neuwal NOSTALGIE Transkript: Alexander van der Bellen in der 19. Nationalratssitzung

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  • 7/23/2019 neuwal NOSTALGIE Transkript: Alexander van der Bellen in der 19. Nationalratssitzung

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    NOSTALGIE

    Transkript

    Alexander Van der Bellen in der 19.

    Nationalratssitzung

    Datum: 21. April 2009, 16:32:45 (Nationalrat)

    Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=A5zGtR55hjIAutor: Dieter.Zirnig @neuwal.com (09.01.2016)

    transkribiert am 9.1.2016 auf Anfrage von Lukas Huber

    (https://www.facebook.com/lukhub/posts/10206749462628767)

    Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=A5zGtR55hjI

    https://www.youtube.com/watch?v=A5zGtR55hjImailto:[email protected]:[email protected]://www.youtube.com/watch?v=A5zGtR55hjI
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    Alexander Van der Bellen:Danke Frau Prsidentin.

    Herr Petzner, Sie nehmen das zu ernst, was die FP da vorgeschlagen hat.

    Aber ich werde mich bemhen, das auch ernst zu nehmen. Fllt einem nicht

    leicht, Herr Strache. Weil der Finanzierungsvorschlag mit ein Prozent von

    Leuten, die ber 20.000 EUR im Monat verdienen... Was haben Sie sich

    ausgerechnet... Es bringt ungefhr zehn Millionen im Jahr, oder was. Nicht

    einmal. Also bitte schn.

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Das steht nicht in ihrem dringlichen Antrag, Herr Strache. In ihrem dringlichen

    Antrag steht: "Alle Manahmen zustzlicher Abgaben zu unterlassen. Mit

    Ausnahme der einen, nmlich fr diese Leute mit 20.000 Monatseinkommen

    plus... Die sollen ein Prozent mehr zahlen." OK. Warum nicht? Bringt zehn

    Millionen. Gleichzeitig sagen Sie, die Senkung der Abgabenquote von 43

    Prozent derzeit auf max. 39 Prozent ist angezeigt. Wieviel Milliarden Euro sind

    das, Herr Strache?

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Ja Sie haben den Antrag gestellt. Ich habe angenommen, dass Sie sich berlegthaben, wieviel Milliarden Euro das ungefhr sein knnten. Sind das vier

    Millionen Euro oder vierhundert. Oder fnf. Oder zwlf?

    Ah, der Prfling will die Frage nicht beantworten.

    [Lachen im Hintergrund]

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    OK. Das gibt es. Das gibt es auf der Universitt. Das gibt es auch hier im Hohen

    Haus. Der Herr Strache mchte die Abgabenquote um vier Prozentpunkte

    senken, wei aber nicht, wieviel Milliarden Abgabenentfall das bedeuten

    wrde. Na gut. Fr andere ist das kein Geheimnis hier. Aus diesen Reihen

    habe ich den Zwischenruf schon gehrt. Es sind ungefhr zwlf Milliarden

    Euro. Zwlf Milliarden Euro. Jetzt nehmen wir an...

    Gegen 10 Millionen. Vergessen wir die 10 Milliarden... Uninteressant.

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Zwlf Milliarden Euro. Herr Strache, ich nehme das total ernst. Ich zahle auch

    nicht gerne steuern. Sie zahlen nicht gern Steuern. Sie wollen zwlf Milliarden

    Abgaben weniger haben. OK. Das ist, wenn man das ernst nimmt. Herr

    Strache, wenn man das ernst nimmt - und das tue ich jedenfalls fr den

    Moment - ist das klassische neoliberale Politik. Weil: Die zwlf Milliarden

    werden uns fehlen. Die werden uns beim Pfle...

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Die Verwaltungsreform! Ich habe gewusst, dieses Stichwort kommt. ZwlfMilliarden jhrlich Verwaltungsreform.

    [Hintergrund: Und Gesundheit noch einmal fnf.]

    Genau. Da sind wir schon bei 17 Milliarden Euro. Und bei zehn, bei zwanzig.

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    [Diskussion und Lachen im Hintergrund]

    Gut. Ich habe ja...

    [leichtes klatschen]

    Ich habe ja bei der Vorbereitung gedacht, dass man das schon ernst nehmen

    und durchspielen knnte. Weil wenn man es nmlich nicht ernst nimmt, dann

    gibt es nur eine Antwort. Das ist nicht neoliberale Politik, das ist reineVoodoo-Politik. Und Sie mit Ihren Zwischenruf besttigen mir jetzt: Das ist

    Voodoo. Daran glaubt man in bestimmten kanarischen Inseln in der Karibik.

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Gar nicht. Na berhaupt nicht. Ich sage nur: Die zwlf Milliarden werden uns

    in der Arbeitslosenversicherung fehlen, beim Pflegegeld, bei den Kindergrten,

    bei den Schulen, bei den Universitten, beim Militr, bei der Polizei. In allen

    ffentlichen Ausgaben. Zwlf Milliarden Euro. Fr die Universitten geben wir

    derzeit ein bisschen mehr als zwei Milliarden Euro aus. Ja, die zwlf Milliarden

    knnen wir schon einsparen. Das machen wir alles privat.

    Gesundheitsreform: Selbstbehalte, Selbstbehalte, Selbstbehalte.

    ffentliche Universitten: Wozu?

    Die Kinder gutverdienender Rechtsanwlte aus den Reihen der FP knnen

    sich auch eine Privatuniversitt mit entsprechenden Studiengebhren leisten.

    Warum denn nicht? Aber stehen Sie dann dazu. Sagen Sie: Ja! Wir sind die

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    neoliberale Lobby der Reichen in sterreich. Das geht schon. Dann machen

    wir...

    [Applaus]

    ...Abgabenquote vier Prozent Minus. Die Privaten ersparen sich zwlf

    Milliarden. Wir mssen nur dazusagen, welche Privaten. Das sind nicht die, die

    die Kindergrten gerne gratis haben wollten. Das sind die, die sich auch den

    kostspieligsten Privaten leisten knnen. Wenn das Ihre Klientel ist: Bitte sehr.Aber dann seien Sie ehrlich. Tun Sie nicht so, als wren Sie die Lobby des

    kleinen Mannes. Das ist ja nicht wahr. Das geht einfach nicht zusammen. Herr

    Strache. Sie haben nicht gewusst, wieviel ein Prozent des

    BIP-Steueraufkommen ist. Das sind rund drei Milliarden. Sie haben nicht

    gewusst, dass das zwlf Milliarden sind. Und dann kommen Sie mit der

    Verwaltungsreform.

    Ich habe einen Nachteil Ihnen gegenber. Aber manchmal ist es ja ein Vorteil.

    Ich bin eine Spur lter als Sie. Wissen Sie, seit wie vielen Jahrzehnten mich das

    Gerede ber die Verwaltungsreform begleitet?

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Jaja, schauen Sie. Die ehrgeizigsten Vorgaben... Herr Stadler, knnen Sie sich

    erinnern, was die ehrgeizigsten Aussagen ber die Verwaltungsreform...

    Waren das nicht fnfzig Milliarden Schilling?

    [leise Diskussion im Hintergrund]

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    Jaja. Na. Eh. Dafr. Was wei ich, die Schulrte, wie sie alle heien. Und die

    Schulinspektoren. Was tun die den ganzen Tag. Da gibt es viel

    Einsparungspotential. Fderalismusdiskussion, die den Namen verdient. Na

    klar. Jede Bundesregierung noch, ob sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit hatte oder

    nicht, hat das versumt.

    Aber zwlf Milliarden Euro. Herr Strache. Hah! OK.

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    So berheblich? Die Beherrschung der Arithmetik, Herr Kollege. Die

    Beherrschung der Arithmetik ist keine Frage der berheblichkeit, htte ich

    gedacht.

    [Applaus im Hintergrund]

    Es gibt... Weil Sie es erwhnt haben... Es gibt irgendwie so bestimmte Dinge,

    fr die rechte Parteien offenbar besonders empfnglich sind. Da gibt es so

    Punkte, wo man schon sagen muss, wenn sich eine triviale Erkenntnis mit

    Dummheit in der Interpretation paart - jetzt meine ich nicht Sie, sondern ganz

    allgemein -, dann gibt es in der Regel Kollataralschden in der Anwendung. Die

    Laffer-Kurve, Herr Kollege.

    Der Herr Laffer war, ich wei nicht ein glcklicher oder ein unglcklicher

    Mensch - keine Ahnung. Ein unbedeutender Professor irgendwo im Westen

    der USA nehme ich an. Der hatte das Glck oder das Pech hatte, bekannt zu

    werden zur Zeit der Reagan-Administration. Wo irgendein missgeleiteter

    Funktionr die Idee einer Laffer-Kurve - na sagen wir einmal - interpretiert hat,

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    in einer Weise, die sich leider in der Realitt dann nicht widergespiegelt hat.

    Die Vorstellung, dass Steuerstze etwas mit Steuerwiderstand zu tun haben, ist

    trivial. Die Vorstellung, dass - sagen wir - wenn die Einkommensteuer in

    sterreich 90 Prozent betragen wrde und nicht mit einem Hchststeuersatz

    von 50 oder 43 Prozent... Das ist auch trivial. Dass es Steuerstze gibt, die so

    hoch sind, dass wenn man sie senken wrde, das Steueraufkommen steigt -

    das ist trivial. Nicht trivial ist die Frage, wo dieser Punkt ist. Und die

    Reagan-Administration - offenbar genau wie eine bestimmte Fraktion in

    diesem, unserem Hause... Ah, super, ja... Die haben das wrtlich genommenund haben die ohnehin schon niedrigen Steuerstze fr hohe und

    Hchsteinkommen in den USA weiter gesenkt, in der Erwartung, das

    Steueraufkommen wird zunehmen. Na, passiert ist das Gegenteil. Reagan hat

    unfreiwillig reine keynesianische Politik betrieben. Das Steueraufkommen ist

    gesunken...

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    Das ist nicht richtig... Herr Kollege... Das ist schon dreiig Jahre her... Oder wie

    lange... Wann hat der Reagan regiert, 1980 oder wann. Wie gro waren Sie da?

    So oder so? Aber ich war zu der Zeit schon relativ ausgewachsen. Ich kann

    mich schon ganz gut noch an diese Zeit noch erinnern. Ich mache Ihnen gar

    keinen Vorwurf, dass Sie sich nicht erinnern knnen.

    [leise Diskussion im Hintergrund]

    OK. OK. Also, Vorsicht bei der praktischen Anwendung von FP-Grundstzen

    in der Steuerpolitik. Dafr sind diese Fragen zu heikel, Herr Strache. Aber ich

    danke Ihnen sehr fr das Vergngen, das ich heute hatte.

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    [Applaus]