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Neues Bauen in der frühen Moderne der Zentralschweiz und die · Die Schulanlage Dula in der Stadt Luzern ist aus drei Gründen ein besonders bedeutendes Pionierbauwerk aus der Frühzeit

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Abb. 1 Beromünster Gunzwil, Lan des sender Beromünster. Bau des neuen Sendeturms auf demBlosenberg. Aufnahme 1938.

Neues Bauen in der frühen Moderne der Zentralschweiz und die Gesamtrestaurierung der SchulanlageDula in der Stadt Luzern

InhaltClaus NiederbergerGedanken und Bilder zur Architektur des Neuen Bauens 32

Markus FurrerEinführung in die Geschichte der frühen Moderne in der ZentralschweizGesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur 44

Pino PilottoZur Anwendung bestimmter Formfindungsmethoden bei Pionierbauten aus der Frühzeit des Neuen Bauens in Luzern 49

Fabrizio BrentiniDas Gesamtwerk von Albert Zeyer 59

Otti GmürPrägungen und Netzwerk in Albert Zeyers Leben 67

Patrizia Solombrino und Claus NiederbergerDie Schulanlage Dula und ihre Geschichte 72

Hansjörg Emmenegger und Florian RauchÜberlegungen zur städtebaulichen und architektonischen Qualität der Schulanlage Dula 79

Hansjörg Emmenegger und Florian RauchKonzeption, Planung und Ausführung der Gesamtrestaurierung der Schulanlage Dula in zwei Etappen 85

Eugen BrühwilerFassaden und TragwerkIngenieurtechnische Aspekte bei der Wiederherstellung der Dauerhaftigkeit und Tragsicherheit 100

Wendel OdermattFarbuntersuchungen mit überraschendem ErgebnisLe Corbusier im Dulaschulhaus 103

Abkürzungsverzeichnis 107

Literatur- und Quellenverzeichnis (Auswahl) 107

Abbildungsnachweis 109

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«Die Zeit, in der diese Bauten entstanden sind, und sieselbst, als materielle Garanten für unser geschichtlichesBegreifen und zukunftgerichtetes Lernen, gehören inbesonderer Weise zu unserer kulturellen Identität.Ohne die Impulse dieser Zeit wären wir nachweisbarärmer. Dies zu erkennen ist Leistung der Bauten dieserEpoche für uns. Sie zu erhalten ist eigenes Interesse.»1

Die Schulanlage Dula in der Stadt Luzern ist aus dreiGründen ein besonders bedeutendes Pionierbauwerkaus der Frühzeit des Neuen Bauens in der Zentral-schweiz: 1. weil sie nicht nur funktional und gestal-terisch den grossen Umbruch in die Architektur derModerne dokumentiert, 2. weil mit diesem Projektnicht nur Gebäude auf dem Areal der Sälimatte er-gänzt wurden, sondern daraus unter Einbezug derAltbauten eine erste eindrucksvolle städtebaulicheGesamtkonzeption im Geist der Moderne geschaffenwurde und 3. weil daraus trotzdem eine eigenständi-ge und qualitätsvolle architektonische Synthese zwi-schen den Eigenarten der Altbauten des Historismusund den Neubauten der frühen Moderne verwirklichtwurde. Dies erstaunt, wenn man bedenkt, dass diesesProjekt der erste grosse Wettbewerbserfolg des jungenArchitekten Albert Zeyer war. In der Folge verfassteer verschiedene bedeutende Planungs- und Baupro-jekte im Geist des Neuen Bauens in unserer Region.2

Die Gesamtrestaurierung eines solchen bedeu-tenden Bauwerkes ist eine anspruchsvolle Heraus-forderung an alle, die an einem solchen Prozess be-teiligt sind und stellt viele zusätzliche Fragen für diespezielle gültige Antworten zu suchen sind. Wie wa-ren die Verhältnisse zu dieser Zeit in unserer Region?Welche Inhalte und welche Vorbilder waren im Neu-en Bauen wesentlich? Wer war der Architekt der Schul-anlage Dula? Welche Überlegungen waren für diePlanung und Ausführung der Bauzeit und die aktu-elle Gesamtrestaurierung dieses Bauwerkes massge-bend? Wie können konstruktive und gestalterischeSchäden am Bau in unserer Zeit wirkungsvoll gelöstwerden? Welche Erkenntnisse konnten aus der Farb-untersuchung gewonnen und für den aktuellen Bau-prozess mitberücksichtigt werden? Auf die meistenFragen konnten wir Antworten finden, die wir in die-

ser Publikation an die Öffentlichkeit weitergebenwollen, insbesondere weil wir weniger von den Scha-denbildern als von den grossartigen Qualitäten die-ses Pionierbauwerkes des Neuen Bauens beeindrucktsind. Das soll in den folgenden Beiträgen in Textenund Bildern dokumentiert werden. Die gefundenenAntworten sind umso wesentlicher, weil auch bei unsbedeutende Bauwerke der Moderne in der Öffent-lichkeit noch immer Stiefkinder der Baukultur sindund noch immer nicht die gleiche Akzeptanz alsschutzwürdige Baudenkmäler erhalten haben, wiedies den Baudenkmälern früherer Zeit- und Stilepo-chen selbstverständlich zugestanden wird.

Zur frühen Moderne

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich Europain einem breiten und grossen Umbruch in allen Be-

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Gedanken und Bilder zur Architektur des Neuen Bauens

Claus Niederberger

1 Mörsch Georg, Das Neue Bauen als Herausforderung an dieDenkmalpflege, in: UKdm 1990, S. 7.2 In der 1. Ausgabe der bedeutenden Publikation über das NeuenBauen «Moderne Schweizer Architektur» (Birchler 1938–1947) istAlbert Zeyer der einzige Architekt aus der Zentralschweiz, von demzwei Bauwerke dokumentiert werden: die Schulanlage Dula unddas Wohn- und Atelierhaus Blaesi in Luzern.

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reichen. Er beruhte auf epochalen Erkenntnissen inder Wissenschaft, der Technik, der Kultur und denpolitischen und wirtschaftlichen Errungenschaftender Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert. Es war fürEuropa ein politisch und sozial äusserst instabilerZeitabschnitt. Das Ende des Ersten Weltkrieges brach-te nicht nur eine politische Revolution, die meistenMonarchien mussten ihre politische Herrschaft andemokratische Staatsstrukturen abgeben. Politische,soziale und kulturelle Umwälzungen erzwangen einenNeuanfang – die so genannten Goldenen Zwanziger-jahre –, der durch die Ereignisse und Auswirkungender Weltwirtschaftskrise 1929, den Nationalsozialis-mus und insbesondere den Zweiten Weltkrieg in we-sentlichen Bereichen unterbrochen wurde.

Im Bereich der Kultur engagierten sich in die-sem Zeitabschnitt die Pionierkräfte der frühen Mo-derne, vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten.Verschiedenen Reformbewegungen mit unterschied-lichen Vorstellungen und mit unterschiedlichen Ge-wichtungen kämpften für einen gesellschaftlichenUmbruch und eine Neugestaltung Europas, die spe-ziell Deutschland, Österreich und Holland, Italien,

Frankreich, England sowie Osteuropa und Russlanderfassten. Diese Bewegungen basierten auf dem gros-sen Vertrauen in die neuen Errungenschaften derWissenschaft und Technik, auf der Bejahung desNeuen und auf dem erklärten Willen mit zweckmäs-sigen Konstruktionen die unterschiedlichen Gestal-tungsinhalte und Gestaltungsformen zu vereinfachen.Technik, Kunst und Architektur sollten zusammen-wirken und im Produkt zu einer Einheit werden. Wiekaum in einer andern Epoche beschäftigten sich dieVertreter der Avantgarde der Frühen Moderne mitgemeinsamen Lösungsfindungen.

Die Stadt war schon immer eine Hochburg fürgesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Schon in

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Abb. 2/3 Luzern, Schul -anlage Dula, projektiert 1930 und gebaut 1932/33 von Architekt Albert Zeyer, ein besonders eindrucksvolles öffentliches Pionierbauwerkdes Umbruches und des Neuen Bauens in der Zentral-schweiz. Ansicht des Schul -gebäudes und der Turnhallevon der Bruchstrasse.Aussenauf nahme um 1933(3, SALU, F2 PA 08/05).

Abb. 4 Luzern, Kunst- undKongresshaus. Führung von Konrad Farner durch dieAusstellung von Paul Klee imKunstmuseum Luzern 1936.

Abb. 5/6 Luzern, Kunst- undKongresshaus. Gesellschafts-abend der KunstgesellschaftLuzern im Kunstmuse um Lu-zern 1936 (LNN vom 3. März1936): die festliche Jahresver-sammlung (mitte) und Foto-montage (unten) mit Bildnis-sen von Konservator PaulHilber und den Künstlern, diean der Ausschmückung derFesträume Anteil hatten.

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früheren Zeiten mussten sich auch aus unserer Regi-on Wissenschaftler, Künstler, Architekten und Hand-werker im Ausland weiterbilden, vorwiegend in denangrenzenden europäischen Staaten. Bevorzugte Ortedafür waren die Städte Berlin, Wien, München, Parisund Rom. Dies war zur Zeit der frühen Modernenoch immer aktuell. Auch Albert Zeyer verliess Lu-zern, um in Deutschland berufliche Erfahrungen zusammeln. Verstärkt wurde der kulturelle Austauschnoch durch die Aufenthalte aus dem Kreis der euro-päischen Avantgarde in der Schweiz während denbeiden Weltkriegen. Beides hat das Verständnis fürdie Inhalte und die Bewegungen der frühen Moder-ne inhaltlich wesentlich bereichert. Als Beispiele sei-en die Architekten Mart Stam (Holländer) und ElLissitzky (Russe) erwähnt, die zusammen mit denSchweizern Hans Schmidt und Emil Roth die Zeit-schrift «ABC – Beiträge zum Bauen» herausgaben.

Auch in der Schweiz fanden in verschiedenenStädten Aktivitäten zum Thema der frühen Modernestatt. Zürich war die kulturelle, künstlerische Hoch-burg dieser Bewegung in der Schweiz. Aber auch Lu-zern leistete zur Geschichte der avantgardistischenKunst in der Schweiz während den 30er-Jahren we-sentliche Beiträge (Ausstellungen, Führungen undDiskussionen). Im 1933 eröffneten Kunsthaus fand1935 die erste internationale Kunstausstellung «The-se – Antithese – Synthese» in der Schweiz statt. Sie um-fasste vorwiegend Werke von Pariser Surrealisten,Abstrakten und Konstruktivisten und war eine derfrühen grossen Demonstrationen avantgardistischerKunst in der Schweiz und fand entsprechend grosseBeachtung. Die Ausstellung wurde auf Initiative vonKonrad Farner und dank Künstlerkontakten vonHans Erni verwirklicht. Weitere Ausstellungen zeig-ten 1936 das Schaffen von Paul Klee, Fritz Huf undLouis Moillet und «Junge Schweizer Kunst», 1937Werke von Max von Moos, Heinrich Danioth undEugen Püntener und der modernen Kunst in derWestschweiz. Erstmalig fanden auch 1938 die «Inter-nationalen Musikfestwochen» im Kunst- und Kon-gresshaus statt.3 Die Künstler und die interessierteÖffentlichkeit unserer Region erhielten dadurch Ein-blick in das internationale Kunstschaffen.

Zu dieser Epoche des Umbruches und der Neu-orientierung sind die folgenden Gruppen, Bewe-gungen und Bezeichnungen zu zählen: der Jugend-stil, der Konstruktivismus, der Expressionismus, DeStijl, der Deutsche Werkbund, das Bauhaus, NeuesBauen, Neue Sachlichkeit, Internationaler Stil, Ra-tionalismus.

Zum Neuen Bauen

Aus der anspruchsvollen idealistischen Weltanschau-ung der Frühen Moderne wurden auch ein neuerStädtebau und eine neue Architektur entwickelt. Die

Architektur des Neuen Bauens bewegte sich im Zeit-raum von den 20er- bis Ende der 30er-Jahre des20. Jahrhunderts und endete in den betroffenen Län-dern in den Wirren des Zweiten Weltkrieges. Bei unswird die Architektur der frühen Moderne unter derBezeichnung Neues Bauen zusammengefasst. «Diedreissiger Jahre waren für die neue Architektur und für

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Abb. 7/8 Luzern, Adligens -wilerstrasse 31. Wohn- und Atelierhaus Blaesi von ArchitektAlbert Zeyer 1937/38. Dieseskleine Bauwerk gehört in seinerKategorie zu den bedeutendstenBaudokumenten des Neuen Bauens in der Schweiz. In ihmwurden die Grundsätze und Proportionen in der Definitionvon Le Corbusier beispielhaft verwirklicht. Aufnahmen 1938

(8, SALU, F2 PA 08/04).

3 Vgl. Marfurt-Elmiger Lisbeth, Museumsarbeit nach 1933, in:Die Luzerner Kunstgesellschaft 1819–1933, S. 199.

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unser gesamtes geistiges und kulturelles Leben undSchaffen eine ausserordentlich wichtige Periode. DieAuseinandersetzungen mit den Grundfragen dermenschlichen Existenz und der Gemeinschaft basiertenauf dem festen Glauben an die neue Zeit und darauf,dass dem Menschen durch vernunftgemässe, schöpferi-sche Umweltgestaltung der dem wahren Sinn des Le-bens entsprechende Entfaltungsraum gegeben werdenkönne.»4 Nach den Grundvorstellungen der Moder-nen Architektur war eine Bauaufgabe aus ihrer inne-ren Funktion zu entwickeln, in struktureller Klarheitzu konzipieren, rationell zu lösen sowie mit den neu-en Möglichkeiten von Materialien und Technikensachlich und einfach zu gestalten. Die Räume solltenvon Licht und Sonne durchflutet und flexibel orga-nisiert sein. Dazu sollten auch die Möglichkeiten derVorfabrikation und seriellen Produktion für die Er-stellung von Gebäuden und Einrichtungen im Sinne

einer Ökonomisierung des Bauens genutzt werden.Städtebau und Bau sollten das Ergebnis einer ratio-nalen Synthese von Funktion, Nutzung, Konstrukti-on, Form und Gestalt sein. Das Erscheinungsbild desNeuen Bauens war in der Regel geprägt durch klare,einfache Kuben, rationelle Grundrisse, asymmetri-sche Kompositionen, schwebende Baukörper, grosseÖffnungen, Flachdächer, Verwendung von neuzeitli-chen Konstruktionen, Verzicht auf Ornament undPro filierung und Vorliebe für vorwiegend helle Far-ben. Le Corbusier drückte diese Forderungen kurzund radikal aus: «Das Haus ist eine Maschine zumWohnen.»5

Das Neue Bauen wurde nicht primär als ein neu-er Stil, sondern als ein gesellschaftliches Programmverstanden. Architektur und Städtebau sollten der ge-samten Bevölkerung dienen und ausdrücklich auchBestandteil einer gesellschaftspolitischen Aufgabe seinund deshalb bewusst auch sozial orientierten Woh-nungsbau berücksichtigen. Während die einen Ar-chitekten und Künstler sich mehr für evolutionäreLösungswege im kulturellen, gesellschaftlichen undpolitischen Umfeld einsetzten, war für die andern einradikaleres Vorgehen für die Umsetzung dieser Ziel-vorstellungen erforderlich. Viele Pionierarchitektender Frühen Moderne engagierten sich ganzheitlich,das heisst auch gesellschaftlich und politisch: Es gingihnen um den neuen Menschen, die neue Gesell-schaft, den neuen Bau, die neue Stadt, die neue Kunst.Ihr Tun sollte als Basis für humane und soziale Ent-wicklungen und gesellschaftlichen Fortschritt genutztund in einer neuen Gesellschaftsordnung verwirk-licht werden. Auch in diesem Sinn ist Albert Zeyerein hervorragendes Beispiel.

Das architektonische Schaffen im Sinne des Neu-en Bauens war seit Beginn der 20er-Jahre des 20.Jahrhunderts in Europa ein bevorzugtes Thema derAvantgarde und hatte seit Ende der 20er-Jahre undvor allem in den 30er-Jahren auch in der Schweiz undin unserer Region Beachtung gefunden. «Die Verbin-dung von technischer Sauberkeit, konstruktiver Klar-heit und menschlicher Schlichtheit, wie sie die schöns-ten Merkmale der modernen Architektur sind, machtdiese Bewegung geradezu zum Ausdruck wesentlichsterEigenschaften unseres Landes!»6 Zu den ersten mo-dernen Pionierkonstruktionen in der Art des NeuenBauens gehören in unserem Land seit Ende des 19.Jahrhunderts Werke von Bauingenieuren im Bereichvon Brücken, Industriegebäuden und Pilzdecken. Alsbedeutendster Vertreter der Schweiz sei Robert Mail-lart (1872–1940) erwähnt.

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Abb. 9 Luzern, Kantons -spital, Medizin II. Der Bauwurde um 1934 erstellt: Sonnenterrasse mit geöff -neten Fensterfronten im Obergeschoss. Im Sinne des Neuen Bauens soll mit vielLicht, Sonne, Ruhe und präch -tiger Sicht auf Stadt, Land und Berge die Erholung der Patienten gefördert werden.Aufnahme aus der Bauzeit.

Abb.10 Luzern, Burgerstras-se 22, Haus Burgertor. Pro-jektiert und gebaut 1930/31von Architekt Armin Meili. Aufnahme während den Bau -arbeiten: Armieren einer Ge-schossdecke während der Aus-führung. Im Hintergrund: dieFranziskaner- und die Jesuiten-kirche (SALU, F2a/Strassen/Burgerstrasse 22).

4 von Moos Stanislaus, Stichworte zur Schweizer Architektur derdreissiger Jahre, in: Dreissiger Jahre Schweiz 1981, S. 130.5 Le Corbusier 1977 (1923), S. 73: «Une maison est une machineà habiter.»6 Birchler 1938–1947.

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Wesentlichen Einfluss für den Wandel zum Neu-en Bauen hatten die beiden Professoren an der ETHin Zürich: Hans Bernoulli (1876–1959) und Karl Mo-ser (1860–1936), die von 1913 bis 1938 respektive von1915 bis 1928 an dieser Hochschule tätig waren. «Dieneuen Professoren führten die Architekturschule ausder Isolation heraus. Moser prägte mit seiner Lehr -tätigkeit die Mehrzahl der später führenden Modernender Schweiz»7, unter denen sich auch Albert Zeyer be-fand. Wesentliche Beiträge zur Diskussion und zumVerständnis in der Schweiz haben die folgenden Or-ganisationen beigetragen: der Bund Schweizer Ar-chitekten BSA, der Schweizerische Werkbund SWB,der Schweizerische Ingenieur- und Architektenver-band SIA, die Internationalen Kongresse für NeuesBauen CIAM und die Freunde des Neuen Bauens.Das Gleiche gilt für die Publikationen: «das Werk»(BSA/SWB), «ABC – Beiträge zum Bauen», «Weiter-bauen» (CIAM) und verschiedene Ausstellungskata-loge zum Thema der Zürcher Kunstgewerbeschule.Wie begeistert diese Ideen aufgenommen wurdenund in Erinnerung blieben, zeigt der rückblickendeAufsatz des Zürcher Pionierarchitekten Carl Huba-cher aus dem Jahr 1981: «Wir fühlten uns alle ver-pflichtet, nach Auswegen, nach Besserung und Mensch-lichkeit und Sorgfalt zu suchen, auch in unserertäglichen Arbeit. […] Wir glaubten mitgehen zu sol-len, müssen und dürfen mit den in Literatur, dar -stellender Kunst und Musik jener – unserer! – Tage aus gedrückten Lebenshaltung, Lebensform, Überzeu-gung, Ethos im weitesten Sinn. Wir suchten und pro-pagierten Öffnung des Verstandes, Öffnung des Mit -leidens, Öffnung aller verhärteten überkommenen,entleerten Formen. […] Bauen war für uns ein Teilunseres Lebens. Ein Ausschnitt eines unteilbaren Gan-zen […].» 8

«Die Ausbreitung der neuen Gestaltungsprinzi-pien vollzog sich verhältnismässig rasch durchs gan-ze Land, trotz Baukrise und Widerstände verschie-denster Art.»9 Trotzdem blieb die gestalterische undpolitische Philosophie des Neuen Bauens weitgehendin den Köpfen der kulturellen Avantgarde stecken. ImBereich des Siedlungsbaues wurden in der Schweiznur vereinzelt städtebaulich bedeutende Gesamtan-lagen dieser Art geschaffen, insbesondere in Basel(Wohnsiedlung Schorenmatten 1929 und WOBA-Siedlung 1930) und Zürich (Siedlung Neubühl 1930–32). Ein städtebaulich einmaliges Dokument ist dieStadterweiterung von Biel (Überbauung des Gebieteszwischen Altstadt und neuem Bahnhof 1925–45). Inun serer Region wurden zumeist bestehende Siedlun-gen erweitert (in Luzern «Himmelrich» 1925–1934durch die ABL und «Geissenstein» 1930–1935 durchdie EBG). Mehr Bauwerke, die der Moderne verpflich -tet waren, wurden in Bereichen öffentlicher Bautenund Anlagen (z.B. Industriebauten, Verwaltungs- undSozialbauten, Schulhäuser, Spitäler, Heimen, Kir-chen) und privater Wohn- und Geschäftsbauten so-wie Einfamilienhäuser errichtet. Im Gegensatz zufrüheren Stilepochen sind jedoch breite Bevölke-rungsschichten den Vorstellungen, Produkten undBauwerken der frühen Moderne skeptisch bis ableh-nend begegnet. Die Bauwerke wurden im allgemei-nen Empfinden in ihrem formalen Ausdruck zu tech-

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Abb. 11 Luzern, Tribschen-strasse 51, Gewerbegebäu de,erbaut 1933 von Architekt Carl Mossdorf. Ein architektur-geschichtlich besonders in -teressantes Haus, weil auch indiesem einfachen Zweckbaualle Grundsätze des NeuenBauens in der Prägung von Le Corbusier perfekt verwirk-licht worden sind. Die histo -rische Aussenaufnahme zeigtdie sensible gestalterischeUm setzung im Bauwerk. Auf-nahme um 1933.

Abb.12 Luzern, Tribschen-strasse 51, Gewerbegebäu de,erbaut 1933 von Architekt Carl Mossdorf. Allein die ver -änderte schematische Fens -tergestal tung dokumentiert,eindrücklich wie auch bedeu-tende Bauwerke des NeuenBauens durch unsensible Eingriffe baulich nachteilig verändert werden können. Aufnahme des heutigen Zu-standes um 1985.

7 Allenspach Christoph, Der Umbruch zum neuen Bauen, in: Ar-chitektur in der Schweiz, Bauen im19. und 20. Jahrhundert, Zürich1998, S. 48.8 Hubacher Carlo (1897–1990), Bauen in Zürich um 1930, in: Um1930 in Zürich – Neues Denken Neues Wohnen Neues Bauen, Zü-rich 1977.9 Roth Alfred, Zur neuen Schweizer Architektur der dreissigerJahre, in: Dreissiger Jahre Schweiz 1981, S. 129.10 Vgl. Wyss Alfred, Die zwanziger Jahre. Akzeptanz und Zeit-grenze, in: UKdm 1990, S. 88ff.

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nisch, zu kahl, zu karg, zu kalt, zu wenig zierlich, kurzals nicht wohnlich und nicht schön bewertet.10Dabeiwurde verkannt, dass das Neuen Bauen doch aus derIdee und dem Willen geschaffen wurde mehr Men-schen und der Gemeinschaft bessere, zweckmässige-re, gesündere und wohnlichere Verhältnisse in allenBereichen der Siedlungsentwicklung, des Wohnens,des Arbeitens, der Freizeit und des Verkehrs, zu schaf-fen. Neue Techniken und Materialien sollten solcheprivaten und öffentlichen Aufgaben rationaler öko-nomischer und gestalterisch qualitätsvoller lösen.Das Gleiche ist sinngemäss auch bei der Planung undDurchführung eines Restaurierungsprozesses zu be-achten. «In der architektonischen Konsequenz repräsen -tieren die gemäss diesen Grundsätzen entstandenenBauten eine Ästhetik der Sparsamkeit in je individu-eller Ausformung, deren architekturgeschichtliche Be-

deutung sich nur denjenigen aufschliesst, die sie in ih-rem gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungs-zusammenhang zu lesen versteht. Wer heu te aus einemfalsch verstandenen ‹form follows function› einen Frei-pass im Umgang mit der architektonischen Substanzdes neuen Bauens meint ableiten zu dürfen, sitzt einemfatalen Irrtum auf: die Architektur des neuen Bauenshat eine ästhetische Form von empfindlicher Qualität,die denkmalpflegerische Sorgfalt verdient und verlangt,auch wenn diese Werte noch nicht kulturelles Allge-meingut sind.»11 Sie wurden in der Praxis jedoch vor-wiegend im Bereich der traditionellen, heimatlichenGestaltung angewandt, zum Beispiel der Chaletbau imHeimatstil. «Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieIdee des rationellen Bauens von den Modernisten kamund von den Traditionalisten verwirklicht wurde.»12

Das gesellschaftliche und gestalterische Pro-gramm des Neuen Bauens stand in offenem Wider-spruch zur reaktionären heilen Weltanschauung imdamaligen Europa und wurde deshalb als etwas Un-gewohntes, Unvertrautes, Fremdes gezielt verketzert.Es ist nicht gelungen diese Inhalte in einer breiten Öf-fentlichkeit zu verankern. Die Landi 1939 erwies sichdazu als eine wirkungsvolle öffentliche Manifestati-on gegen das Programm des Neuen Bauens und hat-te erhebliche Folgen für das öffentliche Verständnisder Baukultur. Auch wenn sich in den folgenden Jahr-zehnten die architektonischen Auffassungen, teilweiseauf unterschiedlichen Wegen weiterentwickelt haben,so ist das Neue Bauen doch eine epochale Neuorien-tierung in der Architektur des vergangenen 20. Jahr-hunderts und deshalb noch immer ein wesentlicher,fachlich kultureller Qualitätsmassstab für Gestal-tungstendenzen in unserer Zeit. Dies gilt heute in ei-nem besonderen Mass, weil noch nie zuvor so viel inso kurzer Zeit und vielfach in so bescheidener Qua-lität verändert und gebaut worden ist, wie bei uns inden letzten Jahrzehnten.

Wer sich über die Zeit der frühen Moderne unddas Neue Bauen in unserer Region weiter informie-ren will, sei speziell auf einzelne Publikationen auf-merksam gemacht.13Die folgenden Bilder dokumen -tieren die Anfänge und Bauentwicklung des NeuenBauens aus dem internationalen, nationalen und re-gionalen Raum, vorwiegend aus den 1930er-Jahren.Sie mögen zur Auseinandersetzung mit diesen interes -santen Leistungen in der Baukultur, den Siedlungen,den Bauwerken und ihren Architekten animieren.

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Abb.13 Paris, Pavillon Suisse der Cité Universitaire. Im Mai 1932 Montage der Stahl-konstruktion des Pa villon Suisse der Cité Universitaire,die von der Krienser Firma Bellfür die Architekten Le Corbu-sier und Pierre Jeanneret berechnet und geplant wurde.Das Beispiel zeigt eindrücklich,wie interessant und ökono-misch mit vorfabrizierten Kon-struktionselementen gebautwerden kann (StALU, FDC

26/574).

Abb.14 Paris, Pavillon Suisse der Cité Universitaire.Das vollendete Bauwerk der Architekten Le Corbusier undPierre Jeanneret (StALU, FDC

26/574).

11 Huber Dorothee, Ein Fall von fortschreitender Zerstörung: DieSiedlung Schorenmatten in Basel (1929), in: UKdm 1990, S. 10.12 van Orsouw Michael, Neues Bauen. Das Flachdach und das Cha-let, in: van Orsouw/Vogel 2005, S. 189.13 Gerster/Helbling/Gut 2008; van Orsouw/Vogel 2005; von MattBeatrice/Köpfe Peter, Klänge und Geschichten. Zur literarischenKultur der Innerschweiz, Luzern 2004; Ineichen/Zanoni 1985;Brentini 2004; Gmür Otti, Architekturführer Stadt Luzern, Luzern2003; Gmür Otti, Architekturführer Kanton Luzern, Luzern 2006;Heinz Horat, Bauen am See, Luzern 2000.

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Abb.15Technik- und Industriebauten

International1 Berlin D, AEG Turbinenhalle, 1909,Architekt Peter Behrens.

2 Alfeld an der Leine D, Fagus-Werk, 1911, Architekten Walter Gropius und Adolf Meyer.

3 Orbetello I, Flugzeughangar,1939–42, Ingenieur Pier Luigi Nervi.

4 New York City USA, George Washington Brücke über Hudson River, 1927–31, Ingenieur OthmarH. Ammann.

5 Paris Orly F, Luftschiffhalle, 1921–24, Architekt Eugène Freyssinet.

6 Beeston bei Nottingham GB,Chemicals Factory, 1930–32, Architekt Sir E. Owen Williams.

National7 Tavanasa Graubünden, Rhein -brücke, 1905, Ingenieur Robert Maillart.

8 Zürich, Zementhalle an der Landi,1939, Ingenieur Robert Maillart mitArchitekt Hans Leuzinger.

9/10 Schiers Graubünden, Salgina -tobelbrücke, 1930, Ingenieur RobertMaillart.

11 Biel, ehem. Montagewerk General Motors Suisse, 1935, Architekten Rudolf Steiger, Carl Hubacher und Stadtbauamt Biel.

12 Muttenz, Bahnhof SBB, 1931,Architekt Alfred Ramseyer.

13/14 Basel, Betriebsgebäude derHoffmann-La Roche, 1937, Architekt Otto Rudolf Salvisberg.

Regional15 Wolhusen, Mäderslehnbrückeüber die Emme, 1912, IngenieureJäger und Bolliger, Zürich.

16 Root, Papierfabrik Perlen, Holländergebäude, vor 1914, Ingenieur unbekannt.

17 Flüelen, Bahnhof SBB, 1942, Architekt Alfred Ramseyer.

18 Luzern, Gewerbegebäude Trib-schen, 1933, Architekt Carl Mossdorf.

19 Innerthal SZ, Schrähbachbrücke,1924, Ingenieur Robert Maillart.

20 Beromünster Gunzwil, Schwei-zerischer Landessender mit Sende -türmen Blasenberg, 1931, ArchitektJakob Ott, Ingenieur Carl Erni.

21 Sarnen, Strohhutfabrik Erweiterungsbau, 1930, ArchitektEmil Wessner.

22 Altdorf, Fabrikationshalle der Firma Dätwyler, 1939–40, ArchitektOtto Rudolf Salvisberg.

Abb.16Siedlungsbauten

International1 Wien A, Siedlung Karl Marx Hof,1927–30, Architekt Karl Ehn.

2 Dessau D, Bauhaus, 1925–26, Architekt Ludwig Mies van der Rohe.

3 Amsterdam-West NL, Wohn -gebäude am Hoofdweg, ArchitektHendricus Theodorus Wijdeveld.

4 Berlin D, Grosssiedlung Britz(Hufeisensiedlung), 1925–30, Architekten Bruno Taut und MartinWagner.

5 Stuttgart D, Weissenhof-Siedlung,1927, Architekten Ludwig Mies van der Rohe, Victor Bour geois, Le Corbusier, Josef Frank, JacobusJ.P. Oud und Mart Stam.

6 Klampenborg DK, Siedlung Bellavista, 1934–35, Architekt Arne Jacobsen.

National7 Möhlin, Bata-Werksiedlung,1932–38, Architekt Hannibal Naef.

8 Genf, Cité Vieusseux, 1930–31,Architekt Maurice Braillard.

9 Basel, Wohnsiedlung WOBA,1930, Architekten Paul Artaria &Hans Schmidt, Hans Bernoulli, Maurice Braillard, Karl Egender,Hans Hofmann, Walter M. Moser,Emil Roth.

10 Zürich, Siedlung Neubühl, 1930–32, Architekten Paul Artaria & Hans Schmidt, Max Ernst Haefeli,Carl Hubacher, & Rudolf Steiger,Werner M. Moser & Emil Roth.

11 Biel, Städtebauliche SanierungBahnhofquartier, 1924–40, Archi -tekten Maurice Braillard, Hans Bernoulli, Alphon se Laverrière und Stadtbaumeister Otto Schaub; inder Bildmitte das Volkshaus, 1930–32, Architekt Eduard Lanz.

12 Winterthur, Siedlung Leimen -egg, 1930–32, Architekt HermannSiegrist.

13 Zürich, Musterhäuser an derWasserwerkstrasse, 1928, ArchitektMax Ernst Haefeli.

Regional14 Luzern, Wohnsiedlung ABL,1926–31, Architekt Otto Schärli sen.

15 Luzern, Dorfsiedlung Geissen-stein der EBG mit Zentrumsbau,2. Bauetappe 1932, Architekt WernerRibary.

16 Luzern, Wohnsiedlung Geissmatt,1935–36, Architekt Carl Mossdorf.

17 Emmen, Siedlung Feldbreite der Firma Schindler, 1. Bauetappe1928–29, Mehr familienhaus, Architekt Armin Meili.

18 Zug, Reiheneinfamilien häuserBleichimatt, 1931, Architekt HeinrichPeikert.

19 Zug, Reiheneinfamilien häuserim Gröbli, 1932, Architekt HeinrichPeikert.

Abb.17Öffentliche Bauten

International1 Göteborg S, Erweiterungsbau des Rathauses, 1934–37, ArchitektGunnar Asplund.

2 Suresnes F, Ecole en plein air, 1935–36, Architekten EugèneBeaudouin & Marcel M. Lods.

3 Paris F, Pavillon Suisse der CitéUniversitaire, 1933, Architekten Le Corbusier und Pierre Jeanneret.

4 Como I, Casa del Fascio,1933–35, Architekt Giuseppe Terragni.

5 Clichy F, Maison du Peuple,1937–39, Architekten Eugène Beau-douin & Marcel Lods, Jean Prouvé.

6 Viipuri FIN, Public Lib ra ry, 1932–35, Architekt Alvar Aalto.

National7 Bern, Institute der Universität mit Hörsälen, 1928–31, ArchitektenOtto Rudolf Salvisberg und OttoBrechbühl.

8 Baden, Verwaltungs- und Werk -gebäude der Städtischen Werke,1932–33, Architekten Robert Lang,Hans Loepfe.

9 Bern, Gewerbeschule, 1937–38,Architekt Hans Brechbühler.

10 Bern Lory-Spital, 1924–29, Architekten Otto Rudolf Salvisbergund Otto Brechbühl.

11 Braunwald, Berghaus Ortsstock,1931, Architekt Hans Leuzinger.

12 Lugano, Biblioteca Cantonale,1937–40, Architekten Carlo undRino Tami.

13 Zürich, Freibad Allenmoos,1938–39, Architekten Max ErnstHaefeli, Werner M. Moser.

Regional14 Luzern, Schulanlage Dula,1930–33, Architekt Albert Zeyer.

15 Luzern, Kaserne Allmend (heuteAAL), 1934–35, Architekt ArminMeili.

16 Luzern, ehemalige AnlageStrandbad Lido, 1929 Architekt Arnold Berger.

17 Luzern, Kantonsspital Medizin II,1934, Architekten Heinrich Auf derMaur und Hermann Klapproth.

18 Luzern, Kantonsspital Patho -logisches Institut, 1932, ArchitektHeinrich Auf der Maur.

19 Luzern, Schifflande brücke amBahnhofplatz, 1936, Architekt ArminMeili.

Abb.18Kirchen- und Kultbauten

International1 Paris F, Notre Dame Le Raincy,1923, Architekt Auguste Perret.

2 Dortmund D, Nikolai kirche, 1930,Architekten Peter Grund und KarlPinno.

3 Köln D, St. Engelbertkirche, 1932,Architekt Dominikus Böhm.

4 Lourtier F, Notre Dame du BonConseil, 1932, Architekt Alberto Sartoris.

5 Aachen D, Fronleichnamkirche,1930, Architekt Rudolf Schwarz.

National6 Basel, Antoniuskirche, 1927, Architekt Karl Moser.

7 Zürich, St. Theresienkirche,1932–33, Architekt Fritz Metzger.

8 Basel, St. Johanneskirche,1934–36, Architekten Karl Egender,Ernst F. Burckhardt.

9 Oberdornach, Pfarrkirche St. Mauritius, 1937–39, ArchitektenHermann Baur und Vinzenz Bühl-mann.

10 Basel, Versammlungsraum der First Church of Christ, Scientist,1935–36, Architekt Otto Rudolf Salvisberg.

Regional11 Luzern, St. Karl Kirche, 1933–34,Architekt Fritz Metzger.

12 Emmen, Kirche Gerliswil,1933–34, Architekt Albert Zeyer.

13 Zug, Kirche Guthirt, 1936–37, Architekten Alois Stadler, Walter F.Wilhelm.

14 Luzern, Lukaskirche mit Ge-meindehaus, 1933–35, ArchitektenAlfred Möri und Karl Friedrich Krebs.

15 Engelberg, Kapelle auf Trübsee,1935, Architekt Arnold Stöckli.

Page 10: Neues Bauen in der frühen Moderne der Zentralschweiz und die · Die Schulanlage Dula in der Stadt Luzern ist aus drei Gründen ein besonders bedeutendes Pionierbauwerk aus der Frühzeit

Abb.19

International1 Wien A, Wohn- und Geschäfts-haus Goldman & Salatsch,1909–1911,Architekt Adolf Loos.

2 Rotterdam NL, Café De Unie,1924–25, Architekt Jacobus J.P. Oud.

3 Como I, Wohnblock Novocomum,1927–29, Architekt Giuseppe Terragni.

4 Brighton GB, Embassy CourtFlats, 1934, Architekt Wells Coates.

5 Rotterdam NL, Wohn-Hochhäuser«Bergpolder», 1933–34, ArchitektenW. van Tijen, Brinkmann & van derVlugt und W. van Tijen & H.A. Maas-kant.

6 Prag CZ, Messepalast, 1924–28,Architekten Oldrich Tyl und JosefFuchs.

7 Berlin D, Shell-Haus (heute Bewag-Verwaltungsgebäude),1930–32, Architekt Emil Fahren-kamp.

8 Prag CZ, Immeuble d’affaires,1932–34, Architekten Josef Havlicekund Karel Honzik.

National9 Basel, «Wohnhaus zum neuenSinger», Haus für alleinstehendeFrauen, 1928–29, Architekten PaulArtaria, Hans Schmidt.

10 Zürich, Musterhäuser an derWasserwerkstrasse, 1928, ArchitektMax Ernst Haefeli.

11 Zürich, Doldertalhäuser, 1932–36, Architekten Alfred Roth,Emil Roth, Marcel Breuer.

12 Schaffhausen, Neues Verwal-tungsgebäude der Firma Georg Fischer, 1930–31, Architekt Karl Moser.

13 Ascona, Albergo Monte Verità,1926–28, Architekt Emil Fahren-kamp.

14 Basel, Wohnhaus «ParkhausZossen» St. Alban Anlage, 1935–38,Architekten Otto Senn, Rudolf Mock.

15 Genf, Maison Clarté, 1931–32,Architekten Le Corbusier und PierreJeanneret.

16 Arosa, Umbau Hotel Hohen fels,1931, Architekt Jakob Licht.

17 Zürich, Wohn- und Geschäfts-haus Zett, 1930–32, Architekten Carl Hubacher und Rudolf Steiger.

Regional18 Luzern, Wohn- und Geschäfts -haus Burgertor Burgerstrasse,1930–31, Architekt Armin Meili.

19 Luzern, Wohn- und Geschäfts-haus Reber Moosmattstrasse, 1936,Architekt Albert Zeyer.

20 Luzern, Mehrfamilienhaus Estermann Sälihalde, 1929, Architekt Albert Zeyer.

21 Luzern, Haus Marfurt Berg -strasse, 1928, Architekt Armin Meili.

22 Zug, Eckhaus an der Schanz,1928, Architekt Max Schneebeli.

23 Luzern, Wohn- und Geschäfts-haus mit Post Bunde strasse Claridenstrasse, 1932, Architekt Augusto Guidini.

24 Luzern, Wohn- und Geschäfts-haus Werchlaube in der Altstadt,1934, Architekt Arnold Berger.

25 Luzern, Wohn- und Geschäfts-haus Dokow Hirschengraben,1932, Architekten Alfred Möri und Friedrich Krebs.

26 Einsiedeln, Hotel Taube, 1942, Architekt Albert Müri.

27 Sursee, Wohn- und Geschäfts-haus Rathausplatz 5, ehem. «Konsum», heute «Kochtopf», um1936, Architekten Carl Griot undSohn.

Abb. 20Wohnhäuser

International1 Paris Poissy F, Villa Savoye,1928–31, Architekt Le Corbusier.

2 Berlin D, Villa Kluge am Rupen -horn, 1929–30, Architekten Hansund Wassili Luckhardt mit AlfonsAnker.

3 Capri I, Casa Malaparte, 1938–43,Architekt Adalberto Libera.

4 Utrecht B, Haus Schröder-Schräder, 1923–24, Architekt GerritRietveld.

5 Paris F, Maison de Verre, 1927–31, Architekten Pierre Chareau und Bernard Bijvoet.

6 Löbau Sachsen D, Haus Schmincke, 1930–33, ArchitektHans Scharoun.

7 Mill Run Pennsylvania USA, Kaufmann House (Falling water),1934–37, Architekt Frank LloydWright.

National8 Küsnacht-Goldbach, Einfami lien -haus, 1931–32, Architekt Max ErnstHaefeli.

9 Riehen, Haus Huber, 1929, Architekten Hans Schmidt und PaulArtaria.

10 Binningen, Haus Georg Schmidt,1929, Architekt Hans Schmidt.

11 Corseaux, Atelier et habitation,1939, Architekt Alberto Sartoris.

12 La Tour-de-Peilz, Maison Kenwin, 1930–31, Architekten Alexander Ferenczy und HermannHenselmann, Henry Python.

13 Riehen, Haus Sandreuter, 1924,Architekten Rudolf Steiger und Flora Crawford.

14 Meilen, Haus Schleh stud,1932–33, Architekt Hans Fischli.

Regional15 Weggis Hertenstein, Haus Rachmaninow, 1933, Architekten Alfred Möri und Friedrich Krebs.

16 Weggis, Haus Forbrich, 1932, Architekt Albert Zeyer.

17 Luzern, Wohn- und Atelier hausBlaesi, 1938, Architekt Albert Zeyer.

18 Horw, Haus Sonnhügel, 1934, Architekt Otto Schärli sen.

19 Flüelen, Wohn- und Atelier hausDanioth «Im Ring», 1932–33, Architekt Adolf Studer-Lusser.

20 Luzern, Halde Haus Stadlin,1933, Architekt Albert Zeyer.

Wohn- und Geschäfts bauten

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Technik- und Industriebauten (Abb.15)International

National

Regional

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1 2 3

4 5 6

7 8 9 10

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(Abb.16) SiedlungsbautenIntern

ational

Natio

nal

Regional

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4 5 6

7 8 9 10

11 12 13

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Öffentliche Bauten (Abb.17)International

National

Regional

1 2 3

4 5 6

7 8 9

10 11 12 13

14 15 16

17 18 19

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(Abb.18) Kirchen- und Kultbauten

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Intern

ational

Natio

nal

Regional

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1 4 5

8 7 8

6 9 10

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Wohn- und Geschäftshäuser (Abb.19)

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National

Regional

1 2 3 4 5

6 7 8

9 10 11 12

13 14 15 16 17

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International

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(Abb.20) Wohnhäuser

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Intern

ational

Natio

nal

Regional

1 2 3

4 5 6 7

8 9 10

11 12 13 14

15 16 17

18 19 20

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Wo standen die Schweiz und namentlich die Zen-tralschweizer Kantone gesellschaftlich, ökonomischund politisch in den Jahrzehnten vor und nach demErsten Weltkrieg im Zeitraum der 1880er- bis zu den1930er-Jahren? Der Erste Weltkrieg teilt die Phase in zwei gegensätzliche Hälften: in eine vom Fort-schrittsglauben geprägte «Belle Epoque» mit rasan-tem ökonomischem Wachstum, einer internationa-len Ausrichtung, sowie in eine von ökonomischenund gesellschaftspolitischen Krisen erschütterte unddurch eine zutiefst pessimistische Grundströmunggeprägte Zwischenkriegszeit.

Die Schweizer Wirtschaft wuchs in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts deutlich über dem euro-päischen Durchschnitt: 1913 zog die Schweiz mitGrossbritannien im Pro-Kopf-Einkommen nahezugleich und liess die meisten anderen europäischenStaaten hinter sich. Verzögert verlief diese Entwick-lung in der Zentralschweiz. In der Phase andauerndenWachstums von 1893 bis 1914 erfuhren jedoch Regio-nen wie die Stadt Luzern einen spürbaren wirtschaft-lichen Aufschwung, der von einem tiefgreifenden so-zialen Wandel begleitet war.1 Die ZentralschweizerVielfalt mit karger Berglandwirtschaft, ertragreichenAgrargebieten im Mittelland, urbanen und suburba-nen Zentren sowie industriellen Gebieten (vorab imRaum Zug, der Agglomeration Luzern und andernsuburbanen Zentren) bot ein uneinheitliches Bild.

Wirtschaftliche Entwicklung und Metropoli sierung

Mit der Phase beschleunigten Wachstums ging einerasante Verstädterung einher, die sich am Falle Lu-zerns veranschaulichen lässt. Eisenbahnerschliessung,Stadtumbau sowie eine tourismusfreundliche Ge-setzgebung waren Grundlagen für das Wachstum vordem Ersten Weltkrieg. Der Fremdenverkehr entwi-ckelte sich zu einer Fremdenindustrie.2Neue Formendes Detailhandels bedrängten und verdrängten diealten gewerblichen Strukturen. 1892 öffnete das ers-

te Warenhaus in Luzern, dem bald weitere folgtenund die mit Aufsehen erregenden Reklamen (elek-trisch beleuchteten Schaufenstern) um Kunden war-ben. Luzern wurde zum Einkaufszentrum für dieumliegende Region, in der sich ein wachsender Teildes Detailhandels konzentrierte.3

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1 König 1986, S. 99.2 Huber Paul, Die Stadt Luzern zwischen 1850 und 1914. Gesell-schaft und Wirtschaft im Aufbruch, in: Aufbruch 1986, S. 90.3 König 1986, S.100.

Einführung in die Geschichte der frühen Moderne in der ZentralschweizGesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur

Markus Furrer

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Bedeutsam war die Fremdenindustrie, die sichin der Stadt Luzern zum «leading sector»4 entwickel-te und an der sich auch Industriebetriebe direkt mitihrer Produktepalette ausrichteten. Gleich einemBlutkreislauf pulsierte von Luzern aus ab den 1870er-Jahren das touristische Leben der Zentralschweiz.Wie Pilze schossen rings um den Vierwaldstätterseeweit über hundert Hotels und Pensionen aus demBoden, darunter Häuser von Weltruf.5 In der StadtLuzern selbst prägte der Fremdenverkehr die Stadt-struktur, indem Hotels die zentralen Standorte ein-nahmen und der Tourismus und Wohnungsbau diewachsende Industrie mit ihren Raumbedürfnissen andie Ränder der Agglomeration verdrängte.6 In die-sem Zeitraum lässt sich eine Art Metamorphose vomeinfachen Kurhaus zum mondänen Luxushotel derBelle Epoque beobachten (Abb. 21/22).7

Demographischer Wandel und Wachstum der Stadt

Die Schweizer Bevölkerung nahm 1850 bis 1914 von2,4 auf 3,9 Millionen zu. Seit den 1880er-Jahren ent-wickelte sich das Land von einem Auswanderungs- zueinem Einwanderungsland. Lebten 1850 3% Auslän-derinnen und Ausländer in der Schweiz, so hatte dasLand 1914 mit 15,4% einen der höchsten Ausländer-anteile in Europa. Mit dem Aufschwung der Frem-denindustrie wandelte sich die Bevölkerungsstrukturder Zentralschweizer Tourismusdestinationen. Diewachsende Attraktivität Luzerns zog nicht allein no-ble Gäste aus aller Welt an, gleichzeitig schufen diepersonalintensive Hotellerie, das Gastgewerbe, dieneuen Dienstleistungsbetriebe wie Wäschereien undGlättereien neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Auchdas Baugewerbe florierte und zog in besonderemMasse Arbeitskräfte aus Italien an. Die Schweizer Städ-te, unter ihnen Luzern, verzeichneten in dieser Pha-se ein ausnahmslos starkes Bevölkerungswachstumund zogen viele Menschen an.8 Hingegen stag niertedie Bevölkerungsentwicklung in der Landschaft. Lu-zern, das 1850 10’068 Einwohner zählte und 1910 de-ren 39’339 war im Verhältnis zu andern SchweizerStädten kleiner, das Bevölkerungswachstum war je-doch das viertgrösste und belief sich auf rund 29 Pro-zent.9Die Luzerner Landbevölkerung stellte dabei ei-nen kleinen Anteil der Zuwandernden nach Luzern.Der grosse Teil kam aus anderen Regionen und ausdem Ausland. Die Beschäftigung war saisonal und da -mit waren auch die Arbeitnehmerbestände schwan -kend. Die bauliche Entwicklung der Stadt vermoch-te mit der beschleunigten Bevölkerungsentwicklungnicht mehr Schritt zu halten. Akuter Wohnraum-mangel, steigende Mietzinse sowie Missbräuche imZusammenhang mit Bauspekulationen führten zueiner Wohnungsnot für die städtischen Unterschich-ten, welche primär in den Randbezirken lebten. Teu-

rer Boden und grosse Nachfrage verstärkten die Ten-denz zum Bau grösserer Wohnhäuser. Luzern hattehinter Genf und La Chaux-de-Fonds um 1900 denhöchsten Behausungszifferwert (16,04 Personen proHaus). Hohe Wohndichte und sanitarische Missstän-de führten zu einer erhöhten Ansteckungsgefahr vonKrankheiten aller Art, von der einfachen Erkältung biszur weit verbreiteten Tuberkulose (Abb. 23–25).10

Soziale Reformen und krisenhafte Vorzeichen

Die Missstände riefen private Organisationen und dieÄrzteschaft auf den Plan, welche, angetrieben durcheine Wissenschaftsorientierung, Massnahmen einfor -derten. Diese reichten von stadträtlichen Wohnungs-enquêten und Reformen im Bereich der Kloaken, derTrinkwasserversorgung und der Kehrichtbeseitigungbis hin zu sozialreformerischen Vorstellungen. Diesewaren in den westeuropäischen Industriegesellschaf-ten jedoch durch Ambivalenz geprägt, wie sich diesin Vorstellungen der Eugenik (Erbgesundheitslehre)ausdrückte, die insbesondere in der Zwischenkriegs-zeit Verbreitung fanden. Modernes Leben und Ver-städterung wurden als Problem und gar als «Rassen-verfall» eingestuft. Die modernistische Bild- undFormensprache der 1920er-Jahre mit ihrer interna-tionalen und funktionalen Ausrichtung wurde im-mer mehr zugunsten einer nationalistischen Hinwen-dung zum angeblich Organischen und Naturnahenaufgegeben. Der Rationalismus wurde durch das In-stinkthafte ersetzt und der Individualismus durch dieBetonung der gemeinschaftlichen Werte, das Gehirndurch den Körper.11 In der Schweiz gerieten Kunst-schaffende unter Verdacht individualistischer Deka-denz und mangelnder Verbindung zu Volk und Hei-matkunst, was auch in der Zentralschweiz Spurenhinterliess. Als Gegenbewegung etablierte sich eineneue Heimatkultur. Nichtsdestoweniger blieb dieSchweiz ein wichtiger Ort des avantgardistischenKunstschaffens, wenn auch die breite Bevölkerungder Entwicklung wenig abgewinnen konnte. Diesmanifestierte sich beispielhaft in der Architektur. DieSchweizer Städte erlebten in den 1920er-Jahren eineneigentlichen Bauboom, dem die Gesellschaft orien-tierungslos gegenüberstand. So verwarfen viele diegesamte bisherige urbane Architektur und man lehn-

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Abb. 21 Luzern, Halden -strasse 6/10. Blick auf denKursaal und das Palace Hotel.Letzteres zeigt sich im histo -ristischen Fassadenkleid, inder Konstruktion wurde jedochschon der neue Baustoff Stahl-beton verwendet.

Abb. 22 Vitznau, Hotel Terrasse. Blick vom See aufden in moderner Architektur-sprache verwirklichten Saal -vorbau mit Sonnenterrassedes Hotels Terrasse (ehem.Terminus) von Arnold Bergerum 1929.

4 Schnider Peter, Fabrikindustrie zwischen Landwirtschaft undTourismus. Industrialisierung der Agglomeration Luzern zwischen1850 und 1930 (LHV, Bd. 31), Luzern/Stuttgart 1996, S. 182.5 Felder 1995, S. 316.6 Schnider 1996, S. 182.7 Felder 1995, S. 322.8 Schüpbach Werner, Die Luzerner Bevölkerung im 19. Jahrhun-dert, in: Aufbruch 1986, S. 20.9 Schüpbach 1983, S. 25.10 Vgl. Schüpbach 1983, S. 130–131.11 Mazower Mark, Der dunkle Kontinent. Europa im 20. Jahrhun-dert, aus dem Englischen von Hans-Joachim Maass, Berlin 2000,S. 143–144.

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te die neue Sachlichkeit ab. Dem Aufbruch der Mo-derne stellte man das verklärte «heimelige» Chalet,Symbol einer vermeintlichen Vergangenheit und ru-raler Lebensweise entgegen. Bezeichnend ist, dassman für die Repräsentation des Staates bei öffentli-chen Gebäuden keine Ausdrucksmittel mehr fand.12

An der Landesausstellung 1939 kamen die verschie-denen Strömungen zum Ausdruck, so die Vertreterdes «Neuen Bauens», die Repräsentanten der «realis-tischen Moderne» sowie jene des traditionellen Hei-matschutz-Stils.

In Luzern zeigte sich die Krise seit dem ErstenWeltkrieg vor allem im dramatischen Einbruch desFremdenverkehrs, indem vor dem Hintergrund derWeltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre gegen fünfzigHäuser geschlossen wurden. Hotelpaläste wurden ab-gebrochen, was auch zu «Neuem Bauen» führte: 1922entstanden die Bankhäuser der Schweizerischen Kre-ditanstalt und der Schweizerischen Nationalbank;sechs Jahre danach errichtete man in Luzern und Zugdie ersten Flachdachhäuser; 1929 wurde das Strand-bad Lido gebaut und 1933 wurden die St.-Karli-Kir-che sowie das Kunst- und Kongresshaus fertig gestellt(Abb. 26).13

Globalisierung und Nationalisierung

Die Zentralschweiz öffnete sich in den beiden letztenDekaden des 19. Jahrhunderts in doppelter Hinsicht:Als ausgeprägte Tourismusdestination war sie einge-bunden in die «Globalitätserfahrungen»14, welche diedamalige Welt vor dem Hintergrund dichter wer-dender wirtschaftlicher Vernetzungen und beschleu-nigter Mobilität im Eisenbahnzeitalter erfuhr. ZweiEreignisse mit Symbolcharakter akzentuieren dieseEntwicklung: 1880 erfolgte der Durchstich des Gott-hards und im selben Jahr wurde in Luzern erstmalselektrisches Licht für eine festliche Illumination desLöwendenkmals erzeugt. Der 1896 fertig erstellte undum 90 Grad gedrehte Bahnhof, in den die Züge for-tan über einen Bahndamm und einen zweispurigenTunnel ein- und ausfahren konnten sowie die Eröff-nung der Strecke Luzern-Küssnacht-Arth-Goldauund ihre Anbindung an die Gotthardlinie verdeutli-chen die Weiterentwicklung. Nicht nur mit der Ei-senbahn war die Zentralschweiz gut erschlossen, dasneu aufkommende Automobil eroberte bald die Al-penwelt, wie dies die internationalen Urner Klausen-rennen von 1922 bis 1934 veranschaulichen und wodas Automobil seine Tauglichkeit am Berg bewies.15

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12 Jost Hans Ulrich, Bedrohung und Enge (1914–1945), in: Ge-schichte der Schweiz und der Schweizer, Studienausgabe in einemBand, Basel/Frankfurt a.M. 2004, S. 755.13 Felder 1995, S. 326–327.14 Osterhammel Jürgen/Petersson Niels P., Geschichte der Globa-lisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, München 2003, S. 63.15 Iten Karl, Adieu – Altes Uri. Aspekte des Wandels eines Kantonsvom 19. ins 20. Jahrhundert, Zürich 1990, S. 75.

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Das Automobil stand nicht nur im Zeichen des neuenTempos, es individualisierte auch die Fortbewegungund zählt mit dem Kinematographen (1908 erhieltLuzern sein erstes standortgebundenes Lichtspiel-haus) zusammen zu den grossen Veränderern deräusseren Realität (Abb. 26/27).

Der Zustrom zahlreicher Touristen aus der wei-ten Welt bewirkte eine geistige Umstellung und To-leranz, die man sich wenige Jahrzehnte zuvor in die-ser Breite nicht vorstellen konnte. Eine Rolle spieltewohl der Geschäftssinn, wenn es darum ging, kirch-liche Bauvorhaben zu billigen (so in Luzern die refor-mierte Matthäuskirche 1859–1861 oder die anglikani-sche St.Mark’s Church 1898/99). Diese zunehmendeLiberalität und Aufgeschlossenheit fremden Anders-artigkeiten gegenüber, die namentlich in der von denLiberalen regierten Stadt Luzern besonders ausge-prägt war, zeigte ihre Spuren in der stilpluralistischenArchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts.16 Lu-zern war auch Austragungsort internationaler Kon-gresse. 1902 entstand in der Fremdenstadt, die um dieJahrhundertwende pro Jahr gegen 140’000 Gäste be-herbergte, das erste Internationale Kriegs- und Frie-densmuseum (Abb. 28).17

Die Nationalisierung ist kein Widerspruch zurGlobalisierung der damaligen Zeit. Die im Sonder-bund organisierten und 1847 besiegten Zentralschwei -zer Kantone reintegrierten sich in den nationalenVerband. Symbolisch zeigte sich dies anlässlich der

Bundesfeier von 1891 in Schwyz, die unter dem Zei-chen der politischen Versöhnung von regierendemFreisinn und katholisch-konservativer Oppositiongestanden hatte. Die historische Rolle der katholi-schen Urschweiz in der nationalen Meistererzählungliess die Sonderbundsniederlage in den Hintergrundtreten und machte aus den Zentralschweizern guteSchweizer.18 Beide Entwicklungen sind vor dem Hin-

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Abb. 23 Luzern, Im Unter-grund. Strassenbebauung imUntergrund um 1900, die ärm lichen Verhältnisse derWohnsituation widerspiegelnd(SALU, F2a/Strassen/Militär-strasse/Schnepfengestell).

Abb. 24 Luzern, Tribschen-Quartier. Arbeiterhäuser(1910/20) im Tribschengebietzeigen die ersten Versuche, die Wohnverhältnisse der ärmeren Bevölkerungsschichtzu verbessern.

Abb. 25 Luzern, Bleicher-strasse/Neuweg. Die sozialeWohnsiedlung AllgemeineBaugenossenschaft Luzern(ABL), von Otto Schärli um1926 erbaut am Neuweg undan der Bleicherstrasse in Luzern, repräsentiert die ver-dichtete und reformierteWohnsituation in den 1920er-Jahren in der Innenstadt(SASU, SAS_P_010 Foto Frie-bel).

Abb. 26 Luzern, Seebrücke.Ansichtskarte mit der Sicht aufden historistischen Bahnhofund dem Kunst- und Kongress-haus Luzern (1933) von ArminMeili. Dieser Bau fügt sichtrotz seiner ausdrucksstarkenSprache des Modernen Bau-ens in die historistisch ge -prägte Architektur des Bahn-hofplatzes ein. Im Hintergrundwird eine Bergkulisse sicht -bar, die es so in der Wirklich-keit gar nicht gibt (SALU, F2a/Stras sen/Robert-Zündstrasse1).

Abb. 27 Plakat des 8. Inter-nationalen Klausenrennen1930, Farblithographie vonErnst Rubrecht.

16 Felder 1995, S. 320.17 Troxler Walter/Walker Daniela/Furrer Markus (Hg.), Jan Blochund das Internationale Kriegs- und Friedensmuseum in Luzern,Berlin 2010.

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tergrund beschleunigter Modernisierung zu erklärenmit der neuen Massenpresse19 sowie den Verbändenund Organisationen, welche die Milieus und Sub-kulturen einbanden.

Organisierte Interessen

Prägend für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist dieHerausbildung moderner Massenparteien und Ver-bände. 1891 mit dem Einzug des ersten Katholisch-Konservativen (dem Entlebucher Josef Zemp) in denBundesrat konsolidierte sich gesamtschweizerisch derBürgerblock, indem dieser die innere kulturkämpfe-rische Gegnerschaft in den Hintergrund drängte undeiner nachdrängenden Arbeiterbewegung ablehnendgegenüberstand. Wir stehen hier am Übergang vomKulturkampf- zum Klassenkampfparadigma; auch inder Zentralschweiz häuften sich Streiks und Arbeits-niederlegungen – die sozialen Verhältnisse waren an-gespannt.

In der Zeit beschleunigten Wandels akzentuier-ten sich die sozialen Umschichtungsprozesse. Derwirtschaftliche Strukturwandel führte ab den 1880er-Jahren in der Schweiz dazu, dass die bäuerliche Er-werbstätigkeit gegenüber jener in Industrie, Gewerbeund Dienstleistungen definitiv in eine Minderhei-tenstellung geriet. Die Berglandwirtschaft – und da-von waren in der Zentralschweiz einige Regionen be-troffen – befand sich in einem Stadium permanenterKrise mit relativer Rückständigkeit gegenüber denmittelländischen Agrarzonen, wohin sich die intensi -vierte Milchlandwirtschaft verlagerte und wo derBauer immer mehr zu einem kapitalistischen Unter-

nehmer wurde.20Die Bauernschaft baute eine politischschlagkräftige Organisation auf und konnte von ei-nem Nationalmythos profitieren, der stark die länd-liche Tradition und sogenannte intakte Geschlech-terverhältnisse in der patriarchalen Familie im Sinneeiner «invention of tradition» betonte und als Grund-lage für eine Allianz mit dem Bürgertum vor dem Ge-gensatz mit der Arbeiterschaft diente. Dieser Prozessist angesichts des grundlegenden gesellschaftlichenWandels und der Modernisierung zu sehen. Diewachsende Arbeiterschaft, die zunehmende Eigen-ständigkeit der Frauen im Arbeitsalltag und mit ihrdie soziale Frage weckten in bürgerlichen Kreisen ge-radezu irrationale Ängste.

Definitiv an Einfluss verloren hatten auch dieVertreter des alten Patriziats. 1910 stammte nur nocheiner der dreissig Reichsten der Stadt-Luzerner Ober-schicht aus einer Patrizierfamilie.21 Insbesondere dieFremdenindustrie war für stadtluzernische Geschäfts-männer, Financiers aber auch einfache Landleute ausder Region ein brachliegendes Feld und eröffnete ei-nigen eine steile Karriere als Hotelpioniere.22

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Abb. 28 Luzern. Postkarten -ansicht der Stadt Luzern, die in einer Collage die verschie -denen technischen Errungen-schaften des beginnenden 20. Jahrhunderts, hauptsäch-lich anhand neuer Verkehrs -mittel zeigt.

Abb. 29 Luzern, Adligens -wilerstrasse 31. Wohn- undAtelierhaus Blaesi 1938 von Albert Zeyer. Aufnahme vonSüdosten von Lisa Meyerlist,wohl kurz nach der Fertigstel-lung (SALU, F2 PA 08/04).

Abb. 30 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Nordwest-fassade des Schulhaustraktesaus dem Jahr 1933 von AlbertZeyer. Aufnahme vom Schul-hof in der Nähe des Pestalozzi-Schulhauses von Otto Pfeifer1934.

18 Altermatt Urs, Konfession, Nation und Rom. Metamorphosenim schweizerischen und europäischen Katholizismus des 19. und20. Jahrhunderts, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2009, S. 208.19 Die Keller AG mit dem «Tagblatt» erhielt 1894 ihr erste Rotati-onsmaschine, welche 10’000 achtseitige Zeitungsnummern proStunde drucken konnte.20 Lemmenmeier Max, Der Übergang zur modernen Landwirt-schaft. Luzerns Agrarwirtschaft 1750–1910, in: Aufbruch 1986, S. 42.21 König 1986, S.101.22 Brunner Hansruedi, Luzerns Gesellschaft im Wandel. Die so-ziale und politische Struktur der Stadtbevölkerung, die Lage in denFremdenverkehrsberufen und das Armenwesen 1850–1914 (LHV,Bd. 17), Luzern/Stuttgart 1981, S. 223.

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«L’architecture est le jeu savant, correct et magnifiquedes volumes assemblés sous la lumière.» 1

Drei Pionierbauten des Neuen Bauens in Luzern

Die vom Architekten Albert Zeyer (1895–1972) ge-plante und 1933 erbaute Schulanlage Dula und dasvom ihm1938 errichtete Wohn- und Atelierhaus desBildhauers August Blaesi sowie das vom Architekten

Carl Mossdorf (1901–1969) konzipierte und 1933ausgeführte Gewerbegebäude stehen beispielhaft fürden Einzug des Neuen Bauens in Luzern und somitauch in der Zentralschweiz (Abb. 29/30). Die Objek-te sind zwar verschieden gross und für verschiedeneNutzungen gebaut, setzen aber bestimmte gestalteri-sche Prinzipien des Neuen Bauens um. Diese Richt-linien wurden vor allem von dem in Paris tätigenSchweizer Architekten Charles Edouard Jeanneret(1887–1965), der sich ab den frühen 1920er-Jahren LeCorbusier nannte, mit Publikationen und Bautenpropagiert. Der berufliche Lebenslauf der beiden Ar-chitekten Zeyer und Mossdorf zeigt, dass sie die Pos-tulate der europäischen Architektur-Avantgarde samtderen modernen Baumethoden und ästhetischenAusdrucksweise aufnahmen und in Luzern an ver-schiedenen Bauten umsetzten. Alle drei Gebäude ha-ben seit nunmehr über 70 Jahren eine bewegte undunterschiedliche Geschichte, in der sie zum Teilschwerwiegende Eingriffe und Veränderungen er-fuhren, die beim Gewerbegebäude sogar bis zur Un-kenntlichkeit des originalen Erscheinungsbildes führ-ten. Dahingegen konnten die Schulanlage Dula unddas Wohn- und Atelierhaus Blaesi trotz An- und Um-bauten ihre Integrität im Wesentlichen und so auchim Erscheinungsbild wahren. Nicht zuletzt deswegenwurden das Wohn- und Atelierhaus Blaesi 1995 unddie Schulanlage Dula 2003 ins kantonale Denkmal-verzeichnis eingetragen.

Leider erfuhr das Gewerbegebäude (noch) nichtdie gleiche Wertschätzung wie die beiden geschütztenBauwerke. Im Jahre 2002 setzte sich ein Komitee, ge-bildet aus verschiedenen Fachverbänden und Fachper -sonen, mit einer Petition für dessen «Erhaltung, Un-terschutzstellung und fach- und stilgerechte Restau-rierung» ein: leider bis heute ohne Erfolg (Abb. 31)!

In verschiedenen Publikationen und Monogra-fien wurden die drei Objekte und deren Architektenschon mehrmals vorgestellt und gewürdigt.2 In der

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1 Le Corbusier 1977 (1923), S. 16.2 Siehe dazu: Hunziker 1978; Ineichen/Zanoni 1985; Niederber-ger Claus, Zwei Bauwerke aus den Anfängen des Neuen Bauens.Das Dulaschulhaus und das Wohnhaus Blaesi von Albert F. Zeyer(1895–1972), in: Archithese 1985/3, S. 19–24; Brentini 2004.

Zur Anwendung bestimmter Formfindungsmethoden bei Pionierbauten aus der Frühzeit des Neuen Bauens in LuzernPino Pilotto

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vorliegenden Analyse soll jedoch ausführlich imDienste eines besseren und umfassenderen Verständ-nisses für das Neue Bauen auf bestimmte formgene-rierende Methoden, welche bei den drei Objekten zurAnwendung kamen, eingegangen werden.

Für die Geschichte und Bedeutung der 1933 er-bauten Schulanlage Dula sei auf die ausführlicheDarstellung in der vorliegenden Publikation hinge-wiesen (Abb. 32/33).3

Der Bildhauer August Blaesi beauftragte 1937,nach einem längeren Aufenthalt in Paris, seinenFreund, den Architekten Albert Zeyer, mit der Pla-nung seines Atelier- und Wohnhauses an der Adli-genswilerstrasse 31 in Luzern. Die Ähnlichkeit der ge-stalterischen Geste mit bestimmten geplanten undgebauten Gebäuden von Le Corbusier, besonders mitdem kleineren Haus in der Weissenhofsiedlung inStuttgart ist frappant. Dabei handelt es sich nicht umeine plumpe Nachahmung, sondern um eine eigen-ständige Rezeption der von Le Corbusier postuliertenPrinzipien. Übrigens hatte Zeyer das grössere der bei-den Häuser Le Corbusiers in der Weissenhofsiedlungin Stuttgart bereits 1935 mit dem Wohn- und Ge-schäftshaus Reber an der Mossmattstrasse in Luzernqualitätsvoll umformuliert.4

Das alte Gewerbegebäude in der Nähe des Müh-lenplatzes wurde in der Nacht vom 17. zum 18. Sep-tember 1932 Opfer eines Brandes. Bereits am 3. Ok-tober 1932 unterbreitete Mossdorf den vom Brandbetroffenen Handwerkern den Entwurf für ein neuesGewerbegebäude und man fand das entsprechende

günstige Grundstück an der heutigen Tribschenstras -se 51 in Luzern. Im Januar 1933 erteilte der Stadtratdie Baubewilligung und am 15. Februar begannen dieBauarbeiten. Schon ab dem 1. August 1933 zogen dieersten Gewerbetreibenden ein. Das Gewerbegebäudewar ein reiner Zweckbau; trotzdem oder gerade des-wegen brachte er die gestalterischen Prinzipien desNeuen Bauens beispielhaft zur Darstellung.

Der Einfluss Le Corbusiers auf die Entwicklungdes Neuen Bauens in der Zentralschweiz

Das in Deutschland situierte Bauhaus stand zwar vorallem auch sprachlich der Innerschweiz näher unddie dort lehrenden Architekten Walter Gropius, Han-nes Meyer, Mart Stam, Marcel Breuer, Mies van derRohe usw. spielten für die Entwicklung des NeuenBauens in der deutschen Schweiz eine wichtige Rol-le. Dennoch, war der Einfluss des aus La Chaux-de-Fonds stammenden und von Paris aus wirkendenSchweizer Architekten Le Corbusier auf die damali-ge Architekturentwicklung gewaltig.

Ab den 1920er-Jahren entfaltete Le Corbusierneben dem Planen und Bauen auch eine rege publi-zistische Tätigkeit. In diesen Publikationen stellte LeCorbusier nicht nur seine Bauten in Texten, Plänenund Fotografien vor, sondern legte auch seine Theo-rien zu Architektur und Städtebau dar. Entgegeneiner weit verbreiteten Auffassung, dass das Neue

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3 Vgl. Aufsatz von Patrizia Solombrino und Claus Niederberger,S. 72–78.4 Boesiger/Stonorov 1967; Ineichen/Zanoni 1985.

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Bauen ein radikaler Bruch mit der vorangegangenenBaugeschichte und ihre vollständige Ablehnungsei, erkennt man aus Le Corbusiers propagandisti-schen Schriften durchaus Anleihen bei historischenArchitekturtheoretikern wie Leon Battista Alberti(1404–1472), Andrea Palladio (1508–1580), FrançoisBlondel (1618–1686) und vor allem Auguste Choisy(1841–1909).

Zwei besondere Publikationen Le Corbusiersübten auf die damalige junge Architektengenerationnachweislich einen starken Einfluss aus: Das 1923 er-schienene Buch «Vers une architecture»5 – eine Samm-lung der zuvor in der von Le Corbusier zusammenmit dem Maler Ozenfant (1886–1966) herausgege-benen Zeitschrift «L’Esprit Nouveau» erschienenAufsätze –, das bereits 1926 in deutscher Übersetzungals «Kommende Baukunst» vorlag,6 sowie die 1929 er-schienene Monografie «Le Corbusier et Pierre Jean-neret. Œuvre complète 1910–1929», welche die ersteSchaffensperiode von Le Corbusier dokumentierte.7

In diesen Werken stellte Le Corbusier unter anderemzwei besonders einprägsame Methoden des Gestal-tungsprozesses vor und gab ihnen auch griffige Be-zeichnungen. Das sind zum einen die «Fünf Punkte zueiner Neuen Architektur» und zum andern die «Ord-nungslinien».

Le Corbusiers «Fünf Punkte zu einer Neuen Architektur»

Das Neue Bauen war mit dem Versprechen angetre-ten, nicht zuletzt auch dank neuer Materialien und

Bautechniken durch Glas, Stahl und Eisenbeton Ein-fachheit, Klarheit, Licht, Luft und damit auch Hygie-ne in die Häuser zu bringen. Mit «Fünf Punkte zu ei-ner Neuen Architektur» wollte Le Corbusier diesesVersprechen einlösen. In programmatischen Zeich-

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Abb. 31 Petitionsbogen von2002 zur Erhaltung des Ge-werbegebäudes (Tribschen-strasse 51, Luzern, von CarlMossdorf aus dem Jahr 1933),der von 2314 Personen unter-zeichnet wurde.

Abb. 32/33 Luzern, Adligens-wilerstrasse 31. Eine frühe,aquarellierte Fassadenstudie,die Albert Zeyer für das Wohn-und Atelierhaus Blaesi anfertig-te, zeigt den Einfluss von LeCorbusier vom nie realisiertenHaus von «M. 5 à Bruxelles».Die Ähnlichkeit der architek -tonischen Sprache ist frappant(der Massstab bei den beidenHäusern ist unterschiedlich)(Abb. 33 © 2010, ProLitteris, Zürich).

5 Le Corbusier 1977 (1923).6 Le Corbusier/Hildebrandt Hans (Übers./Hg.), KommendeBaukunst, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1926.7 Boesiger/Stonorov 1967.

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nungen und einprägsamen Texten stellte er dies inseinen Publikationen dar. Die Fünf Punkte lauten: 1.Das Haus auf Stützen; 2. Der Dachgarten; 3. Der freieGrundriss; 4. Das Langfenster; 5. Die freie Fassade.8

Obwohl Le Corbusier die klassischen Säulen-ordnungen ablehnte, war er bestrebt mittels der FünfPunkten und der Ordnungslinien für das Entwerfender Neuen Architektur den klassischen Säulenord-nungen analoge Ordnungsprinzipien entgegenzuset-zen. 1927 erhielt Le Corbusier die Gelegenheit in derMustersiedlung am Weissenhof in Stuttgart seine da-maligen Theorien mit dem Bau zweier Wohnhäuserin die Praxis umzusetzen. Dabei war das kleinereWohnhaus die Weiterentwicklung und Verwirkli-chung der so genannten «Maison en série ‹Citro-han›», eines seit 1920 bei verschiedenen Gelegenhei-ten postulierten und immer weiter entwickeltenModells eines Typenhauses, dessen Entwicklungsge-schichte ausführlich in den «Œuvre complète 1910–1929» dargestellt wurde (Abb. 34/35).9

Für die Bauleitung der beiden Häuser von LeCorbusier in der Weissenhofsiedlung zeichnete derdamals junge Schweizer Architekt Alfred Roth (1903–1998) verantwortlich. Allein von Juli bis November1927 pilgerten etwa eine halbe Million Besucher zudieser Mustersiedlung des Neuen Bauens. Alfred Rothhatte zur Ausstellung ein kleines Buch über die bei-den Häuser Le Corbusiers publiziert,10worin die Plä-ne der Weissenhof-Häuser der sonst auf Französischgeschriebenen «Œuvre complète 1910–1929» aufDeutsch angeschrieben sind.

Die Ordnungslinien

Ordnungslinien stellen Proportionen dar. Sie sind amBauwerk nicht als eigentliche Linien sichtbar, sondernwerden zum Nachweis der verwendeten Propor tio -

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8 Boesiger/Stonorov 1967, S. 128–129.9 Boesiger/Stonorov 1967, S. 31 und S. 45–47.10 Roth Alfred, Zwei Wohnhäuser von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Stuttgart 1927.

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Abb. 35

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nen auf normale Grundriss- und Fassadenzeichnun-gen aufgetragen. Ordnungslinien haben die Aufgabedie Dimensionen der Bauten und Bauteile zu regeln(Abb. 36).

In «Vers une architecture» schrieb Le Corbusier,dass die Anwendung bestimmter Proportionen eineVersicherung gegen Willkür und Zufall seien unddie Ordnungslinien die Neunerprobe des noch un -erfahrenen Schülers, das q.e.d. («quod erat demons-trandum» = was zu beweisen war) des Mathemati-kers seien.11

Proportionen im Neuen Bauen

Proportionen haben zu allen Zeiten in der Architek-tur eine Rolle gespielt. Architekturtheoretiker und -praktiker wie Vitruvius Pollio (ca. 65–ca.10 v.Chr.),Leon Battista Alberti (1404–1472) und Andrea Pal-ladio (1508–1580) gaben in ihren Werken Anwei-sungen zu Längen-, Breiten- und Höhenverhältnissenvon Bauten, Räumen und Bauteilen. Ähnliche Richt-linien gaben auch die Architekten der Moderne an.

Le Corbusier setzte sich Zeit seines Lebens mitnatürlichen, geometrischen und mathematischenGesetzmässigkeiten auseinander und versuchte dies

in die Entwürfe seiner Bauten einzubringen. In den1920er- und 1930er-Jahren beschäftigte er sich auchmit dem Goldenen Schnitt. Später wird Le Corbusierdiese Entwicklung mit dem «Modulor», einem vonder Grösse des Menschen von 1.83m (6 EnglischeFuss) und auf der Fibonaccireihe12 und somit auchauf dem Goldenen Schnitt basierenden Masssystem,beenden. Auf der Le Corbusier gewidmeten aktuel-len Schweizer 10-Franken-Note ist der «Modulor»13

dargestellt. Damit schliesst Le Corbusier den Kreis zuden Klassikern der Renaissance und der Antike, dieebenfalls Zahlenverhältnisse und Massbeziehungenvom menschlichen Körper ableiteten.

Entgegen landläufiger Meinung ist jedoch derGoldene Schnitt in der Architekturtheorie vor dem20. Jahrhundert kaum von Bedeutung. Zur Anwen-dung kommen in der Praxis vielmehr ganzzahligeBrüche, wie 1:1, 1:2, 2:3; 3:4, 3:5 etc. Oder man wen-det pythagoreische Tripel, wie z. B. 3:4:5 an, weil da-mit auf der Baustelle ein exakter rechter Winkel rela-tiv einfach absteckt werden kann.

Von irrationalen Zahlen, wie sie zum Beispiel ausder Quadratdiagonalen oder der Konstruktion desGoldenen Schnittes entstehen, raten die Klassikermeist ab, weil sie für die Baustelle unpraktisch seien.Dafür behalf man sich nebst der geometrischen Kon-struktion auch mit Annäherungen durch ganzzahli-ge Verhältnisse, die aus der Musiktheorie entlehntwurden (z. B. Frequenzverhältnis «grosse Sexte» bzw.«kleine Sexte», 3:5 bzw. 5:8). Auch Le Corbusier wirdmit dem «Modulor» zwischen den mit der Geometriezu konstruierenden irrationalen Zahlen und den fürdie praktische Anwendung geeigneten rationalenZahlen zu vermitteln versuchen: Der «Modulor» gehtvon einem von zwei Quadraten von 113 cm Seiten-länge gebildeten Rechteck mit dem rationalen Sei-tenverhältnis von 1:2 aus.

Zwei praktische geometrische Konstruktionen

Zwei bestimmte Rechtecke, die aus einem Quadratkonstruiert werden können, werden oft für die Form -findung in der Kunst und so auch in der Architekturangewendet.

Bei dem ersten Rechteck ist die kleinere Recht-eckseite gleich der Quadratseite und die längere

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Abb. 34 Stuttgart, Weissen-hofsiedlung, Das kleinereWohnhaus von Le Corbusier1927 (© 2010, ProLitteris, Zürich).

Abb. 35 Stuttgart, Weissen-hofsiedlung. Das kleinereWohnhaus von Le Corbusier1927. Grundrisse der Stock-werke (© 2010, ProLitteris, Zürich).

Abb. 36 Paris, Wohn- undAtelierhaus Ozenfant. DieOrdnungslinien beim Wohn-und Atelierhaus Ozenfant vonLe Corbusier in Paris (© 2010,ProLitteris, Zürich).

Abb. 37 GeometrischeRechteckkonstruktion mittelsder Quadratdiagonalen und die geometrische Kon-struktion des «GoldenenSchnittes», gezeichnet vonPino Pilotto.

11 Le Corbusier 1977 (1923), S. 57. Siehe auch: Boesiger/Stonorov1967, S. 68.12 Die Fibonaccireihe ist eine besondere Zahlenreihe, die pro -portionale Verhältnisse mathematisch ausdrückt. Sie wurde vomMathematiker Éduard Lucas (1842–1891) nach Leonardo da Fi bo -na cci (1170/80–nach 1240) benannt (Neuenschwander Erwin,Leo nardo Fibonacci, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Stutt-gart/Weimar 1999, Sp. 1893–1894).13 Der Modulor ist ein von Le Corbusier entwickeltes «Masswerk-zeug», das von der menschlichen Gestalt und der Mathematikausgeht, um Massbeziehungen in den Räumen zu entwickeln (Kas-torff-Viehmann Renate, Meilensteine der Architektur. Baugeschich -te nach Personen, Bauten und Epochen, Stuttgart 2010, S. 440–443).

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Recht eckseite gleich Länge der Diagonalen des Qua-drates (√2:1). Bekannteste Anwendung ist das A-For-mat bei Papierbogen.

Beim zweiten Rechteck ist die kleinere Recht-eckseite gleich der Quadratseite, und für die längereRechteckseite wird ausgehend von der Mitte einerQuadratseite die Distanz zur gegenüberliegendenEcke auf diese Quadratseite abgetragen. Diese länge-re Seite ist nun im «Goldenen Schnitt» eingeteilt, wo-bei der längere Streckenabschnitt [M] «maior» undder kürzere Streckenabschnitt [m] «minor» genanntwird (Abb. 37). Das Rechteck wird auch «GoldenesRechteck» genannt (0,5 + √1,25:1).

Entwurfs- und Gestaltungsprinzipien des Neuen Bauens anhand vier Luzerner Beispielen

Genauso wie Le Corbusier über mehrere Jahre wie-derholt Anläufe bis zur Realisierung eines Typen-wohnhauses, an dem er seine Prinzipien demons-trieren konnte, unternehmen musste, verfasste auchAlbert Zeyer Projekte, die nicht realisiert wurden.Genauso wie bei Le Corbusier übten aber diese pa-pierenen Projekte starken Einfluss auf endlich reali-sierte Bauten aus. 1930/31 projektierte Zeyer dasWohnhaus Jans, das in der architektonischen Sprachedie Postulate Le Corbusiers anwendet und in vielenTeilen das sieben Jahre später realisierte Wohn- undAtelierhaus Blaesi vorwegnimmt (Abb. 38).14

Obwohl Le Corbusier postuliert, dass die Ge-staltungsprinzipien der «Fünf Punkte» und der «Ord-nungslinien» generell auf die ganze Architektur an-zuwenden seien, demonstriert er sie vorwiegend anWohnhäusern. Nun ist es so, dass die Forschung beider Schulanlage Dula zu Recht andere formale Ein-flüsse des Neuen Bauens geltend macht. So ergibt sichdie Form der Schulanlage Dula aus dem relativ kon-ventionellen und repetitiven Raumprogramm undfolgt somit eher dem Diktum «form follows func -tion» des amerikanischen Architekten Louis Sullivan(1856–1924). Es sind denn auch bestimmte Merkma -le des Neuen Bauens wie das (scheinbar) flache Dach,die lichtdurchfluteten Räume, die klare Grundriss -organisation und die schmucklose und repetitiveFassa dengestaltung und nicht zuletzt die städtebau-lich prä zise Eingliederung, welche die 1933 erbauteSchul anlage Dula zu einem hervorragenden Beispieldes Neuen Bauens machen.

Dass aber eine andere Funktion als das Wohnensich ebenfalls zur Umsetzung von Le Corbusiers Prin -zipien eignet, wird Mossdorf 1933 am Gewerbegebäu -de ganz pragmatisch aufzeigen. 1938wird schliesslichZeyer beim Wohn- und Atelierhaus Blaesi die Prin-zipien Le Corbusiers kongenial umsetzen (Abb. 39).

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Abb. 38 Luzern, ProjektWohnhaus Jans. Perspektiv-skizze von Albert Zeyer desProjekts Wohnhaus Jansvon1930/31, das jedoch nichtrealisiert wurde.

Abb. 39 «Fünf Punkte zu einer neuen Architektur».Spalte 1 und 2 links: Le Corbusier’s Skizzen zu seinen ca. 1927 formulierten«Fünf Punkte zu einer neuenArchitektur». Spalte 3 und 4 rechts: Anwendung dieser «FünfPunkte» beim Gewerbe -gebäude von Carl Mossdorf1933 und beim Wohn- und Atelierhaus Blaesi von AlbertZeyer 1938. Zeichnungen links von Le Corbusier, Zeichnungenrechts von Pino Pilotto(Schemata links nach Le Cor-busier: © 2010, ProLitteris, Zürich).

14 Brentini 2004, S. 70–73.

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Die «Ordnungslinien» beim Gewerbegebäudeund beim Blaesihaus

Zuweilen sind Epigonen (hier im positiven Sinne ge-meint) konsequenter als die Originale. Während LeCorbusier die Ordnungslinien meist an normalenFassadenzeichnungen nachwies, können sie beim Ge -werbegebäude von Mossdorf und beim Wohn- undAtelierhaus Blaesi von Zeyer auch im Grundriss undim Schnitt angelegt werden. Damit unterstrichen diebeiden Architekten die Dreidimensionalität als We-senheit der Architektur. Beim Gewerbegebäude von1933 entspricht die Einfachheit der Ordnungslinienauch der Einfachheit der Bauaufgabe (Abb. 40).

1938 gab Albert Zeyer beim Wohn- und Atelier-haus Blaesi durch eine einfache Drehung der Wohn-und Schlafgeschosse um 90 Grad zum Ateliertraktder unterschiedlichen Nutzung von Arbeiten undWohnen raffiniert eine dreidimensionale Entspre-chung, damit erhielt das Ateliergeschoss einen ge-deckten Aussenraum und das Wohngeschoss einegrosszügige Terrasse. Mit dieser Geste kam Zeyer sehrnahe an die poetischste Definition Le Corbusier’s vonArchitektur: «L’architecture est le jeu savant, correct etmagnifique des volumes assemblés sous la lumière.»15

Die Drehung des Wohntraktes gegenüber dem Ate-liertrakt findet ihre logische Entsprechung auch inden Ordnungslinien. Die Überschneidung der bei-den Geschosse ist das Ausgangsquadrat (Abb. 41).

Schlussfolgerungen

Die jungen Architekten Zeyer und Mossdorf löstenund erfüllten zunächst die funktionalen Bedingungenund Vorgaben der Bauten. Mittels der damals avant-gardistischen Architektursprache des Neuen Bauenssetzten sie die Aufgaben formal um. Dabei haben siedie damals von Le Corbusier neu und grif fig formu-lierten Gestaltungsprinzipien pragmatisch in die Pra-xis umgesetzt.

So steht heute die Schulanlage Dula, mittlerwei-le fachgerecht restauriert, für weitere Jahrzehnte denNutzerinnen und Nutzern zur Verfügung und legtZeugnis ab über die damalige und heutige Baukultur.Bald könnte bei dem in die Jahre gekommenen,aber immer noch die Eleganz und Poesie der Bauzeitausstrahlenden Wohn- und Atelierhaus Blaesi eine In -standstellung anstehen. Dass ein von seinem Aschen-brödeldasein befreites, das heisst fachgerecht restau-riertes Gewerbegebäude mit seiner städtebaulich,architektonisch und gestalterisch hohen Qualität alsbeispielhafter Zeitzeuge durchaus vorstellbar ist, zeigtdie Illustration Abb. 41.

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Abb. 40 Luzern, Gewerbege-bäude Tribschenstrasse 51,Ordnungslinien, erbaut vonCarl Mossdorf. Die Ordnungs -linien zeigen die rationalen Verhältnisse 1:1 (Quadrat) und1:2 an den Fassaden als auchim Schnitt und auf den Grund-rissen. Zeichnung Pino Pilotto.

Abb. 41 Luzern, Tribschen-strasse. Tribschenstrasse Ausblick auf eine Architektur.Ein gezeichneter Le Corbusierblickt auf das zeichnerisch restaurierte Gewerbegebäudevon Carl Mossdorf neben dem 2005 erstellten CSS- Bürogebäude, geplant vom Architekten Andrea Rost.Zeichnung Pino Pilotto.

15 Le Corbusier 1977 (1923), S. 16.

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Abb. 42 Luzern, Adligenswi-lerstrasse 31, Ordnungs -linien. Wohn- und AtelierhausBlaesi von Albert Zeyer. DieOrdnungs linien zeigen rationa-le und irrationale Verhältnissesowohl an den Fassaden alsauch im Schnitt und auf denGrundrissen. Ausgehend vomÜberschneidungsquadrat kann

für das Ateliergeschoss einaus der Quadratdiagonalenentstandenes Rechteck undfür das auskragende Wohnge-schoss ein «Goldenes Recht-eck» postuliert werden. DiesePropor tionen werden pragma-tisch den rationalen Verhältnis-sen angenähert.

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Herkunft und Ausbildung (1895–1923)

Albert Zeyer (Abb. 43) wurde am 20. Mai 1895 alsSohn eines Baumeisters in Triengen geboren. Nachder üblichen Schulausbildung absolvierte er von 1911bis 1914 beim Luzerner Architekten Heinrich Meili-Wapf, dem Vater von Armin Meili, eine Bauzeichner -lehre. Man könnte daraus schliessen, dass Zeyerschon in dieser Zeit mit dem lediglich drei Jahre äl-teren Armin regen Kontakt hatte, doch vermutlichhielten sie sich von Anfang an auf Distanz. Zu unter-schiedlich waren ihre Charaktere, als dass es zu ei-nem freundschaftlichen Austausch hätte kommenkönnen, trotz der Tatsache, dass sich ihre Wege häufiggekreuzt haben mussten.2 Seine Lehr- und Wander-jahre erlebte Zeyer von 1915 bis 1918 in Deutschland,insbesondere im ostpreussischen Pillkallen (demheutigen Dobrowolsk in der russischen Exklave Ka-liningrad). Ostpreussen musste nach den verheeren-den Verwüstungen in den Kriegsjahren 1914 und 1915wiederaufgebaut werden, wobei die Ideen des deut-schen Heimatschutzes hier auf besonders fruchtba-ren Boden fielen. Unter der Leitung ausgebildeter Ar-chitekten wurde das von Friedrich Ostendorf (1871–1915) programmatisch geforderte einfache Landhausmit Walmdach zum bevorzugten Typus.3 Für Zeyerserste Bautätigkeit in Triengen war dieser Aufenthaltder massgeblichste Impuls.

Das Frühwerk in Triengen 1923–1927

Zurück in der Schweiz arbeitete Zeyer als Angestell-ter in Basel, bevor er 1921 an der ETH Zürich das Ar-chitekturstudium aufnahm. Durch den Tod seinesVaters im Jahre 1923 war Zeyer gezwungen, ohne Ab-schluss das väterliche Baumeistergeschäft in Triengenzu übernehmen. Dass er mehr wollte, als nur ein lo-kales Baugeschäft zu führen, bezeugen seine Bemü-hungen um die Aufnahme in den Bund SchweizerArchi tekten. Mitglied wurde er bereits 1925. Bis zuseinem Wegzug realisierte Zeyer in seiner Heimat -gemeinde zahlreiche Wohnbauten, die in starker An-lehnung an den erwähnten Typ von Ostendorf mitbeeindruckenden Walmdächern bedeckt sind. Diewichtigsten Werke sind zweifelsohne das Wohn- undGeschäftshaus Willi (1924/25) und die heutige Bäcke -

rei Hunger (1926). Das dreigeschossige WohnhausWilli weist zur Talseite einen dreiachsigen und ledig-lich bis zum dritten Geschoss reichenden risalitähn-lichen Anbau auf, der das ehemals frei stehende Ge-bäude als repräsentatives Landhaus auszeichnet. DieBäckerei Hunger setzt mit ihrem wuchtigen Walm-dach – unmittelbar an der Hauptstrasse stehend –eine für das Dorfbild wichtige Markierung, die zu-sammen mit der gegenüber liegenden Kirche vor al-lem für die von Süden ins Zentrum fahrenden Auto-mobilisten zum Blickfang wird.

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1 Der folgende Text fusst auf der 2004 erschienen Monografie desAutors (vgl. Brentini 2004); siehe auchwww.architekturgeschichte.ch.2 Der Autor versuchte im Katalog der Ausstellung «Zugluft», 2008im Nidwaldner Museum in Stans, das Frühwerk von Zeyer undMeili miteinander zu vergleichen. Vgl. Brentini Fabrizio, ArminMeili und Albert Zeyer. Eine Gegenüberstellung zweier Architek-ten der frühen Moderne, in: Gerster/Helbling/Gut 2008, S.161–181.3 Vgl. Ostendorf Friedrich, Sechs Bücher vom Bauen, Berlin 1922.

Das Gesamtwerk von Albert Zeyer1

Fabrizio Brentini

Abb. 43 Albert Zeyer (1895–1972) als junger Mann (SALU, F2 PA 08/01).

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Wirken in Emmenbrücke und in der Büro -gemeinschaft mit Werner Ribary 1927–1930

1927 zog Zeyer von Triengen weg und liess sich inEmmenbrücke nieder. In einer nur kurz andauern-den, aber ausgesprochen interessanten Zwischenpha-se nahm er augenscheinlich Stilelemente der Archi-tektur von Heinrich Tessenow (1876–1950) auf.4 ImMeierhöfliquartier reihte er drei Doppeleinfamilien-häuser mit Satteldächern derart aneinander, dass dieEinheiten zu einer streng formal gegliederten Kettegeordnet wurden. Bereits mit dem DreifamilienhausFelber-Estermann in Luzern kombinierte Zeyer 1929das dreigeschossige, mit Satteldach versehene Haupt-haus jedoch mit einem speziellen pfeilerartigen An-bau, der architektonisch an das Vokabular der frühenModerne um Le Corbusier, Mies van der Rohe undWalter Gropius anknüpfte (Abb. 44/45).

Das Bekenntnis zum Internationalen Stil sollteaber erst mit dem Wettbewerb für das Luzerner Dula -schulhaus im Herbst 1930 vorbehaltlos ausgesprochenwerden. Bis dahin realisierte Zeyer in einer Büroge-meinschaft mit Werner Ribary (1896–1966)5 in derStadt Luzern vier Wohnhäuser6, die formal stark andie Architektur des «Roten Wien» in den 1920er-Jah-ren erinnern und etliche stilistische Gemeinsamkei-ten mit Bauten anderer Luzerner Architekten der da-maligen Zeit wie Otto Dreyer (1897–1972) und vorallem Armin Meili (1892–1981) aufweisen.

Hauptwerke 1930–1939

Das Dulaschulhaus, das in diesem Jahrbuch einge-hend gewürdigt wird, war für das Gesamtwerk vonZeyer die entscheidende Zäsur. Vermutlich nahm erden Wettbewerb zum Anlass, nach Luzern zu ziehenund hier ein eigenes Büro zu eröffnen. Bis zum Zwei-ten Weltkrieg schuf er die Gruppe von architekto -nischen Meisterwerken, die ihn bei seiner Wieder-entdeckung durch die Ausstellung von 1978 imKunstmuseum Luzern zum Protagonisten der Inner-schweizer Moderne arrivieren liessen.7 Nebst demDulaschulhaus sind dies das Wohnhaus Heubergerin Luzern (1930/31), das Wohnhaus Forbrich in Weg-gis (1932/33), das Wohnhaus Stadlin in Luzern (1932/33), die evangelisch-reformierte Kirche in Gerliswil-Emmenbrücke (1933/34), das Wohn- und Geschäfts -haus Reber in Luzern (1935/36), das Liberale Wohn-heim in Luzern (1936/37), die Musterei der FirmaAckermann in Entlebuch (1936/37), das WohnhausAckermann in Entlebuch (1937/38), das Zweifami-lienhaus Zimmermann-Heer in Luzern (1938/39)und schliesslich das Wohnatelier Blaesi in Luzern(1938). Das Erstaunliche dabei ist der Umstand, dass Zeyer sich nicht sklavisch einem bestimmtenVorbild unterwarf. Je nach Bauaufgabe entschied ersich für un terschiedliche formale Mittel. War das –nicht mehr erhaltene – Wohnhaus Heuberger wie

eine Paraphrase der Weissenhofsiedlung von 1927 inStuttgart, die als architektonisches Manifest des deut-schen Werkbundes einen grossen Einfluss auf dieweitere Entwicklung der modernen Architektur inEuropa hatte (Abb. 46/47), orientierte sich Zeyeretwa im Wohnhaus Forbrich in Weggis eher an derSprache von Erich Mendelsohn (1887–1953), der

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4 Heinrich Tessenow hatte vor allem mit dem theoretischen Werk«Hausbau und dergleichen» einen beachtlichen Einfluss. Das Werkerschien erstmals 1916 und wurde bis nach dem Zweiten Weltkriegmehrmals neu aufgelegt. Vgl. auch Carlen Georg, Heimatstil undReformarchitektur, in: Jb HGL 24 (2006), S. 49–71.5 Wann die Bürogemeinschaft endete, ist nicht ganz klar. Sie dürf-te aber nach 1930 nicht mehr bestanden haben. Zu Ribary vgl. Inei-chen/Zanoni 1985, S. 86–91.6 Dreifamilienhaus Felber-Estermann, Luzern (1929), WohnhausKamm, Luzern (1930), Dreifamilienhaus Huber, Luzern (1930), unddas Wohnhaus Lang-Furrer, Luzern (1930).

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Abb. 44 Emmenbrücke,Eschenstrasse 1–11. Drei Doppeleinfamilienhäuser imMeierhöfli Quartier in Emmen -brü cke. Albert Zeyer entwarfsie 1928/29 (SASU, SAS_P_

010 Foto Friebel).

Abb. 45 Luzern, Sälihalde 8.Das Dreifamilienhaus EduardFelber-Estermann an der Sälihalde 8 in Luzern wurdevon Albert Zeyer um 1929erstellt (SASU, SAS_P_010Foto Friebel).

Abb. 46 Luzern, Steinhof-strasse 65. Eine perspek -tivische Aussenansicht desWohnhauses von Carl Heu -berger gezeichnet von AlbertZeyer, datiert 1930 (SALU,B3.31/A1.162/1930).

Abb. 47 Luzern, Steinhof-strasse 65. Das 1930/31 fertiggestellte Wohnhaus Heuber -ger an der Steinhofstrasse 65in Luzern von Albert Zeyer.Aufnahme 1930er-Jahre, heuteunkenntlich verbaut. (SALU, F2 PA 08/02).

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in Deutschland eine eigene Interpretation der Mo-derne wagte (Abb. 48). Zeyer scheute sich auchnicht, ein Satteldach zu entwerfen, wie etwa im sonstformal streng durchkomponierten Liberalen Wohn-heim (Abb. 49), oder gar die Fassade zu krümmenwie beim Zweifamilienhaus Zimmermann-Heer.Nebst dem Dulaschulhaus dürfte die evangelisch-re-formierte Kirche in Gerliswil Zeyers bedeutendstesWerk sein. Das konsequent kubisch gehaltene En-semble mit der in Sichtbeton belassenen Kirche samtTurm und dem später daran angeschlossenen Pfarr-haus mit verputzten Fassaden kann vermutlich alsdas früheste Beispiel des modernen reformierten Kir-chenbaus in der Schweiz gelten, auch wenn der Ein-fluss der Gerliswiler Kirche auf die spätere Entwick-lung des reformierten Kirchenbaus bescheiden blieb(Abb. 50).

Ein wesentlicher Charakterzug in den Entwürfenvon Zeyer findet sich in einer variantenreichen Di-chotomie (Zweiteilung) bezogen auf die jeweiligeGesamtanlage. Beim Dulaschulhaus kontrastiert derin Sichtbeton belassene Turnhallentrakt mit demSchulzimmerflügel, der grob verputzt ist. Bei denWohnhäusern Forbrich in Weggis und Stadlin (Abb.48/51) in Luzern setzt sich das Gebäude aus zwei un-terschiedlich hohen und jeweils gegeneinander ver-schobenen Bauteilen zusammen. Beim WohnatelierBlaesi, das als eine Art verspätete Hommage an LeCorbusier (1887–1965) verstanden werden kann, stehtder Ateliersockel aus Sichtbeton zum darüber aufge-bauten verputzten Wohnblock im rechten Winkel.

Nebst den verwirklichten Projekten sind einigebemerkenswerte Wettbewerbseingaben zu nennen,etwa der 1934 gezeichnete Entwurf für eine neueFesthalle Allmend in Luzern. Im Gegensatz zu denKonkurrenzplänen, die teilweise extrem hohe Hallenvorschlugen, reihte Zeyer zwölf nur zehn Meter hoheSheddächer auf die Weise aneinander, dass zwischenden Elementen grosse Öffnungen für eine ideale Be-lichtung des Inneren geschaffen werden konnten.Zeyers perspektivische Innenansicht mit den zarthingehauchten Bögen, die sich zu einem Fluchtpunkthin verjüngen, ist nicht nur eine der wenigen erhal-tenen Originalzeichnungen von Zeyer, sie ist meinerAnsicht nach auch eine der künstlerisch wertvollstenArchitekturdarstellungen der frühen Moderne in derSchweiz (Abb. 53).

Noch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg gestalte-te er in der Altstadt Luzern das Modehaus Schnyderum. In die Planung musste Zeyer zwei Gebäude ein-beziehen. Dabei löste er die Fassade des ersten Bauszur Krongasse hin weitgehend in streng geometrischeGlasflächen auf. Das erste Geschoss beider Bauten ge-staltete er zu einem Fensterband, das an der Fassadezur Reuss mit ihrem verspielten Erker und dem Trep-pengiebel bis zu letzten Fensterachse fortgesetzt wur-

de. Zeyer hatte mit dem Vokabular des modernenBauens in die bestehende Architektur eingegriffenund hatte damit ein spannungsvolles Nebeneinandervon Alt und Neu erreicht.

Die Landi 39 und ihre Folgen 1939–1949

Die Landesausstellung von 1939 in Zürich stellte dieWeichen für die Entwicklung der Architektur so, dassVertreter der frühen Moderne ins Abseits gerieten.8

Der so genannte Landistil, geprägt vom Chefarchitek -ten Hans Hofmann (1897–1957), war für die 1950er-Jahre massgebend. So genannte Rasterfassaden soll-ten die von vielen Seiten bemängelten schmucklosenFlächen mit aus der Wandflucht vorragenden Gitter-

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7 Hunziker 1978.8 Brentini 2004, S.160–164.

Abb. 48 Weggis, Park -strasse 19. Das Wohnhaus von Josef Forbrich mit Zahnarztpraxis an der Park-strasse 19 in Weggis aus demJahr 1932 von Albert Zeyer. Ansicht vom Vierwaldstätter-see (SASU, SAS_P_010Foto Friebel).

Abb. 49 Luzern, Volta -strasse 14. Das Liberale Wohnheim wurde 1936/37von Albert Zeyer erstellt(SALU, F2 PA 08/06).

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Abb. 50 Emmenbrücke, Erlenstrasse 31. Die evan -gelisch-reformierte Kirche Ger-liswil in Emmenbrücke. Dieperspektivische Zeichnung vonAlbert Zeyer zeigt den Innen-raum der projektierten Kirche(SALU, E10/6:05).

Abb. 51 Emmenbrücke, Erlenstrasse 31. Die hier noch im Bau befindliche und1933/34 fertig gestellte evangelisch-reformierte Kirche Gerliswil als Sichtbeton -konstruk tion von Albert Zeyer(SASU, SAS_P_010 Foto Friebel).

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strukturen auflockern und das Bedürfnis nach De-koration befriedigen. Die meisten Architekten in derInnerschweiz beugten sich dem Druck und passtensich den neuen Geschmacksvorstellungen an. OttoDreyer, der als einziger Innerschweizer Architekt vonLandi-Direktor Armin Meili für die Planung einesPavillons berücksichtigt wurde, baute mit der viel ge-rühmten Zentralbibliothek in Luzern von 1949 bis1951 geradezu ein Manifest der Rasterfassadenästhe-tik. Zeyer widerstand der Versuchung, Kompromisseeinzugehen, mit gravierenden Folgen für seinen Ge-schäftsgang. Mit Ausnahme weniger, unbedeutenderKleinbauten konnte er in den 1940er-Jahren kein einziges nennenswertes Werk realisieren. Zwar betei-ligte er sich an zahlreichen Konkurrenzen für neue Gestaltungspläne, wie etwa in Root, Ebikon, Olten,Solothurn, Sursee, und Luzern, aber an keinem Ortkam es zu einer Weiterbearbeitung der Entwürfe.Auch das Projekt von 1942 für ein neues Kantons -spital Weinfelden war nicht lanciert worden, um tat-sächlich eine Grossanlage entstehen zu lassen. Es warBestandteil eines Gutachtens zuhanden der Behör-den, welche die Spitallandschaft im Kanton Thurgauneu zeichnen wollten.9Auf uns zugekommen sind ei-nige Lichtbilder des zu diesem Zweck gebauten Mo-dells, das deutlich genug zeigt, wie vehement Zeyerdie Ideen der frühen Moderne verteidigte. Wäre derPlan umgesetzt worden, hätte die Schweiz ein Ge-genbeispiel zum 1942 bis 1953 weitgehend mit Ras-terfassaden hochgezogenen Kantonsspital in Züricherhalten. Schliesslich noch ein weiteres zukunftswei-

sendes Projekt, das ebenfalls am Widerstand der Be-hörden scheiterte: 1949 reichte Zeyer einen Vorschlagfür die Errichtung zweier 26m hoher Punkthäuseran der Hochbühlstrasse in Luzern ein. Hätte sie Zey-er verwirklichen können, wären sie die ersten Hoch-häuser der Schweiz gewesen. Diese wurden schliess-lich 1950/51 in Basel und Zürich gebaut, und diesreichte wohl, um den Widerstand der Stadtregierungzu brechen. 1953/54 durfte Heinrich Auf der Maur(1904–1992) mit der Wohnanlage Sentihof in Luzerneine Turmscheibe realisieren, die um einiges höherwar als die von Zeyer geplanten Hochhäuser (Abb.53–55).10

Das Spätwerk 1950–1972

Das Spätwerk von Zeyer entstand gleichsam unterAusschluss der Öffentlichkeit. Das für ihn ertrag-reichste Vorhaben setzte er in Langenthal von 1947bis 1959 um. Betraut mit der Planung des Ausbausdes Bezirksspitals realisierte er als Einzelgebäude dasSchwesternhaus und das Kesselhaus, während er aufdem Areal an den bestehenden Trakten einschnei-dende Veränderungen vornahm. Sachzwänge undfinanzielle Rahmenbedingungen verunmöglichtenZeyer, architektonische Visionen zu entwickeln. Be-merkenswert hingegen ist das Schwesternhaus, ein

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9 Lehner A[ugust], Gutachten über das Thurgauische Kantons-spital vom 15. Juli 1942, Weinfelden 1942.10 Luchsinger Christoph, Wohnanlage Sentihof, 1953/1957, in: Ar-chithese 1985/3, S. 51–54.

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mit einem Satteldach versehener Solitär, der sich anden Langseitenfassaden durch die horizontalen Bal-konbrüstungen auszeichnet. Architektonisch inte-ressanter ist zweifelsohne das in mehreren Etappenüberbaute Areal der Bildhauerwerkstatt Tanner inDag mersellen. Ein erstes Wohnhaus mit Werkstattwur de schon 1947/48 erstellt. 1962 bezog die Firmaein neues Werkstattgebäude, das 1966 erweitert und1970 an einer Stirnseite mit einem zweigeschossigenWohnhaus abgeschlossen wurde. Während das ersteWohnhaus noch ein einfaches, eingeschossiges Ge-bäude mit Satteldach war, wurde das spätere Werk-stattgebäude als lang gezogene, mehrgliedrige Hallein Sichtbeton entworfen, die mit einem Pultdach ver-sehen war. Formal am komplexesten ist jedoch daszweite Wohnhaus, das mit einem rostroten Verputzals markanter Kopfbau wie eine Führerkabine an dieHalle angedockt ist. Als wichtigstes Werk der Spät-phase erachte ich das 1958 errichtete fünfgeschossi-

ge Mehrfamilienhaus Schmidt an der Bramberg-strasse in Luzern. Die Fassadenfluchten beziehen sichauf die Fassaden der Nachbarhäuser, was dazu führ-te, dass der Grundriss unregelmässig ausfiel. Mit ri-salitartigen Anbauten und unterschiedlichen Balkon -gestaltungen lockerte Zeyer die Fassaden auf, ohneZuflucht zum Rasterschema nehmen zu müssen. Da-mit setzt sich dieses mehrgeschossige Wohnhaus vonden in Massen errichteten Wohnblöcken der 1960er-Jahre ab, die in ihrer Monotonie wohl nicht ohneGrund mit Silos assoziiert wurden.

Zeyer wechselte den Wohnsitz noch mehrmals.1966 bezog er in Weggis ein selbst entworfenes Einfa -milienhaus, das er bereits zwei Jahre später wieder ver-liess. Von 1968 bis zu seinem Tode am 28. Februar1972 lebte er in einem ebenfalls von ihm geplantenEinfamilienhaus in Oberkirch LU. Beide Eigenheimezeigen noch einmal die oben erwähnte tektonischeDichotomie (Zweiteilung). In Weggis dringt ein Vo-

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Abb. 52 Luzern, Leumatt-strasse 5. Das WohnhausStadlin wurde von Marie Stadlin beim Architekten Albert Zeyer in Auftrag ge -geben und 1932/33 fertig gestellt (SALU, F2 PA 08/03).

Abb. 53–55 Luzern, ProjektFesthalle Allmend. Nie ausgeführtes Projekt von Albert Zeyer. Perspektivische Innenansicht der Festhalle Allmend, gezeichnet 1934: Innenräume, Aussengestal-tung, Ansichten der West- und Südfassade (53, SALU, E 10/3; 54/55, SALU, F2 PA

08/11).

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lumen aus Sichtbeton übereck in den Hauptbau, dermit zwei ungleichen Dachschrägen eingefasst wird.Weniger expressiv ist die Aufteilung in Oberkirch.Die zwei nur leicht gegeneinander verschobenen Tei-le werden mit einem einheitlichen Pultdach bedeckt.

Ausblick

Zeyer hinterliess leider nur einen rudimentären Nach-lass, der während der schon erwähnten Ausstellungvon 1978 in Luzern der Öffentlichkeit präsentiertwurde.11 Seither werden die wenigen Pläne und Fo-tos im Stadtarchiv Luzern aufbewahrt.12Die nun ab-geschlossene Renovation des Dulaschulhauses könn-

te dazu anregen, weitere Werke von Zeyer unterSchutz zu stellen. Etliches ist inzwischen schon abge-rissen (jüngstes Beispiel das 1948 errichtete Wohn-haus Gerster an der Sonnbühlstrasse Luzern) oderder art verunstaltet, dass der ursprüngliche Zustandnicht mehr eruiert werden kann (wie etwa das Wohn -haus Ackermann in Entlebuch oder das Haus Heu-berger in Luzern). Sollte die frühe Moderne in derZentralschweiz nicht nur in Dokumenten, wennüberhaupt, fassbar sein, dann ist es unabdingbar,nicht nur öffentliche Gebäude wie eben das Dula-schulhaus für die Zukunft zu bewahren, sondernauch private Wohnbauten.

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Abb. 56/57 Luzern, ProjektHochbühl. Die projektiertenWohnhochhäuser Hochbühl als späte Werkbeispiele AlbertZeyers von 1949. Grundrisse3.–6. Obergeschoss und Nord-fassade, in dieser Form nieausgeführt (SALU, F2 PA

08/12).

Abb. 58 Luzern, Militärstras-se 51. Das schliesslich erste,nur wenige Jahre später reali-sierte Hochhaus an der Wohn-anlage Sentihof in Luzern vonHeinrich Auf der Maur 1953/54(SALU, F2a/Strassen/Basel-strasse 18/20/22).

11 Hunziker 1978.12 SALU E10 und die Baumappen zu den einzelnen Gebäuden, diein der Stadt Luzern errichtet wurden (detaillierte Quellenverwei-se siehe Brentini 2004).

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Dank verschiedenen Bemühungen ist das architekto-nische Werk Albert Zeyers heute gut dokumentiert.1

Hier versuche ich, aus zusammengetragenen Datenzu seiner Person ein Netzwerk von Bezügen und Ver-bindungen zu zeigen, in denen er Anregungen undBestätigungen für sein Schaffen fand, in dem er, wiewir wissen, nicht den konventionellen Ansprüchenfolgte (Abb. 59).

Frühe Erfahrungen

Albert Zeyer ist zusammen mit mehreren Brüdernim Umfeld des Triengener Baugeschäfts seines Vatersaufgewachsen. Schon damals war dieses Dorf als ei-nes der wenigen im Kanton durch industrielle Betrie -be geprägt, und das 1902 erstellte Schulhaus wirkteeher städtisch denn ländlich. Die liberale Gemeindestrebte nach Verbindungen zur Welt. Früh hatte es

mehrere Telefonanschlüsse, 1900 wurde eine Bankgegründet und 1912 nahm die Sursee-Triengen-Bahnihren Betrieb auf.2 Dies mag es Zeyer erleichtert ha-ben, die Hochbauzeichnerlehre in der Stadt im Büroeines bekannten Luzerner Architekten zu absolvie-ren. Trotz Weltkrieg zog er danach ins Wiederaufbau -gebiet in Ostpreussen, das im ersten Kriegsjahr argzerstört worden war. Das einzige das er aus jener Zeitpreisgegeben habe, sei sein Schwärmen von der dor-tigen Landschaft gewesen.3Anschliessend arbeitete erin Basel, möglicherweise auch bei Hans Bernoulli,dem später seiner antispekulativen Ansichten wegen«untragbar» gewordenen ETH-Professor. 1921mach -te Zeyer die Matura an der Minerva-Schule in Zürichund begann sein Architekturstudium bei Karl Moserund Hans Bernoulli. Nach zwei Jahren musste er esabbrechen; da sein Vater starb, musste er heimkeh-ren, um das Baugeschäft zu führen. In dieser Zeit hat-ten er und seine aus Zürich stammende Frau gehei-ratet. Innert vier Jahren entstanden von ihm wichtigeBauten im Dorf, darunter auch ein Haus für seinejunge Familie.4

Zeyer wollte selbständiger Architekt sein

Schon 1925 war er als einer der Ersten aus der Inner-schweiz in den 1908 gegründeten Bund Schweizer Ar-chitekten (BSA) aufgenommen worden.5 Zu jenerZeit verkaufte er sein Haus einem Bruder und über-siedelte nach Emmenbrücke als Mitarbeiter und Part -ner beim ein Jahr jüngeren Architekt Werner Ribary.1930 gewann er den Wettbewerb für die SchulanlageDula und richtete sich mit der Familie mit drei Kin-dern und eigenem Büro an der Hirschmattstrasse in

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1 vgl. Artikel von Fabrizio Brentini, S. 59–66.2 Die Entwicklung der Industrie in Triengen, o.O. [1953?]; MuffHanspeter, Triengen. 1180–1900, Triengen 2007; Kessler Erwin,Triengen, ein ehemaliges Bauerndorf, Triengen 1986; Zumbühl Da-niel, Die Stadt Sursee und die Sursee-Triengen-Bahn, [Sursee 1992];75 Jahre Sursee-Triengen-Bahn, ST. Festschrift, bearb. v. DanielZumbühl, Zürich 1987; Geschichtliche Entwicklung. Ein kleinerhistorischer Überblick über die Entstehung der Bürstenindustriein Triengen, Triengen 1987.3 Brentini 2004, S. 11.4 Brentini 2004, S. 39.5 BSA Zentralvorstand, Bund Schweizer Architekten (BSA). Jahres -bericht 2009, S.158.

Prägungen und Netzwerk in Albert Zeyers Leben

Otti Gmür

Abb. 59 Luzern, Adligens -wilerstrasse 31. An der Bau-stelle des Wohn- und Atelier-haus Blaesi (vermutlich 1938)ist der Architekt Albert Zeyer(links im Bild) im Gespräch mit Bauherr August Blaesi (mitHut).

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Luzern ein.6 Erste Mitarbeiter waren Walter Schaadund Hans Brechbühler. Beide hatten als von Karl Mo-ser geförderte Studenten 1926/27 bei Le Corbusieram Projekt für den Völkerbundpalast in Genf gear-beitet.7Die Schulanlage Dula wurde 1936 im «Werk»,dem offiziellen SWB- und BSA-Organ publiziert. Nurvier Jahre später gewann er den Wettbewerb für dasLiberale Heim in Luzern. Das Wettbewerbsprojektvon ihm und Carlo Hubacher für die Luzerner Fest-halle Allmend erhielt zwar keinen Preis, wurde aberangekauft.8Hubacher, der ungewohnterweise Archi-tekt und Ingenieur war, erstellte in der Funktion alsBauherr 1931 mit Rudolf Steiger und Robert Wink-ler das Zetthaus in Zürich. Er war auch an der SWB-Siedlung Neubühl in Zürich beteiligt. Beim Zetthauswirkte Max Bill als Grafiker mit,9 beim LuzernerWohn- und Geschäftshaus Reber von Albert Zeyergestaltete hingegen Hans Erni Signet und Beschrif-tung (Abb. 60). Bill und Erni begegneten sich ver-schiedentlich in ihrer Arbeit.10 Für die letzten Zeugendieser intensiven Bauzeit hatte Zeyer dem Neuen Bau-en wohlgesinnte Auftraggeber: den KünstlerfreundAugust Blaesi für dessen Eigenheim und das Ehepaar

Schnyder für den Umbau ihres Modehauses (Abb.62). Herr Schnyders Vater war ein bekannter Archi-tekt und städtischer Baudirektor gewesen und FrauSchnyder war eine Schwester von Moritz Raeber, derdamals Zeyers Mitarbeiter war. In der 1949 von Bill neuzusammengestellten Publikation «Moderne Schwei-zer Architektur»machte das Haus Blaesi während Jah-ren darauf aufmerksam, dass auch in Luzern gute Ar-chitektur entstand.11

Zeyer suchte die gesellschaftliche Auseinandersetzung

Die Ideen und Vorstellungen des Neuen Bauens woll-te Albert Zeyer weiter entwickeln und vermitteln. InLuzern war er in der liberalen Partei und von 1934 bis1941 war er Mitglied in der Ortsgruppe des Schwei-

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6 Brentini 2004, S. 54.7 Bosman Jos, Le Corbusier und die Schweiz. Dokumente einerschwierigen Beziehung, Zürich 1987.8 Brentini 2004, S. 92.9 Weiersmüller 1977, S.160ff.10 Ineichen/Zanoni 1985, S. 98ff.11 Bill 1949, [nicht paginiert].

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zerischen Werkbundes (SWB). Dort war er HansErni begegnet.12 Im BSA war er 1936 bis 1948 Mit-glied des Zentralvorstandes und pflegte Kontakt zumZürcherkreis der «Freunde des Neuen Bauens». Ausdiesem Umfeld entstanden Ausstellungen in Luzern:1935 «Hausrat und Heimkunst» im Museggmuseumund 1937 «Neues Bauen in der Schweiz» im 1933 er-öffneten Kunst- und Kongresshaus von Armin Meili.In der letztgenannten Ausstellung waren auch Werkevon Zeyer zu sehen. Im gleichen Jahr hatte dort HansErni die Aufsehen erregende Ausstellung «These –Anti these – Synthese» organisiert. Alfred Roth berich -tete 1935 im Heft «Weiterbauen» von deren Besuch,der Besichtigung der neuen Schulanlage Dula unddem anschliessenden Treffen mit Luzerner Künstlernund Werkbündlern im «Roten Gatter». Um tanzen zukönnen, mussten sie dann der Fastenzeit wegen überdie Luzerner Grenze nach Sihlbrugg ziehen.13

Die zukünftige städtische Entwicklung beschäftigte Zeyer

Zeyers Überbauungsstudie des Areals Bellerive alskomplexes Quartier entstand 1936. Manche warender Ansicht, dass Zeyer das Areal gerne gekauft undnach seinem Konzept überbaut hätte (Abb. 63/64).Fritz Flüeler bemerkte dazu: «Gerne hätte er sich durchden Auftrag zu einem Wohnviertel bestätigt gesehen: Erhätte dann seine Vorstellung von einem urbanen Ar-chitekten der breiten Öffentlichkeit vorzeigen kön-nen.»14 Während des Krieges und bis 1951 arbeiteteer in der Regionalplanungsgruppe und bei städte-baulichen Wettbewerben mit den Kollegen Anton

Mozzatti, Gisbert Meyer, Heinrich Auf der Maur,Otto Dreyer und Moritz Raeber zusammen.15ArminMeili und Albert Zeyer waren sich in ihren Bemühun -gen um planerisches Vorausdenken der Siedlungs-entwicklung nahe, aber für eine Zusammenarbeitwohl zu unterschiedliche Persönlichkeiten. Meili hat-te um 1930 den Ideenwettbewerb für die städtebau-liche Entwicklung Luzerns gewonnen und einenStadtplan für 75’000 Einwohner erarbeitet. Zum Di-rektor der Landi 1939 gewählt, ging er nach Zürich.Otto Dreyer wurde dort leitender Architekt für denBereich Tourismus. An der Vorhalle des Hotels derSchweizerischen Landesausstellung malte Hans Ernidas berühmte 100 Meter lange Bild. Zu dieser Zeitveröffentlichte Albert Zeyer die Texte «Situation derArchitektur 1940»16 und 1942 «Luzern und die Zu-kunft». Ich zitiere einige Sätze: «Noch stehen die bit-teren Jahre von 1930 mit dem Auftreten der chronischenArbeitslosigkeit, bis zum Kriegsausbruch, deutlich voruns. Diese Wirtschaftskrise hatte ihren Ursprung zumguten Teil in dem nach und nach sich veränderndenProduktionsvorgang, namentlich in der Industrie. […]Wir stehen vor der Entwicklung der totalen Serienpro-duktion […und] somit vor der Tatsache, dass zufolge

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Abb. 60 Luzern, Moosmatt-strasse 50/52. Wohn- und Geschäftshaus Reber von Albert Zeyer von 1935/36. DieWandgrafik – nicht erhalten –wurde von Hans Erni gestaltet.

Abb. 61/62 Luzern, zwei Bei-spiele von Umbauten desArchitekten Albert Zeyer.Links das Wohn- und Ge-schäftshaus Kellerhof an derHirschmattstrasse, Umbau des Ladengeschosses 1934,und rechts das Wohn- und Geschäftshaus ModehausSchnyder (heute Factorys) ander Krongasse in der Altstadt,Um- und Anbau des Gebäudes1938 (SALU, F2 PA 08/09).

12 Abstraction – création. Hans Erni, art non-figuratif 1933–1938(Ausstellung im Musée Hans Erni, Verkehrshaus Luzern 1982), Lu-zern 1982.13 Roth Alfred, Weiterbauen Kurzberichte. Luzern (Exkursion derFreunde des Neuen Bauens), in: Weiterbauen 1935/Heft 3, S. 24.14 Hunziker 1978, [nicht paginiert]; Brentini 2004, S.128.15 Ineichen/Zanoni 1985, S. 98.16 Zeyer Albert, Situation der Architektur 1940, in: Das Werk 28(1941), S. 53–54.

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der totalen Mechanisierung die Herstellung der Be-darfsartikel eine gewaltige Steigerung erfahren kann,dass aber anderseits gerade durch diese Betriebsart diemenschliche Mitarbeit auf ein Minimum zurückfällt.Wir selbst unterliegen diesem Entwicklungsprozess, in-dem wir ja bereitwillig zum automatischen Telephon,

zum automatischen Verkehrsprinzip usf. übergehen.Dass in einer so bösen Welt die automatische Schuss-waffe gleich hintennach kommt, ist nur eine logischeFolge.» Er schliesst einige Überlegungen zur wach-senden Freizeit und Mobilität und deren absehbareFolgen auf die Stadtentwicklung an.17 Es ist eine heu-te noch eindrückliche Weitsicht. Damals schuf Ernidas Bild «Tagebuchblatt eines Urbanisten» (Abb. 65).Ein Mann, sein Inneres entblösst, steht mit dem Rü-cken zur Wand. Dort hängen Pickel und Schaufel. Aufdem Schaufelblatt scheinen Häuserumrisse aus dem«Plan für eine zeitgemässe Stadt für drei MillionenBewohner» von Le Corbusier eingeprägt. Auf der Su-che im Hans-Erni-Museum nach Spuren von Bezü-gen zwischen Albert Zeyer und Hans Erni erschienmir dieses Bild wie eine Illustration der EnttäuschungZeyers darüber, dass er sein urbanes Verständnis desBauens kaum verwirklichen konnte.

Das Netz wird enger

Aus familiären Gründen und im Zusammenhang mitdem Bau der reformierten Kirche in Gerliswil, Em-menbrücke, war Albert Zeyer von dem römisch-ka-tholischen Glauben zum evangelisch-reformiertenübergetreten.18 An Wettbewerben der katholischen

17 Brentini 2004, S. 233–234; Luzerner Tagblatt 19.11.1942; Luzer-ner Neuste Nachrichten 20.11.1942.

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Kirche konnte er nicht mehr teilnehmen. In den1940er-Jahren hat er sich aus dem SWB und demVorstand des BSA zurückgezogen. Max Bill schrieb1977: «für mich war zürich trotz allem während den30er jahren kein holzboden, aber anderseits auch nichtdas paradies.»19 Das hätte Albert Zeyer zu Luzernkaum sagen können, er hatte wenig gesellschaftlicheVerankerung gefunden und für ihn ging keine Saatauf. Nur wenige spätere Arbeiten entstanden in Lu-zern. Sie fanden kaum mehr öffentliche Beachtung.Ein Bild von einer grösseren Italienreise 1939 zeigtdas Ehepaar Zeyer auf der Piazza San Marco in Ve-nedig (Abb. 66).20 In einem sehr persönlichen Textberichtete sein Freund Fritz Flüeler, der öfters mit Al-bert Zeyer und August Blaesi wanderte: «Dass diese‹breite Öffentlichkeit› und die ihr vorgesetzte Behördekaum Notiz von ihm nahmen, notierte er mit einer ge-wissen Verbitterung in seinen Herzensfalten.»21 ImNachruf nannte ihn Moritz Raeber «einen vorbildli-chen Architekten unserer Zeit.»22

Persönlich kannte ich Albert Zeyer nicht, aberdie in seinen Bauten spürbare Neugierde, Offenheitund Integrität hat mich schon früh beeindruckt. Indiesem Sinne ist dieser Beitrag ein Versuch nachge-tragener Dankbarkeit auch späterer Generationen.Vielleicht trägt er auch etwas bei zur Erkenntnis, dassgute Architektur ein engagiertes und stimulierendesUmfeld bedingt.

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Abb. 63 Luzern, ProjektBelle rive. ÜberbauungsstudieQuartier Bellerive in Luzern.1936 von Albert Zeyer ent -worfen (SALU, F2 PA 08/13).

Abb. 64 Luzern, Projekt Wesemlin. Projekt für Wohn-haustypen in billiger Preislageim Quartier Wesemlin, ent -standen in Zusammenarbeitmit Heinrich Auf der Maur und Moritz Raeber 1942 (SALU,E2b/ 324:4).

Abb. 65 Hans Erni, Tage-buchblatt eines Urbanisten.Tempera auf Pavatex, 1941.185�150 cm (Hans-Erni-Museum Luzern).

Abb. 66 Venedig, Piazza San Marco. Albert Zeyer mitseiner Ehefrau Marie Zeyerund Yvonne Blaesi-Kirchner,Ehefrau des befreundetenKünstlers August Blaesi, aufder Piazza San Marco in Vene-dig (SALU, F2 PA 08/01).

18 Brentini 2004, S. 80–81.19 Weiersmüller 1977.20 Brentini 2004, S. 118.21 Hunziker 1978, [nicht paginiert].22 Nachruf im Luzerner Tagblatt, 22.3.1972.

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«Allgemein ist darauf Bedacht genommen, das Gesamt -bild der Anlage möglichst zusammenklingen zu lassen.»1

Die Entstehungsgeschichte der Schulanlage Dula2

Die Situation

Der Bericht über die Schulbaufrage in Luzern von1874, verfasst von Friedrich Wüest (1843–1902, Ar-chitekt und Baudirektor)3, veranlasste die Stadt diedrei Bauparzellen der Sälimatte zu kaufen, um zweiSchulhäuser darauf zu errichten und den restlichenBaugrund mit Gewinn abzustossen. Wie von Wüestprognostiziert, entwickelte sich die Sälimatte im Laufder Jahre zum Zentrum der Quartiere Bruch, Bruch-matt, Steinhof, Neustadt und Hirschmatt. Folglichwurden von der Stadt in kurzer Abfolge zwei Schul-häuser in Auftrag gegeben. Den ersten Bau, das Sä-lischulhaus, erstellten Emil Vogt und Carl Griot4 imJahr 1896 bis 1898 noch ohne Turnhalle. Den zwei-

ten Bau, das Pestalozzischulhaus, realisierte OthmarSchnyder bereits 1903 bis 1904 mit integrierter Turn-halle.5Diese rege Bautätigkeit widerspiegelte nicht nurdas anwachsende Bedürfnis für genügend Schulraumwegen der steigenden Bevölkerungszahlen,6 sondernmarkiert mit den einzelnen kurz aufeinanderfolgen-den Bauten die unterschiedlichen Stationen in derEnt wicklung der Schulhausbauten. Das Säli schul hausist in der Sprache der Neorenaissance gestaltet, dasPestalozzischulhaus hingegen kann grundsätzlich demNeoklassizismus zugeordnet werden, wobei einige De -tails die Tendenzen des Jugendstils aufnehmen.

Der Wettbewerb

In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde auf-grund Platzmangels ein neues drittes Schulhaus not-wendig. Zu Beginn des Jahres 1930 wurde ein Wett-bewerb ausgeschrieben, dessen Forderungen nachzusätzlichen Räumen die aktuellen Tendenzen in der

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Abb. 67 Luzern, SchulanlageDula. Gipsmodell, Aufnahme1930, mit den drei Schulhäu-sern Säli (1896–98), Pestalozzi(1903–04) und Dula (1933).Das Hauptgebäude der Schul-anlage Dula zeigt die Seite mit den Schulzimmern, den alsfast quadratischen Kubus an-grenzenden Kindergarten unddie als Verbindungstrakt zumalten Sälischulhaus verstan -dene Turnhalle, vis-à-vis das Pestalozzi-Schulhaus mit integrierter Turnhalle (SASU,SAS_P_010 Foto Friebel).

Abb. 68 Luzern, SchulanlageDula. Blick auf die in traditio-neller Bauweise geprägte Um-gebung der Schulanlage Dula.Im Vordergrund: in Bau Pneu-matikhaus von Anton Mozzatti,an der Obergrundstrasse 26,1935 fertig gestellt. Es zähltebenfalls zu den Vertretern desNeuen Bauens in Luzern. Auf-nahme 1933 (SALU, F2a/Stras-sen/Obergrundstrasse 26).

Die Schulanlage Dula und ihre Geschichte

Patrizia Solombrino und Claus Niederberger

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pädagogischen und schulhygienischen Debatte wider -spiegelten: Es sollte eine Schulanlage entstehen, dienicht nur Klassenzimmer zur Verfügung stellte, son-dern auch Räume für den schulärztlichen Dienst, fürdie Säuglingspflege, für das Rektorat, für die Lehr-mittelzentrale, für das Schulbad und für das Werken.Zudem sollten im Komplex eine Turnhalle und einKindergarten integriert sein. Die Konzeption einerSon nenterrasse auf dem Flachdach der Turnhalle soll -te ferner das Sonnenbaden aus prophylaktischen ge-sundheitlichen Gründen den Schülern ermöglichen.7

Die Forderung nach mehr Klassenzimmern soll-te nicht nur den Bedarf der nächsten zehn Jahre de-cken, sondern auch die pädagogische Massnahme, dieAnzahl Schüler pro Primarklasse auf vierzig zu redu-zieren, erfüllen. Hauptgrund jedoch für die Realisie-rung der Anlage war die gesetzlich bedingte Zunah-

me der Turnstunden, die eine neue Turnhalle drin-gend notwendig machten, insbesondere da seit 1915die Halle im Obergrund nicht mehr zur Verfügungstand und die zwei verbliebenen Turnhallen, Pesta-lozzi und Moosmatt, nicht ausreichend Platz boten.

Das Siegerprojekt «Einordnung» von Albert Zey-er wurde aus neunzehn Eingaben ausgewählt (Abb.67). Die Projekte der Verliererparteien haben sichnicht erhalten. Kritisiert wurden an ihnen vor allemdie unklare Organisation und die Anordnung derSchulräume sowie das Zerstückeln der Gesamtanla-ge.8Gerade diese drei Punkte wurden im Juryberichtüber das Siegerprojekt des Architekten Zeyer beson-ders gelobt. Das Konzept sei ein «interessanter und ge-lungener Versuch» die Gebäude und Plätze zu einer«grosszügigen Gesamtanlage» zusammenzufassen, de -ren Klarheit und Geräumigkeit mehrmals betont wer-den. Die Gestaltung zeuge von «grossem Feingefühl.»9

Weitere Bemerkungen zum architektonischen Stilfehlen jedoch gänzlich. Dies erstaunt, verwendeteZeyer doch eine örtlich noch weitgehend unbekann-te moderne Architektursprache. Diese Akzeptanzkann vermutlich auf die Jurymitglieder zurück -geführt werden, die dem Zeitgeist und der Artikula-tion des Neuen Bauens gewogen waren.10 Es könnteaber auch sein, dass die Verwendung des Flachdachesfür einen funktionalen Bau wie die Turnhalle nichtannähernd soviel Anstoss erregte, wie bei einemWohnhaus.11 Ausserdem ging aus den Plänen nichteindeutig hervor, dass die Turnhalle in Sichtbeton

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Abb. 69 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Ansicht von der Bruchstrasse auf denSchulhaustrakt. Prominent trittdie Rundung des Treppenhau-ses hervor. Daneben befindetsich gleich der Eingang zumSchulhof. Die sichtbaren Fens-teröffnungen an der Fassade,kleiner bemessen als auf derSüdfront, belichten die auf derNordseite angelegten Gänge.Aufnahme von Otto Pfeifer, gegen Ende der 1930er-Jahre.

1 Erläuterungsbericht des Architekten vom 29.1.1929, Nr. 255(SALU B3.31/A74, zitiert nach: Brentini 2004, S. 226–228).2 Der Name der Schulanlage geht zurück auf den Pädagogen FranzDula, 1814–1892 (Bussmann Roman, Dula Franz, in: HistorischesLexikon der Schweiz, www.hls-dhs-dss.ch, Version 18.5.2010).3 Wyss 2003 (1991), S. 24, 29.4 Johann Metzger gewann zwar den Wettbewerb, die Ausführungdes Projektes wurde jedoch den Luzerner Architekten Griot undVogt übertragen.5 Oberhänsli 1996, S. 137–138.6 1888 zählte Luzern noch 20’314 Einwohner, 1900 29’255, 191039’339, 1920 44’029 und 1930 waren es 47’066. Die Zahl der Ein-wohner hatte sich in 42 Jahren mehr als verdoppelt. Vgl. dazu: Wyss2003 (1991), S. 21.7 Vgl. Erläuterungsbericht des Architekten vom 29.1.1929 (wieAnm. 1).8 Pantli 2002, S. 6; Oberhänsli 1996, S. 138–141; Brentini 2004,S. 56–57.9 Jurybericht vom 8. Juli 1930 (SALU B 3.31/A 74, zitiert nach:Brentini 2004, S. 196).10 Jurymitglieder: O. Businger, Baudirektion; Dr. J. Zimmerli,Stadtpräsident; Max Hofmann, Architekt Bern; A. Ramseyer, Ar-chitekt Luzern; Martin Risch, Architekt Zürich, und O. Balthasar,Kantonsbaumeister, Ersatz (Oberhänsli 1996, S. 142).11 Beispielsweise das Wohnhaus Forbrich in Weggis, das vomGemein derat Weggis keine Baubewilligung erhielt. Das zu flacheWalm dach musste erhöht werden, erst dann konnte mit dem Baubegonnen werden (Brentini 2004, S. 74). Auch die Villa Industrie-strasse 30 in Zug von Heinrich Peikert konnte trotz der Bewilligungder Baukommission nicht erstellt werden, da die Exekutive derStadt Zug den Entscheid der Kommission umstiess. Als Begrün-dung diente explizit die Verwendung des Flachdachs (van OrsouwMichael, Neues Bauen. Das Flachdach und das Chalet, in: vanOrsouw /Vogel 2005, S. 179–181).

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ausgeführt werden sollte. Gerade dieses nicht sicht-bare Detail der Fassadengestaltung akzentuierte imZusammenspiel mit dem Flachdach die Artikulationdes Neuen Bauens bei der Schulanlage Dula.12 An-hand des Titels des Projektes kann der programmati -sche Schwerpunkt des Architekten, die «Einordnung»der neu entstehenden Trakte in die bestehende Anla-ge festgestellt werden.13Der Haupttrakt wurde an diesüdliche Spitze des Grundstückes als Pendant zumSälischulhaus platziert, um eine optimale Lage für dieLichtdurchflutung der Klassenräume zu erwirken. In der speziellen Formgestaltung des Daches mitmöglichst flacher Neigung wurde das ausgeprägteWalmdach des Sälischulhauses wieder aufgenom-men, wenngleich es hinter die Fassadenflucht zu-rückgesetzt wurde und so eine eigenwillige abstrakteForm entstand, die mit wenig Abstand zum Bau vomBetrachter auch als Flachdach wahrgenommen wer-den kann. Die Auseinandersetzung mit dem Säli -schul haus entwickelte sich nicht allein durch die Po-sitionierung des Dulaschulhauses, sondern wurdedurch die neue Interpretation der Dachgestaltungund dem verwandten Farbanstrich gesteigert. Recht-winklig schmiegt sich dem Hauptgebäude der Turn-hallenkubus als niedrigeres, flach gedecktes Gebäudean, das die leichte Krümmung der Bruchstrasse inseiner Linienführung aufnimmt, den vorhandenenPlatz so optimal ausnützte und durch seinen Körperden so entstehenden Innenhof von der Strasse ab-trennte. Wiederum rechtwinklig zum Haupttrakt je-doch an seiner Südfassade wurde der niedrige, flachgedeckte Baukubus des Kindergartens angefügt. Esbildete sich auf diese Weise ein kleiner gesonderterHinterhof im Südosten der Anlage für die besondersjungen Besucher des Geländes. Der Architekt hattesomit auf dem Areal der Sälimatte eine qualitätsvollestädtebaulich überzeugende, die Altbauten integrie-rende Gesamtanlage entworfen, deren moderne ar-chitektonische Sprache durch die Jurymitglieder ak-zeptiert wurde. Diese erstmalige Gesamtorganisationder Zone gehört zu den ersten städtebaulichen Kon-zeptionen des Neuen Bauens in der Zentralschweiz.

Auf den eingereichten Projektplänen sind dieTurnhalle und der Kindergarten in blauer Farbe ge-staltet und das Hauptgebäude ist farblich abgesetzt,ganz im Gegensatz zu den ausgeführten Fassaden, beidenen das verputzte Schulhaus mit dem Kindergar-ten als Einheit zusammengefasst und der Sichtbeton -fassade der Turnhalle entgegengesetzt ist. Vergleichtman die Eingabepläne, die am 29. Januar 1931 imHinblick auf die Abstimmung vom 11./12. April 1931veröffentlicht wurden, mit den realisierten Bauten,so betreffen die auffallenden Abweichungen vor al-lem die Turnhalle. Der eingeschossige Turnhallen-vorbau entsprach nicht mehr, wie in den Plänen pro-jektiert, der Länge der Halle, sondern legte sich in der

Realisation U-förmig um den Trakt. Die Ostfassadeder Turnhalle wurde um ein Geschoss erhöht, um alsSicht und Windschutz der Terrasse zu dienen, und

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Abb. 70 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Ansicht vomUnterstand zwischen Schul-haus und der Turnhalle aus aufdie Fassade des Schulhofs. DerSchulhof wird unter den Schul-haustrakt erweitert, wo sichüber den Stützen aus Granit einüberdachter Pausenhof bildet.Aufnahme von Otto Pfeifer, gegen Ende der 1930er-Jahre.

Abb. 71 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. An derWestfassade der separate Kindergartenzugang; dennoch ist der Kindergarten im Schul-hausgebäude integriert und bildet so die in den 1930er-Jah-ren postulierte Einheitsschule.Aufnahme von Otto Pfeifer, gegen Ende der 1930er-Jahre.

Abb. 72 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Deutlichsetzt sich der Kubus des Kindergartens von dem lang -gezogenen Gebäudetrakt desSchulhauses ab. Die grossenFensteröffnungen der Fassadelassen viel Licht in die Schul-räume. Aufnahme von OttoPfeifer, gegen Ende der 1930er-Jahre (SALU, F2a/Strassen/Bruchstrasse 78).

Abb. 73/74 Luzern, Schulan-lage Dula, Schulhaus. Dergrosszügige Gang führt in dieKlassenzimmer, die eine grosseErrungenschaft der damaligenZeit aufweisen: Die Räumesind mit einzelnen mobilen Tischen und Stühlen ausgestat -tet, so dass diese der Grössedes jeweiligen Schülers an -gepasst werden können. Auf-nahme von Otto Pfeifer, gegenEnde der 1930er-Jahre.

12 Als eines der ersten Beispiele für die Verwendung von Sichtbe-ton kann die Antoniuskirche von Karl Moser in Basel 1925–27 an-geführt werden. Durchsetzen konnte sich diese Bauweise erst nachdem Zweiten Weltkrieg (Brentini 2004, S. 64; Pantli 2002, S. 3).13 In seinem Erläuterungsbericht vom 29.1.1931 Nr. 255 (wieAnm. 1) betonte Zeyer, dass aus dem Programm die Einheitsschu-le gefordert wurde, indem die Schulklassen vom Kindergarten biszu den oberen Klassen, Spezialklassen in einem Komplex vereini-gen. Mit den alten Schulhäusern auf dem Platz entstehe somit einegeschlossene Schulhausanlage, die den Gedanken der Einheits-schule in idealer Weise verwirkliche. Der Bericht wird abgeschlos-sen mit der Bemerkung, dass «das Gesamtbild der Anlage möglichstzusammenklinge […].»

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die Bauten zwischen Turnhalle und Schulgebäudewurden von der Fassadenflucht zurückgesetzt.14

Realisation des Projektes

An der Gemeindeabstimmung vom 11./12. April 1931sprach sich die Bevölkerung eindeutig für die Ver-wirklichung der Anlage aus, vermutlich auf Grundder ungünstigen Wirtschaftslage (Abb. 68). So konn-te der Vertrag zwischen der Stadt und dem Architek-ten kurz darauf geschlossen werden. Die Bauarbeitenam Rohbau begannen aber wegen des schlechtenBaugrundes erst einige Monate später, Ende August1931, nach der Pfählung von 115 Betonfundamenten.Ungeduldig wurde im März 1933 nochmals seitensder Stadt auf das langsame Voranschreiten der Bau-arbeiten hingewiesen, worauf sich Architekt Zeyerrechtfertigen musste. Seine Erklärungen nicht ak-zeptierend bestand die Stadt auf den Bezugsterminam 1. Mai 1933. Um die Frist einzuhalten, musstenÜberstunden geleistet werden, kleinere Arbeiten zo-gen sich sogar nach der Einweihung bis ins Jahr 1934hin (Abb. 69–74). Der Bau der Turnhalle hingegenwurde zügiger abgewickelt, da keine speziellen Fun-damente nötig waren. 1932 begannen die Arbeitenund konnten im November des nächsten Jahresschon abgeschlossen werden. Der mündlichen Über-lieferung zu Folge müssen vor allem die BauführerWalter H. Schaad und Hans Brechbühler durch ihrenunermüdlichen Einsatz zur Realisierung des Bauesbeigetragen haben (Abb. 75–77).15

Die Veränderungen im Laufe der Zeit

Im Lauf der Jahrzehnte erfuhr die Anlage kaum eineVeränderung, was für die Qualität der architekto -nischen Ausführung spricht. Allein Garderobe undDusch anlage der Schwinghalle wurden 1963 neu ge-staltet, und kurz darauf (1969/70) wurde aufgrunddes erhöhten Bedarfs auf die bestehende Turnhalleeine weitere aufgestockt, was zu statischen Proble-men führte (Abb. 78). Die grössten Umbauten imHauptgebäude fanden im Erdgeschoss statt. 1982wurde die Schulzahnklinik in die Räume der ehema-ligen Poliklinik und in das Lehrmittelzimmer erwei-tert, da das Behandlungsangebot der Kieferorthopä-die ergänzt wurde. Die seit 1908 bestehende undsomit früheste Einrichtung der Schweiz hatte zwar inden 30ern durch den Architekten Zeyer eigene Räum -lichkeiten im Schulhaus und eine zur damaligen Zeitmodernste Einrichtung erhalten, die natürlich in den80er-Jahren völlig veraltet war (Abb. 79). Mobiliar,Administration und Ausrüstung wurden den neuenBedürfnissen angepasst.16

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14 Für weitere Abweichungen vgl. Pantli 2002, S. 7–8.15 Brentini 2004, S. 57; Oberhänsli 1996, S. 143–144; Pantli 2002,S. 6–7.16 Pantli 2002; S. 8.

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Die Anlage in der nahen Vergangenheit

Im Jahr 1988 wurde vom Kanton ein erster Versuchgestartet die Anlage in das kantonale Denkmalver-zeichnis eintragen zu lassen. Auf Wunsch der StadtLuzern wurde der Unterschutzstellungsantrag sistiertund trat erst, nach langwierigen Verhandlungen, imJuli 2003 in Kraft. Zur Jahrtausendewende stellte sichdie Frage, wo der dringend notwendige Neubau ei-ner Doppelturnhalle auf dem Areal zu stehen kom-men sollte, oder ob die alte, seit den 1960er-Jahrenzweistöckige Dula-Turnhalle nicht vollständig abge-rissen werden könnte. Ausgehend von einem Projekt -wettbewerb wurde die Lösung von Max Bosshard undChristoph Luchsinger favorisiert, welche die neueDoppelturnhalle am Rand des von Zeyer definiertenPausenhofes zu zwei Dritteln in den Boden versenkt,um die städtebauliche qualitätsvolle Gesamtanlagenicht zu stören. Erst durch diese umsichtige Integrie -rung des Neubaus wurde es möglich die Dula-Turn-halle zu erhalten. Die Sanierung und Restaurierungder gesamten Schulanlage Dula, das heisst die Be-freiung der Turnhalle von der Aufstockung und dieRückführung der Gebäude in ihre originale farben-frohe Gestaltung, wurden unter der fachkundigenLeitung des Luzerner Architekturbüros Lengacherund Emmenegger durchgeführt.17

Die Schulanlage Dula als schützenswertesDenkmal des Neuen Bauens

In der Formensprache der Architektur lehnt sich dieSchulanlage Dula an die Vorbilder des Neuen Bauensan. Diese architektonische Haltung postuliert die Re-duktion als Reaktion auf die wuchernden historisie-renden Stile.18 Oberstes Gebot ist die EinfachheitZweckmässigkeit und Sachlichkeit,19 deren Formenaus der Funktion entsteht.20Die konsequente Orien-tierung nach dem Zweck der einzelnen Baugliederführt in der gezielten Umsetzung zur Klarheit in derKonstruktion und der Organisation der Anlage. Inder Fassadengestaltung ist die funktionale Dispositi-on des Inneren ablesbar. Für die Gestaltung werdenreine Oberflächen, gerade Linien, rechte Winkel, ele-mentare Formen der Baukörper und flache Dächerbevorzugt.21

Deutlich wird das Vorrecht der Funktion überder Form an der Schulanlage Dula durch die unter-schiedlichen angesetzten Kuben, die verschiedenenZwecken (Kindergarten, Turnhalle) dienen. Ebensowird an der Fenstergestaltung des Dulaschulhausesklar, dass die kleineren Fenster die Gänge und diegrösseren Fenster auf der gegenüberliegenden südli-chen Sonnenseite die Schulzimmer belichten.22 Alsdrittes Beispiel dient das abgerundete Treppenhausam schmalen Ende des Traktes, das als Gelenk denHauptbau mit dem Turnhallengebäude verbindetund in seiner Breite die Verkehrsflächen umfasst. Sei-

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17 Archiv Denkmalpflege Luzern, Bruchstrasse 78, 55.2.2; Brenti-ni 2004, S. 65–66.18 Ein anonymer Schreiber A.Z., der von Brentini als Albrecht Zey-er identifiziert wurde, stellte im Luzerner Tagblatt am 16.11.1929 ineinem Antwortbrief (zitiert nach: Brentini 2004, S. 224–225) aufden Leserbrief «Architektur-Terrorismus?» fest: «Das Wesen derheutigen Architektur […] ist die bewusste Abkehr von den übersät-tigten Formen des Barockstils und verwandter Zeitepochen. Wir kön-nen uns heute […] nicht mehr begnügen mit dem blossen Kopierenund Nachäffen alter Stilformen.»19 A.Z., vermutlich Zeyer, definierte am 16.11.1929 (s. Anm.17) denBegriff «Sachlichkeit»: «Diese Sachlichkeit bedeutet Bedürfnis, Wahr-heit, Einfachheit, was wiederum nichts anderes ist als «die Rückkehrzu den Elementarregeln des Bauens» […].» (zitiert nach: Brentini2004, S. 224).20 Als Beispiel der rigiden Forderung soll hier Hannes Meyer zi-tiert werden, der 1926 akzentuierte: «Bauen ist ein technischer, keinästhetischer Prozess, und der zweckmässigen Funktion eines Hauseswiderspricht je und je die künstlerische Komposition. Idealerweiseund elementar gestaltet, wird unser Wohnhaus eine Maschinerie. Ein-zelform und Gebäudekörper, Materialfarbe und Oberflächenstrukturerstehen automatisch, und diese funktionelle Auffassung des Bauensjeder Art führt zur reinen Konstruktion. Reine Konstruktion ist dasKennzeichen der neuen Formenwelt. Die konstruktive Form kennt

Abb. 75 Luzern, SchulanlageDula, Turnhalle. Der Blick indie Turnhalle mit den geöffne -ten Fenstern lässt die raffinier-te Technik deutlich werden, diees ermöglicht durch das Dre-hen des Kurbelrades die Fens-ter automatisch aufzufalten.Aufnahme von Otto Pfeifer, ge-gen Ende der 1930er-Jahre.

Abb. 76 Luzern, SchulanlageDula, Turnhalle. EhemaligeSchwinghalle im Turnhallen-trakt, die seinerzeit rege vonden entsprechenden Vereinengenutzt worden war. AnonymeAufnahme, vermutlich gegenEnde der 1930er-Jahre (SALU,F2 PA 08/05).

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ne auffallende runde Form fungiert damit als Aus-druck der innern Organisation. Diese klare innereDisposition, für den Betrachter durch die Fassaden-gestaltung sichtbar gemacht, trennt die Erschlies-sungsräume klar von den funktionellen Räumen. Alsmögliche Entwicklungsvorstufen für die so genann-te Korridorschule können folgende Luzerner Schul-häuser genannt werden: Maihof (1905/06), St. Karli(1909–1911) und Moosmatt (1913/14).23

Zeyer setzte die Überzeugung, dass die Form der Funktion gehorcht, nicht nur in Architektur um,sondern formulierte sie vermutlich auch in Wortenin einem nur mit A.Z. signierten Leserbrief an dasLuzerner Tagblatt vom 16. November 1929: «Das in-nere, räumliche Bedürfnis bildete die Form für die äus-sere Gestaltung. Man will wahr sein, man will nicht die innere praktische Raumaufteilung durch eine anden Haaren herbeigerissene, äussere Symmetrie zerstö-ren.»24

Die schulhygienischen pädagogischen Forderun -gen der Zeit werden in diesem Bau realisiert, so dassdieser als einer der vorbildlichsten Verwirklichungender folgenreichen Gesundheitsreformen in der Zen-tralschweiz angesehen werden kann (Abb. 80). Na-türlich erleichterten die technischen Errungenschaf-ten die Umsetzung bei der Klimatisierung der Räume(Heizung und Lüftung), bei den künstlichen und na-türlichen Lichtquellen und den Platzverhältnissender Räume (Stahlträgerkonstruktion und Beton).

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Abb. 77 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Blick vonder Bruchstrasse auf die flachgedeckte Turnhalle. Deutlichhebt sich der Wind- und Son-nenschutz für die Sonnenter-rasse auf der Turnhalle ab. DieTerrasse diente nicht nur alsDach, sondern wurde aus ge-sundheitlichen Überlegungenvon den Schülern auch zumSonnenbaden genutzt. Ano -nyme Aufnahme, vor 1938(SALU, F2 PA 08/05).

Abb. 78 Luzern, SchulanlageDula, Turnhalle. Diese Auf-nahme – nicht aus der Ent -stehungszeit des Bauwerkes,sondern von 2003 – zeigt dieAufstockung der Turnhalle, diein den 1960er-Jahren erfolgtwar.

kein Vaterland, sie ist zwischenstaatlicher Ausdruck internationalerBaugesinnung. Internationalität ist ein Vorzug unserer Epoche.»(Hannes Meyer, Die neue Welt, in: Das Werk 13 (1926), S. 222).21 Meyer André, Architektur zwischen Tradition und Innovation.Die Zentralschweiz auf dem Weg in die Moderne, Luzern 2003,S. 75–76.22 Erläuterungsbericht des Architekten vom 29.1.1929 (wie Anm.1):«Die Fassaden wurden entsprechend der innern Zweckbestimmungin grosse Fensterflächen aufgelöst.»23 Meyer 2003, S. 60.24 A.Z., vermutlich Zeyer, am 16.11.1929 (s. Anm. 17).

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Auch konnte das moderne Material Beton eindeutigim Kontext der Hygiene eingesetzt werden, wurdendoch für die beiden unterschiedlichen Bereiche die-selben Eigenschaften zugeschrieben: Klarheit undSauberkeit.25 Beispielhaft diente das moderne Flach-dach der Turnhalle als Sonnenterrasse – heute dankder Rückführung wieder erlebbar –, und verband so-mit die Forderung des Neuen Bauens mit derjenigender Schulhygiene nach Luft und Licht (Abb. 77).26

Verschiedene Stilelemente von unterschiedlichenArchitekten der Zeit haben Zeyer inspiriert. Die Run-dung des Treppenhauses und die Fassadenkrüm-mungen erinnern an Erich Mendelsohns Architekturder Kaufhäuser Schocken in Stuttgart (1926–1928).Zugleich rufen die Anfügung des kubischen Elemen-tes des Kindergartens oder die Dachelemente die hol-ländische Architektur ins Gedächtnis, insbesonderedie Schule in Hilversum von W.M. Dudok.27

Weitere Vergleichsbeispiele für die Grundriss-disposition, die Fassadengestaltung,28 die Ausbuch-tung des Treppenhauses29 oder die Verwendung desSichtbetons30 liessen sich aufzählen. Dies bezeugt dieintensive Auseinandersetzung des Architekten mitder zeitgenössischen Architektur. Auch umgekehrtblieb Zeyers einmalige Lösung nicht uninteressantfür spätere Architekten. So zitierte beispielsweise dierasterförmige Fenstergestaltung von Hans Brechbüh -ler bei der Gewerbeschule in Bern von 1935/39 dasDulaschulhaus, und der halbrunde Abschluss desTraktes wurde beim von Hanspeter Ammann undPeter Baumann 1985 erstellten Postbetriebsgebäudein Luzern wieder aufgenommen.31 Die SchulanlageKalofen in Grosswangen (1936) von Armin Meilikann sogar als Variation der Grundkonzeption derDula-Anlage angesehen werden.

Nicht nur die Konzeption des Schulhauses als so-ziales Zentrum kann als zeitgemässe Realisation einerForderung der Moderne angesehen werden, sondernauch dass die formale und funktionale Durchgestal-

tung der Bauwerke die Sprache des Neuen Bauens auf-nimmt: Der Grundriss wird in Verkehrs- und Nutz-flächen getrennt, die Fassadengestaltung verweist aufdie dahinterliegende Funktion, die hohe Anzahl derFenster löst die Fassade beinah auf und als Baumate-rial wird «hygienischer» Beton gewählt, der an derTurnhalle als Sichtbeton wahrnehmbar ist. Zudemkann die Verwendung des Flachdaches, das im Haupt-bau durch die Zurücksetzung suggeriert wird undsich bei der Turnhalle als Terrasse für das ge sund heits -fördern de Sonnenbad nutzen lässt, als Ausdruck desNeuen Bauens gelesen werden. Gerade diese Abstrak -tion des traditionellen Walmdachs beim Haupttraktschaffte wohl eine für die Luzerner Bevölkerung ak-zeptable Form des Neuen Bauens. Indem Zeyer ver-schiedene moderne Elemente der Zeit verknüpfte undeigene Lösungsansätze damit verband, schaffte er eineigenständiges originelles Werk, das zu Recht als na-tionales Denkmal des Neuen Bauens eingestuft wurde.

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Abb. 79 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Im erstenObergeschoss des Schulhaus-traktes war die schulärztlicheZahnklinik untergebracht. Die-ses Bild der Stadtpolizei Lu-zern von 1944 zeigt die seiner-zeit moderne Einrichtung imGebrauch (SALU, F2a/Stras-sen/Bruch strasse 78).

Abb. 80 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Das Be -streben, die Hygiene in jedemBereich zu verbessern, mani-festiert sich an der Einrichtungder Säuglingspflege im Erdge-schoss des Schulhaustraktes.Aufnahme von Otto Pfeifer, ge-gen Ende der 1930er-Jahre.

25 Oberhänsli 1966, S. 111–137.26 Walter Gropius schrieb 1930 über die Bauhausbauten: «Die An-wendung begehbarer, mit Pflanzen bestandener Dachgärten ist einwirksames Mittel die Natur in die Steinwüste der Grosstädte einzu-beziehen. […] Der durch den Bau der Häuser verlorene begrünbareBoden wird auf den flachen Dächern wiedergewonnen.» (GropiusWalter, Bauhausbauten Dessau, Reprint Mainz/Berlin 1974 [Erst-auflage Fulda 1930], S. 55). Zur Frage der Funktion eines Daches,die wiederum Form gebend ist, stellt A.Z., vermutlich Zeyer, am16.11.1929 (s. Anm. 17) folgendes fest: «Sie hat die Aufgabe, den Bau-körper in möglichst klarer und eindeutiger Weise abzudecken, also einDeckel. Je einfacher und anspruchloser dieser Deckel beschaffen ist,um so besser und schöner ist er.»27 Oberhänsli 1996, S.159; Brentini 2004, S. 63.28 Vgl. Projekt für die Bezirksschule in Lenzburg von Hans Schmidt,dessen Entwurf 1927 in der Schweizer Bauzeitung publiziert wur-de (Oberhänsli 1996, S. 160–161).29 So der SBB-Rangierbahnhof in Muttenz von Alfred Ramseyer,dessen Pläne zwischen Januar und Mai 1930 entstanden sein muss-ten, folglich etliche Wochen vor der Abgabe der Wettbewerbsplä-ne für Dulaschulhaus. Ob die beiden Architekten sich ausgetauschthatten, bleibt ungewiss (Brentini 2004, S. 62); weitere Beispiele fürdieses Element dazu bei: Brentini 2004, S. 62–64.30 Jurybericht vom 8. Juli 1930 (s. Anm. 8).31 Brentini 2004, S. 65.

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Auf der Suche nach einem Sanierungskonzept er-laubten wir uns, den städtebaulichen und architekto -nischen Qualitäten der Schulanlage Dula, unabhän-gig der anerkannten Stellung in der Architekturge-schichte, aus unserer eigenen Sicht nachzugehen.

Städtebauliche Qualitäten der Schulanlage Dula

Die Schulanlage Dula ging aus einem 1930 durchge-führten Architekturwettbewerb hervor, den der Lu-zerner Architekt Albert Zeyer gewann. Beeindru-ckend ist heute noch die städtebauliche Integration,die mit dem Wettbewerbstitel: «Einordnung» schonfast programmatisch angekündigt wurde (Abb. 81).Die perspektivische Zeichnung zum Wettbewerbs-projekt von 1930 macht die städtebauliche Absicht

des Architekten deutlich: Das Dulaschulhaus ant-wortet mit Volumetrie, Stellung und Dachform prä-zise auf das Sälischulhaus (1898, Architekten Metz-ger, Zürich; Vogt und Griot, Luzern).1 Die beidenparallelen Baukörper spannen einen grossen Aus-senraum auf, wobei sich die beiden westlichen Endender Gebäude genau gegenüberliegen und die Bezie-hung der beiden Baukörper zusätzlich durch eineReihe grosser Bäume deutlich gemacht wird. Denöstlichen Abschluss dieses Raumes bildet der Turn-hallentrakt, als niedriger Verbindungsbau zwischenSäli- und Dulaschulhaus. Neben diesem ersten Aus-senraum wird ein daran angrenzender weiterer Raum

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Abb. 81 Luzern, SchulanlageDula. Am 17. Juli 1930 wurdein der Luzerner Illustrierten derÖffentlichkeit das Siegerprojektdes Wettbewerbs, «Einord-nung» von Albert Zeyer, vorge-stellt. Besonders gut lassensich an diesem Bild die städte-bauliche Konzeption und dieräumlichen Beziehungen zwi-schen den unterschiedlichenBaukörpern nachvollziehen.

1 Oberhänsli 1996, S.141; s. dazu auch Aufsatz von Patrizia Solom -brino und Claus Niederberger, S. 72ff.

Überlegungen zur städtebaulichen und architektonischen Qualität der Schul anlage Dula

Hansjörg Emmenegger und Florian Rauch

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mit den Stirnseiten aller drei Schulhäuser, dem Pesta -lozzi-Schulhaus (1904, Architekt Othmar Schnyder),dem Dula- und dem Sälischulhaus definiert. Eineheckenartige, raumbildende Bepflanzung schliesstdiesen in Zonen unterteilten, präzise aufgespanntenAussenraum gegen Westen ab. So wird aus dem un-geometrischen Grundstück mit der Stellung der Vo-lumen ein geometrischer, weiträumiger Schulhof aus-gespart mit präzisen Zugängen an allen vier Ecken.Alle vier Baukörper haben in diesem Zusammenspielihre klar definierte Aufgabe und bilden zusammenmit dem geometrischen Schulhof und den ungeo-metrischen Garten- oder Parkflächen die Übergängezu den begrenzenden Strassen. Mit diesem exempla-risch präzisen Entwurf gelingt Zeyer die «Einord-nung» auf eindrückliche Art und Weise. Alt und Neuwerden zum Ensemble und bilden eine schöne, weit-räumige Schulanlage.

Architektonische Qualitäten der Schulanlage Dula

Nicht das Aussergewöhnliche, Spektakuläre, Auffal-lende wurde von Albert Zeyer gesucht, kein raffinier -tes Raumtheater, keine Eingangshalle, keine vertika-le Raumbeziehung, nichts. Es ist ein tiefes Vertrauendieses Architekten dafür spürbar, dass Schönheitdurch einfache Aneinanderreihung der notwendigenRäume, durch Klarheit der Konstruktion und durchdie handwerklich hochstehende Materialisierungentsteht. Der gesellschaftliche Hintergrund für dieseHaltung, die 1930 zu so ganz anderen Resultaten führ -te als beim Säli- (1898) und beim Pestalozzi schul -haus (1904), wird gemäss der Publikation «ModerneSchweizer Architektur» von 19492 darauf zurückge-

führt, dass das Neue Bauen in der Schweiz eine Rei-he besonders günstige Voraussetzungen vorgefundenhabe: Bauhandwerk, Bauindustrie und Ingenieurwe-sen seien hochentwickelt und es bestehe ein beson-derer Sinn für Präzisionsarbeit, Ökonomie, Hygieneund demokratischer Schlichtheit.

Wieso wählte Albert Zeyer für das Schulhaus Ge-staltungselemente einer etwas behäbigen Moderne,während er für die Turnhalle eher Elemente des Neu-en Bauens vorsah, das sich an der Weissenhofsied-lung in Stuttgart orientierte und sich mit weiss ver-putzen Wänden, kristallin reinen Baukörpern undFlachdächern artikulierte? 3 Er selbst gab in seinembetont sachlichen «Bericht zum Dulaschulhaus mitTurnhalle» keine Antwort auf gestalterische Fragen.4

Im Dezember 1930 schrieb Albert Zeyer aber zur äus-seren Gestaltung: «Die Fassaden werden entsprechendder inneren Zweckbestimmung in grosse Fensterflächenaufgelöst. Die verbleibenden Mauerflächen sind mitfarbig getöntem Edelputz mit den bestehenden Schul-hausbauten in Einklang gebracht. Beim Schulhausbau

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Abb. 82 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Ansicht vonder Bruchstrasse aus auf denHaupttrakt. Prominent sichtbarim Vordergrund ist der Treppen-turm. Aufnahme 2005 vor derRestaurierung.

Abb. 83 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Ansichtvom selben Standpunkt aus jedoch nach der Sanierung imJahr 2008. Das Hauptgebäudeerstrahlt in neuer Farbe, dieHeilpädagogische Schule hatnun mitten in der Stadt Luzernihren Platz gefunden. Aufnahme2008 nach der Restaurierung.

2 Bill 1949, [nicht paginiert].3 Brentini 2004, S. 64.4 SALU, B 3.31, Zeyer 16.2.1935.

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werden die nördliche Eingangshalle und die Hallen-pfeiler daselbst mit Granitplatten verkleidet. Allgemeinist Bedacht genommen, das Gesamtbild der Anlagemöglichst zusammenklingen zu lassen.»5

Das Dulaschulhaus ist nach dem städtebaulichenKonzept kein Solitärbau, sondern Teil eines Ensem-bles (Abb. 82/83). Es ist daher folgerichtig, dass diestädtebaulich hervorragende Integration der Schul -

anlage Dula in der architektonischen Umsetzungkonsequent fortgesetzt wird. Deshalb ist die Fassadenicht, wie beim Neuen Bauen vielfach üblich, weiss,sondern, wie die Fassaden des Säli- und des Pesta -lozzi schulhauses, leicht rötlich (abricot clair) unddeshalb wurde kein Flachdach, sondern ein Walm-dach, allerdings ohne Dachvorsprünge oder sicht bareDachrinnen, gewählt. Ganz anders die Materialisie-rung des Turnhallentraktes: Mit der Sichtbetonfassa-de unterscheidet er sich als niedriger Verbindungsbauklar von den drei Schulhäusern.

Die Fassaden des Dulaschulhauses zeigen dieFunktion der dahinter liegenden Räume (Abb. 84/85). Die sich wiederholenden Öffnungen sind aus-serordentlich präzise proportioniert und jeder unse-rer Versuche einer auch noch so geringfügigen Än-derung daran brachte die Erscheinung aus demGleichgewicht.

Die einzige gestalterische Zuspitzung erlaubtesich Albert Zeyer mit dem halbzylindrischen Trep-penturm. Damit wird die stark horizontal geglie -derte Nordfassade mit einem vertikalen Element ab-geschlossen, als markantes Zeichen zur Stadt, alsHinweis für den Eingang zum Pausenplatz und alsgleichwertiges, eigenständiges Vis-à-vis zum reichprofilierten Sälischulhaus am anderen Ende des Zwi-

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Abb. 84 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus und Kinder-garten. Blick auf die Südfas -saden hinter der die Schulzim-mer liegen. Aufnahme 2005vor der Restaurierung.

Abb. 85 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus und Kinder-garten. Das Gebäude erstrahltnach der Sanierung auch dankdem besonderen Farbanstrichmit der Farbe «abricot clair» in neuer Frische und hat dankdem sorgfältigen Umgang mitdem originalen Bestand denRhythmus der Fensteranord-nung nicht verloren. Aufnahme2008 nach der Restaurierung.

5 SALU, B 3.31, Zeyer 29.1.1931.

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schenbaus. Zudem wird die zweiflügelige Grundan-lage des Schulhausgrundrisses an dieser wichtigenStelle mit dem vorstehenden Gebäudeteil sichtbar ge-macht und geschickt die Länge des Baukörpers beider Krümmung der Bruchstrasse maximiert. Auchdie offene Eingangshalle, mit der die in den Oberge-schossen linear gestaltete Nordfassade im Erdgeschosseinen symmetrischen Charakter bekommt, kann, ne-ben dem praktischen Nutzen, als Antwort auf dieebenfalls symmetrische Südfassade des Sälischulhau-ses verstanden werden.

Anders als die horizontal gegliederte Nordfassa-de, die mit hohen Brüstungsbändern und fast zu-sammen geschobenen liegenden Öffnungen band-fensterartig wirkt, wird die Südfassade mit denannähernd quadratischen Fenstern rasterartig aufge-löst. «Der Fensteranteil der Fassade ist für die dama -lige Zeit sehr hoch, sodass Albert Zeyer von einer Auf-lösung in grosse Fensterflächen und ein begeisterterKri tiker von der Modernität der gläsernen Fassadespricht.»6 Der Umgang mit den Proportionen derFassaden bei Schulhaus und Turnhalle lässt vermu-ten, dass Albert Zeyer die Anforderungen des NeuenBauens sehr wohl kannte, dem Konzept der städte-

baulichen Integration folgend aber zu einem eigen-ständigen Ausdruck fand.

Die architektonische Erscheinung der Schulan-lage Dula könnte, mit wenigen Ausnahmen, aus un-serer heutigen Zeit stammen. Sie erscheint wenig ge-altert und immer noch zeitgemäss. Umso wichtigerwurde die Erhaltung der Details, weil durch sie dieVergangenheit sichtbar bleibt (Abb. 88). Die Fens-ter, die Röhrenradiatoren, die Straminwände, dieBoden platten: Der Verlust nur eines dieser Materia-lien hätte die fein abgestimmte gestalterische Einheitgestört.

Der präzise Umgang mit Materialien lässt sicham Beispiel der Bodenbeläge besonders gut zeigen(Abb. 86/87). Der überwiegende Bodenbelag war einkastanienbraunes Linoleum, ergänzt mit quadrati-schen, 30�30 cm messenden schwarzen, leicht ge-sprenkelten Kunststeinplatten des MarmorwerksBald egg. Dieses teurere Material wurde nur in denbesonders beanspruchten Eingangsbereichen, alsTreppenstirnen und Wangen und als Randfriese undSockel in den Erschliessungsgängen eingesetzt. Als

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6 Oberhänsli 1996, S.154.

Abb. 86 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Der Blickvom Treppenhaus im Ostenzwischen dem 2. und 3. Stockmit dem stark abgenutzten Bodenbelag (Linoleum) undKunststeinplatten des Marmor-werks Baldegg. Aufnahme2005 vor der Restaurierung.

Abb. 87 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Eingang zumSingsaal mit den Farben derTonklaviatur von Le Corbusier(Sammt II ). Das Detail zeigt dieoriginale Uhr und die Schulglo-cke der 1930er-Jahre. Aufnahme2008 nach der Restaurierung.

Abb. 88 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Ein beson-deres Detail, das aus der Ver-gangenheit erzählt, sind die Be -schläge an den Toiletten türenaus den 1930er-Jahren. Aufnah -me 2008 nach der Restaurierung.

Abb. 89 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Die origina-le Materialisierung und Gestal-tung wurden restauriert oderwiederhergestellt. Aufnahme2008 nach der Restaurierung.

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drittes Material wurden graue, sechseckige Steingut-Porphyrplatten in den Nassräumen verwendet. Alledrei Materialien konnten einfach wiederhergestelltwerden oder waren noch erhältlich.

Albert Zeyer schrieb in seinem Bericht: «Im in-neren Ausbau wurde besonderer Wert gelegt auf solideund dauerhafte Konstruktionen.»7

Begegnung mit den Gebäuden vor der Sanierung

Nach 70 Jahren wirkte die Schulanlage abgegriffen,behelfsmässig den Nutzungen angepasst, düster, ver-braucht. Voll von Angespültem und Liegengebliebe-nem. Über alles hatte sich ein Grauschleier gelegt unddie ursprünglich reiche Farbigkeit war nur noch wagezu erahnen. Weil wenig renoviert und erneuert wor-den war, höchstens hie und da etwas Farbe auf Wän-de und Fenster, konnte sich viel Originalsubstanz bisin unsere Zeit halten. War die verflossene Zeit auchdeutlich spürbar, schien das Abgegriffene meist nochintakt und in alltäglichem, selbstverständlichem Ge-brauch zu sein. Dass der grösste Teil der Bausubstanzbis ins Detail aus der Entstehungszeit stammte,sprach für die grosse architektonische Qualität derPlanung und die hohe handwerkliche Qualität derAusführung.

Nachträgliche, seit den 1960er-Jahren vorgenom -mene Veränderungen an den Gebäuden der Schul-anlage hatten den architektonischen Ausdruck unddie materialgerechte Genauigkeit der Details aus demGleichgewicht gebracht. Während die eigentlicheBaustruktur des Schulhauses durch behelfsmässigeEinbauten im Laufe der Jahre im Verhältnis gesehennur mässig beeinträchtigt worden war, wurde derTurnhallentrakt in dieser Zeit sehr stark verändert(Abb. 90–92). Mit der Aufstockung der Turnhalle imJahre 1969 wurden die präzise Beziehung der Bau-körper zueinander und ihre Gestaltung empfindlichgestört. Auch wenn die Erweiterung aus schulbetrieb -lichen Gründen sicher gerechtfertigt werden konnte,bedeuteten die nahezu doppelt so hohe Fassade undder Wegfall der Sonnenterrasse mit der filigranen Be-tonrückwand einen entscheidenden Verlust. Auf derSeite der Bruchstrasse entstand durch die Erhöhungder Strassenfassade in Kombination mit den im Lau-fe der 1950er- bis 1970er-Jahre erneuerten gegenüber -liegenden Häusern eine schluchtartige Situation. Derneu erbaute nördliche Treppenturm zur Erschlies-sung der Turnhallenaufstockung wiederholte dieRundung des Dulaschulhauses an der Bruchstrasse.Damit wurde offensichtlich eine Anknüpfung an denBestand von 1933 gesucht. 1969 war die Rundung aberim Vergleich zum Treppenhaus von Albert Zeyer nurein rein formales Element. Zudem ignorierte ein neu-

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7 SALU, B 3.31, Zeyer 16.2.1935.

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er Umkleideanbau der 1960er-Jahre zwischen Gerä-teraumtrakt und Sälischulhaus den leichten Schwungder Fassade entlang der Bruchstrasse und bedrängteden Zugang zum grossen Pausenplatz. Diese Erwei-terungsbauten am Turnhallentrakt, die nicht mit dernotwendigen Sensibilität angegangen wurden, führ-ten zu starken Störungen der Gesamtwirkung derSchulanlage Dula und verstärkten den Eindruck desAbgegriffenen und Verstellten.

Schlussbemerkung

Die Schulanlage ist ein Beispiel dafür, dass mit kon-sequenter, eigenständiger, moderner Architektur In-tegrationsleistungen schon in den 30er-Jahren des20. Jahrhunderts sehr überzeugend gelingen konn-ten. Die ganze Komposition des Architekten AlbertZeyer ist folgerichtig aus dem städtebaulichen Kon-zept entwickelt und in ihrer Klarheit und Kargheitgleichwohl vielschichtig.

Die erste Begegnung mit der Schulanlage Dulahat uns trotz der Abgegriffenheit berührt und das Ver-trauen entstehen lassen, dass Verborgenes zu entde-cken sein wird, auch wenn wir das Potential nicht vonAnfang an erfassen konnten. Die städtebauliche undarchitektonische Qualität, die Bedeutung als Zeitzeu -ge der 30er-Jahre und der Respekt vor der erbrach-ten Leistung von Albert Zeyer führten zur Definitionunserer Aufgabe: Das Bauwerk ist möglichst original -getreu wieder herzustellen.

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Abb. 90 Luzern, Schulan lageDula, Turnhalle. In einer his -torischen Ansicht der 1930er-Jahre erkennt man, wie dieTurnhalle gegen die Bruch-strasse in ihrer Sichtbetonkon-struktion ursprünglich aussah(SALU, F2 PA 08/05).

Abb. 91 Luzern, SchulanlageDula, Turnhalle. 1969 wurdedie Turnhalle aufgestockt, was zu schwerwiegenden statischen Problemen führte.Aufnahme 2003 vor der Res-taurierung.

Abb. 92 Luzern, SchulanlageDula, Turnhalle. Die Turnhallenach der Sanierung entsprichtwieder dem ursprüng lichenBild. Aufnahme 2008 nach derRestaurierung.

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Aufgabenstellung der Stadt

Prägende Weichenstellungen für das Sanierungskon-zept der Schulanlage Dula waren folgende wichtigeEntscheidungen der Stadt Luzern:— Als zukünftiger Nutzer des Dulaschulhauses

sollte die Heilpädagogische Schule einen Platzmitten in der Stadt erhalten.

— Im Bereich des Turnhallentrakts sollten Räumefür die Musikschule Luzern und eine Aula für dieSchulhäuser der gesamten Schulanlage entstehen.

— Die Turnhallenaufstockung von 1969, die zu er-heblichen statischen Problemen geführt hatte,

soll te rückgebaut und durch einen Neubau an an dererStelle auf dem Schulgelände ersetzt werden.

In der Konzeptphase wurde zunächst deutlich, dassdas geforderte Raumprogramm der Heilpädagogi-schen Schule mit dem bestehenden Raumangebot imSchulhaus nicht zu erfüllen war, folglich musste zu-sätzlicher Raum geschaffen werden (Abb. 93). Aus-serdem brauchte die 70-jährige Haustechnik einekomplette Überholung. Um ein zeitgemässes Brand-schutzkonzept und eine hindernisfreie Erschliessungbei gleichzeitiger Wahrung des architektonisch räum -

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Abb. 93 Luzern, SchulanlageDula. Der Situationsplan zeigt die neu gestaltete Schul-anlage Dula mit den drei Schulhäusern und den zweiTurnhallen. Die neue Doppel-turnhalle wurde zu zwei Dritteln in den Boden versenkt,um die Gesamtanlage nicht zu stören.

1 Schulhaus Dula2 Kindergarten Dula3 Turnhalle Dula mit

Verbindungsbau4 Sälischulhaus5 Pestalozzischulhaus6 Bruchstrasse7 Pilatusstrasse8 Sälistrasse9 neue Doppelturnhalle

Konzeption, Planung und Ausführung der Gesamtrestaurierung der Schulanlage Dula in zwei Etappen

Hansjörg Emmenegger und Florian Rauch

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lichen Charakters umsetzen zu können, musstenschwere Eingriffe ins Tragwerk in Kauf genommenwerden.

Die bauliche Realisierung der Gesamtrestaurie-rung der Schulanlage Dula fand in den Jahren von2006 bis 2008 in zwei Bauetappen statt. Zunächstwurden die Massnahmen am Schulhaus ausgeführt,anschliessend erfolgten der Rückbau der Turnhallen -aufstockung und die Sanierung der Turnhalle.

Sanierungskonzept

Die Aufgabe, ein bedeutendes Gebäude aus der na-hen Vergangenheit zu erneuern, führte zur Suchenach dem passenden konzeptionellen Ansatz im Um-gang mit dem Bestehenden (Abb. 94–97). Dabei warunter den folgenden drei grundsätzlich unterschied-lichen Konzepten auszuwählen:

1) Das Bestehende zu erweitern und zu einem Schul -haus aus der heutigen Zeit umzubauen (verän-dern).

2) Die notwendigen neuen Einbauten klar absetzenvom Bestehenden und einen Dialog suchen zwi-schen Alt und Neu (kontrastieren).

3) Das Bestehende und das Neue zu einem neuenGanzen vereinen (integrieren).

Im vorhergehenden Aufsatz1 wurde die Qualität desursprünglichen Entwurfs der Schulanlage Dula ein-gehend dargestellt. Die intensive Beschäftigung mitdem Vorhandenen zeigte uns dessen Qualitäten: Daskonsequente Grundkonzept, die materialgerechte De -

tailgenauigkeit, Sparsamkeit im Einsatz der Formenund Materialien, Klarheit und Kargheit. Der Bau alsZeitzeuge der 1930er-Jahre, der Respekt vor der da-mals erbrachten Leistung und die heutige Bedeutungdes Ensembles als Denkmal von nationaler Bedeutungführten zur Definition unserer Aufgabe: Das Bau-werk sollte von den über die Jahre stattgefundenenEntstellungen befreit und möglichst originalgetreuwiederhergestellt werden. Für uns Architekten war

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Abb. 94/95 Luzern, Schul-anlage Dula, Schulhaus. Die Ansicht zeigt einen Aus-schnitt der verputzten Süd -fassade mit dem Kindergarten,der als Kubus ausgebildet indie Gartenanlage hineinragt.Durch Stoffrouleaus kann dieblendende Sonne der Süd -seite aus den Schulzimmernverbannt werden. Aufnahmen2003 und 2010 vor bzw. nachder Restaurierung.

Abb. 96 Luzern, SchulanlageDula, Schulhaus. Grundrissdes Erdgeschosses des neuorganisierten Schulgebäudes.Anstatt der Säuglingsbera-tungsstelle und der Werkräu-me finden sich nun die Regel-kindergärten, die Ludothekund die Lagerräume für denFerienpass der Stadt Luzern.

Abb. 97 Luzern, SchulanlageDula. Im 2. Obergeschossbleibt die grundsätzliche Struk-tur des Grundrisses weitge-hend erhalten. Der im Nordenangeordnete Erschliessungs-gang führt in die im Südenplatzierten Schulzimmer. Aufdiese Weise wird das Sonnen-licht für die Schulräume opti-mal ausgenutzt.

1 s. Aufsatz von Hansjörg Emmenegger und Florian Rauch, S. 79–84.

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das von Albert Zeyer architektonisch konsequentumgesetzte städtebauliche Konzept die Vorlage, ander sich unsere Eingriffe orientieren sollten. Unter-stützend dabei wirkten der beispielhafte Dialog mitder Denkmalpflege und das Einvernehmen mit derBauherrschaft.

Wo neue Nutzungen oder Anforderungen not-wendig wurden, sollten diese mit derselben gestalte-rischen Zurückhaltung geplant und umgesetzt wer-den wie seinerzeit im Original und im Sinne desdritten Punktes der oben angeführten Aufzählung in-tegrierend eingefügt werden. Nicht der sichtbare Un-terschied von Alt und Neu wurde angestrebt, sonderndie Ergänzung des Alten durch das Neue in starkerAnlehnung an die vorgefundene, von Albert Zeyer inbewusster Beschränkung auf wenige Elemente er-folgte Materialwahl und Detaillierung. Die seiner -zeitige solide Materialisierung gab zu keiner Verän-derung Anlass, zumal einzelne Materialien nochlieferbar waren, wie zum Beispiel die Bodenplattender Marmorwerke Baldegg oder die Steingutplattenin den Nassräumen. Ziel war die Bildung eines «Neu-en Ganzen». Das Neue sollte sich nicht aufdrängen,sondern erst auf den zweiten Blick als neu zu erken-nen sein.

Mit wachsender Intensität in der Auseinander-setzung mit der Art des Konstruierens der 1930er-Jahre hatten wir diese Prinzipien schliesslich so starkverinnerlicht, dass uns die Frage «Wie hätte AlbertZeyer dieses Detail gelöst?» immer sicherer zu einer

Lösung führte. In den Pausengängen beispielsweisemusste aufgrund der neuen Nutzung durch die Heil-pädagogische Schule eine Sitzbank gestaltet und nach-gerüstet werden. Wir konstruierten diese in der Artund Weise anderer bauzeitlicher im Gebäude vorge-fundener Metallbaukonstruktionen. Die Dimensio-nierung und Farbgebung wählten wir im Sine einerUnterstützung der Idee des langgestreckten und dochraumhaltigen Ganges.

RaumprogrammSchulhaus (Abb. 98–102)

Die Nutzräume sind vom ersten bis zum drittenObergeschoss an einem grosszügigen, von Nordwes-ten belichteten Erschliessungs- und Pausengang ein-bündig aufgereiht. An den Kopfenden des Gangs sinddie Treppenhäuser angeordnet. Die Gebäudetiefekann annährend in Drittel aufgeteilt werden: zweiDrittel bilden die Klassenzimmertiefe und ein Drittel

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Abb. 98 Luzern, Schulan lageDula, Schulhaus. Die vergrös-serten Fenster und Zugängezum Garten wurden im Erdge-schoss für die neue Nutzungals Kindergarten erstellt. Auf-nahme 2008 nach der Restau-rierung.

Abb. 99 Luzern, Schulan lageDula, Schulhaus. Der Sing-saal, restauriert wieder in seiner originalen Farbfassung,wird heute auch als Versamm-lungssaal genutzt. Aufnahme2008 nach der Restaurierung.

Abb. 100 Luzern, Schulan lage Dula, Schulhaus. DiesesSchulzimmer im 2. Oberge-schoss zeigt die Fensterfrontvon innen. Auffallend sind dieRohrkörper der Schwerkraft -heizung. Aufnahme 2008 nachder Restaurierung.

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umfasst die Korridortiefe. Der Grundriss des langge-streckten schlanken als Eisenbetonskelettkonstruk -tion konzipierten Schulhauskörpers ist aus einemGrundmodul von 3m Breite entwickelt. Die Grund-risse der Nassräume und die Räume der ehemaligenSchulzahnklinik umfassen ein bis zwei Module, dasSchulzimmer drei Module. Der Singsaal ist mit vierModulen der grösste Raum im Schulhaus. Eine Son-derstellung nimmt das Erdgeschoss mit einem sehrschmalen Erschliessungsgang und einer zum Pausen -platz hin orientierten langen Vorhalle ein. Das Dach-geschoss war vor Beginn der Sanierung nicht ausge-baut und wurde als Estrich genutzt.

Das bestehende Raumangebot konnte das gefor-derte Raumprogramm nicht vollständig aufnehmen.Die Variante eines Erweiterungsbaus im südlichenPark gaben wir bald auf, da weitere neue Volumender Schulanlage ihre Grosszügigkeit genommen undeinen starken Eingriff in den Park bedeutet hätten.

Dies wäre eine Verunklärung der präzisen städtebau-lichen Situation gewesen, was zu einer schwierigenAnbindung an den Bestand und einer aufwändigenErschliessung geführt hätte. Aus dieser Erkenntnis er-gab sich unser Anliegen, die Schaffung von neuemnutzbarem Raum innerhalb des bestehenden Schul-hausvolumens zu integrieren. Die Raumreserve imEstrich unter dem flach geneigten Walmdach bot sichdafür geradezu an.

Im Erdgeschoss des Schulhauses sah unser Nut-zungskonzept die Unterbringung von zwei Regelkin-dergärten, einer Ludothek sowie Lagerräume für denFerienpass der Stadt Luzern vor. In der KonzeptionZeyers war das Erdgeschoss als «Untergeschoss» be-zeichnet worden.2 Neben den beiden Haupteingän-gen zum Schulhaus befand sich denn auch ein lan-ger, schmaler, schlecht belichteter, kellerartiger Gang,welcher seinerzeit die Säuglingsberatungsstelle unddie Werkräume erschlossen hatte. Um die geforderteMindestfläche zu erreichen, schlugen wir den Gangzu den im Grundriss neu organisierten Bereichen derRegelkindergärten dazu. Die Länge des gestrecktenein huftigen – mit Seitenkorridoren versehenen –Schul hauskörpers erlebt der Besucher nun nicht mehrals schmalen Gang, sondern als eine grosszügige En-filade, die sich über beide Regelkindergärten und diedazwischen geschaltete gemeinsame Zone erstreckt.Schiebetüren ermöglichen es, die Kindergärten räum -lich zu verbinden oder gegeneinander abzutrennen.Die Fenster auf der südlichen Seite wurden entspre-chend der vorhandenen Fensterformate der darüber -liegenden Geschosse nach unten vergrössert. Hierzuwurden die noch erhaltenen bauzeitlichen Fensterum circa 70 cm verlängert. Aus den ehemaligen Fens-tern des «Untergeschosses» sind grosszügige Öffnun -gen zum Aussenraum des Parks entstanden. Zwei derFenster sind nun Fenstertüren und ermöglichen ei-nen direkten Zugang zum qua litätsvollen Aussen-raum von Park und Spielplatz (Abb. 98).

Im ersten Obergeschoss konnte die vorherr-schend kleinteilige Raumstruktur der ehemaligenSchulzahnklinik die ebenfalls kleinteilige Strukturdes Therapiebereichs der Heilpädagogischen Schuleaufnehmen. Dieser Therapiebereich erstreckt sichauch auf den geräumigen Gang. Dies erforderte diefunktionale Abtrennung dieses Bereichs mittels einesmöbelartig in den Korridor eingestellten Zugangs-elements, welches die Grosszügigkeit und räumlicheGesamtdimension des Gangs aber nicht beeinträch-tigt, da es fast berührungslos an die Raumbegren-zungen anschliesst.

Der Singsaal sollte seine Funktion als Versamm-lungs- und Veranstaltungsraum und somit als Herz-

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Abb. 101 Luzern, Schulanlage Dula, Schulhaus. Das Dach-geschoss wurde ausgebaut,damit das Sekretariat, einSchulraum, Sitzungszimmerund Aufenthaltsräume derLehrpersonen ihren Platz fan-den. Aufnahme 2008 nach derRestaurierung.

Abb. 102 Luzern, Schulan lage Dula, Schulhaus. Augenfälligsind die originalen Farben derSchulzimmertüren, die auch fürdie neuen Schrankfronten derWand zum Korridor verwendetwurden. Aufnahme 2008 nachder Restaurierung.

2 SALU, B 3.31, Zeyer 16. Februar 1935.

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stück des Schulhauses beibehalten. Einzig die Akus-tik sollte verbessert sowie die Verdunklung und dieBild- und Tontechnik sensibel nachgerüstet werden(Abb. 99).

Der zum südlichen Park hin orientierte bisheri-ge Regelkindergarten wurde zum heilpädagogischenKindergarten umgenutzt.

Das zweite Obergeschoss mit einer Aufreihungvon fünf Schulzimmern konnte in seiner ganzenKlarheit erhalten werden. Die Schulzimmer hinge-gen mussten entsprechend ihrer neuen Anforderungals «wohnlicher» Schulraum umgestaltet werden.

Das dritte Obergeschoss nimmt die Nutzung derWerkräume, weiterer Schulzimmer und des Lehrer-bereichs auf (Abb.100/102). Es gleicht dem zweitenObergeschoss, jedoch mussten zwei der fünf Zimmerverändert werden, um das neu genutzte Dachge-schoss mit Treppen erschliessen zu können. Das öst-lichste Zimmer wurde zum Lehrerbereich und miteiner internen Erschliessung des Dachgeschosses ver-sehen. Das westlichste Zimmer wurde um eine Ach-se verkleinert um dort Raum für die öffentliche Er-schliessung des Daches in Form einer zweiläufigenPodesttreppe zu gewinnen.

Im Dachgeschoss sind ein Sekretariat, ein weite-res Schulzimmer sowie ein Sitzungszimmer mit Leh-reraufenthaltsbereich angeordnet. Der Ausbau desbisher als Estrich genutzten Dachraumes erfordertees, für das Haus verträgliche Lösungen für die Er-schliessung, die Belichtung mit Tageslicht, die Anpas-sung des Tragwerks und den Umgang mit den beste-henden geringen Raumhöhen zu finden (Abb. 101).

Turnhalle (Abb. 103–106)

Das Turnhallengebäude nahm in seinen drei Teilenursprünglich die folgenden Nutzungen auf: Im Erd-geschoss des Abwarttraktes lagen die Umkleiden undSanitärräume, das Obergeschoss wurde als Abwart-wohnung genutzt und im Dachgeschoss befand sichdie Waschküche. An diesen Gebäudeteil schlossensich die Turnhalle und die Schwinghalle an.

Das neue Nutzungskonzept sah im Bereich derehemaligen Abwartwohnung und der WaschkücheRäume für die Musikschule Luzern vor. Die Turnhal -le sollte weiter als solche genutzt und unter Berück-sichtigung eines komplexen Anforderungsprofils anHeizung, Lüftung, Sicherheit, Akustik, Ausstattungund Technik restauriert und modernisiert werden.

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Abb. 103 Luzern, Schul-anlage Dula, Turnhalle. DieTurnhalle wird heute immernoch als Turnhalle genutzt,aber im Gebäude sind nunauch neu Räume für die Musik-schule und eine neue Aula anstelle der ehemaligen Ab-wartswohnung und Schwing-halle verfügbar.

Abb. 104/105 Luzern, Schul-anlage Dula, Turnhalle. AlsErinnerung an die Nutzung alsSchwinghalle zeichnet in derneuen Aula am Boden einePar ketteinlage die Form deraufgegebenen, ehemals mitSägemehl gefüllten Schwing-grube nach. Aufnahme 2005und 2008 vor bzw. nach derRestaurierung.

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Die ehemalige Schwinghalle sollte zur Aula für diedrei Schulhäuser Säli, Pestalozzi und Dula umfunk-tioniert werden (Abb.104/105).

Im Gegensatz zum Schulhaus, das auf einerPfahlgründung ruht und sich im Laufe der Jahre nurunwesentlich gesetzt hatte, war das Turnhallenge-bäude mit Ausnahme des Südbaus auf Streifenfun-damenten gegründet. Das Gewicht der nachträgli-chen Aufstockung war die Ursache von starkenSetzungen. Diese führten zu einer gravierenden Riss-bildung am Gebäude. Durch den Rückbau der Turn-hallenaufstockung von 1969 konnte nicht nur dieursprüng liche städtebauliche Ausgewogenheit derSchulanlage Dula wiederhergestellt, sondern auch diestatischen Probleme gelöst werden. Bemerkenswert

ist auch die zurückgewonnene, grosszügige Sonnen-terrasse auf dem Flachdach der Turnhalle nahezuinmit ten der Baumkronen der Kastanienbäume desPausenplatzes (Abb.106).

Die Konzeption des im Grundrissverhältnis 2:1klar geschnittenen Turnhallenraums mit den farbi-gen Wandflächen ist durch die Befreiung der Wändevon den über die Jahre erfolgten Nachrüstungen unddurch die Wiederherstellung der abgehängten Deckein seiner ursprünglichen Klarheit jetzt wieder erleb-bar. Die bauzeitliche Konzeption einer Warmlufthei-zung in der Turnhalle war schon vor geraumer Zeitaufgegeben und durch Wandradiatoren ersetzt wor-den. Diese Wandradiatoren, wie auch alle anderenvorstehenden Bauteile bis zu einer Höhe von 2,70m,galt es entweder zu entfernen oder als wandbündigeKonstruktionen auszubilden, um die Verletzungsge-fahr zu verringern (Abb.107–110).

Die neue Wärmeverteilung wurde als Fussbo-denheizung installiert. Dies erforderte die Verstär-kung der Holzkonstruktion des Turnhallenbodenszur Aufnahme der zusätzlichen Lasten des Heizun-terlagsbodens.

Bauliche Eingriffe

Die bauliche Umsetzung der Architektur der Schul-anlage Dula stand zu Beginn der 1930er-Jahre imSpannungsfeld zwischen tradiertem Handwerk undinnovativem, teilweise industriellem Bauen.

Bautechnik wurde damals im Dienste der Reali-sierung von architektonisch räumlichen Ideen ein -gesetzt. Bei den die Planung begleitenden Untersu -chun gen wurde immer wieder deutlich, dass sichhinter reduzierten, zunächst einfach wirkenden bau-lichen und räumlichen Situationen sehr komplizier-te, teilweise aufwändige Konstruktionen verbargen.Deshalb darf bei der Sanierung eines solch einfach

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Abb. 106 Luzern, Schul -an lage Dula, Turnhalle. DieDachterrasse war ursprünglichdafür gedacht, dass Kinder sie für ihre Gesundheit zumgeschützten Sonnenbaden nutzen sollten. Heute dient siedem Schul unterricht im Freien.Aufnahme 2008 nach der Restaurierung.

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wirkenden Baus die Vielzahl von Details nicht unter-schätzt werden, welche zur Erzeugung dieser Ein-fachheit notwendig sind.

Ein grosses Glück war, dass die Ingenieurpläneder Bauzeit nahezu lückenlos im Stadtarchiv Luzernaufbewahrt worden waren. Dies ermöglichte dasschnelle Erfassen der statischen Zusammenhängeund des konstruktiven Aufbaus von Wänden undDecken ohne aufwändige Sondagen und der Zerstö-rung von originalen Oberflächen.

Die Anpassung des Bestandes an das geforderteRaumprogramm und die Erneuerung und Ergän-zung der Haustechnik waren von der Suche nachLösun gen geprägt, welche in hohem Masse mit derbestehenden Struktur vereinbar waren. Stellenweisewaren gröbere Eingriffe in die Gebäudesubstanz aber

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nicht zu vermeiden. In Absprache mit der Denkmal-pflege wurden deshalb strukturelle Überformungenin gewissen Gebäudezonen konzentriert, um andereBereiche möglichst wenig zu berühren.

Schulhaus

Beim Schulhaus verdichteten sich diese Massnahmendeshalb in den Bereichen Erdgeschoss und Dachge-schoss zugunsten der Schonung des ersten bis drittenGeschosses. Auch die Anpassung der Nassräume desHeilpädagogischen Kindergartens erforderte eine mitAbbrüchen verbundene Neuordnung des Grundris-ses in diesem Bereich. Die gravierendste Interven tionim Tragwerk aber war für die Umsetzung der gefor-derten Brandschutzauflagen im Schulhaus notwen-dig (Abb.111/112). Die Absicht, die Wirkung dergrosszügigen Gänge nicht durch brandabschnittsbil-dende Abschlüsse zu verunklären, erforderte die Aus-bildung von versteckten, im Brandfall automatischauszulösenden Brandschiebetoren. Hierzu musstenTaschen ausgebildet werden, die den Umbau der Trag -struktur der betroffenen Querwände erforderten.Diese Eingriffe auf Kosten originaler Bausubstanzwurden zugunsten der Beibehaltung der ursprüngli-chen Raumwirkung bewusst in Kauf genommen. DerAbbruch der längs verlaufenden Trennwand zumschmalen Korridor im Erdgeschoss erforderte dieVerstärkung der Decke mit Klebearmierung. Um den Estrich nutzbar machen zu können, musste dasDach tragwerk von der vorgefundenen stehenden ineine liegende Stuhlkonstruktion umgebaut werden.Für die Erschliessung des Daches war der Ausbrucheiner grösseren Anzahl von Deckenfeldern der Hour-disdecken notwendig. Der Lifteinbau sowohl imSchulhaus als auch in der Turnhalle tangierte sämt-liche Geschosse. Um das präzis gestaltete Walmdachdes Schulhauses nicht mit Dachausbauten zu stören,

wurde der Lift nicht ins Dach geführt. Der behinder-tengerechte Zugang des Dachgeschosses erfolgt übereinen separaten Treppenlift.

Turnhalle

Im Turnhallengebäude konnten neben der Turn- undehemaligen Schwinghalle weite Bereiche des Erd -geschosses im Südbau vor gravierenden Eingriffengeschont werden (Abb.113/114). Im Bereich der ehe-maligen Abwartwohnung wurde allerdings eine um-fangreiche Anpassung des Grundrisses für die Zim-mer der Musikschule notwendig, ebenso wurde derGrundriss ehemaliger Nebenräume der Schwinghal-le für die Nassräume der Aula neu gestaltet. Der Ab-bruch der Turnhallenaufstockung schliesslich erfor-derte einen massiven Eingriff ins Dachgeschoss. Dortwurde über der Decke des Obergeschosses sämtlicheBausubstanz abgeräumt und ersetzt.

Während der Umbauarbeiten war im Haus alsostellenweise eine regelrechte Rohbausituation vor-handen, in anderen Bereichen konnten die origina-len Bauteile weitgehend von Eingriffen freigehaltenwerden. Bei allen unvermeidbaren Eingriffen war dasGrundanliegen jedoch die grösstmöglichste Erhal-tung von originaler Bausubstanz, Oberflächen undAusstattungsteilen.

Energetisches Konzept

Eine Sanierung der Gebäudehülle nach heutigemWär meschutzstandard hätte die präzisen Proportio-nen und das Zusammenspiel von Baukörpern, Fas-saden, Öffnungen und Leibungen zerstört. Zudemwären die Sichtbetonoberflächen des Turnhallen-trakts verloren gegangen. Deshalb wurde davon ab-gesehen. Mit der Sanierung der Schulanlage Dulamusste nicht der Nachweis erbracht werden, dass einGebäude der 1930er-Jahre auf den heutigen energe-

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Abb.107/108 Luzern, Schul-anlage Dula. Die Turnhalle im Zustand vor bzw. nach derRestaurierung 2005 und 2008.

Abb.109/110 Luzern, Schul-anlage Dula, Turnhalle. Diekleine Dusche wurde in denehemaligen Garderoberaum hinein vergrössert und beziehtihr Licht wieder durch das originale Oblicht. Es ist heutezwar elektrisches Licht undnicht mehr Sonnenlicht (be-dingt durch thermische Grün-de), das den Raum erhellt,dennoch konnte so der beson-dere Charakter des Raumeserhalten bleiben. Aufnahme2005 und 2008 vor bzw. nachder Restaurierung.

Abb.111/112 Luzern, Schul-anlage Dula, Schulhaus. Der Gang des Schulhausessollte in seinem grosszügigenRaumvolumen erlebbar blei-ben, daher wurden die Brand-schutztüren in den Achsen derQuerwände versteckt.

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tisch geforderten Dämmstandard gebracht werdenkann. Vielmehr war es ein Anliegen, diesen Pionier-bau für die Zukunft nachhaltig instand zu stellen,ohne dabei seine Stärken und Eigenarten zu opfern.Das Energieeinsparpotential wurde an denjenigenStellen gewissenhaft ausgenutzt, an denen dies keinenachhaltigen Auswirkungen auf die ästhetische Er-scheinung und Proportion des Bauwerks hatte. Diesbetraf sowohl beim Schulhaus als auch bei der Turn-halle besonders die neuen Bodenaufbauten im Erd-geschoss und den neuen Dachaufbau sowie die Opti -mierung der bestehenden Fenster. Die von Eingriffenstark tangierten Dachgeschosse, sowohl beim Schul-haus als auch bei der Turnhalle, wurden energetischnach dem heutigen Stand ausgeführt.

Eine wichtige Weichenstellung innerhalb desSanie rungskonzepts war die Entscheidung, die ur-sprünglichen Fenster beizubehalten (Abb.115–117).Damit konnte die Zerstörung eines der prägendstenElemente im reduzierten Kanon der Materialien undElemente abgewendet und ein wichtiges, das Er-scheinungsbild und die Atmosphäre des Gebäudesstark prägendes Bauteil erhalten werden. Mit Ex -perten der Fachrichtungen Bauphysik, Fensterbau,Heizungs- und Klimatechnik, Denkmalpflege und

Architektur wurden die Vor- und Nachteile einer Sa -nierung oder eines allfälligen Ersatzes durch neueFenster interdisziplinär detailliert untersucht. Ge-messen an ihrem Alter waren diese nunmehr 70-jäh-rigen Bauteile in einem vergleichsweise guten Zu-stand. Ein Austausch gegen neue Fenster hätte dieZerstörung sämtlicher Anschlüsse wie dem Fenster-brett innen, der Fensterbank aussen, der straminbe-spannten Innenleibung und des Storenkastens imSturz bedeutet. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung er-gab, dass das Energieeinsparpotential durch neueFenster im Verhältnis der dazu notwendigen Investi-tionen unwirtschaftlich gewesen wäre. Ausserdemzeigte sich, dass das bestehende Wärmeabgabesystemder originalen, leistungsstarken Schlangenradiatorenaus bauphysikalischer Sicht ideal auf die bestehendeArt der Befensterung abgestimmt war.

Bedarfsabhängig wurde der Wärmeschutz derVerbundfenster durch den Ersatz der inneren Glas-scheibe durch eine 7mm Isolierglasscheibe optimiert.Eindrücklich ist die raffinierte Detaillierung derSchulzimmerfenster an der zum Park hin orientier-ten Südfassade. Diese Faltschiebefensterkonstrukti-on lässt sich vollständig zur Seite schieben. Nicht we-niger beeindrucken die Fenster der Turnhalle, welche

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Abb.113 Luzern, Schulan -lage Dula, Turnhalle. Der Eingangsbereich und das Trep-penhaus der Turnhalle konntenin ihrer Ursprünglichkeit be-wahrt werden. Aufnahme 2008nach der Restaurierung.

Abb.114 Luzern, Schulan -lage Dula, Turnhalle. Ansichtaus dem Untergeschoss durchdas Auge der Treppenanlagezum Oblicht. Aufnahme 2008nach der Restaurierung.

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mittels eines Kurbelgestänges und einer ausgeklügel-ten Mechanik geöffnet werden können. In der Turn-halle wurden die Kurbelhandräder der Fensteröff-nungsmechanik aus Sicherheitsgründen demontiertund weiter oben durch Elektromotoren ersetzt. In derehemaligen Schwinghalle, der neuen Aula, konntediese spannende Fensterbeschlagstechnik in ihrer ur-sprünglichen Ausführung beibehalten werden.

Farbkonzept

In Zusammenarbeit mit Restauratoren wurden dieFarbtöne der originalen bauzeitlichen Farbfassungermittelt.3 Dies war aufgrund der starken Vergil-bungseigenschaft von Ölfarbe eine herausforderndeAufgabe. Ein Hinweis von Albert Zeyer auf die FirmaSalubra führte zu der Vermutung, dass die Farbkla-

viaturen von Le Corbusier aus dem Jahre 1931 ver-wendet worden waren. Die vorhandenen Farbtöneliessen sich dann tatsächlich in das vermutete Farb-system einordnen, nämlich in die Farbkarte 4, SammtII. Für die Restaurierung der Farbfassungen an derSchulanlage Dula wurden innen wie aussen aus-schliesslich die originalen Farbtöne aus dem Jahr1931 verwendet. Das Zeyersche Farbkonzept wurdenach Befund wieder hergestellt. Passiert man die Ge-schosse des Schulhaus von unten nach oben, so hatjede Ebene ihr eigenes Farbthema über die unter-schiedlich farbigen Zimmertüren auf dem Hinter-grund der in hellem Grau (gris perle) gefassten Gang-wände. Die Wände der südlichen Zimmerschichtsind im Farbton Elfenbein (ivoire) gestrichen. Le-diglich im Singsaal treffen mehr als zwei Farben auf-einander: Das helle Grün (vert veronese clair) derstraminbespannten Wände, das Blau (bleu ciel) derdoppelflügeligen Türe zum Korridor sowie das Apri-cot (apricot clair) der verputzten Aussenfassade desehemaligen Regelkindergartens, welcher durch dieFenster sichtbar ist. Im Schulhaus erlaubten wir unsim zum Regelkindergarten umgenutzten Erdge-schoss auch mit einer angemessenen Farbigkeit zureagieren – ganz im Sinne der Farbgestaltung des bis-herigen, aus der Bauzeit stammenden Kindergartensim ersten Obergeschoss (Abb.121). Im Turnhallen-trakt erfolgte ebenfalls eine Wiederherstellung derursprünglichen Farbigkeit bis auf den Bereich derMusikschule. Dort wurde aufgrund der Nutzungsän -derung weg von einer Abwartwohnung und Wasch-küche zu Musikunterrichtsräumen eine entsprechendandere Farbigkeit umgesetzt.

Fassadensanierung

Im Laufe der Zeit waren an den Fassaden der Ge-bäude der Schulanlage zum Teil erhebliche Schädenentstanden. Dies betraf nicht nur die Sichtbetonfas-sade der Turnhalle, sondern auch die Betonbauteileunter dem Fassadenputz des Schulhauses.

Aufgrund der Karbonatisierung des Betons undder stellenweise geringen Überdeckung der Armie-rung waren die Eisen korrodiert und es kam zu Ab-platzungen.4An der Turnhalle waren zusätzliche Ris-se durch die statische Überforderung des Tragwerksentstanden. Die Folge waren rostbraune Schlieren ander Fassade. Beim Schulhaus war die Überraschungnicht gering, als bei einer Kontrolle der Fassade vomGerüst aus festgestellt wurde, dass sich der Aussen-verputz infolge von darunter stattgefundener Beton-abplatzungen stellenweise grossflächig gelöst hatte.An diesen Stellen war der Verputz erstaunlicherwei-se noch nicht heruntergefallen. Er musste zur Freile-gung und Sanierung des Betons entfernt werden. Da-

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3 s. Aufsatz von Wendel Odermatt, S. 103–106.4 s. Aufsatz von Eugen Brühwiler, S. 100–102.

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nach erfolgte die Ergänzung des Verputzes durch ei-nen Restaurator.

Auch an den feingliedrigen Betongitterfensternder Treppenhäuser waren Schäden entstanden. Die-se Bauteile haben heutzutage in ihrer Filigranität ei-nen fast unersetzbaren Wert, weil ihre Herstellungs-technik heute nicht mehr beherrscht wird. Deshalbwurden diese vor Ort an den schadhaften Stellen re-profilierend instand gestellt (Abb.119/120).

Bei der Sanierung der Sichtbetonfassade derTurnhalle kamen je nach Schadensbild im unter-schiedlichen Ausmass drei Verfahren zur Anwen-dung:

— Zum Ersten das Prinzip des «Flickens». Diesepunktuelle Reparatur einer Schadstelle kam vorallem dort zum Einsatz, wo einzelne Abplat-zungen die Folge von gerosteten Armierungsei-sen gewesen waren. Zunächst wurde die Fassadesand gestrahlt, dann die korrodierten Armie-rungseisen freigelegt, blank gestrahlt und mit ei-nem alkalischen Korrosionsschutz behandelt.Mit einem speziellen Reparaturbeton wurdendie Fehlstellen in zwei bis drei Arbeitsgängen ge-schlossen. Zum Schluss wurde die noch frischeOberfläche der Deckschicht mit gebrochenemSeesand der ursprünglich verwendeten Siebliniebeworfen.

— Die zweite Methode kam vor allem im unterenBereich entlang der Fassade der Bruchstrasse

zur Anwendung, denn an diesen Stellen war derBeton über die Jahre stark durch winterlichesStreusalz geschädigt worden. Der Beton wurdedurch Wasserhochdruck bis zu einer Stärke von5 cm abgejettet und anschliessend wieder vorbe-toniert.

— Beim dritten Verfahren wurde die Oberflächekomplett ersetzt. Diese Wiederherstellung desSichtbetons kam insbesondere beim neuenDachgeschoss der Turnhalle, die sich stark an dieAusführung von 1933 anlehnt, zum Tragen. DieHerausforderung bei dieser Ergänzung war dieAngleichung der neuen Sichtbetonoberflächeund des Schalungsbildes an den Altbestand.Zudem war das Vordach an der Betonwand zur

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Sonnenterrasse anlässlich der Hallenaufstockungabgeschnitten worden. Um dieses Bauteil kraft-schlüssig verankern zu können, musste die Beton -wand vollständig ab der Oberkante der bestehen -den Decke über dem Obergeschoss rekonstruiertwerden. Die nach heutigem Dämmstandard di-ckere innere Isolation und die Absicht keinenDachaufbau im Bereich der Liftüberfahrt aus -zubilden, erforderten eine leichte Erhöhung derDachkote. Mithilfe einer Wanderschalung wur-de die neue Wand der Turnhalle in sieben Etap-pen erstellt. Zwei der Arbeitsfugen wurden andenjenigen Stellen platziert, an denen die ur-sprünglichen Dilatationsfugen ausgebildet wa-ren. Die restlichen Arbeitsfugen retuschierte derRestaurator farblich.

Sämtliche Betonflächen wurden schliesslich mit einerTiefenhydrophobierung behandelt. Durch das jeweilsgewählte, differenzierte Reparaturkonzept gelang es,die Ästhetik der originalen Fassadenoberfläche desSichtbetons mit der Struktur der damals verwende-ten sägerauhen, etwa 25 cm breiten Schalungsbretterzu erhalten. Dank der guten Qualität bei der Ausfüh-rung durch die Handwerker und durch eine letztefarblich retuschierende Überarbeitung durch denRestaurator können alter und neuer Beton nur beisehr genauer Betrachtung voneinander unterschie-den werden (Abb.121/122).

Schluss

Die Restaurierung und Modernisierung dieses be-deutenden Gebäudeensembles aus der nahen Vergan -genheit war für uns eine sehr spannende Herausfor-derung.

Unsere Aufgabe war das Sichtbarmachen des Vor-handenen und dadurch die Wiederherstellung dereinzigartig ruhigen, kontemplativen Stimmung die-ses Bauwerks. Die dazu notwendige gestalterische Zu -rückhaltung unseres eigenen Beitrages wurde mehrals aufgewogen durch die direkte Einsicht in die Denk-und Arbeitsweise eines bedeutenden Architekten derFrühen Moderne in der Zentralschweiz. Die Schul-anlage Dula ist das Werk von Albert Zeyer, wir durf-ten diesen Zeitzeugen aus den 1930er-Jahren wiedererlebbar machen und der Nachwelt weitergeben.5

Eine ehemalige, mittlerweile betagte Schülerinaus den Anfangszeiten meinte bei der Wiedereröff-nung 2008: «Jetzt sieht das Dula wieder so aus, wie iches in Erinnerung hatte.»

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Abb.115/116 Luzern, Schul-anlage Dula, Schulhaus. Dasraffinierte Faltsystem der origi-nalen Doppelfenster ermög-licht, sie über die ganze Breitezu öffnen. Albert Zeyer hattedas in den Schulen verbreiteteBedürfnis nach Licht und Lufterkannt. Um den Raum gutdurchlüften zu können, war einpatentiertes Fensteröffnungs-system integriert worden, dasheute noch überzeugt und daher beibehalten wurde. Die originalen Ziehglasscheibenwurden erhalten und mit einerIsolierverglasung ergänzt. Auf-nahme 2005 und 2010 vor bzw.nach der Restaurierung.

Abb.117 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus. Dieoriginalen Fensterbeschlägeund die Aufziehrollen der Stoff-rouleaus konnten belassenwerden. Sie zeugen von längstvergangen Jahren und werdennoch weitere Jahrzehnte gutüberstehen. Aufnahme 2008nach der Restaurierung.

Abb.118 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus. Blickdurch die neu gestalteten Kindergartenräume im Erdge-schoss des Schulhaustraktes.Sie sind in der Farbgebung und der Raumgestaltung derFormgebung Albert Zeyers angelehnt. Aufnahme 2008nach der Restaurierung.

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Abb.119/120 Luzern, Schul-anlage Dula, Schulhaus. Dasgerundete Treppenhaus wurdemit Betongitterfenstern aus -gestattet. Aufnahme 2005 und2008 vor bzw. nach der Res-taurierung.

Abb.121/122 Luzern, Schul-anlage Dula, Schulhaus. Die über die Jahre stark ange-griffene Fassade konnte res-tauriert werden, und nun zeigtsich das Gebäude wieder inseiner Zurückhaltung, Zweck-mässigkeit und originalen fröhlichen Farbigkeit in derFarb klaviatur von Le Corbusier(«abricot clair» Salubra 32082).Aufnahme 2003 und 2010vor bzw. nach der Restaurie-rung.

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5 An der Gesamtrestaurierung Beteiligte (Auswahl):Eigentümer und Bauherrschaft: Stadt Luzern, vertreten durch denStadtrat und die Baudirektion: Kurt Bieder, Stadtrat und Bau -direktor; Jeanpierre Deville, Stadtarchitekt; Bruno Weishaupt,Stadtbaumeister; Andreas Madoery, Projektleiter Schulanlage; KarlBrassel, Projektleiter Umgebung und neue Doppelturnhalle; Sach-bearbeiter der Stadtverwaltung: Jürg Jedelhauser, Teddy Henzi,René Gisler, Yves Illy und Stefan Heer.Architekten Schulhaus und Turnhalle: Lengacher & Emmenegger,dipl. Architekten ETH SIA BSA, Gesamtleitung; Daniel Brunner,Projektleitung Schulhaus; Marcel Kaufmann, Baukosten/Baulei-tung; Florian Rauch, Projektleitung Turnhalle.Architekten Umgebung und neue Doppelturnhalle: Max Bosshard& Christoph Luchsinger, dipl. Architekten ETH BSA SIA, LuzernKantonale Denkmalpflege und Bundesamt für Kultur, Sektion Hei-matschutz und Denkmalpflege, Bern: Claus Niederberger, dipl.Arch., OberdorfBauhistorische Untersuchungen mit Dokumentation: Stöckli AGStans, Wendel Odermatt, Restaurator SKR/NDS-BFH; IBID Insti-tut für Bauforschung, Winterthur, Heinz PantliBauingenieure: Eugen Brühwiler, Prof. Dr. sc. techn., dipl. Bauing.ETH SIA, Lausanne; Emch+Berger AG, Luzern, SachbearbeiterClau dio Hermann; Beat Lauber, Ingenieurbüro für Holzbau, LuzernElektroplaner: Rebsamen Ingenieurbüro für Elektroplanung, Lu-zern;Planung Heizung, Lüftung, Klima: Bertsch E.+Th. AG, Ingenieur-büro für Energietechnik, LuzernSanitärplanung: Ingenieurbüro für Installationsplanung AWGmbH, Luzern

Bauphysik: Ragonesi Strobel+Partner AG, Luzern; I&T Bauphy-sik, MühlethalBaumeister: Anliker AG, Emmenbrücke und Luzern; Cerutti AGBauunternehmung, RothenburgZimmerarbeiten: Holzbauunternehmung AG Schachen; Zimmer-werk der Stadt Luzern, EmmenbrückeDachdecker: Ruedi Distel AG, LuzernSpengler und Flachdach: Daniel Wolf, Luzern; Wey AG, Rothen-burg; ADA AG, WallisellenMetallbau: Gebr. Vogel+Co.AG Malters; Metallbau Roherer AG,LuzernFassadensanierung Beton: Stutz AG, Willisau (Baumeister); Schlot -terbeck AG, Ebikon (Retouchierungen)Restaurierung: Atelier Martin Hüppi, Restaurator SKR, Littau(Malschichten); Knöchel+Pungitore, Littau (Verputz)Farbprodukte für Restaurierung und Malarbeiten: Kt Color AG,Uster; Keim Farben AG, DiepoldsauFensterrestaurierung: Glomet AG, Horgen; Meier AG, ZellKunststein: Marmor-Mosaikwerke AG, BaldeggSchreiner: Brauchli, Luzern; Furter Schreinerei, Beromünster; FranzSchuler AG, HildisriedenMaler: Josef Hodel AG Kriens; Durrer AG, Luzern; Pascal Günter,RuswilGipser: MVM Maltech Vonmoos AG, EmmenBodenbeläge Linoleum: Möbel Pfister AG, LuzernStoff-Sonnenstoren: Storatex Systeme AG, HünenbergSteinpflästerungen: Christian Enz, Pflästerungen GmbH, Luzern

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Vor allem bei Bauwerken von hohem kulturellemWert wie dem Dula-Schulhaus sind Erhaltungsmass-nahmen auf ein striktes Minimum zu reduzieren.Daraus ergeben sich ingenieurtechnische Fragestel-lungen zur Wiederherstellung der Dauerhaftigkeitund beim Nachweis der Tragsicherheit der seit mehrals siebzig Jahren bestehenden Konstruktion ausStahlbeton, die in diesem Beitrag behandelt werden.

Mit sogenannten «Aktualisierungen» wurdendie Schädigungsmechanismen ergründet und diemass gebenden Kennwerte der Einwirkungen (Las-ten) und Tragwiderstände des bestehenden Trag-werks festgelegt. Bei einer Aktualisierung werden dieauf die Bauzeit zurückgehenden und während derbisherigen Nutzungsdauer gewonnenen Informatio-nen über ein Bauwerk mit neuen Informationen auf-grund von Untersuchungen am Bauwerk und aktu-ellen Kenntnissen ergänzt.

Entsprechend diesem Vorgehen wurden bei derRestaurierung des Dula-Schulhauses die Fassadenund das Tragwerk aus Stahlbeton überprüft, bevordie Erhaltungsmassnahmen konzipiert wurden. Die-se Vorgehensweise der ingenieurtechnischen Projekt -arbeit stützte sich auf die damals im Entwurf vorlie-gende Norm SIA 2692 ab.

Zustand der Fassaden

Die Fassaden des Dula-Schulhauses zeigten einen 2–3 cm dicken Verputz aus der Bauzeit, der einen ur-sprünglich rötlichen Farbanstrich erkennen liess. Die -ser Verputz war auf Stahlbeton und auf künstlichemMauerwerk aufgebracht worden.

Die Zustandsbeurteilung ergab, dass der Verputzüber weite Flächen noch gut haftete. Ein vollflächigesEntfernen des Verputzes war somit nicht nötig. Anmehreren Stellen hatte sich jedoch der Verputz abge-löst, was durch Abklopfen festgestellt wurde. Die Ab-lösungen des Verputzes fanden sich vor allem überdem Stahlbeton, weshalb man sie auf die Volumen-ausdehnung der korrodierenden, darunter liegendenBewehrungsstäbe aus Stahl zurückführte. An einzel-nen Stellen war es gar zu Abplatzungen des Verput-zes (Abb.123) gekommen, und die darunter liegen-de Bewehrung war durchwegs stark korrodiert.

Der zweischichtig aufgebaute Verputz war starkporös, weshalb die Karbonatisierung3 ungehindertdurch den Verputz in den dahinter liegenden Betoneindringen konnte. Entsprechend musste davon aus-gegangen werden, dass die oberflächennahen Beweh-rungsstäbe der Fassadenteile sich in einem poten tiellkorrosiven Milieu befanden. Zudem zeigten die fein-gliedrigen Betonrahmenelemente der Treppenhaus-fenster der beiden Stirnflächen des Hauptgebäudesebenfalls Schäden in Form von Abplatzungen desÜberdeckungsbetons und korrodierenden Beweh-rungsstäben.

Die Fassaden des Turnhallentrakts aus Sichtbe-ton zeigten ein für Sichtbetonfassaden übliches Scha-densbild infolge Korrosion von Bewehrungsstahl inkarbonatisiertem Beton auf (Abb.124). Es konntenver einzelte Abplatzungen des Überdeckungsbetonsals Folge der Volumenausdehnung der Korrosions-produkte auf dem Bewehrungsstahl festgestellt wer-den. Das Schadensbild war ausgeprägter in den boden -nahen Bereichen der Fassade entlang des Trottoirs,die mit Tausalzen in Kontakt kamen.

Die vereinzelten Stellen mit Abplatzungen undkorrodierenden Bewehrungsstäben wurden als In -di katoren einer allgemeinen Korrosionsgefährdung ge sehen, die darauf hinwiesen, dass die restlicheober flächennahe Stahlbewehrung einem sich nochim An fangsstadium befindenden Korrosionsprozessausgesetzt war. Diese Bewehrungskorrosion musstegestoppt oder wenigstens stark gebremst werden.Auch war klar, dass der Eingriff die gesamten Fassa-denflächen betreffen musste.

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1 Bundesexperte des Bundesamts für Kultur (BAK) und Konsu-lent der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD)zu Fragen der Baustatik, Betonbau und Brücken.2 Norm SIA 269, Grundlagen der Erhaltung von Tragwerken,hrsg. v. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich,erscheint 2011.3 Karbonatisierung des Betons: chemische Reaktion zwischendem Kalziumhydroxid des Zementsteins, dem Kohlendioxid derLuft und Wasser, die zu einer Reduktion der Alkalität des Betonsführt. Im karbonatisierten Beton verliert die Stahlbewehrung dennatürlichen Korrosionsschutz und kann bei genügend Feuchtigkeitkorrodieren.

Fassaden und TragwerkIngenieurtechnische Aspekte bei der Wiederherstellung der Dauerhaftigkeit und Tragsicherheit

Eugen Brühwiler1

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Überprüfung des Tragwerks aus Stahlbeton

Die Tragsicherheit der rund 70-jährigen Stahlbeton-teile der Fassaden und des Flachdachs des Turnhal-lentrakts wurde für heutige und künftige Lasten nachden Grundsätzen der Norm SIA 269 nachgewiesen.Dabei wurden die Einwirkungen (Lasten) und Trag-widerstände aktualisiert.

Die ständige Einwirkungen (Eigenlasten undAuflasten) wurden entsprechend den effektiven Ab-messungen und Raumlasten der Baustoffe bestimmt,und die genauere Kenntnis der Lasten ermöglichtedie Annahme eines aktualisierten Lastfaktors. Auf-grund von Angaben in der Literatur der 1930er-Jah-re konnte die Qualität des Bewehrungsstahls eruiertund der Wert für die mechanische Festigkeit festge-legt werden. Auf eine ähnliche Art wurde die aktua-lisierte Betondruckfestigkeit ermittelt. Aufgrund derverbesserten Informationen über die Eigenschaftenvon Bewehrungsstahl und Beton der Tragwerksteileaus Stahlbeton konnte zur Ermittlung des Tragwi-derstands ein verfeinertes Tragwiderstandsmodellverwendet werden. Bei der Berechnung des Tragwi-derstands von Tragwerksteilen mit Bewehrungskor-rosion wurden zudem verschiedene Szenarien einerQuerschnittsreduktion der Bewehrungsstäbe ange-nommen.

Dank dieser Vorgehensweise mit Aktualisierun-gen konnte die Tragsicherheit aller Tragwerksteile,insbesondere auch der Träger des Turnhallenflach-dachs, schliesslich nachgewiesen werden. Folglichwaren keine Massnahmen zur Verstärkung des Trag-werks aus Stahlbeton zu treffen. Die baulichen Mass-nahmen konnten sich somit auf die Restaurierungder Fassaden beschränken.

Restaurierung der FassadenAnforderungen und Konzept

Die Erhaltungsmassnahmen mussten eine Dauer-haftigkeit von wenigstens 30 Jahren gewährleisten.Zudem waren aus denkmalpflegerischen Gründendie originale Oberflächenstruktur des Sichtbetonszu erhalten und die ursprüngliche Farbe der ver-putzten Fassade des Hauptgebäudes wiederherzu-stellen. Aufgrund der Zustandsbeurteilung, des ho-hen Erhaltungswerts von Gebäude und Fassadensowie der zeitlichen Randbedingungen und Nut-zungsbedingungen bei der Bauausführung konntefür die Restaurierung der Fassaden ein Konzept mitMassnahmen im Sinne eines «sanften Eingriffs» ge-wählt werden.

Dieses Konzept (Abb.125) beinhaltete eine loka-le Instandsetzung von Beton und Verputz der Berei-che mit Abplatzungen und Ablösungen. Nach diesenvereinzelten lokalen Eingriffen wurden die gesamtenFassadenflächen aus Verputz und Stahlbeton mit ei-ner Tiefenimprägnierung behandelt. Auf die verput -zten Flächen des Hauptgebäudes wurde danach einFarbanstrich mit einem wasserabstossenden Wirk-stoff aufgebracht. Die feingliedrigen Betonrahmen-elemente der Treppenfenster wurden in der gleichenArt wie der Sichtbeton behandelt.

Die Funktionsweise dieses Konzepts beruhte da-rauf, den bereits laufenden Korrosionsprozess deroberflächennahen Bewehrung des Stahlbetons starkzu bremsen oder gar zu stoppen, indem mit einerTiefenimprägnierung die Wasserzufuhr unterbun-den wurde und sich ein Feuchtigkeitszustand imBeton (70–75% Relative Feuchtigkeit) in Beweh-rungsnähe einstellen kann, bei dem die Korrosions-

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Abb.123 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus. An der Fassade des Schulhausessieht man die starken Abplat-zungen des rötlichen Ver-putzes mit den korrodiertenBewehrungsstäben. DiesesSchadensbild zieht sich überdie ganze Fassade hin. Auf -nahme während der Restau -rierung.

Abb. 124 Luzern, Schulan -lage Dula, Turnhalle. An derFassade der Turnhalle werdeninsbesondere am Eck und zwischen den Fenstern dieStellen sichtbar, wo der Betonabplatzt und die korrodieren-den Bewehrungsstäbe in Er-scheinung treten. Aufnahmewährend der Restaurierung.

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geschwindigkeit wesentlich geringer war als bei einerBetonfeuchtigkeit von etwa 90 Prozent, die vermut-lich zuvor, insbesondere nach Regenperioden vor-handen gewesen war.

Tiefenimprägnierung

Eine hydrophobe Imprägnierung ist eine Behand-lung zum Schutz eines porösen Untergrunds durchdas Absorbieren eines wasserabstossenden Wirk-stoffs.4 Diese Behandlung hat eine abdichtende Wir-kung, indem eine Benetzung der Oberfläche verhin-dert oder wenigstens stark erschwert und somit derWassereintrag in den Beton stark reduziert wird. Diehydrophobierenden Wirkstoffe, die für den Beton ge-eignet sind, setzen sich in der Regel aus Substanzenauf der Basis von Silanen und Siloxanen zusammen.Die Imprägnierstoffe werden in flüssiger Form aufder Betonoberfläche aufgetragen und dringen durchKapillartransport ins Betoninnere ein. Die Wirkstof-fe bedecken die Wände der Poren, ohne sie zu ver-stopfen oder zu füllen. Die hydrophobierenden Im-prägnierungen bilden keinen durchgehenden Filmund behindern somit die Wasserdampfdiffusionnicht. Sie sind farblos und die Oberfläche wird dem-zufolge nicht verändert. Die Wirksamkeit einer hy-drophobierenden Imprägnierung wird messtech-nisch anhand von Aufsaugversuchen an Bohrkernenbestimmt.

Die Dauerhaftigkeit der hydrophobierendenWir kung wird durch das Sonnenlicht beeinträchtigt,indem die UV-Strahlen die Wirkstoffe zersetzen.Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dassdie Wirkstoffe so tief wie möglich in den oberflächen -nahen Beton eindringen. Ab einer Tiefe von etwa1mm sind die Wirkstoffe vor den UV-Strahlen ge-schützt. Die Dauer der Wirksamkeit einer Imprägnie -rung hängt von der Eindringtiefe und auch -mengein der oberflächennahen Schicht ab. Die Eindring-tiefe ist somit eine massgebende Kenngrösse einer Im-prägnierung. Mit heutigen Produkten mit sehr klei-nen Molkülgrössen im Nano-Bereich können ohneweiteres Eindringtiefen von 4 bis 6mm erreicht unddamit auch in der Ausschreibung gefordert werden.In diesem Fall kann von einer Dauer der hydropho-bierenden Wirkung von deutlich mehr als 25 Jahrenausgegangen werden. Auch ist es möglich, die Im-prägnierung ein weiteres Mal zu applizieren, falls dieSchutzwirkung nicht mehr genügen sollte.

Bauausführung

Die Tiefenimprägnierung wurde auf der gesamtenverputzten Fassadenfläche und den Sichtbetonflächenausgeführt, nachdem die Stellen mit Abplatzungendes Verputzes und des Überdeckungsbetons instand-gesetzt wurden. Stellen mit Ablösungen wurden vor-gängig zu den Arbeiten bezeichnet.

Die Bauarbeiten wurden plangemäss und imerwarteten Kostenrahmen ohne wesentliche Prob -leme ausgeführt. Für die Tiefenimprägnierung wur-de ein Wasseraufnahmekoeffizient von maximal0,05 kg/m2 h0.5 bis in eine Eindringtiefe von 5mmverlangt, was anhand von Versuchen nachgewiesenwurde. Damit kann die geforderte Dauerhaftigkeitder Fassadenrestaurierung erwartet werden.

Zum guten Gelingen der Bauausführung hat diesehr professionelle und fachgerechte Arbeit aller ander Fassadenrestaurierung Beteiligten entscheidendbeigetragen.

Folgerung

Bei einem nicht stark fortgeschrittenen Schadensbildkönnen für Fassaden in Betonbauweise mit sanftenInstandsetzungsmethoden Lösungen gefunden wer-den, die technisch solide, finanziell tragbar und ausder Sicht der Denkmalpflege gut vertretbar sind. Zusolchen Lösungen tragen moderne Ingenieurmetho-den bei der Zustandsbeurteilung und Überprüfungder Tragsicherheit der Tragwerksteile sowie eine fach-gerechte Bauausführung bei.

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Abb.125 Luzern, Schul-an lage Dula, Schema für die Sanierung aller Fassaden -flächen. Die korrodiertenSchadstellen wurden frei ge-spitzt und gereinigt, die Ar-mierungseisen sandgestrahltund mit einem Schutzanstrichbehandelt, die Flickstellen mitspeziellen Mörtelmischungenaufmodelliert, die gesamtenFassadenflächen mit einer Tiefenimprägnierung wieder-holt behandelt, bis die Prüf-werte erreicht wurden, sowieam Schluss auffallende Flick -stellen restauratorisch ein -retouchiert und so in das Ge-samtbild der Fassadenflächenintegriert. Schema von EugenBrühwiler.

3 Hassler Uta (Hg.), Beton. Was der Architekt vom Stahlbetonwissen sollte, erscheint im gta Verlag Zürich 2010.

Abb.125

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Einige Architekten der Moderne befassten sich in-tensiv mit dem Thema Farbe am und im Bau. DieFunktion der Farbe, nicht nur als Gestaltungsmittel,sondern als Mittel zur Wärmespeicherung,1 als Glie-derungselement oder als Orientierungshilfe wurdediskutiert und erprobt.

Le Corbusier hatte beispielsweise bereits in frü-hen Bauwerken farbige Architekturoberflächen ein-gesetzt. Einerseits beschäftigte er sich mit der äusse-ren Farbgestaltung eines Gebäudes, andererseits mitder farblichen Innenraumgestaltung.

Die gesamthafte Farbgebung eines Gebäudes wardabei ebenso wichtig wie die Form. Le Corbusier ex-perimentierte in diesem Zusammenhang mit Farbenund ihrer architektonischen Wirkung.

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Abb. 126 Farbmuster Salubra Sammt II. Die Farb-klaviatur der von Le Corbusierkonzipierten Salubra-Tapeten(© 2010, ProLitteris, Zürich).

1 Bruno Taut verwendete dunkle Töne zum Aufheizen der Wän-de, respektive helle, um die grösste Tageshitze zu reflektieren (Bren-ne Winfried, Die «farbige Stadt» und die farbige Siedlung. Sied-lungen von Bruno Taut und Otto Rudolf Salvisberg in Deutschland,in: Wohlleben Marion, Mineralfarben. Beiträge zur Geschichte undRestaurierung von Fassadenmalereien und Anstrichen, Zürich1998, S. 69).

Farbuntersuchungenmit überraschendem ErgebnisLe Corbusier im Dulaschulhaus

Wendel Odermatt

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Im Inneren eines Gebäudes sollte gemäss LeCorbusier, die Farbe nicht zum Überspielen der tat-sächlichen Raumverhältnisse verwendet werden, son -dern die Wände müssten als Ganzes zu Farbträgernwerden und durch die Farbwirkung sollten sie ihreRaum bildenden Qualitäten entfalten.

Die Basis seiner Versuche und der daraus entwi-ckelten Farbenlehre waren gängige Farbpigmente,aus denen er harmonische Farbtöne, respektive Farb-reihen, entwickelte. Le Corbusier entwarf im Jahr1931 auf der Grundlage jener Farbserien für die Bas-ler Tapetenfirma Salubra eine Tapetenkollektion.Diese «Ölfarbenanstriche auf Rollen» sollten die prä-zise Farbgestaltung und die gleichbleibende und re-produzierbare Qualität von Architekturoberflächenermöglichen. Das Ergebnis war ein Musterbuch mit43 Farbtönen.2

Diese standardisierten Farbtöne wurden im Ka-talog auf einer Seite zu abgestuften Farbreihen mitGrund- und Akzenttönen zusammengestellt. Auf ei-ner Seite wurden den drei möglichen, flächigenGrundtönen vierzehn Kontrast- und Akzentfarbenfür kleinere und gliedernde Architekturteile, wie Tür-rahmen oder Geländer, zugeordnet.

Diese «claviers de couleurs» oder Farbklaviaturenbestanden aus zwölf solchen Musterkarten mit un-terschiedlichen Farbklängen oder Stimmungen. Die-se Musterblätter erhielten assoziative Titel wie «Him-mel» oder «Landschaft», aber auch materialbezogeneTitel wie «Samt» oder «Sand».3

Hinweise auf eine bewusste Farbgestaltung in der Planungsphase

Das von Albert Zeyer eingereichte Projekt «Einord-nung» gewann 1930 den Architekturwettbewerb. Da-nach wurde Albert Zeyer beauftragt das definitiveProjekt auszuarbeiten. Im Wesentlichen bewilligteder Stadtrat die Bearbeitung, denn die 1931 geneh-migten Pläne beruhten weitgehend auf den Plänendes Wettbewerbs vom Herbst 1930.4

Die 1930 eingereichten Fassadenpläne sind ko-loriert und weisen mit dem hellen Blau- und Oran-geton der Wände zwei Farben auf, die aus den Farb-klaviaturen stammen könnten. Dies ist jedoch nichtder Fall, denn das Blau bezieht sich auf Zonen, die fürdie Rohschalung vorgesehen waren, zudem erschie-nen die Klaviaturen erst im Jahre 1931 und spieltenbeim Wettbewerb im Jahr 1930 noch keine Rolle.

Für die Frage nach der Farbgestaltung war dieKostenberechnung des Architekten von 1931 eine in-teressante Quelle, denn daraus liessen sich Rück-schlüsse auf die geplante Materialisierung und Far-bigkeit ziehen. Beispielsweise: «Pos 30: Liefern undVerlegen von Mettlacher Bodenplatten gelb in den Aborten» oder «Keimsche Mineralfarbenanstriche inSing saal und Kindergarten.»

Interessantes beschrieb auch die Position X 26:«Salubra inkl. Grundpapier auf Weissputz im Rektorat,Kindergarten und Klinik».

Es wurden im Zuge der Untersuchung der Schul-anlage Dula zwar keine Salubra- oder vergleichbarenTapeten in irgendeinem Raum gefunden. Interessantwar in diesem Zusammenhang aber, dass Albert Zey-er das Produkt und somit auch das Salubra-Systemkannte. Im Verlauf der weiteren Analyse der Archi-tekturoberflächen verdichteten sich die Hinweise,dass Albert Zeyer bei der Farbgestaltung der Gebäu-

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Abb. 127 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus, Farb-gestaltung innen. Restauriertnach der Farbklaviatur von LeCorbusier. Eingang zum Sing-saal im 1. Obergeschoss. Im1. Obergeschoss sind die Türenjeweils blau gestrichen («bleu ciel» Salubra 32021), die Wände im Gang in einem hellen Grau(«gris perle» Salubra 32013).Die Wände des Singsaals sindin Grün («vert veronese clair»Salubra 32042) gehalten.

2 Ruegg/Le Corbusier 2006.3 Ruegg/Le Corbusier 2006.4 s. Aufsatz von Patrizia Solombrino und Claus Niederberger,S. 72–78.

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de die Farbklaviaturen von Le Corbusier konsequentangewendet hat.

Exemplarisch nachvollzogen werden konnte derEinsatz der Klaviaturen in den Räumen des Schul-hauses, der Turnhalle und mit Einschränkungen ander Fassade.

Die Befundlage und die Zuordnung zum Farbsystem

Die Sichtung der Befunde aus der Bauzeit liess denSchluss zu, dass der Farbigkeit der damaligen Bebau-ung weitgehend die Farbkarte Sammt II zugrunde lag(Abb. 126). Die Gänge wurden mit Stramin über -zogen und mit dem hellen Grau Salubra 32013 ge-strichen. Die farblichen Akzente bildeten die Ein-gangstüren zu den Zimmern (Abb. 127). Die Türen

wurden auf jedem Stockwerk in einer anderen Farbegefasst: Im Erdgeschoss grau, Salubra 32012, im ers-ten Obergeschoss blau, Salubra 32021, im zweitenObergeschoss rot, Salubra 32111, im dritten Oberge-schoss grün, Salubra 32042 (Abb. 128/129). Die ge-samten Treppenhäuser und Gänge liessen sich so indie Farbklaviaturen Sammt II und Sammt I weisen.

Desgleichen können die ursprünglichen Farbtö-ne der Schulzimmer in das gleiche Konzept einge-ordnet werden. Die Wände waren wiederum im hel-len Grau, Salubra 32013, gestrichen, die Türen wareninnen im Farbton des jeweiligen Stockwerks gehal-ten. Von diesem konsequent durchgehaltenen Farb-konzept wurde im Kindergarten abgewichen. Hierwurden die Wände hellblau, Salubra 32023, bemalt(Abb. 130). Die Plafonds in allen Räumen des Schul-hauses und der Turnhalle wurden in einer hellen,bläulich gebrochenen Leimfarbe gefasst. Diese hellenBefunde waren durch die späteren Fassungen stark inMitleidenschaft gezogen, sie konnten aber als hells-ter Ton der Farbreihe Sammt I und II, Salubra 32024,interpretiert werden.

Es kann nach Abschluss der Untersuchung fest-gehalten werden, dass sich die wesentlichen Farbbe-funde der Architekturoberflächen in und an derSchulanlage Dula in diese Farbreihe einordnen las-sen. Im Schulhaus wurden die Farbtöne zudem imSinne des Erfinders Le Corbusier angewendet, dasheisst für die Wände wurde mit dem hellen Grau, Sa-lubra 32013, einer jener drei Töne verwendet, welchefür grosse Flächen vorgesehen waren. Für die Türen,Türrahmen und Fenster hingegen wurden jene Töneder Zwischenreihen verarbeitet, die der Akzentuie-rung dienten.

In der Turnhalle wurde von diesem Prinzip ab-gewichen, denn die Wände sind in den hellen Bunt-tönen der Akzentreihe gestrichen. Auch an der gros-sen Fläche der Fassade des Schulhauses wurde nichtwie erwartet der helle Beigeton, Salubra 32001, ange-wendet, sondern der etwas rotstichigere Ton, Salubra32082.

Trotz dieser Abweichung in der Anwendung desFarbschemas lässt sich sagen, dass Albert Zeyer dieFarbklaviaturen offenbar kannte und sie auch durch-gehend benutzt hat. Er tat dies nicht mit letzterKonsequenz, sondern behalf sich mit dem Rotton,Salubra 32111, aus der Reihe Sammt I um die PaletteSammt II zu erweitern, um damit eine deutlichereFarbkennung der Türen auf den Stockwerken zu er-reichen. Ansonsten basiert das Farbkonzept derSchul hausanlage weitgehend auf dem Blatt SammtII. Auch in der Wahl der Flächen- und Akzenttönelöste sich Albert Zeyer aus dem Korsett der Vorgabenvon Le Corbusier und bediente sich für die grossenWandflächen der Schulräume, Turnhallen und Fas-saden auch der hellen Grün-, Rot- und Blautöne.

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Abb. 128 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus. Die Wandfront zur Seite des Korridors ist im dritten Geschoss in Grün gefasst, genauso wie die Türen den -selben grünen Farbton («vertvero nese» Salubra 32041) aufweisen.

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Umsetzung und Wirkung

Dieses überraschende und attraktive Untersuchungs -ergebnis veranlasste die Vertreter von Bauherrschaft,Bauleitung und Denkmalpflege zu besonderer Sorg-falt bei der Wiederherstellung der Farbigkeit. In derUmsetzung wurden soweit als möglich die Farbtöneund Farbsysteme, nämlich die patentierten SalubraFarben, verwendet, die der Wirkung der ursprüngli-chen Farben am Nächsten kamen.

Die farbliche Wirkung der fertigen Schulanlageist nach Abschluss der Arbeiten sehr harmonisch. DieEinhaltung des Farbschemas, die bisweilen mit eigen -ständiger Variation durchbrochen wird, ist unauf-dringlich und wirkt erst auf den zweiten Blick. Den-noch ist die gesamte Anlage durch die konsequenteFarbgestaltung gehalten und getragen. In ihrer Selbst -verständlichkeit erschliesst sie sich nur dem aufmerk -samen Betrachter oder demjenigen, der um den geschilderten Hintergrund weiss. Gerade in diesersubtilen Zurückhaltung liegt die Qualität des Systemund der Umsetzung.

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Abkürzungsverzeichnis

BSA

Bund Schweizer Architekten

CIAM

Internationaler Kongresse für Neues Bauen

HLS

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INSA

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Jb HGLJahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern, Luzern 1983–2001; bzw. Archäologie Denkmalpflege Geschichte. Jahrbuch Historische Gesellschaft Luzern, Luzern 2002ff.

LHV

Luzerner Historische Veröffentlichungen

SIA

Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverband

SWB

Schweizerischer Werkbund

StALU

Staatsarchiv Luzern

SALU

Stadtarchiv Luzern

SASU

Stadtarchiv Sursee

UKdmUnsere Kunstdenkmäler, hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Basel

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Pantli 2002Pantli Heinz/Institut für Bauforschung, Inventarisation und Doku-mentation, Dulaschulhaus. Bruchstrasse 78, Luzern 2002.

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Abb. 129 Luzern, Schulan -lage Dula, Schulhaus. DerBefund zeigt, dass die Fassungder Tür im dritten Stock im grü-nen Farbton («vert veroneseclair» Salubra 32042) der Farbklaviatur von Le Corbusier gestrichen wurde. Von diesemFarbton ist man bei der Res-taurierung um einen Punkt ab gewichen, da der dunklereGrünton («vert veronese» Salubra 32041) eindeutiger indie systematische Farbge -staltung (dunklerer Farbton an den Türen, hellerer an denWänden) passte.

Abb. 130 Luzern, Schulan -lage Dula, Kindergarten.Blick vom «bleu clair» (Salubra32023) gestrichenen Kinder-garten auf den in «abricot»- Tönen (Salubra 32081) gefass-ten Wandschrank.

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Luzern. Bericht, Luzern 16. Februar 1935.– SALU, B 3.31, Zeyer Albert, Erläuterungsbericht des

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Abbildungsnachweis

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aus: Neues Bauen im Kanton Aargau. 1920 –1940, Baden1996, S. 88/8917.8

aus: Oechslin Werner/Buschow Oechslin Anja, Kunstdenk-mäler des Kantons Schwyz, Einsiedeln II, Bern 2003, S. 4219.26

aus: Roth 1940, S. 223, 73, 117, 186, 146, 93, 21115.6, 16.10, 17.2, 17.6 17.13, 19.5, 19.8

aus: Ruegg/Le Corbusier 2006, Salubra Sammt II (© 2010,ProLitteris, Zürich)126

aus: Salvisberg 1985, S. 99, 6915.12, 17.7

aus: Schweizer Architekturführer 1/1992, S. 146, 124, 12516.12, 20.8, 20.14

aus: Schweizer Architekturführer 2/1994, S. 33, 27, 3318.8, 19.9, 19.14

aus: Schweizer Architekturführer 3/1996, S.159, 63, 8019.15, 20.11, 20.12

aus: Sidler/Nussbaumer 1992, S. 28, 30, 33, 2616.18, 16.19, 18.13, 19.22

aus: Stock 2006, S. 90, 160, 136, 12418.1, 18.2, 18.3, 18.5

aus: Weiersmüller 1977, S.16719.16

Firmenarchiv Stöckli AG Stans129

Hans Erni Museum Luzern65

Kantonale Denkmalpflege Aarau (Brigitte Lattmann)17.8

Kantonale Denkmalpflege Luzern7, 11, 15.14, 15.16, 17.14, 18.11, 18.14, 19.19, 19.24, 21, 22, 31, 60, 61, 123, 124

Kantonale Denkmalpflege Luzern (Theres Bütler)15.13, 78, 92, 94, 95, 116, 121, 122

Kantonale Denkmalpflege Luzern (Emil Goetz)24

Kantonale Denkmalpflege Luzern (Börje Müller)82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 91, 98, 101, 102, 104 –115, 117,118, 119, 120, 127, 128, 130

Kantonale Denkmalpflege Luzern (Franz Rindlisbacher)12, 15.16

Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung (Franz Xaver Jaggy)27

Privatarchiv Claus Niederberger, Oberdorf17.12, 19.3, 19.13, 20.1

Privatarchiv Lausanne125

Privatarchiv Luzern32, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 59, 93, 96, 97, 103

SBB Historic, Bern15.11

Stadtarchiv Luzern3, 8, 10, 19.23, 20.20, 23, 26, 29, 43, 46, 47, 49, 50, 52–58, 62, 63, 64, 66, 68, 72, 76, 77, 79, 81, 90

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Page 83: Neues Bauen in der frühen Moderne der Zentralschweiz und die · Die Schulanlage Dula in der Stadt Luzern ist aus drei Gründen ein besonders bedeutendes Pionierbauwerk aus der Frühzeit

Staatsarchiv Luzern13, 14, 17.3

Stadtarchiv Sursee (Friebel)16.14–16.17, 17.15, 17.16, 17.18, 17.19, 18.12, 19.18, 19.20, 19.21, 19.25, 19.27, 20.15, 20.18, 25, 44, 45, 48, 51, 67, 81

Verkehrshaus der Schweiz, Luzern15.15

Zentral- und Hochschul-Bibliothek Luzern, Sondersammlung9, 28

Adresse der Autoren und Autorin

Fabrizio Brentini, Dr. phil.KunsthistorikerDreilindenstrasse 75d, 6006 Luzern

Eugen Brühwiler, Prof. Dr. sc. tech., dipl. Bauing. ETH SIAEcole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL

Station 18, 1015 Lausanne

Hansjörg Emmenegger, Dipl. Arch. ETH SIA BSALandenbergstrasse 36, 6005 Luzern

Markus Furrer, Prof. Dr. phil.HistorikerPädagogische Hochschule Zentralschweiz PHZ

Museggstrasse 37, 6004 Luzern

Otti Gmür, Dipl. Arch. SWB SIA BSA

Dreilindenstrasse 59, 6006 Luzern

Claus Niederberger, Dipl. Arch. HBKKantonaler Denkmalpfleger-StellvertreterDenkmalpflege und ArchäologieLibellenrain 15, 6002 Luzern

Wendel Odermatt, Restaurator SKR NDS-BFHStöckli AG

Tottikonstrasse 5, 6370 Stans

Pino Pilotto, Dipl. Arch. FHMuseggstrasse 29, 6004 Luzern

Florian Rauch, Dipl. Architekt TH SIAMargarethenstrasse 99, 4053 Basel

Patrizia Solombrino, lic. phil. IKunsthistorikerinBrombacherstrasse 9, 4057 Basel

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