffene brauchen eine Hotline als Anlaufstelle für erste Hilfe bei gehackten Konten, IT-Systemen und Geräten. Um Quellentelekommunikationsüberwachung zu ermöglichen, nimmt die Koalition von CDU und FDP bewusst in Kauf, dass die geschützte Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen verletzt werden können. Die bewusst offengehaltenen Lücken in der Software von IT-Systemen und Verbraucherendgeräten können auch von Kriminellen für ihre illegalen Zwecke genutzt werden. Die Koalition von CDU und FDP setzt damit Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur (wie etwa Krankenhäuser, Wasserversorgungseinrichtungen, Energieunternehmen pp.), die eigene Verwaltung und paradoxerweise auch die Sicherheitsbehörden selbst einem unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko aus. Da bisher keine technisch und verfassungsrechtlich sichere Spähsoftware existiert, muss die Befugnis zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung aus dem Polizeigesetz gestrichen werden. II. Feststellungen Der Landtag stellt fest, 1. das Internet soll ein freier digitaler Raum bleiben, den die Menschen sicher zur

Kommunikation, zur Information, zur Speicherung von Daten, für ihre berufliche Arbeit, für private Zwecke – kurz: zu ihrer persönlichen Entfaltung – nutzen können.

2. IT-Sicherheit und die Sicherheit von Daten auf Endgeräten, in IT-Systemen und beim

Surfen im Netz sind unabdingbare Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit von Demokratie und Rechtsstaat im digitalen Zeitalter.

3. der Staat hat die Aufgabe, die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte zu achten

und für den IT-Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft zu sorgen. III. Beschluss Der Landtag fordert die Landesregierung auf, 1. in einem unabhängigen Beratungsnetzwerk für Sicherheit in der Informationstechnik alle

bestehenden Informations- und Beratungsangebote von öffentlichen Stellen des Landes (z.B. Verbraucherzentrale, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Cybercrime-Kompetenzzentrum im LKA, Hochschulen und Forschungseinrichtungen) zu bündeln. Die Landesregierung muss mit eigenen kurz-, mittel- und langfristigen Strategien für neue Angebote zur Aufklärung über Sicherheitsrisiken und Schutzmaßnahmen sowie zur Weiterbildung sorgen und bestehende ergänzen. Es reicht nicht aus, sich hinter Angeboten des BSI zu verstecken.

2. Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen weiter kurz-, mittel- und langfristig in die

Lage zu versetzen und dazu anzuhalten, geeignete Lern- und Sensibilisierungsmaßnahmen effektiv anzubieten und durchzuführen. Es müssen geeignete Informations- und Schulungsangebote für Bürgerinnen und Bürger jedes Alters und angepasst an die jeweiligen IT-Kenntnisse, für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Vereine und Verbände geschaffen werden.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5056

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3. eine „Task-Force Internet-Betrug“ als Frühwarnsystem einzurichten. Die Landesregierung

muss darüber hinaus eine Erste-Hilfe-Maßnahme für akute Fälle von Hacking, Leaking, Doxing und Internetbetrug für Betroffene schaffen und eine entsprechende Hotline für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft bereitstellen.

4. durch Förderprogramme Unternehmensgründungen und Hochschulausgründungen im

Bereich der Stärkung der Internetsicherheit zu unterstützen. Hier gibt es viel Bedarf beispielsweise für anwenderfreundliche Verschlüsselungsmöglichkeiten für Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger im Alltag und in der Wirtschaft.

5. die im Dezember 2018 durch Schwarz-Gelb eingeführte Befugnis der

Quellentelekommunikationsüberwachung aus dem Polizeigesetz zu streichen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Befugnisse, die unabwägbare Gefahren erzeugen, statt sie zu verhindern, beizubehalten. Da bisher keine technisch und verfassungsrechtlich sichere Spähsoftware existiert, darf der Staat die Risiken für die IT-Sicherheit insgesamt nicht eingehen.

6. bis Ende 2019 einen Gesetzentwurf zur Einbringung in den Bundesrat zu erarbeiten, der Betreiber von großen Internetplattformen dazu verpflichtet, Notfallkontakte bereitzuhalten, damit Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke und Medien umgehend ihre Profile sperren können.

Monika Düker Arndt Klocke Verena Schäffer Mehrdad Mostofizadeh Matthi Bolte-Richter und Fraktion

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Landtag AusschussprotokollNordrhein-Westfalen APr 17/64117. Wahlperiode 16.05.2019

Ausschuss für Digitalisierung und Innovation

24. Sitzung (öffentlich)

16. Mai 2019

Düsseldorf – Haus des Landtags

14:00 Uhr bis 15:25 Uhr

Vorsitz: Marc Herter (SPD) (amt.)

Protokoll: Steffen Exner

Verhandlungspunkt:

Lehren aus Hackerangriff ziehen – IT-Sicherheit in NRW verbessern 3

Antragder Fraktion der AfDDrucksache 17/4803

sowie

IT-Sicherheit in NRW stärken – Freiheit sichern

Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDrucksache 17/5056

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

* * *

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 17/641

Ausschuss für Digitalisierung und Innovation 16.05.201924. Sitzung (öffentlich) exn

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Ich begrüße Sie ganz herzlich zur 24. Sitzung desAusschusses für Digitalisierung und Innovation – einer Anhörung von Sachverständi-gen.

Neben den Kolleginnen und Kollegen begrüße ich die Zuhörerinnen und Zuhörer, dieVertreter der Medien und natürlich in besonderer Weise die Sachverständigen, aufderen Urteil wir uns freuen.

Es wird Sie etwas wundern, dass ich hier sitze. Ich soll Sie herzlich vom Vorsitzenden,Herrn Schick, sowie vom stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Schneider, grüßen, dieheute beide verhindert sind. Aus diesem Grunde werde ich heute die Sitzung leiten.

Die Einladung zur heutigen Sitzung ist Ihnen mit der Einladung E 17/744 zugegangen.

Lehren aus Hackerangriff ziehen – IT-Sicherheit in NRW verbessern

Antragder Fraktion der AfDDrucksache 17/4803

sowie

IT-Sicherheit in NRW stärken – Freiheit sichern

Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDrucksache 17/5056

– Anhörung von Sachverständigen (s. Anlage)

(Der Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4803 – wurde am 24. Januar 2019zur Federführung an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation und zur Mitbe-ratung an den Innenausschuss sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales,Bauen und Wohnen überwiesen.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 17/5056 – wurde am22. Februar 2019 zur Federführung an den Ausschuss für Digitalisierung und Innova-tion und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Wissenschaftsausschuss,an den Ausschuss für Schule und Bildung sowie an den Ausschuss für Wirtschaft,Energie und Landesplanung überwiesen.

Alle mitberatenden Ausschüsse beteiligen sich nachrichtlich an der Sachverständigen-anhörung.)

Hinweisen möchte ich eingangs auf die vorab eingegangenen Stellungnahmen derSachverständigen, für die ich mich herzlich bedanke. Überstücke der Stellungnahmenliegen im Eingangsbereich aus.

Zum weiteren Ablauf möchte ich noch einige Hinweise geben. Ein mündliches State-ment der Sachverständigen zu Beginn der Anhörung ist nicht vorgesehen. Vielmehr

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 4 - APr 17/641

Ausschuss für Digitalisierung und Innovation 16.05.201924. Sitzung (öffentlich) exn

werden die Abgeordneten in Kenntnis der eingereichten Stellungnahmen direkt Fragenan die Sachverständigen richten.

Ich schlage vor, dass wir die Fragen der Fraktionen zunächst in einer ersten Rundesammeln, an der sich alle Fraktionen beteiligen können. Ich bitte die Abgeordneten,diejenigen Sachverständigen, an die Sie Ihre Fragen richten möchten, konkret zu be-nennen.

Rainer Matheisen (FDP): Liebe Herren Sachverständige, herzlichen Dank seitens derFDP-Fraktion für Ihre schriftlichen Stellungnahmen. Herzlichen Dank auch dafür, dassSie heute hierhingekommen sind, um uns weitere Fragen zu beantworten.

Zunächst hätte ich eine Frage an das BSI. Könnten Sie erläutern, inwiefern Herstellerheute schon zu einer datenschutzfreundlichen Technikgestaltung verpflichtet sind undwelche Verbesserungen durch weitere Vorgaben zu erreichen wären?

Dann habe ich eine Frage an Herrn Schuldzinski von der Verbraucherzentrale. AlsMaßnahmen schlagen Sie zum Beispiel eine Herstellerpflicht zur datenschutzfreundli-chen Technikgestaltung, eine Haftung für Sicherheitslücken sowie einen elektroni-schen Beipackzettel vor. Könnten Sie diese Maßnahmen näher erläutern?

Christina Kampmann (SPD): Herzlich willkommen und vielen Dank an die Sachver-ständigen für Ihre Gutachten. Ich habe keine Frage an das BSI, möchte aber sagen,dass ich es sehr positiv finde und mir nicht in der Größenordnung bekannt war, dasses schon so viele Kooperationen auf so vielen unterschiedlichen Ebenen in Nordrhein-Westfalen gibt.

Wir haben seitens der SPD zum einen eine Frage an Herrn Professor Dr. Meier vonder Universität Bonn. Sie sagen, dass Sie Teil eines Forschungsprojekts mit dem Na-men „Effektive Information nach digitalem Identitätsdiebstahl“ sind. Sie fordern die Po-litik auf, ein Warnsystem im Bereich des Identitätsdiebstahls einzurichten, was wir ersteinmal als sehr interessanten Vorschlag ansehen. Es wäre schön, wenn Sie darlegenkönnten, wie ein solches Warnsystem konkret aussehen könnte.

Dann habe ich noch zwei Fragen an Herrn Schuldzinski von der Verbraucherzentrale.Sie sagen zum einen, dass im Moment in 21 von 61 Beratungsstellen Beratungen zumDatenschutz stattfinden. Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, eine flächende-ckende Beratung einzuführen? Was bräuchten Sie dafür von der politischen Seite?

Meine zweite Frage schließe ich an das an, was auch Rainer Matheisen schon gefragthat. Sie sagen ganz deutlich, dass die aktuelle Rechtslage den derzeitigen Herausfor-derungen nicht gerecht wird – insbesondere in Bezug auf die Haftungslücken bei feh-lenden Sicherheitsupdates. Wie könnte eine Regulierung aus ihrer Sicht konkret aus-gestaltet werden?

Sven Werner Tritschler (AfD): Vielen Dank auch von unserer Seite für die Stellung-nahmen. Die erste Frage richtet sich an Herrn Dr. Schabhüser von der Verbraucher-

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Ausschuss für Digitalisierung und Innovation 16.05.201924. Sitzung (öffentlich) exn

zentrale sowie an Herrn Vieweg und Herrn Fischer von IT.NRW. Sie hatten zu unse-rem Vorschlag, weitere Ministerien und Landesbehörden nach ISO zu zertifizieren, ge-schrieben, dass die Ausweitung der bestehenden Zertifizierung nicht sinnvoll sei. Wirhaben uns damals vielleicht missverständlich ausgedrückt. Die Frage war eher, obman eine separate Zertifizierung anderer Landesbehörden und Ministerien in Betrachtziehen sollte, wie es zum Beispiel in Sachsen gemacht wird.

Daran anschließend: Mittlerweile bietet das BSI auch ein etwas niedrigschwelligeresAngebot an. Die Zertifizierung nennt sich „Testat nach der Basis-Absicherung“. Wäredas eventuell ein Modell für Ministerien und Landesbehörden und vielleicht auch fürdie Kommunen in NRW?

Die nächste Frage richtet sich an Herrn Schuldzinski und an Herrn Dr. Schabhüser.Sie haben in der Stellungnahme das Phishing-Radar hervorgehoben. Wir finden, dasist ein sehr spannendes Angebot. Mit wie vielen Mitarbeitern müssen Sie dabei aus-kommen? Wie hoch ist das Arbeitsaufkommen? Können Sie die Anzahl der Meldun-gen – das ist ja recht imposant: 200 bis 300 täglich – mit der Ausstattung, die Siehaben, bewältigen?

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Auch seitens der Grünen-Fraktion ganz herzlichenDank an die Sachverständigen, dass Sie uns schriftlich und mündlich mit Ihrem Sach-verstand bereichern.

Ich würde gerne beim BSI bzw. Herrn Dr. Schabhüser beginnen. Sie schreiben in IhrerStellungnahme, dass Sie als BSI einerseits mit der Sicherheit der Regierungs- undVerwaltungsnetze befasst sind, andererseits als relativ neue Aufgabe aber auch Bera-tungsleistungen anbieten – für Verbraucherinnen und Verbraucher, für KMU usw. Wiesind diese beiden unterschiedlichen Komplexe hinsichtlich ihrer Ressourcen – perso-nell und finanziell – ausgestattet?

Die zweite Frage ist: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hemmnisse, um Un-ternehmen mit Beratungs- oder Unterstützungsleistungen – egal, welcher Art – zu er-reichen? In Ihrer Stellungnahme wird richtigerweise der IT-Grundschutz als Erfolgs-modell angesprochen. Das ist er sicherlich auch, aber wir wollen es natürlich auchnoch in die Breite bringen. Was können wir da tun?

An IT.NRW bzw. Herrn Fischer möchte ich auch zwei Fragen richten. Sie haben inIhrer Stellungnahme festgestellt, dass der Auftrag von IT.NRW sich nicht primär aufden privaten Bereich fokussiert. Der Auftrag des BSI ist ja gerade um diesen Bereicherweitert worden – also auch um die Förderung von Beratungsleistungen gegenüberPrivaten. Wäre das auch eine mögliche Aufgabe für IT.NRW? Es gibt da ja viele mög-liche Überlegungen, dass man die Unabhängigkeit, die man als Landesstelle hat, auchnutzen könnte – zum Beispiel für Maßnahmen zur Produktempfehlung etc.

Außerdem haben Sie noch einen inhaltlichen Punkt angesprochen, der auch für denprivaten Bereich sinnvoll ist, nämlich die Sicherheit und Qualität kommerzieller Soft-ware. Welche Handlungserfordernisse sehen Sie in dieser Hinsicht?

An Herrn Schuldzinski von der Verbraucherzentrale: Sie nehmen auch das Thema„Produkthaftung“ in den Blick. Auch wir gehen darauf in unserem Antrag ein, und wir

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begrüßen das Anliegen, dass es eine solche Haftung geben sollte. Wir sehen da Re-gulierungsbedarf. Gibt es dazu gute Beispiel aus anderen Staaten, an denen wir unsals Bundesrepublik Deutschland oder als Land Nordrhein-Westfalen orientieren könn-ten?

Herr Professor Dr. Meier, Sie schreiben, es bedürfe zur Verbesserung des Wissens-transfers weniger einer Verbesserung des Weiterbildungsangebots als der Schaffungvon Anreizen für KMU, Mitarbeiter trotz Fachkräftemangel für die Teilnahme an IT-Sicherheitsweiterbildungen freizustellen. Das ist eine konkrete und aus meiner Sichtsehr interessante Maßnahme, die Sie vorschlagen. Welche weiteren Maßnahmen wür-den Sie uns empfehlen?

Herr Professor Dr. Holz und Herr Professor Dr. Meier, in der Debatte im Landtag habenwir das Thema „Offenhalten von Sicherheitslücken“ besprochen. Wir haben es auch inden Antrag aufgenommen. Ein Stichwort ist dabei – aktuell gerade hier in Nordrhein-Westfalen – die Quellen-TKÜ. Von einigen Rednerinnen und Rednern der Koalitionsowie der Landesregierung wurde in Zweifel gezogen, dass die Einführung der Quel-len-TKÜ und das damit verbundene Offenhalten von Sicherheitslücken ein Risiko fürdie IT-Sicherheit in Nordrhein-Westfalen sei.

Wir sind da anderer Meinung. Wir glauben sehr wohl, dass es zu einem Risiko für dieIT-Sicherheit führen könnte. Wie ist Ihre Position aus Sicht der Wissenschaft dazu?

Florian Braun (CDU): Auch ich möchte meinen Dank an die Sachverständigen aus-sprechen, dass Sie sich heute Zeit nehmen, um uns an Ihrer Expertise teilhaben zulassen. Ich möchte mich nicht an der politischen Einschätzung meines Vorredners be-teiligen, sondern mich auf das Fragen fokussieren.

Herr Professor Dr. Holz, Sie forschen im Bereich IT-Sicherheit. Um es etwas größerzu fragen: Wie würden Sie zurzeit die IT-Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen be-schreiben und analysieren? Welche Rolle kann und muss dabei KI spielen?

An IT.NRW gerichtet: Sie haben zum einen mit dem White-Box-Test ein Modell zurErkennung von Sicherheitslücken benannt. Könnten Sie das noch einmal ausführen?Zum anderen haben Sie die Kooperation sowohl mit dem Bund als auch mit den Bun-desländern als durchaus positiv beschrieben. Vielleicht könnten Sie im Detail erläu-tern, wie dort die operative Zusammenarbeit läuft bzw. wie oft und wie eng man sichaustauscht.

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Wir steigen damit in die erste Antwortrunde ein. –Herr Schuldzinski hat das Wort.

Wolfgang Schuldzinski (Verbraucherzentrale NRW): Vielen Dank für die Einladungund für die Fragen. Ich versuche, alles einigermaßen zu sortieren, wobei Teile auchvon anderen mit beantwortet werden können.

Ich beginne mit der Frage von Herrn Matheisen nach dem Beipackzettel. Im Prinzip istdas eine Idee des BSI, insofern kann Herr Dr. Schabhüser gleich vielleicht noch etwas

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ergänzen. Im Grunde geht es darum, dass Produkthersteller ihre Produkte auf freiwil-liger Basis mit einem QR-Code versehen. Begonnen werden soll mit den Routern, weildiese bekanntlich eines der großen Einfallstore im privaten Bereich sind. Aus den QR-Codes kann man dann ablesen, welche Sicherheitsfeatures die Produkte haben. Theo-retisch kann man diese Idee auf Handys und andere Geräte erweitern.

Für den Interessierten bietet das eine weitere Informationsquelle; insofern ist es zubegrüßen. Für denjenigen, der sich nicht interessiert, bietet es natürlich keine zusätz-liche Information. Das liegt ja auf der Hand.

Wir haben Forderungen, die sich „Privacy by Design“ nennen. Das bedeutet im Prinzip,dass die Hersteller von Hardware und letztlich auch von Software die Grundeinstellun-gen bereits so setzen müssen, dass nicht der Verbraucher sie in einen sichereren Zu-stand bringen muss, sondern dass sie bereits auf „sicher“ gestellt sind. Falls es erfor-derlich ist, kann der Verbraucher entscheiden, ob er bestimmte Features, die vielleichtetwas weniger sicher sind, einschaltet oder freiwillig wählt.

Dazu gehört aber auch so etwas wie bestimmte Passwörter nicht vergeben zu dürfen.„1234“ funktioniert dann einfach nicht als Passwort. Mittlerweile muss man sich auffast jeder Internetseite einloggen, und Sie alle wissen, dass es Vorrichtungen gibt, dieso etwas ausschließen. In anderen Fällen ist es aber völlig egal, was man als Passwortwählt. Natürlich sind auch das immer Einfallstore, und das könnte man gesetzlich re-geln.

Das Nächste ist die Frage der Haftung. Letztlich handelt es sich um eine zivilrechtlicheDiskussion. Das BGB stammt aus dem Jahr 1900, und nun gibt es diese Entwicklun-gen. Ich würde als Jurist immer sagen, dass man viele dieser Entwicklungen durchausauch mit dem BGB fassen kann, man muss aber schauen, wo genau die Anwendunggelingt.

Bei sozusagen zusammengesetzten Produkten wie einem Kühlschrank, der auch„smart“ ist, ist die Frage, wie weit die Haftung reicht. Wenn der Kühlschrank kaputt ist,ist klar, was passiert, aber wenn zum Beispiel nur ein Sicherheitsfeature bei der Ver-netzung des Kühlschranks mit dem Heimrouter nicht funktioniert, hat das aktuell kei-nerlei zivilrechtliche Konsequenzen. Man kann weder das Gerät zurückgeben nochleiten sich daraus Haftungsfolgen ab. In der heutigen Zeit ist das meines Erachtensnicht mehr angemessen.

Das Problem für den Hersteller ist natürlich häufig, dass er Produkte zukauft und garnicht alles selbst herstellt. Er muss dann schauen, wie er alles sicherstellen kann. Dasist aber ein anderes Problem der Haftung. In der einen oder anderen Konstellation gibtes Haftungen der Händler, aber nicht Haftungen der Hersteller. Auch daran kann manweiterarbeiten.

Eine andere Frage bezog sich darauf, dass wir in unserer Stellungnahme geschilderthaben, dass wir sehr viel im Bereich der Information tun, konkrete Beratung und Un-terstützung aber nur in 21 unserer 61 Beratungsstellen anbieten können. Das ist na-türlich dem Umstand geschuldet, dass wir im Moment aufgrund der finanziellen Mög-lichkeiten mehr nicht umsetzen können. Das alles zieht immer Schulungen, Backoffice

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und Unterstützungen nach sich. Mehr ist da einfach im Moment nicht drin. Sinnvollwäre natürlich, wenn man es flächendeckender machen könnte.

Das Phishing-Radar ist etwas, was sehr stark nachgefragt wird. Wir erhalten in der Tatrund 300 Meldungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern pro Tag. Die leiten unsdann einfach ihre Phishing-Mail weiter. Ich schäme mich fast zu sagen: Das macht beiuns letztlich eine studentische Hilfskraft, die es händisch in Listen einträgt. Natürlichist das nicht mehr State of the Art.

Wir haben sehr gute Kooperationen – auch mit einigen der Anwesenden; unter ande-rem mit dem BSI. Das BSI hat zum Beispiel Interesse daran, dass wir die Daten ineiner bestimmten Art und Weise aufbereiten, damit man sie besser auswerten kann.Das ist für uns eigentlich fast nicht möglich. Im Moment ist es nur ein Sammeln.

Wir warnen dann davor – wir haben eine starke Nachfrage von Verbrauchern, die unsabonniert haben –, welche Phishing-Meldungen es aktuell gibt. Aber viel mehr könnenwir damit aktuell nicht machen. Man könnte aber sehr viel mehr machen. Man könntedie Warnungen auswerten oder Folgen ableiten. Man könnte spannende Sachen ma-chen, und das BSI hätte daran auch ein großes Interesse.

Prof. Dr. Michael Meier (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Insti-tut für Informatik): Vielen Dank auch von meiner Seite für die Einladung. – Ich be-ginne mit der Frage der Frau Abgeordneten Kampmann zu dem Projekt „EIDI – Effek-tive Information nach digitalem Identitätsdiebstahl“. Ich führe kurz aus, worum es dabeigeht.

Es handelt sich um ein Projekt, bei dem es um genau solche Phänomene geht, wie sieuns über den Jahreswechsel sehr plakativ vorgeführt worden sind. Das heißt: Zu-gangsdaten von Bürgerinnen und Bürgern zu Onlinediensten gehen abhanden. Dassind in der Regel E-Mail-Adressen, die als Nutzerkennung bei einem Onlinedienst ge-nutzt werden, sowie das Passwort oder Informationen über das Passwort.

Ziel dieses Projekts ist es, dieses Phänomen aufzugreifen, festzustellen, dass bei ei-nem Bürger derartige Informationen abhandengekommen sind, und ihn dann zu war-nen – also auf ihn zuzugehen und nicht darauf zu warten, dass er sich selbst kümmert;denn er bemerkt erst einmal gar nicht, dass da irgendetwas schiefgelaufen ist.

Tatsächlich bestätigen die Vorfälle über den Jahreswechsel, dass dieser Ansatz ausunserer Sicht richtig ist. Denn viele der dort verwendeten und über die Weihnachtszeitveröffentlichten Informationen waren bereits relativ lange Zeit vorher öffentlich im In-ternet zugreifbar. Hätte man also als eine Instanz, die einen solchen Warndienst be-treibt, bereits kritische Informationen zur Kenntnis bekommen, wäre man auf die Be-troffenen zugegangen, und es wäre wahrscheinlich schon längst auf die Phänomenereagiert worden, bevor im Dezember Effekte bzw. Auswirkungen hätten eintreten kön-nen.

Das Projekt an sich ist relativ interdisziplinär aufgestellt, weil es viele Aspekte berührt.Es sind auch Wahrnehmungspsychologen beteiligt; denn Warnungen müssen ja vonMenschen verarbeitet werden, und es muss entsprechend reagiert werden. Es waren

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also auch Handlungsoptionen enthalten. In dem Teilprojekt geht es insbesondere da-rum, wie man das macht; wen man also wie anspricht, sodass er tatsächlich adäquatreagiert.

Das wirft eine ganze Reihe juristischer bzw. datenschutzrechtlicher Fragen auf. Essind personenbezogene Daten, die wir da verarbeiten. Der Betroffene hat natürlichnicht eingewilligt, dass wir das tun, sondern er ist letztlich ja Opfer einer Straftat ge-worden, sodass diese Informationen angefallen sind. Es geht auch darum, in welchenRahmenbedingungen das passieren kann. Das sind Betrachtungen, die von daten-schutzrechtlichen bzw. juristischen Experten geleistet werden.

Wir als Uni Bonn und ganz konkret meine Arbeitsgruppe leisten den sicherheitstech-nischen Beitrag zu diesem Projekt. Wir überlegen uns also, wie wir konkret vorgehenkönnen. Das betrifft insbesondere den Bereich, wie wir eigentlich herausfinden kön-nen, dass irgendwo im Internet oder an anderen Stellen auf dieser Welt solche Daten-bestände auftauchen – also typischerweise über kriminelle Aktivitäten abgeflosseneDaten. Zum Teil stammen die Daten aber auch aus Polizeimaßnahmen, wenn die Po-lizei beispielsweise eine Botnetz-Infrastruktur beschlagnahmt und im Zuge dessen sol-che Datenbestände findet. Das können Millionen E-Mail-Adressen und Passwörtersein. Die Frage ist dann, was damit gemacht wird. Gäbe es einen solchen Warndienst,wäre diese Frage leicht beantwortet. Zu überlegen, wie man es schafft, frühzeitig ansolche abgeflossenen Informationen zu kommen, wie man sie verarbeitet, wie maneine Warnung realisieren kann und welche Kanäle dafür infrage kommen sind As-pekte, denen sich meine Arbeitsgruppe widmet.

Als Partner arbeiten wir mit XING, dem Betreiber eines sozialen Netzwerks zusam-men. XING fungiert als Stellvertreter für Betreiber solcher Diensteplattformen. Auchder Aspekt, wie man diese Betreiber mit ins Boot holen kann und welche Teilaufgabensie in diesem Szenario zu übernehmen bereit sind, spielt also eine Rolle. Auch dieVerbraucherzentrale ist hinsichtlich dieses Aspekts involviert, und wir haben als asso-ziierten Partner auch das BSI mit an Bord.

Wie kann der Warndienst aussehen? – Man kann sich verschiedene Warnkanäle vor-stellen. Man könnte zum Beispiel sagen, wir schicken einfach eine E-Mail an die be-troffene Adresse – wobei wahrscheinlich offensichtlich ist, dass das ein ungeeigneterWeg ist, wenn man sich das eigene E-Mail-Verhalten vor Augen führt. Schickt die UniBonn – oder wer auch immer Betreiber eines solchen Systems sein könnte; dazu sageich später noch etwas – eine E-Mail, der betroffene Bürger kennt diesen Betreiber abernicht, stellt sich die Frage, wie man mit Warn-E-Mails von unbekannter Quelle umgeht.Es ist klar, dass das nicht der richtige Weg ist.

Man könnte sich auch vorstellen, ganz andere Kanäle zu wählen. Was sich aktuellabzeichnet – das Projekt läuft noch; wir haben im Januar 2017 begonnen und sindnoch bis Ende dieses Jahres, eventuell bis Mitte des nächsten Jahres dabei –: Wirwollen die Anbieter der Onlinedienste mit ins Boot holen. Die Identität, die abgeflossenist, gehört ja zu einem Onlinedienst. Da wäre natürlich dann die Frage, ob man nichtgesetzgeberisch erweiternde Pflichten an diese Dienstebetreiber definieren müsste,dass sie an einem solchen Warnsystem mitwirken müssen. Wenn wir also feststellen,dass ein Dienst betroffen ist und welche Identitäten dies betrifft, dann gehen wir auf

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den Dienst zu und sagen: Weil er eine Geschäftsbeziehung zu dem betroffenen Kun-den pflegt – diese hat der Betreiber des Warndienstes wahrscheinlich nicht –, soll ereine Warnung an den Kunden aussprechen. Das hat unserer Einschätzung nach eineadäquate Wirkung.

Wer kann ein solches System betreiben? – Man könnte sagen, jemand könnte docheine Firma gründen und damit reich werden. Das wird aber nicht funktionieren, weilunsere juristischen und datenschutzrechtlichen Partner da intervenieren. Tatsächlichist so etwas für Unternehmen zunächst einmal eigentlich nur zulässig, wenn es umeigene Kunden oder um die eigene Infrastruktur geht. Aber dazu, einen solchen Dienstfür ganz Deutschland oder für die ganze Welt zu betreiben, bestehen große Bedenkenbzw. die Kollegen aus der juristischen Fakultät sagen uns, dass es so nicht geht. Alsomuss im Prinzip ein öffentliches Mandat her. Da kann man sich vorstellen, es beimVerbraucherschutz anzudocken. Man kann es auch bei den Datenschutzbehörden an-docken, man kann es aber auch beim BSI andocken. Auch da gibt es verschiedeneÜberlegungen, und es laufen Gespräche, um es abzuklären.

Ich möchte noch etwas zur Größenordnung sagen, da ich nicht weiß, ob sie Ihnenbekannt ist. Wir sammeln im Rahmen des Projekts seit Anfang 2017 gestohlene Iden-titäten. Wir haben 8 Milliarden Datensätze, also 8 Milliarden E-Mail-Adressen plusPasswortinformationen dazu. Sie können sich vorstellen, wie wir auf diese 1.000 be-troffenen öffentlichen Persönlichkeiten im Dezember geschaut haben. Das ist sicher-lich nur die Spitze des Eisbergs.

Ich komme dann zur Frage von Herrn Bolte-Richter zum Wissenstransfer. Der Vor-schlag im Antrag war, das Angebot zu erweitern. Tatsächlich ist es so, dass ich nebenmeiner Rolle an der Uni Bonn auch noch eine Rolle beim Fraunhofer-Institut FKIE ein-nehme. Wir sind an einem gemeinsamen Weiterbildungsprogramm beteiligt, bei demverschiedene Fraunhofer-Institute gemeinsam mit Fachhochschulen Weiterbildunganbieten. Meine persönliche Erfahrung – sie ist nicht systematisch und methodischfundiert erhoben – aus dem Bereich ist, dass es eigentlich nicht daran liegt, dass dasWeiterbildungsangebot nicht groß genug ist. Aber aus irgendeinem Grund werden dieangebotenen Dinge von denjenigen, die sich weiterbilden sollten, einfach nicht ge-nutzt.

Wenn ich nach Erklärungsgründen dafür suche oder auch Gespräche dazu führe, istes so, dass es meiner Wahrnehmung nach auch nicht am Preis dieser Maßnahmenliegt. Natürlich muss man eine Weiterbildung auch bezahlen, aber wahrscheinlich fehltdie Zeit. Das korreliert meiner Meinung nach mit dem aktuell vorherrschenden Effektdes Fachkräftemangels. Es ist aus Sicht der Unternehmen sicherlich auch nachvoll-ziehbar, dass man sich die Frage stellt, ob man bei vollen Auftragsbüchern Mitarbeiterfür eine Woche zu einer Schulung schicken soll. Das ist meine persönliche Überlegungzu dem Thema, die mich auch zu meiner Aussage in meiner schriftlichen Stellung-nahme veranlasst hat.

Herr Bolte-Richter, Sie fragen nun nach zusätzlichen Maßnahmen, wie man diesenWissenstransfer verbessern kann. Dazu habe ich vielleicht einen paar lose Ideen. Mei-

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ner Ansicht nach ist es wichtig, dass jedem Bürger und insbesondere jedem Unterneh-mer auf dieser Welt eine gewisse digitale Überlebenskompetenz vermittelt werdenmuss. Das kann im Rahmen der Berufsausbildung oder des Studiums geschehen.

Die Schwierigkeit ist, dass alles, was Digitales betrifft, eine ganz kurze Lebenszeit hat.Sie alle kennen es aus dem persönlichen Bereich: Alle fünf Jahre funktionieren dieDinge ganz anders, die Sicherheit hat sich weiterentwickelt, aber auch die Vorgehens-weisen der Angreifer haben sich weiterentwickelt. Das heißt, das Wissen veraltet sehrschnell. Dagegen muss man kontinuierlich – ich sage mal: alle fünf Jahre – nachbes-sern und sozusagen ein Update in die Köpfe einspielen.

Dazu, wie man das schafft, habe ich keine echte Lösung parat, aber ich habe so etwaswie eine Version. Vielleicht halten Sie sie für naiv, aber ich möchte sie trotzdem mitIhnen teilen.

Der Gesetzgeber verpflichtet alle Unternehmen, sich gegen Cyberrisiken zu versi-chern, und die Versicherer regeln es dann schon über die Prämie. Die Versichererprüfen dann, ob die Unternehmen Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos ergreifen,indem sie zum Beispiel ihre Mitarbeiter schulen. Wenn Sie dies tun, erhalten sie einenPrämiennachlass. Wenn sie es nicht tun, werden sie entsprechend umfangreich zurKasse gebeten, um diese verpflichtende Versicherung aufrechtzuerhalten. Das ist einModell, in welche Richtung es gehen kann. Ob das perfekt ist, kann ich nicht sagen,aber es ist eine Idee, die ich zu diesem Thema beitragen kann.

Herr Bolte-Richte, Sie hatten dann noch eine Frage zum Offenhalten von Sicherheits-lücken gestellt. Meine Position dazu ist, dass dieses Offenhalten von Sicherheitslückenein Risiko für die gesamte Gesellschaft, für ganz NRW darstellt – um es kurz zu be-antworten. Tatsächlich halte ich es auch für relativ unverantwortlich, dies zu tun.

Dr. Gerhard Schabhüser (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik):Die erste an mich adressierte Frage lautete, ob Hersteller derzeit verpflichtet sind, da-tenschutzfreundliche Technik herzustellen. Da bin ich nicht ganz der richtige An-sprechpartner. Ich weiß, dass man als Nutzer durch die Datenschutzgrundverordnungverpflichtet ist, datenschutzfreundliche Technik einzusetzen. Ob in der Datenschutz-grundverordnung ein entsprechender Passus enthalten ist – vorher war das nicht derFall –, weiß ich nicht. Vielleicht kann Herr Schuldzinski dazu noch etwas ausführen.

Was ich aber ausführen kann, ist, dass es keine Verpflichtung gibt, so etwas wieSecurity by Design umzusetzen. Wie Herr Schuldzinski beschrieben hat, gibt es dortkaum Haftungsregeln. Genauer gesagt: Sie werden derzeit nicht so umgesetzt, weildie Rechtsauslegung eher fragwürdig ist.

Da sehe ich durchaus ein Problem, welches im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0,welches derzeit in der Bundesregierung in Ressortabstimmung ist, aber schon öffent-lich geworden ist, behandelt wird. Dort geht es darum, insbesondere für den Bereichder kritischen Infrastrukturen nicht nur den Betreiber von Anlagen in die Pflicht zu neh-men, sondern auch Anforderungen in der Zuliefererkette zu platzieren, sodass kriti-sche Komponenten ein gewisses Sicherheitsniveau aufweisen müssen. Das ist neu,und ich bin der Meinung, da besteht Handlungsbedarf.

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Weil es dazu passt, würde ich hier gerne Ausführungen zum Beipackzettel ergänzen.Es ist in der Koalitionsvereinbarung verankert, dass es so etwas wie ein IT-Sicher-heitskennzeichen geben soll. „IT-Gütesiegel“ stand, glaube ich, darin, „IT-Sicherheits-kennzeichen“ ist meiner Meinung nach der bessere Begriff.

Was soll damit erreicht werden? – Ein wesentliches Element ist das Erreichen vonTransparenz der Sicherheitseigenschaften als Informationsquelle, um bei der Kaufent-scheidung mit gewürdigt zu werden. Wenn man heute in einen großen Produktladenfür IT-Konsumenten geht, dann erfährt man über ein Produkt wie ein Smartphone, eineÜberwachungskamera für das eigene Haus, eine Schließanlage oder eine elektronischgesteuerte Steckdose ganz viele technische Daten. Beim Smartphone erfährt man,wie viele Megapixel die Front- und die Rückkamera haben, was man als normaler Nut-zer schon gar nicht mehr unterscheiden kann. Man erfährt, wie viele Kerne die CPUhat, wobei die meisten wahrscheinlich gar nicht wissen, was eine CPU darüber hinausalles leistet, usw. Man erfährt alle möglichen Dinge, die für die Kaufentscheidung wich-tig sind, aber über die Sicherheitseinstellungen und -eigenschaften des Produkts er-fährt man nichts.

Da möchten wir Transparenz erzeugen im Sinne eines IT-Sicherheitskennzeichens.Man muss das in den Rahmen des europäischen Cybersecurity Acts einbetten, in demein europäisches Cybersecurity Certification Framework aufgesetzt wird, das genauden Aspekt vorantreiben soll, dass wir nicht nur im Hochsicherheitsbereich Zertifizie-rungen von Produkten und Dienstleistungen haben, sondern dass es mit geringererPrüftiefe, aber hinreichender Aussagekraft auch auf Consumer-Bereiche ausgedehntwerden soll.

Um das IT-Sicherheitskennzeichen aufbringen zu können, braucht es eine Rechts-grundlage. Die gibt es derzeit nicht. Aber ein solches Kennzeichen basiert natürlichauf Kriterien. Die Kriterien kann man jetzt schon erstellen, und auch die notwendigenPrüfmechanismen kann man schon heute erstellen. Wir haben das als BSI im Vorgriffund im Nachgang zum Telekom-Router-Vorfall, bei dem vor zweieinhalb Jahren900.000 Telekomkunden zwischenzeitlich vom Netz getrennt waren, getan. Das warkein Angriff auf die Router im Sinne der Verfügbarkeit, sondern ein Kollateralschaden:Die Router sollten eigentlich in ein Botnetz übernommen werden. Wir haben also ei-gentlich Glück gehabt, dass der Angreifer den falschen Code hochgeladen hatte unddie Router einfach nur ausgefallen sind.

Dennoch war das ein Vorfall auf den wir reagiert haben. Die Heimrouter sind sozusa-gen der Schutzwall für die vielen kleinen Helferlein, die man im Hause über WLAN undÄhnliches anbringt. Wir haben deshalb eine Technische Richtlinie für Breitband-Routererstellt, in der wir ein paar Grundprinzipien aufgestellt haben – nicht zu viele –, die einsolches Produkt leisten soll. Zweitens erstellen wir parallel eine Prüfmethodik, in derbeschrieben wird, wie man dies auch im Herstellungsprozess abprüfen will. Schluss-endlich: Wenn beide zusammen sind, kann man mit einer Herstellererklärung antretenund sagen, dass man die Prinzipien erfüllt und die Prüfmethodik angewandt hat. Mo-mentan kann man das auch ohne Prüfmethodik behaupten, aber dann kann manschlecht rationalisieren, warum es wirklich so sein sollte. Dafür ist die Prüfmethodikangesetzt.

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Wir glauben, dass man mit der Kennzeichnung eben diesen angesprochenen Beipack-zettel hat, sodass man im Geschäft beispielsweise über einen QR-Code zugreifenkann, um sich die Sicherheitseigenschaften anzusehen. Dann kann man entscheiden,ob man das Gerät mit seinen Sicherheitseigenschaften kaufen möchte oder ob manein anderes Gerät kaufen möchte. Es wird also zunächst einmal der mündige Bürgeradressiert, diese Informationen in seine Kaufentscheidung einzubeziehen.

Wenn das nicht greifen sollte – obwohl ich hoffe, dass es funktioniert –, kann man inZukunft natürlich durch eine solche Kennzeichnung und die Kriterienerfüllung auch re-gulierend eingreifen. Bei elektronischen Geräten darf man zum Beispiel in Europa keinGerät vermarkten bzw. in den Markt bringen, welches die Anforderungen hinsichtlichder elektromagnetischen Verträglichkeit nicht erfüllt. Ich erinnere zum Beispiel an dasKnistern im Radio, wenn der Föhn an ist. Das ist die elektromagnetische Einstrahlung.Davon sollten Geräte nicht beeinflusst werden, und es ist verpflichtend, dass sie hin-reichend robust sind. Da könnte man nachziehen, aber ich denke, es wird sukzessivedurch eine Fortentwicklung der IT-Sicherheitsarchitektur und der IT-Sicheheits-Frame-works ausgestaltet werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Frage danach, wofür man eine Zertifizierung desGrundschutzes brauchen würde, sich an mich oder an IT.NRW richtete. Ganz kurz:Für Profirechenzentren und Ähnliches ist die Zertifizierung nach IT-Grundschutz – alsonach der ISO-27000-Reihe – meiner Meinung nach das richtige Mittel der Wahl. Wirhaben den Grundschutz modernisiert und mit einem „Testat nach der Basis-Absiche-rung“ versehen, um für kleine Unternehmen den Einstieg ganz einfach zu machen. Wirhaben das Ganze durch eine Profilierung unterstützt, sodass man für ausgewählteZielgruppen den Grundschutz so profilieren kann, dass man nicht das volle Programmfahren muss, sondern genau das, was zielgruppenspezifisch zu tun ist.

Dafür haben wir zum Beispiel ein Profil für Kommunen aufgesetzt. Wir haben auchetwas für Handwerker und Handwerkskammern aufgesetzt – sogar mit Handreichun-gen von drei DIN-A5-Seiten. Dabei ist es wirklich einfach, den Einstieg zu gewähren,für größere Abhängigkeiten sollten wir aber in Richtung eines zertifizierten Grund-schutzes gehen. Ansonsten kommen wir nicht zu einem angemessenen Schutzniveau.

Zu der Frage, was das BSI im Vergleich zum Schutz der Regierungsnetze und Ähnli-chem im Kontext des Verbraucherschutzes tut: Hier muss man etwas differenzieren.Das BSI hat schon seit gefühlt 10 bis 15 Jahren „BSI für Bürger“ im Angebot – eineWebseite, auf der wir eine Menge Informationen zur Verfügung stellen. Ob diese In-formationen immer zielgruppengerechte schön gemacht sind? – Da kann man sicher-lich immer besser werden, es stehen aber eine Menge Informationen zur Verfügung.

Wir haben den Dienst „Bürger-CERT“, den man abonnieren kann, um nahezu tages-aktuell wichtige Schwachstelleninformationen und Handlungsempfehlungen direkt perPush-Nachricht nach Hause zu erhalten. Wir haben als unterstützende Kanäle denFacebook-Kanal, um andere Zielgruppen zu erreichen, und seit Kurzem haben wirauch einen YouTube-Kanal eröffnet, weil wir der Meinung sind, dass eine Visualisie-rung der Dinge besser ist, als alles nur aufzuschreiben und lesen zu müssen.

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Das ist aber erst ein kleinerer Teil. Im Koalitionsvertrag wird dem BSI ja die Rolle „di-gitaler Verbraucherschutz“ zugewiesen. Da würden wir ein solches IT-Sicherheits-kennzeichen mit einbauen, es stehen aber auch andere Aspekte im Vordergrund wiedas Schaffen von Awareness, der Ausbau von Vernetzungen und digitaler Kompetenzsowie das Adressieren von Dialogen, bei denen wir sehr stark mit den Verbraucher-schützern zusammenarbeiten. Wir haben das Konzept mit dem BMJV schon abge-stimmt – mit dem BMI ohnehin.

Hinsichtlich der personellen Ressourcen – ohne den Ausbau mit dem IT-Sicherheits-kennzeichen usw. – kann ich sehr schlecht eine genaue Aussage treffen, weil wir soetwas wie eine integrierte Wertschöpfungskette haben. Selbst die Leute aus demHochschutzbereich, wo wir intensivere Schwachstelleninformationen und Ähnlicheserhalten, filtern aus ihrer Arbeit das heraus, was bürgerrelevant ist und schieben esdann in Richtung Bürger-CERT. Das wird dann eben mit einem Push-Verfahren ge-macht.

Wenn ich nur die Organisationstrukturen zusammenzähle, die explizit für den Bürgerund für KMU auftreten, dann komme ich auf ca. 40 Personen, die für diesen Bereicharbeiten. Wenn ich die mittelbare Zuarbeit berücksichtige, dann sind, würde ich sagen,etwa 80 % des BSI mitbeteiligt – natürlich nicht in Vollzeit. Momentan arbeiten bei unsetwa 900 Personen; viele von ihnen wenden Teile ihrer Arbeitszeit in dem Bereich rundum Bürger und KMU auf, andere im Bereich der Regierungsnetze, kritischer Infrastruk-turen usw.

Zu den Hemmnissen, um kleine und mittlere Unternehmen zu erreichen, habe ich vor-hin zum Grundschutz teilweise schon etwas ausgeführt. Ich meine, die Werkzeugestehen zur Verfügung. Einfache Mechanismen, die eine Grundabsicherung bieten, bishin zu hohen bis sehr hohen Reifegraden stehen auch in der Profilierung zur Verfü-gung.

Wir haben auch noch eine Menge an Kommunikation zu leisten. Erstens ist noch nichtüberall angekommen, dass diese Mechanismen zur Verfügung stehen. Und zweitens –da möchte ich zwischen Land und Kommunen sowie zwischen kleinen, mittleren undgroßen Unternehmen fast nicht unterscheiden – haben wir erst bei 60 bis 70 % derbetroffenen Organisationen den Effekt, dass Informations- und Cybersicherheit Chef-sache sein müssen. Das ist noch nicht überall angekommen. Dort, wo es angekommenist, haben wir typischerweise ganz schnell sehr viel höhere Reifegrade, als wenn esnoch heißt: Das macht die IT-Abteilung; das sind ja sowieso so komische Nerds, dieim Zweifelsfall auf die Frage, was man tun soll, antworten, man solle ausschalten undwieder anschalten.

Das Thema „Informations- und Cybersicherheit“ als Erfolgsfaktor für das zu erledi-gende Geschäft durchsetzen zu wollen, ist noch nicht überall angekommen. Es wirduns bei der Digitalisierung auf die Füße fallen, wenn wir das nicht ganz schnell hinbe-kommen.

Prof. Dr. Thorsten Holz (Ruhr Universität Bochum; Institut für Elektrotechnik undInformationstechnik): Vielen Dank für die Einladung in den Ausschuss. Leider habe

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ich es im Vorfeld nicht geschafft, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen. Ichhoffe, dass ich die Fragen durch meine Ausführungen beantworten kann.

Ich möchte mit der Frage von Herrn Braun zur IT-Sicherheitslage beginnen. Dazu zu-nächst ein historischer Rückblick. Windows 95 wurde vor etwa 25 Jahren veröffentlicht;das erste iPhone vor 10 Jahren. Hinsichtlich der Sicherheit liegen zwischen diesenProdukten und dem aktuellen Windows 10 bzw. der aktuellen iPhone-Generation Wel-ten.

In den letzten Jahren haben wir sowohl in der Forschung als auch in der Industrie sehrviele Schutzmechanismen entwickelt, und es wird sehr viel schwieriger, Sicherheitslü-cken auszunutzen. Wir verstehen mittlerweile relativ gut, wie man Sicherheitslückenfindet und wie man diese effektiv verhindert. Wir haben mittlerweile auch einige gene-rische Schutzmechanismen entwickelt, die auch nicht zu viel Leistungsverlust verur-sachen. Insofern ist das Grundniveau der IT-Sicherheit deutlich höher geworden.

Das sieht man auch an einigen Beispielen. Früher war es so, dass sogar Einzelperso-nen relativ einfach gewisse Lücken finden konnten. Heute sind es häufig Teams ausmehreren Personen, die über Monate und teilweise noch längere Zeiträume hinwegLücken erst einmal finden und dann einen sogenannten Exploit, also ein komplettesTool-Kit entwickeln, mit dem man die Lücke verlässlich ausnutzen kann. Das erfordertsehr hohen Entwicklungsaufwand. Auf dem Markt sind Exploits dann für fünf-, sechs-und teilweise auch siebenstellige Beträge käuflich. Dass die Kosten für solche Exploitsdeutlich angestiegen sind, ist sicherlich ein guter Indikator dafür, dass das generelleSicherheitsniveau sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat.

Dazu muss allerdings auch die Einschränkung gemacht werden, dass wir noch immersehr weit davon entfernt sind, komplett sichere und vor allem beweisbar sichere Sys-teme zu entwickeln. Das zeigen all die Vorfälle aus der Praxis – Herr Dr. Schabhüserhat den Vorfall mit den Routern der Deutschen Telekom genannt. Falls Sie gestern dieNachrichten verfolgt haben: Da waren Lücken in den neuen Intel-Prozessoren ein großesThema. Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass eine israelische Firma in der Lageist, iPhones zu übernehmen, ohne dass man es mitbekommt, indem aus der Entfer-nung das Telefon angerufen wird. Es kann dann eine Schadsoftware auf dem Telefoninstalliert und dann das Telefon überwacht werden. Im Antrag der Grünen wird auchauf WannaCry eingegangen, wobei – aus Sicht der Angreifer – sehr eindrucksvoll de-monstriert wurde, dass man es auch heute noch schafft, viele Hunderttausend Sys-teme zu kompromittieren. Durch diese immer noch sehr häufig auftretenden Sicher-heitsvorfälle sehen wir, dass wir noch sehr weit davon entfernt sind, komplett sichereSysteme zu entwickeln.

In Bezug auf NRW muss man gar nicht so weit gehen wie zu WannaCry oder ähnlichenVorfällen. Sie haben vermutlich auch die Vorfälle mit Ransomware im Lukaskranken-haus in Neuss vor einiger Zeit mitbekommen. Es war noch etwa ein Dutzend weitererKrankenhäuser in NRW betroffen. Auch hier gibt es also häufig Vorfälle.

In letzter Zeit haben wir uns Angriffe auf Bayer angesehen. Vermutlich haben Sie esauch in der Presse gelesen, und auch die ARD hat darüber berichtet, dass es chinesi-schen Angreifern über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg gelungen ist,

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knapp 20 Maschinen von Bayer zu übernehmen. Ähnliche Angriffe auf thyssenkrupp –vermutlich von derselben chinesischen Gruppe – wurden vor zwei Jahren bekannt.

Es gibt also einen deutlich höheren Grundschutz dank der vielen Maßnahmen, dieentwickelt wurden, aber wir sind immer noch weit davon entfernt, wirklich absolute Si-cherheit zu garantieren.

Ein Aspekt, der auch in der Frage genannt wurde, war der Zusammenhang zwischenIT-Sicherheit und künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen. Dort besteht sehrviel Potenzial. Wir sehen gerade in den letzten Monaten und Jahren, dass gerade imBereich des maschinellen Lernens sehr schnell Fortschritte gemacht werden. Heutzu-tage ist bei der Bildklassifizierung ein Algorithmus dem Menschen überlegen. Er kannviel schneller beispielsweise auf einem Briefumschlag die Zieladresse erkennen. Erkann Objekte erkennen, und er kann Personen in einem Videostream identifizieren –und das alles ermüdungsfrei und 24 Stunden am Tag. In eigentlich allen Spielen –angefangen bei Schach über Go bis hin zu Echtzeitstrategiespielen – sind uns dieMaschinen mittlerweile überlegen, und Algorithmen übersetzen mittlerweile automa-tisch von einer Sprache in eine beliebige Zielsprache. Auch all die digitalen Assistentenwie Alexa usw. zeigen sehr eindrucksvoll, welche Fortschritte die künstliche Intelligenzin den letzten Jahren gemacht hat.

Gleichzeitig gibt es eine sehr starke Synergie zwischen der IT-Sicherheit und dem ma-schinellen Lernen. Einerseits betrifft dies die Robustheit von maschinellen Lernsyste-men. Meine Forschungsgruppe und auch diverse andere Forschungsgruppen auf derWelt haben gezeigt, wie einfach maschinelle Lernsysteme heutzutage ausgetrickstwerden können. Das typische Beispiel ist der Bereich der Bilderkennung. Ein autonomfahrendes Auto muss Straßenschilder erkennen, und diverse Forschungsgruppen ha-ben gezeigt, dass eine einfache Manipulation des Schildes – typischerweise reicht einAufkleber auf dem Schild – ausreicht, dass das Auto plötzlich ein Stoppschild alsTempo-100-Schild identifiziert. Das kann natürlich katastrophale Auswirkungen haben.

Ähnliches haben wir bei Spracherkennungssystemen auf Basis von Alexa gezeigt. Wirhaben demonstriert, dass man ein Audiosignal erzeugen kann, welches wir als Men-schen als Satz A verstehen, die Maschine versteht es allerdings als Satz B. Wir konn-ten also gewissermaßen etwas vergleichbar mit einer optischen Illusion erzeugen. Wirhören immer noch den Satz, den wir hören sollen, wir können die Maschine aber soaustricksen, dass sie einen beliebigen Zielsatz erkennt, was entsprechend für Mani-pulationen genutzt werden kann. Wie man maschinelle Lernsysteme robust machenkann, ist also noch eine sehr offene Forschungsfrage.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine Synergie in eine andere Richtung. Wir können ma-schinelle Lernsysteme benutzen, um diverse Probleme aus dem Bereich der IT-Si-cherheit zu lösen. Wenn man beispielsweise sehr große Datenmengen hat – zum Bei-spiel Informationen über den Netzwerkverkehr oder Videoaufnahmen – kann man indiesen Datenmengen nach Anomalien suchen und so zum Beispiel neue Angriffe iden-tifizieren oder auch viel schneller und effizienter identifizieren, dass etwas falsch läuft.Es gibt dort also sicherlich diverse Querschnittsthemen, bei denen KI – geradeKI.NRW als KI-Strategie der Landesregierung – und die Strategie zur Förderung derIT-Sicherheit in NRW zusammengebracht werden können.

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Eine weitere Frage betraf den Kontext der Sicherheitslücken. Das ist sicherlich einesehr spannende Frage. Ich möchte etwas weiter ausholen als Herr Professor Dr. Meierund auch hier auf das Beispiel WannaCry verweisen. Es dokumentiert sehr eindrück-lich, welche Auswirkungen so etwas haben kann.

Die Sicherheitslücke hinter WannaCry ist von der NSA entwickelt worden. Sie könnenes sich so vorstellen, dass die NSA diverse Programme hat, um gezielt Sicherheitslü-cken zu suchen, die dann zur Aufklärung genutzt werden. Vor einiger Zeit war eineandere Angreifergruppe, bei der ein bisschen unklar ist, um wen es sich handelte, inder Lage, solche Exploits von der NSA zu stehlen. Diese Exploits wurden dann veröf-fentlicht. Auf einmal war also bekannt, welche Art von Angriffstools die NSA teilweisebenutzt. Eines dieser Tools wurde im Kontext von WannaCry benutzt, um Angriffedurchzuführen.

Vermutlich hat also eine staatliche Stelle einen Exploit entwickelt, dieser Exploit wurdegestohlen und veröffentlicht, und im Endeffekt hat das dazu geführt, dass sehr vieleUnternehmen und Privatbürger erfolgreich angegriffen werden konnten. Das demons-triert, dass diese von Herrn Professor Dr. Meier angesprochene Problematik nicht nurein theoretisches Problem ist, sondern in der Praxis tatsächlich auftreten kann. Wirkönnen also nicht garantieren, dass die staatlichen Stellen, die über Sicherheitslückenverfügen, diese auch wirklich für sich behalten und sie nicht irgendwie verloren gehen.Und da die Hersteller nicht über die Lücken Bescheid wissen, können sie sie auchnicht schließen und den Schutz der Firmen und Privatbürger garantieren.

Gleichzeitig hat diese Frage allerdings noch die andere Seite, dass wir natürlich auchstaatliche Stellen haben – typischerweise Geheimdienste, die den gesetzlichen Auf-trag verfolgen, gewisse Aufklärung zu betreiben –, für welche Sicherheitslücken häufigein essenzieller Bestandteil sind, um in diversen Situationen Informationen überhauptsammeln zu können. Wir haben hier also auf jeden Fall das Spannungsspiel, dass aufder einen Seite natürlich ein staatliches Interesse besteht, die Sicherheit der Bürgerund der Firmen zu garantieren, andererseits benötigen gewisse staatliche Stellen In-formationen über Sicherheitslücken, um ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.

Es handelt sich also um eine Frage mit sehr vielen Facetten, die man im Rahmen einersolchen Ausschusssitzung nicht abschließend klären kann. Ich wollte nur darauf hin-weisen, dass es diese Facetten gibt. Mir persönlich ist auch gar nicht bekannt, welchestaatlichen Stellen in NRW überhaupt über Sicherheitslücken verfügen. Es wäre viel-leicht mal interessant, herauszufinden, wer in NRW über solche Informationen verfügtund wie diese Stellen mit den Informationen umgehen.

In diesem Feld sind uns andere Länder sicherlich voraus. In den USA hat die NSAdiverse Programme, in denen gezielt Sicherheitslücken gesucht werden. Immer dann,wenn eine neue Lücke gefunden wird, wird eine Risikoabschätzung durchgeführt. Esgibt ein Gremium, welches sich jede Lücke ansieht und für jede Lücke entscheidet, wiewichtig sie für die eigene Aufklärung ist, ob man sie nutzen kann und wie wahrschein-lich es ist, dass ein anderer Geheimdienst bzw. ein anderes Land über dieselben In-formationen verfügt und sie gegen US-Bürger nutzen kann. Es fließen noch diverse

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andere Faktoren ein, und dann wird entschieden, ob die Lücke an die Hersteller ge-meldet werden soll oder ob sie privat gehalten wird, um die Interessen der NSA voran-zubringen.

Im Bereich der Quellen-TKÜ sind Sicherheitslücken natürlich ein Faktor, allerdings gibtes in der Praxis auch diverse andere Methoden, die genutzt werden können. Da gehtes dann häufig darum, dass ein physischer Zugriff auf das Gerät genutzt wird, umSchadsoftware zu installieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Bundestrojaner.Das Vorgehen war vermutlich so, dass während einer Sicherheitskontrolle am Flugha-fen in München das elektronische Gerät des Verdächtigten eingezogen wurde, unddann wurde dort am Flughafen München von den Polizeibehörden der Bundestrojanerauf dem System installiert. Das wurde also durch einen physischen Zugriff möglich.

Zuletzt möchte ich auf die Awareness-Maßnahmen eingehen. Meine Vorredner habenbereits diverse Mechanismen beschrieben, die ich nur unterstützen kann. Ich möchtemich noch zu dem Gütesiegel äußern, welches ich etwas kritisch sehe.

Aus Forschungssicht wird der IT-Sicherheitsmarkt häufig als sogenannter Market forLemons angesehen – also nicht im Sinne von Zitronen, sondern vergleichbar mit demMarkt für Gebrauchtwagen. Wenn ich ein gebrauchtes Auto kaufe, gibt es eine gewisseAsymmetrie: Der Händler weiß viel mehr über das Auto als ich, und ich kann als Laiegar nicht einschätzen, ob es sich um ein Auto handelt, das nur aufpoliert wurde undbei dem innerhalb der nächsten 5.000 km der Zahnriemen kaputtgeht oder anderegrundlegende Probleme auftreten. Ich kann also gar nicht einschätzen, ob es sich umein gutes Produkt handelt. Ein schmieriger Autohändler kann mich daher sehr einfachüber den Tisch ziehen.

Im Bereich der IT-Sicherheit ist die Situation leider ähnlich. Dort gibt es dieselbe Asym-metrie, dass der Käufer gar nicht einschätzen kann, welche Sicherheitsfeatures einProdukt bietet und ob es das, was es verspricht, überhaupt kann. Technisch kann derKäufer gar nicht einschätzen, ob die versprochenen Mechanismen überhaupt umge-setzt werden und wie verlässlich dies funktioniert. So ist beispielsweise in fast allenProdukten, auf denen momentan etwas von „KI“ steht, gar keine künstliche Intelligenzenthalten. Im Bereich der KI-Tools gibt es also ein ähnliches Problem wie bei der IT-Sicherheit.

Aus Forschungssicht ist das Problem vor allem, dass wir Sicherheit nicht gut messenkönnen. Wir können keine Metriken angeben, um zwei Lösungen effektiv zu verglei-chen. Es handelt sich also um ein schwieriges Thema, wenn es darum geht, wie manverlässlich bzw. vertrauenswürdig IT-Lösungen einschätzen kann.

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Herr Fischer und Herr Vieweg, bevor wir zu Ihnenbzw. zu IT.NRW kommen, würde ich vorschlagen, dass Sie sich entscheiden, wer vonIhnen antwortet, sodass wir auch noch Zeit für eine zweite Fragerunde haben. Ichwürde Sie zumindest bitten, es sich so aufzuteilen, dass zeitlich Gelegenheit bleibt,pro Fraktion noch eine Nachfrage zu stellen.

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Hans-Josef Fischer (IT.NRW): Das kriegen wir hin; wir werden uns beeilen. ErlaubenSie mir zunächst dennoch, mich dafür zu bedanken, an dieser Anhörung beteiligt zuwerden und auf Ihre Fragen eingehen zu können.

Zur Frage des Abgeordneten Tritschler zu Zertifizierungen: Was ist eigentlich Gegen-stand einer Zertifizierung? – Es werden nicht Behörden oder Landeseinrichtungen zer-tifiziert, sondern Informationsverbünde. So ist auch unsere Antwort zu verstehen. Wirhaben einen Zertifizierungsverbund, einen Gegenstand, und das ist bei uns das Herzunseres Rechenzentrums. Diesen Gegenstand zu erweitern, halten wir nicht für sinn-voll.

Durchaus überlegenswert ist es, andere Informationsverbünde zu zertifizieren. Ich binmir nicht ganz sicher – ich habe es nicht überprüft –, meine aber zu wissen, dass zumBeispiel die Scanstelle bei der Bezirksregierung Detmold zertifiziert ist. Unsere Zertifi-zierungsstrategie ist genau darauf eingerichtet, auf unserer Betriebsplattform aufbau-ende Verfahren einer Zertifizierung zugänglich zu machen bzw. diesen Prozess zuerleichtern. Man kann es sich vorstellen wie bei Legoplatten: Die Grundplatte wurdebereits einmal durchleuchtet.

Herr Tritschler, Ihre zweite Frage habe ich leider nicht ganz erfasst.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Da muss ich selbst nachschauen!)

– Vielleicht machen wir dann erst einmal mit der Frage von Herrn Bolte-Richter weiter.

Die Zuständigkeit von IT.NRW im Zuge der Informationssicherheit ist natürlich zu-nächst fokussiert auf unseren Auftrag, der nach unserer Betriebssatzung definiert ist:die Informationstechnik für die Landesverwaltung bereitzustellen. Wir tun dies im Re-ferat 24, dem Herr Vieweg angehört, heutzutage in zwei Sachgebieten: zum einen fürdas Haus und zum anderen für das CERT – das ist die Aufgabe, die Herr Viewegverantwortet. Wir sind aktuell dabei, ein drittes Sachgebiet aufzubauen, in dem wirKunden wie das Finanz-, Justiz- oder Innenministerium in den vielfältigen Aufgabender Informationssicherheit beraten können.

Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitsmarkt in der Informationssicherheit heiß um-kämpft ist, bin ich der Meinung, dass wir schlecht beraten wären, uns strategisch zuzerfasern. Wir wollen unsere Ressourcen schonend einbringen. Ich gehe davon aus,dass der private Bereich heutzutage – so habe ich auch die Stellungnahme von HerrnSchuldzinski verstanden – von den Verbraucherzentralen beraten wird. Auch das BSIbietet seit Jahren einen Bürgerservice an. Hier würde ich nicht einen Schwerpunkt vonIT.NRW sehen.

Was die Sicherheit und Qualität auch von uns genutzter privater Software angeht, istdas Dilemma meines Erachtens bereits beschrieben worden. Ich kann hier insbeson-dere auf die Ausführungen von Herrn Dr. Schabhüser verweisen. Wir setzen alsIT.NRW in hohem Maße private Software ein. Wie wir uns und unsere Kunden schüt-zen, wird Herr Vieweg unter dem Stichwort „White-Box-Test“ noch erläutern. Das istaber ein reaktives Tun. Was wir brauchen, ist mehr Proaktivität. Da halte ich das Vor-gehen, über IT-Sicherheitskennzeichnungen nachzudenken und die Verbraucher über

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Sicherheitsfeatures zu informieren, für einen richtigen Weg. Ob er ausreichen wirdoder ob wir einen TÜV brauchen, ist eine andere Frage.

Wie schützen wir also sowohl öffentliche als auch private Nutzer vor nicht hinreichendsicher produzierten Produkten? – Security by Design ist ein Programmiergrundsatz beiIT.NRW, aber leider müssen wir feststellen, dass dies nicht bei allen Lieferanten, derenProdukte wir einsetzen, auch der Fall ist.

Herr Tritschler, was war nun Ihre zweite Frage?

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Hat sich mit Ihrer Antwort schon erüb-rigt!)

– Prima, dann gebe ich weiter an Herrn Vieweg.

Jens Vieweg (IT.NRW): Das Thema „White-Box-Test“ ist relativ leicht erklärt, wennman ein Techniker ist, aber relativ schwer zu erklären, wenn man kein Techniker ist.Ich versuche jetzt den Spagat.

Ein Hacker, wie man ihn aus Filmen kennt, der von außen ein System angreift, eineSicherheitslücke benötigt und sich dann in dem System befindet, wäre eher ein Black-Box-Test. Ganz grob gesagt: Der Hacker kennt das System nicht, sondern er musssich von außen Eingabefelder usw. ansehen und prüfen, ob er dort irgendetwas fin-det – per Zufall oder durch Ausprobieren –, was er ausnutzen kann, um in das Systemhineinzukommen. Das heißt bildlich: Er steht vor einem Gebäude, rüttelt an der Türund probiert an der Tür alle möglichen Dinge, um sie zu öffnen. Das ist die Black Box –er weiß nichts. Man nennt es auch „Zero-Knowledge-Test“.

Der White-Box-Test hingegen bedeutet: Man versucht, sich auf möglichst legalemWege möglichst viele Informationen über das Programm zu beschaffen. Idealerweiseerhält man vom Hersteller der Software – in vielen Fällen ist das bei uns das eigeneHaus IT.NRW – den Quellcode. Übertragen auf die Analogie von vorhin bedeutet dies:Ich besitze den Bauplan des Gebäudes und weiß dann zum Beispiel, dass die Wandrechts neben der Tür so dünn ist, dass ich mich nur dagegen lehnen muss, um hinein-zukommen.

Wir untersuchen also den Quellcode von Anwendungen. Wenn wir Anwendungen vonFirmen bekommen, versuchen wir im Dialog mit den Firmen an den Quellcode zu kom-men. Wenn sie es richtig verstanden haben, haben die Firmen auch ein Interesse da-ran, uns den Quellcode zur Verfügung zu stellen; denn sie erhalten kostenlos eine sehrintensive Überprüfung und letztendlich quasi eine Anleitung vom CERT Nordrhein-Westfalen, was sie an ihren Anwendungen umbauen müssen, damit sie sicherer wer-den. Es gewinnen also beide Seiten.

Der White-Box-Test ist also immer derjenige, bei dem wesentlich mehr Informationenzur Verfügung stehen. Bei keinem der beiden Tests steht das Gütesiegel am Ende,dass eine Anwendung sicher ist, aber beim White-Box-Test bleibt letztlich das guteGefühl, dass das CERT NRW sagt: Wir haben trotz intensiver Suche nichts gefun-den. – Wenn bei einem Black-Box-Test jemand sagt, er habe nichts gefunden, heißtdas meiner Ansicht nach gar nichts. Man kann zwei Wochen lang von außen an einem

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System herumgedoktert haben, ohne etwas zu finden, das bedeutet aber wirklich garnichts.

Zur Kooperation im Verwaltungs-CERT-Verbund: Das ist eine sehr operative Kommu-nikation, die damit beginnt, dass der Operator vom Dienst im CERT Nordrhein-West-falen – wie auch diejenigen der anderen Länder – morgens in einem speziell abgesi-cherten Instant Messenger mit den anderen CERTs in Echtzeit kommuniziert. Wir ste-hen den ganzen Tag über – während der Tagesdienstzeit von 7 bis 17 Uhr – mit demCERT-Bund und allen CERTs der Länder im operativen Austausch.

Wir haben eine gemeinsame Zusammenarbeitsplattform, in der wir viele Grundlagen-dokumente gemeinsam bearbeiten. Dabei geht es um Passwortrichtlinien – Wie langmuss ein Passwort sein? –, organisatorische Dokumente zur Aufstellung eines CERT,Ausarbeitungen, darum, welche Rollen besetzt werden müssen usw. All diese Dingebearbeiten wir nicht mehr alleine, sondern gemeinsam.

Wir teilen Erkenntnisse über Schwachstellen in Software, und zwar auch im Rahmenunserer Responsible Disclosure Policy, die vor einigen Jahren schon einmal Gegen-stand hier im Landtag war. Wenn wir in einem Penetrationstest eine Schwachstelle ineiner Software finden und nicht ausschließen können, dass andere Bundesländerdiese Software auch nutzen, informieren wir die Länder über diese Schwachstelle –ebenso wie den Hersteller. So kann in allen Bundesländern sichergestellt werden,dass zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor dem Ausnutzen dieser Sicherheitslückeergriffen werden können.

Es handelt sich also um eine sehr operative Zusammenarbeit mit relativ wenig Büro-kratie. Deshalb funktioniert sie sehr gut.

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Herzlichen Dank. – Ich bitte die Fraktionen, sich beiihren Nachfragen in der zweiten Runde auf eine Frage zu beschränken. Bitte verknüp-fen Sie auch nicht mehrere Fragen durch ein „und“, sondern stellen Sie tatsächlich nureine Frage.

Christina Kampmann (SPD): Herr Fischer, Sie haben in Ihren Ausführungen den Vor-schlag eines TÜV eingebracht, ohne Zeit zu haben, den Gedanken näher auszuführen.Könnten Sie dazu noch etwas konkretere Angaben machen?

Florian Braun (CDU): Ich habe eine Nachfrage an Herrn Professor Dr. Holz. Es ist inPlanung, bei Ihnen in unmittelbarer Nachbarschaft ein Max-Planck-Institut für CyberSecurity einzurichten, was seitens des Landes unterstützt wurde und wird. Was ver-sprechen Sie sich von der Zusammenarbeit mit diesem Institut? Was ist der Mehrwertfür Nordrhein-Westfalen, um auch die Forschung weiter zu stärken?

Rainer Matheisen (FDP): Ich habe eine Frage an Herrn Professor Dr. Meier. Sie hat-ten eine Versicherungslösung ins Spiel gebracht. Da wäre die Frage, wie es sich der-zeit am Markt darstellt und inwiefern Sie eine Art Kontrahierungszwang vorsehen. –

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Wenn es eine Pflicht ist, müsste es ja auch sozusagen wie bei einer Haftpflichtversi-cherung eine Art Kontrahierungszwang geben. Wie würden Sie das umsetzen?

Sven Werner Tritschler (AfD): Ich habe eine Frage an Herrn Schuldzinski und HerrnDr. Schabhüser. Sie haben vorhin angesprochen, dass Sie Ihre Erkenntnisse aus demPhishing-Radar mit dem BSI teilen. Teilen Sie – beide Institutionen – solche Erkennt-nisse auch mit privaten Anbietern, also zum Beispiel mit kommerziellen Anbietern vonVirenschutzsoftware bzw. Sicherheitssoftware oder mit Mail-Providern?

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Herr Bolte-Richter, von Ihnen liegt mir keine Wort-meldung mehr vor.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Ich habe schon viele Fragen in derersten Runde gestellt!)

– In Ordnung, dann beginnen wir nun in der zweiten Antwortrunde bei IT.NRW.

Hans-Josef Fischer (IT.NRW): Die Idee eines TÜV ist sicherlich noch nicht ganzdurchdacht. Aber so, wie der TÜV bei Kraftfahrzeugen oder anderen gefährlichen An-lagen eine Vorabüberprüfung der Gefahrensituation ermöglicht, muss man meinerMeinung nach darüber nachdenken, ob nicht auch das In-Verkehr-Bringen jedenfallseiniger Soft- und Hardwareprodukte geeignet ist, ähnliche Schadensquellen zu eröff-nen, wie es laut Gefährdungshaftung im BGB bei der Pferdekutsche oder beim Autoder Fall ist.

Es ist meines Erachtens darüber nachzudenken, ob es ausreicht, über Haftungsmög-lichkeiten – gegebenenfalls auch über eine Beweislastumkehr – Haftungsrisiken aufdie Produkthersteller zu übertragen, oder ob es nicht zumindest für gewissen Produkt-gruppen angezeigt ist, eine Vorabkontrolle durchzuführen. Wer das machen soll? – Ichdenke, solche Technischen Überwachungsvereine, die auch zertifizieren, sehen sichdurchaus in der Lage, so etwas durchzuführen.

Bei alldem ist aber wohl unbestritten, dass dies nicht ohne eine gesetzliche Grundlagemöglich ist. Zurzeit sind wir, wie Herr Dr. Schabhüser dargestellt hat, in dieser Hinsichtniedrigschwelliger unterwegs.

Prof. Dr. Thorsten Holz (Ruhr Universität Bochum; Institut für Elektrotechnik undInformationstechnik): Bei der Frage von Herrn Braun ging es um das Max-Planck-Institut für Cyber Security und Privacy. Es wurde in der vorletzten Woche von der GWKfinal genehmigt. Aktuell sind wir also an dem Punkt, das Max-Planck-Institut aufzu-bauen.

Operativ wird das Ganze schon im Juni starten. Die beiden ersten Gründungsdirekto-ren sind bereits bekannt, und wir sind auch dabei, weitere Personen dafür zu suchen.

Mein Dank gilt da auch der Politik, die die Ansiedlung in Bochum überhaupt ermöglichthat. Ohne die politische Unterstützung wäre es sehr schwierig geworden. Wir sind sehrfroh, dass Bochum aktuell sehr stark ausgebaut wird. Uns wurde von der Deutschen

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Forschungsgemeinschaft die Förderung für ein Exzellenzcluster zugesagt, wodurchfür die nächsten sieben Jahre eine Förderung in Höhe von etwa 35 Millionen Eurogegeben ist. Das Max-Planck-Institut hat ein jährliches Volumen von 15 bis 20 Millio-nen Euro.

Das wird dazu führen, dass wir Bochum, wo momentan etwa 1.000 Studierende imBereich der IT-Sicherheit studieren, deutlich ausbauen können. Im Endeffekt werdenwir in dem ganzen Bereich 30 bis 40 Professuren haben. Es wird dazu führen, dasssich der Standort auch in den nächsten Jahren immer weiter entwickelt – von der For-schung, über Start-ups, von denen es momentan etwa ein Dutzend gibt, bis zu denetablierteren Endanwendern.

Insofern geht die Forschung in diesem Bereich sehr gut weiter. In NRW gibt es natür-lich mit Bonn, Paderborn und Gelsenkirchen noch weitere Standorte. Gerade im For-schungsbereich sind wir in NRW im Bundesvergleich und auch im europäischen Ver-gleich gut aufgestellt.

Dr. Gerhard Schabhüser (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik):Zur Frage dazu, was wir mit dem Phishing-Radar machen: Daten, die wir monatlicherhalten, verarbeiten wir – soweit ich weiß; eventuell müsste ich es nachliefern – ers-tens im Kontext unseres Jahresberichts und zweitens als Input für Bürger-CERT undCERT NRW.

Dazu, ob wir die Daten eins zu eins an andere Stellen weiterreichen, bin ich überfragt.Wenn Dinge für den Verwaltungs-CERT-Verbund relevant sind, dann werden sie abergenau dort eingestreut werden.

Prof. Dr. Michael Meier (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Insti-tut für Informatik): Herr Matheisen, Sie hatten noch eine Nachfrage zu meiner Ideebzw. Vision gestellt, Cyberversicherer zur Regulierung einen Anreiz hinsichtlich konti-nuierlicher Weiterbildung von IT-Nutzern generieren zu lassen – insbesondere im un-ternehmerischen Kontext.

Ich muss dazu einleitend sagen: Ich bewege mich da auf dünnem Eis bzw. ich bin alsInformatiker die Versicherungswirtschaft betreffend absoluter Laie. Deshalb ist es wirk-lich nur eine Idee – ich finde sie aber nicht schlecht.

Meiner Wahrnehmung nach ist es so, dass sich der gesamte Versicherungsbereich imKontext von Cybersicherheit erst noch entwickelt. Es ist sicherlich auch eine schwie-rige Materie; es ist deutlich einfacher, gegen Feuer und Wasser zu versichern. Dassind Risiken, die sich erst einmal gegenseitig ausschließen, aber solche sich gegen-seitig ausschließenden Risiken zu finden, ist im Cyberbereich nicht so leicht. Von da-her muss man schauen, inwieweit es sich entwickelt und wie es funktionieren kann.Eine Verpflichtung ist aus meiner Sicht aber erforderlich. Ohne eine solche ver-pflichtende Versicherung macht meine Idee keinen Sinn.

Ich würde so argumentieren: Die Unternehmer arbeiten mit Kundendaten, Mitarbeiter-daten usw. Sie haben Verantwortung für viel verschiedene Stellen und sind Risikenausgesetzt, denen man nur begrenzt begegnen kann. Das Restrisiko muss dann durch

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eine Versicherung aufgefangen werden. So würde ich die Verpflichtung, eine solcheVersicherung abzuschließen, ableiten.

Den Rest übernehmen dann hoffentlich die Versicherungen, indem sie kontrollieren,wie hoch das konkrete Risiko beim Unternehmer ist, und entscheiden, ob er eine hohePrämie erhält oder eine geringe, wenn er sich Mühe gibt.

Wolfgang Schuldzinski (Verbraucherzentrale NRW): Zur Frage von Herrn Tritsch-ler: In der Tat ist es eine spannende Idee, zu überlegen, was man noch alles mit denDaten des Phishing-Radars machen könnte.

Zufällig war ich noch am letzten Freitag in Bochum bei einem dort ansässigen großenmittelständischen Unternehmen, das sich mit Datensicherheit befasst. Da haben wirauch philosophiert, was man alles machen könnte. Es gab viele Ideen. Wir müssennatürlich sehen: Wenn wir als öffentlich geförderte Organisation Daten zur Verfügungstellen, können wir sie nicht einer Firma zur Verfügung stellen, die damit Geld verdient,sondern dann muss man es auf Plattformen machen. Dann geht es eher darum, Toolszu entwickeln, die andere anwenden können oder so etwas. In Verbindung mit derForschung ist da einiges denkbar, weil es sich um ein interessantes Datenmaterialhandelt.

Die Ressourcen, die dort zum Einsatz gebracht werden können, sind allerdings sehrbegrenzt. Das Datenmaterial ist vorhanden und spannend, und damit könnte man ei-niges machen.

Ich würde gerne anschließend an Herrn Professor Dr. Meier noch eine Idee ergänzen,wie das Land NRW gerade für KMU oder sogar noch eine Ebene darunter etwas tunkönnte. Erfreulicherweise werden in erheblichem Maße Start-ups gefördert. Alles, wasman zum Thema Privacy by Design tun kann, könnte man Start-ups vielleicht nicht alsBedingung, aber zumindest als Beratungsunterstützung ans Herz legen. Mit anderenWorten: Man gibt nur da öffentliches Geld aus, wo es von Anfang an mitgedacht wirdund wo es nicht nur um die tolle Idee geht, die immer hinter dem Start-up steht, son-dern auch um Datensicherheit und idealerweise auch um Datenschutz – darüber ha-ben wir heute gar nicht gesprochen.

Ansonsten haben wir hier sehr viele schöne Ideen, aber was man bräuchte, wärenmeiner Meinung Plattformen – zum einen für Nutzer und zum anderen für KMU undGewerbliche –, auf denen diese Ideen gebündelt und abgerufen werden können, damitman einen schnellen Zugang hat. Am Ende stehen dann gesetzliche Forderungen.

Ich will abschließend noch ein Beispiel nennen: Bei uns wird 1.500-mal pro Woche dieInternetseite „Instagram-Account gehackt – wie erreiche ich den Support?“ aufgeru-fen. – Das zum Abschluss.

Amt. Vorsitzender Marc Herter: Ich danke den Herren Sachverständigen herzlich.Wir haben die Anhörungen sicherlich mit einem Erkenntnisgewinn verfolgt.

Das Protokoll der heutigen Veranstaltung ist nach seiner Fertigstellung auf der Inter-netseite des Ausschusses einsehbar.

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Wir sind damit am Ende der heutigen Anhörung angelangt. Ich wünsche den Sachver-ständigen eine gute Heimreise und den Kolleginnen und Kollegen gleich noch einegute Ausschusssitzung.

gez. Marc Herteramt. Vorsitzender

Anlage06.06.2019/14.06.201973

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Stand: 14.06.2019Anhörung von Sachverständigen

Sitzung des Ausschusses für Digitalisierung und Innovation"Lehren aus Hackerangriff ziehen – IT-Sicherheit in NRW verbessern"

Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 17/4803In Verbindung mit

„IT-Sicherheit in Nordrhein-Westfalen stärken – Freiheit sichern“Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/5056

am Donnerstag, dem 16.05.201914.00 bis 15.30 Uhr, E 3 D 01

Tableau

eingeladen Teilnehmer/innen Stellungnahme

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen,Düsseldorf

Wolfgang Schuldzinski17/1448

Universität Bonn, Institut für Informatik,Bonn

Professor Dr. Michael Meier17/1455

Bundesamt für Sicherheit in derInformationstechnik;Bonn

Dr. Gerhard Schabhüser17/1454

Ruhr-Universität Bochum,Bochum Professor Dr. Thorsten Holz ---

Information und Technik Nordrhein-West-falen,Düsseldorf

Hans-Josef FischerJens Vieweg

17/1453

Landesbeauftragte für Datenschutz und Infor-mationsfreiheit Nordrhein-Westfalen,Düsseldorf

keine Teilnahme 17/1447

***

Landtag Nordrhein-Westfalen - 27 - APr 17/641Anlage

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 5 -

Sexueller Missbrauch

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Ministerium für

Schule und Bildungdes Landes Nordrhein-Westfalen

PDie Ministerin

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 Düsseldorf

An die Vorsitzende des

Ausschusses für Schule und Bildungdes Landtags Nordrhein-WestfalenFrau Kirstin Korte MdL

Platz des Landtags 140221 Düsseldof

Mai2fü9

Seiöe 1 von 12

Aktenzeichen:

323-6.08.01-150494

bei Antwort bitte angeben

Yvonne Gebauer MdL

Bericht zum Thema ,,Sexueller Missbrauch"

Bitte der Fraktion BÜNDNIS 90/[)IE GRÜNEN um einen schriftlichen Be-

richt für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 15. Mai2019

Auskunff erteilt:

Herr OpperrnannTelefon 0211 5867-3686

Telefax 0211 5867-3220

mar([email protected]

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

beigefügt übersende ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Kin-der, Familie, Flüchtlinge und Integration den Bericht zum Thema ,,Sexu-eller Missbrauch" für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bil-dung am 15. Mai 2019.

ses -

re I%n?'pankbar, wenn Sie diesen den Mitgliedern des Ausschus-r phule pnd Bildung vorab zur Information zuleiten würden.

Mff f}föndlichfö Grüßen

d

l auer

Anschriff:

Völklinger Straße 4940221 Düsseldof

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

17

VORLAGE

17/2088A15

Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Ministerin

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 DUsseldorf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN

. WAHLPERIODE

~Mai2019 !Jseite 1 von 12

An die Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung des Landtags Nordrhein-Westfalen Frau Kirstin Korte MdL Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf

Bericht zum Thema "Sexueller Missbrauch"

Aktenzeichen:

323-6.08.01 -150494

bei Antwort bitte angeben

Yvonne Gebauer MdL

Auskunft erteilt:

Herr Oppermann Telefon 0211 5867-3686

Bitte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um einen schriftlichen Be- Telefax 0211 5867-3220

richt für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 15. Mai 2019

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

beigefügt übersende ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Kin­der, Familie, Flüchtlinge und Integration den Bericht zum Thema "Sexu­eller Missbrauch" für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bil­dung am 15. Mai 2019.

[email protected]

Anschrift:

Völklinger Straße 49

40221 DUsseldorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

www.schulministerium.nrw.de

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Bericht des Ministeriums für Schule und Bildung "Sexueller Miss­brauch" zur Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 15. Mai 2019

Zum Fragenkomplex:

• ob und wie Schulleiter*innen. Lehrkräfte oder andere Beschäftigte in Schule (Schulpsychologie. Sozialarbeit. Erzieher*innen in der OGS etc.) im Fall Lügde Hinweise auf Missbrauch erhielten, sei­ber registrierten und bzw. oder weitergaben.

• ob und welche Kontakte in Bezug auf betroffene Kinder und Ju­gendliche mit der Jugendhilfe bestanden haben bzw. ob und wei­che Hinweise gegeben wurden und

• ob und wie die Schulaufsicht auf Fälle aufmerksam gemacht wurde oder aufmerksam gemacht hat.

Der Bericht orientiert sich in seiner Gliederung an den konkreten Fragen, die bei der Beantragung des Berichts gestellt wurden.

Dem vorliegenden Bericht liegt hierbei eine vom Ministerium für Schule und Bildung erbetene Stellungnahme der Bezirksregierung Detmold zu­grunde, auf deren Basis die Fragen nach heutigem Kenntnisstand beant­wortet werden.

Die Schulleitung einer betroffenen Grundschule erfuhr von der Inobhut­nahme eines Kindes durch Erzählungen von Schulkindern im November 2018. Aus datenschutzrechtlichen Gründen konnte die Schulleitung durch das Kreisjugendamt darüber keine offizielle Bestätigung erhalten. Wenige Tage später hat der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme Beschuldigte die Klassenlehrerin telefonisch über die Unterbringung des Kindes in einer anderen Familie und die gegen ihn laufenden Ermittlun­gen wegen sexueller Übergriffe informiert. Die Schulleitung informierte die Leitung einer weiteren Grundschule, die gemeinsame Schulsozialar­beiterin, die zuständige Schulpsychologin und die untere Schulaufsicht.

Die Schulleitung einer weiterführenden Schule wurde Ende Januar 2019 auf den Fall aufmerksam, als die gesamte Dimension öffentlich bekannt wurde.

Außerhalb des Kreises Lippe wurde die Leitung einer Schule in Pader­born erstmals Ende Februar durch Ermittlungsbeamte, die auf dem Schulgelände einen Schüler zu einer Vernehmung abholen wollten, auf­merksam. Diese Schule hatte bereits vor Bekanntwerden der Vorfälle in

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Lügde in zwei Fällen Kontakt mit dem Kreisjugendamt; hieraus resultier­ten demnach jedoch keine Hinweise auf Missbrauchsfälle.

Nach gegenwärtigen Erkenntnissen waren für weitere Lehrkräfte keine Anzeichen sexuellen Missbrauchs ersichtlich.

Die untere Schulaufsicht erhielt erstmals am 13.12.2018 durch die Schul­leitung einer Grundschule in Lügde Kenntnis von den Verdachtsfällen. Die obere Schulaufsicht (Grundschulen) wurde am 18.12.2018 durch die schulzuständige Schulpsychologin über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs an Schülerinnen und Schülern einer Schule informiert.

Eine enge Zusammenarbeit wurde unmittelbar initiiert.

Am 19.12.2018 wurde eine Krisenmeldung durch die zuständjge Kri­sendezernentin der Bezirksregierung an den üblichen Verteiler der Be­zirksregierung Detmold und an das Ministerium für Schule und Bildung versandt. Darüber hinaus berichtete die Dezernentin mit der Generale Krise, dass vor Ort versucht werde, in Kooperation mit dem Kreisjugend­amt zuständigen Jugendhilfe und den entsprechenden Beratungsstellen in NRW und Niedersachsen (Grenzregion), AnlaufsteIlen für die betroffe­nen Kinder und Eltern zu sichern und das Vorgehen im Umgang mit Kin­dern, Eltern und Kollegen zu besprechen.

Damit war das schulische Krisenmanagement sichergestellt, da alle vor Ort zuständigen Stellen einbezogen (Schulsozialarbeit, Schulpsycholo­gie, Bezirksregierung Schulabteilung, Jugendhilfe, Polizei) und die not­wendigen Maßnahmen ergriffen worden waren. Eine Nachberichterstat­tung an das Schulische Krisenmanagement des Ministeriums für Schule und Bildung bei Veränderung des Sachverhalts wurde vereinbart.

Vor Ort wurden insbesondere neben dem umfangreichen Wirken der Schulpsychologie, gerade nach dem Bekanntwerden der Dimensionen, vielfältige weitere Maßnahmen ergriffen, wie z.B. Schulleiterdienstbe­sprechungen und das Aufsuchen möglicher betroffener Schulen durch die untere Schulaufsicht.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die zuständige Schulpsychologie un­mittelbar tätig geworden ist und Hintergrundinformationen eingeholt hat:

• Es wurde festgestellt, dass in Bezug auf die zwei im Dezember bekannt gewordenen Fälle bereits Kontakt zum Kreisjugendamt bestand.

• Ebenfalls bestand auch Kontakt zu der Schulleitung und der Schulsozialarbeiterin. Diese unterrichteten über die örtlichen Be­ratungsangebote und die Möglichkeit, zur Schulpsychologie vor Ort Kontakt aufzunehmen.

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• Bereits am 28.12.2018 wurde mit der Schulleitung und der Schulsozialarbeiterin intensiv darüber gesprochen, welche an die individuelle Bedürfnislage der betroffenen Kinder angepasst~ Un­terstützung stattfinden sollte.

• Es wurde des Weiteren erörtert, wie mit Betroffenen, aber auch verunsicherten Eltern umgegangen werden und auf welche Bera­tungsstellen hingewiesen werden kann.

• Lehrkräfte und Schulleitungen hatten kontinuierlich die Möglich­keit, Beratung durch die Schulpsychologie in Anspruch zu neh­men, um innerhalb der sich ständig verändernden Lage hand­lungsfähig zu bleiben (vom 18.12.2018 bis heute, einschließlich der unterrichtsfreien Zeit).

• Der Leiter der für Lügde zuständigen Familienberatungsstelle wurde durch die zuständige Schulpsychologin über die Situation und möglicherweise entstehende Beratungsbedarfe zeitnah infor­miert.

In sich daran anschließenden telefonischen und persönlichen Kontakten wurde das Vorgehen und die Gesamtsituation immer wieder reflektiert und rückgekoppelt. Die Schulleitungen zeigten in ihrem Vorgehen selbst eine sehr sensible und gleichzeitig professionelle Herangehensweise. Dabei wurde die Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie als sehr be­deutsam unterstrichen und die schulformübergreifende Zusammenarbeit vor Ort insbesondere auch unter Beteiligung des Schulträgers besonders herausgehoben. Beispielhaft hierfür wurde der gemeinsame Elternbrief aller Schulen genannt, der mit Unterstützung der Schulpsychologin und der Polizei erarbeitet und am 01.02.2019 an allen öffentlichen Schulen in Lügde verteilt wurde.

Darüber hinaus hat der Kreis Lippe weitere Maßnahmen veranlasst, um den Opfern und ihren Familien die notwendigen Hilfen bereit zu stellen. So wurde eine Telefonhotline geschaltet und vor Ort ein Beratungsange­bot mit einem freien Träger etabliert. Jugendamt, Gesundheitsamt und Polizei haben ebenfalls einen neuen Arbeitskreis "Kinderschutz" mit dem Ziel eingerichtet, Schnittstellen zu verbessern und gemeinsame Maßnah~ men zu ergreifen.

Der Kreis Lippe hat die freien Träger der Jugendhilfe (ambulant und sta­tionär) zu einem offenen Dialog eingeladen, um über Schnittstellenver­besserung und gemeinsame mögliche Präventions- und Handlungsmög­lichkeiten zu sprechen.

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Zur Frage:

Welche Konsequenzen hält die Landesregierung für sinnvoll, damit Schulaufsicht, Schulleitung, Lehrkräfte und multiprofessionelles Perso­nal Hinweise auf Missbrauch zu erkennen vermögen und angemessen reagieren können?

Das Ministerium für Schule und Bildung entwickelt die schulische Prä­ventions- und Interventionsarbeit im Bereich so wichtiger Themen wie Gewalt, Cybergewalt und vor allem sexueller Gewalt stetig weiter, damit Menschen in Verantwortung für die ihnen anvertrauten und ihnen ver­trauenden Schülerinnen und Schüler in Funktion als Lehrkraft, Schullei­tung und Schulaufsicht im Besonderen im Bereich sexueller Gewalt sen­sibilisiert sind und handlungssicher agieren und reagieren können. Im Mittelpunkt steht die fortwährende Professionalisierung sowie stetige Evaluierung jeglichen pädagogischen wie schulaufsichtlichen Handeins.

Als erstes Bundesland wurde in Nordrhein-Westfalen durch das Ministe­rium für Schule und Bildung die Bundesinitiative "Kein Raum für Miss-:­brauch" sowie "Schule gegen sexuelle Gewalt" des unabhängigen Be­auftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauches (UBSKM) mit entsprechenden Implementationsveranstaltungen auf allen Ebenen der Schulaufsicht sowie für alle Schulleitungen in Nordrhein-Westfalen fach­lich umgesetzt.

Hinsichtlich der Professionalisierung des pädagogischen Handeins im Kontext von Krisenintervention und -prävention können alle Schulleitun­gen sowie Lehrkräfte auf den "Notfallordner für die Schulen in Nordrhein­Westfalen - Hinsehen und Handeln - Handlungsempfehlungen zur Kri­senprävention und Krisenintervention" zurückgreifen, u.a. bei Verdachts­fällen bzw. Fällen des sexuellen Kindesmissbrauchs, aber auch zur Prä­vention sexueller Gewalt. Dieses für Schulleitungen und Lehrkräfte wich­tige Instrumentarium wird in gemeinsamer fachlicher Abstimmung mit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und dem Ministerium für Schule und Bildung fortgeschrieben und somit an die schulischen Bedarfe ange­passt.

Schulaufsicht· motiviert und unterstützt fortwährend die Entwicklung, Überprüfung und stetige Evaluierung von "schulischen Teams für Bera­tung, Gewaltprävention und Krisenintervention", deren Aufgabenwahr­nehmung u.a. in der Implementierung eines innerschulischen Konzeptes gegen. sexuellen Kindesmissbrauchs besteht. "Schulische Krisenteams" und Beratungslehrkräfte wurden in den "schulischen Teams für Bera­tung, Gewaltprävention und Krisenintervention" zusammengeführt, um fachliche Synergien effektiv zu nutzen.

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Die Qualifizierung dieser Teams wird flächendeckend durch die Schul­psychologischen Beratungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen unter­stützt. Es ist das Ziel, durch den stetig stattfindenden Professionalisie­rungsprozess der schulischen Teams, Lehrkräfte insoweit zu sensibilisie­ren und schulintern fortzubilden, dass sie bei Verdachtsfällen reagieren können.

Zur Frage:

Welche Qualifizierung für Lehrkräfte und andere pädagogische Kräfte werden für sinnvoll erachtet?

Zur Weiterentwicklung der innerschulischen Kompetenzen u.a. in Fragen der Qualifizierung von "schulischen Teams für Beratung, Gewaltpräven­tion und Krisenintervention", der Implementation von Schutzkonzepten gegen sexuelle Gewalt, aber auch in Fragen von Verdachtsfällen, der Intervention und Nachsorge bei stattgefunden Übergriffen etc. können sich Schulleitungen und Lehrkräfte jederzeit an die für sie zuständige schulpsychologische Beratungseinrichtung wenden. Dort gibt es auf Grundlage der "Empfehlungen zu Strukturen, Aufgaben und Verfahrens­weisen des Schulpsychologischen Krisenmanagements in Schulen in Nordrhein-Westfalen", einer Kooperationsvereinbarung aller kommuna­len Spitzenverbände (Städtetag NRW, Städte- und Gemeindebund NRW, Landkreistag NRW) , der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen sowie des Ministeriums für Schule und Bildung, ein bewährtes System für die Prävention, Bewältigung und Nachsorge schulischer Krisen etc. durch spezie" curricular ausgebildete Schulpsychologinnen und Schulpsycho­logen.

Das Ministerium für Schule und Bildüng hat zudem die "Landesste"e Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement" (LaSP) geschaffen, eine landesweit agierende multiprofessionelle Insti­tution u.a. mit dem Präventionsschwerpunkt "sexuelle Gewalt", Entspre­chend den bereits durchgeführten Implementationsveranstaltungen der bundesweiten Kampagne "Kein Raum für Missbrauch" hat die LaSP ein inhaltlich kongruentes Fortbildungsangebotfür kommunale und landes­bedienstete Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in Nordrhein­Westfalen organisiert und koordiniert, damit diese Expertise in die Quali­tätsentwicklung "schulischer Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention" sowie lokaler Netzwerkstrukturen und somit in alle Schulen einfließen kann.

Krisenmanagement erfordert die Schaffung und stetige Evaluierung pro­fessioneller Strukturen. Dazu gehört die Entwicklung von Netzwerkstruk-

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turen zur aktuellen Bewältigung und zur Nachsorge von Krisenereignis­sen. Alle Ebenen der Schulaufsicht in NRW können sich bei Bedarf mit fachlichen Fragen an die LaSP wenden.

Die Qualifizierung der Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer steht bei dem Thema "Sexuelle Gewalt/sexueller Missbrauch an Schulen" im Vordergrund. Hier finden sich in den Bezirksregierungen zu dieser The­matik Qualifikationserweiterungen für zukünftige Beratungslehrkräfte so­wie weitere thematische Unterstützungsangebote. Darüber hinaus wer­den sowohl Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern als auch SchuUeitungen entsprechende Angebote unterbreitet.

Unabhängig von diesen übergreifenden Maßnahmen, gibt es bei Bedarf aktuelle Angebote auf regionaler Ebene in der Zuständigkeit der Kompe­tenzteams. Für Lehrkräfte, pädagogische und sozialpädagogische Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter und Schulleitungen gibt es im Rahmen des Erlasses verschiedene Fortbildungen, die von den Schulen - unter Be­rücksichtigung der individuellen schulischen Situation - abgerufen wer­den können. Neben konkreten Angeboten zu dem Thema finden sich aber auch in anderen Themenschwerpunkten, wie z. B. "Gewaltpräven­tion" , Schnittmengen zum Thema "Sexuelle Gewalt/sexueller Miss­brauch".

Zusätzlich zu diesen staatlichen Angeboten der Lehrerfortbildung bieten sowohl Kirchen als auch die Schulpsychologischen Dienste in einzelnen Bezirksregierungen immer wieder Fortbildungen und Informationsveran­staltungen für Schulen an.

Unter Nutzung des eigenen Fortbildungsbudgets besteht für Schulen darüber hinaus die Möglichkeit, auf ständig wechselnde Angebote ande­rer Anbieter zurückzugreifen. Im Folgenden sind exemplarisch einige Fortbildungen aufgeführt, die Schulen aktuell über die Suchmaschine für Lehrerfortbildung bereitgestellt werden:

• "Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen - Hilfen zum Um­gang mit einem schwierigen Thema in der Schule" (Anbieter: Stu­dieninstitut Niederrhein)

• "Der Umgang mit Verdachtsfällen von Verwahrlosung, Misshand­lung und Missbrauch" (Anbieter: Zielwerk Krefeld)

• "Jahrestagung Schulseelsorge Thema: Sexueller Missbrauch und Schule" (Anbieter: Prof. Dr. Ulrike Baumann in Kooperation mit der Notfallseelsorge )

• "Sexualisierte Gewalt - Grundlagen der Prävention und Interven­tion" (Anbieter: Katholisches Bildungsforum Wesei)

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Zur Frage:

Welche Konzepte liegen für eine systematische präventive Arbeit vor?

In Nordrhein-Westfalen ist der Schutz vor sexueller Gewalt in Schule eine zentrale Aufgabe (§ 42 Absatz 6 SchuIG). Schulen sind neben der päda­gogischen Verantwortung gesetzlich dazu verpflichtet, jedem Anschein von sexueller Grenzverletzung und sexuellem Missbrauch von Schüle­rinnen und Schülern nachzugehen. Das Land Nordrhein-Westfalen un­terstützt die schulische Präventions- und Interventionsarbeit auf ver­schiedenen Ebenen.

2010 veröffentlichte das damalige Ministerium für Schule und Weiterbil­dung des Landes Nordrhein-Westfalen "in Schule NRW den Handlungs­leitfaden für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte: "Hinsehen und Handeln. Empfehlungen zum Schutz der Opfer sexueller Übergriffe in Schulen und schulnahen Einrichtungen."

Einzelne Bezirksregierungen unterstützen die Arbeit der Schulen mit In­formationsmaterialien :

• Bezirksregierung Arnsberg: "Sexualisierte Gewalt in der Schule: Leitfaden zum Umgang mit Verdachtsfällen sexueller Grenzverlet­zungen, Übergriffen und Straftaten durch Lehrkräfte und weitere Beschäftigte in der Schule",

• die Bezirksregierung Düsseldorf veröffentlichte 2011 die Bro­schüre "Kinderschutz in der Schule. Kindeswohlgefährdung durch sexuellen Missbrauch?",

• die Bezirksregierung Köln veröffentlichte 2013 den Leitfaden "Kin­derschutz in der Schule. Ein Leitfaden für den konkreten Fall"

• Die Serviceagentur "Ganztägig lernen in NRW" hat zum Thema "Kinderschutz macht Schule" Informationsmaterialien entwickelt und bietet vielfältige Fortbildungs- und Informationsveranstaltun­gen und Konzeptberatungen in der Zusammenarbeit von Grund­schule und Offenem Ganztag an.

• Nordrhein-Westfalen startete als erstes Bundesland die Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt" und implementierte das Vorha­ben aktiv über regionale Fachveranstaltungen für die Schulauf­sicht. Das Fachportal des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs enthält vielfältige fachliche Un­terstützungsmaterialien. Es reicht von einführenden Materialien bis hin zur Entwicklung eines schulischen Schutzkonzeptes.

• Schulen erfahren fachliche, system ische und schulinterne Unter­stützung in der systematischen präventiven Arbeit durch ihre schulischen Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenin­tervention, in denen u.a. Schulleitung, Beratungslehrkräfte, Fach-

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kräfte für Schulsozialarbeit, weitere Lehrkräfte zusammenarbei­ten. Diese Teams setzen in enger Absprache mit der Schulleitung Präventionsprojekte und pädagogische Maßnahmen des Schul­programms um.

e Schulen des Landes leisten Prävention und Intervention in Koope­ration unter Einbeziehung externer Stellen. Sie vernetzten sich mit den Hilfsangeboten der Jugendhilfe. Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte erhalten dort Informationen und Aufklärung über die Hintergründe sexuellen Missbrauchs, über Täterstrategien und Vorbeugungsmöglichkeiten zum Schutz von Kindern und Jugend­lichen. Hervorzuheben sind hier die Angebote von o der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS)

NRWe.v. o dem Deutschen Kinderschutzbund - Landesverband NRW

e.V. o den Beratungsstellen wie z.B. Zartbitter Köln e.V., Wildwasser

e.v. o den örtlichen Jugendämtern o weiteren Beratungseinrichtungen (z.B. Schulpsychologische

Beratungseinrichtungen, Familien- und Erziehungsberatungs­steIlen, kirchliche Seelsorge).

Anfragen im Kreis Lippe ergaben, dass die lippischen Grundschulen seit Jahren Projekte zur Ich-Stärkung in Kooperation mit den Jugendämtern durchführen. Ferner wird ein Modul im Religionsunterricht durchgeführt (gute Geheimnisse - schlechte Geheimnisse). Die untere Schulaufsicht hat Termine mit den entsprechenden Jugendämtern vereinbart, um ein durchgängiges Angebot möglich zu machen. Der Kreis Lippe hat einen Fonds aufgelegt, aus dem u.a. präventive Maßnahmen finanziert werden können.

In jedem Kreis und der Stadt Bielefeld haben Informationsveranstaltun­gen zu den Infomappen "Kein Raum für Missbrauch" für Lehrkräfte statt­gefunden. Die SChulberatungsstellen bieten Fortbildungsangebote z.B. zur Erstellung eines Schutzkonzeptes an, auch gehört das Themenfeld "Sexueller Missbrauch in Schulen" zum Beratungsportfolio, auch für EI­tern. In vielen Grundschulen gehört das Projekt: "Mein Körper gehört mir" seit Jahren zum festen Programm der Schule für Schülerinnen und Schü­ler. Der Notfallordner ist eine gute Hilfe auch zu diesem Thema.

Die Dezernate werden in Dienstbesprechungen immer wieder diese The­matik aufgreifen und Angebote versuchen zu generieren, die in Zusam­menarbeit mit dem schulpsychologischen Dienst sehr stark auch den präventiven Bereich berühren und insgesamt eine noch höhere Sensibi­lität gegenüber dieser Thematik auf den verschiedensten Ebenen (Eltern,

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Lehrerkräfte, Schülerinnen und Schüler, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) hervorrufen.

Zur Frage:

Welche Konzepte für eine Elternarbeit liegen sowohl präventiv wie auch begleitend in der Krisenintervention vor?

Schulen verfügen über ein standortspezifisches Beratungskonzept. Die­ses enthält Präventions- und Interventionspläne. Jede Beratungslehrkraft wird im Rahmen der Qualifizierung begleitet, ein schulisches Beratungs­konzept zu erstellen.

Schulen weisen in ihren Schulprogrammen präventive Schwerpunkte auf. Dazu gehören u.a. sexualpädagogische Projekte zur Gewaltpräven­tion, Klassenrat und Streitschlichtungsprogramme.

Die schulischen Präventionskonzepte legen den Schwerpunkt auf die Er­mutigung der Kinder und Jugendlichen, den Umgang mit ihren Gefühlen und persönliche Grenzen zu erlernen. Sie sollten befähigt werden,

o Verletzungen wahrzunehmen und offen zu benennen, o einen respektvollen Umgang miteinander zu erlernen, o Wissen um den eigenen Körper, Körperrechte, Sexualität und o Rollenbilder zu erwerben.

Unterstützung erfahren Schulen bzw. Kollegien innerschulisch durch ihre Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von systemisch angelegten Prä­ventionskonzepten. Hierfür arbeiten Schulen bzw. die o.g. Teams eng mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der Schulpsychologie und an­deren außerschulischen Beratungsinstitutionen zusammen. Hier sind exemplarisch die AJS NRW e.V. mit Elternabenden oder der Deutsche Kinderschutzbund - Landesverband NRW eV. mit dem Elternkurs "Starke Eltern - Starke Kinder" zu nennen.

Zur Frage:

Welche konkreten Schritte plant die Landesregierung in Bezug auf Prä­vention. Begleitung und Fortbildung und wie ist die Zeitschiene dazu?

Das Land Nordrhein-Westfalen nimmt seit 2016 an der Initiative des UBSKM "Schule gegen sexuelle Gewalt" teil. Diese Initiative wird im Sommer 2019 in allen Bundesländern gestartet sein. Ziel der Initiative ist die flächendeckende Einführung von Schutzkonzepten in Schulen, die durch den im April 2019 vorgelegten Bilanzbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ausdrück­lich unterstrichen wird.

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Das vom UBSKM beauftragte Monitoring zum Stand der Prävention in den Jahren 2015 bis 2018 des Deutschen Jugendinstituts gibt Hinweise, dass Schulen weiterhin Unterstützung bei der Errichtung von Schutzkon­zepten benötigen.

Beim Treffen der Ansprechpersonen der Länder am 1. Februar 2019 in Berlin bestand Einvernehmen darüber, dass regionale Maßnahmen zur Vernetzung der Akteure aus Schule und dem schulischen Umfeld für den Kinderschutz sehr hilfreich sind. Der Abschlussbericht des UBSKM-Mo­nitoring (5/2019) benennt Vernetzungsangebote als einen der zentralen förderlichen Faktoren für die Entwicklung von Schutzkonzepten.

Im Rahmen eines Arbeitsgruppentreffens der Ansprechpersonen der Kultusministerien zur Umsetzung der Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt" am 3. Mai 2019 wurde die Diskussion darüber angeregt, welche Eckpunkte/Ziele für regionale Vernetzungstreffen wichtig sind, in welcher Form der UBSKM diese befördern und unterstützen kann und wie ein Ergebnistransfer zwischen den Regionen und Ländern sichergestellt werden kann. An dem Treffen nahmen der schulische Krisenbeauftragte des MSB und der verantwortliche Schulpsychologe für das Krisenma­nagement der LaSP teil.

Ziele der Vernetzungstreffen sind

• das Schaffen von Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten für die verschiedenen Akteurinnen und Akteure des Kinderschutzes im schulischen Bereich auf allen fachlichen und politischen Ebe­nen,

• Erhöhen des Informationsstandes über Schutzkonzepte bei schu­lischen Beschäftigten, ihrem Umfeld und politisch Verantwortli­chen,

• Austausch guter Praxisbeispiele zu Schutzkonzepten, oder zu ein­zelnen Maßnahmen (z.B. Erstellen einer Risikoanalyse, Einbezie­hung des Kollegiums, Erarbeiten eines Handlungsplans für di­verse Übergriffkonstellationen),

• das Schaffen von Anlässen zur öffentlichen oder fachöffentlichen Kommunikation über sexuellen Kindesmissbrauch und Möglich­keiten für Schutz und Hilfe,

• das Vorbereiten und Schaffen von E-Learning-Formaten. Das Ba­siswissen von Lehrkräften soll einfach zugänglich ermöglicht wer­den. Darüber hinaus werden spezialisierte E-Learning-Pro­gramme zur Ausweitung des Basiswissens angeboten.

Schulpsychologie nutzt darüber hinaus psychologische Erkenntnisse, um Schulen in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag zu unterstützen. Sie unterstützt Schulen u.a. bei der Weiterentwicklung ihres Beratungskon­zepts, bei Fragen der Organisationsentwicklung, bei der (Weiter-) Ent­wicklung und Evaluation effizienter Schutz- und Präventionskonzepte, im

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Zusammenhang mit Notfällen und der Bewältigung von Krisen, bei der Kooperation mit anderen Unterstützungssystemen, insbesondere im Austausch mit den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bei der Umsetzung des Kinderschutzes in der Schule. Die Aufgaben der Schul­psychologie sind im Erlass vom 8. Januar 2007 geregelt. Es ist das Ziel, die Schulpsychologie weiter zu stärken. Die bis 2019 befristeten zusätz­lichen 34 Schulpsychologiestellen aus dem Jahre 2016 wurden durch die neue Landesregierung zum Jahr 2018/19 entfristet, so dass sie uneinge­schränkt zur Verfügung stehen. Zusätzlich wurden im Haushalt 2019 acht weitere Stellen für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen zur Er­füllung dieser Aufgaben bereitgestellt.

Der Bedarf an Fortbildung wird grundsätzlich durch die Schulaufsicht festgestellt, die die Konzeption von Maßnahmen in Auftrag gibt. Die Aus­gangssituation und auch die Bedarfe vor Ort sind jedoch sehr unter­schiedlich und die Intensität, mit der sich Schulen bereits mit der Thema­tik beschäftigt haben, variiert zum Teil stark. Daher gibt es keinen starren Zeitplan und Schulen können im Rahmen des umfassenden Angebotes mit der nötigen Flexibilität reagieren.

Ein regelmäßiger Austausch auf Ebene der Schulaufsicht sorgt dafür, dass umgehend nachgesteuert werden kann, falls vermehrt Anfragen von Schulen an Kompetenzteams oder Bezirksregierungen gestellt wer­den, die von staatlicher Seite aktuell nicht bedient werden.

Weitere Maßnahmen der Landesregierung sind in dem ,Bericht des Mi­nisters für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration "Chronologische Zusammenfassung Fall Lügde und Information über aktuelle Maßnah­men des MKFFI" zur Sitzung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend am 28. März 2019' sowie in einem weiteren Bericht des Ministers für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration zur Sitzung des Aus­schusses für Familie, Kinder und Jugend am 9. Mai 2019 aufgeführt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 6 -

Neuausrichtung der Inklusion

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Ministerium für

Schule und Bildungdes Landes Nordrhein-Westfalen

0

Ministerium fÜr Schule und Bildung NRW, 40190 Düsseldorf 3. Juni 2019

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An die Vorsitzende des

Ausschusses für Schule und Bildungdes Landtags Nordrhein-WestfalenFrau Kirstin Korte MdL

Platz des Landtags 140221 Düsseldorf

Aktenzeichen:

511

bei Antwort bitte angeben

Auskunft erieilt:

Silke Laux

Telefon 0211 5867-3558

Telefax 021'l 5867-3220

[email protected]

Bericht zum Thema ,,Neuausrichtung der Inklusion"Bitte der Fraktion der SPD um einen schrifflichen Bericht

Sehr geöhrter Frau Vorsitzende,

beigefügt übersende ich den schriftlichen Bericht zum Thema ,,Neuaus-richtung der Inklusion" wie in der ASB-Sitzung am 15. Mai 2019 verein-bart.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen den Mitgliedern des Aus-schusses für Schule und Bildung zur Information zuleiten würden.

rxit freundliche41 Grüßen

Yvonb& Gebauer Anschriffl:

Völklinger Straße 4940221 Düsseldof

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

Öffentliche Verkehrsmittel:

S-Bahnen S 8, S 11 , S 28

(W51klinger Straße)

Rheinbahn Linie 709

(Georg-Schulhoff-Platz)

17

VORLAGE

17/2147A15

Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen

Ministerium tOr Schule und Bildung NRW, 40190 DOsseidorf

An die Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung des Landtags Nordrhein-Westfalen Frau Kirstin Korte MdL Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN

. WAHLPERIODE

Bericht zum Thema "Neuausrichtung der Inklusion" Bitte der Fraktion der SPD um einen schriftlichen Bericht

Sehr geehrter Frau Vorsitzende,

beigefügt übersende ich den schriftlichen Bericht zum Thema "Neuaus­richtung der Inklusion" wie in der ASB-Sitzung am 15. Mai 2019 verein­bart.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen den Mitgliedern des Aus­schusses für Schule und Bildung zur Information zuleiten würden.

Mit freundlich

3. Juni 2019

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Aktenzeichen:

511

bei Antwort bitte angeben

Auskunft erteilt:

Silke Laux

Telefon 0211 5867-3558

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

Anschrift:

Völklinger Straße 49

40221 DOsseidorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

www.schulministerium.nrw.de

Öffentliche Verkehrsmittel:

S-Bahnen S 8, S 11, S 28

(Völklinger Straße)

Rheinbahn Linie 709

(Georg-Schulhoff-Platz)

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Schriftlicher Bericht des Ministeriums für Schule und Bildung für den Ausschuss für Schule und Bildung

"Neuausriclltung der Inklusion"

Die Fraktion der SPD bat um einen Bericht zum Thema "Neuausrich­tung der Inklusion".

Der Ausschuss für Schule und Bildung wurde bereits in der Sitzung vom 3. April 2019 mündlich darüber informiert, dass das Ministerium für Schule und Bildung eine Abfrage bei den Bezirksregierungen zum Er­gebnis des Anmeldeverfahrens für das kommende Schuljahr 2019/20 mit Blick auf das Gemeinsame Lernen initiiert hat. Mitgeteilt wurde ebenfalls, dass das Ministerium dem ASB dazu faktenbasiert berichten möchte.

Mit der aktuellen Bitte der Fraktion der SPD wird diesem angekündigten Bericht vorgegriffen, da die Auswertung der Abfrage der Bezirksregie­rungen noch nicht abgeschlossen ist. Nach Eingang der Berichte der Bezirksregierungen werden die Daten ·aktuell geprüft, zum Teil sind auch Nachfragen zur Plausibilisierung erforderlich.

Sobald die Ergebnisse auf einer fundierten und damit seriösen Basis vorliegen, wird dem Ausschuss für Schule und Bildung und der Öffent­lichkeit - darunter auch dem Fachbeirat inklusive schulische Bildung -ein differenzierter Bericht vorgelegt. Gleichwohl wird der Bitte nachge­kommen, insbesondere zur Rolle der Gymnasien im Gemeinsamen Lernen Stellung zu nehmen:

Entgegen wiederholter Behauptungen sind Gymnasien weiterhin an der Inklusion beteiligt. Die sonderpädagogische Förderung findet dort in der Regel zielgleich statt. Die Landesregierung begrüßt und unterstützt je­doch auch eine zieldifferente Förderung an Gymnasien. Die Darstel­lung, wonach sich Gymnasien aus der Inklusion zurückziehen könnten, entspricht weder der Rechtslage noch der Zielsetzung der Landesregie­rung.

Gemeinsames Lernen wird unverändert auf der Grundlage des § 20 Absatz 5 SchulG durch die Schulaufsicht mit Zustimmung des Schulträ­gers eingerichtet. Insofern sind bei dieser Frage im Vergleich zur Rechtslage unter der Vorgängerregierung keine Veränderungen erfolgt.

Dem politischen Willen dieser Landesregierung zufolge soll dabei Ge­meinsames Lernen an Gymnasien in der Regel zielgleich erfolgen.

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Zielgleiche Förderung ist aber ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der erfolgreichen Umsetzung der Inklusion. Insofern beteiligen sich die Gymnasien schon alleine mit der zielgleichen Förderung weiterhin und selbstverständlich an der Inklusion.

Im Runderlass "Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allge­meinbildenden weiterführenden Schulen" vom 15. Oktober 2018 sind unter Punkt 3 die Verfahrensweisen bzgl. der Inklusion an Gymnasien explizit geregelt:

,,3. Inklusion an Gymnasien

3.1 Sonderpädagogische Förderung an Gymnasien ist in der Regel zielgleich.

3.2 Die Schulaufsichtsbehörde kann im Rahmen von § 20 Absatz 5 SchulG an Gymnasien Gemeinsames Lernen in Förderschwerpunk­ten mit zieldifferentem Unterricht einrichten, wenn

a) sie sich mit dem Schulträger darüber verständigt hat, dass dies auf­grund des örtlichen Schulangebots erforderlich ist, um den Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf Gemeinsames Lernen zu erfüllen und die Schulleitung sich zuvor, zu der beabsichtigten Entscheidung äußern konnte; solche Fälle sind dem Ministerium anzuzeigen.

oder

b) die Schulkonferenz des Gymnasiums der Schulaufsichtsbehörde aufgrund eines Beschlusses nach § 65 Absatz 2 Nr. 8 SchulG vor­schlägt, Gemeinsames Lernen mit zieldifferentem Unterricht an der Schule einzurichten.

c) Ein Gymnasium, an dem auch zieldifferent unterrichtet wird, nimmt in der Regel nicht weniger als sechs Schülerinnen und Schüler mit Be­darf an sonderpädagogischer Unterstützung in die Klasse 5 auf. Der zieldifferente Unterricht wird auf der Grundlage eines Konzepts der Schule erteilt und durch die Schulaufsichtsbehörde unterstützt."

Somit wird deutlich, dass es gegenwärtig und zukünftig neben der ziel­gleichen Förderung auch an Gymnasien zieldifferente Förderung geben wird. Der Anspruch dieser Landesregierung ist und bleibt es jedoch, dass gelingende Inklusion vor allem bedeutet, Schülerinnen und Schü­ler an ihrem jeweiligen Förderort bestmöglich und individuell zu fördern.

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 6 -

Neuausrichtung der Inklusion: Aufnahmeverfahren von Schülerinnen und Schülern mitBedarf an sonderpädagogischer Unterstützung zum Schuljahr 2019/2020 an den

weiterführenden Schulen

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Ministerium für

Schule und Bildungdes Landes Nordrhein-Westfalen

(ZDie Ministerin

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 DüsseldorfAn die Vorsitzende des

Ausschusses für Schule und Bildungdes Landtags Nordrhein-WestfalenFrau Kirstin Korte MdL

Platz des Landtags 140001 Düsseldorf

2fü9

vonl

Aktenzeichen:

511-6.03. 17.04-151134

bei Antwort bitte angeben

Yvonne Gebauer MdL

Bericht zum Aufnahmeverfahren von Schülerinnen und Schülermit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung zum Schuljahr2019/2020 an den weiterführenden Schulen

Auskunfi erteilt:

Christoph DickeTelefon 0211 5867-3685

Telefax 0211 5867-493685

[email protected]

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

im Ausschuss für Schule und Bildung habe ich am 3. April 2019 einenBericht zum Anmeldeverfahren von Schülerinnen und Schüler mit Be-darf an sonderpädagogischer Unterstützung an den weiterführendenSchulen zugesagt.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den beigefügten Bericht den Mitglie-?4es Ausschusses zur Information zuleiten würden.

Mi/ frduJdlidhery'Grüßen

onneut,ö'Uer

Anschrift:

Völklinger Straße 4940221 Düsseldorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

17

VORLAGE

17/2206A15

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Schrtftticher Bericht

des Ministeriums für Schule und Bildungfür die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung

am 19. Juni 2019

zum Tagesordnungspunkt ,,Neuausrichtung derlnklusion: Aufnahmever-fahren von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogi-scher Unterstützung zum Schuljahr 2019/2020 an den weiterführendenSchulen"

1. Einführung

Die Landesregierung gestattet die tnklusion an den Schuten bestmöglichund zum Wohle der Kinder und Jugendlichen. Dabei steht die Qualitätder individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler im Zentrumder Anstrengungen. Aus diesem Grund werden insbesondere die Schu-Ifö des Gemeinsamen Lernens mit zusätzlichem Personal unterstütztund die zur Vefügung stehenden Personalressourcen zudem gezieltereingesetzt, d.h. gebündelt. Erstmals hat die Landesregierung konkreteQualitätsstandards benannt, die sukzessive erfüllt werden müssen, umnach § 20 Absatz 5 Schulgesetz an Schulen Gemeinsames Lernen dau-erhaft einzurichten zu kÖnnen. Diese Neuausrichtung der Inklusion in denSchulen ist ein klför strukturierter und bereits jetzt erfolgreicher Prozess.

Die Bezirksregierungen haben dem Ministerium für Schule und Bildungden Stand des Anmeldeverfahrens für Schülerinnen und Schüler mit Be-

darf an sonderpädagogischer Unterstützung an den weiterführendenSchulen zum Stichtag 6. Mai 2019 beiichtet. Ziel der Abfrage war es,bereits bei Beginn des Neuausrichtungsprozesses möglichst konkreteund genaue Erkenntnisse über den Stand des Anmeldeverfahrens zum

Schuljahr 201 9/2020 und somit üt-er die F-ntwieklung der Schülerstfömeim ersten Anmeldeverfahren unter den Vorgaben zur Neuausrichtung derInklusion zu gewinnen.

Das Gemeinsame Lernen wird an einer Schule nach Anhörung derSchulleitung mit schrifflicher Zustimmung des Schulträgers von derSchulaufsichtsbehörde durch eine an den Schulträger gerichtete Verfü-gung dauerhaft etabliert. Der Erlass ,,Neuausrichtung der Inklusion in denöffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen" vom 15. Ok-tober 2018 schreibt diese schriftliche Zustimmung des Schulträgers ver-pflichtend vor. Dies war in den zurückliegenden Jahren nicht verbindlichfestgelegt.

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Ziel ist es, ein kontinuiertiches und vertässliches Angebot von Schutendes Gemeinsamen Lernens vor Ort bereitzustellen. Die Neuausrichtungder Inklusion legt fest: An einer Schule des Gemeinsamen Lernens kön-nen die personellen und sächlichen Voraussetzungen mit vertretbaremAufwand erfüllt werden oder sind bereits erfüllt, d. hai eS handelt sichauch um einen foffschreitenden Prozess (z. B. bezogen auf die Erfüllungder Qualitätskriterien).

Das diesem Ziel zugrundeliegende Verfahren zur Festlegung der Schu-len des Gemeinsamen Lernens, das zum kommenden Schuljahr in die-ser Form erstmals umfängliöh greifen wird, hat sich hierbei als erfolgreicherwiesen. In den Kommunen wurde landesweit eine hinreichende Zahl

an 8chuten festgeiegt, um entsprechend der Bedarfe und Wünsche Ge-meinsames Lernen zu ermöglichen. Gleichzeitig ist ein Bündelungspro-zess eingetreten, der eine zielgenauere Unterstützung dieser Schulenund damit eine Stärkung der Qualität der Inklusion ermöglicht. Das Vor-gehen auf der Basis einer Verankerung von Qualitätsstandards sowie derinhaltlichen Vorgaben des Erlasses ,,Neuausrichtung der Inklusion in denöffentlichen allgemeinbildenden weiteführenden 8chuien" hat sich damitin einem ersten wichtigen Schritt bewährt.

Für Schulen des Gemeinsamen Lernens sind mit dem Erlass die folgen-den Qualitätsstandards verbindlich festgelegt worden:

*

*

*

f

E-in tnktusionskonzept der 8chute liegt vor oder wird mit Unter-stützung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde erarbeitet.

Der Einsatz von Lehrkräffen für Sonderpädagogik an der Schuleund die pädagogische Kontinuität sind gewährleistet.Das Kollegium wurde oder wird systematisch im Themenfeld In-klusion fortgebildet.

Die sächliche, n'amentlich die räumliche Ausstattung der 8chuteermöglicht Gemeinsames Lernen.

Der von der Landesregierung initiierte Prozess der Umsetzung der Um-steuerung bzw. Neuausrichtung der Inklusion verfolgt das Ziel, die Qua-:lität des Gemeinsamen Lernens zunächst in der Sekundarstufe l zu yer-

bessern und Eltern, Lehrkräften sowie Schülerinnen und Sctfülern Konti-

nuität in der pädagogischen Arbeit zu ermöglichen.

Hier wurden bereits Verbesserungen erzielt und die Festlegung derSchulen des Gemeinsamen Lernens schaffl die Voraussetzung dafür,kontinuierlich und treffsicher die Bedingungen des Gemeinsamen Ler-nens weiter zu verbessern. Alterdings: Im ersten Jahr der Neuausrich-tung der Inklusion kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass

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diese Qualitätsstandards an allen Schuten des Gemeinsamen Lernens

bereits vollständig erfüllt sind. So konnte noch nicht in allen Fällen ab-schließend die Zustimmung schrifflich erteilt werden.

Erfahrungsgemäß dauert es bis weit nach dem Ende der offiziellen An-meldezeiträume, bis tatsächlich alle Schülerinnen und Schüler mit Bedarf

an sonderpädagogischer Unterstützung angemeldet und aufgenommensind. Die möglichen Gründe hierfür sind vielschichtig und keinesfalls neubzw. der Neuausrichtung des Gemeinsamen Lernens in der Sekundar-stufe I geschuldet:

Auch in den vergangenen Jahren wurden immer wieder einige Schüle-rinnen und 8chüter mit Bedaf an sonderpädagogischer Unterstützungvon ihren Eltern erst mit deutlicher Verzögerung an den weiterführendenSchulen angemeldet. Ebenso führten ungewisse Perspektiven für die Bil-dung von Eingangsklassen bzw. deren Zügigkeit an einer Schule dazu,dass das Anmeldeverfahren für Schülerinnen und Schüler mit Bedaf an

sonderpädagogischer Unterstützung in einer Region noch nicht vollstän-dig abgeschtossen wemen konnte.

Auf der Grundlage von Nummer 1 .4.2 der W zu § 1 APO-S I können freibleibende Plätze für Schülerinnen und Schüler mit und ohne festgestell-ten BedarF an sonderpädagogischer Unterstützung an Schulen des Ge-meinsamen Lernens erst dann an Schülerinnen und Schüler ohne fest-

gestellten E3edarf an sonderpädagogischer Unterstützung vergeben wer-den, wenn alle Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpäda-gogischen Unterstützungsbedarf im Gebiet des Schulträgers, für die eineallgemeine Schule als Förderort vorgeschlagen ist, an einer Schule auf-genommen worden sind.

Zur Absichemng der aktueft vorliegenden Daten wird die jetzt durchge-führte Abfrage nach dem Start des neuen Schuljahres wiederholt wer-den. Erst mit den kommenden Amtlichen Schuldaten (ASD) wird wie üb-lich zum Stichtag 15. Oktober 2019 eine abschließend gesicherte Daten-basis eines bereits begonnenen Schuljahres erhoben. Die Veröffentli-chung erfolgt im Frühjahr 2020. Nur so kann in den Folgejahren auf einervergteichbaren Datenbasis der E-rfotg der Neuausrictrtung der tnklusiondokumentiert werden.

Nachdem in den vergangenen Jahren die Umsetzung der Inklusion viel-fach eher ungesteuert umgesetzt wurde, ist es unerlässlich, den bisheri-gen Prozess nunmehr gleichermaßen strukturiert wie langfristig verläss-lictt auszugestaften. Mit dem zum neuen Schuljahr greifenden Umsteue-rungsprözess wird somit Schritt für Schritt das inklusive Lernen an den

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8chuien des Gemeinsamen Lernens durch ein transparentes Verfahrenfestgelegt und abgesichert. Indem durch dieses neue Verfahren sicher-gestellt wird, dass auf der Basis der erstmalig etablierten Qualitätsstan-dards klare Erkenntnisse über die Zahl der Schulen des Gemeinsamen

Lernens sowie deren Bedarfe für eine hochwertige inklusive Unterrich-tung und Förderung vorliegen, wird so im Vergleich zur Vergangenheitdie Möglichkeit der gezielten und treffsicheren Untersfützung dieserSchulen eröffnet. In den kommenden Jahren werden diese Schulen -

ausgehend von den Eingangsklassen Q jährlich aufwachsend durch zu-sätzliche personelle Ressourcen unterstützt. Im Endausbau werden für

die Schulen des Gemeinsamen Lerr7ens dann insgesamt mindestens6.000 zusätzliche Lehrerstellen bereitgestellt, um die Kollegien an diesenSchulen zu untersfützen und eine quatitativ hochwertige Fördemng der

. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu er-möglichen.

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2. Wenerführende Schulen, die zum kommenden Schutiahr für Ge-meinsames Lernen in den Eingangsklassen 5 vorgesehen sind

Die j75 Haupt-, Real-, Gemeinschafts-, Sekundar-, Gesamtschulen undGymnasium, die von den Bezirksregierungen für Gemeinsames Lernenin den Eingangsklassen 5 im Schuljahr 2019/2020 vorgesehen sind(8tand: 6. Mai 2019) und an denen Schülerinnen und 8chüler mit Bedarfan sonderpädagogischer Unterstützung angemeldet wurden, verteilensich wie folgt auf die Schulformen (Tabelle 1 ):

Auf Basis dieses Stands kann bereits sehr genau abgebildet werden, fürwie viele weiterführende Schulen Schulaufsicht und Schulträger die Ent-scheidung getroffen haben, sie als Schulen des Gemeinsamen Lernensdauerhaft zu etablieren, mit dem Ziel, dort die Qualitätsstandards zu er-füllen. Auch ist zu erwarten, dass die Werte ein hohes Maß an Überein-

stimmung mit der tatsächlichen Situation zu Beginn des Schuljahres201 9/2020 haben werderi. Weitere Verschiebungen durch Fort- oder Zu-züge, Aufhebungen oder Neufeststellungen von Bedarfen an sonderpä-dagogischer Unterstützung sind aber weiterhin möglich.

' Schulen mit mindestens einer Schülerin oder einem Schüler mit Bedarf an sonderpä-dagogischer Unterstützung in einer Eingangsklasse.

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A8D

zoqst:zo*e

Schulform

Aufnahmeverfahren zum 8chuljahr

2019/2020 (Stand: 6. Mai 2019)

8chuF*n

g«amt' ,

ll

l

Schulen

gesamt

.Davon

Gemein-

sames

Lernen

? integration149Hauptschule 143 139 4

Realschule 241 214 27

Gemeinschafts-

schule6 5 1 n

Sekundarschule qoo 96 4 iGesamtschule 302 286 16 319

Gymnasium 155 35 120 lSumme 947 172 d

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3. Zielglgtchg und zieldifFerente Förderung an dgn 8chuten des Ge=meinsamen Lernens

Der größte Teil der 775 Schulen des Gemeinsamen Lernens nimmt so-wohl zielgleich wie auch zieldifferent geförderte Schülerinnen und Schü-ler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung auf.

Auch bei diesen Daterr können sich noch Verschiet»ungen ergeben, daan einigen Schulen innerhalb der einzelnen Gruppen nur sehr wenigeSchüleririnen und Schüler angemeldet wurden, so dass nachträglicheSchulwechsel dieser Schülerinnen und Schüler sich auf die Gesamtzahl

auswirken.

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SchulformSchulen

gesamt

Nur

zielgleich

Zielgleich

und

zieldifferent

Nur

zieldifferent

Hauptschule 139 5 100 34

Realschule 214 11 172 31

Gemeinschaftsschule 5 o 5 o

Sekundarschule 96 6 84 6

Gesamtschule 286 6 263 17

Gymnasium 35 18 9 8-

Summe I 775 I 46 l 633 l 96

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4. Aufnahme an Schulen mit Einzetintegration

Diese Schulen sind Orte der sonderpädagogischen FörderLing nach Er-lasslage, jedoch keine Schulen des Geimeinsamen Lernens.

Auch bei einer Einzelintegration holt die Schulaufsichtsbehörde nach An-hörung der Schulleitung die Zustimmung des Schulträgers nach § 19 Ab-satz 5 Satz 3 SchulG ein. Unberührt bleibt, dass ein Schulträger seinegenerelle Zustimmung zur Einzelintegration erteilen kann.

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8chulform8chulen

gesamt

Nur

zielgleich

Zielgleich

und

zieldifferent

Nur

zieldifferent

Hauptschule 4 2 2 o

Realschule 27 rg 6 2

Gemeinschaftsschule 1 o 1 o

Sekundarschule 4 2 2 o

Gesamtschule 16 5 10 1

Gymnasium 120 fü 4 5

Summe l 172 I 139 I 25 I 8

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5. Dur«,hschnittliche Zaht der aufgenommenen Schütgrtnnen undSchüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung anSchulen des Gemeinsamen Lernens

An den 775 zuvor genannten Schulen des Gemeinsamen Lernens wer-den nach gegenwärtigem Sachstand (Stichtag: 6. Mai 2019) zum kom-menden Schuljahr 6.756 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarfunterrichtet.'-

Für die jeweiligen Schulen stellt sich die Aufnahmesituation wie folgtdar:

Da für das Gymnasium nach Nummer 3.3 des Erlasses ,,Neuausrichtungder Inklusion in den weiterführenden allgemeinbildenden Schulen" vom15. Oktober 2018 andere Vorgaben ge}ten, kann ein vergteichbarer

2 Unter diesen 775 Schulen befinden sich zum Stichtag 06. Mai 2019 acht Schulen un-terschiedlicher Schulformen, bei denen die letztendliche Aufnahmezahl sowie die Zü-gigkeit noch nicht abschließend geklärt ist. Es können sich somit noch leichte Verschie-bungen ergeben. Daher weicht die Gesamtzahl der Schulen in der folgenden Tabellezur Berechnung der durchschnittlichen Aufnahmezahlen leicht von der Gesamttabelleauf Seite 5 ab.

3 Abweichend von der Systematik der Tabelle sind hier Schülerinnen und Schüler mitBedarf an sonderpädagogischer Unterstützung pro Schule dargestellt.

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Hauptschule 139 31

Realschule 212 2,2

Gemeinschaffsschule 5 2,1

Sekundarschule 94 2,2

Gesamtschute 285 2,5

Gymnasium 32 2,93

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Durchschnitt nicht berechnet werden. Nach den Berichten der Bezirksre-

gierungen zum Stichtag 6. Mai 2019 wurden an den 32 berücksichtigtenGymnasien 93 Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädago-gischer Unterstützung angemeldet.

Das im Berichtszeitraum bekannte Anmeldeverhalten der Eltern führte

dazu, dass an 17 für das Gemeinsame Lernen in den Eingangsklassenbenannten Gymnasien zieldifferent geförderte Schülerinnen und Schülerangemeldet wurden. An 18 für das Gemeinsame lernen benannten

Gymnasien wurden im Anmeldeverfahren ausschjießlich zielgleich geför-derte Schülerinnen und Schüler mit Bedaf an sonderpädagogischer Un-terstützung angemeldet.

Insgesamt beträgt die Zahi der aufgenommenen 8chüierinnen und Schü-ler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung pro Eingangs-klasse an den Schulen der Schulformen Haupt-, Gemeinschaffs-, Se-kundar-, Real- und Gesamtschulen damit im Durchschnitt 2,4. Somitkann «jie grundsätzlich als möglicher Durchschnittwert vorgegebene Zahlvon drei Schülerinnen Schüler pro Eingangsklasse überwiegend spürbarunterschritten werden.

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Landtag Nordrhein-Westfalen, Elektronische Sitzungsmappe zur Einladung Nr. 17/830Ausschuss für Schule und Bildung

- TOP 7 -

Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen

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Ministerium für

Schule und Bildungdes Landes Nordrhein-Westfalen

Die Ministerin

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 Düsseldorf

An die Vorsitzende

des Ausschusses für Schule und Bildungdes Landtags Nordrhein-WestfalenFrau Kirstin Korte MdL

Platz des Landtags 140221 Düsseldorf

'Jum2Cll9Seite al von 1

Aktenzeichen:

512.1.25.02.01-151102

bei Antwort bitte angeben

Yvonne Gebauer MdL

Bericht zum Thema ,,Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förder-schulen"

Bitte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um einen schriftlichen

Bericht für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am19. Juni 2019

Auskunft erkeilt'

Frau Ciric-Ristovski

Telefon 0211 5867-3132

Telefax 0211 5867-493132

katharina.ciric-ris}[email protected]

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

beigefügt üfürsende ich den Bericht zum Thema ,,Fachlehrerinnen undFachlehrer an Förderschulen" für die Sitzung des Ausschusses fürSchule und Bildung am 19. Juni 2019. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Siediesen den Mitgliedern des Ausschusses für Schule und Bildung vorab

'rnformation zuleiten würden.

Mit fi!öundlich6n GrÜßen

,(;'seGebauer

Anschrift:

Völklinger Straße 49

40221 Düsseldorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

www schulministerium nrw de

17

VORLAGE

17/2201A15

Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Ministerin

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 Düsseldorf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN

. WAHLPERIODE

l~uni2019 J Seite 1 von 1

An die Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung des Landtags Nordrhein-Westfalen Frau Kirstin Korte MdL Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf

Bericht zum Thema "Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förder­schulen" Bitte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um einen schriftlichen Bericht für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 19. Juni 2019

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

beigefügt übersende ich den Bericht zum Thema "Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen" für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 19. Juni 2019. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen den Mitgliedern des Ausschusses für Schule und Bildung vorab

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/' Mit #~und~tth n rüßen

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Aktenzeichen:

5121.25.02.01-151102

bei Antwort bitte angeben

Yvonne Gebauer MdL

Auskunft erteilt:

Frau Ciric-Ristovski

Telefon 0211 5867-3132

Telefax 0211 5867-493132

katharina, [email protected]

Anschrift:

Völklinger Straße 49

40221 Düsseldorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected]

www.schulministerium.nrw.de

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Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf, den-t1.Juni 2019

Bericht zum Thema "Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen"

Der Bericht orientiert sich In seiner Gliederung an den Fragen, die bei der Beantragung des Berichts gestellt werden:

a) An welchen Schulen (Ort, Förderschwerpunkt) sind wie viele Fachlehrkräfte beschäftigt?

b) Welche Qualifikationen bringen sie mit?

c) Wie werden sie besoldet?

Zu a) An welchen Schulen sind (Ort, Förderschwerpunkt) wie viele Fachlehrkräfte beschäftigt?

Insgesamt sind gem. Amtlicher Schuldaten 2018/2019 1.618 Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen (öffentlich und privat) gemäß in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Die Orte, die Anzahl der Fachlehrkräfte und der Förderschwerpunkte ergeben sich aus der folgenden Übersicht.

Grundsätzlich werden Fachlehrerinnen und Fachlehrer im Bereich der sonderpädagogischen Förderung nur an den Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sowie mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung und in der Frühförderung an den Schulen für Sinnesgeschädigte eingesetzt.

Vereinzelt weist die folgende Übersicht der 176 Förderschulen auch andere Hauptförderschwerpunkte aus, was mit den personellen Besonderheiten vor Ort zu erklären ist.

Zahl der Fachlehrer/-innen an den öffentlichen und privaten Förderschulen G/H

- Schuljahr 2018/19 -

Gemeinde Schulnumm Schulname Hauptförderschwerpun Fachlehrkräft er kt der Schule e

Aachen, krfr. 155147 Aachen, FÖ KM Viktor- Körperliche und 7 Stadt Frankl-Schule motorische Entwicklung

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155159 Aachen, FO HK David- Hören und 3 Hirsch-Schule Kommunikation

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184998 Aachen, FÖ GG Geistige Entwicklung 7 Kleebachschule

Alfter 187975 Alfter, FO GG Geistige Entwicklung 3 Vorgebirgsschule

Alpen 186594 Alpen, FOGG Geistige Entwicklung 14 Bönninghardt-Schule

Arnsberg, Stadt 186417 Arnsberg, FÖ GG Geistige Entwicklung 11 Mariannhill

Attendorn, Stadt 186491 Attendorn, FO GG Geistige Entwicklung 16 St.Laurentius-Schule

Bad 156930 Bad Oeynhausen, FO Körperliche und 17 Oeynhausen, KM am Weserbogen motorische Entwicklung Stadt

156942 Bad Oeynhausen, FÖ Geistige Entwicklung 28 GG, KM Wittekindshof

Beckum, Stadt 187033 Beckum, FÖ GG Geistige Entwicklung 20 Vinzenz-von-Paul-Schule

Bedburg-Hau 183647 Bedburg-Hau, FÖ KM Körperliche und 8 Dietrich-Bonhoeffer motorische Entwicklung

Bergheim, Stadt 183763 Bergheim, FO GG Geistige Entwicklung 3 Schule Zum Römerturm

Bergisch 154842 Bergisch Gladbach, FÖ Geistige Entwicklung 2 Gladbach, Stadt GG Friedr.-Fröbel

Bergkamen, 158471 Bergkamen,FÖ GG Geistige Entwicklung 11 Stadt Fried.-von-

Bodelschwingh

Bielefeld, krfr. 156565 Bielefeld, FÖ GG, KM Geistige Entwicklung 20 Stadt Mamre-Patmos-Schule

156589 Bielefeld, FÖ KM Körperliche und 21 Albatros-Schule motorische Entwicklung

185668 Bielefeld, FÖ GG Geistige Entwicklung 26 Schule Am Möllerstift

186958 Bielefeld, FÖ SE Sehen 1 Opticus Schule

195972 Bielefeld, FO GG Geistige Entwicklung 5 Schule am Niedermühlenh

Bocholt, Stadt 186727 Bocholt, FÖ GG Geistige Entwicklung 20 Bischof-Ketteler-SChule

Bochum, krfr. 157200 Bochum, FO KM am Körperliche und 6 Stadt Haus Langendreer motorische Entwicklung

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157430 Bochum, FO HK am Hören und 5 Leithenhaus Kommunikation

Seite 3/12

183131 Bochum, FO GG Hilda- Geistige Entwicklung 4 Heinemann-Schule

183143 Bochum, FO GG Geistige Entwicklung 5 Janusz-Korczak-Schule

Bonn, krfr. Stadt 154015 Bonn, FO GG Königin- Geistige Entwicklung 3 Juliana-Schule

154040 Bonn, FOKM Körperliche und 7 Christophorusschule motorische Entwicklung

Borken, Stadt 185978 Borken, FO GG Geistige Entwicklung 9 Neumühlen-Schule

Bottrop, krfr. 155615 Bottrop, FO GG am Geistige Entwicklung 7 Stadt Tetraeder

Brakel, Stadt 186223 Brakel, FO GG von- Geistige Entwicklung 13 Galen-Schule

Brilon, Stadt 185530 Brilon, FO GG Geistige Entwicklung 5 Franziskusschule

Brühl, Stadt 154763 Brühl, FO GG Maria- Geistige Entwicklung 3 Montessori-Schule

Büren, Stadt 194815 Büren, FO HK Moritz- Hören und 1 von-Büren-Schule Kommunikation

Dorsten, Stadt 184032 Dorsten, FO GG Geistige Entwicklung 7 Haldenwangschule

Dortmund, krfr. 157442 Dortmund, FO GG Geistige Entwicklung 15 Stadt Max-Wittmann-Schule

157466 Dortmund, FO KM am Körperliche und 12 Marsbruch motorische Entwicklung

197385 Dortmund, FO GG Geistige Entwicklung 4 Mira-Lobe-Schule

Duisburg, krfr. 151981 Duisburg, FO GG Geistige Entwicklung 6 Stadt Buchholzer Waldschule

151993 Duisburg, FO KM Körperliche und 2 Christy-Brown-Schule motorische Entwicklung

184627 Duisburg, FO GG Am Geistige Entwicklung 6 Rönsbergshof

186971 Duisburg, FO GG Geistige Entwicklung 5 Friedrich-Fröbel-Schule

DOren, Stadt 155445 Dllren, FO GG Geistige Entwicklung 6 Christophorus-Schule

155470 DOren, FO SE Louis- Sehen 12 Braille-Schule

DOsseidorf, krfr. 151830 DOsseldorf, FO GG Geistige Entwicklung 7

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Stadt Franz-Marc-Schule Seite 4/12

151877 Düsseldorf, FO KM Körperliche und 11 Schule am Volksgarten motorische Entwicklung

151889 Düsseldorf, FO GG Geistige Entwicklung 5 Mosaikschule

151890 Düsseldorf, FO GG Geistige Entwicklung 3 Theodor-Andresen

151932 Düsseldorf, FO ES Emotionale und soziale 1 Martin-Luther-King Entwicklung

153310 Düsseldorf, FO ES, GG Emotionale und soziale 1 Graf-Recke 11 Entwicklung

194736 Düsseldorf, FO HK Hören und 3 LVR-Gerrlcus-Schule Kommunikation

Eslohe 186429 Eslohe, FO GG Geistige Entwicklung 6 (Sauerland) Kardinal-von-Galen

Schule

Essen, krfr. Stadt 152122 Essen, FO LE, GG, ES Lernen 1 Parkschule

152353 Essen, FO KM Helen- Körperliche und 8 Keller-Schule motorische Entwicklung

152377 Essen, FO GG Franz Geistige Entwicklung 4 Sales

183180 Essen, FOGG Geistige Entwicklung 4 Comenius-Schule

185498 Essen, FOGG Geistige Entwicklung 9 Pestalozzi-Schule

185504 Essen, FOGG Geistige Entwicklung 5 Traugott-Weise-Schule

194750 Essen, FO HK, GG Hören und 4 L VR-David-Ludwig- Kommunikation Bloch

Euskirchen, Stadt 154593 Euskirchen, FO KM Körperliche und 4 LVR-Irena-Sendler motorische Entwicklung

154600 Euskirchen, FO GG Geistige Entwicklung 5 Hans-Verbeek-Schule

154623 Euskirchen, FO HK Hören und 7 Max-Ernst-Schule Kommunikation

Frechen, Stadt 154714 Frechen, FO GG Paul- Geistige Entwicklung 6 Kraemer-Schule

Geldern, Stadt 153345 Geldern, FO GG, KM Geistige Entwicklung 9 Don-Bosco-Schule

Gelsenkirchen, 155780 Gelsenkirchen, FO HK Hören und 2 krfr. Stadt Glückauf-Schule Kommunikation

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155792 Gelsenkirchen, FO KM Körperliche und 11 löchter motorische Entwicklung

Seite 5/12

155809 Gelsenkirchen, FO GG Geistige Entwicklung 6 Hansa

183878 Gelsenkirchen, FÖ GG Geistige Entwicklung 14 Albert-Schweitzer

185292 Gelsenkirchen, FÖ SO Sprache 1 an der Gecksheide

Gescher, Stadt 156139 Gescher, FÖ GG Haus Geistige Entwicklung 25 Hall

Gladbeck, Stadt 186235 Gladbeck, FO GG Geistige Entwicklung 8 Jordan-Mai-Schule

Grevenbroich, 153394 Grevenbroich, FÖ GG Geistige Entwicklung 3 Stadt Mosaik-Schule

Gronau (Westf.), 186181 Gronau, FÖ GG Geistige Entwicklung 23 Stadt Johannesschule

Gummersbach, 187203 Gummersbach, FO ES Emotionale und soziale 1 Stadt SChulbergstraße Entwicklung

Gütersloh , Stadt 157065 Gütersloh, FÖ lE, ES lernen 1 Mosaikschule

185073 Gütersloh, FÖ GG Geistige Entwicklung 10 Michaelis-Schule

194980 Gütersloh, FO GG Geistige Entwicklung 7 Schule im FilS

Hagen, krfr. Stadt 185371 Hagen, FO GG Gustav- Geistige Entwicklung 16 Heinemann-Schule

Hamm, krfr. Stadt 188025 Hamm, FO GG Alfred- Geistige Entwicklung 11 Delp-Schule

195674 Hamm, FO ES Schule Emotionale und soziale 1 am Adelwald Entwicklung

Heinsberg, Stadt 184536 Heinsberg, FO GG Geistige Entwicklung 24 Rurtal-Schule

Hemer, Stadt 158410 Hemer, FO KM Körperliche und 16 Felsenmeerschule motorische Entwicklung

Herne, krfr. Stadt 157650 Herne, FÖ GG am Geistige Entwicklung 4 Schwalbenweg

Herten, Stadt 187574 Herten, FO KM Christy- Körperliche und 9 Srown-Schule motorische Entwicklung

Herzogenrath, 184585 Herzogenrath, FÖ GG Geistige Entwicklung 9 Stadt Roda-Schule

Hiddenhausen 185140 Hiddenhausen, FO GG Geistige Entwicklung 38 Johannes-Falk-Haus

Holzwickede 185899 Holzwickede, FO GG Geistige Entwicklung 10

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Karl-Brauckmann Seite 6/12

Hom-Bad 191670 Hom-Bad Meinberg,FÖ Geistige Entwicklung 18 Meinberg, Stadt GG Teutoburger Wald

Hünxe 153114 HOnxe, FOGG Geistige Entwicklung 7 Waldschule

Iser/ehn, Stadt 184263 Iser/ohn, FO GG Carl- Geistige Entwicklung 18 Sonnenschein-Schule

JOlich, Stadt 183908 JOlich, FÖ GG Geistige Entwicklung 9 Stephanusschule

Kaarst, Stadt 153450 Kaarst, FÖ GG Geistige Entwicklung 3 Sebastianus-Schule

Kali 185991 Kali, FO GG St.- Geistige Entwicklung 4 Nikolaus-Schule

Kleve, Stadt 184809 Kleve, FÖ GG Haus Geistige Entwicklung 25 Freudenberg

Köln, krfr. Stadt 154106 Köln, FÖ HK Johann- Hören und 1 Joseph-Gronewald Kommunikation

154260 Köln, FOGG Geistige Entwicklung 4 Kolkrabenweg

154337 Köln, FO LE, ES Lernen 1 Martin-Köllen-Schule

154362 Köln, FÖ LE, ES Lernen 1 Soldiner Straße

154490 Köln, FÖ GG Auf dem Geistige Entwicklung 4 Sandberg

154507 Köln, FOGG Geistige Entwicklung 6 Redwitzstr.

154880 Köln, FÖGG Geistige Entwicklung 4 Pestalozzi

185139 Köln, FÖ KM LVR, Körperliche und 6 Belvedere motorische Entwicklung

Krefeld, krfr. 152407 Krefeld,FÖ GG Geistige Entwicklung 1 Stadt Friedrich-v.-

Bodelschwingh

152419 Krefeld, FÖ KM Gerd Körperliche und 5 Jansen Schule motorische Entwicklung

192594 Krefeld, FO ES, LE, SO Emotionale und soziale 1 Erich-Kästner Entwicklung

194761 Krefeld, FÖ HK LVR- Hören und 5 Luise-Leven-Schule Kommunikation

Langenfeld 153916 Langenfeld, FO GG an Geistige Entwicklung 5 (Rhld.), Stadt der Virneburg

Leichlingen 183428 Leichlingen, FO GG Geistige Entwicklung 3

Page 195: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

(Rhld.), Stadt Martin-Buber-Schule Seite 7/12

183659 Leichlingen, FO KM Körperliche und 6 LVR-Paul-Klee-Schule motorische Entwicklung

Lemgo, Stadt 156814 Lemgo, FO GG Geistige Entwicklung 19 Topehlen-Schule

184962 Lemgo, FO GG Astrid- Geistige Entwicklung 21 Lindgren

Lengerich, Stadt 186314 Lengerich, FO GG in Geistige Entwicklung 19 derWidum

Leverkusen, krfr. 185565 Leverkusen, FO GG Geistige Entwicklung 10 Stadt Hugo-KOkelhaus-

Schule

Linnich, Stadt 195066 Linnich, FO KM Körperliche und 8 Bendenweg motorische Entwicklung

Lippstadt, Stadt 185905 Lippstadt, FO GG Don- Geistige Entwicklung 7 Bosco-Schule

LObbecke, Stadt 185930 LObbecke, FO GG Geistige Entwicklung 20 Schule am Buschkamp

LOdenscheid, 184445 LOdenscheid, FO GG Geistige Entwicklung 10 Stadt Schule an der Höh

Mari, Stadt 156358 Mari, FO LE, ES Lernen 1 Heinrich-Kielhorn-Schule

187264 Mari, FO GG GIOck- Geistige Entwicklung 3 auf-Schule

Mettingen 187562 Mettingen, FO KM Körperliche und 8 Ernst-Klee-Schule motorische Entwicklung

MeUmann, Stadt 153187 Mettmann, FO GG Geistige Entwicklung 6 Hans-Helmich-Schule

Minden, Stadt 186211 Minden, FO GG Geistige Entwicklung 28 Wichernschule

Moers, Stadt 186030 Moers, FO GG Hilda- Geistige Entwicklung 7 Heinemann-Schule

Mönchengladbac 152511 Mönchengladbach, FO Körperliche und 6 h, krfr. Stadt KM LVR-Förderschule motorische Entwicklung

152523 Mönchengladbach, FO Emotionale und soziale 3 ES,GG,LE Karl-Barthol Entwicklung

183702 Mönchengladbach, FO Geistige Entwicklung 2 GG Herman-van-Veen

186715 Mönchengladbach, FO Geistige Entwicklung 3 GG Paul-Moor-Schule

MOIheim an der 183398 MOIheim an der Ruhr, Geistige Entwicklung 10 Ruhr, krfr. Stadt FO GG Rembergschule

Page 196: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

Münster, krfr. 155901 Münster, FÖ GG Geistige Entwicklung 18 Stadt Papst-Johannes-

Seite 8/12

Schule

155913 Münster, FÖ HK Hören und 4 Münsterlandschule Kommunikation

183490 Münster, FÖ KM Körperliche und 17 Regenbogen motorische Entwicklung

Netphen, Stadt 193653 Netphen, FÖ GG Geistige Entwicklung 10 Schule am Sonnen hang

Neuss, Stadt 185917 Neuss, FO GG Schule Geistige Entwicklung 9 am Nordpark

Nieheim, Stadt 188645 Nieheim, FÖ GG Geistige Entwicklung 9 Schule unterm Regenbogen

Nordkirchen 186363 Nordkirchen, FÖ GG, Geistige Entwicklung 35 KM Maximilian-Kolbe

Oberhausen, krfr. 185309 Oberhausen, FO GG Geistige Entwicklung 11 Stadt Schillerschule

195443 Oberhausen, FO KM Körperliche und 6 LVR-Chr.-Schlingensief motorische Entwicklung

Oelde, Stadt 187550 Oelde, FÖ KM Erich- Körperliche und 8 Kästner-Schule motorische Entwicklung

Olpe, Stadt 185723 Olpe, FÖ KM Max von Körperliche und 22 der Grün motorische Entwicklung

185735 Olpe, FO HK LWL Hören und 5 Kommunikation

Olsberg, Stadt 157892 Olsberg, FÖ KM Körperliche und 10 Schule an der Ruhraue motorische Entwicklung

Paderborn, Stadt 156980 Paderborn, FÖ SE Sehen 19 Pauline-Schule

183222 Paderborn, FÖ KM, KR Körperliche und 11 Liboriusschule motorische Entwicklung

184056 Paderborn, FO GG Geistige Entwicklung 15 Hermann-Schmidt

Pulheim, Stadt 184275 Pulheim, FÖ KM Körperliche und 1 Donatusschule motorische Entwicklung

Ratingen, Stadt 153217 Ratingen, FO GG Geistige Entwicklung 7 Helen-Keller

Recke 186405 Recke, FO GG Don- Geistige Entwicklung 27 Bosco-Schule

Recklinghausen, 186338 Recklinghausen, FO Geistige Entwicklung 20 Stadt GG Raphael-Schule

Reken 156097 Reken, FÖ KM Maria- Körperliche und 12 Veen motorische Entwicklung

Page 197: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

Rheine, Stadt 186387 Rheine, FO GG Geistige Entwicklung 23 Christophorusschule

Seite 9/12

Rietberg, Stadt 195133 Rietberg, FO GG Geistige Entwicklung 8 Wiesen

Rösrath, Stadt 154957 Rösrath,FOKM,ES,GG Körperliche und 2 Schule am Königsforst motorische Entwicklung

Sankt Augustin, 155081 Sankt Augustin,FÖ GG Geistige Entwicklung 7 Stadt Heinrich-Hanselmann

183751 Sankt Augustin, FÖ KM Körperliche und 11 Frida-Kahlo-Schule motorische Entwicklung

Siegen, Stadt 158276 Siegen, FÖ LE, ES Lernen 1 Pestalozzisch ule

186156 Siegen, FO GG Hans- Geistige Entwicklung 11 Reinhardt-Schule

Soest, Stadt 158355 Soest, FO GG Geistige Entwicklung 10 Bodelschwingh-Schule

Solingen, krfr. 152882 Solingen, FO GG Geistige Entwicklung 8 Stadt Wilhelm-Hartschen

Sprockhövel, 158010 Sprockhövel, FÖ GG Geistige Entwicklung 8 Stadt Schule Hiddinghausen

Steinfurt, Stadt 186480 Steinfurt, FÖ GG St.- Geistige Entwicklung 27 Elisabeth-Schule

Stolberg (Rhld.), 184597 Stolberg, FO GG Geistige Entwicklung 13 Stadt Regenbogenschule

Velbert, Stadt 184135 Velbert, FÖ GG Schule Geistige Entwicklung 10 Am Thekbusch

Viersen, Stadt 153590 Viersen, FÖ GG Geistige Entwicklung 11 Franziskus

Waltrop, Stadt 186302 Waltrop, FÖ GG Geistige Entwicklung 8 Oberwiese

Warburg, Stadt 157030 Warburg, FO GG, KM Geistige Entwicklung 26 Laurentius-Schule

Warendorf, Stadt 186739 Warendorf, FÖ GG Geistige Entwicklung 7 Heinrich-Teilen-Schule

Werl, Stadt 192910 Werl, FÖ KM Hedwig- Körperliche und 10 Dransfeld-Schule motorische Entwicklung

Wesei, Stadt 183404 Wesei, FÖ GG am Geistige Entwicklung 10 Ring

187926 Wesei, FO SQ, HK Sprache 2 Erich Kästner

Wetter (Ruhr), 158021 Wetter, FO KM Körperliche und 18 Stadt Oberlinschule motorische Entwicklung

Wettringen 156425 Wettringen, FO ES Emotionale und soziale 2

Page 198: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

Josefsschule Entwicklung

Wiehl, Stadt 154799 Wiehl, FO GG Helen- Geistige Entwicklung 6 Keller-Schule

187513 Wiehl, FÖ KM Hugo- Körperliche und 8 KOkelhaus-Schule motorische Entwicklung

Windeck 187653 Windeck, FÖ GG Geistige Entwicklung 4 Rosseier Str.

WipperfOrth, 154969 WipperfOrth, FÖ GG Geistige Entwicklung 4 Stadt Anne-Frank-Schule

Witten, Stadt 185334 Witten, FO GG Geistige Entwicklung 11 Kämpenschule

Wuppertal, krfr. 152900 Wuppertal, FO KM Körperliche und 3 Stadt LVR-Förderschule motorische Entwicklung

186089 Wuppertal, FO GG am Geistige Entwicklung 6 Nordpark

insgesamt 1.618

Quelle: Amtliche Schuldaten NRW

Zu b): Welche Qualifikationen bringen sie mit?

Fachlehrerinnen und Fachlehrer sind sonderpädagogisch ausgebildetes lehrendes Personal, das über die Kompetenzen der Planung und Durchführung von Förderprozessen verfügt und somit im Sinne der basalen Förderung, Förderpflege, Sicherung grundlegender Körperfunktionen, Vermittlung sog. Kulturtechniken oder gestalterisch­handwerklicher Unterrichtsinhalte unterstützend - in Teilbereichen auch selbstständig - tätig ist. Sie erfüllen die fachlichen Voraussetzungen für die erzieherische, pflegerische und unterrichtliche Tätigkeit beiSchülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Schwerpunkt Geistige Entwicklung oder Körperliche und motorische Entwicklung, die im Rahmen einer staatlichen Ausbildung (Dauer: 18 Monate) für einen Einsatz an den oben angegebenen Förderschulen an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) erworben werden.

Zu ihren Aufgaben, die sich auch aus der Durchführung des Ganztagsschulbetriebs an den Förderschulen Geistige Entwicklung sowie Körperliche und motorische Entwicklung ergeben, gehören unter anderem folgende unterstützende Tätigkeiten wie: Formen qualifizierter Mitarbeit in erzieherischen und unterrichtlichen Prozessen, einschließlich der Förderpflege; Durchführung von Freizeiterziehung; Herstellen spezifischer Lern- und Arbeitsmittel unter Anleitung; Pflege; Lebenspraktisches Training und Selbstversorgung;

Seite 10/12

Page 199: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

Zusammenarbeit mit Eltern, Kollegen und außerschulisch beteiligten Seite 11/12 Personen (zu verstehen als sonderpädagogisch verantwortliche Tätigkeit mit Schülerinnen und Schülern und anderen Beteiligten).

Grundsätzlich erfolgen die Tätigkeiten von Fachlehrerinnen und Fachlehrern vorwiegend als erzieherisch-unterrichtliches und pflegerisch-unterrichtliches Handeln - vornehmlich im Team mit Lehrkräften für Sonderpädagogik. Die unterrichtliche Tätigkeit erfolgt damit nicht in Eigenverantwortung, jedoch als eigenständig durchgeführte Aufgabe.

Die eingesetzten Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen verfügen im Rahmen ihrer Ausbildung über Qualifikationen, die sie in folgenden Bereichen erwerben (vgl. Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen und in der pädagogischen Frühförderung (APO FLFS) vom 25. April 2016):

1. Aspekte der Sonderpädagogik einschließlich Sozialpädagogik, 2. ausgewählte Aspekte der sonderpädagogischen Psychologie, 3. medizinische Aspekte, 4. Schul- und Beamtenrecht und 5. pflegerische Aufgaben.

Ferner werden in der theoretischen Ausbildung Fragen aus folgenden Gebieten behandelt:

1. Im Ausbildungsgang für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung:

a. fachliche und didaktisch-methodische Fragen des Unterrichts und der Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung intensivpädagogischer Förderung bei Schwerstbehinderung und

b. Gestaltung des Ganztagsbetriebes,

2. im Ausbildungsgang für den Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung:

a. fachliche und didaktisch-methodische Fragen des zielgleich oder zieldifferent zu gestaltenden Unterrichts und der Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung intensivpädagogischer Förderung bei Schwerstbehinderung und

b. Gestaltung des Ganztagsbetriebes,

3. im Ausbildungsgang für die pädagogischen Frühförderung im Förderschwerpunkt Sehen: fachliche und didaktisch-

Page 200: Neudruck - Landtag NRW: Start...17/4441 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 06.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen

methodische Fragen der pädagogischen Frühförderung und der Seite 12/12 speziellen ~örderung von Kindern mit einer Sehschädigung,

4. im Ausbildungsgang für die pädagogischen Frühförderung im Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation: fachliche und didaktisch-methodische Fragen der pädagogischen Frühförderung und der speziellen Förderung von Kindern mit einer Hörschädigung.

Das Berufsbild der Fachlehrerin und des Fachlehrers entspricht nicht dem einer universitär ausgebildeten Lehrkraft für Sonderpädagogik.

Die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung, die sich in einen theoretischen und schulpraktischen Teil gliedert, sind

• die Fachoberschulreife, • die bestandene Prüfung als Handwerks-, Industrie- oder

Hauswirtschaftsmeisterin oder -meister oder • eine Abschlussprüfung an einer Fachschule für Sozialpädagogik

sowie • eine laufbahnförderliche hauptberufliche Tätigkeit von

mindestens einem Jahr.

Die schulpraktische Ausbildung dient der Einübung in die Aufgaben der Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen. In der Ausbildung im Bereich der pädagogischen Frühförderung von Kindern mit einer Hör- oder Sehschädigung sind insbesondere die Aufgaben zu berücksichtigen, die sich in der Kindertagesstätte ergeben. Die gesamte schulpraktische Ausbildung erfolgt im Umfang von max. zwölf Wochenstunden.

Für eine Qualifizierung zur Lehrkraft für sonderpädagogische Förderung steht den Fachlehrerinnen und Fachlehrern an Förderschulen grundsätzlich die Möglichkeit eines Studiums zum Master of Education offen. Voraussetzungen sind eine Hochschulzugangsberechtigung und die Erfüllung der Anforderungen hochschulspezifischer Zulassungs­verfahren (in der Regel der Notendurchschnitt im Hinblick auf den Numerus clausus). Eine Anrechnung bisher erbrachter studienbezogener Leistungen im Rahmen dieser· oder einer früheren Ausbildung kann durch die Prüfungsämter der Hochschulen erfolgen. Dies wird bislang nur in Einzelfällen von Fachlehrkräften an Förderschulen wahrgenommen.

Zu c): Wie werden sie besoldet?

Die Besoldung der Fachlehrkräfte erfolgt nach dem nordrhein­westfälischen Landesbesoldungsgesetz (LBesG NRW) in den Besoldungsgruppen A9, A 10 und seit 2018 auch in A 11.

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Ministerium für

Schule und Bildungdes Landes Nordrhein-Westfalen

7

Ministerium für Schule und Bildung NRW, 40190 DÜsseldof 2 , 07.2019Seite 1 von 1

An die Vorsitzende des

Ausschusses für Schule und Bildungdes Landtags Nordrhein-WestfalenFrau Kirstin Korte MdL

Platz des Landtags 1400221 Düsseldorf

4ktenzeichen:

512.1.25.02.01-151102

bei Antwort bitte angeben

Auskunft erteilt:

Frau Ciric-Ristovski

Telefon 0211 5867-3132

Telefax 0211 , 5867-3220katharina ciric-

[email protected]

Ergänzung der Spalte ,,Lehrkräffe insgesamt in Personen" in dieTabelle zum Bericht zu TOP 7 (Vorlage 17/2201) im ASB am 03. Juli2019: ,,Fachlehrerinnen urid Fachlehrer an Förderschulen"

Anlage: Tabelle ,,Zahl der Fachlehrer/-innen an den öffentlichen undprivaten Förderschulen G/H - Schuljahr 2018/19", Ergänzungder Spalte ,,Lehrkräffe insgesamt in Personen"

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

im Schreiben vom 27. Juni 2019 bat Frau MdL Beer, die Ihnen bereitsvorliegende Tabelle um den Punkt ,,Lehrkräffe insgesamt" zu ergänzen.

Diese Ergänzung wurde vorgenommen.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die beigefügte Ergänzung den Mit-iederri des Ausschusses zur Information zuleiten würden.

Mit/frl dlichei'%f

Grüßen

Anschrift:

Völklinger Straße 4940221 Düsseldorf

Telefon 0211 5867-40

Telefax 0211 5867-3220

[email protected],nrw.devfföFGebauer

Öffentliche Verkehrsmittel:

S-Bahnen S 8, S 1 1 , S 28

(W51klinger Straße)Rheinbahn Linie 709

(Georg-Schulhoff-Platz)

Dietel
Parlamentspapiere
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- TOP 7 -

Fachlehrkräfte an Förderschulen

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- TOP 8 -

Mobile Digitalwerkstatt

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- TOP 8 -

Hat sich die Vergabe des Digitalbusses an den Grundprinzipien von Wettbewerb,Transparenz, Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit orientiert?

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- TOP 9 -

Sachstand International School Düsseldorf

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- TOP 9 -

Nichtöffentlicher Teil 

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- TOP 10 -

Sachstand International School Düsseldorf