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P KREATIV WOHNEN VON NOTTING HILL BIS BRIXTON, VON WHITECHAPEL BIS PRIMROSE HILL CHLOE GRIMSHAW FOTOS VON INGRID RASMUSSEN NEW LONDON STYLE

new london stYle - bücher.de

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Kreativ wohnen von notting hill bis brixton, von whitechapel bis primrose hill

chloe grimshawFotos von ingrid rasmussen

new london stYle

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chloe grimshawFotos von ingrid rasmussen

new london stYle

deutsche verlags-anstalt

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nw1, nw3, nw6 primrose hill, hampstead, brondesbury, Queen’s park 11• VictoriaMarriott+CraigMatsonArchitekten und Inhaber von Roundhouse Design 14• MatthewWilliamsonModedesigner 22• JoBerrymanModestylistin 30• HarveyBertram-BrownArt Director 38• GillianAnderson-PriceInhaberin des Antiquitätengeschäfts Judith Michael & Daughter 44• MarthaKrempelMöbeldesignerin 52• BillAmberg+SusieForbesModedesigner + Chefredakteurin 58

se1, se5, se22, sw3, sw6, sw7, sw9 Bermondsey,Camberwell,EastDulwich, Chelsea,Parson’sGreen,SouthKensington,Brixton 64

• NormanAckroydKünstler 68• PeggyPrendevilleKünstlerin und Interior Designerin 76• ErinO’ConnorModel 84• Rob+JosiedaBankDJ + Textildesignerin 90• TraceyBoydModedesignerin 98• AnnabelDearlove Inhaberin von Parson’s Green 106• AnnabelLewisInhaberin von V.V. Rouleaux haberdashery 112• TobitRoche+NancyOakleyKünstler + Fashion PR Director 120

e1, e9, ec1, ec2 Whitechapel,Hackney,Clerkenwell,Shoreditch 126• LesTroisGarçonsInterior Designer und Gastronomen 130• Langlands+BellKünstler 138• LisaWhatmoughMöbeldesignerin 144• DaisydeVilleneuveKünstlerin und Designerin 149• EmilyChalmersRaumstylistin 156

w1, w2, w8, w10, w11 Marylebone,Bayswater,Kensington, NorthKensington,NottingHill 165

• AdamHills+MariaSpeakeInhaber der Firma Retrouvius 168• JaneCollinsStylistin und Inhaberin der Boutique Sixty6 174• SimonTempletonArchitekt 180• CaroleConradKunstmäzenin 186• JustinThornton+TheaBregazziModedesigner 192• SamRobinsonInhaberin der Boutique The Cross 200• CarinaCooperKochbuchautorin 208• NikkiTibblesFloristin und Inhaberin von Wild at Heart 214

VerzeichnisderAdressenundWebseiten 222

Aus dem Englischen übersetzt von Wiebke Krabbe

1. AuflageCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Titel der englischen Originalausgabe New London Style© 2008 Thames & Hudson Ltd. 181A High Holborn, London WC1V 7QX, Großbritannienwww.thamesandhudson.com

Copyright Text © 2008 Chloe GrimshawCopyright Fotografien © 2008 Ingrid RasmussenAlle Rechte vorbehalten

Design: SMITHVictoria Forrest, Lesley Gilmourwww.smith-design.com

Satz der deutschen Ausgabe: Boer Verlagsservice, MünchenProduktion der deutschen Ausgabe: Monika Pitterle / DVAPrinted and bound in Singapore by Tien Wah Press (Pte) Ltd.ISBN: 978-3-421-03741-1

www.dva.de

Seite 2: In Adam Hills’ und Maria Speakes Penthousewohnung in

Marylebone bilden Stoffe, die Adams Vater, ein Architekt, in den

1970er Jahren entworfen hat, einen ungewöhnlichen Kontrast zur

Stadtkulisse.

Als mein Großvater, der Kunstkritiker John Russell, 1994 bei Thames & Hudson ein Buch über London veröffentlichte, betrachteten wir alle die Stadt mit anderen Augen. Er beschäftigte sich damals mit der Frage, wie und warum wir in der Stadt leben, und ich möchte nun herausfinden, wie stark sich London in den letzten Jahren verändert hat.

Ich hätte dieses Buch nicht ohne die geduldigen und großzügigen Bewohner Londons schreiben können, von denen mir viele ihre Design-Geheimnisse oder ihre Lieblings-Einkaufsadressen verrieten. Vielen Dank an alle, die uns in ihre Häuser eingeladen und mit zahllosen Tassen Tee und Kaffee ver-wöhnt haben. Wir empfinden es als Ehre und bedanken uns herzlich, dass wir als Erste die Wohnungen von Carole Conrad, Jane Collins, Nikki Tibbles, Matthew Williamson und Erin O’Connor exklusiv für unser Buch fotografie-ren durften.

Es war spannend, Neues über Londons Geschichte zu lernen: von Norman Ackroyds Führung durch Bermondsey über Langlands + Bells Beschreibung von Whitechapel und natürlich Sam Robinsons großartigen Rundgang durch die ungewöhnlichsten Wohnungen und schönsten Antiquitätenläden von Notting Hill. Niemand kennt die Ecken und Winkel sowie die Geschich-ten der Stadtviertel besser als ihre Bewohner. Es hat uns Spaß gemacht, so viel Spannendes von ihnen zu erfahren.

Vielen Dank auch an das großartige Team im Verlag. Die Zusammenarbeit mit Elain McAlpine, Sadie Butler und Lucas Dietrich war wunderbar.

Chloe Grimshaw + Ingrid RasmussenLondon, 2008

Einleitung 8

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einleitung

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Die Gestaltung außergewöhnlicher Wohnungen gelingt nur mit viel Hingabe und Ausdauer. Es kostet Jahre, in denen man sucht, träumt und sammelt, ehe aus einer Wohnung ein Zuhause wird. Der gemeinsame Nenner des New London Style ist der Wunsch nach Originalität, statt einfach dem neuesten Trend nachzulaufen. Angetrieben von diesem Wunsch haben sich zwei Hausbesitzer, Simon Templeton (S. 180 ff.) und Carole Conrad (S. 186 ff.), Trep-pen nach eigenen Ideen bauen lassen: Simon für sein Haus in den Bayswater Mews und Carole für ihr Penthouse in einer der exklu-sivsten Straßen Londons. Die Raumstylistin Emily Chalmers (S. 156 ff.) hat mit wesentlich schmalerem Budget und viel Geduld Märkte und Charity Shops nach den perfekten Stücken für ihre Loftwohnung in einem Lagerhaus in Shoreditch durchstöbert. Vintage-Möbel – ob schnörkelige Formen früherer Epochen oder sachliche Design-Klassiker des 20. Jahrhunderts – können aus-gesprochen individuell wirken und den Charakter eines ganzen Raums beeinflussen. In ihrer Wohnung in Marylebone haben Adam Hills und Maria Speake (S. 168 ff.) Marmor-Tresenabdeckun-gen von einem Fischhändler zu Küchenarbeitsplatten umfunktio-niert. In Parson’s Green wurden ausgemusterte Drucksiebe aus einer Tapetenfabrik zum originellen Wandschmuck für Annabel Dearloves Schlafzimmer (S. 106 ff.).

Die moderne Londonerin lehnt den durchgestylten Designer-Chic ab und kombiniert lieber ein Primark-Kleid mit einer Marni-Tasche. Ebenso geht man auch an die Raumgestaltung heran. Die Künstlerin Daisy de Villeneuve (S. 150 ff.) hat in ihrer Wohnung in Clerkenwell ein Missoni-Kleid über eine Schranktür drapiert, und die Floristin Nikki Tibbles (S. 214 ff.) sammelt auf Antiquitäten-märkten Vasen aller Stilrichtungen für ihre Wohnung in Notting Hill. Und als Modedesigner Matthew Williamson (S. 22 ff.) keine passenden Möbel für sein Häuschen in Hampstead finden konnte, ließ er sie sich kurzerhand von den Designern Tann-Rokka bauen. Wenn Hausbesitzer Raumdesigner engagieren, fällt es ihnen oft leichter, ihre eigenen Stilgrenzen zu erweitern. Für Model Erin

O’Connor (S. 84 ff.) geschah dies in der Zusammenarbeit mit der Stylistin Suzy Hoodless, die ihr Mut machte, alte Chesterfield-Sofas mit verspielten Elementen wie zum Beispiel einer Tapete mit Tee-tassenmuster zu kombinieren.

In allen Teilen Londons werden Kirchen, Synagogen, Schulen und Kneipen mit viel Fantasie in originellen Wohnraum umgewan-delt. Tankstellen werden abgerissen und durch Luxuswohnungen ersetzt, in alten Wirtschaftsgebäuden und Ställen ent stehen be-gehrte »Mews«-Wohnungen. Die drei kreativen Köpfe von Les Trois Garçons (S. 130 ff.) leben in einem denkmalgeschützten Haus in Whitechapel, in dem sich früher eine Kneipe mit dem Spitznamen »The Birdhouse« befand. Ungewöhnliche Räume stellten auch den Künstler Norman Ackroyd (S. 68 ff.) mit seinem 200 Jahre alten Lagerhaus in Bermondsey und Interior Designerin Peggy Prende-ville (S. 76 ff.) mit ihrer umgebauten Arts-and-Crafts-Kapelle in Camberwell vor Heraus forderungen. Norman hat alte Zeichnungs-schränke und Arbeits tische zusammengetragen, um dem Indust-riecharakter des Gebäudes treu zu bleiben; Peggy dagegen wollte sich von den kirchlichen Bezügen lösen und wählte als Kontrast moderne Möbelstücke.

Da die Immobilienpreise in London zu den höchsten weltweit zählen, muss man – neben der entsprechenden finanziellen Ausstattung – schon entschlossen und einfallsreich sein, um hier einen Platz zum Wohnen zu finden. Die Londoner nutzen jeden Winkel – sie bauen Dachböden aus, erweitern das Haus in den Garten oder lassen neue Kellerräume schaffen. Trotz der explo-dierenden Preise ist eine gewisse Individualität typisch für London; in aller Welt weiß man um die kreativ-bunte Musik-, Mode-, Design- und Architekturszene. Auch die Wohnungen zeugen von dieser kreativ-freien Herangehensweise, die den persönlichen Stil über teure Accessoires und Designer-Küchen stellt. Der New London Style lässt sich nur über den Geschmack seiner Bewohner begreifen – manchmal exzentrisch, aber stets originell und inspirierend.

Der einzigartige, schräge Stil, der untrennbar mit London verbunden zu sein scheint, drückt sich auch in der Wohnkultur aus. Viele der Künstler, Stylisten und Designer, die in diesem Buch vorgestellt werden, haben Möbel und Textilien für ihre Zwecke umfunktioniert oder über Jahre hinweg Kunstsammlungen zusammengetragen, die von ihren Neigungen und Leidenschaften erzählen.

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nw1, nw3, nw6primrose hill hampstead brondesburY Queen’s parK

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In Primrose Hill lebte im 20. Jahrhundert Londons Literaturelite – von Karl Marx und William Butler Yeats bis Sylvia Plath und Kingsley Amis. Von dem stellenweise bis 60 Meter hohen Hügel hat man einen wunderbaren Blick über London, auf Canary Wharf und den Millennium Dome im Osten sowie die Schorn-steine des Kraftwerks von Battersea im Westen. Rings um The Crown, der als öffentlicher Park 1842 geschaffen wurde, liegen die viktorianischen Häuser-blöcke und Crescents (halbrunde, oval geschwungene Häuserreihen), die im 19. Jahrhundert entstanden.

Im Norden schließt sich an Primrose Hill Hampstead an, einer der teuersten Stadtteile Londons, in dem mehr Millionäre leben als in anderen Gebieten der Stadt. Im 18. und 19. Jahrhundert war Hampstead eine Enklave der Künstler und Literaten, und auch heute gilt es als das Intellektuellen-Viertel. Es ist der am höchsten gelegene Bezirk Londons und gilt seit jeher als idealer Ort, um sich aus allem zurückzuziehen. Obwohl Charles Dickens über das Leben der Armen in der Stadt schrieb, zog er es doch vor, im weitläufigen, ländlichen Hampstead zu wohnen. John Keats wurde durch seine Abendspaziergänge zur »Ode an eine Nachtigall« inspiriert, und John Constable malte den Blick von der Heide, bevor er sich in sein Haus im nahe gelegenen Well Walk zurückzog.

Auch Brondesbury war eine Landgemeinde, bis hier 1860 ein Bahnhof erbaut wurde. Von da an entwickelte es sich zu einem beliebten Wohngebiet, in dem sich prächtige viktorianische Villen an baumgesäumten Straßen reihen. Queen’s Park entstand, nachdem Königin Victoria hier 1879 die Ausstellung der Royal Agricultural Society eröffnet hatte. Über 2000 Häuser im damals beliebten gotisierenden Stil wurden zwischen 1870 und 1890 erbaut, davon einige mit extra vaganten Türmchen und Zinnen. In diesem familienfreundlichen Viertel leben heute Prominente wie zum Beispiel die UK-Vogue-Redakteurin Alexandra Shulman sowie Designerin Jade Jagger.

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VICTORIAMARRIOTT+CRAIGMATSONprimrose hill

Dieses viktorianische Reihenhaus im grünen Stadtteil Primrose Hill im Nordwesten Londons wurde bereits von drei Generationen der Familie Marriott bewohnt.

1958 kaufte der Architekt Philip Marriott das viktorianische Rei-henhaus; seine Töchter Victoria und Sophia erbten es in den späten 1980er Jahren und lebten über zehn Jahre lang mit ihren Familien darin. Nun bewohnt es Victoria mit ihrem Partner, dem Architek-ten Craig Matson, und ihren Kindern allein. Victoria und Craig, die 1996 die Design-Firma Roundhouse Design für individuelle Küchen-einrichtungen, Stauraumlösungen und Möbel gegründet haben, zahlten Sophia 2002 ihren Anteil aus und machten sich an die Neu-gestaltung der Räume. Dabei setzten sie die neuesten und innova-tivsten Techniken von Roundhouse ein, um ein komfortables, zeit-gemäßes Haus für die ganze Familie zu schaffen.

Als Victoria und Sophia das Haus renoviert hatten, lag ihnen besonders der Stuck am Herzen. »Wir standen mit einem Heißluft-föhn auf einer Leiter und kratzten die alten Farbschichten ab«, erinnert sich Victoria. »Es dauerte Wochen!« Als sich Teile des Stucks lösten, ließen die Schwestern bei Butcher Plasterworks gleich um die Ecke Ersatz herstellen. Sie beschlossen, den Stuck unge-strichen zu lassen, damit seine feinen Details, die sie so mühsam freigelegt hatten, gut sichtbar blieben. Auch die Wände und Decken befreiten sie von allen Farbschichten, um so die Patina des rohen Verputzes zur Geltung kommen zu lassen. Dabei entdeckten sie sogar einige alte Skizzen, die ihr Vater bei der Planung der Schlafräume und eines Schranks auf die Wände gezeichnet hatte.

Victoria legt besonders viel Wert auf eine familiäre, gemütliche Atmosphäre – besonders liebt sie das große, L-förmige Sofa im Wohnzimmer, das reichlich Platz für alle bietet. Auf den Regalen sind Erinnerungsstücke ausgestellt, darunter Fossilien und Zweige aus dem Haus ihrer Familie in Dorset, sowie eine Flasche mit Sand aus Cottesloe Beach in Australien, wo Craig aufgewachsen ist. Ein Stück Lochblech benutzt Victoria als Pinnwand für Zeichnungen und Fotos der Kinder. Der außer gewöhnliche Charakter des Hau-ses beruht vor allem auf dem Kon trast zwischen Altem und Neuem. Victoria und Craig nutzen alle Möglichkeiten, um mit Materialien und Texturen zu experimentieren. In der Küche setzen sie mit Edel-stahl-Arbeitsflächen, weiß glänzenden Schrankelementen und

pinkfarbenen Strahlern auf wirkungsvolle Kontraste. Eine lange, niedrige Holzbank trennt die Küche vom Essplatz und bietet Stauraum für Küchenutensilien. Am Tisch, der an der Wand steht, können bequem zehn Personen sitzen. »Nicht, dass wir so gern kochen«, erklärt Victoria. »Aber wenn Sophia und mein Schwager Richard mit den Kindern vorbeikommen, sind wir schon neun. Früher mussten die Kinder vor den Erwachsenen essen, jetzt haben wir endlich alle Platz am Tisch.« Die schmale Küche scheint auf den ersten Blick recht klein, aber durch die Glastüren zum Garten ist sie fast wie ein Wintergarten. Einheitliche Porzellanfliesen, die drinnen wie draußen verlegt wurden, verstärken den großzügigen Eindruck.

Die Besitzer beschlossen, den Wohnbereich auf das Erdge-schoss zu beschränken und nicht bis ins erste Stockwerk auszu-dehnen. Dadurch gewannen sie oben viel Platz für ein Arbeits-zimmer mit Bücherregalen, ein kompaktes Bad sowie ein großes Schlafzimmer. Victoria kombinierte Familienerbstücke, darunter Stühle von der Großmutter und einen Spiegel von den Eltern, mit modernen Möbeln, die sie und Craig entworfen haben. Beiden machte es viel Spaß, jeden Winkel des Hauses auszunutzen und jedes Detail zu durchdenken, etwa den Stauraumbedarf und die Beleuchtung im Schlafzimmer. Schränke und Regale wurden nach Maß in Nischen und über ganze Wandflächen eingebaut. Victoria gibt zu, dass ihr »das Raumgefühl und die Wirkung des Schranks im Raum wichtiger war als die Unterbringung der Kleidung« – so denkt eben eine Designerin!

Das zweite Geschoss mit separatem Bad und Kochnische ge-hört den beiden Töchtern Lily und Dora. Ganz oben befindet sich noch ein ausgebauter Dachboden als »Chill-out-Zone«. Zurzeit halten sich die beiden noch gern unten bei den Eltern auf, aber Victoria geht davon aus, dass sich das bald ändern wird. Lily hat sich für ihr Zimmer einen traditionellen Spiegel und eine hübsche Vintage-Tapete ausgesucht. Es scheint, als sei der Design-Funke bereits auf sie übergesprungen.

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Gegenüber Die alten Reklameschilder für Brymay-Redheads-Streichhölzer

stammen aus Craigs Heimatstadt Margaret River in Australien; sie haben

nun einen Platz auf der roh verputzten Wand im Flur bekommen.

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Gegenüber Dass Craig Spielzeug sammelt, verrät auch der Meccano-Eif-

felturm, den er im Eurostar auf der Rückfahrt von Paris zusammen-

baute. Das große, goldene »M« ist ein Familienerbstück, das früher an

der Innenseite der Eingangstür hing.

Unten Das Wohnzimmer ist im Stil der 1960er Jahre mit einem sachli-

chen, schwarzen Cassina-Sofa von Chaplins und einer klassischen

Stehleuchte von Heal’s eingerichtet. Als Bodenbelag wurden dunkle

Eichendielen verwendet.

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w1 Gegenüber Den großen Esstisch und die Holzbank haben die Haus-

besitzer selbst entworfen. Stühle im Arne-Jacobsen-Stil bieten

genügend Sitzgelegenheiten. Der Kronleuchter aus den 1930er Jahren

stammt von Rainbow.

Unten Auf einem Regal in der Küche sind Arbeiten des Londoner

T öpfers Fliff Lidsey ausgestellt, darunter Teller sowie Tassen und

Vasen. Auf Victorias Bett hat es sich Katze Stella Vic mit zwei

Teddybären gemütlich gemacht.

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Unten Von mehreren Generationen zusammengetragene Stücke geben

dem Haus seinen familiären Charakter. Der Holzsessel gehörte ein-

mal Victorias Großmutter; die Treppe ist noch Teil der Originalsub-

stanz des Hauses, das um 1850 erbaut wurde. Durch jahrzehntelangen

Gebrauch sind die Stufen mittlerweile abgetreten.

Gegenüber Nackter Verputz und ungestrichener Stuck sehen neben dem

alten Kronleuchter originell und ausgesprochen elegant aus. nw1

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matthew williamsonhampstead

Leuchtende Farben und originelle Details charakterisieren dieses Häus-chen in Hampstead – was sonst sollte man von einem weltbekannten Mode-designer auch erwarten?

Matthew Williamson, einer der Großen der Modeszene, hat sein zehnjähriges Berufsjubiläum 2007 mit einer Retrospektive im Design Museum London gefeiert. In seiner ungewöhnlich deko-rierten Boutique in Mayfair mit den handbemalten Tapeten, die mit den Designs, bunten Mustern und frechen Farben wetteifern, trifft man Kundinnen wie Top-Model Helena Christensen, Schauspiele-rin Sienna Miller und Designerin Jade Jagger. Matthew arbeitet als Creative Director für Pucci und in seinem eigenen, erfolgreichen Unternehmen – daher pendelt er regelmäßig zwischen Florenz und London. Um jedoch auch die dringend benötigte Ruhe zu finden, hat er sich kürzlich ein Häuschen mit Blick auf Hampstead Heath gekauft. Näher kann man dem Landleben in einer Großstadt nicht kommen. »Wenn ich hier bin, tanke ich Energie«, erklärt Matthew. »Ich habe gern viel Natur um mich, und mir gefällt auch die dörf-liche Atmosphäre gut.«

Als Modedesigner setzt Matthew gern Stickerei sowie farben-frohe Muster ein. Auch in seinem Haus wollte er diese Leidenschaft ausdrücken und stellte modernes, geradliniges Design lebhaften Farben und detailreichen Dekorationen gegenüber. Aus seiner Begeisterung für Raumgestaltung hat sich eine Zusammenarbeit mit den befreundeten Designern von Tann-Rokka ergeben, aus der beispielsweise der verspiegelte Sessel und das blaue Sofa im Wohn-zimmer hervorgingen. Die modernen Möbel fallen neben dem bestickten Sofa im Boheme-Stil besonders kontrastreich auf. Für die Berge von Kissen wurden Stoffe verarbeitet, die Matthew en masse von seinen vielen Reisen nach Marokko, Indien und Italien regelmäßig mitbringt.

Matthew hat sich aber nicht restlos dem Hippie-Chic und Boheme-Stil verschrieben, sondern sammelt auch moderne Klas-siker wie zum Beispiel den Marmor-Esstisch von Eero Saarinen und die leuchtend grünen Stühle von Charles und Ray Eames. Als Bodenbelag hat er für die offene Wohnung weißes Gummi von Dalsouple gewählt, das einen ruhigen Hintergrund für die lebhaften Farben abgibt. Über dem Tisch hängt ein Kronleuchter mit einem weißen Hochglanzanstrich, der aussieht, als wolle er gleich herab-

tropfen – ein originelles, modernes Stück von Mint. Das Ensemble aus dem grünen, modernen Beistelltisch mit dem vergoldeten Rokoko-Spiegel, den blauen und gelben Glasvasen aus den 1960er Jahren sowie dem alten Glasclown verrät eine Menge über Matthews Sammelleidenschaft.

Die Treppe nach oben ist mit weichem, schwarzem Teppich belegt. Für Licht sorgt eine Neonskulptur, deren Farbe sich ständig ändert. An der Stirnwand hängt ein Geweih zwischen Lieblings-fotos von Models, Schauspielerinnen und Freundinnen, die Matthews Kreationen tragen. Für sein Schlafzimmer hat Matthew eine Ton in Ton gehaltene, gemusterte Tapete der jungen, aufstre-benden Designer Rodnik gewählt, als wolle er beweisen, dass er sich nicht ausschließlich dem Hippie-Chic verschrieben hat. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass das »Blumen«-Muster in Wirklichkeit ein makabres Arrangement von Rippen und Wir-belsäulen ist. Der Sessel im Stil der 1960er Jahre entstand kürzlich in Zusammenarbeit mit Cappellini und Pucci. Und wie zum Beweis, dass er nicht von Designer-Labels besessen ist, liegt auf dem Bett eine Tagesdecke aus seiner Kollektion für Habitat, während die Leseleuchten von John Lewis stammen.

Berufsbedingt führt Matthew ein unruhiges Leben, ständig reist er zwischen Italien, Indien, London und Marokko hin und her. Sein Häuschen in Hampstead dient ihm daher als idealer Erho-lungs- und Rückzugsort, wo er – in der Nähe der Natur – arbeiten oder entspannen kann. Er gibt zu, kein guter Koch zu sein – aber ein guter Gastgeber, der bis in die frühen Morgenstunden Cock-tails mixt und seine Gäste verwöhnt. Sein eklektischer Stil mit Akzenten in leuchtendem Pink, dekorativen Tapeten und sorgfältig ausgesuchten Design-Klassikern zieht sich durch alle Räume in diesem verblüffend ländlichen Refugium in London.

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Gegenüber Matthew schätzt die Neon-Kunstwerke von Rob und Nick

Carter seit vielen Jahren. Für sein Haus hat er sich eine moderne

Lichtskulptur ausgesucht, die in allen Regenbogenfarben leuchtet.

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Unten Weißer Gummi-Bodenbelag kontrastiert mit Spiegelfliesen

von Intertiles und den fluoreszierenden Streifen an den Fenstern.

Das ungewöhnliche, blaue Sofa hebt sich eindrucksvoll vor der

Tapete von Mint mit schwarz-weißen Teetassen und -kannen ab.

Gegenüber Im Schlafzimmer harmonieren der Pucci-Sessel, die Tagesde-

cke aus Matthews Kollektion für Habitat und die makaber mit Rippen

und Wirbelsäulen gemusterte Tapete von Rodnik erstaunlich gut. nw3

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Oben Vor leuchtend grünen Küchenwänden präsentiert der Designer Lieb-

lingsstücke wie zum Beispiel die fröhlich-pinkfarbene Buddha-Leuchte

vom Beleuchtungsspezialisten Shiu-Kay Kan.

Gegenüber Der kleine Gartenhof hat mit seinen Orangen- und Zitronen-

bäumchen eine fast mediterrane Atmosphäre. Den weiß gestrichenen

Stuhl von Petersham Nurseries hat Matthews Mutter Maureen mit

einem Pucci-Stoff neu bezogen.

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Gegenüber Auf dem gemusterten Sofa von Liberty türmen sich kunter-

bunte Kissen. Oben Im Esszimmer wird ein grüner Beistelltisch

mit Glasvasen von Absolute Flowers und einem Goldrahmen-Spiegel

von Tann-Rokka kombiniert. Über dem Esstisch von Eero Saarinen

mit Stühlen von Ray und Charles Eames hängt ein origineller, »trie-

fender« Kronleuchter von Mint. Vor den schwarz gestrichenen Wän-

den und dem schwarzen Teppich heben sich die leuchtenden Farben

und Muster im Schlafzimmer besonders kontrastvoll ab.

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JOBERRyMANhampstead

In diesem Backsteinhaus im edwardia-nischen Stil treffen Rock ’n’ Roll und Trends aufeinander. Witzig-originelle Details bereichern den Boudoir-Stil mit seiner opulenten Eleganz.

Die Modestylistin Jo Berryman wollte sich mit ihrer Familie im grü-nen Hampstead niederlassen und suchte lange, bis sie im Frühling 2005 endlich dieses Backsteinhaus aus der edwardianischen Zeit fand. Der Magnolienbaum im Vorgarten stand in voller Blüte und durch die hohen Fenster flutete helles Licht ins Haus. »Es fühlte sich großartig an«, erinnert sich Jo. »Gleich beim Eintreten war mir klar, dass es ein bezauberndes Haus werden könnte.« Die Sanierungsarbeiten dauerten sechs Monate. Um dem Haus einen ganz persönlichen Stil zu verleihen, ging Jo auf Antiquitätenmärk-ten und bei Händlern für historische Baumaterialien auf die Suche nach ungewöhnlichen Objekten.

Im Erdgeschoss richtete sie auf einer Seite der geschwungenen Holztreppe, die zum Garten führt, eine große Küche mit Essplatz für Familie und Gäste ein. Auf der anderen Seite der Treppe erstreckt sich das Wohnzimmer über die ganze Hauslänge. Der sachliche Industrie-Chic der Boffi-Küche bildet einen originellen Kontrast zur eher nostalgischen Ausstattung der übrigen Räume. Steile Stufen führen hinab zu einem kleinen Esszimmer mit Ober-licht und Blick auf den Garten.

Das Wohnzimmer ist mit Antiquitäten und Möbeln vom Floh-markt ausgestattet, darunter ein Rundsofa aus den 1970er Jahren und ein runder, satinierter Zinntisch von Alfies Antique Market, deko-riert mit silbrigen Grau- und Bordeaux-Tönen, die mit dem zarte-ren Rosa der Magnolie draußen korrespondieren. Da Jo Textilien und Muster besonders liebt, wählte sie eine Tapete von Cole & Son in zwei verschiedenen Farbstellungen. Auf der Gartenseite des Raums steht ein kleiner Flügel auf einem »Squiggle«-Teppich von Vivienne Westwood. Auf der blauen Paisley-Tapete hängen weiß lackierte chi-nesische Schränkchen mit eingesetzten Spiegeln. Die blauen Krüge hat Jos Freundin Mags entworfen.

Im ersten, komplett umgebauten Stockwerk befinden sich Schlafzimmer, Ankleidezimmer, begehbarer Schrank und Bad. Jo wollte hier eine Atmosphäre wie in einem noblen, modernen Hotel schaffen. Sie erstand ein stattliches Bett »Savoir No. 2« (ursprüng-lich für das Savoy-Hotel entworfen), da sie »diesen altmodischen

Hollywood-Glamour mit einem Hauch Château Marmont« beson-ders mag. Beim Einrichten des Raums stellte sie sich »ein Holly-wood-Starlet in einem wallenden, champagnerfarbenen Negligé auf einem Zebrateppich« vor. Zierliche Nachttischchen und Art-déco-Leuchten mit Fransenschirmen komplettieren die glamou-röse Atmosphäre der 1930er und 1940er Jahre. Anstelle des Zebra-fells hat Jo einen Teppich ausgesucht, den Diane von Fürstenberg für The Rug Company entworfen hat. An der Wand hängt eine kleine Sammlung von Aktmotiven, darunter ein Ölbild von David Cobley (dessen Werke in der National Portrait Gallery zu sehen sind) und ein altes Gemälde von Fandango in Islington. Eins von Jos Lieb-lingsstücken ist der goldene Schriftzug »Love Me« von der New Yorker Künstlerin Julia Change. Am anderen Ende des Raums befindet sich der Ankleidebereich mit einer altmodischen Bade-wanne unter dem Fenster. Neben die Wanne hat Jo einen barock geschnitzten Holztisch gestellt. Das Familienerbstück, zwischen dessen Beinen ein geschnitztes Ei schwebt, »sieht so freimaure-risch aus, es könnte aber auch aus Indien stammen«.

Jo nimmt jeden Abend vor dem Schlafengehen ein Bad, und sie liebt diese Auszeit, um zur Ruhe zu kommen und den Tag Revue passieren zu lassen. Das eigentliche Bad wirkt zweckmäßi-ger. Es ist im Stil des luxuriösen Mercer-Hotels im New Yorker Stadtteil Soho mit viel Marmor und Spiegeln ausgestattet. Neben dem langen Marmor-Waschtisch gibt es hier eine Marmor-Dampf-dusche mit Sitzen an beiden Enden.

Im zweiten Stock befindet sich ein gemütlicher Raum mit Blick über die Baumwipfel auf Londons Skyline. Dies ist der einzige Raum, in dem DVDs und CDs erlaubt sind. Britische Accessoires und Anspielungen auf den Union Jack, etwa ein gestickter Wand-behang und ein tabakbraunes Kissen von Vivienne Westwood (für The Rug Company) geben dem Raum Originalität und Witz. Durch die Renovierung und Einrichtung des Hauses hat Jo ihre Begeiste-rung für das Raumdesign entdeckt; ihr gefielen die verschiedenen Arbeitsschritte und die Auswahl der rauchgrauen Bodenbeläge, der Vorhänge von Colefax & Fowler und der alten Möbel. Sie hat sogar erwogen, sich beruflich umzuorientieren – aber augenblick-lich genügt ihr die Freude an ihrem eigenen Haus, in dem Nostal-gie und Glamour originelle Akzente setzen.

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Gegenüber Ein geschnitztes Kaninchen hockt auf einem Stapel Bücher

über Kunst und Design vor der Tapete »Mimosa« von Cole & Son.

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Unten links Schreibtisch und Stuhl in Jos Arbeitszimmer stammen von

Retrouvius, einem Geschäft für historische Möbel und Bau-

materialien.

Unten rechts Die Treppe im Flur und der rauchgraue Dielenboden gehören

zur Originalsubstanz des Hauses.

Gegenüber Im Wohnzimmer gefällt Jo besonders der Kontrast zwischen

der Tapete mit dem zarten Federmuster von Cole & Son, dem Funken-

schutz mit dem Rosenmotiv und dem kühnen Bild von Damien Hirst

über dem Kamin.

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Gegenüber Im kombinierten Bade- und Ankleidezimmer hat Jo mit

farbintensiven Vorhängen von Osborne & Little Boudoir-Atmosphäre

geschaffen. Dazu passen der afrikanisch inspirierte Teppich von

Diane von Fürstenberg für The Rug Company und die eleganten

Sessel von George Smith.

Unten Im Schlafzimmer harmonieren die zierlichen Beistelltischchen

aus den 1970er Jahren ausgesprochen gut mit den schlichten

Art-déco-Leuchten.

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Gegenüber Jo liebt die witzigen, britischen Accessoires im Fernsehzim-

mer: das Chesterfield-Sofa – aufgepeppt mit einem Bezug in Lila –

und die wiederkehrenden Union-Jack-Motive. Der gestickte Wandbe-

hang »Jubilee« ist ein Entwurf von Lucinda Chambers für

The Rug Company.

Unten Fundstücke wie das kitschige Terrierbild und der Rokoko-Stuhl

von Alfies Antique Market nehmen neben den Platin-Platten von

Ehemann Guy (mittlerweile Jos Ex) einen Ehrenplatz ein. nw3

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harveY bertram-brownhampstead

Wenn ein Art Director umzieht und sein Haus neu einrichtet, muss man mit originellen, designbewussten Überraschungen rechnen.

Zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Carolyn Corbett (die er seit dem Studium am Royal College of Art kennt) betreibt Harvey Bertram-Brown die Design-Firma The New Renaissance, deren An-gebot von der Dekoration der Schaufenster im Nobel-Kaufhaus Harvey Nichols über das Styling von Boy George bis zur Regie bei Musikvideos für Elton John reicht. Für sein eigenes Haus wünschte sich Harvey ein cooles Ambiente ganz in Weiß, um nach hekti-schen Arbeitstagen zur Ruhe zu kommen.

Nach einer Trennung wollte Harvey einen Neuanfang wagen. Er entschied sich gegen eine Wohnung und für ein Haus. »Ich wollte eine eigene Haustür haben und selbst eine Atmosphäre schaffen, die man gleich beim Eintreten spürt.« Er brauchte aus-reichend Platz für ein Gästezimmer, ein Kinderzimmer (für sieben Neffen und Nichten) sowie ein großes Arbeitszimmer. Die Suche nach dem passenden Haus kostete viel Zeit. Nach vier Monaten und über 100 Besichtigungen fand er es jedoch endlich. Das Haus stand seit einem Jahr leer und war »ein winziger Karnickelstall mit ziemlich kleinen Räumen«, erinnert sich Harvey.

Er entschied sich früh, das Haus größtenteils in Weiß zu gestalten, und engagierte eine Spezialfirma, die alle Wände – selbst im Bad – vom Boden bis zur Decke mit weißem Gummi überzog. Normalerweise wird dieses Material in Chemielabors verarbeitet. Anfangs wollte Harvey ähnliche Netzvorhänge wie im Londoner Sanderson Hotel anbringen, doch dann fand er bei Habitat weiße Fransenvorhänge, die nur einen Bruchteil kosteten. Der einzige Raum, der farblich vom konsequenten Weiß abweicht, ist das ge-mütliche Wohnzimmer, das er in Schokoladenbraun, Flieder und Weiß einrichtete. Weil Harvey glänzende Oberflächen und Spiegel liebt, schaffte er eine Chromleuchte von Tom Dixon und einen ver-spiegelten Vogel von Aria an. Im Wohnzimmer stehen die Texturen und Farben im Vordergrund: ein Kuhfell als Teppich, ein Wildle-dersofa, Schränke aus lackiertem Holz und eine Tapete in Flieder und Silber. Weil Harvey oft und gerne Freunde und Verwandte ein-lädt, war ihm die Gestaltung der Küche besonders wichtig. Zusam-men mit einem Küchendesigner entwarf er eine maßgeschneiderte Einrichtung mit Granit-Arbeitsflächen, leuchtend grünen Spritz-schilden und einer altmodischen Deckenleuchte, deren Höhe sich

mithilfe einer Zugschnur regulieren lässt. Überall sieht es makel-los aufgeräumt aus. »Ich bekomme Klaustrophobie, wenn zu viel herumsteht«, erklärt Harvey. »Darum gibt es hier auch so viel Stau-raum. Ich finde Country-Küchen bezaubernd, aber ich halte es darin nicht aus. Ich mag auch dekorativen Krimskrams. Aber man muss dann Platz zum Atmen um sich schaffen, vor allem, wenn man konzentriert arbeitet.« In seinem Arbeitszimmer treffen romantische und sachliche Elemente aufeinander: Tapeten mit Baummuster von Cole & Son harmonieren mit einem alten Edel-stahlschrank und einem Kronleuchter aus einer Reihe nackter Glühlampen. Die Schaukästen an der Wand wurden entworfen, um seine Lieblingsbilder auszustellen und 17 Jahre Firmenge-schichte zu dokumentieren – eine ausgesprochen elegante Lösung. Harvey ist froh, auf diese Weise ohne »Staubfänger auf kleinen Regalen und Fotoalben, die man nie aufschlägt«, auszukommen.

Das Schlafzimmer, das Harvey sich »richtig romantisch« wünschte, hat er im Shabby-Chic-Stil eingerichtet. Das Bett im Louis-XIV-Stil und den Sessel hat er weiß gestrichen, damit sie sich inmitten der modernen, glänzenden Nachttische, dem Lack-schrank und dem Kronleuchter behaupten können. Angeregt von »Sex and The City« ließ er einen »Durchgangs-Kleiderschrank« im Stil von Carrie Bradshaw einbauen – Harvey liebt einfach Ord-nung und fein abgestimmte Farben. In den Gästezimmern ließ Harvey dem Spieltrieb freie Bahn. Erwachsene dürfen sich über pinkfarbene Kissen und ein glamouröses Bad freuen, im Kinder-Gästezimmer wird man von Kater Sylvester in einer Waldkulisse begrüßt. Da Harvey beruflich oft auf Reisen ist, bringt er immer wieder Souvenirs für sein Haus mit, darunter zum Beispiel auch leuchtend rosa Felle aus Südafrika. Der riesige Fernseher im Stil der 1960er Jahre kam ins Haus, um die Mitwirkung an einem Elton-John-Video zu feiern, und das pinkfarbene »Love«-Kissen im Kin-derzimmer stammt aus der Requisite für ein Video des britischen Popstars Rachel Stevens.

Mit dem Einzug ins neue Haus zog Harvey einen Schlussstrich unter ein Kapitel seines Lebens und fing noch mal ganz von vorn an. Er verkaufte den Großteil der Möbel aus seiner vorigen Woh-nung und behielt nur wenige Stücke, die ihm wichtig waren: Lieb-lingsbilder und Fotos sowie ein gemütliches Sofa. In ein neues Haus zu ziehen und es von Grund auf neu, modern und lebendig zu gestalten, beschreibt er als eine ungemein läuternde und moti-vierende Erfahrung.

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Gegenüber Harvey geht ganz in seiner Arbeit als Art Director auf. Aus purer

Freude am Gestalten hat er für den verwöhnten Hund seiner Geschäfts-

partnerin die wohl schrägste Hundehütte der Stadt entworfen.

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Unten links Der dreiteilige Spiegel ist ein Geschenk von Boy George. In

den 1980er Jahren hing er in der Wohnung des Sängers.

Unten rechts und gegenüber Im Gästebad hat Harvey mit Reproduktionen von

Bathstore eine glamouröse Vintage-Atmosphäre geschaffen.

Nächste Doppelseite In der nach Maß gebauten Küche glänzen Granit-

Arbeitsflächen unter Spritzschilden von Glass Deco. Die Keramiken

stammen von Jonathan Adler, der Hocker »Bombo« von Stefano Giovannoni.

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Das georgianische Häuschen im Nor-den Londons wurde von der Inhaberin eines Antiquitätengeschäfts mit einem versierten Blick fürs Detail eingerichtet.

Als Gillian Anderson-Price mit ihrem kleinen Sohn Sevy nach Hampstead zog, war ihr mulmig bei der Vorstellung, in einer länd-lichen Umgebung »ohne jungen Schwung« zu leben. Nachdem sie aber Sevy in der Karre um den Block geschoben hatte, war sie von der Bäckerei, dem Blumenladen und den traditionellen Tea Rooms gleich um die Ecke absolut begeistert. Sie trat in die Fußstapfen ihrer Mutter (der Besitzerin von Judith Michael Antiques in Corbridge, Northumberland) und eröffnete 2002 am Haverstock Hill in Hampstead ihr eigenes Geschäft Judith Michael & Daughter. 2005 zog sie dann in neue Geschäftsräume in Primrose Hill. Der Anti-quitätenladen spiegelt perfekt Gillians Geschmack und Vorlieben wider: alte Bücher, Drucke und Zeitschriften, elegante Spiegel, traditionelle Duftflakons und Leuchter.

Gillians georgianisches Häuschen befand sich seit dem 18. Jahr-hundert im Besitz der Familie Shepherd, und viele seiner Original-elemente sind noch erhalten. Ursprünglich hatte es als Gesinde-häuschen zu einem der großen Herrenhäuser Hampsteads gehört, doch Gillian nennt es lieber »Puppenhaus, weil es so winzig ist«. Die Raumaufteilung des Hauses war veraltet; im Obergeschoss lagen vier Schlafkammern, das Bad befand sich unten hinter der Küche. »Ich fand nicht, dass man in einem so kleinen Haus vier Schlafräume braucht!«, erinnert sich Gillian lachend. Um Platz zu gewinnen, ließ sie einen Anbau mit Küche und Wintergarten errichten, jedoch ist der Garten nun »klein wie eine Briefmarke«. Trotzdem meint sie, dass die Umbauten sinnvoll waren, denn »der Platz, den wir drinnen gewonnen haben, ist wertvoller als der, den wir draußen verloren haben«.

Als Inhaberin eines großen Antiquitätengeschäfts hatte Gillian bei den Möbeln eine riesige Auswahl. Zum Glück zwang das Haus ihr einige Entscheidungen auf, da man über die schmale Treppe nur Flat-Pack-Möbel und zierliche Stücke nach oben tragen konnte. Im Erdgeschoss dagegen war sie freier und konnte ihren Neigungen stärker nachgeben. Hier prunkt ein Kronleuchter über einem stattlichen Esstisch und einem auf Edelstahl gemalten Bild von Rory Dobner. Die meisten Ölporträts stammen noch von

Gillians Großmutter. Besonders gefällt ihr das Bild eines kleinen Jungen über dem Sofa. Im Wohnzimmer stehen sich alte und moderne Stück gegenüber. Möbel aus dem 18. Jahrhundert und der viktorianischen Zeit wetteifern mit anderen aus den 1930er Jahren und dem 21. Jahrhundert um Aufmerksamkeit.

Damit das schwarz-weiße Bad nicht zu nüchtern wirkt, hat Gillian eine schwarze Spitzengardine aufgehängt. Eine Sammlung viktorianischer Handspiegel mit Ebenholzrahmen wirkt auf der weißen Wand verblüffend grafisch. Erst wollte sie die Spiegel über eine ganze Wand verteilen, folgte dann aber dem Vorschlag einer Freundin, sie als Hingucker in Augenhöhe aufzureihen. »Ich finde, Sammlungen sehen immer toll aus«, sagt sie. »Es spielt keine Rolle, was man sammelt. Es kommt nur auf die Präsentation an.« In Sevys Zimmer hat Gillian sich mit Flaggen ausgetobt. Bunte Wimpel hängen an den Wänden und der Union Jack ziert Kissen und Tagesdecke. Ihr eigenes Zimmer unter dem Dach wollte Gil-lian ein bisschen »geheimnisvoll« einrichten. Sie entschied sich für eine Tapete mit Baummuster von Cole & Son an den schrägen Wän-den und einen üppigen Taftvorhang von Zoffany am Fenster. Ihre Lieblingsmöbel – ein massives Holzbett und ein französischer Kleiderschrank – mussten zerlegt werden, um sie nach oben zu schaffen. Über einen Vintage-Sessel drapierte sie eine Satin-Stola. Kerzen und ausgefallene Handtaschen, die als Dekoration dienen, tragen zur romantischen Stimmung bei. Eine Sammlung alter goldener Kugeln mit Kreuz, die einst als Dachreiter für Kirchen in Frankreich hergestellt wurden, steht auf dem Nachttisch unter einem originellen Holzschild.

Zum An- und Verkauf von Waren für ihr Geschäft geht Gillian an Wochentagen oft morgens um 4 Uhr aus dem Haus. Immer wieder muss sie sich verbieten, die schönsten Stücke mit nach Hause zu nehmen, und sie dafür in den Laden stellen. Nur ganz ausge fallene oder schwer verkäufliche Dinge nimmt sie mit, und es gelingt ihr, sie alle wie kostbare Antiquitäten wirken zu lassen. Selbst Sevy fängt bereits an, sich für das Familienunternehmen zu interessieren und kam kürzlich mit seinem ersten »Fund« nach Hause: einem viktorianischen Tukan samt aufgemalten Käfern in einer Glasvase. Gillian und Sevy haben sich zwar im ländlich-tradi-tionellen Hampstead niedergelassen, doch es besteht kaum Gefahr, dass sie in einem konventionellen Lebensstil erstarren.

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Gegenüber Auf Gillians Nachttisch steht vor der Tapete »Woods« von

Cole & Son eine Kugel mit Kreuz aus einer französischen Kirche.

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Chloe Grimshaw

New London StyleKreativ wohnen von Notting Hill bis Brixton, von Whitechapelbis Primrose Hill

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 224 Seiten, 23,0 x 25,0 cmISBN: 978-3-421-03741-1

DVA Architektur

Erscheinungstermin: März 2009

Die Wohntrends der Londoner Kreativ-Szene Überall in London entstehen originelle Interiors voller Fantasie, Visionen und Mut – ob in einerumgebauten Taxizentrale, einem Pub oder einer ehemaligen Kirche ... Anhand exklusiverFotografien und persönlicher Porträts werden in „New London Style“ 28 Häuser und Wohnungenerfolgreicher Kreativer aus der Kunst-, Musik-, Mode- und Designbranche vorgestellt – vonNotting Hill bis Brixton, von Whitechapel bis Primrose Hill. Ein faszinierender Rundgang durchaußergewöhnliche Wohnungen, der einmal mehr bestätigt: London ist die dynamischste undkreativste Metropole Europas! • Angesagte Wohntrends aus Londons Szenevierteln• Londons Kreative im Porträt• Exklusive Aufnahmen einfallsreicher und extravaganter Wohnkultur• Mit praktischem Designer- und Händlerverzeichnis