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Neuropsychologische Aspekte derTherapie psychischer Störungen
Istvan TiringerInstitut für
Verhaltenswissenschaften
• Ziel der kognitiven Neurowissenschaftenist: „die biologische Mechanismen zuverstehen, die psychische Aktivitäterklären”
• Dies hat Bedeutung für diepsychoterapeutische Forschung und Praxis durch zwei neueren Entwicklungen:– Untersuchung komplexer intrapsychischer
Prozesse (Wahrnehmung, Gedächtnis, bildhafte Vorstellungen, Emotions-Regulation) mit neueren bildgebenden Verfahren
– „Rehabilitation” der Affektforschung (LeDoux)
Einführung
Rolle der Amygdala bei der Furchtentstehung (LeDoux)
• Unkonditionierte emotionale Furchtreaktion
• Schnelle, stereotype Reaktion über thalamo-amygdaläre Verbindungen
• Langsame Rekation über Kortex-Amygdala Verbindungen.
• Die sensorische Information vom Thalamus zur Amygdala ist schemenhaft, die vom Kortex ist präzise.
• Ventromedialer Frontalkortex: Bewegungen
• Cingulum: Aufmerksamkeit
Einführung
• Entwicklung der Psychopharmaka ab den60-er Jahren – biologische Orientierung inder Psychiatrie ↑.
• Aufspaltung zwischen „somatischen”(medikamentösen) Behandlungsverfahrenund vermeintlich rein „psychologischen”Verfahren – nur subjektive Wirkungangenommen
• Allmähliche Überwindung dieserAufspaltung
Genetik psychischer Störungen
• Zwei unterschiedliche Funktionen von Genen– „template” Funktion– transkriptorische Funktion– Genexpression wird in hohem Maße durch
Umwelteinflüsse bestimmt• Erhebliche genetische Einflüsse für
schizophrene Erkrankungen, für Sucht, Essstörungen, Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Fähigkeiten nachgewiesen
Verhaltensgenetik• Bei komplexen Persönlichkeitsmerkmalen
tragen multiple Gene mit unterschiedlicherAusprägung bei – Normalverteilung von Merkmalen
• Z.B. Neuigkeitsuche ist mit DRD4 Dopaminrezeptorgen assiziiert – ADHD
• Genetisch bedeutet nicht unabänderlich o. schicksalhaft – Interaktion zwischen genetischenu. Umwelteinflüssen – sekundärepräventiveInterventionen – gezieltes Training beivorliegender Disposition für ADHD
Verhaltensgenetik 2.• Elterliche Verhaltensweisen unterscheiden sich
von Kind zu Kind – „non shared family environment” (Geschwisterreihe, Temperament des Kindes)
• Neuronale Vernetzungen u. Antwortmöglichkeiten folgen genetischen Vorgaben – Details erfolgen aber erfahrungsabhängig
• Auch nach Abschluss der Reifung kommt es zu adaptiven Modifikationen u. Neuorganisationen von neuronalen Verbindungen
Frühe Erfahrungen und Hirnentwicklung
• Bindungsforschung von Bowlby –Trennungsreaktion (Tierexperimente)– Anfänglicher Protest und Angst– Phase der Verzweiflung und Rückzug
• Verdeckte Regulatoren (Wärme, Nahrung, taktileStimulation) – lebenslange Regulationsstörunge– Neigung psychosom. zu erkranken.
• 3-6 Stunde lange Trennung von der Mutter führtezur Aktivierung der HHN-Achse →Genexpression von CRF ↑ in Hypoth., Amygdala. Bei erwachsenen Tieren geringe Belastungen →überschießende Kortisolausschüttung.
• Mütterliche Aufzuchtverhalten (Ablecken, Säubern, Stillen) die Stressreaktion imspäteren Leben beeinflussen –Furchtsamkeit in neuartigen Situationen
• Adoptivtechniken zwischenMäusestämmen
• Genetische Mechanismen („nature”) und Brutpflegeverhalten („nurture”)
Frühe Erfahrungen und Hirnentwicklung
„Stress-Reaktions-Process” Huether, 1999
• Kontrollierbare Stressoren – Aktivierung des(nor)adrenergen Systems. Bei Aufzucht unterEntwicklungsanreizen kommt es zur Förderungadaptiven Verhaltens und zur verstärktenEntwicklung von neuronalen Vebindungen.
• Unkontrollierbare Stressoren – Aktivierung derHHN-Achse und Destabilisierung neuronalerVerbindungen im limbischen System und imassoziativen Kortex
• Frühkindliche Deprivation – depressive Ströngen
Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)
• Intrusive, unkontrollierbare Erinnerungen• Erinnerungsfragmente, keine kohärente
Geschichte des Traumas – Folge anhaltender, unkontrollierbarer Stressreaktionen (zeitweilig ↑Kortisolausschüttung) → Schädigung desHippokampus – explizite, episodischeGedächtnis
• Verringertes Volumen des Hippokampus beiPTSD und Borederline Patienten (Kausalität?)
Gedächtnisforschung - Psychotherapie
• Psychoanalyse - wie frühe Erfahrungenmentale Funktionen beeinflussen, wennwenige Erinerrungen aus der frühenKindheit bleiben ?(„infantile Amnesie – Verdrängung, Freud)
• unterscheidbare Gedächtnissysteme, diesich im unterschiedlichen Tempo in derKindheit entwickeln
Gedächtnisarten. Hirnregionen, die für die verschiedene Formen von Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind
• Deklaratives Gedächtnis – Episoden, autobiographisches Gedächtnis
• Bewusste Erinnerungen – gegen Ende des Kleinkindalters um 2 Jahre, aber meist können wenige Erinnerungen vor dem 5. Lebensjahr berichtet werden
• Implizite Gedächtnissysteme sind unabhängig von bewusster Erinnerung.
• Wir beginnen kurz nach der Geburt Prozeduren zu lernen, die lebenslang erhalten bleiben.
Gedächtnisforschung - Psychotherapie
Implizites/prozedurales Gedächtnis
• Fähigkeiten• Gewohnheiten• Priming• Klassische Konditionierung• Nichtassoziatives Lernen – Habituation,
Sensibilisierung
Implizite Beziehungserfahrungen
• Beziehungsmuster entwickeln sich bereits in den ersten 2-3 Lebensjahren
• Tierexperimente – unzulängliche frühe Beziehungserfahrungen führen zu nachhaltigen Störungen der emotionalen u. physiologischen Selbstregulation
• Defizitäre Beziehungserfahrungen – maladaptive Beziehungsmuster – gestörte Affektregulation
• Implizite Beziehungsprototypen und –regeln• Vor der Ausbildung des Autobiographischen
Gedächtnisses und getrennt von ihm
Emotionale Bedeutung von Erinnerungen
• Die Aktivierung des Amygdala durch Stresshormone fördert die Konsolidierung emotionaler Erinnerungen in anderen Hirnarealen
• Verfälschbarkeit von Erinnerungen –Fehlerhaftes Wiedererkennen in längeren Wortlisten – falsch positive Fehler bei semantisch verwandten Wörtern
• Konstruktive, adaptive Natur von Gedächtnisvorgängen – rasche Generalisierung aufgrund begrenzter Daten
Therapeutische Veränderbarkeit von impliziten Beziehungserfahrungen
• Freud – Erinnern und Rekonstruktion →Einsicht, Reintegration unbewusster Aspekte
• Frühe Objektbeziehungen können nicht verbalisiert werden – sie werden inszeniert
• Bedeutung von unbewussten affektiven, mimischen Kommunikation
• Bewusste Bearbeitung vorbewusster und unbewusster Beziehungrepresäntanzen in der Übertragung (paralelle Aktivierung des prozeduralen und des deklarativen Gedächtnisses)
Funktionelle bildgebende Verfahren („neuroimaging”)
• Nichtinvasive Techniken, die Gehirnaktivität untersuchen – während Symptome spontan auftreten o. affektiven Reaktionen bei psychol. Aufgaben
• Psychische Aktivität – metabolische Aktivität in spez. Hirnregionen
• PET – begrenzte zeitliche Auflösung• fMRT – hämodynamische Reaktion 4-6 s
nach Stimulation
• Typische Aufgabe – Betrachten eines ängstlichen/neurtralen Gesichtes –Substraktion der Aktivierungsmuster
• Kognitive, affektive Paradigmen –Darbietung von mimischem Ausdruck,affektiv geladenen Bilder, Wortlisten, Imaginationsaufgaben anhand von Skripten traumatischer Erlebnisse, Techniken von Symptomprovokation
Funktionelle bildgebende Verfahren - fMRT
• Komplexe Fähigkeiten sind in einfache Prozesse zerlegbar (z.B. Wahrnehmung von Objekten –Farbe, Form, Bewegung)
• Die Erzeugung von mentaler Bilder die gleichen Regionen im visuellen Kortex aktivieren wie visuelle Wahrnehmungen
• Komplexe kognitive Aufgaben – Aktivierung von weit auseinanderliegenden Hirnregionen
• Funtionelle bildgebende Verfahren sind „wie eine Luftbildaufnahme einer Großstadt im Nebel”
• Elektrophysiologische Verfahren (EEG, MEG) –zeitliche Auflösung von Millisekunden.
Funktionelle bildgebende Verfahren - fMRT
Exkurs: Warum Zurückweisung schmerzt?
12 Probanden – während fMRT Untersuchung 1. virtuelles Ballspiel mit 2 weiteren Spielern2. Ausschluss durch einen „Computerfehler”3. Ignorierung von den anderen Mitspielern
Erhöhte Aktivität in den mittelliniennahen Strukturen (dem dors. ant. Cingulum, dACC)
– Die Aktivität korrelierte mit dem berichteten DistressNur in der 3. Gruppe gab es ↑ Aktivität im r.
präfrontalen Kortex (negative Korr. mit der dACC Aktivität) – Regulierung mit kognitiven Prozessen
Warum Zurückweisung schmerzt ?
• Vergleichbare Aktivität bei physischen Schmerzen• Aktivität von dACC korreliert mit der subjektiven
Bewertung von Schmerz (affektive-motivationale Komponente)
• Rechter Frontalhirn – Schmerzregulation
Eisenberg, 2003
Science
• Das soziale Bindungssystem baut auf primitive Regulationssysteme auf– Thermoregulation, physische Schmerzsystem
• Sozialer Ausschluss – Überlebensnachteil• Aktivierung des Kampf-, Flucht-,
Erstarrungssystems• Aktivierung des endogenen Opiatsystems mit
Placebo• Personen, die sensitiv gegenüber
Zurückweisung sind, haben auch eine ↓Schwelle gegenüber körperlichen Schmerzen
Warum Zurückweisung schmerzt ?
Einfluss von Erfahrungen auf das Gehirn
• Lernen und Erfahrung – Organisation u. Struktur des Gehirnes
• Nachhaltige therapeutische Veränderungen – Langzeitgedächtnis, veränderte Genexpression
• Repräsentationen – Gebrauch (Musiker von Saiteninstrumenten – linke 2.-5. Fingerrepräs. – Grenzen der Plastizität)
• Baxter, 1992 – 9-9 Patienten mit Zwangsstörungen mit Fluoxetin u. Verhaltenstherapie behandelt, 9 gesunde Kontrollp-en.
• Pre-post Vergleich – verringerte Aktivität im rechten Nucleus caudatus in beiden therapeut. Gruppen.
Einfluss von Psychotheapie auf das Gehirn
• Einzelfallstudie – nach erfolgreicher Behandlungeines Patienten mit PTSD – Aktivität ↑ im l. Frontalhirn (G. Cingulatus), aber keineVeränderung der limbischer Aktivierung(Unterscheidung von realen und imaginiertenBedrohung?)
• Normalisierung der vermindertenSerotoninaufnahme im präfrontalen Kortex beieinem Borderline-Patienten (im Vergleich mit Kontrollpersonen)
• Vergleichbare Normalisierung (↓) der Aktivität impräfrontalen Bereich u. ↑ im temporalen Bereich(paroxetine / IPT).
Einfluss von Psychotheapie auf das Gehirn
Neuropsychologische Aspekte der Therapie psychischer StörungenEinführungRolle der Amygdala bei der Furchtentstehung (LeDoux)EinführungGenetik psychischer StörungenVerhaltensgenetikFrühe Erfahrungen und HirnentwicklungFrühe Erfahrungen und Hirnentwicklung„Stress-Reaktions-Process” Huether, 1999Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)Gedächtnisforschung - PsychotherapieGedächtnisarten. Hirnregionen, die für die verschiedene Formen von Lernen und Gedächtnis verantwortlich sindGedächtnisforschung - PsychotherapieImplizites/prozedurales GedächtnisImplizite BeziehungserfahrungenEmotionale Bedeutung von ErinnerungenTherapeutische Veränderbarkeit von impliziten BeziehungserfahrungenFunktionelle bildgebende Verfahren („neuroimaging”)Funktionelle bildgebende Verfahren - fMRTFunktionelle bildgebende Verfahren - fMRTExkurs: Warum Zurückweisung schmerzt?Warum Zurückweisung schmerzt ?Warum Zurückweisung schmerzt ?Einfluss von Erfahrungen auf das GehirnEinfluss von Psychotheapie auf das GehirnEinfluss von Psychotheapie auf das Gehirn