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244 ~ KLINISCHE XVOCHENSCHRIFT. 7. JAHRGANG. Mr. 51 16. DEZEMBER I9~8 schlfissen verleitet zu werden. Auch diesen Hinweis vermissen wir in den einschl~gigen deutschen Lehrbfichern. ])as konstitutionelle Moment ist offenbar nicht ohne Ein- flug auf die Indicanurie, Pykniker und Athleten scheinen ent- sprechend ihrer Neigung zu Darmf~tulnis und Darmgfirung nach unseren Erfahrungen auch zu entsprechend erh6hter Indicanausscheidung zu neigen. Besonders diese Beobach- tungen sollten zur Vorsicht bei der Beurteilung der Frage der Indicanurie mahnen. Wir untersuchten u. a. eine groge Zahl yon Carcinomen des Magendarmtraktus, der Leber, des Uterus, der Ovarien mit Metastasen verschiedensten Sitzes und fanden im Gegensatz zu den Ausffihrungen der Lehrbficher (SPAETH, BLUMF~NTHAL) hie eine erh6hte Indicanausscheidung, d.h. im allgemeinen nicht mehr als 4 ~ mg Indiean im Urin, eine Zahl, die wir nicht selten bei klinisch Gesunden fanden. Die Angaben, dab bei gew6hnlichen kleineren Iglutungen im Magen und Darm Indican im Urin vermehrt erscheint, konnten wir nicht best~tigen. Mehrere blutende Ulcera und dauernd blutende Ca. zeigten niedrige oder normale V(erte. Nur ganz frische abundante Blutungen mit Teerstfihlen zeigten hohe Werte fiber 6o--8o mgIndican. Bei Carcinommetastasen in der Leber waren die Werte oft anffallend niedrig, im Gegensatz zu den ]3eobachtungen BLUMI~NTtIAI.S. Bei akuten Eiterungen aul3erhalb des Magendarmtraktus vermigten wit ebenfalls die erh6hte Indicanausscheidung, selbst bei paraly- tischem Ileus fanden sich bisweilen nur kleine Mengen Indican. ]gei abnormer DarmfAulnis, gelegentlich bei hartn~tckiger Obstipation, auch bei einem Fall yon Sprue, land sich oft -- abet keineswegs regelmfigig -- Indican vermehrt im Urin, d. h. mehr als 4 ~ mg als Tagesmenge. Bei allen Indicanuntersuchungen wird eine wichtige Frage auger acht gelassen : Wird fiberhaupt allesim Darm entstehende Indol in Indican tiberftihrt ? Diese Frage mug verneint werden. Schon JAFFF, hatte festgestellt, dab der Organismus Indol leicht zu zerst6ren vermag. Bei Indolinjektionen konnten wir feststellen, dab bis zu 9o % vom Organismus zerst6rt werden und nur ein Zehntel als Indican irn Urin nachweisbar ist; dartiber wird anderen Orts berichtet (Z. klin. Med.). Bei der grogen Unsicherheit unserer Kenntnisse fiber die Bindung des Indols an Glucurons~ture und schwefelsanres Kalium ist es nicht gerechtfertigt, Darmf~ulnis gleich Indican- urie zu setzen. Es mfissen noch eine Reihe uns unbekannter tgedingungen erffillt sein, ehe es zur Indicanbildung kommt. Vermehrte Dib~ndarm/dulnis ist nieht gleichbedeutend mit vermehrter Indicanausscheidung im Urin. Es mug vielmehr gesagt werden, bei gesteigerter Darmf~tulnis kann Indican im Urin vermehrt sein, es braucht nicht und ist es keinesfalls regel- m~tgig. Damit dfirfte ein groger Teil der noch bestehenden Differenzen in der Auffassung und Beobachtung der Indican- urie seine Erkl/irung finden und die Indicanurie in einer grol3en Zahl yon F~tllen ihres pathognomonischen Charakters ent- kleidet werden. Ja]/es Au//assung ,,wir kennen mit Sicherheit keine andereQuelle des Harnindigos als die Eiwei]3zersetzung dutch Bakterien" besteht auch heute noch mit voUem Recht. Wir kommen auf Grund unserer zahlreichen quantitativen Untersuchungen des Hams auf Indican zu folgenden Schli~ssen: Zur Beurteilung der Indicanurie sind nur quantitative Untersuchungen der Gesamtmenge bzw. mehrerer Einzelportio- hen innerhalb 24 Stunden zu werten. SchXtzungen und Einzel- untersuchungen sind vim zu ungenau. Indican wird bei jedem Menschen t~glich normalerweise im Urin ausgeschieden, und zwar bis zu 4 ~ mg innerhalb 24 Stunden. Indicanurie ist abh~ngig yon den bakteriellen Eiweig- zersetzungen im Dfinndarm und der Darmf~ulnis, vor allem im Dtinndarm, und Paarung des entstandenen Indols an Glucurons~ure bzw. schwefelsaures Kalium (vgl. JA~FE). Hier sprechen j edoch zahlreiche, zum Tell noch unbekannte Momente mit, z. B. die ZerstSrbarkeit des Indols im Organismus. Keines- wegs f/ihrt vermehrte Darmf~ulnis und bakterielle EiweiB- zersetzung regelm~Big zu vermehrter Indicanbildung und -ausscheidung im Urin. Die Indicanurie, d. h. die vermehrte Indicanausscheidung im Urin kann bei den verschiedenen Kranken wie bei denselben Kranken an verschiedenen Tagen unter sonst gleichen Be- dingungen sehr wechseln, daher kommt der Indicanurie wegen ihrer groflen Inkonstanz und ihrer weitgehenden AbMingigkeit von versehiedenen groflen, teils unbekannten l~'aktoren eine pathognomische Bedeutung nur ganz bedingt zu, besonders bei gewissen Fiiulnisprozessen im Di~nndarm und bei D~nndarm- ileus, und zwar nur, wenn hohe Indieanwerte bei Erhaltung aller angeffihrten Kautelen gefunden werden. 2Vormale oder niedrige Indicanwerte sprechen nicht gegen Ileus und F~iulnis- prozesse. Carcinome verschiedenster Genese gehen im allgemeinen ohne erh6hte Indicanausseheidung einher, ebenso Magenulcera, Magenerweiterungen oder Katarrhe, ]erner Obstipation, Leber- cirrhose und Ikterus sowie Eiterungen auflerhalb des Magen- dar'mkanals. Tritt bei einer dieser Erkrankungen vermehrte Indicanausscheidung im Urin auf, so ist sie bedingt durch starke Eiwei~zersetzung im Diinndarm, wie etwa nach einer grogen Magenblutung. Kleinere und latente Blutungen be- dingen keine erh6hte Indicanurie. Bei diesen letztgenannten Krankheiten hat nach unseren Er/ahrungen die Indicanprobe im Urin keinerlei pathognomischen Weft. Literatur: F. ]3LUM~NTHAL, Handbuch der spez. Pathologie des Hams. Berlin I913. -- OPPENHEIMER, t-Iandbuch der Bio- chemie Bd. V. 1925. -- a SPAETH, Die chem. u. mikroskop. Unter- suchung d. Harns. Leipzig 1924. -- ]gECHER, Dtsch. Arch. klin. Med. I29 (1919). -- KLOPSTOCK-KOWARSKI, Praktikum der klin. Untersuchungsmethoden. Urban & Schwarzenberg 1927. -- K6r- SCHAIJ, Klin. V~%chr. I926, Nr 51. -- LENHARTZ-MnvER, Mikro- skopie am Krankenbett. Berlin: Julius Springer 1927. -- SAXON, Arch. of Path. 1926, 796. KURZE WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. NEUTROPHILE LEUKOCYTOSE UND NEBENNIEREN*. Von "vV. BORCHARDT. Die Verschiebungsleukocytosen, wie sie bei der Ver- dauung, bei Lagewechsel, Kr~tmpfen, Schreien, Ersticken usw. auftreten, sind grunds~tzlich zu trennen vonder wahren, neutrophilen Leukocytose, die immer mit einer absoluten, wie relativen Vermehrung der reifen, wie unreifen weigen Blut- zellen einhergeht -- unabh~tngig von dem Gef~tggebiet, aus dem das glut zur Z~hlung entnommen wird. W~thrend erstere wesentlich an den autonom nerv6sen Erregungszustand des Zirkulationssystems gebunden sind 1, beruht die wahre neu- trophile Leukocytose immer auf einer Reizung des Knochen- marks. * Soll demn~ichst vollstfindig erscheinen. Die Physiologie des myeloischen Apparates ist heute noch in vieler Hinsicht unklar. Die Erfahrung lehrt, dab das Knochenmark aseptisch -- z. B. durch k6rperfremde EiweiB- stoffe, Terpentin61, Giftstoffe, wie Pilocarpin, Adrenalin, Cholin und andere -- wie septisch -- durch Infektionserre'ger, bzw. ihre Produkte -- reizbar ist und mit einer vermehrten Ausschfittung neutrophiler, zum Teil eosinophiler, endlich basophiler Leukocyten antwortet. Das Ph~nomen der KnochenmarkslXhmung dnrch fibergroge Dosen der ge- nannten Reizmittel oder dutch bestimmte Giftstoffe soll hier auger acht gelassen werden. Wie aber die Reize zur Zellreifung und -mobilisation ffih- ren, l~tgt sich bisher nicht klar entscheiden. Theoretisch sind verschiedene Angriffsm6glichkeiten bzw. -wege gegeben: i. Durch anf~ngliche Erregung gewisser autonomer Zen- tren im Gehirn 2 oder abet

Neutrophile Leukocytose und Nebennieren

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Page 1: Neutrophile Leukocytose und Nebennieren

244 ~ K L I N I S C H E X V O C H E N S C H R I F T . 7. J A H R G A N G . Mr. 51 16. DEZEMBER I9~8

schlfissen ve r l e i t e t zu werden . A u c h diesen Hinweis v e r m i s s e n wir in den e inschl~gigen d e u t s c h e n Lehrbf i che rn .

] )as k o n s t i t u t i o n e l l e M o m e n t is t o f f enba r n i c h t o h n e E in - f lug au f die Ind i canu r i e , P y k n i k e r u n d A t h l e t e n sche inen en t - s p r e c h e n d ih r e r N e i gung zu Darmf~tulnis u n d Da rmgf i rung n a c h unse r en E r f a h r u n g e n a u c h zu e n t s p r e c h e n d e r h 6 h t e r I n d i c a n a u s s c h e i d u n g zu neigen. Besonders diese B e o b a c h - t u n g e n sol l ten zur Vors i ch t bei de r B e u r t e i l u n g der F r a g e de r I n d i c a n u r i e m a h n e n .

W i r u n t e r s u c h t e n u. a. eine groge Zah l yon C a r c i n o m e n des M a g e n d a r m t r a k t u s , de r Leber , des Ute rus , der O v a r i e n m i t M e t a s t a s e n v e r s c h i e d e n s t e n Sitzes u n d f a n d e n im Gegensa tz zu d en Aus f f ih rungen der Lehrbf i che r (SPAETH, BLUMF~NTHAL) hie eine e r h 6 h t e I n d i c a n a u s s c h e i d u n g , d . h . im a l lgemeinen n i c h t m e h r als 4 ~ m g I n d i e a n im Urin , eine Zahl, die wi r n i c h t se l ten bei k l in i sch G e s u n d e n fanden . Die Angaben , d a b bei gew6hn l i chen k le ine ren Ig lu tungen im Magen u n d D a r m I n d i c a n im U r i n v e r m e h r t e rschein t , k o n n t e n wir n i c h t bes t~ t igen . Mehre re b l u t e n d e Ulce ra u n d d a u e r n d b l u t e n d e Ca. ze ig ten n iedr ige oder n o r m a l e V(erte. Nur ganz f r ische a b u n d a n t e B l u t u n g e n m i t Teers t f ih len ze ig ten h o h e W e r t e fiber 6 o - - 8 o m g I n d i c a n . Bei C a r c i n o m m e t a s t a s e n in de r Lebe r w a r e n die W e r t e of t anf fa l lend niedrig, im Gegensa tz zu den ] 3eobach t ungen BLUMI~NTtIAI.S. Bei a k u t e n E i t e r u n g e n aul3erhalb des M a g e n d a r m t r a k t u s v e r m i g t e n w i t ebenfa l l s die e r h 6 h t e I n d i c a n a u s s c h e i d u n g , se lbs t bei pa ra ly - t i s c h e m I leus f a n d e n sich b iswei len n u r k le ine Mengen Ind ican . ]gei a b n o r m e r DarmfAulnis , ge legent l ich bei har tn~tckiger Obs t ipa t i on , auch bei e inem Fal l yon Sprue, l a n d sich of t - - a b e t keineswegs regelmfigig -- I n d i c a n v e r m e h r t im Urin , d. h. m e h r als 4 ~ m g als Tagesmenge .

Bei al len I n d i c a n u n t e r s u c h u n g e n wird eine wicht ige F r a g e auge r a c h t gelassen : W i r d f i b e r h a u p t a l l es im D a r m e n t s t e h e n d e Indo l in I n d i c a n t iber f t ih r t ? Diese F rage m u g v e r n e i n t werden . Schon JAFFF, h a t t e festgestel l t , d a b der Organ i smus I n d o l l e ich t zu ze r s t6 ren ve rmag . Bei I n d o l i n j e k t i o n e n k o n n t e n wir fests te l len, d a b bis zu 9o % v o m O r g a n i s m u s ze rs t6 r t we rden u n d n u r ein Zehn te l als I n d i c a n irn U r i n n a c h w e i s b a r i s t ; da r t i be r wi rd a n d e r e n Or t s b e r i c h t e t (Z. klin. Med.).

Bei de r g rogen U n s i c h e r h e i t unse re r K e n n t n i s s e fiber die B i n d u n g des Indo ls a n Glucurons~ture u n d schwefe lsanres K a l i u m is t es n i c h t ge rech t fe r t ig t , Da rmf~u ln i s gleich Ind i can - ur ie zu setzen. Es mfissen noch eine Re ihe uns u n b e k a n n t e r tged ingungen erffi l l t sein, ehe es zur I n d i c a n b i l d u n g k o m m t . Vermehrte Dib~ndarm/dulnis ist nieht gleichbedeutend mit vermehrter Indicanausscheidung im Urin. Es m u g v i e l m e h r gesag t werden, bei ges te iger te r Darmf~tulnis kann I n d i c a n im U r i n v e r m e h r t sein, es b r a u c h t n i c h t und i s t es keinesfal ls regel- m~tgig. D a m i t dfirf te ein g roger Teil der noch b e s t e h e n d e n Di f fe renzen in der Auf fa s sung u n d B e o b a c h t u n g der I n d i c a n - urie seine E rk l / i r ung f inden u n d die I n d i c a n u r i e in e iner grol3en Zah l yon F~tllen ihres p a t h o g n o m o n i s c h e n C h a r a k t e r s en t -

k le ide t werden . Ja]/es Au//assung ,,wir kennen mit Sicherheit keine andereQuelle des Harnindigos als die Eiwei]3zersetzung dutch Bakterien" besteht auch heute noch mit voUem Recht.

Wir k o m m e n au f G r u n d unse re r zah l re ichen q u a n t i t a t i v e n U n t e r s u c h u n g e n des H a m s au f I n d i c a n zu fo lgenden Schli~ssen:

Zur B e u r t e i l u n g de r I n d i c a n u r i e s ind n u r quantitative Untersuchungen der G e s a m t m e n g e bzw. mehrerer Einze lpor t io - h e n i n n e r h a l b 24 S t u n d e n zu wer ten . SchXtzungen und Einzel - u n t e r s u c h u n g e n s ind vim zu ungenau .

I n d i c a n wi rd bei j edem Menschen t~gl ich no rma le rwe i se im Ur in ausgeschieden , u n d zwar bis zu 4 ~ m g i n n e r h a l b 24 S tunden .

I n d i c a n u r i e i s t abh~ng ig yon den bak te r i e l l en Eiweig- ze r se t zungen im D f i n n d a r m u n d de r Darmf~uln i s , vo r a l lem im D t i n n d a r m , u n d P a a r u n g des e n t s t a n d e n e n Indols a n Glucurons~ure bzw. schwefelsaures K a l i u m (vgl. JA~FE). H i e r sp rechen j edoch zahlreiche, zum Tell n o c h u n b e k a n n t e M o m e n t e mi t , z. B. die Ze r s tS rba rke i t des Indo l s im Organ i smus . Keines- wegs f / ih r t v e r m e h r t e Da rmf~u ln i s u n d bak te r ie l l e EiweiB- ze r se t zung regelm~Big zu v e r m e h r t e r I n d i c a n b i l d u n g u n d - aus sche idung im Urin .

Die Ind i canu r i e , d. h. die v e r m e h r t e I n d i c a n a u s s c h e i d u n g im Ur in k a n n bei den ve r sch i edenen K r a n k e n wie bei dense lben K r a n k e n a n ve r sch i edenen Tagen u n t e r sons t gleichen Be- d i n g u n g e n sehr wechseln, d a h e r k o m m t der Indicanurie wegen ihrer groflen Inkonstanz und ihrer weitgehenden AbMingigkeit von versehiedenen groflen, teils unbekannten l~'aktoren eine pathognomische Bedeutung nur ganz bedingt zu, besonders bei gewissen Fiiulnisprozessen im Di~nndarm und bei D~nndarm- ileus, und zwar nur , w e n n hohe I n d i e a n w e r t e bei E r h a l t u n g al ler angef f ih r t en K a u t e l e n ge funden werden. 2Vormale oder niedrige Indicanwerte sprechen nicht gegen Ileus und F~iulnis- prozesse.

Carcinome verschiedenster Genese gehen im allgemeinen ohne erh6hte Indicanausseheidung einher, ebenso Magenulcera, Magenerweiterungen oder Katarrhe, ]erner Obstipation, Leber- cirrhose und Ikterus sowie Eiterungen auflerhalb des Magen- dar'mkanals. T r i t t bei e iner dieser E r k r a n k u n g e n v e r m e h r t e I n d i c a n a u s s c h e i d u n g im U r i n auf, so is t sie b e d i n g t d u r c h s t a rke E iwe i~ze r se t zung im D i i n n d a r m , wie e twa n a c h e iner g rogen M a g e n b l u t u n g . Kle inere u n d l a t en t e B l u t u n g e n be- d ingen ke ine e rh6h t e Ind i canu r i e . Bei diesen letztgenannten Krankheiten hat nach unseren Er/ahrungen die Indicanprobe im Urin keinerlei pathognomischen Weft.

L i t e r a t u r : F. ]3LUM~NTHAL, Handbuch der spez. Pathologie des Hams. Berlin I913. - - OPPENHEIMER, t-Iandbuch der Bio- chemie Bd. V. 1925. -- a SPAETH, Die chem. u. mikroskop. Unter- suchung d. Harns. Leipzig 1924. -- ]gECHER, Dtsch. Arch. klin. Med. I29 (1919). -- KLOPSTOCK-KOWARSKI, Prak t ikum der klin. Untersuchungsmethoden. Urban & Schwarzenberg 1927. -- K6r- SCHAIJ, Klin. V~%chr. I926, Nr 51. -- LENHARTZ-MnvER, Mikro- skopie am Krankenbet t . Berlin: Julius Springer 1927. -- SAXON, Arch. of Path. 1926, 796.

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

NEUTROPHILE LEUKOCYTOSE UND NEBENNIEREN*. V o n

"vV. B O R C H A R D T .

Die Ver sch iebungs l eukocy tosen , wie sie bei der Ver- dauung , bei Lagewechsel , Kr~tmpfen, Schreien, E r s t i c k e n usw. au f t r e t en , s ind g runds~ tz l i ch zu t r e n n e n v o n d e r wahren , n e u t r o p h i l e n Leukocytose , die i m m e r m i t e iner abso lu ten , wie r e l a t i v e n V e r m e h r u n g der reifen, wie unre i fen weigen Blu t - zel len e i n h e r g e h t -- unabh~tngig von d e m Gef~tggebiet, aus d e m das g l u t zur Z~h lung e n t n o m m e n wird. W~thrend e r s t e r e wesen t l i ch a n den a u t o n o m n e r v 6 s e n E r r e g u n g s z u s t a n d des Z i r k u l a t i o n s s y s t e m s g e b u n d e n s ind 1, b e r u h t die w a h r e neu- t roph i l e Leukocy tose i m m e r auf e iner R e i zung des K n o c h e n - marks .

* Soll demn~ichst vollstfindig erscheinen.

Die Phys io logie des mye lo i schen A p p a r a t e s is t h e u t e noch in v ie le r H i n s i c h t unk la r . Die E r f a h r u n g lehr t , d ab das K n o c h e n m a r k asep t i sch -- z. B. d u r c h k 6 r p e r f r e m d e EiweiB- stoffe, Terpent in61, Giftstoffe, wie Pi locarpin , Adrena l in , Chol in und a n d e r e -- wie sep t i sch -- d u r c h Infekt ionserre 'ger , bzw. ihre P r o d u k t e -- r e i zba r is t u n d mi t e iner v e r m e h r t e n Aussch f i t t ung neu t roph i l e r , z u m Teil eosinophi ler , endl ich basoph i l e r L e u k o c y t e n a n t w o r t e t . Das P h ~ n o m e n de r K n o c h e n m a r k s l X h m u n g d n r c h f ibergroge Dosen der ge- n a n n t e n R e i z m i t t e l oder d u t c h b e s t i m m t e Gif ts toffe soll h ie r a u g e r ach t gelassen werden.

Wie abe r die Reize zur Ze l l re i fung und -mobi l i sa t ion ffih- ren, l~tgt s ich b i she r n i ch t k la r en t sche iden . Theo re t i s ch s ind ve r sch iedene Angr i f f sm6g l i chke i t en bzw. -wege gegeben:

i . D u r c h anf~ngl iche E r r e g u n g gewisser a u t o n o m e r Zen- t r e n im G e h i r n 2 oder a b e t

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16. DEZEMBER 1928 K L I N I S C H E ~ v V O C H E N S C H R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . 51 244~

2. d u r c h anf~ngl iche R e i zung pe r iphe re r , a u t o n o m e r Ne t - yen, die be ide also au f n e r v 6 s e n B a h n e n zur Ze l l re i fung u n d -auss toBung f t ih ren k S n n t e n ;

3. d u t c h d i r ek t e W i r k u n g chemisch- o r g a n f r e m d e r P ro - d u k t e auf die Zel len des K n o c h e n m a r k s ,

4. d u t c h anf~ngl iche Re izung b e s t i m m t e r I nk re td r t i s en , und in de r Folge d u r c h h o r m o n a l e Bee in f lussung der K n o c h e n - marksze l len ,

5. d u r c h Ver~tnderung de r Z i rku la t ions - u n d S t r S m u n g s - verh~tl tnisse in den Gef~tl3en des K n o c h e n m a r k s ,

6. d u t c h lokal b e d i n g t e C h e m o t a x i s der L e u k o c y t e n aus der B lu • u n d v o n dieser n a c h d e m P r i nz i p des V a k u u m s aus d e m K n o c h e n m a r k .

Diese MSgl ichke i ten werden sich i m Laufe des phys io- logischen Geschehens z u m Teil kombin i e r en , z u m Tei l t iber- lagern. D a d u r c h abe r wi rd die Ana lyse de r Re izvorg~nge dieses O r g a n s y s t e m s auBero rden t l i ch kompl iz ie r t . L e t z t e K l~ rung wird h ier v ie l le ich t e r s t das A r b e i t e n a m t iber leben- den K n o c h e n m a r k b r i n g e n (Ext remi t~ t tenprS .para t n a c h A. BORNSTEIN 3) wie sie z u m Teil von H. V/SLKER schon aus- gef t ihr t sind~. V o r h e r abe r w a r es wicht ig, s chon e inze lne de r v o r h e r b e r f i h r t e n Te i l f ragen expe r imen te l l zu en t sche iden oder auszuschliel3en, so vo r a l l em die n a c h de r B e d e u t u n g de r inne r - s ek re to r i schen Dr i i sen auf die Leukocytose .

Ver sch iebungs l eukocy tosen , wie sie u. a. auch in den p r im~ren S tad ien der A d r e n a l i n w i r k u n g au f t r e t en , k 6 n n e n bei nebenn ie ren losen T ie ren d u r c h a u s noch z u s t a n d e k o m m e n . Ganz ande r s n u n abe r m i t de r w a h r e n Leukocytose . Es wa r m i r be re i t s bei m e i n e n S t ud i en fiber die B e d e u t u n g de r Schi ld- drt ise u n d der N e b e n n i e r e n b e i m F iebe r aufgefa l len 5, dab die N e b e n n i e r e n yon e n t s c h e i d e n d e m Einflul3 b e i m Z u s t a n d e - k o m m e n e iner Re iz leukocy tose sein mtissen. Diese Ver suche h a b e ich we i tgehend a u s g e b a u t und k o n n t e die d a m a l s 2 n u t m i t E i n s c h r ~ n k u n g gegebene B e h a u p t u n g w e i t e r h i n bekr~f - tigen. BERTELLI, FALTA und SCHWEEGER 1 g l aub ten , die F u n k - t ion der e n d o k r i n e n Dr t i sen auf die T~ttigkeit des K n o c h e n - m a r k s und des l y m p h a t i s c h e n A p p a r a t e s d u r c h k t ins t l iche Zufuhr b e s t i m m t e r H o r m o n e bzw. d u r c h b e s t i m m t e , das a u t o n o m e N e r v e n s y s t e m e r regende P h a r m a k a zu ergr t inden. Da i h n e n das PhXnomen de r Ve r sch i ebungs l eukocy tosen , ebenso das des L e u k o c y t e n s t u r z e s 6 m i t de r anf i tngl ich re la- t i ven V e r m e h r u n g de r L y m p h o c y t e n , de r E os inoph i l en u n d der Mononucle~tren n i c h t im e inze lnen b e k a n n t war, so s ind sie in i h r en SchluJ3folgerungen s che inba r e inem gewissen S c h e m a t i s m u s zum Opfer gefallen. Sie k o n s t r u i e r e n die Wir - k u n g , , s y m p a t h i c o t o n i s c h e r u n d a u t o n o m o t o n i s c h e r " Mi t t e l u n d glauben, die d a n a c h zus t ande k o m m e n d e n zwei ve rsch ie - d e n a r t i g e n B l u t b i l d e r bei v e r s c h i e d e n e n T y p e n yon Infek- t i o n s k r a n k h e i t e n w i e d e r e r k e n n e n zu k6nnen . Wie mi r n u n die e ingehende Ana lyse de r Adrena l in l eukocy tose* auf de r e inen Seite, die der P i locarp in - und Chol in leukocytose auf de r a n d e r e n Seite e rwiesen ha t , s ind diese B e h a u p t u n g e n n u r be- d ing t r icht ig. B e i m P i loca rp in und Chol in ( , , au tonomo- ton i sche" Mi t te l de r gen. Au to ren) k o m m t n e b e n e iner gewissen speziel len W i r k u n g * * vor a l l em ein s t a r k e r Reiz au f die N e b e n n i e r e n hinzu, wie es schon de r Ans t i eg des B lu t - zuekers n a c h diesen Mi t t e ln zum Teil h ~ t t e v e r r a t e n k6n- nen***. Bei de r P i loca rp in - u n d Chol in leukocytose h a n d e l t es sich also bes tenfa l l s u m eine K o m b i n a t i o n s y m p a t h i s c h e r u n d p a r a s y m p a t h i s c h e r Effekte . Die endgt i l t ige K I a r s t e l l u n g dieser F rage wurde d u r c h die R e s u l t a t e n a c h t o t a l e r Neben- n i e r e n e x s t i r p a t i o n er re ich t . Nebenn ie ren lose Tiere s ind we- sen t l i ch empf ind l i che r gegen i n t r a v e n 6 s e Adrena l in - , Pilo- carpin- , C h o l i n - I n j e k t i o n e n usw. als n o r m a l e Tiere . Sie v e r t r a g e n vie l fach n i c h t den z e h n t e n Teil de r v o m N o r m a l -

* Adrenalin ruft naeh intraven6ser Applikation entgegen den Angaben yon NAEGELU eine wahre neutrophile Leukoeytose nach einer anfangliehen Versehiebungsleukoeytose hervor. ** Eine stimuIierei~de Beeinflussung des lymphatisehen Apparates. habe ieh gegeniiber den genannten Autoren mit diesen Mitteln nicht finden k6nnen. *** In demselben Sinne sprechen aueh die Verfinderungen am erythropoetisehen Apparat -- H~imoglobila- und Erythroeytenvermehrung nach Piloearpin-, Cholin-, ganz fihnlieh wie nach Adrenalininjektion -- die sich zwanglos naeh BARCROFTS Befund dureh eine Kontraktion der Milz bzw. anderer Blutreservoire erkI~iren lassen.

t i e r gu t t i b e r s t a n d e n e n Dosis. D e s h a l b mul3ten in ausgedehn- t en V o r v e r s u c h e n die gerade noch m i t d e m L e b e n ve r t r~g- l ichen Grenzdosen der g e n a n n t e n Stoffe a m n e b e n n i e r e n l o s e n Tier a u s g e p r o b t werden. A n d e r e r s e i t s mul3ten diese Grenz- dosen noch b e i m N o r m a l t i e r eine w a h r e Leukocy tose he rvo r - ru f en k6nnen . I n P a r a l l e l v e r s u c h e n a n den im M o r p h i u m - Chlora losesch la f* be f ind l i chen K a t z e n zeigte sich n u n in t ibe rzeugender Weise, dab die Leukocy tose b e i m n e b e n n i e r e n - losen Tier fehlte, wo sie auI die e n t s p r e c h e n d e n Mengen de r g e n a n n t e n Mi t t e l b e i m N o r m a l t i e r noch d u r c h a u s e in t ra t . Nebenn ie ren lose Tiere b e k o m m e n also ke ine oder zum min - des t en n u r eine sehr viel u n v o l l k o m m e n e r e Re iz leukocytose n a c h e inmal iger , kurz d a u e r n d e r , i n t r a v e n 6 s e r Adrena l in - , P i loca rp in - oder Cho l in - In j ek t ion . D a n a c h d t i r fen wir den N e b e n n i e r e n u n t e r den B l u t d r t i s e n eine e n t s c h e i d e n d e B e d e u t u n g b e i m Z u s t a n d e k o m m e n de r n e u t r o p h i l e n Reiz- l eukocytose zuschre iben . I n den f r i iher m i t g e t e i l t e n F ieber - v e r s u c h e n (1. c.) war abe r a u c h schon h e r v o r g e t r e t e n , dab die Leukocy tose n a c h i n t r a p l e u r a l e r bzw. i n t r a p u l m o n a l e r P n e u - mokokken in fek t i on , wie auch auf den W ~ r m e s t i c h in den mei- s ten FMlen** n a c h N e b e n n i e r e n e x s t i r p a t i o n fehlte. Der W ~ r m e - s t i ch n a c h der Me thode yon ARONSOI~N u n d SACHS 8 i s t n o r m a l e r - weise i m m e r yon e iner sehr s t a rken , n e u t r o p h i l e n Leukoey tose ohne men ing i t i s che oder k l in i sch -encepha l i t i s che Prozesse ge- Iolgt 2. Diese Be funde b a t t e n ja den G e d a n k e n a n ein m u t - mal31iches Z e n t r u m fiir die Leukocy tose i m Z w i s c h e n h i r n nahege leg t (demn~chs t soll f iber diese Ver suche e ingehend b e r i e h t e t werden) . Fa l l s also die A d r e n a l i n a u s s c h f i t t u n g u n t e r de r N e b e n n i e r e n e x s t i r p a t i o n n i c h t zu groB gewesen ist, t r i t t bei nebenn i e r en lo sen T ie ren weder auf chemische, infekt i6se, noch auf m e c h a n i s c h - i r r i t a t i v e Reize des Zwischenh i rns h in eine Leukocy tose ein.

Aus welchen Gr t i nden b l e i b t n u n abe r die wahre Reiz- l eukocytose n a c h N e b e n n i e r e n e x s t i r p a t i o n aus? E n t w e d e r is t n a c h t o t a l e r N e b e n n i e r e n e n t f e r n u n g die Vi t a l i t~ t des Gesamt - k6rpe r s wesen t l i ch h e r a b g e s e t z t , so d a b es n i c h t m e h r zu Rei fungs- und Wachs tumsvorg~ tngen im O r g a n i s m u s k o m m e n kann , oder abe r die E r r e g b a r k e i t der a u t o n o m e n N e r v e n f a s e r n is t schwer geschadigt . E n d l i c h w~tre d a r a n zu denken , dab die Z i rku la t ions - und S t r6mungsverh~t l tn i s se m a n g e l h a f t geworden s ind u n d so zu schweren E r n a h r u n g s s s t 6 r u n g e n u n d d a m i t h e r a b g e s e t z t e r F u n k t i o n u n t e r a n d e r e m auch des K n o c h e n - m a r k s I i ihren. W i t s t e h e n v o r sehr i n t e r e s s a n t e n Fragen , da h ie rbe i die F u n k t i o n a u t o n o m e r N e r v e n f a s e r n bzw. i n n e r e r Sekre te auf den W a c h s t u m s - u n d Reifungsprozel3 gewisser Ze l le lemente e r S r t e r t werden . N u n wissen wir n icht , ob diese F u n k t i o n sich auf d e m U m w e g e fiber die Zel lernXhrung, f iber die VerXnderung der W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n oder ga r d i r e k t a n den K n o c h e n m a r k s m u t t e r z e l l e n auswi rk t . N a c h den b i she r igen V e r s u c h e n muB die A n t w o r t auf diese F r a g e n noch ausble iben . W i r e r k e n n e n aus i h n e n n u t sicher, d a b kS rpe r f r emde Reize, wie P i locarp in , Cholin, A d r e n a l i n usw. n i c h t d i r e k t e t w a auf c h e m i s c h e m Wege zur Leukocy to se t t ih ren k6nnen , s o n d e r n o f f enba r e r s t auf d e m U m w e g f iber H o r m o n e bzw. a u t o n o m e s N e r v e n s y s t e m . Welche Ante i le de r N e b e n n i e r e ftir das Z u s t a n d e k o m m e n e iner Re iz leukocy tose unerl~Blich s ind: ob R i n d e n - oder M a r k h o r m o n k a n n vorde r - h a n d n u t v e r m u t e t werden .

Zusammen/assung. I. Bei n e b e n n i e r e n l o s e n T ie ren k 6 n n e n Ve r sch i ebungs l eukocy to sen z u s t a n d e k o m m e n .

2. W a h r e , n e u t r o p h i l e Re i z l eukocy to sen m i t V e r m e h r u n g de r re i fen wie un re i f en n e u t r o p h i l e n weil3en B l u t k S r p e r c h e n k S n n e n dagegen n a c h N e b e n n i e r e n e x s t i r p a t i o n n i c h t m e h r e in t r e t en .

3. Die P i loearp in - u n d Chol in leukocy tose i s t ke ine r e i n p a r a s y m p a t h i s c h ausgel6s te Leukocy tose , s o n d e r n b e r u h t al lenfalls auf e iner K o m b i n a t i o n s y m p a t h i s c h e r u n d p a r a - s y m p a t h i s c h e r Ef fek te ; die W i r k u n g dieser P h a r m a k a g e h t

* Die Versuehstechnik war dieselbe wie in den mitgeteilten Fieberversuchen 2. ** Die einzig mitgeteilte Ausnahme 2, dab Leukocytose nach Wgirmestieh bei einem nebennierenlosen Tier eintrat, finder ihre Erkl~irung in der l~inger dauernden lnassiven Adrenalinausschwemmung unter der Operation: kenntlieh an der starken Blutzueker- erhShung llaeh dem operativen Eingriff; vgl. hierzu aueh die spfiteren Ausfiihrungen.

Page 3: Neutrophile Leukocytose und Nebennieren

2442 I Z L I N I S C H E ~vVO C t I E N S C H

offeubar n ich t d i r ek t am K n o c h e n m a r k vor sich, s o n d e rn auf d e m Um wege fiber die Nebennie ren .

4- Auch die Adrena l in leukocytose b le ib t bei nebenn ie ren - losen Tieren aus.

5. Es i s t bis heu te n ich t klar, welche H o r m o n e der Neben- niere - - ob Mark- oder R indenan te i l e - - unerl~tBlich ffir das Z u s t a n d e k o m m e n einer Reiz leukocytose sind.

6. D u r c h P i locarp in und Cholin konn t e keine wesent l iche Beeinf lussung des L y m p h o c y t e n a p p a r a t e s yon K a t z e n e r re i ch t werden.

7. Infekt i6se Reize (Pneumokokkeninfek t ion) , ebenso mechan i sch - i r r i t a t ive Reize des Zwischenhi rns b e i m W a r m e - stich, bewi rken be im Norma l t i e r eine sehr s ta rke neu t rophi le Leukocytose ; a m L e u k o c y t e n a p p a r a t nebenn ie ren lose r Tiere ble iben sie in den me i s t en F~llen wirkungslos. (Aus dem Inatitut ]i~r SehiJJs- und Tropenkrankheiten [ Direktor : Obermed.- Rat Pro/. Dr. Nocht].)

Literatur:~Allgemeine: O. NAEGELI, Blutkrankheiten, 4. Aufl. I923,213ff. -- H. PFEIFFER, Allgemeine und experimentelle Patho- logie, x927, 287ff. Lehrbuch der pathologischen Physiologie von LODKE und SCHLAY~R, 1922, 589ff. -- KREHL, Patho!ogische Physiologie. Leipzig I92O, S. 5o3ff. -- Spezielle: 1 E. F. MOLLER, Mtinch. reed. Wschr. 1922, Nr 51; Med. Klin. I923, Nr 17; GLASER, Mfinch. med. Wschr. 1924, Nr 21, 674; WOLLHEIM, IKlin. Wschr. I925, Nr 41, 196o u. a. -- 2 W. BORCHARDT, Arch. f. exper. Path. 137, 45; Klin. Wschr. 1928, Nr 32, 15o 7. -- a A. BORI~STBI~, Arch. f. exper. Path. 115, 367 (1926). -- ~ H. V6LKER, Arch. f. exper. Path. 127, 269 (1927). -- 5 BERTELLI, FALTA und SCHWEEGER, Z. klin. Bled. 71, 23 (191o). -- ~ VIDAL, Presse m6d. 192o; E. F. M~3LLER, Mtinch. med. Wschr. 1922, Nr 5 ~ , 1722 und Nr 51 , 1753. -- ~ O. NAEGELI, Blutkrankheiten, S. 218 (1923). -- ~ ARONSOmr und SACHS, zit. nach O. HABERLANDT, Operative Technik des Tierexperiments, 1926, S. 212.

0BER DIE VERTEILUNG ARTEI GENER IN DIE BLUTBAHN TRANSPLANTIERTER LEUKOCYTEN IM ORGANISMUS

UND IHRE BEDEUTUNG FOR DIE ENTZONDUNG. Yon

ERWlN CHRISTELLER ~ und GEORG EISNER.

Wir h a b e n Leukocyten , die wir aus frischen, mi t Te rpen t in e rzeugten Abscessen an H u n d e n gewannen und in vivo mi t

R I F T . 7. J A H R G A N G . Nr . 51 16. DEZEMBER 1928

Trypanb lau mark ie r t en , nach Auf fangen und Waschen in Kochsa lz-Ci t ra t l6sung w i e d e r n m H u n d e n e ingespr i tz t , und zwar in versch iedener Weise, in t raven6s , in t raar ter ie l l , sowie in die rech te und l inke H e r z k a m m e r mi t besondere r in t r a - vasaler Technik. Wi r wol l ten auf diese Weise un t e r suchen :

I. welchen Weg die e ingeff ihr ten L e u k o c y t e n im E m p - f i tngert ier nehmen , d. h. wie die Zellen sich in den verschie- denen Organen ver te i len ;

2. welchen Ante i l diese Leukocyten , yon denen wir an- n e h m e n konnten , daB sie noch wenig gesch~digt waren, an En tz f indungsprozessen n eh men .

Zu diesem Zwecke h a b e n wir bei einigen Versuchs t i e ren fr ische En tz f indungshe rde in der Muskula tur , im P e r i t o n e u m und in den Lungen erzeugt . Die Ergebnisse unsere r Un te r - suchungen, die wir mi t t3erficksichtigung der einschl~gigen L i t e r a tu r und Angabe der V e r s u c h s a n o r d n u n g ausffihrl ich in Zieglers BeitrXgen zur pa tho log ischen Ana tomie ver6ffent - l ichen werden , h a b e n in Kfirze folgendes Ergebn is gehab t :

I. Bei In]ektion in die Venen resp. in die r. H e r z k a m m e r sind die gekennze ichne ten L e u k o c y t e n s te ts quantitativ in der Lunge wiederzut inden. Nie w u rd en mark ie r t e Zellen bei dieser I n j ek t i onsa r t in e inem ande ren Organ gesehen. Bei arterieller In]elction (resp. ins 1. Herz ) waren h~tufig die peripheren Capillarffebiete versch iedener Organe mi t Blauzellen angeJi211t; s te ts war aber die Hauptmenge wiederum in den Lunffen- alveolarea/pillaren zu f inden. Die K6rperkre is laufcapi l la ren werden also gew6hnl ich durchlaufen . In den Lungencapi l l a ren werden die Leukocy ten in j edem Falle, sowohl bei in t raven6ser wie auch bei in t raar te r ie l le r E inb r ingung der Zellen, sofor t bMm ers ten U m l a u f Ies tgehal ten . Den Lungen k o m m t also eine ganz besondere Stel lung ftir die Zers t6rung der Leuko- cy ten zu.

I I . Eine Beteiligung der markierten Leukocyten an be- stehenden Entzi~ndungsherden konn te in unseren Versuchen n i ch t fes tgeste l l t werden . Auch die in der Lunge gese tz ten E n t z f i n d u n g s h e rd e zeigten keine b laugef~rb ten Leukocyten , w~hrend das gesunde Lungengewebe dieser Tiere sie in reich- l icher Menge aufwies. (Aus der Pathologisch-anatomischen Abteilung des Rudol/- Virchow-Kranl~enhauses Berlin [Abteil.- Direlctor: Pro]. Dr. Erwin Christeller /'].)

K A S U I S T I S C H E

0BER EIN NACH ENCEPHALITIS EPIDEMICA BEOB- ACHTETES, DER AMYOTROPHISCHEN

LATERALSKLEROSE NHNLICHES KRANKHEITSBILD.

Von

R i t t e r Dr. Sa'•PHAN JANCS6, Leiter der III. internen Abteilung am Naufmannischen Krankenversicherungs-Institut

Budapest (Chefarzt: Dr. LADISLAUS SZASZOVSZKY).

Ich beobachtete eine merkw~rdige, in der Literatur bisher unbekannte Form der Erkrankung des Nervensystems. Bei einer Patientin, welche wiihrend der Dauer ihrer Erkrankung unter meiner Beobachtung stand, t raten in Verbindung mit influenza~hnlichen Symptomen, wahrscheinlich auf encephalitischer Basis, Bulb~r- symptome auf, u n d e s entwickelte sich schlieglich ein Krankheits- bild, wie w i r e s nur im Endstadium de r amyotrophischen Lateral- sklerose sehen.

Der Krankheitsverlauf ist folgender: L. F., 4oj~hr. Frau, war vorher nicht krank, in ihrer Familie kam keine ~thnliche Erkran- kung vor. Vor 2 Jahren im April erkMtet sie sich, ftihlt sich ein wenig verschnupft, hustet ein wenig, Schmerzen im tlals nnd Kopf, die Aug~pfel sind druckempfindlich, fflhlt im ganzei1 K6rper, be- sonders in den Gelenken Zuckungen und ziehende Schmerzen. Sie ist mat t und hat mehrere Tage lang Fieber (39-- 4 ~ ~ In der zweiten Woche ihrer Erkrankung iiberf~llt sie ein starker qu~lender IZopf- schmerz, der durch Medikamente nicht zu stillen ist und auch nach Lumbalpunktion kaum nachl~Bt. W~hrend der tagelang andauern- den, quMenden t~opfschmerzen verliert Pat . 6fters das ]3ewugtsein,

M I T T E I L U N G . es t r i t t Doppelsehen, Schwindel und Erbrechen auf. Nach all- mXhlichem Aufh6ren der Kopfschmerzen verschwindet in 8 bis IO Tagen auch das Doppelsehen. Naehher qu~tlt sie allgemeine Schw~che, groBe Mattigkeit, nachts Schlafiosigkeit, bei Tag SchlM- rigkeit. Die frflher fieiBige, flinke Frau verh~lt sich jetzt gleich- gflltig gegeniiber ihren h~uslichen Obliegenheiten, sie kiimmert sich nicht um ihre Familie und Umgebung, sondern sitzt gebeugt mit stumpfem Gesichtsausdruck. Gegen Ende Mai verschleehtert sich ihre SprechfAhigkeit. Pat. ha t das Geffihl, dab sich ihre Zunge schwerer bewegt und rascher ermfidet als frt~her. Zu dieser Zeit sind die groben Bewegungen der Zunge noch in jeder Richtung frei, aber an der rechten Zungenh~lfte ist ein feines Zittern zu beobach- ten. In dem durch Lumbalpunktion gewonnenen, sich mit groBem Drucke entleerenden Liquor ist die P~ndy und Nonne-Apel- Reaktion negativ. Zahl der Zellen per Kubikmillimeter 17. WaR. sowohl im Serum wie im Liquor negativ. Innerhalb yon 4--5 Mona- ten wird ihre Sprache verschwommen, muffe.lnd, die Flfissigkeit kommt oft durch die Nase zurflck, das Kauen ermfldet sie, der Mund ist stark verschleimt. Kehlkopfuntersuchung: Das Velum funk- tioniert phonatorisch sehr tr~ge, reflektorisch hebt es sich gut. ]Die Epiglottis hebt sich beim Lautgeben nieht, daher sind die Stimm- bXnder nicht genau zu sehen. Nasen- und Geh6rg~nge Irei, Ge- schmacksempfindung gut (Dr. VERZ~R).

Augenbefund: Augenhintergrund normal. Gesichtsfeld mcht eingeschr~nkt, kein Skotom, Pupillen reagieren gut, Hypermetropia rain. grad. o. u. + 2,5 D. (Dr. HORAY).

Nach 9 Monaten, im Dezember, ist die Zunge sehr bewegungsarm, atrophisch, runzlig. Die Atrophie ist ausgesprochener auf der rech- ten Seite, bier sind die Iaszikul~ren Zuckungen h~ufig, welche sich beim Herausstrecken noch steigern. Das Herausstrecken der Zunge